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(Aus dem PhysiologischenInstitut der Wiener Universit~t.) Die Ermiidung beim direkt gereizten, ausgeschnittenen Froschmuskel. Von Ferdinand Scheminzky. (Eingegangen am 22. Juli 1931.) Unter Ermiidung versteht man Mlgemein die Abnahme der Leistungs- f~higkeit eines Organes, die dutch T~tigkeit zustande kommt. In diesem Sinn hat man bis jetzt auch die Abnahme der ZuckungshShe bei direkter und indirekter Reizung eines Muskels als Ermfidung bezeichnet. Die in den letzten Jahren vom Verf. und seinen Mitarbeitern 1 beschriebenen Versuche ergaben aber, dM~ die Verminderung der ZuckungshShe bei direkter elektrischer Muskelreizung jedenfulls nur zum Tell durch die Tgtigkeit bedingt ist, zum Tefl aber auf eine physikMisoh-chemische Wirkung des l~eizstromes zurfickgefiihrt werden mul~. Diese ist Mler- dings nur an der Kathode leistungsvermindernd, an der Anode dagegen erholend 2, sic ist also polar verschieden. Wendung des Reizstromes nach Verschwinden der Zuckungen karm daher unter Umstanden zu einer neuen l~eihe yon Kontraktionen fiihren (Wendungselfekt), well die Kathode auf ein noch nicht in seiner Erregbarkeit vermindertes Gebiet verlegt wird. Ein solcher Wendungseffekt kann wiederholt auslSsbar sein. DaB diese Erregbarkeitsverminderung an der Kathode yon der Erregungswirkung des Stromes unabh~ngig ist, ergibt sich daraus, dal~ sic auch durch einen nicht erregenden ]~onstanten Strom hervorgebracht werden kann, wie schon Biedermann a zeigte, da~ ferner gleich stark erregende, z.B. maximMe Reize die ,,Ermfidung" um so rascher eintreten lassen, je langer der einzelne Stromstol~ dauert (Hdler, l.c.) usw. Ebenso ist die erholende Wirkung an der Anode eine unmittelbare Stromeswirkung; auch sic nimmt mit der Dauer des einzelnen Stromstol~es zu (HeIler, l.c.) und kann dutch einen nicht erregenden, konstanten Gleichstrom hervorgebracht werden (v. Gulacsy, 1. c., ferner Kann4). I)a sich aber zu dieser Stromeswirkung jene Vet- 1 Scheminz~y, Ferd., Klhl. Wschr. 8, 1264 (1929). -- Z. v. Gulacsy, Pflfigers Arch. 223, 407 (1929). -- Fe. u. l~r. Scheminzky, R. Heller, G. Stiasny, S. Kann, Pftiigers Arch. 225, 145ff. (1930). 2 Erst jiingst hat wieder U. Ebbeclce (Z. Biol. 91, 221 (1931)] betont, da~ der ,,depressiven Kathodenwirkung" eine ,,restitnierende Anodenwirkung" gegeniiber- gestellt werden kann. s Biedermann, W., Elektrophysiologie. Jena: Fischer 1875. 4 Kann, S., Pfliigers Arch. 228, 710 (1931).

Die Ermüdung beim direkt gereizten, ausgeschnittenen Froschmuskel

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(Aus dem Physiologischen Institut der Wiener Universit~t.)

Die Ermiidung beim direkt gereizten, ausgeschnittenen Froschmuskel.

Von Ferdinand Scheminzky.

(Eingegangen am 22. Juli 1931.)

