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Einleitung: Die adhäsive Kapsulitis ist eine schleichend einsetzende, in Pha- sen ablaufende Erkrankung des Schultergelenkes bei Patienten mittleren Alters. Charakteristisch ist eine Verdickung der Kapsel mit Schrumpfung der Axillarräume des Schultergelenkes (adhäsive Kapsulitis). Daraus resultieren Schmerzen und Bewegungseinschrän- kungen. Zu unterscheiden ist die idiopathische oder primäre von der sekundären Form. Es sind ca. 2 bis 5 % der Normalbevölke- rung an der Erkrankung betroffen, deren Ursache, bei der idio- pathischen Form zumindest, weiterhin nicht geklärt ist. Bei der se- kundären Form ist die jeweilige Kausalität (postoperativ, posttrau- matisch oder degenerativ) als Ursache für die Entstehung der Erkrankung anzusehen. Die schmerzhafte Schultersteife scheint bei Patienten mit folgenden Nebenerkrankungen – Diabetes mellitus, Morbus Dupuytren und Schilddrüsenerkrankungen – eine erhöhte Inzidenz zu haben. Manche Autoren beschreiben ein Auftreten der Erkrankung bei Patienten mit Diabetes mellitus mit bis zu 40 %. Die adhäsive Kapsulitis ist eine selbstlimitierende Erkran- kung, die unbehandelt nach 2 – 3 Jahren wieder verschwindet. Allerdings gibt es auch Patienten, die trotz einer Therapie, Rest- beschwerden in Form von persistierenden Beschwerden oder Bewegungseinschränkungen behalten. Ätiologie, Pathologie, Verlauf: Bis heute gibt es keine einheitliche Definition der adhäsiven Kapsulitis. Einige Autoren glauben, dass bei Patienten mit einer adhäsiven Kapsulitis eine genetische Disposition für eine Schul- tersteife vorläge und bislang noch unbekannte, triggernde Fak- toren diese auslösten. Die Schmerzen könnten möglicherweise über die in der Gelenk- kapsel vorhandenen Nozizeptoren vermittelt werden. Zwei wei- tere Möglichkeiten für die Schmerzen bei der adhäsiven Kapsuli- tis wären die Synovitis und die erhöhte Prostaglandinproduktion. Zudem scheinen die Matrixmetalloproteine eine zentrale Rolle bei der Lösung der Kapsulitis zu spielen. Auch konnte in Zwil- lingsstudien ein genetischer Einfluss auf die Entstehung der adhä- siven Kapsulitis nachgewiesen werden. Elektronenmikroskopisch zeigt sich kein Unterschied zwischen der Schultergelenkkapsel und anderen Gelenkkapseln, so dass weiterhin völlig unklar ist, warum ausgerechnet die Schulterkap- sel derartigen Veränderungen unterworfen ist (Abb. 1 und 2). Als Ursachen für die Bewegungseinschränkungen werden nach heutiger Ansicht folgende Veränderungen im Schultergelenk an- gesehen: Fibrosierung der Ligamenta, der Subscapularis- und der Bizepssehne fibrosierende Verdickung der gesamten Kapsel mit Schrumpfung des Gelenkvolumens narbige Adhäsionen bei sekundärer adhäsiver Kapsulitis zwischen Rotatorenmanschette und Akromion INFORMATION DER KLINIK FÜR ORTHOPÄDIE, UNFALLCHIRURGIE