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Kapitel 4 · Krankheiten der Verdauungsorgane 4 372 Lymphome Entstehen primär als Non-Hodgkin-Lymphome oder durch se- kundären Befall. Die Lokalisation primärer Lymphome ist haupt- sächlich das Ileum, s elten w eiter p roximal. Disp osition d urch einheimische Sprue, Morbus Crohn und Aids. Klinik. Periumbilikale Schmerzen, Gewichtsverlust, tastbare Tu- moren, Obstr uktion mi t Erb rechen. Die meist en L ymphome wachsen multizentrisch. Diagnostik. Röntgendarstellung, meistens durch diagnostische Laparotomie mit Biopsie. Therapie. Nach Möglichkeit Resektion, sonst kombinierte Che- motherapie. 4.5 Dickdarm Dickdarm Funktionen Untersuchungsmethoden 5 Digitale Rektaluntersuchung 5 Endoskopische Untersuchungen 5 Rönt gen 5 Stuhlunt ersuchung Megakolon 5 Kongenitales Megakolon (Morbus Hirschsprung) 5 Erworbenes Megakolon Kolondivertikel 5 Div ertikulose 5 Div ertikulitis Akute Appendizitis Colitis ulcerosa Kolon- und Rektumpolypen Kolorektales Karzinom Proktologische Erkrankungen 5 Innere Hämorrhoiden 5 Analthr ombose 5 M ariske 5 Hypertrophe Analpapillen 5 Analfissur 5 Analekz em 5 Pruritus ani 5 Analpr olaps 5 Periproktitischer Abszess 5 Analk arzinom 4.5.1 F unktionen Motilität Die motorischen Aktivitäten des Dickdarms sind seiner Funktion der Kotbildung, Kotspeicherung und Kotausscheidung wie folgt angepasst: Rechte Kolonhälfte: Or t der S peicherung zum Z weck der Eindickung durch Rückresorption von Wasser. Es erfolgen seg- mentale M ischbewegungen (Haustrationen) mi t Dr ucksteige- rung im Darmlumen, auch retrograde propulsive Kontraktionen vom Transversum zum Colon ascendens und Zökum. Linke Kolonhälfte und Sigma: Transitabschnitt ohne resorp- tive Funktion, durch den der Kot ins Rektum befördert wird. Fül- lung dieses Abschnitts durch propulsive Massenbewegungen, die 3- bis 4-mal täglich (mit einem im Zökum beginnenden Kontrak- tionsring) den Inhalt des Colon ascendens in die linke Kolonhälf- te transportieren. Propulsive Massenbewegungen können auch vom Transversum ausgehen und den Kot ins Rektum schieben. Rektum: Ort der Kotspeicherung bis zur Defäkation. Redu- ziert s eine Wandspannung mi t zun ehmender D ehnung d urch den Kot. Verschluss nach außen durch den unwillkürlichen inne- ren un d den willk ürlich k ontrollierten äußeren S phinkter (aus quergestreifter Muskulatur). Defäkation: Die Füllung des normalerweise leeren Rektums durch eine p ropulsive Massenbewegung des K olons f ührt zur Stimulation v on D ehnungsrezeptoren (»Wahrnehmungskam- mer«), deren afferente Impulse das Gefühl des Stuhldrangs und folgende Reflexe auslösen: 4 Intramuraler Defäkationsreflex: Durch Wanddehnung Sti- mulation des in tramuralen Plexus, Relaxa tion des inner en bzw. Kontraktion des ä ußeren Sphinkters, Stimulation des distalen Kolon zu weiterer propulsiver Peristaltik. 4 Spinaler Defäkationsreflex: Über eine Stimulation des para- sympathischen Sakralmarks Auslösung einer intensiven pro- pulsiven Peristaltik des Colon descendens, Sigmas und Rek- tums. Der innere Sphinkter erschlafft, die Kotsäule dringt bis zum ä ußeren S phinkter v or. B leibt d ieser w illkürlich v er- schlossen, ebbt die reflektorische Peristaltik ab. 4 Willkürliche Stuhlentleerung: Öffnen des ä ußeren S phink- ters, zug leich B auchpresse und S enken des B eckenbodens. Die Bauchpresse begünstigt das Füllen der Ampulle, die Ent- leerung des Enddarms erfolgt aber durch die autonome Peris- taltik. Resorption und Sekretion Normalerweise passier en p ro Tag 1500 ml Ch ymus die Ileo zö- kalklappe. Die Hauptmenge des Wassers und der Elektrolyte wird im Kolon resorbiert, so dass nur 100 ml Flüssigkeit mit den Fäzes ausgeschieden werden. Die Resorption erfolgt überwiegend in der proximalen Hälfte des Kolons. Natrium wird aktiv resorbiert, Chlo- rid sekundär und Wasser durch den osmotischen Gradienten. Sezerniert w erden K alium (im A ustausch g egen Natrium) und B ikarbonat (im A ustausch g egen Chlorid). E lektrolytkon-

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Kapitel 4 · Krankheiten der Verdauungsorgane

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372

Lymphome

Entstehen primär als Non-Hodgkin-Lymphome oder durch se-kundären Befall. Die Lokalisation primärer Lymphome ist haupt-sächlich das Ileum, s elten weiter proximal. Disp osition durch einheimische Sprue, Morbus Crohn und Aids.

Klinik. Periumbilikale Schmerzen, Gewichtsverlust, tastbare Tu-moren, Obstr uktion mi t Erb rechen. Die meist en L ymphome wachsen multizentrisch.

Diagnostik. Röntgendarstellung, meistens durch diagnostische Laparotomie mit Biopsie.

Therapie. Nach Möglichkeit Resektion, sonst kombinierte Che-motherapie.

4.5 Dickdarm

Dickdarm

FunktionenUntersuchungsmethoden5 Digitale Rektaluntersuchung5 Endoskopische Untersuchungen5 Rönt gen5 Stuhlunt ersuchungMegakolon5 Kongenitales Megakolon (Morbus Hirschsprung)5 Erworbenes MegakolonKolondivertikel5 Div ertikulose5 Div ertikulitisAkute AppendizitisColitis ulcerosaKolon- und RektumpolypenKolorektales KarzinomProktologische Erkrankungen5 Innere Hämorrhoiden5 Analthr ombose5 M ariske5 Hypertrophe Analpapillen5 Analfissur5 Analekz em5 Pruritus ani5 Analpr olaps5 Periproktitischer Abszess5 Analk arzinom

4.5.1 F unktionen

MotilitätDie motorischen Aktivitäten des Dickdarms sind seiner Funktion der Kotbildung, Kotspeicherung und Kotausscheidung wie folgt angepasst:

Rechte Kolonhälfte: Or t der S peicherung zum Z weck der Eindickung durch Rückresorption von Wasser. Es erfolgen seg-mentale M ischbewegungen (H austrationen) mi t Dr ucksteige-rung im Darmlumen, auch retrograde propulsive Kontraktionen vom Transversum zum Colon ascendens und Zökum.

Linke Kolonhälfte und Sigma: Transitabschnitt ohne resorp-tive Funktion, durch den der Kot ins Rektum befördert wird. Fül-lung dieses Abschnitts durch propulsive Massenbewegungen, die 3- bis 4-mal täglich (mit einem im Zökum beginnenden Kontrak-tionsring) den Inhalt des Colon ascendens in die linke Kolonhälf-te transportieren. Propulsive Massenbewegungen können auch vom Transversum ausgehen und den Kot ins Rektum schieben.

Rektum: Ort der Kotspeicherung bis zur Defäkation. Redu-ziert s eine Wandspannung mit zunehmender D ehnung durch den Kot. Verschluss nach außen durch den unwillkürlichen inne-ren und den willk ürlich kontrollierten äußeren Sphinkter (aus quergestreifter Muskulatur).

Defäkation: Die Füllung des normalerweise leeren Rektums durch eine p ropulsive Massenbewegung des K olons f ührt zur Stimulation v on D ehnungsrezeptoren (»Wahrnehmungskam-mer«), deren afferente Impulse das Gefühl des Stuhldrangs und folgende Reflexe auslösen:4 Intramuraler Defäkationsreflex: Durch Wanddehnung Sti-

mulation des in tramuralen Plexus, Relaxa tion des inner en bzw. Kontraktion des ä ußeren Sphinkters, Stimulation des distalen Kolon zu weiterer propulsiver Peristaltik.

