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ASTRONOMISCHE NACHRICHTEN. Band 212. Nr. 5070. 6. ~~~ ~~~~~ Didaktisches zur Aberration. 11. Von F. Hayn. In einem kurzen Aufsatz in Nr. 5042 habe ich versucht zu‘zeigen, daO man in der Lage ist, auf alle Fragen der Aberration bestimmte Antworten zu geben auf Grund ein- facher Uberlegungen und gewisser Erfahrungstatsachen. Wie ich aus vielfachen Zuschriften ersehen muilte, ist die Absicht sehr oft miaverstanden worden, auch ist die Gultigkeit nieiner SchluOfolgerungen angefochten worden, was dadurch zu er- klaren ist, dai3 sich erstens bedauerlicher Weise ein sinn- entstellender Fehler eingeschlichen hat, und ferner weil mein Aufsatz, in der Form einer Skizze gehalten, wesentliche Punkte nicht ausfuhrlich genug behandelt hat. Die beabsichtigte Wir- kung konnte sich in das Gegenteil verkehren, wurde ich nicht nachtraglich einige Unklarheiten beseitigen und den ausfuhr- lichen Beweis bringen, daO meine Behauptungen berechtigt sind. Wiederholungen sind aus diesen Griinden nicht zu ver- meiden. Die Bezeichnungsweise ist die des ersten Aufsatzes. Bei der Aberration handelt es sich um die Lichtbe- wegung zwischen zwei bewegten Punkten, der Lichtquelle und dem Beobachter. Der Beobachter kann feststellen : die Richtung, aus der das Licht zu kommen scheint, und die Zeit, zu der das Licht eintrifft. Mit Hilfe des DoppZerschen Prinzips kann er auch die relative Geschwindigkeit bestimmen. Diesen Punkt lassen wir aber auiler acht. An Erfahrungst‘atsachen wird vorausgesetzt : I. Das Licht pflanzt sich im leeren Raum geradlinig rnit gleichformiger Geschwindigkeit (a) fort. 2. Die Fortpflanzung ist unabhangig von der Geschwindigkeit der Lichtquelle, wenigstens wenn diese klein ist gegenuber v. 3. Die Giiltigkeit der optischen Gesetze uber Brechung und Spiegelung. Nehmen wir zunachst ein beliebiges rechtwinkliges Ko- ordinatensystem an. Die Koordinaten der Lichtquelle seien X, 2; die Koordinaten des Beobachters x, y, z und die Geschwindigkeitskomponenten des Beobachters x’, y’, 2’. Eben- so gelte vorlaufig die Annahme, daO Lichtquelle und Beob- achter sich geradlinig und gleichformig bewegen und daO der Lichtweg in seiner ganzen Lange im leeren Raume verliiuft. Das Licht geht aus zur Zeit tl von (XYZ) und er- reicht zur Zeit fz den Beobachter (xyz). Die Entfernung des Beobachters (xyz) von (XYZ) zur Zeit tl sei s1; die zuge- horigen Richtungscosinus sollen rnit cos a’, cosp, cosy’ be- zeichnet werden. Die Verbindungslinie der Lichtquelle (XYZ) zur Zeit t, mit den1 Beobachter (3cy.s) zur Zeit tz, der wahre Lichtweg, sol1 die Richtungscosinus COSM, co~p,~ cosy und die Lange s2 haben. Was sagt der Satz: Die Fortpflanzung des Lichtes ist unabhangig von der Geschwindigkeit der Lichtquelle ? Dieser Satz ist kein Gesetz, sondern eine Erfahrungstatsache, und bei der Deutung yon solchen Erfahrungen muD man sehr vorsichtig sein und nicht mehr herauslesen, als sie tatsachlich aussagen. Der Satz sagt nicht mehr als das folgende. Die Beobachtungen haben dieselbe Geschwindigkeit des Lichtes ergeben, ganz gleich welche Geschwindigkeit die Lichtquelle im Raume hatte; die Entfernungsanderung genugte, um die Beobachtungen darzustellen, oder rnit anderen Worten, die Lichtbewegung geht fur den Beobachter so vor sich, als ware z. B. die Bewegung der Lichtquelle Null und nur der Beob- achter in Bewegung. Definiert man das Koordinatensystem dementsprechend, d. h. so, daO die Lichtquelle fest rnit ihm verbunden ist, so folgt daraus, daO x‘, y’, z’ die Geschwindig- keitskomponenten der relativen Bewegung des Beobachters gegen die Lichtquelle sind. Unter