UND SPORTMEDIZIN DIE ADHÄSIVE KAPSULITIS (SCHULTERSTEIFE) – PATHOLOGIE, KLINIK UND THERAPIE Eine klinische Einteilung der Schultersteife erfolgte von Reeves in drei Stadien: Freezing phase zunehmende Schmerzen Phase 1 zunehmende Bewegungseinschränkung Frozen phase Schmerzen langsam rückläufig Phase 2 weiterhin zunehmende Bewegungs- einschränkungen Muskelatrophie Thawing phase Schmerzen verschwinden Phase 3 Beweglichkeit kommt spontan zurück Klinik: Anfangs berichten die Patienten über nächtliche Schmerzen oder über Schmerzen bei Arbeiten über Kopf. Dann steigern sich die Schmerzen und eine zunehmende konzentrische Bewegungsein- schränkung folgt, die zunächst mit dem Verlust der Außenrotation beginnt. Zum Höhepunkt der Erkrankung liegt eine schmerzlose, komplette Bewegungseinschränkung des Glenohumeralgelenkes (Schultergelenk) vor. Spezielle Schmerzdruckpunkte oder be- stimmte funktionelle Tests sind nicht charakteristisch für die Erkran- kung. Die Diagnose wird aufgrund der klinischen Untersuchung gestellt, Röntgenbilder, MRT, Sonographie oder Szintigraphie sind lediglich zum Ausschluss von Nebenerkrankungen dienlich. Therapie: Die initiale Behandlung beruht auf einer konservativen Therapie in Form von Schmerzlinderung, Entzündungshemmung und vor- sichtiger Krankengymnastik zur Verbesserung der Beweglich- keit. Neben der Schmerztherapie (z.B. NSAR) in oraler oder in Form von intraartikulären Injektionen (Lokalanästhetikum und Cortison) kommt eine krankengymnastische Therapie mit Einweisung des Patienten in Heimübungen und Physiotherapie (z.B. Kälte, Wärme, Ultraschall) zur Anwendung. Früher wurde als Goldstandard der Therapie eine Narkosemobilisation der Schulter angesehen. Heute wird das unspezifische Einreißen der Kapsel aufgrund der zahlreichen Risiken (Frakturen, Weichteil- und Nervenschäden) nicht als zeitgemäß angesehen. Auch die Distensionsarthrographie gerät immer mehr in den Hintergrund. In unserer Klinik wird vorwiegend, so wie es auch in der moder- nen Medizin üblich ist, das arthroskopische 360°-Kapselrelease durchgeführt. Bei dieser Methode ist es möglich, alle Kapselan- teile und Ligamenta zu durchtrennen, die Subscapularis-Sehne von Verwachsungen zu befreien sowie die entzündliche Synovitis zu entfernen (Abb. 3 und 4). Dieser Eingriff ist eine risikoarme und effektive Methode zur signifikanten Schmerzreduktion und Wiederherstellung der Beweglichkeit im Schultergelenk. Abb. 1: Adhäsive Kapsulitis Abb. 2: Morbus Dupuytren Abb. 3 und 4: arthroskopische Resektion der Kapsel und der Ligamenta Kontakt: Prof. Dr. med. Dr. h.c. Jörg Jerosch | Johanna-Etienne-Krankenhaus | Klinik für Orthopädie, Unfallchirurgie und Sportmedizin Am Hasenberg 46 | 41462 Neuss | T (02131) 5295-2002 | F (02131) 5295-2003 | [email protected] | www.johanna-etienne-krankenhaus.de