4 Spinaler Defäkationsreflex: Über eine Stimulation des para-sympathischen Sakralmarks Auslösung einer intensiven pro-pulsiven Peristaltik des Colon descendens, Sigmas und Rek-tums. Der innere Sphinkter erschlafft, die Kotsäule dringt bis zum ä ußeren S phinkter v or. B leibt d ieser w illkürlich v er-schlossen, ebbt die reflektorische Peristaltik ab.

4 Willkürliche Stuhlentleerung: Öffnen des ä ußeren Sphink-ters, zug leich B auchpresse und S enken des B eckenbodens. Die Bauchpresse begünstigt das Füllen der Ampulle, die Ent-leerung des Enddarms erfolgt aber durch die autonome Peris-taltik.

Resorption und SekretionNormalerweise passieren pro Tag 1500 ml Chymus die Ileo zö-kalklappe. Die Hauptmenge des Wassers und der Elektrolyte wird im Kolon resorbiert, so dass nur 100 ml Flüssigkeit mit den Fäzes ausgeschieden werden. Die Resorption erfolgt überwiegend in der proximalen Hälfte des Kolons. Natrium wird aktiv resorbiert, Chlo-rid sekundär und Wasser durch den osmotischen Gradienten.

Sezerniert werden Kalium (im A ustausch gegen Natrium) und Bikarbonat (im A ustausch gegen Chlorid). E lektrolytkon-

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zentrationen im Stuhl in mmol/100 ml: Natrium 40, Kalium 90, Chlorid 15, Bikarbonat 30. Das Kolonepithel sondert Schleim ab, der den Kot gleitfähig macht. Exsudation von Flüssigkeit findet nur bei Entzündungen der Schleimhaut statt.

BakterienfloraDas Kolon b eherbergt die M asse der D armbakterien (10 11 bi s 1012 Keime/g Kot), eine kompliziert und individuell unterschied-lich zus ammengesetzte M ischflora. S trikt a naerobe B akterien überwiegen die aeroben im Verhältnis 100:1. 4 Anaerobier: Bakteroide, Eubakterium, Propionibakterium,

Bifidobazillus, Fusobakterien u. a. 4 Aerobier: E. coli und weitere Enterobakterien, Enterokokken.

Nur Aerobier werden bei der gewöhnlichen Stuhlkultur erfasst, da Luftsauerstoff die Anaerobier zerstört. Funktionen der Kolon-

flora: 4 Schutz gegen Ansiedlung pathogener Keime und g egen ein

Überwuchern potenziell pathogener endogener Mikroorga-nismen (Antibiotika können das Gleichgewicht stören)

4 Metabolisierung unverdauter Nahrungsreste unter Bildung flüchtiger Fettsäuren und Gase (CO2, H2, Methan)

4 Dekonjugierung und Dehydroxylierung gallensaurer Salze, Vitaminsynthese (B-Komplex, K).

4.5.2 Un tersuchungsmethoden

Digitale RektaluntersuchungNach Inspektion der Analregion Austasten des Analkanals und der Ampulla recti. D abei auch Abtasten der Prostata bzw. des Uterus. Dient der Beurteilung des Sphinktertonus und der Erfas-sung von Tumoren und Hämorrhoiden.

Endoskopische UntersuchungenAnoskopieMit einem k urzen st arren k onischen I nstrument k önnen im Analkanal innere Hämorrhoiden, Fisteln, Abszesse und Tumoren erfasst werden.

SigmoidoskopieMit rigiden oder flexiblen Sigmoidoskopen.

Diagnostische Indikationen: Tumorscreening, rektale Blu-tung, Proktitis, Tenesmen, Amyloidosenachweis.

Therapeutische Indikationen: Hämorrhoidentherapie, L a-sertherapie für Tumoren oder Angiodysplasien, Blutstillung.

KoloskopieMit flexiblem Koloskop bis zum Zökum.

Diagnostische Indikationen: Ausschluss bzw. Nachweis von Tumoren und Polypen bei Blut im Stuhl und zum Screening. Zur Diagnostik von Morbus Crohn und C olitis ulcerosa sowie zum Nachweis von Kolondivertikeln.

Therapeutische Indikationen: Abtragung von Polypen.

> Bei Peritonitis und Perforationsverdacht ist die Kolosko-

pie kontraindiziert.

Virtuelle KoloskopieEine neue Entwicklung ist die CT- oder MRT-gestützte Kolono-graphie. Die Sensivität für Polypen >1 cm beträgt 90%, für kleine Läsionen (6–8 mm) aber nur 50–80%.

RöntgenuntersuchungBarium-Luft-Doppelkontrastverfahren (r etrograder Einla uf), das eine gute Darstellung der Schleimhautoberfläche ergibt. An-

gio-MRT oder Angiographie der Mesenterialgefäße zum Nach-weis von Blutungsquellen und Gefäßverschlüssen.

StuhluntersuchungMakroskopische Beurteilung von Form, Konsistenz und F arbe. Nachweis von Blut, Schleim und Eiter (Kolitiszeichen).

Mikroskopische Untersuchung auf Parasiten. B akteriologi-sche und virologische Untersuchungen auf Krankheitserreger.

Bestimmung des S tuhlgewichts (no rmal 150–200 g/Tag), Stuhlfettbestimmung. Untersuchung auf okkultes Blut.

4.5.3 Megak olon

Kongenitales Megakolon (Morbus Hirschsprung)Genetisch bedingtes Fehlen der Ganglienzellen (submuköser und myenterischer Plexus) im Rek tosigmoid, das f olglich nicht zu propulsiven Kontraktionen und zur Relaxation befähigt ist. Das aganglionäre S egment b leibt sp astisch verengt und v erursacht dadurch einen R ückstau des K ots mit st arker Er weiterung des Kolon. In den Kontraktionszustand ist auch der innere Sphinkter einbezogen.

Die Inzidenz beträgt ein Fall auf 5000 Lebendgeburten. Erb-gang und genetischer Defekt sind uneinheitlich. Bei der autoso-mal-dominanten Variante liegt eine M utation des T yrokinase-Rezeptor-Gens (RET) vor, dessen Ausfall die Einwanderung von Nervenzellen in die D armwand verhindert. Bei der autosomal-rezessiven Form ist das Gen für den Endothelin-B-Rezeptor mu-tiert.

Die K rankheit ma nifestiert sic h meist ens s chon in f rüher Kindheit (nach dem Abstillen). In weniger schweren Fällen wird sie erst bei älteren Kindern oder Adoleszenten diagnostiziert.

Klinik. Auftreibung des Abdomens, Meteorismus bei leerem Rek-tum. Gefahr der sekundären Enterokolitis mit tödlichem Aus-gang.

Diagnostik. Durch Kontrastmitteleinlauf und tiefe Rektumbiop-sie, die das Fehlen der Ganglienzellen bestätigt.

4.5 · Dickdarm

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Kapitel 4 · Krankheiten der Verdauungsorgane

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Therapie. Er folgt c hirurgisch. Zuerst wird zur En tlastung des Megakolons eine Kolostomie angelegt. Einige Monate später er-folgt die Resektion des kranken Darmsegments, kombiniert mit einer inneren Sphinkteromyotomie.

Erworbenes MegakolonBei der Chagas-Krankheit infolge Zerstörung des Plexus myente-ricus d urch P seudozysten der T rypanosomen. Die zirk ulären Muskeln sind verdickt.

Als Komplikation mit erhaltenen intramuralen Ganglien bei Hirnatrophie, Rückenmarkschäden, Morbus Parkinson, Schizo-phrenie und Depression. Auch Myxödem, Amyloidose, Sklero-dermie können zur Dilatation des Kolons führen. Das akute toxi-sche Megakolon ist eine Komplikation der Colitis ulcerosa.

Klinik. Obstipation mit Blähbauch, gelegentlich Ileus. Am pulle stets mit Kot gefüllt.

Therapie. Symptomatisch mit Einläufen, Prostigmin und Laxan-tien, kausal je nach Grundleiden.