Unter Ermiidung versteht man Mlgemein die Abnahme der Leistungs- f~higkeit eines Organes, die dutch T~tigkeit zustande kommt. In diesem Sinn hat man bis jetzt auch die Abnahme der ZuckungshShe bei direkter und indirekter Reizung eines Muskels als Ermfidung bezeichnet. Die in den letzten Jahren vom Verf. und seinen Mitarbeitern 1 beschriebenen Versuche ergaben aber, dM~ die Verminderung der ZuckungshShe bei direkter elektrischer Muskelreizung jedenfulls nur zum Tell durch die Tgtigkeit bedingt ist, zum Tefl aber auf eine physikMisoh-chemische Wirkung des l~eizstromes zurfickgefiihrt werden mul~. Diese ist Mler- dings nur an der Kathode leistungsvermindernd, an der Anode dagegen erholend 2, sic ist also polar verschieden. Wendung des Reizstromes nach Verschwinden der Zuckungen karm daher unter Umstanden zu einer neuen l~eihe yon Kontrakt ionen fiihren (Wendungselfekt), well die Kathode auf ein noch nicht in seiner Erregbarkeit vermindertes Gebiet verlegt wird. Ein solcher Wendungseffekt kann wiederholt auslSsbar sein. DaB diese Erregbarkeitsverminderung an der Kathode yon der Erregungswirkung des Stromes unabh~ngig ist, ergibt sich daraus, dal~ sic auch durch einen nicht erregenden ]~onstanten Strom hervorgebracht werden kann, wie schon Biedermann a zeigte, da~ ferner gleich s tark erregende, z .B. maximMe Reize die , ,Ermfidung" um so rascher eintreten lassen, je langer der einzelne Stromstol~ dauert (Hdler , l .c.) usw. Ebenso ist die erholende Wirkung an der Anode eine unmittelbare Stromeswirkung; auch sic n immt mit der Dauer des einzelnen Stromstol~es zu (HeIler, l .c.) und kann dutch einen nicht erregenden, konstanten Gleichstrom hervorgebracht werden (v. Gulacsy,

1. c., ferner Kann4) . I)a sich aber zu dieser Stromeswirkung jene Vet-

1 Scheminz~y, Ferd., Klhl. Wschr. 8, 1264 (1929). - - Z. v. Gulacsy, Pflfigers Arch. 223, 407 (1929). - - Fe. u. l~r. Scheminzky, R. Heller, G. Stiasny, S. Kann, Pftiigers Arch. 225, 145ff. (1930).

2 Erst jiingst hat wieder U. Ebbeclce (Z. Biol. 91, 221 (1931)] betont, da~ der ,,depressiven Kathodenwirkung" eine ,,restitnierende Anodenwirkung" gegeniiber- gestellt werden kann.

s Biedermann, W., Elektrophysiologie. Jena: Fischer 1875. 4 Kann, S., Pfliigers Arch. 228, 710 (1931).

4~ F. Scheminzky:

gnderungen addieren, welche durch die Tiitigkeit des Muskels selbs~ bedingt rind und gleichfalls seine Leistungsfahigkeit herabsetzen, so ist der allgemeine Verlanf der Leistungsabnahrae bei direkter Muskel- reizung ebenso wie die Ver~inderung der Erregbarkeit ira Gebiet der Anode und Kathode je nach den angewendeten Einzelreizen ganz ver- schieden. Vermutlieh ist es diese Tatsache, welehe zu irrtiiralicher Aus- legung unserer Befunde gefiihrt hat ; da aber eine Klarstellung dieser Verh~ltnisse far die weiteren Arbeiten wesentlich ist, raul~ noch einraal knrz auf die ,,Erraiidung" bei direkter Muskelreizung eingegangen werden. Zur iibersiehtlicheren Darstellung sell dabei die raatheraatische Buchstabenbezeiehnung Anwendung linden.