DIE ADHÄSIVE KAPSULITIS (SCHULTERSTEIFE) – PATHOLOGIE… · Ätiologie, Pathologie, Verlauf: Bis heute gibt es keine einheitliche Definition der adhäsiven Kapsulitis. Einige Autoren

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Page 1: DIE ADHÄSIVE KAPSULITIS (SCHULTERSTEIFE) – PATHOLOGIE… · Ätiologie, Pathologie, Verlauf: Bis heute gibt es keine einheitliche Definition der adhäsiven Kapsulitis. Einige Autoren

Einleitung: Die adhäsive Kapsulitis ist eine schleichend einsetzende, in Pha-sen ablaufende Erkrankung des Schultergelenkes bei Patienten mittleren Alters. Charakteristisch ist eine Verdickung der Kapsel mit Schrumpfung der Axillarräume des Schultergelenkes (adhäsive Kapsulitis). Daraus resultieren Schmerzen und Bewegungseinschrän-kungen. Zu unterscheiden ist die idiopathische oder primäre von der sekundären Form. Es sind ca. 2 bis 5 % der Normalbevölke-rung an der Erkrankung betroffen, deren Ursache, bei der idio-pathischen Form zumindest, weiterhin nicht geklärt ist. Bei der se-kundären Form ist die jeweilige Kausalität (postoperativ, posttrau-matisch oder degenerativ) als Ursache für die Entstehung der Erkrankung anzusehen. Die schmerzhafte Schultersteife scheint bei Patienten mit folgenden Nebenerkrankungen – Diabetes mellitus, Morbus Dupuytren und Schilddrüsenerkrankungen – eine erhöhte Inzidenz zu haben. Manche Autoren beschreiben ein Auftreten der Erkrankung bei Patienten mit Diabetes mellitus mit bis zu 40 %. Die adhäsive Kapsulitis ist eine selbstlimitierende Erkran-kung, die unbehandelt nach 2 – 3 Jahren wieder verschwindet. Allerdings gibt es auch Patienten, die trotz einer Therapie, Rest-beschwerden in Form von persistierenden Beschwerden oder Bewegungseinschränkungen behalten.

Ätiologie, Pathologie, Verlauf: Bis heute gibt es keine einheitliche Defi nition der adhäsiven Kapsulitis. Einige Autoren glauben, dass bei Patienten mit einer adhäsiven Kapsulitis eine genetische Disposition für eine Schul-tersteife vorläge und bislang noch unbekannte, triggernde Fak-toren diese auslösten. Die Schmerzen könnten möglicherweise über die in der Gelenk-kapsel vorhandenen Nozizeptoren vermittelt werden. Zwei wei-tere Möglichkeiten für die Schmerzen bei der adhäsiven Kapsuli-tis wären die Synovitis und die erhöhte Prostaglandinproduktion. Zudem scheinen die Matrixmetalloproteine eine zentrale Rolle bei der Lösung der Kapsulitis zu spielen. Auch konnte in Zwil-lingsstudien ein genetischer Einfl uss auf die Entstehung der adhä-siven Kapsulitis nachgewiesen werden. Elektronenmikroskopisch zeigt sich kein Unterschied zwischen der Schultergelenkkapsel und anderen Gelenkkapseln, so dass weiterhin völlig unklar ist, warum ausgerechnet die Schulterkap-sel derartigen Veränderungen unterworfen ist (Abb. 1 und 2).

Als Ursachen für die Bewegungseinschränkungen werden nach heutiger Ansicht folgende Veränderungen im Schultergelenk an-gesehen:

� Fibrosierung der Ligamenta, der Subscapularis- und der Bizepssehne� fi brosierende Verdickung der gesamten Kapsel mit Schrumpfung des Gelenkvolumens� narbige Adhäsionen bei sekundärer adhäsiver Kapsulitis zwischen Rotatorenmanschette und Akromion

Einleitung: Die adhäsive Kapsulitis ist eine schleichend einsetzende, in Phasen ablaufende Erkrankung des Schultergelenkes bei Patienten mittleren Alters. Charakteristisch ist eine Verdickung der Kapsel mit Schrumpfung der Axillarräume des Schultergelenkes (adhäsive Kapsulitis). Daraus resultieren Schmerzen und Bewegungseinschränkungen. Zu unterscheiden ist die idiopathische oder primäre von der sekundären Form. Es sind ca. 2 bis 5 % der Normalbevölkerung an der Erkrankung betroffen, deren Ursache, bei der idiopathischen Form zumindest, weiterhin nicht geklärt ist. Bei der sekundären Form ist die jeweilige Kausalität (postoperativ, posttraumatisch oder degenerativ) als Ursache für die Entstehung der Erkrankung anzusehen. Die schmerzhafte Schultersteife scheint bei Patienten mit folgenden Nebenerkrankungen - Diabetes mellitus, Morbus Dupuytren und Schilddrüsenerkrankungen – eine erhöhte Inzidenz zu haben. Manche Autoren beschreiben ein Auftreten der Erkrankung bei Patienten mit Diabetes mellitus mit bis zu 40%. Die adhäsive Kapsulitis ist eine selbstlimitierende Erkrankung, die unbehandelt nach 2-3 Jahren wieder verschwindet. Allerdings gibt es auch Patienten, die trotz einer Therapie, Restbeschwerden in Form von persistierenden Beschwerden oder Bewegungseinschränkungen behalten.