4.5.4 K olondivertikel

DivertikuloseErworbene, nichtentzündete Hernien der Dickdarmschleimhaut (Mukosa und Submukosa) durch die zirkuläre Muscularis inter-na, die v on einer d ünnen S chicht longitudinaler Muskelfasern bedeckt sind (Pulsionsdivertikel). Durchmesser 1 mm bis 7 cm, Anzahl einzelne bis hunderte. Hauptsitz im Sigma (95%), seltener im p roximalen K olon, w o g elegentlich a ngeborene Di vertikel vorkommen. Die Divertikel durchdringen die zirkuläre Muskel-schicht bevorzugt an den Gefäßeintrittsstellen beiderseits der Taenia mesenterialis, so dass die Vasa recta über ihre Kuppel hin-weg verlaufen und hier zur Blutungsquelle werden können.

Häufigkeitszunahme mit dem Lebensalter, etwa bei 8% aller Erwachsenen und 30–40% der über 60-Jährigen. Die Entstehung wird begünstigt durch faserstoffarme Nahrung, die den Kontrak-tionszustand des Kolon verlängert und den intraluminalen Druck steigert. Diese Konstellation ist häufig bei chronischer Obstipa-tion gegeben.

Klinik. S elbst a usgedehnte Di vertikulosen b leiben o ft k linisch stumm. Manchmal treten schmerzhafte Darmspasmen auf. Kom-plikationen: Divertikulitis, Blutungen.

Diagnostik. Durch Röntgenuntersuchung: Breipassage von oben oder retrograden Kontrastmitteleinlauf (. Abb. 4. 28) und Sigmo-idoskopie.

Therapie. Faserreiche Kost (G emüse, Vollkornbrot, Obst), zu-sätzliche Gaben von Weizenkleie mit reichlich Flüssigkeit.

DivertikulitisDivertikel en tzünden sic h, w enn D ehnung und hera bgesetzte Perfusion die S chleimhautbarriere f ür die no rmale D armflora durchlässig machen.

Klinik. Oft ist nur der Divertikelhals entzündet, was schmerzlos bleiben kann, aber als Zeichen der Abwehrreaktion die Blutsen-kung beschleunigt. Schmerzen treten auf, wenn sich eine Peridi-vertikulitis mit Bauchfellreizung entwickelt. Der Prozess ist meis-tens im linken Unterbauch lokalisiert, wo sich nicht selten das schmerzhafte kontrahierte Sigma tasten lässt. Es kann auch zur gedeckten oder freien Perforation in die Bauchhöhle und zu Fis-teln in die H arnblase (Luft im U rin) kommen. B lutungen aus Divertikeln sind relativ selten.

Diagnostik. Klinisch und mit dem CT. Endoskopie und Kontra-steinlauf im Akutstadium wegen Perforationsgefahr kontraindi-ziert. Freie Luft in der B auchhöhle kann durch Röntgenunter-suchung (Tho raxaufnahme, Abdomenleeraufnahme in L inks-seitenlage) nachgewiesen werden.

Therapie. Konservativ mit Metronidazol plus Ciprofloxacin oder Levofloxacin un ter f lüssig-breiiger K ost. B ei K omplikationen

. Abb. 4.28. Multiple Divertikel im Colon descendens (aus N. Zöllner: Innere Medizin. Springer, Heidelberg 1989)

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(Stenose, Fistel) muss unter antibiotischer Abschirmung operiert werden.

4.5.5 Akute Appendizitis

Ätiologie und Pathogenese. Akute bakterielle Entzündung des Wurmfortsatzes durch enterogene Bakterien nach vorausgegan-gener Wandschädigung durch folgende Mechanismen: 4 Verschluss des Appendixlumens (Fäkolithen, Fremdkörper,

Parasiten geschwollene Lymphfollikel) mit Sekretstau, intra-luminalem Druckanstieg und Hypoxie (durch Venenkomp-ression oder Thrombose).

4 Primäre Ulzeration der S chleimhaut nach hämatogener In-fektion (Viren, Streptokokken?). Nach dem Lokalbefund sind folgende Appendizitisformen zu unterscheiden: 5 einfac he5 ga ngränöse5 p erforierte.

Epidemiologie. Inzidenz etwa 2 F älle pro 1000 Ein wohner im Jahr. Häufigkeitsgipfel zwischen dem 15. und 25. Lebensjahr. Das männliche Geschlecht ist im Verhältnis 2:1 b is 3:1 häufiger be-troffen als das weibliche.

Klinik. Initial mäßiger Schmerz in der Nabelregion und im Epi-gastrium, danach Appetitlosigkeit, Übelkeit und Erbrechen. Etwa 4–6 Stunden später Verlagerung des Schmerzes in den rechten Unterbauch und Übergang zu intensivem Dauerschmerz (lokale Peritonitis).

Untersuchungsbefunde: F ieber b is etwa 38 °C (axil lar- rektale Temperaturdifferenz >0,8 °C). Klopf- und Druck-schmerz im r echten Unterbauch am McBurney-Punkt (Mitte zwischen Nabel und Spina ilica ventralis). Fernschmerz im Ap-pendixbereich bei Druck und raschem Loslassen auf der Gegen-seite (Loslassschmerz), hochsitzender Druckschmerz rechts bei rektaler U ntersuchung. B ei r etrozökaler L age des A ppendix rechtsseitiger Flankenschmerz und B eugehaltung des r echten Hüftgelenkes. Bei gedeckter Perforation Infiltrat im rechten Un-terbauch, bei freier Perforation akutes Abdomen mit bretthar-tem Leib.

> In der Regel Leukozytose 10.000–18.000 mm3. Die Blut-

senkung steigt erst im Verlauf an.

Differenzialdiagnose. Bei Kindern und Jugendlichen akute Lymphadenitis mes enterialis (Yersinia-Enteritis) mit Spontan-heilung: Übelkeit und Erbrechen vor den Leibschmerzen. Abzu-grenzen sind ferner: Uretersteinkolik, Adnexitis, Cholezystitis, Morbus Crohn, Porphyrie, Meckel-Divertikulitis.

Komplikationen. Perforation mit diffuser Peritonitis, lokalisierte Perforation mit perityphlitischem Abszess, Sepsis.

Therapie. Unverzügliche Appendektomie, offen oder laparosko-pisch. Bei gedeckter Perforation zunächst konservative Behand-lung (Infusionen, Antibiotika, Eisblase), später nötigenfalls Abs-zessdrainage. Bei freier Perforation mit diffuser Peritonitis Ap-pendektomie und Antibiotikainstillation in die Bauchhöhle. Die Letalität der Appendektomie beträgt unter Einschluss der kom-plizierten Fälle etwa 0,3%.

4.5.6 Colitis ulcerosa

Definition. Chronische Entzündung der Dic kdarmschleimhaut mit unspezifischem Granulationsgewebe und U lzerationen, die sich in den b etroffenen Abschnitten kontinuierlich ausbreitet. Colitis ulcerosa und M orbus Crohn werden unter dem B egriff der entzündlichen Darmerkrankungen zusammengefasst.

Lokalisation. Ganzes Kolon mit Rektum 37%, Kolon bis zur lin-ken Flexur 17%, Rektosigmoid 28%.

Epidemiologie. Daten aus den letzten 30 Jahren zeigen Inzidenz-raten von 11,8 in Nordeuropa und 8,7 in Südeuropa, jeweils auf 100.000 Einwohner bezogen. Am hö chsten waren die Werte in Dänemark (20,3) und Island (16,5). Männer erkranken häufiger als Frauen. Die Altersverteilung ist unimodal mit einem Gipfel in der zweiten und dritten Lebensdekade.

Ätiologie und Pathogenese. Wie beim Morbus Crohn wurde kein spezifischer Krankheitserreger nachgewiesen. Die Schleim-hautentzündung wir d a nscheinend v on der no rmalen Dic k-darmflora induziert, der eine intakte Schleimhautbarriere stand-hält. In der S chleimhaut sezernieren CD4+-T-Zellen vom Typ Th2 Zytokine, die eine oberflächliche Entzündung bewirken. Da immunsuppressive u nd e ntzündungshemmende Mittel t hera-peutisch wirksam sind, ist eine überschießende Abwehrreaktion als wesentlicher pathogenetischer Faktor anzunehmen. Ob au-toimmunologische Reaktionen zum K rankheitsprozess beitra-gen, ist trotz mancher Hinweise ungewiss. Bemerkenswert erscheint, dass 50–80% der P atienten im S erum p erinukle-äre antineutrophile zytoplasmatische Antikörper (pANCA) ha-ben, die als diagnostischer Marker dienen. Diese Autoantikörper sind jedoch gegen chromosomale Proteine gerichtet und nic ht wie die ANCA bei der Wegener-Granulomatose gegen die Pro-teinase 3.