den gemachten- Annahmen gelten nun folgende Formeln, wenn abgekiirzt f, - tl = t gesetzt und die relative Lichtgeschwindigkeit rnit v’ bezeichnet wird : q cosa’ = s , cosa+dt 1 El cosy‘ = sz cosy+ z’f 1 u’cosa’ = vCOSa+X’ s1 cosp = s2 cosfi+y’t (I) Y’COS/& = vcosB+y’ v’cos y’ = vcos y+ 2’. Daraus folgt weiter : Jle = s22+p (X’2+y’.t++lg’2)+ v’2 - - v2+x’2+(2+z’2+ + 2sz f (x‘cosa+y‘ cosp+z‘ cosy) + 22, (x’ cos a +y’ cos/!l+z’ cosy) . (3) (4) Bei allen Beobachtungen ist der Beobachter fest mit der Erdoberflache verbunden. Seine relativen Geschwindig- keiten lassen sich in folgender Weise berechnen. Nennt man die relativen Koordinaten der Sonne gegen die Lichtquelle xo, yo, zo, die der Erde gegen die Sonne xl,yl, z1, und die des Beobachters gegen den Erdmittelpunkt xp, y2, q, dann ist x=xo+x1+q, y=yo+y1+y2, z=zo+ynl+zz und x’= X~’+X~’+~~’, y’ =y0’+yt’+-v2’, z’= zo’+zl’+zz’. Sind die relativen Geschwindigkeiten des Beobachters angebbar, so last sich aus den Formeln (I) bis (4) berechnen, wie sich fur den Beobachter der Vorgang abspielt, was er beobachten, d. h. messen k.ann. Die Formeln (2) sind die Grundgleichungen der Aber- ration. Aus ihnen werden in bekannter Weise die Unterschiede a’- a, /&- ,8, 7’- y ermittelt. In dem ersten Aufsatze hatte ich, um das Bild zu vervollstandigen, den Weg angedeutet, wie man die Hauptglieder der Aberration in Rektaszension und Deklination findet. Ich gehe auf diesen Punkt hier nicht ein, weil die numerische Berechnung der Aberration von meinen Darlegungen nicht beruhrt wird und anderweitig mit einer Genauigkeit, die uber die Forderungen der Anwendung hinausgeht, durchgefiihrt worden ist. Hier handelt es sich nur um tlidaktische Fragen. Auf einen bedauerlichen Fehler im ersten Aufsatze habe ich in Nr. 5048 hingewiesen. Auf Seite 18 in dem Abschnitte )>DieAberration wird bedingt etc.c( steht, da5 sie nicht be- dingt ist durch die relative Bewegung Gestirn-Erde. Dieser sinnwidrige Satz ist durch Kiirzung und Abanderung anderer Satze entstanden. Er steht im Widerspruche zu allen anderen 6

Didaktisches zur Aberration. II

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Page 1: Didaktisches zur Aberration. II

ASTRONOMISCHE NACHRICHTEN. Band 212. Nr. 5070. 6.

~~~ ~~~~~

Didaktisches zur Aberration. 11. Von F. Hayn. In einem kurzen Aufsatz in Nr. 5 0 4 2 habe ich versucht

zu‘zeigen, daO man in der Lage ist, auf alle Fragen der Aberration bestimmte Antworten zu geben auf Grund ein- facher Uberlegungen und gewisser Erfahrungstatsachen. Wie ich aus vielfachen Zuschriften ersehen muilte, ist die Absicht sehr oft miaverstanden worden, auch ist die Gultigkeit nieiner SchluOfolgerungen angefochten worden, was dadurch zu er- klaren ist, dai3 sich erstens bedauerlicher Weise ein sinn- entstellender Fehler eingeschlichen hat, und ferner weil mein Aufsatz, in der Form einer Skizze gehalten, wesentliche Punkte nicht ausfuhrlich genug behandelt hat. Die beabsichtigte Wir- kung konnte sich in das Gegenteil verkehren, wurde ich nicht nachtraglich einige Unklarheiten beseitigen und den ausfuhr- lichen Beweis bringen, daO meine Behauptungen berechtigt sind. Wiederholungen sind aus diesen Griinden nicht zu ver- meiden. Die Bezeichnungsweise ist die des ersten Aufsatzes.

Bei der Aberration handelt es sich um die Lichtbe- wegung zwischen zwei bewegten Punkten, der Lichtquelle und dem Beobachter. Der Beobachter kann feststellen : die Richtung, aus der das Licht zu kommen scheint, und die Zeit, zu der das Licht eintrifft. Mit Hilfe des DoppZerschen Prinzips kann er auch die relative Geschwindigkeit bestimmen. Diesen Punkt lassen wir aber auiler acht.

