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474 | Pharm. Unserer Zeit | 34. Jahrgang 2005 | Nr. 6 DOI:10.1002/pauz.200500145 © 2005 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim Radiopharmazeutische Strategien und klinische Anwendungen Diagnostik von ZNS-Erkrankungen mittels PET bzw. SPECT F RANK R ÖSCH | G ERHARD G RÜNDER | MATTHIAS S CHRECKENBERGER | G ERD DANNHARDT D araus ergeben sich Anwendungen, die im klinischen Kontext zur Diagnostik von ZNS-Erkrankungen einge- setzt werden können. Die beiden bildgebenden Verfahren der Nuklearmedizin, PET (Positron Emission Tomogra- phy) und SPECT (Single Photon Emission Computer To- mography), können sehr erfolgreich mit anderen etablier- ten nicht-invasiven Verfahren wie der CT oder MRT kon- kurrieren. Dabei liegt der entscheidende Vorteil dieser Emissions-tomographischen Techniken auf der an biologi- schen Funktionen orientierten molekularen Bildgebung. Für die PET ist darüber hinaus wichtig, dass die molekularen Bildgebung durch die Quantifizierung biochemischer Pro- zesse ergänzt werden kann – was zum einen auf dem Ge- biet der Neurowissenschaften von ganz entscheidendem Gewinn ist, zum anderen aber auf die klinische Funktions- diagnostik ausstrahlt. Die moderne molekulare Bildgebung führt dank der paralle- len Entwicklung von Stoffwechsel-spezifischen Radiodiag- nostika, von sensitiven Radioaktivitätsdetektoren, von tomo- graphischen Techniken und von Methoden des molekularen Modellings kontinuierlich zu wichtigen Erkenntnissen zum Verständnis normaler und gestörter physiologischer und bio- chemischer Vorgänge. Die Anwendung der tomographischen Techniken für die Krankenversorgung beruht u.a. auf der Verfügbarkeit geeigneter radioaktiv markierter Moleküle. Deren beson- deres Potenzial für in vivo Anwendungen resultiert speziell aus: der Möglichkeit zur Original- bzw. Analog-Markierung mit den Positron-Emittern 11 C oder 18 F für die PET bzw. 123 I oder 99m Tc für die SPECT, d.h. der Synthese solcher radioaktiv markierter Moleküle, die sich in ihren che- mischen bzw. pharmakologischen Eigenschaften nicht oder nur wenig von bekannten endogenen Ligand- strukturen oder exogenen Medikamenten unterschei- den, und dem Tracerkonzept: Die 11 C, 18 F, 99m Tc oder 123 I-markier- ten Verbindungen repräsentieren pharmakodynamisch irrelevante Stoffmengen 1 . In gewisser Weise kann man die mit radioaktiv markierten Molekülen verbundene Stoffmenge als „homöopathisch“ bezeichnen. Generel- les Prinzip der Anwendung radioaktiv markierter Sub- stanzen ist damit der Einblick in das lebende bioche- mische System, ohne dieses zu stören oder zu beein- flussen. Dies ist insbesondere bei der Untersuchung von Bindungen der markierten Substanzen an Neurotrans- mitter-Systemen relevant. Radiopharmazeutische Prinzipien Die bildhafte Darstellung der markierten Verbindungen er- folgt über die Messung ihrer Radioaktivitäts-Verteilung. Hier- ABB. 1 Vergleich der PET-Diagnostik eines Hirntumors mit [ 18 F]FDG und O- (2-[ 18 F]Fluorethyl)-L-Tyrosin ([ 18 F]FET); niedriggradiges Gliom, rechts die morpho- logische Zuordnung mittels MRT 1 Beispielsweise liegen die in der PET verwendeten Mengen des D2-affinen Benzamids [ 18 F]Desmethoxyfallyprid bei ca. 10 nM, wogegen die zur Be- handlung schizophrener Patienten eingesetzte tägliche Dosierung des Benzamids Amisulprid (Solian ® ) Mengen von 0,1 bis 1 g erreicht. Dies macht einen Unterschied von 7 bis 8 Größenordnungen aus, was in etwa den Massenunterschied zwischen Mücke und Elefant (!) repräsentiert. Auch wegen dieser kleinsten Stoffmengen hat sich im angloamerikani- schen Sprachgebrauch der Begriff „tracer“ oder „radiotracer“ eingebür- gert, der die tatsächlich nur als „Spur“ vorhandene geringe Konzentrati- on des markierten Moleküls ausdrückt. In der deutschen Entsprechung werden die radioaktiv markierten Verbindungen als „Radiopharmaka“ bezeichnet. Das ist weniger zutreffend, da in dieser Terminologie die Ei- genschaften von Arzneimitteln subsumiert sind, die selbstverständlich immer auf die Wirkung von Stoffmengen zurückgehen. Dies trifft für die meisten der zur Untersuchung von Vorhängen im Hirn eingesetzten ra- dioaktiv markierten Moleküle nicht zu. Angemessener wäre der Ausdruck „Radiodiagnostika“.

Diagnostik von ZNS-Erkrankungen mittels PET bzw. SPECT: Radiopharmazeutische Strategien und klinische Anwendungen

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474 | Pharm. Unserer Zeit | 34. Jahrgang 2005 | Nr. 6 DOI:10.1002/pauz.200500145 © 2005 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim

Radiopharmazeutische Strategien und klinische Anwendungen

Diagnostik von ZNS-Erkrankungenmittels PET bzw. SPECTFRANK RÖSCH | GERHARD GRÜNDER | MAT THIAS SCHRECKENBERGER | GERD DANNHARDT

Daraus ergeben sich Anwendungen, die im klinischenKontext zur Diagnostik von ZNS-Erkrankungen einge-

setzt werden können. Die beiden bildgebenden Verfahrender Nuklearmedizin, PET (Positron Emission Tomogra-phy) und SPECT (Single Photon Emission Computer To-mography), können sehr erfolgreich mit anderen etablier-ten nicht-invasiven Verfahren wie der CT oder MRT kon-kurrieren. Dabei liegt der entscheidende Vorteil dieserEmissions-tomographischen Techniken auf der an biologi-schen Funktionen orientierten molekularen Bildgebung. Fürdie PET ist darüber hinaus wichtig, dass die molekularenBildgebung durch die Quantifizierung biochemischer Pro-zesse ergänzt werden kann – was zum einen auf dem Ge-biet der Neurowissenschaften von ganz entscheidendemGewinn ist, zum anderen aber auf die klinische Funktions-diagnostik ausstrahlt.