Zu den Kausalfaktoren gehört sicher eine genetische Dispo-sition, denn von monozygoten Zwillingen erkranken 20% kon-kordant, während es b ei dizygoten nur 8% sind . G enomweite Suche ergab an mehreren Chromosomen (1, 3, 7 12, 16) potenzi-ell krankheitsassoziierte Loci. Bei schweren Verlaufsformen mit Pankolitis wur den b estimmte HL A-Allele (HL A D BR1*0103) häufiger als no rmal exp rimiert. I m G egensatz zum M orbus Crohn haben Raucher bei der Colitis ulcerosa ein geringeres Er-krankungsrisiko als Nichtraucher. Psychische Konflikte und Be-

4.5 · Dickdarm

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Kapitel 4 · Krankheiten der Verdauungsorgane

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lastungen führen nicht selten zu Exazerbationen der Kolitis ohne die eigentliche Ursache zu sein.

Pathologie. Die pa thologischen Veränderungen b eginnen mit Degeneration de r s ubepithelialen R etikulinfasern, d em Ver-schluss der Kapillaren in diesem Bereich und einer progredienten Infiltration der Lamina propria mit Plasmazellen, Eosinophilen, Lymphozyten, Mastzellen und Neutrophilen. In der Folge ent-wickeln sic h zuer st K ryptenabszesse, da nn E pithelnekrosen und Schleimhautulzera. U nterminierende U lzera erzeug en Schleimhautbrücken. Dur ch H yperplasie einzelner S chleim-hautareale entstehen Pseudopolypen. Der Prozess beginnt meis-tens im Rektosigmoid und dehnt sich danach auf das proximale Kolon aus, manchmal unter Mitbefall von 1–2 Zentimetern des terminalen Ileums. Anders als beim Morbus Crohn bilden sich keine G ranulome, und der P rozess er fasst nic ht die g esamte Darmwand.

Klinik. Abhängig von der Ausdehnung des Kolonbefalls und vom Schweregrad der En tzündung. K rankheitsbeginn mi t der A us-scheidung von Blut und Schleim im Stuhl. Wenn nur das Rekto-sigmoid b etroffen i st, k ann d er S tuhl d abei h art u nd t rocken sein. In leichten Fällen kommt es ohne Allgemeinsymptome zu weniger als 4 Stuhlentleerungen pro Tag, bei moderatem Schwere-grad resultieren mehr als 4-mal t äglich blutig-eitrige und s chlei-mige Dur chfälle mi t B auchkrämpfen und T enesmen. B ei Aus-dehnung des Prozesses auf das ganze Kolon sind leichte Verlaufs-formen selten. Eher treten massive blutig-schleimige Diarrhöen auf, begleitet von Fieber, Tachykardie, Anämie und beschleunigter Blutsenkung.Lokale Komplikationen: S chwere Blutungen (3,5%), a kute Ko-londilatation durch Befall der Muskularis (5%), Kolonperforation (Mortalität 16%).Extraintestinale Manifestationen: Akute Arthropathie in einem großen oder symmetrisch in kleinen Gelenken (10–15%), Sakroi-liitis (9–11%), ankylosierende Spondylitis (1–3%), vordere Uvei-tis und Episkleritis (5–15%), Erythema nodosum (10–15%), Pyo-derma gangraenosum (1–2%), primäre sklerosierende Cholangi-tis (2–7,6%).Karzinomrisiko: In den ersten 7 Jahren 1,4%, in 30 Jahren 60%.

Diagnostik.

Stuhluntersuchung: Inspektion des schleimig-blutigen oft auch eitrigen Stuhls. Ausschluss eine bakteriellen oder parasitären In-fektion (Amöben).

Endoskopie: Rektosigmoidoskopie, nach Möglichkeit Ko-loskopie (. Abb. 4.29). B efund: Hyperämie, f ein- b is grobgra-nuläre S chleimhautoberfläche, punktförmige B lutung auf B e-rührung oder spontan, diskrete Ulzera, Pseudopolypen, Rigidi-tät. Typischer histologischer Befund in der Schleimhautbiopsie (7 oben). K oloskopisch er scheint das K olon b ei c hronischer Colitis ulcerosa als v erkürztes, g lattes und st arres Rohr ohne Haustren.

Röntgenuntersuchung: Übersichtsaufnahme des Abdomens zur Er fassung des t oxischen M egakolons (L uftansammlung, Durchmesser > 6 cm). D er r etrograde B ariumbreieinlauf m it Doppelkontrastverfahren zeigt gezähnelte Wandkontur, Kragen-knopfulzera und vergröberte Schleimhautfalten. Die Befallsaus-dehnung ist gut zu erfassen, ein Karzinom im frühesten Stadium nicht.

Laboruntersuchungen: Nachweis von pANCA im Serum bei 50–80% der P atienten. Entzündungsparameter: CRP, B lutsen-kung, α2-Globuline im Serumelektropherogramm. Hypalbumin-ämie durch intestinale Verluste. Differenzialdiagnosen. Infektiöse Diarrhöen, irritables Kolon, Strahlenproktitis, An tibiotika-induzierte K olitis, is chämische Kolitis (vorwiegend im Alter).

Langzeitüberwachung. J ährliche k oloskopische K ontrolle zur Erfassung von Dysplasien und Karzinomen bei totaler oder

. Abb. 4.29a, b. Colitis ulcerosa. a Ödematöse Schleimhaut mit flachen, unregelmäßig begrenzten Ulzera, b Fortgeschrittenes Stadium mit Pseu-dopolypen und Narbenbildung (Sammlung Prof. Frieling)

a

b

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subtotaler Kolitis länger als 8 Jahre, bei linksseitiger Kolitis länger als 5 Jahre, bei subtotaler Kolektomie Kontrolle des verbliebenen Rektumstumpfes.

Therapie.

Konservative Therapie

Diät: Schlackenarm oder flüssig-breiig, evtl. parenterale Ernäh-rung.

Medikamente: Antikörper gegen TNF-α sind noch nicht ge-nügend erprobt.4 Akutes Stadium: Leichte bis mittelschwere Fälle erhalten Sa-

lazosulfapyridin (2–6 g/Tag), eine Azoverbindung aus Sulfa-pyridin und 5-Aminosalizylsäure. Bei Unverträglichkeit Um-stellung auf die K omponente 5-ASA (4 mg/Tag). Bei Befall des Rektosigmoids sind Z äpfchen oder Einläufe mit 5-ASA indiziert. Al ternativ ka nn das Gl ukokortikoid B udesonid (9 mg/Tag) gegeben werden, das wegen eines hohen »First-pass-Effektes« n ur g eringe syst emische W irkungen h at. Schwere Fälle erhal ten 5-ASA p .o. und r ektal, k ombiniert mit Steroiden p.o. oder parenteral. In steroidresistenten Fäl-len bzw. zur Reduzierung der Steroiddosis hat sich Azathio-prin bewährt (2–2,5 mg/kg/Tag). Antibiotika sind ohne Nut-zen.

4 Erhaltungstherapie: Bewährt haben sich Salazosulfapyridin (2–4 g/Tag) oder 5-ASA (1,5–4 g/Tag und als Zäpfchen). Ge-eignet ist auch Azathioprin (2 mg/kg/Tag).

Chirurgische Therapie

Indikationen:

4 Notfall: Massive Blutung, toxische Kolitis, toxisches Megako-lon, Perforation, schwere Invagination.

Notfalloperation: Bei Megakolon Kombination von transver-ser Kolostomie und Ileostomie. Der Darminhalt wird abge-leitet und das Kolon druckentlastet. Nach Erholung des Pa-tienten Kolektomie (s. unten). Bei toxischer Kolitis, Peritoni-tis und Perforation subtotale Kolektomie mit Rektumstumpf (Hartmann-Pouch). Operationsletalität 3% und höher.

4 Elektiv: Versagen oder Komplikationen der medikamentösen Therapie, Dysplasie oder Karzinom bei der koloskopischen Überwachung.

Elektive Operation: Methode der W ahl ist die r estaurative Proktokolektomie mit Ileum-Pouch-analer Anastomose oder (bei technischen S chwierigkeiten) mit Ileum-Pouch-analer Übergangszonenanastomose (bei der ein halber kleiner Rek-tumstumpf erhalten bleibt). Die Kolitis wird geheilt, die Pa-tienten bleiben kontinent. Nachteil gehäufte Darmentleerun-gen, P ouch-Komplikationen (F isteln, S trikturen). Op era-tionsletalität 1%.