Bei der Beurteilung der Leistungsabnahme ira Verlauf fortgesetzter direkter Muskelreizung hat man also zwei Koraponenten zu beriick- sichtigen: die physikaliseh-chemische, polar verschiedene Wirkung des I%eizstroraes unter den Elektroden und die Veranderungen, die unter den eingangs zitierten Begriff der Erraiidung fallen. Wenn auch diese beiden Koraponenten ira Experiment nieraals getrennt werden kSnnen, sollen sie far die Analyse als isolierbare Erscheinungen angesehen werden. Bezeichnet man die physikalisch-ehemische Erregbarkeitsverrainderung nnter der Kathode dureh jeden l~eiz rait -- a, so ist die Verandernng unter der Anode + a, well dort der Strora ira restituierenden Sinn wirkt. Nach n Reizen ist die Ver~nderung ira Kathodengebiet n . (-- a), ira Anodengebiet n . ( + a). Die Verringerung der Leistungsf~thigkeit durch die Ermiidnng bei jeder einzelnen Zuckung sell - -b genannt werden, sie betrifft -- wenigstens bei raaximalen Reizen -- den ganzen Muskel und hat sowohl fib" das Gebiet der Kathode als auch fiir das der Anode den gleiehen Weft und das gleiehe Vorzeichen. I~ach n Reizen ist daher die Vergnderung unter der Kathode u . ( - - a ) + u . (--b), unter der Anode dagegen no ( + a ) + n . (--b). Zur Vereinfachung der Verhgltnisse wird angenoraraen, da[t in der Pause zwischen zwei Reizen keine Riickbildung der rait a und b bezeichneten Erscheinungen start- finder, was zul~ssig ist, da die stets nur teilweise E rhohng die Resultate nicht prinzipiell ~ndert, sondern nnr das Erreichen des Endzustandes zeitlieh hinausschiebt.

Die absolute GrSfte jeder einzelnen Koraponente a nimrat nach unseren Erfahrungen rait der Stromflu8zeit des Einzelreizes und rait der Reizstgrke zu, rait anderen Worten, a ist der pro Einzelreiz trans- portierten Elektrizitgtsraenge proportional. Dal~ die hier rait a be- zeiehnete Stroraeswirkung als Perraeabilit~tsgnderung gedeutet wurde, ist ffir die folgenden prinzipiellen Uberlegungen gleichgi~ltig: unsere Be- funde bleiben natiirlieh bestehen, auch wenn sich herausstellen sollte, dal3 die Ver~nderungen infolge der DurchstrSraung anderer Natur sind. Die GrSl~e jeder einzelnen Koraponente b h~ngt yon der Stgrke der

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Zuckung ab, diese wieder innerhalb der bekannten Grenzen von der Stgrke des t~eizes; dag neben der Reizst~rke noeh andere Momente, wie Belastung, Reizfrequenz u. a. in ~'rage kommen - - die in letzter Zeit insbesondere yon der Asherschen Schule eingehend studier~ worden sind 1 - - braucht hier nieh~ weiter er6rter~ zu werden, weft diese vom Reizstrom selbst unabhs sind. Es darf weiterhin aueh angenom- men werden, dab der Muskel dann nicht mehr zueken kann, wenn die Erregbarkeit im Gebiet der Kathode einen gewissen MinimMwert untersehreiget, d .h . wenn n . ( - - a ) + n . (--5) einen bestimmten, yon Pr'~parat zu Prs natfirlieh wechselnden Maximalwert erreieht haben. Aus dieser Formel lassen sich nun zwanglos die yon uns beob- aehteten Erscheinungen ableiten.

Wird yon zwei Muskeln im gleiehen physiologisehen Zustand der eine mit maximalen ()ffnungsinduktionsschlggen gereizt, der andere mi~ maximalen Xondensatorentladungen oder maximalen reehtwinke= ligen Gleichstromst5gen yon z. B. 100 o Dauer, so wird in beiden Fs

- - bei sonst gleichen Versuchsbedingungen - - die Komponente b fiir beide Muskeln gleich sein; die Komponente a ist abet in beiden Fgllen verschieden. Sind die Zuckungen bei beiden Muskeln versehwunden, so hat an der Ka~hode die Summe n . ( - -a ) d- n . ( - -b) ihren fiir beide Prgparate gleichen Grenzwert erreieht. Da abet a infolge der kleineren Elektrizits bei den ()ffnungsschl~gen kleiner ist als a f/Jr die genannten Kondensatorentladungen, so wird bei ~eizung mit diesen der Endwert sehon bei einem kMneren n, d .h . nach einer geringeren Zahl yon Reizen erreicht werden m/issen: die , ,Ermtidung" t r i t t bei Reizung mit 1/~nger dauernden StromstSgen rascher ein (Heller, 1. c.). An der Anode haben dagegen beide Komponenten entgegengesetzte Vorzeiehen; bei der geizung mit Induktionsschlggen ist a klein gegen b, im Zeitpunkt, in welchem die Zuckungen verschwunden sind, wird n~ (--b) wesentlich gr613er sein als n . (d- c~); es wird also nach Strom- wendung aueh das Gebiet der friiheren Anode nicht mehr erregbar sein, d. h. es gibt keinen oder nur einen minimalen Wendungseffekt (v. Gulacsy, 1. e. ; Kctnn, i930 1. e.). Bei t~eizung mit den genannten Kondensator- entladungen ist wegen der gr5l]eren Elektrizit~tsmenge pro Einzelreiz dagegen a entsprechend gr61~er und n . (-4-a) gegentiber n . ( - -b) sehon wesentlieh. Das Gebiet der Anode wird daher nach Stromwendung noeh fiir einige Zei~ erregbar sein, die Stromwendung somit zu einem Wendungseffek~ fiihren. Dieser mul3 um so besser werden, je gr6ger a ist, d .h . je 1/inger der einzelne Stromstol3 dauert (Heller, 1. c.). Der