Die moderne molekulare Bildgebung führt dank der paralle-len Entwicklung von Stoffwechsel-spezifischen Radiodiag-nostika, von sensitiven Radioaktivitätsdetektoren, von tomo-graphischen Techniken und von Methoden des molekularenModellings kontinuierlich zu wichtigen Erkenntnissen zumVerständnis normaler und gestörter physiologischer und bio-chemischer Vorgänge.

Die Anwendung der tomographischen Techniken fürdie Krankenversorgung beruht u.a. auf der Verfügbarkeitgeeigneter radioaktiv markierter Moleküle. Deren beson-deres Potenzial für in vivo Anwendungen resultiert speziellaus:• der Möglichkeit zur Original- bzw. Analog-Markierung

mit den Positron-Emittern 11C oder 18F für die PET bzw.123I oder 99mTc für die SPECT, d.h. der Synthese solcherradioaktiv markierter Moleküle, die sich in ihren che-mischen bzw. pharmakologischen Eigenschaften nichtoder nur wenig von bekannten endogenen Ligand-strukturen oder exogenen Medikamenten unterschei-den, und

• dem Tracerkonzept: Die 11C, 18F, 99mTc oder 123I-markier-ten Verbindungen repräsentieren pharmakodynamischirrelevante Stoffmengen1. In gewisser Weise kann mandie mit radioaktiv markierten Molekülen verbundeneStoffmenge als „homöopathisch“ bezeichnen. Generel-les Prinzip der Anwendung radioaktiv markierter Sub-stanzen ist damit der Einblick in das lebende bioche-mische System, ohne dieses zu stören oder zu beein-flussen. Dies ist insbesondere bei der Untersuchung vonBindungen der markierten Substanzen an Neurotrans-mitter-Systemen relevant.

Radiopharmazeutische PrinzipienDie bildhafte Darstellung der markierten Verbindungen er-folgt über die Messung ihrer Radioaktivitäts-Verteilung. Hier-

A B B . 1 Vergleich der PET-Diagnostik eines Hirntumors mit [18F]FDG und O-(2-[18F]Fluorethyl)-L-Tyrosin ([18F]FET); niedriggradiges Gliom, rechts die morpho-logische Zuordnung mittels MRT

1 Beispielsweise liegen die in der PET verwendeten Mengen des D2-affinenBenzamids [18F]Desmethoxyfallyprid bei ca. 10 nM, wogegen die zur Be-handlung schizophrener Patienten eingesetzte tägliche Dosierung desBenzamids Amisulprid (Solian®) Mengen von 0,1 bis 1 g erreicht. Diesmacht einen Unterschied von 7 bis 8 Größenordnungen aus, was in etwaden Massenunterschied zwischen Mücke und Elefant (!) repräsentiert.Auch wegen dieser kleinsten Stoffmengen hat sich im angloamerikani-schen Sprachgebrauch der Begriff „tracer“ oder „radiotracer“ eingebür-gert, der die tatsächlich nur als „Spur“ vorhandene geringe Konzentrati-on des markierten Moleküls ausdrückt. In der deutschen Entsprechungwerden die radioaktiv markierten Verbindungen als „Radiopharmaka“bezeichnet. Das ist weniger zutreffend, da in dieser Terminologie die Ei-genschaften von Arzneimitteln subsumiert sind, die selbstverständlichimmer auf die Wirkung von Stoffmengen zurückgehen. Dies trifft für diemeisten der zur Untersuchung von Vorhängen im Hirn eingesetzten ra-dioaktiv markierten Moleküle nicht zu. Angemessener wäre der Ausdruck„Radiodiagnostika“.

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zu ist eine ausreichend hohe Anreicherung der markiertenVerbindungen im betroffenen Gewebeareal im Vergleich zubenachbarten Geweben wichtig. Dieses targeting kann aufder Messung lokal veränderter physiologischer Parameteroder auf der biochemischen Bindung von Liganden an mem-branständige bzw. andere Proteine oder an intra- bzw. ex-trazelluläre Enzyme beruhen. Lokale physiologische Pro-zesse betreffen den regionalen zerebralen Blutfluss, die re-gionale zerebrale Glucoseumsatzrate und speziell bei derTumordiagnostik den Metabolimus, wie z.B. die Proteinsyn-theserate oder korrelierte Parameter. Im Kontext der Li-ganden-Biochemie wird die Bindung von radioaktiv mar-kierten Liganden an Neurotransmitter-Rezeptoren oder -Transportern sowie an intrazelluläre oder intrasynaptischeEnzyme analysiert. Seit kurzem können auch Existenz bzw.Ausmaß von β-Amyloid-Plaques dargestellt werden.

Lokale physiologische Prozesse Lokale physiologische Prozesse als Folge primärer Störun-gen sind sekundär ein veränderter Blutfluss und ein ver-änderter Energieverbrauch. Auch diese Effekte sind diag-nostisch relevant und können mit radioaktiv markierten Mo-lekülen „sichtbar“ werden. Für die Messung des Blutflussesmittels SPECT stehen 99mTc-markierte Komplexliganden wie[99mTc]TcO(d,l)-HMPAO und [99mTc]TcO(l,l)-ECD zur Ver-fügung. Für die Messung der zerebralen Glucoseumsatzra-te bieten die 2-[18F]Fluor-2-desoxy-D-glucose ([18F]FDG)und PET ein exzellentes diagnostisches Potenzial. Etablier-te klinische Anwendungen betreffen hier die präoperativeDiagnostik bestimmter Epilepsien, die Früh- und Differen-zial-Diagnostik der Alzheimer-Erkrankung und der fronto-temporalen Demenz sowie die Charakterisierung vitalenTumorgewebes.