Abb 1.: adhäsive Kapsulitis Abb. 2: Morbus Dupuytren Ätiologie, Pathologie, Verlauf: Bis heute gibt es keine einheitliche Definition der adhäsiven Kapsulitis. Einige Autoren glauben, dass bei Patienten mit einer adhäsiven Kapsulitis eine genetische Disposition für eine Schultersteife vorläge und bislang noch unbekannte, triggernde Faktoren diese auslösten. Die Schmerzen könnten möglicherweise über die in der Gelenkkapsel vorhandenen Nozizeptoren vermittelt werden. Zwei weitere Möglichkeiten für die Schmerzen bei der adhäsiven Kapsulitis wären die Synovitis und die erhöhte Prostaglandinproduktion. Zudem scheinen die Matrixmetalloproteine eine zentrale Rolle bei der Lösung der Kapsulitis zu spielen. Auch konnte in Zwillingsstudien ein genetischer Einfluss auf die Entstehung der adhäsiven Kapsulitis nachgewiesen werden. Elektronenmikroskopisch zeigt sich kein Unterschied zwischen der Schultergelenkkapsel und anderen Gelenkkapseln, so dass weiterhin völlig unklar ist, warum ausgerechnet die Schulterkapsel derartigen Veränderungen unterworfen ist (Abb. 1 und 2). Als Ursachen für die Bewegungseinschränkungen werden nach heutiger Ansicht folgende Veränderungen im Schultergelenk angesehen:

• Fibrosierung der Ligamenta, der Subscapularis- und der Bizepssehne

• fibrosierende Verdickung der gesamten Kapsel mit Schrumpfung des Gelenkvolumens

• narbige Adhäsionen bei sekundärer adhäsiver Kapsulitis zwischen Rotatorenmanschette und Akromion

Eine klinische Einteilung der Schultersteife erfolgte von Reeves in drei Stadien:

Freezing phase Phase 1

zunehmende Schmerzen zunehmende Bewegungseinschränkung

Frozen phase Phase 2

Schmerzen langsam rückläufig weiterhin zunehmende Bewegungseinschränkungen Muskelatrophie

Thawing phase Phase 3

Schmerzen verschwinden Beweglichkeit kommt spontan zurück

Klinik: Anfangs berichten die Patienten über nächtliche Schmerzen oder über Schmerzen bei Arbeiten über Kopf. Dann steigern sich die Schmerzen und eine zunehmende konzentrische Bewegungseinschränkung folgt, die zunächst mit dem Verlust der Außenrotation beginnt. Zum Höhepunkt der Erkrankung liegt eine schmerzlose, komplette Bewegungseinschränkung des Glenohumeralgelenkes (Schultergelenk) vor. Spezielle Schmerzdruckpunkte oder bestimmte funktionelle Tests sind nicht charakteristisch für die Erkrankung. Die Diagnose wird aufgrund der klinischen Untersuchung gestellt, Röntgenbilder, MRT, Sonographie oder Szintigraphie sind lediglich zum Ausschluss von Nebenerkrankungen dienlich. Therapie: Die initiale Behandlung beruht auf einer konservativen Therapie in Form von Schmerzlinderung, Entzündungshemmung und vorsichtiger Krankengymnastik zur Verbesserung der Beweglichkeit. Neben der Schmerztherapie (z.B. NSAR) in oraler oder in Form von intraartikulären Injektionen (Lokalanästhetikum und Cortison) kommt eine krankengymnastische Therapie mit Einweisung des Patienten in Heimübungen und Physiotherapie (z.B. Kälte, Wärme, Ultraschall) zur Anwendung. Früher wurde als Goldstandard der Therapie eine Narkosemobilisation der Schulter angesehen. Heute wird das unspezifische Einreißen der Kapsel aufgrund der zahlreichen Risiken (Frakturen, Weichteil- und Nervenschäden) nicht als zeitgemäß angesehen. Auch die Distensionsarthrographie gerät immer mehr in den Hintergrund.