1 Die Arbeiten des Berner Ins~ituts sind in der Z. Biol. 77, ~'8, 81, 84, 85, 8t; asw. erschienen; vgl. ferner die zusammenfassende Darstellung yon L. Asher, Proc. Soc. exper. :Biol. a. Ned. 20, 235 (1923), ferner Tagg. d. dtsch, physiol. Ges. Tfibingen 1923, Bet. Physiol. 22, 482 (1924).

46 F. Scheminzky:

Unterschied im Verlau~ der ,Ermiidung" bei direkter Reizung mit InduktionsSffnungssehl~gen ~ und mit l~nger dauernden Kondensator- entladungen~ besteht demnach darin, dal~ im ersten Fall die Zuekungs- reihe l~nger ist, der ~uskel nachher praktisch an keiner Stelle dureh den gleiehen t~eizstrom mehr erregt werden kann, w~hrend im zweiten Fall bei kfirzerer Zuckungsreihe die Abnahme der Erregbarkeit vor- wiegend auf das Gebiet der Kathode ]okalisiert ist; in beiden F~llen ist aber an der Abnahme der ZuekungshShe die physikalisch-chemische Stromeswirkung, die Komponente n . ( - -a) beteiligt.

Kann man daher bei der direkten elektrisehen Muske]reizung fiber- haupt noch yon einer Ermiidung und einer Ermfidungskurve sprechen ? Theoretisch wird man Winterstein 3 unbedingt reeht geben miissen, wenn er die Ermfidung ~ls Leistungsabnahme eines Organes infolge seiner T~tigkeit definiert und -- offensichtlich sich auf unsere VerSffent- lichungen beziehend -- darauf hinweist, dab durch die Verwendung dieser Bezeiehnung liir jede andere Art der Leistungsverminderung dureh irgendwelehe sehadigende Einflfisse die gegebene Definition jeden Sinn verlieren wfirde. 1)raktisch ergeben sich jedoch daraus unfiber- windliehe Schwierigkeiten. Selbst bei Reizung mit InduktionsSffnungs- schl~gen ist die physikalisch-chemische Stromeswirkung naehzuweisen; konnte doeh Kann (1931, 1. e.) kfirzlich zeigen, dal~ ein mit (}ffnungs- induktionsschl~gen bis fast zum Verschwinden der Zuekungen gereizter Froschmuskel durch einen entgegengesetzt gerichteten unterschwel]igen Gleichstrom wieder zu hohen Zuckungen -- die bis zu 53% der An- fangshShe erreichen -- gebraeht werden kann, weft offenbar die Anode des Reizstromes die Ver~nderungen unter der Kathode des Induktions- schlages teilweise kompensiert. Die Abnahme der Leistungsf~higkeit bei direkter Reizung mit Induktionssehl~tgen nieht mehr als Ermfidung zu bezeiehnen, ist aber kaum mSglich, schon mit Riicksicht auf die kl~ssi- sehen Untersuehungen yon Biedermann, Funke, Kronecker, Tiegel u. a., da sich diese Autoren bei ihren Untersuchungen fiber dig Ermiidung ja vielfach dieser Reizungsart bedient haben 4. Ebenso unm5glieh ist es aber, irgendwo eine Grenze zu ziehen, eine ,,Ermfidung:' bei Reizung mit Induktionsschl~gen gelten zu lassen, bei l~eizung mit lhnger duuern- den StromstSl~en -- bei denen die Komponente n- ( - -a) n~tfirlich ent- sprechend grSBer ist -- diese Bezeichnung jedoeh abzulehnen. Kann