Als Indikatoren des Zellmetabolismus werden speziellim Bereich der Neuro-Onkologie zusätzlich radioaktiv mar-kierte Aminosäuren eingesetzt. Da gesunde Hirnzellen nichtproliferieren, entsteht ein positiver Kontrast zwischen Hirn-tumor und gesundem Hirngewebe (Abb. 1 links). WichtigePET-Aminosäuren sind L-[11C]Methionin, 2-[18F]Fluor-L-ty-rosin, O-(2-[18F]Fluorethyl)-L-tyrosin ([18F]FET); die wich-tigste SPECT-Aminosäure ist 3-[123I]Iod-α-methyl-L-tyrosin.Dieser Ansatz ist in der Regel aussagefähiger als die Hirn-tumor-Diagnostik mit dem Glycolyse-Tracer [18F]FDG. Daselbst aggressivere Hirntumore wie Gliome oder Astro-cytome eine geringere Glycolyserate aufweisen als gesun-de Hirnzellen, entsteht dort ein negativer Kontrast (Abb. 1rechts).

Bindung von Radioliganden an Rezeptoren und Enzyme

Aus verschiedenen Gründen sollten die radioaktiv markier-ten Liganden2 vor allem folgende Eigenschaften aufweisen:• schnelle und vollständige Penetration der Blut-Hirn-

Schranke,• hoch-affine und (bezogen auf andere Rezeptoren bzw.

die Subtypen der gleichen Rezeptorklasse) selektive,

idealerweise Subtyp-spezifische Bindung am bioche-mischen Target,

• niedrige unspezifische Bindung an Nicht-Target-Areale• geeignete kinetische Parameter bzgl. der Gleichge-

wichte der Ligand-Rezeptor-Bindung, aber auch bzgl.der Verhältnisse zwischen biochemischer Aufnahmeund physikalischer Halbwertszeit des verwendeten Radionuklids,

• bekannter Metabolismus und bei Bildung von Metabo-liten bevorzugt solche mit geringer Affinität und Toxi-zität bzw. mit polaren Eigenschaften (die einen schnel-len Abtransport aus dem Hirn bewirken).

Beispiel dopaminerges SystemDas dopaminerge Rezeptorsystem bietet sich aus mehrerenGründen zur Illustration der Strategien der Radiopharmazieund der molekularen Bildgebung zur Erfassung normalerund gestörter Prozesse der Signaltransduktion an. Abb. 2stellt schematisch die radiopharmazeutischen Strategien zurMessung der für die Signalübertragung relevanten Stoff-wechselprozesse mit markierten Liganden dar.

Präsynaptische Neurotransmitter-Synthese: Derendogene Neurotransmitter L-Dopamin wird aus L-Tyrosinenzymatisch aufgebaut. Die Tyrosinhydroxylase hydrolysiertL-Tyrosin zum L-Dopa, die Decarboxylase AADC überführtL-Dopa in L-Dopamin. Beide Enzyme haben speziell im Stria-tum eine hohe Konzentration. 18F-markierte Derivate des L-Tyrosins und vor allem des L-Dopa, hier speziell das 6-[18F]Fluor-L-Dopa, sind gleichfalls Substrat dieser Enzymeund eignen sich daher als biochemische Mimetika [1]. Siewerden i.v. injiziert und passieren die Blut-Hirn-Schrankeüber spezialisierte Transportermoleküle. Bei entsprechendhoher Enzymkonzentration im Striatum wird 6-[18F]Fluor-L-dopa im präsynaptischen Areal decarboxyliert, wobei die18F-Markierung in das Folgemolekül übernommen wird.Über diese enzymatisch katalysierte Reaktion wird damitein intrazellulärer, präsynaptischer Speicher-Effekt, ein trap-ping, erreicht: Als 6-[18F]Fluor-L-dopamin erfolgt – gemein-sam mit dem endogenen L-Dopamin – die Speicherung inden präsynaptischen Vesikeln. Diese präsynaptische Akku-mulation liefert die klinisch relevante Information3.

2 Die Definition als „Liganden“ oder „Radioliganden“ entstammt der Kom-plexbildungschemie und reflektiert primär die Bindung eines Neuro-transmitters (Ligand) am Rezeptor im Sinne einer reversiblen oder irre-versiblen Ligand-Rezeptor-Komplexbildung, die sich in Form von Gleich-gewichtskonstanten (hier Kd oder Ki bzw. Affinität in nM) beschreibenlässt. Dies wird im übertragenen Sinn ebenfalls für solche Moleküle (Liganden) verwendet, die nicht unmittelbar an Neurotransmitter-Re-zeptoren binden, sondern mit den für die Neurotransmission maßge-benden Enzymen oder auch anderen Bindungspartner (z. B. Proteinen)reagieren.

3 Für wissenschaftliche Fragestellungen ist zusätzlich wichtig, dass 6-[18F]Fluor-L-dopamin präsynaptisch weiter metabolisiert wird. Da 18F-haltige Metaboliten die dopaminergen Nervenzellen per Diffusionwieder verlassen, ist die mathematische Modellierung des Tracer-Verhal-tens erschwert.

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Neurotransmitter-Bindung am postsynaptischenRezeptor: Das in den synaptischen Spalt ausgeschütteteDopamin vermittelt die Signaltransduktion im dopaminer-gen System durch die Bindung am postsynaptischen Re-zeptor. Steht ein radioaktiv markiertes Analogon des endo-genen Neurotransmitters zur Verfügung, konkurrieren bei-de um den gleichen Rezeptor. Hohe Rezeptorverfügbarkeit– verursacht durch (i) mangelnde Konzentration des endo-genen Liganden, (ii) überexprimierte Rezeptordichte, (iii)schnellen Abtransport des L-Dopamins durch präsynapti-sche Rückaufnahme oder (iv) intrasynaptischen enzymati-schen Abbau des Neurotransmitters – erlaubt eine starkeAnreicherung des Radioliganden am postsynaptischen Re-zeptor. Für viele neuropsychiatrische Störungen ist vor allem der Subtyp D2 interessant. Verwendete PET-Ligandensind Butyrophenone wie 3-N-(2'-[18F]Fluorethyl)-spipe-ron und Benzamide wie [11C]Racloprid, [11C]FLB457,[18F]DMFP; SPECT-Liganden sind die Benzamide [123I]IBZMund [123I]Epideprid.