An Erfahrungst‘atsachen wird vorausgesetzt : I . Das Licht pflanzt sich im leeren Raum geradlinig rnit

gleichformiger Geschwindigkeit (a) fort. 2. Die Fortpflanzung ist unabhangig von der Geschwindigkeit

der Lichtquelle, wenigstens wenn diese klein ist gegenuber v. 3. Die Giiltigkeit der optischen Gesetze uber Brechung und

Spiegelung. Nehmen wir zunachst ein beliebiges rechtwinkliges Ko-

ordinatensystem an. Die Koordinaten der Lichtquelle seien X, 2; die Koordinaten des Beobachters x, y , z und die Geschwindigkeitskomponenten des Beobachters x’, y’, 2’. Eben- so gelte vorlaufig die Annahme, daO Lichtquelle und Beob- achter sich geradlinig und gleichformig bewegen und daO der Lichtweg in seiner ganzen Lange im leeren Raume verliiuft.

Das Licht geht aus zur Zeit tl von ( X Y Z ) und er- reicht zur Zeit fz den Beobachter (xyz). Die Entfernung des Beobachters (xyz) von ( X Y Z ) zur Zeit tl sei s1; die zuge- horigen Richtungscosinus sollen rnit cos a’, cosp , cosy’ be- zeichnet werden. Die Verbindungslinie der Lichtquelle ( X Y Z ) zur Zeit t, mit den1 Beobachter (3cy.s) zur Zeit tz, der wahre Lichtweg, sol1 die Richtungscosinus C O S M , c o ~ p , ~ cosy und die Lange s2 haben.

Was sagt der Satz: Die Fortpflanzung des Lichtes ist unabhangig von der Geschwindigkeit der Lichtquelle ? Dieser Satz ist kein Gesetz, sondern eine Erfahrungstatsache, und bei der Deutung yon solchen Erfahrungen muD man sehr vorsichtig sein und nicht mehr herauslesen, als sie tatsachlich aussagen. Der Satz sagt nicht mehr als das folgende. Die

Beobachtungen haben dieselbe Geschwindigkeit des Lichtes ergeben, ganz gleich welche Geschwindigkeit die Lichtquelle im Raume hatte; die Entfernungsanderung genugte, um die Beobachtungen darzustellen, oder rnit anderen Worten, die Lichtbewegung geht fur den Beobachter so vor sich, als ware z. B. die Bewegung der Lichtquelle Null und nur der Beob- achter in Bewegung. Definiert man das Koordinatensystem dementsprechend, d. h. so, daO die Lichtquelle fest rnit ihm verbunden ist, so folgt daraus, daO x‘, y’, z’ die Geschwindig- keitskomponenten der relativen Bewegung des Beobachters gegen die Lichtquelle sind.

Unter den gemachten- Annahmen gelten nun folgende Formeln, wenn abgekiirzt f, - tl = t gesetzt und die relative Lichtgeschwindigkeit rnit v’ bezeichnet wird : q cosa’ = s, c o s a + d t 1 El cosy‘ = sz cosy+ z ’ f 1

u’cosa’ = vCOSa+X’ s1 c o s p = s2 cosfi+y’t ( I ) Y’COS/& = vcosB+y’

v’cos y’ = vcos y+ 2’.

Daraus folgt weiter : Jle = s22+p (X’2+y’.t++lg’2)+

v’2 - - v 2 + x ’ 2 + ( 2 + z ’ 2 + + 2sz f (x‘cosa+y‘ cosp+z‘ cosy)

+ 22, (x’ cos a +y’ cos/!l+z’ cosy) .

( 3 )

(4 ) Bei allen Beobachtungen ist der Beobachter fest mit

der Erdoberflache verbunden. Seine relativen Geschwindig- keiten lassen sich in folgender Weise berechnen. Nennt man die relativen Koordinaten der Sonne gegen die Lichtquelle xo, yo, zo, die der Erde gegen die Sonne x l , y l , z1, und die des Beobachters gegen den Erdmittelpunkt xp, y2, q, dann ist x=xo+x1+q, y=yo+y1+y2, z=zo+ynl+zz und x’= X ~ ’ + X ~ ’ + ~ ~ ’ , y’ =y0’+yt’+-v2’, z’= zo’+zl’+zz’. Sind die relativen Geschwindigkeiten des Beobachters angebbar, so last sich aus den Formeln ( I ) bis (4) berechnen, wie sich fur den Beobachter der Vorgang abspielt, was er beobachten, d. h. messen k.ann.

Die Formeln ( 2 ) sind die Grundgleichungen der Aber- ration. Aus ihnen werden in bekannter Weise die Unterschiede a’- a, /&- ,8, 7’- y ermittelt. In dem ersten Aufsatze hatte ich, um das Bild zu vervollstandigen, den Weg angedeutet, wie man die Hauptglieder der Aberration in Rektaszension und Deklination findet. Ich gehe auf diesen Punkt hier nicht ein, weil die numerische Berechnung der Aberration von meinen Darlegungen nicht beruhrt wird und anderweitig mit einer Genauigkeit, die uber die Forderungen der Anwendung hinausgeht, durchgefiihrt worden ist. Hier handelt es sich nur um tlidaktische Fragen.