1 Nach den Untersuchungen yon Kan~ (1930, 1. c.) sowie Scheminz~y (Pfliigers Arch. ~5, 303 (1930)] verhalten sich kurz dauernde Kondensatorentladungen La bezug auf die ,,Ermfidung" den Induktionssch]~gen gleichartig.

Selbstverst~ndlich auch bei l~nger dauernden rechtwinkeligen Gleichstrom- stS~en.

Winterstein, H., Naturwiss. 19, 247 (1931). In den aus W~ntersteins Iustitut erschienenen Arbeiten wird d~her ~uch bei

direkter Muskelreizung mit Induktionsschl~gen yon Ermi~dung gesprochen.

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(1930, 1. c.) hat ja seinerzeit gezeigt, dab zwischen der Wirkung der In- duktionssehl~ige und der lang dau*ernder Kondensatorentladungen sieh durch Verwendung entspreehender Kondensatoren alle Zwischenstadien darstellen lassen. Es beruht wohl aueh attf einem Mil3verst~ndnis, weml Winterstein (1. c.) unter Hinweis darauf, dal3 diese physikalisch-chemisehe Stromeswirkung mit der physiologisehen Ermiidung nichts zu tun hat, sehliel31ich schreibt: ,,Es braucht daher auch nieht ausfiihrlieh dar- gelegt zu werden, da~ die yon Scheminz]cy und seinen Mitarbeitern vor kurzem besehriebenen ,Ermfidungserseheinungen' des Muskels, die sieh unter der Einwirkung elektriseher Reize entwickeln, sowie die dureh Stromwendung in diesen F~llen zu erzielende ,Erholung' auf das physiologische Geschehen und die wirklichen Ermiidungs- und Er- holungserscheinungen genau so wenig Rfickschliisse gestatten wie die unter der Einwirkung elektrischer Str6me beobaehteten ehemischen und physikaliseh-chemisehen Erseheinungen." Es mul3 daher daraaf hingewiesen werden, dal~ yon uns neue Ermiidungserscheinungen gar nieht beschrieben wurden; wir haben im Gegenteil gezeigt, daI~ die verschiedenen in der Literatur bei direkter elektriseher Muskeh'eizung stets als Ermiidungskurven besehriebenen und abgebildeten Zuckungs- reihen mit fallender Zuckungsh6he zum Tell dureh eine physika]isch- ehemische Stromwirkung zustande kommen. Durch Beniitzung ver- sehieden lang dauernder Einzelreize, ferner dureh die vor uns ansehei- nend niemals n~iher untersuehte Wendung des Reizstromes, durch eine besondere Reizmethode und dureh die Heranziehung yon Erfahrungen an physikaliseh-ehemisehen Modellen suchten wir blo[3 die Grund- gese~ze dieser Stromwirkung herauszufinden. Das Wort ,,Ermiidung" wurde in unseren Arbeiten selbstverstandlich beibehalten, weft wir mit Riieksicht auf die frtiheren ErSrterungen keine MSglichkeit sahen, eine seit Jahrzehnten eingefiihrte Bezeichnungsweise fallen zu lassen und andererseits ja neben der physikaliseh-ehemischen Stromeswirkung die Ermiidung im Sinne Wintersteins als Folge der Kontraktionst~tigkeit einen unbestrittenen Anteil an der Abnahme der Leistungsfahigkeit hat. Da~ yon den Erseheinungen bei der direkten Muskelreizung kein unmittelbarer Sehlul~ auf das Gesehehen bei der physiologischen Er- miidung gezogen werden kann, ergibt sieh nabiirlieh schon daraus, da]3 eine physikaliseh-chemische Stromwirkung am .Muslcel bei Reizung yore Nerven aus gar nicht zustande kommen kann. Nach dem Parallelis- runs, den Kann (1931, 1. c.) vor kurzem zwischen der Wirkung eines unterschwelligen konstanten Stromes und der in der Literatur beschrie- benen Wirkung einer Sympathicusreizung auf den Verlauf der Muskel- ermtidung aufzeigen konnte, sehiene mir aber eine Briieke zwisehen den Befunden bei direkter und indirekter Muskelreizung vielleicht doch nicht so unm6glich.