Abb. 3 und 4: arthroskopische Resektion der Kapsel und der Ligamenta In unserer Klinik wird vorwiegend, so wie es auch in der modernen Medizin üblich ist, das arthroskopische 360°-Kapselrelease durchgeführt. Bei dieser Methode ist es möglich, alle Kapselanteile und Ligamenta zu durchtrennen, die Subscapularis-Sehne von Verwachsungen zu befreien sowie die entzündliche Synovitis zu entfernen (Abb. 3 und 4). Dieser Eingriff ist eine risikoarme und effektive Methode zur signifikanten Schmerzreduktion und Wiederherstellung der Beweglichkeit im Schultergelenk.

Kontakt: Prof. Dr. med. Dr. h.c. Jörg Jerosch Johanna-Etienne-Krankenhaus Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie Am Hasenberg 46 | 41462 Neuss T (02131) 5295 - 2002 | F (02131) 5295 - 2003 [email protected]

Information der Klinik für Orthopädie, Unfallchirurgie und Sportmedizin

Die adhäsive Kapsulitis (Schultersteife) – Pathologie, Klinik und Therapie

INFORMATION DER KLINIK FÜR ORTHOPÄDIE, UNFALLCHIRURGIE UND SPORTMEDIZIN

DIE ADHÄSIVE KAPSULITIS (SCHULTERSTEIFE) – PATHOLOGIE, KLINIK UND THERAPIE

Eine klinische Einteilung der Schultersteife erfolgte von Reeves in drei Stadien:

Freezing phase zunehmende Schmerzen Phase 1 zunehmende Bewegungseinschränkung

Frozen phase Schmerzen langsam rückläufi g Phase 2 weiterhin zunehmende Bewegungs- einschränkungen Muskelatrophie Thawing phase Schmerzen verschwinden Phase 3 Beweglichkeit kommt spontan zurück

Klinik: Anfangs berichten die Patienten über nächtliche Schmerzen oder über Schmerzen bei Arbeiten über Kopf. Dann steigern sich die Schmerzen und eine zunehmende konzentrische Bewegungsein-schränkung folgt, die zunächst mit dem Verlust der Außenrotation beginnt. Zum Höhepunkt der Erkrankung liegt eine schmerzlose, komplette Bewegungseinschränkung des Glenohumeralgelenkes (Schultergelenk) vor. Spezielle Schmerzdruckpunkte oder be-stimmte funktionelle Tests sind nicht charakteristisch für die Erkran-kung. Die Diagnose wird aufgrund der klinischen Untersuchung gestellt, Röntgenbilder, MRT, Sonographie oder Szintigraphie sind lediglich zum Ausschluss von Nebenerkrankungen dienlich.

Therapie: Die initiale Behandlung beruht auf einer konservativen Therapie in Form von Schmerzlinderung, Entzündungshemmung und vor-sichtiger Krankengymnastik zur Verbesserung der Beweglich-keit. Neben der Schmerztherapie (z.B. NSAR) in oraler oder in Form von intraartikulären Injektionen (Lokalanästhetikum und Cortison) kommt eine krankengymnastische Therapie mit Einweisung des Patienten in Heimübungen und Physiotherapie (z.B. Kälte, Wärme, Ultraschall) zur Anwendung. Früher wurde als Goldstandard der Therapie eine Narkosemobilisation der Schulter angesehen. Heute wird das unspezifi sche Einreißen der Kapsel aufgrund der zahlreichen Risiken (Frakturen, Weichteil- und Nervenschäden) nicht als zeitgemäß angesehen. Auch die Distensionsarthrographie gerät immer mehr in den Hintergrund.