Auf einen bedauerlichen Fehler im ersten Aufsatze habe ich in Nr. 5048 hingewiesen. Auf Seite 18 in dem Abschnitte )>Die Aberration wird bedingt etc.c( steht, da5 sie n i c h t be- dingt ist durch die relative Bewegung Gestirn-Erde. Dieser sinnwidrige Satz ist durch Kiirzung und Abanderung anderer Satze entstanden. Er steht im Widerspruche zu allen anderen

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Annahmen und Behauptungen. Von diesem Abschnitte sind die vier ersten Zeilen zu streichen. Die Richtigstellung ist in folgendem enthalten. Leider ist mir erst ziemlich spat dieser Fehler aufgefallen.

Welche Erscheinungen treten nun ein, wenn die Licht- quelle ein Fixstern oder ein Glied des Sonnensystems ist? Im ersteren Falle tritt zunachst ein scheinbarer Widerspruch auf. Es hatte sich ergeben, daD die Aberration von der re- lativen Bewegung des Beobachters gegen die Lichtquelle her- riihrt; da nun die relative Bewegung gegen die einzelnen Fixsterne ganz verschieden ist, mu8 apch die Aberrations- wirkung bei jedem Stern eine andere sein. Die sogenannte Fixsternaberration, d. h. ihre Konstante, ist aber fur alle Sterne gleich. Dieser scheinbare Widerspruch ruhrt daher, daO der Beobachter nur den Teil der Aberration messen kann, der veranderlich ist, d. h. den Teil, der herruhrt von den GroDen x ~ ‘ + x ~ ‘ , yl’+y2’, z1’+z3’, wahrend die von so‘, -yo‘, zo’ her- riihrende Wirkung fur jeden Stern zwar verschieden, aber konstant ist und sich daher der MeDbarkeit entzieht. Bei der Berechnung d‘er Fixsternaberration wird deshalb der kon- stante Teil vernachlassigt und jeder Stern so behandelt, als ware seine relative Bewegung gegen die Sonne Null. Man kann sich diesen Fall auch dadurch anschauiich machen, dai3 man sagt: Die Richtung von der Sonne nach jedem Fixstern ist fur viele Jahre als konstant zu betrachten; obwohl die einzelnen Sterne die verschiedensten Bewegungen haben, ver- halt sich das Licht, das von ihnen zu uns kommt, infolge der grogen Entfernung so, als kame es von einem Sterne, der sich zur Sonne in ‘relativer Ruhe befindet. Von der Be- wegung ini Visionsradius ist dabei naturlich abgesehen.

1st die Entfernung eines Sterns und seine Bewegung bekannt, dann lafit sich der Fixstern hinsichtlich der Aber- ration genau so behandeln wie andere Lichtquellen.

1st die Lichtquelle ein Glied des Sonnensystems, dann sind naturgemaf! fur xo’, yo’, zo’ ihre negativen Geschwindig- keiten gegen die Sonne zu setzen, um die relativen Ge- schwindigkeiten des Beobachters gegen die Lichtquelle zu erhalten. Am leichtesten wird bekanntlich bei Gliedern des Sonnensystems die Wirkung der Aberration in Rechnung ge- zogen, indem man mit der aus der bekannten Entfernung folgenden Zeit d2 -- tl und der geozentrischen Winkelbewegung des betreffenden Gestirns den beobachteten Ort auf die Zeit t2 reduziert, oder indem man den beobachteten Ort als fur die Zeit tl geltend annimmt.

Das sind zwei von den bekannten Regeln zur Beruck- sichtigung der ))Planetenaberration<, die nicht nur fur die Planeten, sondern naturgemat! ebenso fur Sonne und Mond gelten. Fur diese beiden ist die Aberrationswirkung stets schon in der Ephemeride enthalten. Fur die Sonne-ist sie gleichbedeutend rnit der Fixsternaberration, da in diesem Falle eben x,,, yo, zo als Null anzunehmen sind. Beim Monde ist die Aberration in Lange ebenfalls nahezu konstant und variiert etwa zwischen or65 und 0!‘75, in Breite et’reicht sie im Maximum den Betrag von f oYog ; 4 - tl schwankt zwischen 152 und 1S35. Eine Angabe uber die Aberration des Mondes habe ich nirgends gefunden.

Nur der Vollstandigkeit halber sei erwahnt, daO Ephe- meriden geozentrisch gegeben werden und daher die tagliche Aberration nicht enthalten konnen.