Neurotransmitter-Rückaufnahme am präsynap-tischen Transporter: Mit Derivaten des Kokains stehenradioaktiv markierte Liganden für den dopaminergen Trans-porter (DAT) sowohl für die PET als auch für die SPECT zur

Verfügung, die Prozesse der Dopamin-Rück-aufnahme abbilden können. Auch wenn ver-schiedene der verwendeten Tropane einevergleichbare Bindungsaffinität zum sero-tonergen Transporter (im Mittelhirn lokali-siert) aufweisen, ist die Aktivitäts-Akkumu-lation im Striatum klinisch eindeutig be-wertbar. Verwendete DAT-affine PET-Ligan-den sind N-([11C]methyl)-β-CΙΤ, [11C]PE2I,N-([18F]FD)-β-CΙΤ; SPECT-Liganden vor allem[123I]FP-β-CΙΤ (DATSCAN) und [99mTc]TRO-DAT.

Neurotransmitter-Abbau im synap-tischen Spalt: Die endogenen Neurotrans-mitter unterliegen im synaptischen Spalt en-zymatischen Abbauprozessen, beispielswei-se durch die Monoamin-Oxidasen. Mitradioaktiv markierten Molekülen, die eben-falls Substrate dieser Enzyme sind (wie[11C]Deprenyl beispielsweise für die MAO-B-Oxidase), kann der Dopamin-Abbauprozessin Form der oxidativen Deaminierung in vi-vo sichtbar werden.

Vesikuläre Transporter an präsyna-ptischen Vesikeln: Proteine, die an prä-synaptischen Vesikeln lokalisiert sind, sindBindungsstellen von Neurotransmittern bzw.ihrer radioaktiv markierten Analoga. Ansät-ze der molekularen Bildgebung betreffenden vesikulären Monoamin-Transporter Typ2 (VMAT2), darstellbar u.a. mit [11C]Dihy-dro-tetra-benazin [2].

Andere NeurotransmittersystemeDie für das dopaminerge System charakterisierten Ansätzesind in vielfältiger Weise auch auf andere Neurotransmitter-Systeme angewandt worden. Es existieren mehr als hun-dert radioaktiv markierte Liganden für prä- und postsynap-tische Bindungsstellen vor allem für die RezeptorsystemeGABA/Benzodiazepin, Acetylcholin (nikotinisch, muskari-nisch), Serotonin, Opiat, Histamin, Adenosin, Sigma usw.,bzw. für die in diesen Rezeptorsystemen relevanten Enzy-me.

Klinischer EinsatzPET und SPECT werden bei Hirnerkrankungen dank derentsprechend verfügbaren Radiodiagnostika derzeit vor al-lem klinisch genutzt zur Diagnostik von: • Hirntumoren,• neurodegenerativen Erkrankungen, vor allem bei Be-

wegungsstörungen (wie dem Mb. Parkinson, der Multi-system-Atrophie, Dystonien, hyperkinetischen Syndro-men wie beispielsweise Huntington Chorea, Ataxienund anderen neurodegenerativen Störungen) bzw. beiDemenzen und anderen neurodegenerativen Erkran-kungen (hier vor allem der Alzheimer-Erkrankung und

Freisetzung

Nerven-endigung

PostsynaptischesNeuron

Dopa

DA

DA

AADC

DA

DA

Dopamin-Transporter

D2-Rezeptor

abbauendeEnzyme

DA

1

2

5

43

A

Freisetzung

Nerven-endigung

PostsynaptischesNeuron

Dopa

DA

DA

AADC

DA

DA

Dopamin-Transporter

D2-Rezeptor

abbauendeEnzyme

DA

1

2

5

4

3

B

A B B . 2 S chema von prinzipiellen Prozessen der synaptischen Signalübertragung am dopa-minergen System (A) und radiopharmazeutische Strategien zur Messung der für die Signalüber-tragung relevanten Stoffwechselprozesse im dopaminergen System (B). 1. radioaktiv markierteVorstufen der L-Dopamin-Synthese, 2. radioaktiv markierte Dopamin-Analoga mit geeigneterAffinität zum postsynaptischen Dopaminrezeptor, 3. radioaktiv markierte Analoga mit geeigne-ter Affinität zum präsynaptischen Dopamintransporter, 4. radioaktiv markierte Substrate vonEnzymen im synaptischen Spalt, die L-Dopamin abbauen, 5. radioaktiv markierte Moleküle, dieüber vesikuläre Monoamin-Transporter an präsynaptische Vesikel binden.

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dem Mild Cognitive Impairment (MCI), Lewy-Körper-Demenzen, fronto-temporalen und vaskularen Demen-zen, aber auch der Creutzfeldt-Jacob-Erkrankung),

• zerebrovaskulären Erkrankungen wie speziell der Ischä-mie,

• Epilepsien, speziell bezüglich der Lokalisierung epilep-tischer Foci, der Beurteilung der Progression epilepti-scher Läsionen und deren prä- und post-therapeutischenCharakterisierung, und

• psychiatrischen Erkrankungen, wie vor allem bei schi-zophrenen und affektiven Störungen, bei Alkohol- undanderen Substanzabhängigkeiten oder bei Persönlich-keits- bzw. Verhaltensstörungen.Im größeren Rahmen klinisch etabliert haben sich Dia-

gnosen von Hirntumoren, von Mb. Parkinson, Epilepsie undder Alzheimer-Demenz. Ein Überblick über die Vielfalt dermit Radiopharmaka und Emissions-tomographischen Ver-fahren verbundenen klinischen Diagnoseverfahren undHirnforschungen ist hier nicht möglich. Speziell für die PETgibt das 2004 erschienene Buch von Herholz et al. [3] zudiesen Themen einen detaillierten Überblick.

Allerdings muss die hohe diagnostische Aussagekraftdieser molekularen Funktionsdiagnostik begleitet werdenvon der guten Verfügbarkeit der Radiodiagnostika in einemklinischen Umfeld. Insofern tragen derzeit hauptsächlichkommerziell verfügbare und arzneimittelrechtlich zugelas-sene SPECT-Verbindungen wie [123I]IBZM, [123I]DATSCAN,[123I]Iomazenil sowie die 99mTc-markierten zerebralen Blut-flusstracer quantitativ den größten Anteil der Diagnostikvon ZNS-Erkrankungen.