4.5.7 Kolon- und Rektumpolypen

Klassifizierung.

Hyperplastische Polypen: Gutartige Epithelhyperplasie ohne neo-plastischen Cha rakter und o hne M alignitätspotential (. Abb. 4.30). Meistens im Rek tum lo kalisiert. Häufigkeitsanteil unter den Dickdarmpolypen aller Größen 25%, unter den Polypen mit weniger als 3 mm D urchmesser 90%. G esteigerte Proliferation des Epithels mit normaler Zelldifferenzierung und nur geringer Expansion der mitotischen Zone im unteren Drittel der Krypte. Scharfe Abgrenzung gegen die um gebende Schleimhaut. Keine klinische Relevanz. Endoskopische Abtragung zur histologischen Sicherung der Diagnose erforderlich.

Adenomatöse Polypen: Es handelt sich um neoplastische Polypen, die in Karzinome übergehen können (. Abb. 4.31). Sie kommen familiär gehäuft vor, aber nur zum Teil mit bekannten Keimbahnmutationen (s. un ten). Die A denombildung b eginnt mit dem Funktionsverlust des tumorsuppressiven APC-Gens (s. unten). Von Personen mittleren und höheren Alters haben nach endoskopischen Feldstudien und Autopsiestatistiken >30% Ko-lonadenome, aber <1% w erden je maligne . Die adeno matösen Polypen können gestielt sein oder sessil, d.h. breitbasig aufsitzen. Je nach der histologischen Architektur sind nachstehende Ade-nomtypen zu unterscheiden:4 Tubuläre Polypen: Anteil 25%. Z usammensetzung aus ver-

zweigten Tubuli. Von den Polypen mit einem Durchmesser <1 cm sind 91% tubulär. Bei einem Durchmesser von 1,5 cm beträgt das Malignitätsrisiko 2%.

4 Tubulovillöse Polypen: Anteil 15%. Z usammensetzung aus t ubulären und 20–79% villös en (pa pillären) S truktu-ren. Das Malignitätsrisiko ist höher als bei tubulären Poly-pen.

4 Villöse Adenome: Anteil 10%. Zusammensetzung aus finger-förmigen Villi, die ein B lattwerk b ilden und üb erwiegend sessil sind. Von den Polypen mit >2 cm Durchmesser haben

. Abb. 4.30. Gestielter Kolonpolyp (Chromoendoskopie mit Methylen-blau) (Sammlung Prof. Frieling)

4.5 · Dickdarm

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Kapitel 4 · Krankheiten der Verdauungsorgane

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378

50% eine villöse Architektur. Das Malignitätsrisiko ist 3-mal so groß wie bei tubulären Polypen.

Hereditäre adenomatöse Polypen:

4 Familiäre adenomatöse Polyposis (FAP): Seltene hereditäre Erkrankung mit autosomal-dominantem Erbgang und Prä-valenzen von 1:5000 bis 1:10.000. In der Pubertät beginnend, entwickeln sich im Kolon hunderte bis tausende von Polypen. Obligatorisch erfolgt nach 10–15 Jahren der Übergang in ein Karzinom, der nur durch rechtzeitige Proktokolektomie ver-hindert werden kann. Extrakolische Manifestationen: Dünn-darmadenome, speziell periampulär, Magenpolypen, Neben-nieren-, Leber- und Schilddrüsentumoren. Genetisch liegen bei den familiären und sporadischen Fällen unterschiedliche Mutationen des APC-G ens (adeno matous p olyposis co li) vor, das auf Chromosom 5q21–q22 lokalisiert ist und Tumor-suppressorfunktion hat. Das Genprodukt, APC-Protein, ist an einem zyt oplasmatischen Proteinkomplex b eteiligt, der den Genaktivator α-Catenin eliminiert. In einigen Fällen von FAP ist nicht das APC-Gen defekt, sondern das Gen für α-Catenin so mutiert, dass dieser Aktivator nicht ausgeschaltet werden kann.

4 Abgeschwächte FAP (AFAP): Manifestiert sich mit nur 10–100 Adenomen, die überwiegend im proximalen Kolon loka-lisiert sind. Der Übergang ins Karzinom erfolgt meistens erst nach dem 55. Lebensjahr. Die Keimbahnmutation betrifft das proximale oder distale Ende der APC-G ens. B ei einer er st kürzlich b eschriebenen autosomal-rezessiven Variante der abgeschwächten FAP sind p rimär b eide Allele des MYH-Gens durch Mutation inaktiviert. Dieses Gen ist für die Re-paratur von Basenexzisionen an der DNA zuständig. Sekun-där hat der Ausfall des MYH-Gens eine Mutation des APC-Gens zur Folge, die aber nur das Adenom betrifft und nicht die Keimbahn.

4 Turcot-Syndrom (Glioma-Polyposis): Kombination der FAP mit primären Hirntumoren. Bei der er sten Form sind M e-dulloblastome am häufigsten und mit einer Keimbahnmuta-tion des APC-Gens verbunden. Die zweite Form beinhaltet multiforme Gliob lastome mi t K eimbahnmutationen des MMR-Systems, das Replikationsfehler der DNA repariert.

4 Gardner-Syndrom: Familiäre Kolonpolyposis mit 100%igem Entartungsrisiko, dazu pathognomonische asymptomatische pigmentierte L äsionen am Augenhintergrund, kutane Epi-dermoidzysten, benigne Osteome des Unterkiefers und der langen Röhrenknochen, Schädelexostosen und diverse Zahn-anomalien. Die Fundusveränderungen (bei 90%) sind diag-nostisch wegweisend. Mutiert ist das APC-Gen.

Hereditäre hamartomatöse Polypen: Allgemein sehr selten.4 Peutz-Jeghers-Syndrom (PJS): Autosomal-dominant vererb-

te Erkrankung mit multiplen hamartomatösen Polypen im Jejunum und K olon. Ursache ist eine K eimbahnmutation am Gen einer S erin-Threonin-Kinase, die als S TK-11 oder LKB-1 bezeichnet wird.

> Die meisten Patienten haben mukokutane pigmentier-

te Läsionen im und um den Mund, an Händen und Fü-

ßen.

Das K olonkarzinomrisiko ist 18fac h erhö ht. Es wir d eine »Hamartom-Adenom-Karzinom-Sequenz« angenommen.

Assoziiert ist das PJS auch mit Ovarial- und Sertolizellkarzi-nomen, ferner mit Karzinomen der M amma, des P ankreas und des Endometriums. Das kumulative Karzinomrisiko er-reicht im Alter von 64 Jahren 93%.

4 Juvenile Polyposis (JPS): Autosomal-dominant erbliches Syndrom mit multiplen gefäßreichen, zystis chen hamarto-matösen Polypen im unteren Gastrointestinaltrakt. Ursache ist eine Keimbahnmutation am Tumorsuppressorgen SMAD-4, seltener am BMPR1A-Gen. Durch Transformation in Ade-nome kommt es häufig zur malignen Entartung. Das Malig-nomrisiko steigt von 20% im Alter von 34 Jahren auf 68% im Alter von 60 Jahren. Symptome sind intestinale Blutungen, Invagination und Obstruktion. Das JPS ist oft mit kongenita-len Anomalien assoziiert (Malrotation des Mitteldarms, uro-genitale und kardiale Fehlbildungen).

4 Cowden-Syndrom: Seltene hereditäre autosomal-dominant vererbte Erkrankung mit Kolonpolyposis durch Hamartome. Das Risiko für ein Kolonkarzinom ist nicht höher als in der allgemeinen Bevölkerung. Mutiert ist das tumorsuppressive PTEN-Gen. Weitere M anifestationen des S yndroms sind Oberkieferhypoplasie, hyperkeratotische Papillomatose von Lippen, Mund und R achen, Kyphoskoliose und neur ologi-sche Störungen. Gefährlich ist eine hohe Inzidenz von papil-lären Schilddrüsenkarzinomen. Auf dem Boden einer zysti-schen Mammahyperplasie können Mammakarzinome ent-stehen.