Nun ist noch der Fall zu betrachten, daO die Licht- quelle an der Rotation der Erde teilnimmt. In diesem Falle werden die Werte ~ ’ , y ‘ , z’ so klein, daD die Aberration unter die Grenzen der MeDbarkeit sinkt. Waren in diesem Falle die relativen Geschwindigkeitskomponenten Null, ‘dann wurde auch die Aberration und die mit ihr verwandten Erscheinungen vollig verschwinden. Es laat sich leicht berechnen, wie groD die Wirkung in einem besonderen Falle ist. Befindet sich z. B. die Lichtquelle im Meridian in einer Entfernung von roo km, so betragt in mittleren Breiten die zu erwartende Erscheinung etwa den hundertsten Teil yon der Konstanten der taglichen Aberration.

Der Weg von einem Gestirn bis zum Beobachter zer- fallt in zwei verschiedene Teile. Der Weg bis zur Grenze der Erdatmosphare verlauft im luftleeren Raume. Fur einen Beobachter an der genannten Grenze gelten die bisherigen Betrachtungen in ailer Strenge. Die Richtung des einfalienden Lichtstrahls, die er beobachtet, IaOt sich rechnungsmaoig vollig streng feststellen. Der zweite Teil des Lichtweges verlauft in der Erdatmosphare. Die Berucksichtigung der Refraktion erfolgt in der Weise, daD man unter Zugrundelegung der Richtung des e i n f a l l e n d e n L i c h t s t r a h l s , d. h. also der Kichtung, die oben ermittelt worden ist, und gewisser An- nahmen uber die Dichteverhaltnisse der Luft, sowie auf Gru,nd der optischen Gesetze uber Brechung den Weg des Licht- strahls berechnet. Diese optischen Gesetze gelten fur Licht- vorgange in der Atmosphare, denn sie sind aus Beobachtungen in derselben abgeleitet worden. Man wird daher mit rollem Recht behaupten konnen, daD Lichtvorgange i n der Atmo- sphare so verlaufen, wie diese Gesetze angeben.

Aus dem Vorstehenden geht hervor, daO die Aberration streng genommen nicht fur den Ort des Beobachters zu be- rechnen ist, sondern fur den Punkt, durch den der beobachtete Strahl in die Erdatmosphare eintritt. Das wiirde fur die rech- nerische Durchfuhrung etwas unbequem sein. Da nun, wie man sich leicht durch Rechnung uberzeugen kann, die Aber- ration fur den Beobachtungsort nur sehr wenig von dem streng richtigen Werte abweicht, so ist das ubliche Verfahren zulassig. Aus diesen Uberlegungen ergibt sich folgerichtig in aller Strenge, daO unter den gemachten Voraussetzungen die Aber- ration eines Gestirns von der Lichtgeschwindigkeit in irgend einem Medium ganz unabhangig ist; denn der Lichtstrahl passiert bis zur Erdatmosphare kein Medium. Von da an aber verlauft der Strahl nach den als gultig angenommenen optischen Gesetzen. Medien, die auf diesem Lichtweg ein- geschaltet werden, konnen nur so wirken, wie die Gesetze, die durch vollig gleichartige Beobachtungen ermittelt worden sind, angeben. Sowie man die Voraussetzung 3. macht, und das hat man meines Wissens bisher immer getan, kann von deni Einfluf! irgend eines Mediums auf die Aberration folgerichtiger Weise nicht gesprochen werden.

Aus den Betrachtungen folgt weiter, daO die Aberration, wie behauptet, unter Annahme der drei anfangs genannten Erfahrungstatsachen rein geometrisch erklart werden kann. Jede dieser drei Voraussetzungen la& sich naturgemafi physi- kalisch nur durch eine Lichttheorie erklaren. Da man bei der Behandlung der Refraktion stets die Brechungsgesetze als gultig voraussetzt, habe ich es mit demselben Rechte getan.

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Die bisherigen SchluDfolgerungen sind streng, sofern x’, p‘, z’ innerhalb iz -ti konstant sind. Die numerische Be- rechnung der vorkommenden Falle hat gezeigt, daO man wohl i n allen Fallen rnit dieser Annahme auskommt. Jedenfalls wird man stets eine genugende Genauigkeit erreichen, wenn man die Geschwindigkeiten fur die Zeit ’/% (tl + t g ) berechnet.

Bei der Beobachtung irdischer Lichtquellen ist die Aberrationsmirkung, wie oben mitgeteilt, so gering, dai3 ich mich fur berechtigt hielt, im ersten Aufsatze in diesem Falle die GroDen x’, y’, z’ N d l ZU. setzen. Die Betrachtungen be- statigen weiter die im ersten Aufsatze, Seite I 9, behaupteten drei Tatsachen. Wir sahen, daO in dem Falle, wenn die Koordinaten sich auf die Sonne beziehen, d. h. wenn die Bewegung der Sonne gegen das System Null ist (Fixsterne und Sonne), nur die jahrliche und tagliche ,Aberration in Frage kommt. Mit anderen Worten: Die Bewegung des Systems ist in der Aberration nicht nachweisbar; das gilt ebenso fur die beiden anderen Falle.