48 F. Seheminzky:

Es ist auch ausgeschlossen, die Abn~hme der Zuckungsh6he bei fort- gesetzter direkter Muskelreizung n~ur Ms Erregb~rkeitshergbsetzung ~ufzufussen. Selbstverstgndlich h~ndelt es sich um eine erregb~rkeits- vermindernde Stromeswirkung unter der K~thode; doch ist j~ auch die gleichzeitig einsetzende Ermiidung mit einer Erregb~rkeitsverminderung verbunden. Wie ein Vergleich der Definitionen m~l~gebender Autoren zeigt, wird vielf~ch Ermiidung, Erregbgrkeitsher~bsetzung und Un- erregbgrkeit in der Litergtur nebeneinander verwendet. So gibt z. B. Durig 1 ~Is sllgemeinste Definition: ,,Ermiidung ist ein Minderwertig- werden des Protopl~smg infolge yon T~tigkeiL das sieh in einer kurz voriibergehenden oder lgnger d~uernden Abn~hme der Zellerregb~rkeiC und Zelleistungsfghigkeit ~usdriiekt." Auch Meyerho/~ verwendet die Bezeiehnungen ,,Unerregb~rkeit" und ,,Ermiidung" nebeneingn- der. Nur in einem F~lle ]hl~t sieh die Erregb~rkeitsverminderung durch den elektrischen Strom yon Ermiidung reinlich trennen; wenn .Fun/~e ~ oder Biedermann (1. c.) darguf hinweisen, da~ guch ein dguernd dureh den Muskel geleiteter konstanter Gleichstrom ohne zu erregen ,,ermfidend" wirken k~nn oder ein gleicher Effekt durch S~lzlSsungen zustande kommt, so sind solche Erscheinungen -- ~ls mit keiner Tgtig- keit verkniipft -- selbstverstgndlieh nut ~ls Erregb~rkei~sher~bsetzung zn bezeichnen.

Ist ~ber die elektrische Durchstrgmung mit T~itigkeit verbunden, wie bei der ~iblichen direlsten Muskelreizung, so wird die BeibehMtung der Bezeichnung ,,Ermiidung" fiir dus Abnehmen der Zuekungsh5he und den schliel~]ieh erreiehten Endzust~nd k~um zu umgehen sein. Wit bleiben uns d~bei bewul~t, d ~ die Ermiidungskurve bei direkter t~eizung ~uch noch eine nieht ubtrennb~re, dutch den Reizstrom bedingte Komponente enth~tlt. Je 5fter durch Wendung des t~eizstromes, dnrch zusgtzliche Wirkung eines entgegengesetzt geriehteten kon- st~nten Stromes und dergleiehen die physik~liseh-ehemische Strom- wirkung immer wieder gufgehoben und der Muskel zu nener Arbeits- leis~ung gebracht wird, um so mehr wird die Abnahme der Leistungs- fhhigkeis und der Erholungsfghigkei~ als Folge der Arbeit angesehen werden kSnnen. Wir hgben d~her seinerzeit vorgeschlggen, zwisehen ,,relgtiver" und ,,absoluter" Ermiidung zu unterscheiden. Under ,,relativer" Ermiidung soll ein Zust~nd des Muskels verstanden werden, in welchem er unter den gegebenen t~eizbedingungen -- Tempergtur, Stromform, Stromflul~zei~, Reizstgrke, Reizintervg]l, Stromriehtung,

1 Durig, A., Die Theorie der Ermiidung. Handb. der Arbeitsphysiol. Leipzig: Verlag Thieme 1927.

2 Meyerho], 0., Die ehemischen Vorggnge im Nuskel. Berlin: Julius Springer 1930.

3 .Funke, 0., Pfliigers Arch. 8, 213 (1874).