. Abb. 4.31. Flaches Kolonadenom (Chromoendoskopie mit Methylen-blau) (Sammlung Prof. Frieling)

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Klinik. Manifestation durch rektale Blutung, auch okkult mit se-kundärem Eisenmangel, selten durch unbestimmte Leibschmer-zen, Obstipation bzw. Obstruktion. Bei villösen Adenomen mu-koide Dia rrhöen. Die meist en A denome b leiben k linisch stumm.

Diagnostik. Nachweis durch Rektosigmoidoskopie und Kolosko-pie s owie durch B ariumkontrastmitteleinlauf mit Luftinsuffla-tion. Sicherung der Diagnose durch endoskopische Biopsie bzw. Abtragung. Bei hereditären Polyposen molekulargenetische Diag-nostik zu Erfassung der Keimbahnmutationen, möglichst schon vor Erkrankung der Merkmalsträger. Bei FAP flexible Sigmoido-skopie ab dem 10.–12. Lebensjahr. Ösophageale Gastroduodeno-skopie (ÖGD) alle 3 J ahre zur f rühen Erfassung extrakolischer Polypen.

Therapie.

Allgemein: Endoskopische Abtragung von gutartigen Adenomen und d ifferenzierten ( G1, G 2) T 1-Tumoren o hne Lymph- u nd Blutgefäßbeteiligung. B ei letzteren regelmäßige endoskopische Kontrollen. Bei großen Adenomen kann eine chirurgische Ent-fernung notwendig sein.

FAP: Genetische B eratung. Prophylaktische Proktokolekto-mie zwischen dem 15. und 20. Lebensjahr mit Ileum-Pouch-ana-ler Anastomose (externer und interner Sphinkterapparat bleiben nach Möglichkeit erhalten. Jährliche Pouchoskopie, bei erhalte-nem Rektumstumpf Rektoskopie alle 4 Monate.

AFAP: Abtragung der einzelnen Polypen. Jährliche koloskopi-sche Kontrolle. Bei nicht beherrschbarer Polyposis Kolektomie.

Hamartomatöse Polyposissyndrome: Wegen großer Selten-heit keine generellen Empfehlungen für Überwachung und The-rapie. Zuständig sind spezialisierte Zentren.

4.5.8 Kolorektales Karzinom

Epidemiologie. Kolorektale Karzinome sind in den w estlichen Ländern nach dem Bronchialkarzinom die häufigsten Maligno-me. In der deutschen Bundesrepublik wurden im Jahr 2000 ins-gesamt 28.696 Sterbefälle an kolorektalen Karzinomen registriert. Davon entfielen 8063 auf Rektumkarzinome. Bei Frauen waren Kolonkarzinome etwas häufiger, Rektumkarzinome etwas selte-ner die Todesursache als bei Männern. Der Häufigkeitsgipfel der Sterbefälle lag für Männer zwischen dem 70. und 75., für Frauen zwischen dem 75. und 80. Lebensjahr.

Ätiologie. Abgesehen von den her editären Formen mit Keim-bahnmutationen, die einen Anteil von 6% haben, entstehen kolo-rektale Karzinome durch erworbene Veränderungen des Genoms von Kolonepithelien. Welche Umwelteinflüsse dafür maßgebend sind, ist im Einzelnen nicht geklärt. Generell kommen kolorekta-le Karzinome in den ob eren sozioökonomischen Populationen der Städte häufiger vor als in ländlichen Regionen und in unter-

entwickelten Ländern. Die Sterblichkeit an Kolonkarzinom kor-reliert mit dem Prokopfverbrauch an Kalorien, Fleischproteinen, Nahrungsfett und Öl. Ein protektiver Effekt wurde dem Konsum einer faserreichen Nahrung zugeschrieben. Andererseits konnten Adenomrezidive durch eine fettarme und faserreiche Diät nicht verzögert werden. Da Obstipation und Divertikel nicht zum Kar-zinom disp onieren, ka nn a uch der v erlängerte K ontakt der Schleimhaut mit dem Darminhalt keine besondere Rolle spielen. In Fallkontrollstudien konnte mit einer an Früchten und Gemü-sen reichen Diät, die neben Faserstoffen viele Vitamine enthält, das Risiko an Rektum- und Kolonkarzinomen gesenkt werden. Protektiv soll auch hoher Calciumgehalt der Nahrung sein, viel-leicht durch Präzipitation von Gallensäuren, deren Metaboliten ein kanzerogener Effekt zugeschrieben wird. Alkohol und Rau-chen scheinen das Risiko etwas zu erhöhen. Eindeutig gesteigert ist das Risiko für kolorektale Karzinome bei Colitis ulcerosa und Morbus Crohn, Krankheiten mit erhöhter regenerativer Aktivität der Schleimhaut.

Genetische Basis der Kanzerogenese. Etwa 85% der kolorekta-len Karzinome gehen aus Adenomen bzw. Polypen her vor, die durch den Verlust des APC-G ens bereits Neoplasien geworden sind (. Abb. 4.32). Das sind die b ei FAP entstehenden und die Mehrzahl der sp oradischen Karzinome. Ihre Entwicklung zum Karzinom verläuft stufenweise über weitere Genveränderungen. Nächste Stufe ist in 50% der Fälle die aktivierende Mutation des Protoonkogens K-ras, die eine Steigerung der Transduktion mi-totischer S ignale d urch die Z ellmembran b ewirkt. D ysplasien entstehen aber nur nach vorausgegangenem APC-Verlust. In der Adenom-Karzinom-Sequenz folgt die Deletion des am Chromo-som 18q lokalisierten DDC-Gens (deleted in colon cancer), das Apoptose fördert und Tumoren supprimiert. Damit fallen zw ei Tumorsuppressor-Gene aus. Diese Genanomalien sind bei villö-sen Adenomen mit hochgradiger Dysplasie anzutreffen. Letzte Stufe ist die Deletion des Tumorsuppressorgens p53, das über sein Genprodukt bei DNA-Schäden die Apoptose programmiert. Der Verlust der p53-Funktion ist bei 75% der kolorektalen Karzinome nachzuweisen.

Ein zweiter Weg der K arzinogenese wird beim hereditären nichtpolypösen kolorektalen Karzinom (HNPPC) und bei 15% der sporadischen Karzinome beschritten. Beim HNPPC ist eines der 6 MMR-Gene (mismatch repair gene) in der Keimbahn mu-tiert, b egleitet v om Verlust des g epaarten Wildtyp-Allels. Die Genprodukte der MMR-Gene reparieren die bei der DNA-Rep-likation entstehenden Fehler (mismatches). Ihr Wegfall führt zu Mutationen, die hauptsächlich in den sog. Mikrosatelliten erfol-gen, das sind Genabschnitte aus kurzen sich wiederholenden Sequenzen, die v ermehrt Replikationsfehlern unterliegen. Die Mikrosatelliten sind über das ganze Genom verteilt. Wenn sich ihre G ensequenzen durch Mutationen verändern, spricht man von Mikrosatelliteninstabilität (MIS). Die MIS lässt sich gentech-nologisch durch Amplifikation nachweisen und ist ein sicheres Zeichen f ür den F unktionsverlust v on Repa raturgenen. B eim

4.5 · Dickdarm

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Kapitel 4 · Krankheiten der Verdauungsorgane

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HNPPC sind v on den MMR -Genen a m hä ufigsten die G ene hMLH1 und hMSH2 mutiert, DNA-Reparaturfehler führen un-ter anderem zum Verlust des Gens für den TGF-α-Rezeptor. Sig-nale, die über diesen Rezeptor laufen, blockieren die G1-Phase im Intermitosezyklus und hemmen die Proliferation. Bei den spora-dischen K arzinomen mi t g estörter D NA-Reparatur is t das hMLH1-Gen n icht m utiert, s ondern d urch M ethylierung d er CpG-Insel seines Promotors inaktiviert. Es kann infolge der Me-thylierung n icht t ranskribiert werden. D er Verlust der G enex-pression durch Hypermethylierung ist ein epigenetisches Phäno-men, das anscheinend in eine frühe Phase der Karzinogenese fällt. Denn in Adenomen und Karzinomen wurden gewöhnlich die g leichen G ene met hyliert angetroffen (p16, p14ARF, APC, HGMT u.a.). Die Forschung auf diesem Gebiet ist im Fluss und lässt weitere interessante Ergebnisse erwarten.