Besonders wegen der kurzen Halbwertszeit der wesent-lichen Positronen-Emitter 11C (20 min) und 18F (110 min)verzeichnet die PET hier logistische Nachteile. Eine befrie-digende klinische Versorgung der niedergelassenen und universitären Nuklearmedizin mit 11C-markierten Radio-diagnostika ist kaum möglich. Deshalb sind 18F-markierteAnaloga gefragt, die wegen der längeren physikalischenHalbwertszeit des Fluor-18 besser für eine routinemäßigeklinische Nutzung geeignet und evtl. auch eher kommer-zialisierbar sind. Ungelöst ist jedoch bislang (bis auf die ein-zige Ausnahme [18F]FDG) das Problem der Zulassung derentsprechenden 18F-markierten Radiodiagnostika.

Morbus ParkinsonDie Parkinson-Erkrankung geht auf den Untergang dopami-nerger Neurone zurück. Radioliganden, die die Synthese desDopamins, seine Bindung an präsynaptische/vesikulär-prä-synaptische Transporter oder am postsynaptischen Rezep-tor darstellen, sind damit viel versprechende Radiodiagno-stika. Sie erlauben dem Neurologen bereits in der Frühpha-se der Erkrankung, wenn die Symptomatik (noch) diskreterscheint, Aussagen über die Differenzierung des Parkin-son-Syndroms von Multisystem-Atrophien, von Dystonienbei juvenilen Patienten, von Tremor-Formen bei Erwachse-nen, von progressiver supranuklärer Blickparese, kortiko-basaler Degeneration oder Demenz vom Lewy-Körper-Typ.

Klinisch ist die Beurteilung der präsynaptischen neuro-nalen Aktivität besonders interessant bei Basalganglien-Er-krankungen. Die Degeneration der nigralen Axone im Stria-tum ist ein Korrelat der Pathogenese der idiopatischen Par-kinson-Erkrankung, welche direkt über die Veränderung der6-[18F]Fluor-L-dopa-Speicherung im Putamen messbar ist.Bei typischen Parkinsonerkrankungen wird eine Minderak-kumulation des Radioliganden festgestellt (Abb. 3, links). Re-levant ist auch der Abgleich zu anderen Erkrankungen ähn-licher Symptomatik, wie z.B. zur Dopa-responsiven Dysto-nie.

Die beschriebene Parkinson-Pathologie der Minderpro-duktion von Dopamin führt typischerweise zu einer Verar-mung des Striatums an Dopamin im synaptischen Spalt.Kompensatorisch folgt eine bessere Verfügbarkeit post-synaptisch lokalisierter D2-artiger Dopaminrezeptoren. Dieswird mit Radioliganden hoher Affinität zum D2-artigen Sub-typ des Rezeptors, wie beispielsweise dem 18F-markiertenBenzamid DMFP [4], in Form einer starken Anreicherung imStriatum messbar (Abb. 3, rechts). Bei unbehandelten idio-pathischen Erkrankungen wird eine verstärkte Bindung derD2-affinen Radioliganden im Putamen registriert. Dies ist kli-nisch besonders eindrucksvoll bei unilateral betonter Sym-ptomatik durch erhöhte D2-Rezeptorbindung im Striatumder kontralateralen Seite.

DAT-Liganden finden ihren wesentlichen Einsatz bei derBestätigung bzw. dem Ausschluss neurodegenerativer Par-kinson-Syndrome im Vergleich zu einem anderweitig de-terminierten präsynaptischen Dopamin-Defizit. Diese fürdie Therapie-Wahl entscheidende Diagnostik wird inzwi-schen weitgehend dadurch erleichtert, dass SPECT-Ligan-den wie DATSCAN ([123I]FP-β-CIT) kommerziell verfügbarsind. Diese Diagnostik des dopaminergen Systems auf prä-synaptischer Ebene erlaubt Aussagen darüber, ob klinische

A B B . 3 Diagnostik eines Patienten mit Mb. Parkinson mit unilateral links lokali-sierter Symptomatik. Minderakkumulation von 6-[18F]Fluor-L-dopa (links) bzw. ver-stärkte Bindung von [18F]DMFP (rechts) im rechten Striatum spiegeln zwei verschie-dene biochemische Prozesse wider.

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Symptome eines Parkinsonismus auf neurodegenerative Par-kinson-Syndrome zurückzuführen sind. Abbildung 4 (links)oben zeigt den mit [123I]FP-β-CIT gewonnenen pathologi-schen SPECT-Befund.

Liegt ein solches neurodegeneratives Parkinson-Syn-drom vor, hilft die Erhebung des postsynaptischen D2-Rezeptorstatus, um zwischen einem Morbus Parkinson(Rezeptorstatus primär intakt, IBZM-SPECT-Befund normal)und neurodegenerativen Parkinsonsyndromen zu unter-scheiden, die durch einen Zelluntergang auf prä- und post-synaptischer Ebene charakterisiert sind (z.B. Multisystem-Atrophie, supranukläre Blicklähmung, corticobasale Dege-neration etc.) (Abb. 4, unten). Letztere weisen neben einempräsynaptischen Defizit dementsprechend auch einen pa-thologischen SPECT-Befund auf postsynaptischer Seite auf(Abb. 4, unten rechts).

Alzheimer-ErkrankungDa die Alzheimer-Demenz (AD) die häufigste neuro-degenerative Erkrankung und deren Frühdiagnostik einezentrale gesundheitspolitische Herausforderung darstellen,ist die nicht-invasive Darstellung von Alzheimer-relevantenStoffwechsel-Störungen ganz besonders dringend. Dies ge-lingt mittels PET oder SPECT derzeit über vier verschiede-nen Strategien.

Zum einen ist in den histopathologisch betroffenenArealen der regionale zerebrale Blutfluss vermindert (typi-scherweise im temporo-parietalen Kortex), was mit den99mTc-markierten Komplexen HMPAO oder ECD mit SPECTdiagnostiziert werden kann (Abb. 5a).