In Nr. 5 0 4 2 habe ich nun in anderer Weise versucht, gewisse Fragen der Aberration in einfachster Weise an- schaulich zu machen. Ausgegangen bin ich von der als zulassig erkannten Annahme (siehe oben), daO zwei Punkte auf und uber der Erdoberflache, deren Entfernung ein ge- wisses Ma6 nicht uberschreitet, sich parallel und gleich schnell bewegen. Ich gebe den Inhalt hier in etwas verlnderter Form wieder.

Gegeben die Lichtquelle R und der Beobachter A ; d. 1 Verbindungslinie beider bilde rnit der Nullrichtung den Winkel y’. Ruhen beide Punkte, dann ist die scheinbare Kichtung gleich der wahren. Bewegen sich beide Punkte in der Pfeilrichtung mit der Geschwindigkeit a, dann er- reicht das Licht den Beobachter in A’, das Licht aber ist gewandert auf der sich gleichzeitig parallel verschieben- den Geraden AB. Die scheinbare Richtung ist dieselbe wie im ruhenden System.

Ein Lichtstrahl, der von einem Fixstern aus der wahren Richtung y den Beobachter. trifft, scheint dem Beobachter ebenfalls aus der Richtung y’ zu kommen; denn es ist sinfry- y’) = a/u . siny’. Das Licht aus B verhalt sich dem- nach g e n a u so, als kame es von einem Stern, dessen ‘wahre Richtung y ist. Durch einen Schreibfehler steht an der ent- sprechenden Stelle falschlich sin y statt sin 9’.

Nimmt man nun den Raum zwischen B und A rnit einem Medium erfullt an, dessen Schichtungs- und Dichte- verhaltnisse bekannt sind, so lat3f sich der Weg des Licht- strahls von der Lichtquelle B nach A auf Grund des Brechungs- gesetzes berechnen. , Da aber das Licht von dem genannten Stern genau denselben Weg zurucklegt, so erkennt man aus diesen einfachen Uberlegungen : Fur die scheinbare Richtung eines Lichtstrahls an der Grenze der Erdatmosphare ist nur die Aberration im leeren Weltraum maagebend. Der Weg in der Lufthulle der Erde ist, .durch diesen Einfallswinkel be- stimmt und durch die Medien, durch die er fCihrt; die Aber- ration selbst aber ist von keinem Medium abhangig.

Es bleibt noch ubrig den Beweis zh fuhren, daO meine Behauptung uber den Versuch von Michelson berechtigt ist. Es konnte die Frage aufgeworfen werden: Was hat dieser Versuch niit der Erklarung der Aberration zu tun ? Didaktisch jedenfalls sehr viel; denn es ware in der Tat sehr zu ver- wundern, wenn nicht schon oft die Frage gestellt worden ware, warum man nicht rnit der Aberration irdischer Licht- quellen ebensogut sol1 die Bewegung der Erde feststellen konngn, wie es jener Versuch tun wollte. In beiden Fallen handelt es sich doch um den Lichtvorgang zwischen zwei Punkten auf der Erde. In der Tat muate auf Grund der Annahmen von Mzchelson ein Winkel auf der Erdoberflache im Laufe des Tages ziemlich starke Veranderungen zeigen, sodaO man dadurch vie1 einfacher den gewunschten Nachweis erbringen konnte als mit jenem Versuche.

Michelson wollte nachweisen, daD der Lichtvorgang zwischen zwei Punkten auf der Erde abhangig sei von der Richtung und Geschwindigkeit der Erdbewegung. Da wir nun kein Mittel besitzen, allerkleinste Zeitunterschiede direkt zu messen, ordnete Michelson den Versuch so an, daO er hoffte, rnit Hilfe von Interferenz den erwarteten Unterschied festzustellen.