Pathologie. Dickdarmkarzinome wachsen relativ langsam und metastasieren spät. Von einer Tumorgröße von 1 cm Durchmes-ser bis zum stenosierenden Karzinom können mehrere Jahre ver-gehen. Hauptlokalisation ist das Rektumsigmoid. Das makrosko-pische Wachstum e rfolgt p apillös, s chüsselförmig u lzerierend, zirkulär stenosierend oder diffus infiltrierend. Mikroskopisch werden folgende Differenzierungsgrade unterschieden: Gut (G1), mäßig (G2), s chlecht (G3), undif ferenziert (G4). T umorstadi-umeinteilung in . Tab. 4.9.

Klinik. Gewöhnlich erst im fortgeschrittenen Stadium, von der Tumorlokalisation mitbestimmt.

Allgemeinsymptome: Anorexie, Gewichtsverlust, Körperschwä-che, manchmal Fieber durch Nekrosen und Lokalinfektionen.

Polypenkospe

kleiner Polyp großer Polyp

großer Tumorkleiner Tumor

. Abb. 4.32. Adenom-Karzinom-Sequenz im Kolon (Sammlung Prof. Frieling)

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Leibschmerzen: Besonders b ei Tumoren proximal des S igmas, weniger häufig beim Rektumkarzinom.

Veränderungen des Stuhlgangs: Anhal tende Obstipation, am häufigsten beim Sigmakarzinom, Diarrhö bei schleimsezer-nierenden Tumoren, Dyschezie und Tenesmen beim Rektumkar-zinom.

Rektale Blutungen: Mit Blutauflagerung bei Karzinomen des lin-ken, mit dunklem Stuhl bei solchen des rechten Kolons. Keine Verfärbung durch okkultes Blut. Eisenmangelanämie: Durch c hronische, m eistens o kkulte Blutverluste.

Diagnostik.

Stuhluntersuchung auf okkultes Blut: Beim herk ömmlichen FOBT (fecal occult blood testing) färbt sich ein mit Guajakolharz imprägniertes F ilterpapier in An wesenheit v on H ämoglobin nach Zusatz von Wasserstoffperoxid blau. Mit dem FOBT werden intermittierende Blutungen von kolorektalen Tumoren er fasst. Zur Verbesserung der Sensivität gehören zum Test 3 Briefchen (mit je 2 Auftragsfeldern) für 3 konsekutive Stühle. Die Sensitivi-tät des FO BT für kolorektale Karzinome lässt sic h durch diäte-tische Vorbereitung (3 Tage ohne rotes Fleisch, Blumenkohl und Brokkoli) st eigern, er reicht aber maxima l 85%. F ür Adenome ist sie deutlich geringer. Die Spezifität des FOBT ist mit 30% nied-rig. D ennoch ergaben prospektive Studien mit jährlich einem FOBT einen Rückgang der Mortalität an kolorektalen Karzino-men um 30%.

Direkter Karzinomnachweis: Endoskopisch durch Koloskopie, Sigmoidoskopie und Rektoskopie mit Biopsie zur histologischen Untersuchung (. Abb. 4.33). Goldstandard ist die Koloskopie, die das ganze Kolon erfasst und zugleich die Abtragung präkanzerö-ser Adenome erlaubt. Der Nachweis von Kolontumoren gelingt auch radiologisch mittels Bariumeinlauf und Doppelkontrastver-fahren, jedoch mit geringerer Sensitivität. Neuerdings etabliert sich die computertomographische virtuelle Koloskopie mit fort-laufend verbesserter Technik. Ihre Stellung in der Vorsorgediag-nostik ist d urch S tudien no ch nic ht a usreichend g eklärt. S ie kommt in Betracht, wenn das Kolon proximal einer nicht passier-baren Obstruktion zu untersuchen ist, ferner bei Verweigerung oder Unzumutbarkeit der Koloskopie. Die Strahlenbelastung ist nicht höher als beim Bariumeinlauf. Der Darm muss vorher ge-

reinigt und das K olon mit Luft o der Kohlensäure gefüllt wer-den.

VorsorgeKolorektale Karzinome wachsen langsam und ha ben Platz sich auszudehnen. Deshalb treten Symptome oft erst in einem fortge-schrittenem Stadium auf, das eine operative Heilung nicht mehr zulässt. Auf der anderen Seite sind die Heilungschancen in frühen Stadien des Karzinoms ausgezeichnet. Die beachtliche Mortalität am kolorektalen Karzinom kann nur durch geeignete Vorsorge-untersuchungen gesenkt werden. L eider nehmen daran bisher weniger als 20–30% der Personen über 50 Jahre teil. Die Maßnah-men zur Vorsorge richten sich nach dem Karzinomrisiko in den Bevölkerungsgruppen. S ie wurden von der D eutschen G esell-schaft f ür Verdauungs- und S toffwechselkrankheiten (D GVS) zuletzt 2004 aktualisiert (. Tab. 4.10).

Therapie. In jedem Fall chirurgisch.Präoperative Diagnostik

Digital-reaktale Untersuchung: Zur Beurteilung der Sphinkter-funktion und der Tiefeninfiltration bei Rektumkarzinomen.

Komplette Koloskopie mit Biopsie: Bei nicht passierbarer Steno-se postoperative Koloskopie nach 3–6 Monaten.

. Tabelle 4.9. Staging des kolorektalen Karzinoms

Stadium TNM-Klassifikation Ausdehnung 5-Jahresüberlebensquote in Prozent

Stadium I (Dukes A)Stadium I (Dukes B1)Stadium II (Dukes B2)Stadium III (Dukes C)Stadium IV (Dukes D)

T1N0M0T2N0M0T3N0M0TxN1M0TxNxM1

Tumor auf Mukosa und Submukosa begrenztTumor reicht bis in die MuskularisTumorausdehnung in oder durch die SerosaBefall der regionalen LymphknotenFernmetastasen (Leber, Lunge etc.)

>908570–8035–655

. Abb. 4.33. Kolonkarzinom in der linken Flexur (Sammlung Prof. Frie-ling)

4.5 · Dickdarm

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Kapitel 4 · Krankheiten der Verdauungsorgane

4

382

. Tabelle 4.10. Vorsorgeempfehlungen für das kolorektale Karzinom (KRK) von der DGVS

Risikogruppe Personen Vorsorgeempfehlungen

Asymptomatische Bevölke-rung mit normalem Risiko

Beginn ab 50 Jahren Personen, die keine Koloskopie wünschen

jährlicher FOBT für 3 konsekutive Stühle

Teilnehmer am Koloskopie-Screening

5 bei unauffälligem Befund Kontrolle nach 10 Jahren5 bei Adenomnachweis nach 2–3 Jahren, FOBT entfälltkann mit Sigmoidoskopie alle 5 Jahre kombiniert werden

Risikogruppen für sporadi-sches kolorektales Karzinom

Verwandte 1. Grades von Patienten mit KRK

Koloskopie im Alter unter 10 Jahren vom Erkrankungsalter des Indexpatienten, spätes-tens mit 50 JahrenWiederholung alle 10 Jahre

Verwandte von Patien-ten mit kolorektalen Adenomen

Koloskopie im Alter unter 10 Jahren vom Alter, in dem beim Patienten das Adenom nachgewiesen wurdeWiederholung alle 10 Jahre

Risikogruppen für hereditäre kolorektale Karzinome

Patienten mit familiärer adenomatöser Polypo-sis (FAP)

prädikative genetische Diagnostikbei bestätigter Mutation jährliche Sigmoidoskopie bzw. KoloskopieProktokolektomie zwischen dem 15. und 20. Lebensjahrab dem 30. Lebensjahr ÖGD alle 3 Jahre

attenuierte FAP Nachweis der Keimbahnmutation (s. oben)jährliche Koloskopie und je nach Ausdehnung Polypektomie oder Kolektomiebei Risikopersonen aus Familien mit AFAP: 5 erste Koloskopie mit 15 Jahren5 ab dem 20. Lebensjahr: Therapieentscheidung nach Ausdehnung der Polyposis

Hereditäres Non-Poly-posis-Coli-Kolonkarzi-nom (HNPCC) oder Lynch-Syndrom

Das Syndrom wird nach anamnestischen Kriterien (Amsterdam, Bethesda) definiert. 5 bei Risikopatienten ab dem 18. Lebensjahr genetische Beratung5 beim gentechnologischen Mutationsnachweis jährliche Koloskopien und Ober-

bauchsonographien ab dem 25. Lebensjahr, in jedem Fall 5 Jahre vor dem niedrigs-ten Erkrankungsalter in der Familie