Analog hierzu findet sich zum zweiten auch ein redu-zierter Glukosestoffwechsel mittels [18F]FDG-PET (z.B. [5,6]) in den betroffen Regionen (Abb. 5b). Insgesamt ist auf-grund der besseren Ortsauflösung des PET die Sensitivitätder PET-Untersuchung in der Diagnostik sehr früher Krank-heitsstadien etwas höher.

Einen dritten indirekten Ansatz bietet die Veränderungder kortikalen Acetylcholinesterase (AChE)-Konzentrationinfolge der AD-typischen Degeneration cholinerger Neuro-nen in den Basalganglien (speziell im Meynert‘schen Nucle-us basalis). Beispielsweise wird das lipophile Acetylcholin-Analogon [11C]MP4A durch die AChE intrazellulär hydroly-siert und verbleibt in den entsprechenden Gehirnarealenproportional zur AChE-Aktivität [7, 8]. Auch für klinische

A B B . 4 Diagnostik des Mb. Parkinson mittels SPECT. Links: 48-jährige Patientin mit Mb. Parkinson. Deutliche Reduktion der[123I]FP- ββ-CIT-Bindung an präsynaptischen Dopamintransporternmit Betonung des Putamens als Ausdruck der Degeneration desnigrostriatalen Systems (oben). Die Bindung von IBZM an die post-synaptischen Dopamin-D2-Rezeptoren ist normal (unten). Rechts:76-jährige Patientin mit einer Multisystematrophie. Wie links deut-lich reduzierte [123I]FP-ββ-CIT-Bindung an den präsynaptischen Do-pamintransporter im Striatum (oben) und pathologisch erniedrigtestriatale IBZM-Bindung (unten) [K. Tatsch, Klinik für Nuklearmedizin,Universität München, LMU].

A B B . 5 Diagnostik der Alzheimer-Demenz. (a) [99mTc]-TcO(l,l)-ECD-SPECT eines Patienten mit Alzheimer-Demenz.Oberflächenprojektionen des zerebralen Blutflusses vonrechts seitlich (erstes Bild), von oben (Bild in der Mitte) sowievon links seitlich (drittes Bild). Es findet sich typischerweiseein reduzierter Blutfluss (grüne Farbskalierung) im beidsei-tigen Parietallappen (im vorliegenden Fall deutlich rechts-betont). (b) [18F]FDG-PET eines Patienten mit Alzheimer-Demenz. Oberflächenprojektionen des Hirnstoffwechsels vonrechts seitlich (erstes Bild), von oben (zweites Bild) sowie vonlinks seitlich (drittes Bild). Nachweis eines reduzierten Gluco-sestoffwechsels (grüne und blaue Farbskalierung) im beid-seitigen Parietallappen (hier etwas linksbetont).

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Anwendungen eher geeignete 18F-markierte Derivate wur-den beschrieben [9, 10].

Schließlich zeichnet sich seit wenigen Jahren auch eindirekter Zugang zur nicht-invasiven Darstellung von AD ab:Als Target dient hier unmittelbar die β-Amyloid-Plaque-Ab-lagerung. Die Visualisierung dieser neuropathologischenGehirnveränderung erfolgt mit aus der histologischen Cha-rakterisierung von Plaques an Hirnschnitten bekannten nie-dermolekularen Verbindungen (wie z.B. Thioflavin-T), dienach Modifikation hin zu ungeladenen, lipophileren Deri-vaten auch nach entsprechender Radiomarkierung (spezi-ell mit 11C, 18F und 123I) die Blut-Hirn-Schranke passierenkönnen. Einige der markierten Moleküle haben bereits dasStadium der in vitro Evaluierung erfolgreich verlassen undsind an transgenen Mäusemodellen untersucht worden, wo-bei sich eine selektive Akkumulation der markierten Ligan-den an den β-Amyloid-Plaques nachweisen ließ. Abbildung6 zeigt erste Ergebnisse von Patienten-Untersuchungen mitdem 11C-markierten Thioflavin-T-Derivat [11C]-6-OH-BAT-1(PIB-1). 123I-markierte Derivate für die SPECT sind ebenfallsbeschrieben [11]. Charakteristisch ist die β-Amyloid-Signal-verstärkung im parietalen und frontalen Kortex (transver-sale Schnitte) bzw. im frontalen Kortex und im posterioren

Zingulum (laterale Schnitte). Neben der klinischen AD-Dia-gnostik ergeben sich möglicherweise auch Ansätze zur Dif-ferenzialdiagnostik zwischen AD und MCI sowie zur Ent-wicklung von Therapeutika zur Verringerung der β-Amy-loid-Bildung.

EpilepsieDurch die medikamentöse Therapie mit Antikonvulsiva er-reichen derzeit nur etwa 80 % der Epilepsiepatienten eineausreichende Anfallsfreiheit. Für etwa 15 bis 25 % die-ser pharmakorefraktären Patienten kann ein epilepsie-chirurgischer Eingriff mit operativer Entfernung des epi-leptogenen Focus eine deutliche Verbesserung der Anfalls-häufigkeit oder sogar die Anfallsfreiheit bedeuten. ZentraleGrundlage für ein erfolgreiches epilepsiechirurgisches Er-gebnis ist eine präzise präoperative Diagnostik, die nebeninteriktalen und iktalen EEG-Oberflächenableitungen undMRT auch eine invasive iktale EEG-Messsung mittels auf dieHirnoberfläche aufgebrachter Elektroden (Subduralelek-troden) umfasst. Nur bei Übereinstimmung der mit allenMethoden ermittelten Herdbefunde ist eine ausreichende Si-cherheit für einen Eingriff gegeben. An diesem Punkt set-zen die Möglichkeiten einer neurofunktionellen Bildgebungmit PET und SPECT an.