In unserer Klinik wird vorwiegend, so wie es auch in der moder-nen Medizin üblich ist, das arthroskopische 360°-Kapselrelease durchgeführt. Bei dieser Methode ist es möglich, alle Kapselan-teile und Ligamenta zu durchtrennen, die Subscapularis-Sehne von Verwachsungen zu befreien sowie die entzündliche Synovitis zu entfernen (Abb. 3 und 4). Dieser Eingriff ist eine risikoarme und effektive Methode zur signifi kanten Schmerzreduktion und Wiederherstellung der Beweglichkeit im Schultergelenk.

Abb. 1: Adhäsive Kapsulitis Abb. 2: Morbus Dupuytren

Einleitung: Die adhäsive Kapsulitis ist eine schleichend einsetzende, in Phasen ablaufende Erkrankung des Schultergelenkes bei Patienten mittleren Alters. Charakteristisch ist eine Verdickung der Kapsel mit Schrumpfung der Axillarräume des Schultergelenkes (adhäsive Kapsulitis). Daraus resultieren Schmerzen und Bewegungseinschränkungen. Zu unterscheiden ist die idiopathische oder primäre von der sekundären Form. Es sind ca. 2 bis 5 % der Normalbevölkerung an der Erkrankung betroffen, deren Ursache, bei der idiopathischen Form zumindest, weiterhin nicht geklärt ist. Bei der sekundären Form ist die jeweilige Kausalität (postoperativ, posttraumatisch oder degenerativ) als Ursache für die Entstehung der Erkrankung anzusehen. Die schmerzhafte Schultersteife scheint bei Patienten mit folgenden Nebenerkrankungen - Diabetes mellitus, Morbus Dupuytren und Schilddrüsenerkrankungen – eine erhöhte Inzidenz zu haben. Manche Autoren beschreiben ein Auftreten der Erkrankung bei Patienten mit Diabetes mellitus mit bis zu 40%. Die adhäsive Kapsulitis ist eine selbstlimitierende Erkrankung, die unbehandelt nach 2-3 Jahren wieder verschwindet. Allerdings gibt es auch Patienten, die trotz einer Therapie, Restbeschwerden in Form von persistierenden Beschwerden oder Bewegungseinschränkungen behalten.

Abb 1.: adhäsive Kapsulitis Abb. 2: Morbus Dupuytren Ätiologie, Pathologie, Verlauf: Bis heute gibt es keine einheitliche Definition der adhäsiven Kapsulitis. Einige Autoren glauben, dass bei Patienten mit einer adhäsiven Kapsulitis eine genetische Disposition für eine Schultersteife vorläge und bislang noch unbekannte, triggernde Faktoren diese auslösten. Die Schmerzen könnten möglicherweise über die in der Gelenkkapsel vorhandenen Nozizeptoren vermittelt werden. Zwei weitere Möglichkeiten für die Schmerzen bei der adhäsiven Kapsulitis wären die Synovitis und die erhöhte Prostaglandinproduktion. Zudem scheinen die Matrixmetalloproteine eine zentrale Rolle bei der Lösung der Kapsulitis zu spielen. Auch konnte in Zwillingsstudien ein genetischer Einfluss auf die Entstehung der adhäsiven Kapsulitis nachgewiesen werden. Elektronenmikroskopisch zeigt sich kein Unterschied zwischen der Schultergelenkkapsel und anderen Gelenkkapseln, so dass weiterhin völlig unklar ist, warum ausgerechnet die Schulterkapsel derartigen Veränderungen unterworfen ist (Abb. 1 und 2). Als Ursachen für die Bewegungseinschränkungen werden nach heutiger Ansicht folgende Veränderungen im Schultergelenk angesehen:

• Fibrosierung der Ligamenta, der Subscapularis- und der Bizepssehne

• fibrosierende Verdickung der gesamten Kapsel mit Schrumpfung des Gelenkvolumens

• narbige Adhäsionen bei sekundärer adhäsiver Kapsulitis zwischen Rotatorenmanschette und Akromion

Eine klinische Einteilung der Schultersteife erfolgte von Reeves in drei Stadien:

Freezing phase Phase 1

zunehmende Schmerzen zunehmende Bewegungseinschränkung

Frozen phase Phase 2

Schmerzen langsam rückläufig weiterhin zunehmende Bewegungseinschränkungen Muskelatrophie

Thawing phase Phase 3

Schmerzen verschwinden Beweglichkeit kommt spontan zurück

Klinik: Anfangs berichten die Patienten über nächtliche Schmerzen oder über Schmerzen bei Arbeiten über Kopf. Dann steigern sich die Schmerzen und eine zunehmende konzentrische Bewegungseinschränkung folgt, die zunächst mit dem Verlust der Außenrotation beginnt. Zum Höhepunkt der Erkrankung liegt eine schmerzlose, komplette Bewegungseinschränkung des Glenohumeralgelenkes (Schultergelenk) vor. Spezielle Schmerzdruckpunkte oder bestimmte funktionelle Tests sind nicht charakteristisch für die Erkrankung. Die Diagnose wird aufgrund der klinischen Untersuchung gestellt, Röntgenbilder, MRT, Sonographie oder Szintigraphie sind lediglich zum Ausschluss von Nebenerkrankungen dienlich. Therapie: Die initiale Behandlung beruht auf einer konservativen Therapie in Form von Schmerzlinderung, Entzündungshemmung und vorsichtiger Krankengymnastik zur Verbesserung der Beweglichkeit. Neben der Schmerztherapie (z.B. NSAR) in oraler oder in Form von intraartikulären Injektionen (Lokalanästhetikum und Cortison) kommt eine krankengymnastische Therapie mit Einweisung des Patienten in Heimübungen und Physiotherapie (z.B. Kälte, Wärme, Ultraschall) zur Anwendung. Früher wurde als Goldstandard der Therapie eine Narkosemobilisation der Schulter angesehen. Heute wird das unspezifische Einreißen der Kapsel aufgrund der zahlreichen Risiken (Frakturen, Weichteil- und Nervenschäden) nicht als zeitgemäß angesehen. Auch die Distensionsarthrographie gerät immer mehr in den Hintergrund.

Abb. 3 und 4: arthroskopische Resektion der Kapsel und der Ligamenta In unserer Klinik wird vorwiegend, so wie es auch in der modernen Medizin üblich ist, das arthroskopische 360°-Kapselrelease durchgeführt. Bei dieser Methode ist es möglich, alle Kapselanteile und Ligamenta zu durchtrennen, die Subscapularis-Sehne von Verwachsungen zu befreien sowie die entzündliche Synovitis zu entfernen (Abb. 3 und 4). Dieser Eingriff ist eine risikoarme und effektive Methode zur signifikanten Schmerzreduktion und Wiederherstellung der Beweglichkeit im Schultergelenk.

Kontakt: Prof. Dr. med. Dr. h.c. Jörg Jerosch Johanna-Etienne-Krankenhaus Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie Am Hasenberg 46 | 41462 Neuss T (02131) 5295 - 2002 | F (02131) 5295 - 2003 [email protected]

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Die adhäsive Kapsulitis (Schultersteife) – Pathologie, Klinik und Therapie

Abb. 3 und 4: arthroskopische Resektion der Kapsel und der Ligamenta

Kontakt:Prof. Dr. med. Dr. h.c. Jörg Jerosch | Johanna-Etienne-Krankenhaus | Klinik für Orthopädie, Unfallchirurgie und SportmedizinAm Hasenberg 46 | 41462 Neuss | T (02131) 5295-2002 | F (02131) 5295-2003 | [email protected] | www.johanna-etienne-krankenhaus.de