Der Einfachheit halber wird im folgenden nur der ein- fache Lichtweg betrachtet. Was fur diesen gilt, mu8 auch fur den zusammengesetzten gelten. Ein Unterschied, der beim einfachen Lichtweg nicht vorhanden ist, kann auch beim zusammengesetzten nicht auftreten, wohl aber konnen umgekehrt in letzterem Falle gewisse GroOen sich aufheben. Aus den Gleichungen (3) und (4), die unmittdbar aus ( I )

und ( 2 ) folgen, erkennt man, um welche Betrage s1 und s,, der scheinbare und der wahre Lichtweg, oder auch u’ und v, der scheinbare und der wahre Lichtweg in der Zeiteinheit, sich unterscheiden. In unserem Falle ist sl die Entfernung der beiden Punkte auf der Erde. Wenn man nun aus den Formeln (2) die Aberration in Richtung berechnen will, mussen nach meinen Voraussetzungen die relativen Geschwin- digkeiten fur x’, y’, z’ gesetzt werden. Wenn das fur die For- meln ( 2 ) richtig ist, gilt es auch fur (3) und (4). Fur irdische Lichtquellen aber sind die genannten Komponenten, wie wir gesehen haben, so klein, daO man sagen mua, der Beobachter kann nur feststellen, daD bei verschiedenen Richtungen s1 und s, oder u’ und Y sich nicht in meObarer Weise unter- scheiden. Und das ist das tatsachliche Resultat des bekannten Versuches. Gesetzt aber, unsere Mittel erlaubten die kleinen Unterschiede sowohl durch Zeitmessung wie durch Interferenz zu messen, so muDten beide Methoden selbstverstandlich den- selben Wert ergeben. Ich spreche das ausdrucklich aus, um dem Einwurf zu begegnen, als konnte man rnit den beiden Methoden ganz verschiedenes feststellen.

Setzt man in den Formeln ( 3 ) und (4) entsprechend dem obigen Figurenbeispiel a2 = d2+y”+~’’t und aufierdem n’ = X ‘ C O S N + ~ ‘ C O S ~ + Z ’ C O S ~ , wo Q’ die in die Richtung des wahren Lichtweges fallende Komponente der Bewegung des Beobachters ist, dann wird

Aus diesen Formeln ergeben sich aber sehr einfach die Aus- drucke, die man in Lehrbuchern der Physik bei Besprechung des Michelsonschen Versuches findet. Es wird da oft behauptet,

5’2 = sz2 (I +aZ/u*+ za’/u) 2 P = u2 (I + f z 2 / v 2 + 2a’/v) .

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der Lichtvorgang zwischen zwei Punkten auf der Erde hinge nur vom Quadrat und hoheren Potenzen des Verhaltnisses a/u ab; man ubersieht aber dabei, dat3 in dem besonderen Falle die I . Potenz nur durch die Anordnung des Versuches ver- schwindet. Ferner nimmt man an, daO fur n die absolute Bewegung des Beobachters gesetzt werden muOte, die nicht definierbar ist, und nimmt dafur die relative Bewegilng zur Sonne. Wenn das richtig ware, dann miiOte man dieselben Geschwindigkeiten auch in die Gleichungen fur die Aberration in Richtung einsetzen und demnach verlangen, daO terrestrische Richtungen im Laufe eines Tages alle Aberrationserscheinun- gen zeigen, die man aus der Differenz zweier geeignet ge- wahlten Richtungen rnit Leichtigkeit nachweisen wurde. Es geht doch nicht an, daO man bei ganz gleichen Vorgangen das eine Ma1 die relative, das andere Ma1 die sogenannte absolute Geschwindigkeit in dieselben Formeln einsetzt ; eins kann nur richtig sein.

Wir haben kurzgefafit folgendes Ergebnis. Die an zweiter Stelle vorausgesetzte Erfahrungstatsache erklart die Aberration vollkommen in einfachster Weise. Das Ergebnis des Versuches von MicheZson bestatigt, daO diese Voraussetzung zu Recht besteht, und widerspricht den Annahmen von Michelson. Nach den herrschenden Grundsatzen ist eine Voraussetzung solange berechtigt, als sie alle Beobachtungen zwanglos erklart. Ich war also berechtigt zu der Behauptung, daO Lichtvorgange zwischen zwei Punkten, die sich in relativer Ruhe befinden, sich so abspielen, als ware das System in Ruhe. Ich mochte

noch hinzufiigen, daO auch die Erscheinungen des Dopjler- schen Prinzips hiermit in vollem Einklang stehen.

Zum Schluf3 sei ausdrucklich betont, daO in meinen Darlegungen sehr wenig enthalten ist, was nicht schon langst anerkannt ist. Das einzig Neue ist nur, daf3 ich aus den drei Gleichungen des Systems (2) die dritte SchluDfolgerung ge- zogen habe, wahrend man sich bisher immer damit begniigte, nur zwei Unbekannte, namlich die der Richtung, zu bestimmen. Ich habe diesmal die Giiltigkeit der optischen Gesetze iiber Brechung als dritte Voraussetzung an den Anfang gestellt. Im ersten Aufsatze ist das nicht geschehen, aber die Voraus- setzung gilt trotzdem und ist auf Seite 19, letzter Abschnitt, unzweideutig ausgesprochen worden.