In der klinischen Praxis kommen dabei derzeit der in-teriktalen Messung des zerebralen Glukosemetabolismusmittels [18F]FDG-PET sowie der iktalen Untersuchung deszerebralen Blutflusses mittels [99mTc]TcO(d,l)-HMPAO- oder[99mTc]TcO(l,l)-ECD-SPECT die wichtigste Bedeutung zu.So lässt sich interiktal im Bereich des epileptogenen Focusein reduzierter Glukosemetabolismus mittels PET nach-weisen (Abb. 7). Dabei geht die Ausdehnung des hypome-tabolen Areals über den eigentlichen Focus (z.B. eine Hip-pocampussklerose) hinaus und ist wahrscheinlich das Kor-relat von perifokalen Inhibitionsprozessen, die einerAnfallspropagation entgegenwirken sollen. Die klinischeBedeutung der prächirurgischen PET-Messung liegt darin,dass bei Übereinstimmung von Oberflächen-EEG, MRT undPET bezüglich der Seitenlokalisation des Focus auf die An-wendung subduraler Tiefenelektroden verzichtet werden

A B B . 6 [11C]-6-OH-BAT-1-Bindung für AD-Patient (milder ADvon MMSE 26) und gesundem Proband, je 70 Jahre alte Män-ner. PET-Diagnostik 40-90 min p.i. [C. Mathis, PET Amyloid Ima-ging Group, University of Pittsburgh].

A B B . 7 Interiktale [18F]FDG-PET eines Patienten mit rechtsseitiger Temporallap-penepilepsie. Das linke Schnittbild zeigt eine Ansicht von vorn, das rechte von un-ten. Es findet sich ein reduzierter Glucosemetabolismus vor allem in den lateralen(geringer ausgeprägt auch in den mesialen) Anteilen des rechten Temporallappens.

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kann, und damit dem Patienten eine erhebliche invasiveDiagnostik erspart bleibt.

Im Gegensatz zum interiktalen Befund mit perifokalerReduktion von Glukosestoffwechsel und Blutfluss findetsich iktal eine fokale Steigerung dieser Parameter im Be-reich des Anfallsgenerators. Aus Praktikabilitätsgründen istes allerdings nur sehr schwer möglich, iktale PET-Messun-gen durchzuführen. Dies ist aber mit SPECT-Blutflussmar-kern wie [99mTc]TcO(d,l)-HMPAO oder [99mTc]TcO(l,l)-ECDgegeben, die (möglichst innerhalb der ersten 30 Sekundennach Anfallsbeginn appliziert) die erhöhte neuronale Akti-vität im Fokus und perifokal nachweisen können (Abb. 8).Insgesamt ergibt sich dabei für die iktale SPECT-Untersu-chung eine der interiktalen PET äquivalente Sensitivität(Temporallappenepilepsie: 75 bis 95 %).

Da zerebraler Glukosemetabolismus und Blutfluss letzt-lich Surrogatmarker der neuronalen Aktivität darstellen undnicht spezifisch den epileptogenen Fokus abbilden, son-dern damit assoziierte neuronale Veränderungen, ist derEinsatz von spezifischeren Tracern zur unmittelbaren De-tektion des Anfallsfocus wünschenswert. Hier kommt vorallem Benzodiazepin-Rezeptorliganden wie [11C]Flumazenilbzw. [123I]Iomazenil [12] eine prinzipielle Bedeutung zu, dasie Störungen der neuronalen Textur erfassen können.Während der SPECT-Tracer [123I]Iomazenil (überwiegendaufgrund der geringeren Ortsauflösung) klinisch keinegroße Rolle spielt, lässt sich mit 11C-Flumazenil genauer alsmit [18F]FDG der Anfallsgenerator lokalisieren. Aufgrundder kurzen Halbwertszeit des 11C von 20 min ist jedoch dieVerfügbarkeit eines Zyklotron unmittelbar am Anwen-dungsort erforderlich, weshalb [11C]Flumazenil bislang nurin entsprechenden Zentren eingesetzt wird. Der Entwick-lung und klinische Etablierung von 18F-markierten Benzodia-zepin-Rezeptorliganden wie [18F]Fluorethyl-flumazenil [13]kommt daher eine große zukünftige Bedeutung zu.

Hirnforschung und Arzneimittel-EntwicklungFür einige psychiatrische Erkrankungen (schizophrene undaffektive Störungen, Suchterkrankungen, u.a.) konnten mitHilfe der nuklearmedizinischen bildgebenden Verfahrencharakteristische Veränderungen der Verfügbarkeit vonNeurotransmitterrezeptoren und -transportern nachgewie-sen und mit definierten Charakteristika dieser Störungen inBeziehung gesetzt werden. Hierdurch haben sich völligneue Möglichkeiten der Einsicht in physiologische undkrankhaft gestörte Hirnfunktionen eröffnet. Funktionellebildgebende Verfahren zur Neurobiochemie haben im letz-ten Jahrzehnt neben molekularbiologischen Methoden dengrößten Erkenntnisgewinn in der Psychiatrie hervorge-bracht. Während es vor wenigen Jahren z.B. noch üblichwar, aus Konzentrationen von Neurohormonen auf dieFunktion bestimmter, die Sekretion dieser Hormone steu-ernder, Nervenzellen zu folgern, so erschließt sich dieseheute in einer PET-Untersuchung unmittelbar. Exemplarischzeigt Abbildung 9 die negative Korrelation der D2-Rezep-torverfügbarkeit im Nucleus accumbens, einer zentralen

Struktur des menschlichen Belohnungssystems, mit demVerlangen nach Alkohol bei Patienten mit einer Alkoholab-hängigkeit, deren Entgiftung mindestens zwei Wochen ab-geschlossen war [14].

Die Verknüpfung mit modernen molekulargenetischenMethoden ermöglicht heute die Zuordnung individuellerUnterschiede in bestimmten Hirnleistungen zu definiertengenetischen Polymorphismen. Diese Entwicklung wird wei-tergehen. In absehbarer Zeit wird es möglich sein, die Funk-tion von Genen und die Expression ihrer Produkte am lebenden Gehirn zu studieren und zu gesunder und ge-störter Hirnfunktion in Beziehung zu setzen.