5 beim familiären Magenkarzinom jährlich ÖGD ab dem 25. Lebensjahr5 bei weiblichen Merkmalsträgern jährlich gynäkologische Untersuchung mit Ultra-

schall ab dem 25. Lebensjahr5 beim Karzinomnachweis Operation nach tumorchirurgischen Gesichtspunkten5 keine prophylaktische Kolektomie

Hamartomatöse Poly-posissyndrome

wegen spärlicher Datenlage keine Überwachungsempfehlungen

Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen

Colitis ulcerosa:Karzinomrisiko bei Pan-kolitis:5 2% nach 10 Jahren5 9% nach 20 Jahren5 18% nach 30 Jahren

bei Pancolitis ulcerosa die <8 Jahre besteht und linksseitiger Kolitis die >15 Jahre be-steht jährliche Koloskopie mit Stufenbiopsie (mindestens 4 Biopsien aller 10 cm)

bei hochgradiger intraepithelialer Neoplasie wird die Kolektomie empfohlen

Morbus Crohn keine generelle Empfehlung zur Überwachung

Abdomensonographie (evtl. Spiral-CT oder MRT): Zum A us-schluss von Organüberschreitung und Lebermetastasen.

Röntgenthorax in 2 Ebenen (evtl. Spiral-CT): Zum Ausschluss von Lungenmetastasen.

Bestimmung des CEA (Karzinoembryonales Antigen): Das CEA ist ein prognostischer Faktor. Hohe Serumwerte sprechen für ei-nen ausgedehnten Tumor und sind ungünstig. Nach kompletter

Resektion werden die Werte normal und st eigen bei Rezidiven wieder an. Zum Screening ist die CEA-Bestimmung ungeeignet, weil frühe Karzinome nur wenig erhöhte Werte zeigen. Außer-dem ist die Spezifität des Tests gering.

Operation

Heilungschancen bestehen nur bei Radikaloperation. Je nach Lo-

kalisation erfolgen Hemikolektomie rechts, Transversumresek-tion, Hemikolektomie links, Sigmaresektion, unter Einbeziehung

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des regionalen Mesenteriums mit Lymphbahnen, Lymphknoten und Gefäßen. Wiederherstellung der D armpassage durch End-zu-End-Anastomose. B eim Rektumkarzinom w erden S igma, Rektum und das komplette Mesorektum reseziert. Liegt die un-tere Tumorgrenze 7–15 cm oberhalb der analen Haut-Schleim-haut-Grenze, wird die tiefe anteriore Rektumresektion durchge-führt mi t End-zu-End-Anast omose. B ei tief er lieg enden Rek-tumkarzinomen erfolgt die Res ektion abdominoperineal mit permanenter Kolostomie.

Neoadjuvante (präoperative) und adjuvante

(postoperative) Therapie

Zum Einsatz kommen Radiotherapie und Chemotherapie, auch in Kombination. Die Indikation dazu besteht nur in fortgeschrit-tenen Tumorstadien.

Kontraindikationen: unkontrollierte Infektionen, Leberzir-rhose, s chwere koronare Herzkrankheit, Herzinsuffizienz, prä-terminale un d t erminale N iereninsuffizienz, ein geschränkte Knochenmarksfunktion, Unvermögen zur Teilnahme an regel-mäßigen Nachuntersuchungen.

! Ein Alter <65 Jahre ist keine Kontraindikation!

Kolonkarzinome: Bei R0-resezierten Karzinomen im Stadium III adjuvante Chemotherapie mit einem 5-FU/F olinsäure-haltigen Protokoll (Majo-Schema, NSABP-Schema oder LV5FU + Oxali-platin). Erzielt werden eine signifikante Senkung der Rezidivrate und eine Überlebensverlängerung. Bei Patienten im Stadium IV hat die ad juvante Therapie mit dem P rotokoll FOLFOX (5-FU, Leukovorin, O xaliplatin) z ur Verlangsamung d er P rogredienz und zu einer mittleren Überlebenszeit von 19,5 Monaten geführt. Neuerdings kann zusätzlich mit Antikörpern gegen Wachstums-rezeptoren (Cetuximab) und Rezeptoren der Angiogenese (Beva-cizumab) kombiniert und die Überlebenszeit auf 22 Monate ver-längert w erden. S trahlentherapie und neoad juvante Thera pie sind bei Kolonkarzinomen nicht angezeigt.

Rektumkarzinome: Im Stadium I nach R0-Resektion is t keine adjuvante Therapie indiziert. In den S tadien II und III i st eine neoadjuvante Radiochemotherapie indiziert mit 5-Fluorouracil, das als R adiosensitizer wirk t. Falls k eine neoad juvante Ther-apie stattgefunden hat, kann die Radiochemotherapie postope-rativ nachgeholt werden. Erreicht wird eine deutliche Senkung der lokalen Rezidivrate. Bei Karzinomen im Stadium T3/4N0-2 ist immer eine neoadjuvante Radio- oder Radiochemotherapie angezeigt. Damit wird nach 5–6 Wochen eine Tumorschrump-fung und eine V erbesserung der o perativen Möglichkeiten er-zielt.

Vorgehen bei Metastasen

Resektable Metastasen: Auf Leber oder Lunge beschränkte Me-tastasen sollten primär reseziert werden, sofern eine R0-Resekti-on grundsätzlich möglich erscheint.

Isolierte inoperable Lebermetastasen: Systemische Chemothe-rapie. Der Nutzen einer additiven lokalen Behandlung (Laserthe-rapie, Radiofrequenzablation) ist nicht erwiesen.

Resektion des Primärtumors: Bei primär metastasierendem ko-lorektalen Karzinom ist die Resektion des P rimärtumors anzu-streben, um lokale Komplikationen zu vermeiden.Nachsorge. Nach kurativer Therapie eines k olorektalen Karzi-noms besteht für 5 Jahre das Risiko eines lokalen oder lokoregio-nalen Rezidivs.

Programm der Nachsorge: 4 in den ersten 2 Jahren:

5 vierteljährliche k linische U ntersuchung, FO BT und CEA-Bestimmung

5 halbjährlich E ndoskopie, A bominalsonographie, e vtl. CT oder MRT

4 nach 2 J ahren Verlängerung des N achsorgeintervalls auf 6 Monate

4 nach 5 Jahren Verlängerung des Nachsorgeintervalls auf 12 Monate.

4.5.9 Proktologische Erkrankungen

Innere HämorrhoidenHyperplasien des C orpus cavernosum recti, eines sub mukösen Schwellkörpers im oberen Analkanaldrittel, der aus 3 Ästen der A. rectalis superior mit arteriellem Blut gefüllt wird. Venöser Ab-fluss teils zur Pfortader, teils über den in der Perianalhaut gelege-nen venösen Plexus hämorrhoidalis inferior zur unteren Hohlve-ne. Die 3 Hauptknoten entstehen an den Gefäßeintrittsstellen, bei 3, 7 und 11 Uhr in Steinschnittlage. Satellitenknoten können sich bei 2 und 5 Uhr entwickeln. Hauptursache sind konstitutionelle Faktoren (Bindegewebeschwäche), hinzu kommen sitzende Le-bensweise, Fettsucht, Obstipation (Bauchpresse) und Schwanger-schaft. Portaler Hochdruck spielt keine kausale Rolle.

Stadium ISehr häufig (bei >50% der proktologisch untersuchten Patienten). Oft symptomlos. Manifestiert sich mit geringen bis heftigen Blu-tungen während der Defäkation, nicht mit Schmerzen. Hämor-rhoiden nur in der Rektumschleimhaut. Nachweis durch Anos-kopie oder Rektoskopie, nicht palpatorisch.

Stadium IIGrößer gewordene, t astbare Hämorrhoidenknoten, deren Ver-letzlichkeit durch Fibrosierung abgenommen hat (. Abb. 4.34a). Beginnende Unterwanderung des Plattenepithels im Analkanal, reversibler Prolaps nach außen bei der D efäkation. Schleimab-sonderung unabhängig von der Defäkation (gestörte Verschluss-funktion des Schwellkörpers) mit sekundärer Anitis und Periani-tis. Nachlassen der B lutungsneigung. Schmerzhafte Fissuren durch Einrisse der unterwanderten Analhaut. Gelegentlich Pro-

4.5 · Dickdarm