Die Ermtidung beim direkt gereizten, ausgesehnittenen Frosehmuskel. 49

Lage der Elektroden usw. -- nicht mehr arbeitet. Ver/inderung einer dieser Bedingungen kann dann wieder zu neuen Zuekungen ffihren. Naeh den friiheren Er6rterungen kann eine solehe relative Ermiidung auf das Gebiet der Kathode lokalisiert sein, kann sich aber aueh -- z. B. bei l~eizung mit Induktions6ffnungssehlggen - - a u f den ganzen Muskel erstreeken 1. Unter ,,absotuter Ermiidung" sollen dagegen jene Ver- gnderungen des Muskels verstanden werden, die in der Abnahme der Erholungsfahigkeit (Versehwinden der relativen Ermfidung) bestehen und die sehlieglieh zu giinzlieher Unerregbarkeit ffihren. Dureh diese Unterscheidung dtirften wohl alle begriffliehen Schwierigkeiten wegfallen.

Zusammenfassung. Bei direkter elektrischer Muskelreizung kann niemals eine reine Er-

rafidungskurve beobachtet werden, well am Abfall der ZuckungshShe auch eine physikalisch-chemische Wirkung des Reizstromes beteiligt ist; bei Anwendung yon IndUktions6ffnungsschl/s oder kurz dauern- den Kondensa~orentladungen ist diese Stromeswirkung gering, aber immer noch nachzuweisen, sie ist aber bei 1Knger dauernden Einzel- reizen entspreehend gr6Ber. Trotzdem kann, da die Leistungsverminde- rung durch die Stromeswirkung nicht yon der durch die Arbei~ bedingten Leistungsverminderung abzutrennen ist, auch bei direkter Muskel- reizung eine Zuckungsreihe mit fallender Zuckungsh6he nur als Er- mfidungskurve bezeichnet werden. Unterscheidet man zwischen rela- river und absoluter Ermiidung, so fallen begriffliche Schwierigkeiten weg. Die relative Ermfidung kann, muff abet nicht auf das Gebiet der l~athode des 1%izstromes lokalisiert sein.

1 Es is~ daher ein MiBverst/~ndnis, wean Wachholder [Pfliigers Arch. 226, 274 (]930)] die relative Ermfidung in unseren Versuehen als bloB lokMe Ver~nderung unter den Elektroden auffaBt und meint, dab diese nur bei Anwendung langer dauernder Stromst6ge eine beachtenswerte l~olle spielt, bei Reizung mit Induktions- 6ffnungsschlagen dagegen geringer ist oder fehlt. Es liegt eine Verwechslung mit dem Wendungseffekt vor; die relative Ermtidung sloielt aueh, wie frfiher gezeigt wurde und aus der Mitteilung yon Kann (1931, 1. c.) besonders deutlich hervorgeht, bei Reizung mit Induktionssehli~gen eine nieht zu vernaehl/~ssigende 1%olle. Auch die Muskein bei den Versuchen yon Wachholder miissen im Sinn unserer Bezeich- nungsweise nur als relativ ermtidet angesehen werden, weil sie ganz bestimmt naeh Einsehalten einer Pause, dutch zus~tziiehe Wirkung eines entgegengesetzt gerichteten Gleichstromes usw., wieder zum Zucken gebracht worden w~ren. Diese Richtigstellung betrifft nattirlich nur die Anwendung der yon uns verwendeten Bezeiehnungen und hat auf die interessanten experimentellen Ergebnisse dieses Autors keinen Bezug.

Ubrigens ist aueh die Iohysikalisch-ehemisehe Stromeswirkung unter den Elek- troden nicht, wie Wachholder meint, eine Polarisation, wenigstens nieht im fibliehen Sinn Ms Ansammhng eines Polarisationspotentials. Dag dieses bei unseren Ver- suehen keine I~olle spielt, geht aus einer grogen Zahl yon Beobaehtangen und spezlell aus den Exl0erimenten mit S/ittigungsstrOmen hervor.

Pfliigers Archiv f. d. ges. Physiol. 33d. 229. 4