Dabei sind die mit bildgebenden Verfahren erhobenenBefunde bereits heute nicht nur von akademischem Inter-esse. Die PET erlaubt in einzigartiger Weise, die Wirkungenvon Neuropsychopharmaka auf zentralnervöse Zielstruktu-ren zu untersuchen (Abb. 10). Einzelne Ergebnisse habenbereits Eingang in die tägliche klinische Praxis gefunden,oder sie beeinflussen in ganz erheblichem Maße die Ent-wicklung neuer Pharmaka. So hat die mit der PET Ende der1980er Jahre von einer schwedischen Arbeitsgruppe [15]gemachte Beobachtung, dass schon Dosierungen von 5 bis8 mg Haloperidol eine mehr als 80 %ige Blockade striatalerDopaminrezeptoren bewirken können, die dann mit einemerhöhten Risiko für extrapyramidalmotorische Neben-wirkungen einhergeht [16], dazu geführt, dass heute er-

A B B . 8 Iktale [99mTc]TcO(l,l)-ECD-SPECT eines Patienten mitlinksseitiger Temporallappenepilepsie. Überlagerung desSPECT-Bildes mit dem MRT des Patienten. Es findet sich im Bereich des linken Temporallappens eine deutlich fokal ge-steigerte Durchblutung (rot) als Hinweis auf die Lokalisationdes Anfallsgenerators.

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D I A G N O S T I K V O N Z N S - E R K R A N K U N G E N | K L I N I K

heblich niedrigere Dosierungen von Antipsychotika ver-ordnet werden als noch vor 20 Jahren. Die pharmazeutischeIndustrie entwickelt heute kein Antipsychotikum mehr, ohne ihre neue Substanz vor dem breiteren Einsatz in kli-nischen Prüfungen an gesunden Probanden mittels PET charakterisiert zu haben.

Darüber hinaus werden mit Hilfe funktioneller bildge-bender Verfahren Modelle für psychische Störungen ent-wickelt, an denen die Wirkung neuer Pharmaka überprüftwerden kann.

ZusammenfassungRadioaktiv markierte Moleküle für die nicht-invasive Darstel-lung biochemischer Funktionen haben seit etwa 25 Jahren be-trächtlich zum Verständnis normaler und gestörter Stoff-wechselvorgänge im Hirn beigetragen. In einigen Fällen hatdies dazu geführt, dass 18F-markierte PET- bzw. 123I- und99mTc- Radiodiagnostika ihren festen Platz bei der klinischenDiagnostik von Erkrankungen des Zentralen Nervensystemsmittels der modernen tomographischen Techniken PET bzw.SPECT gefunden haben. Dies betrifft primär den Mb. Parkin-son, die Epilepsie, zunehmend die Alzheimer Demenz, aberauch Hirntumore. Diese molekulare, neurochemische Dia-gnostik in vivo wird, in Konkurrenz zu etablierten klinischenDiagnoseverfahren, ihren wichtigen Platz behaupten undzukünftig sicher ausdehnen.

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A B B . 1 0 Quantifizierung des präsynaptischen Dopamin-Metabolismus mit 6-[18F]Fluor-L-Dopa bei Patienten mit einer schizophrenen Störung vor und unterBehandlung mit dem Neuroleptikum Haloperidol. Die Abbildung zeigt die signifi-kante Abnahme des striatalen Dopamin-Metabolismus durch die antipsychotischeBehandlung [16].

A B B . 9 Quantifizierung D2-artiger Dopaminrezeptoren mit [18F]DMFP bei alkoholabhängigen Patienten nach abge-schlossener Entgiftung. Die Abbildung zeigt eine signifikante negative Korrelation zwischen D2-Rezeptorverfügbarkeit imNucleus accumbens und dem Verlangen nach Alkohol.

DanksagungDank gilt K. Tatsch, München, und C. Matthis, Pittsburgh,sowie der Klinik und Poliklinik für Nuklearmedizin der Uni-versität Mainz für die Bereitstellung einiger PET- bzw. SPECT-Befunde.

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Die Autoren:Univ.-Prof. Dr. Frank Rösch; Chemiestudium an derTechnischen Universität Dresden; Promotion im Bereich Radiochemie; Forschungsaufenthalt am In-ternationalen Kernforschungszentrum Dubna beiMoskau; Mitarbeiter am Akademieinstitut Rossen-dorf/Dresden mit dem Schwerpunkt „Anwendungder Radiochemie in den Lebenswissenschaften“;1988 Habilitation an der Universität Dresden;1991–1996 Institut für Kernchemie des Forschungs-zentrums Jülich; seit 1996 C4-Professor am Institutfür Kernchemie der Universität Mainz.

Prof. Dr. Gerhard Gründer; Medizinstudium an derUniversität Köln; Weiterbildung zum Facharzt fürPsychiatrie an der Universität Mainz; Forschungsauf-enthalt als DFG-Stipendiat am Department of Radio-logy der Johns Hopkins University in Baltimore, USA;2001 Habilitation für das Fach Psychiatrie an derUniversität Mainz über molekulare Bildgebung mitPET und SPECT; seit 2004 C3-Professor für Experi-mentelle Neuropsychiatrie an der RWTH Aachen undstellvertretender Direktor der Klinik für Psychiatrieund Psychotherapie am Universitätsklinikum Aachen.

Prof. Dr. Mathias Schreckenberger; Medizinstudiuman der Johannes Gutenberg-Universität Mainz; 1991Promotion; 1991–1999 Wissenschaftlicher Assistentan den Universitätskliniken Erlangen-Nürnberg,Mainz und Aachen in den Fachgebieten Augenheil-kunde, Neurologie und Nuklearmedizin; 1999 Fach-arzt für Nuklearmedizin, Oberarzt an der Klinik fürNuklearmedizin der RWTH Aachen; 2000 Habilita-tion für das Fach Nuklearmedizin an der RWTH Aa-chen; seit 2000 Leitender Oberarzt an der Klinik fürNuklearmedizin der Universität Mainz; seit 2003 C3-Professor für Nuklearmedizin an der UniversitätMainz

Prof. Dr. Gerd Dannhardt; Chemie-Studium in Marburg, Würzburg und Regensburg; nach Diplomund Promotion in Chemie als wissenschaftlicherMitarbeiter am Institut für Pharmazie der Univer-sität Regensburg; dort 1982 Habilitation für dasFach Pharmazeutische Chemie; seit 1992 an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz; 1997-1999Dekan des Fachbereichs Chemie und Pharmazie,Universität Mainz

Anschrift:Prof. Dr. Frank RöschInstitut für KernchemieJohannes Gutenberg-Universität MainzFritz-Strassmann-Weg 2D-55128 [email protected]