Vielleicht konnte jemand den Vorwurf erheben, daD man naturlich, leicht etwas erklaren kann, wenn man nur moglichst viele Voraussetzungen macht ; bei einer bestimmten Anzahl ist schlieOlich alles selbstverstandiich. L)emgegeniiber mochte ich darauf hinweisen, daO ich nicht mehr voraus- gesetzt habe, als bisher 'iiblich gewesen ist; meine drei Er- fahrungstatsachen genugen aber, um Lichtvorgange. wie die hier besprochenen, rein geometrisch zu erklaren und auf aile Fragen der Aberration in einfachster Weise bestimmte Ant- worten zu geben.

Denjenigen Herren, die mich freundlichst auf einige Unklarheiten und Ungenauigkeiten des ersten Aufsatzes auf- merksam machten, fuhle ich mich zu bespnderem Danke ver- pflichtet. Ich hoffe, diese Mange1 beseitigt zu haben.

Leipzig, 1920 Juni 14. ~ - ~~~ F. Uayn.

Der Algolstern V 13 = RU Geminorum. Von A. A. NqZazd. Seit ineinem letzten Berichte ( A N 4797) habe ich den Die Zahlen E beziehen sich auf die friiher (AN 4797)

Stern andauernd .verfolgt. Er ist fur mein Auge ein schwieri- Man wird bemerken, dafi ges Objekt, das im vollen Lichte {etwa 1 1 ~ 7 ) bald deutiich ausschliefilich nerade EDochen auftreten. Ich hatte nicht heller, bald ebenso deutlich schwacher als der Vergleich- stern c (s. das Gartchen AN 3944) geschatzt wird. Das kleinste Licht schatze ich auf etwa 1zm9; es liegen jedoch noch zu wenig Anschlusse an die Sichtbarkeitsgrenze des Refraktors vor, um genaue Grenzen des Lichtwechsels geben zu konnen.

Die hier folgende Tabelle gibt eine Ubersicht der

schon atgeleitete Periode I 3doo6.

Daten, an welchen der Stern < I zmz gesehen wurde; n ist die Zahl der Schatzungen.

E M. Z. Greenw. n Bern. o 2420533d34-j8 6 I

2 0559.29 I 1

4 0585.37-49 5 1 6 0611.34-38 2 2

2 0 0793.56 I 2 22 0819.48-59 2 I

26 0871.52-62 2 I

28 0897.43-52 3 I

30 0923.45 I 1

32 0949.33-3s 2 3 46 1131.56-59 3 I

48 1157.43-61 4 3 5.0 I 183.52 I 2

r42 2380.38 1 274 84 1625.33-61 4 3

Bemerkungen . I . Stern im kleinsten Lichte. - 2 . Rohe Schatzung. - 3 . Stern nimnit ab. - 4. Stern nimmt zu.

- weniger als 7 ma1 die Gelegenheit festzustellen, daO ein un- gerades Minimum nicht stattfindet. An den Daten 2420598 ( E = 5 ) , 0624 (a= 7 ) , 0858 (E= 25), 0910 (E=29), 1 1 7 0 ( E = 4 9 ) , 1 2 7 5 (-E= 5 7 ) und 1977 (IT= 1 x 1 ) sah ich den Stern im vollen Lichte, oder hochstens omz schwacher, wahrend ein Minimum hatte auftreten mussen. Die Periode ware also zu verdoppeln, und auf ~ 6 ~ 0 1 2 zu setzen, aber damit kommt man rnit einer Beobachtung von Bohlzn aus dem Jahre 1912 in Widerspruch, der ein Minimum 2419428.3 (1912 Jan. 26; E = -85) beobachtete (s. AN 4614 u. 4797). Ich bat Herrn Prof. Bohlin, nachsehen z u wollen, ob vielleicht ein Versehen vorliege, doch bekain ich die Antwort, da13 der Stern am 26. Jan. unzweifelhaft schwacher als sonst be- obachtet .worden sei. Allerdings war die Luft unruhig und wurde der Stern um 3h Sternzeit 4 oder 5 Stufen, um 6h aber 3 Stufen schwacher als c notiert niit der Bemerkung: ))hat seit 3h nicht abgenommenc. Nimmt man c 3 u als die richtigere Schatzung an, so war der Stern Jan. 26 nicht wesentlich schwacher als I 9 I I dov. 26 und Dez. I 5, und 1912 Jan. 14 (AN 4614), sodan von einem Minimum kaum die Rede sein kann, es sei denn, daO man vier Minima an- Gehmen wollte. Hierzu bemerke ich aber, dat3 die Reihen- folge dieser Minima rnit den Zwischenzeiten 19, 30 und 1 2 Tagen sich uberhaupt nicht mit einer kurzen Periode, sei es von 13.0 oder von 26.0 Tagen, welche doch wohl nicht bezweifelt werden kann, vertragt.