52
Die Europäische Union fördert Geschichts- und Erinnerungsarbeit zum Nationalsozialismus und Stalinismus

Die Europäische Union fördert Geschichts- und Erinnerungsarbeit …ec.europa.eu/citizenship/pdf/mstates_de.pdf · 2016. 10. 24. · 3 Inhalt 04 Die Eur opäische Union fördert

  • Upload
    others

  • View
    1

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Die Europäische Union fördert Geschichts- und Erinnerungsarbeit …ec.europa.eu/citizenship/pdf/mstates_de.pdf · 2016. 10. 24. · 3 Inhalt 04 Die Eur opäische Union fördert

Die Europäische Union fördert Geschichts- und Erinnerungsarbeit zum Nationalsozialismus und Stalinismus

Endlayout_Umschlag.indd 3Endlayout_Umschlag.indd 3 27.05.2009 15:35:3327.05.2009 15:35:33

Page 2: Die Europäische Union fördert Geschichts- und Erinnerungsarbeit …ec.europa.eu/citizenship/pdf/mstates_de.pdf · 2016. 10. 24. · 3 Inhalt 04 Die Eur opäische Union fördert

Diese Publikation wurde gefördert durch die Europäische Union

aus dem Programm »Europa für Bürgerinnen und Bürger« sowie

vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages.

Redaktion:

Christine Wingert-Beckmann

Texte:

Monika Lühn und

Christine Wingert-Beckmann

unter Mitarbeit von

Zakie Melina Watfe

Herausgeber:

Kontaktstelle Deutschland

»Europa für Bürgerinnen

und Bürger«

bei der Kulturpolitischen

Gesellschaft e.V., Bonn

© 2009

Gestaltung und Layout:

Karin Dienst, Christian Häussler

Endlayout_Umschlag.indd 4Endlayout_Umschlag.indd 4 27.05.2009 15:37:3727.05.2009 15:37:37

Page 3: Die Europäische Union fördert Geschichts- und Erinnerungsarbeit …ec.europa.eu/citizenship/pdf/mstates_de.pdf · 2016. 10. 24. · 3 Inhalt 04 Die Eur opäische Union fördert

3

Inhalt

04 Die Europäische Union fördert Erinnerungsarbeit

Christine Wingert-Beckmann

07 Jugendliche als Akteure »aktiver europäischer

Erinnerung«

Matthias Heyl

12 Wege gegen das Vergessen

Volkshochschule Aachen

14 Begegnen, Bewahren, Zukunft gestalten

Aktion Sühnezeichen Friedensdienste e.V., Berlin

16 Zwangsprostitution und Krieg

Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück

19 Namen statt Nummern

Trägerkreis Gedächtnisbuch, Dachau

21 Erinnerungskultur und regionale Identität

Grenzlandmuseum Eichsfeld e.V.

24 Politische Häftlinge erzählen

Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen

27 Europäische Gedenkstättenpädagogik zur NS-Zeit

Gedenkstätte KZ Osthofen, Mainz

30 Erinnern für die Zukunft Europas

Internationales Begegnungszentrum St. Marienthal, Ostritz

32 Zwangsarbeit im Dritten Reich

Schwarzwald-Gymnasium Triberg

35 Aus der Vergangenheit lernen!? Lebensgeschichte

als Argument

Stätte der Begegnung e.V., Vlotho

38 Daheim an der Donau

Stiftung Donauschwäbisches Zentralmuseum, Ulm

40 Europäische Dimensionen der Zwangsarbeit

Fachhochschule Hannover, Fakultät III – Medien,

Information und Design

42 »Ich bin als Mensch geboren und will als Mensch

hier raus!«

Erinnerungs- und Begegnungsstätte Geschlossener

Jugendwerkhof Torgau

Projekte zur »aktiven europäischen Erinnerungsarbeit« in Deutschland aus den Jahren 2007 und 2008

46 Schlaglichter...

...auf frühere Projekte (2004-2006)

51 Die Kontaktstelle »Europa für Bürgerinnen

und Bürger«

Enlayout Innenteil 26-05.indd 3Enlayout Innenteil 26-05.indd 3 27.05.2009 17:34:3827.05.2009 17:34:38

Page 4: Die Europäische Union fördert Geschichts- und Erinnerungsarbeit …ec.europa.eu/citizenship/pdf/mstates_de.pdf · 2016. 10. 24. · 3 Inhalt 04 Die Eur opäische Union fördert

4

Das EU-Förderprogramm

»Aus der Geschichte lernen und Zukunft

gestalten« ist eines der zentralen Moti-

ve der Europäischen Union für die Verga-

be von Fördermitteln aus dem Programm

»Europa für Bürgerinnen und Bürger«

(2007-2013). Es zieht sich durch alle vier

so genannten Aktionen des Programms,

die dessen Fördermodalitäten und die

Zielgruppen spezifi zieren.

Ziel des Programmes »Europa für

Bürgerinnen und Bürger« ist es, – wie der

Name nahelegt – die Bürgerinnen und

Bürger zu motivieren, sich mit Europa

und der EU zu befassen, sich stärker mit

der EU zu identifi zieren und sich auf lo-

kaler und regionaler Ebene am europäi-

schen Integrationsprozess zu beteiligen.

Die Geschichtsarbeit ist in diesem

Kontext ein wichtiges Mittel. Die Euro-

päische Gemeinschaft ist aufgrund

der Erfahrungen des Zweiten Weltkrie-

ges gegründet worden, um den Frie-

den zwischen den europäischen Völ-

kern zu sichern. Das Programm möch-

te zur Refl exion über die Grundlagen der

Gemeinschaft und ihre gemeinsamen

Werte wie Freiheit, Demokratie, Rechts-

staatlichkeit, Wahrung der Menschen-

rechte und Toleranz anregen. Der Blick

zurück in die Geschichte Europas reicht

nicht nur bis zum Beginn des 20. Jahr-

hunderts: Viele der geförderten Projek-

te befassen sich – sei es nun im Rah-

men von Städtepartnerschaften oder

von transnationalen Kooperationen zwi-

schen Vereinen, Verbänden und anderen

zivilgesellschaftlichen Organisationen

– in Ausstellungen, Publikationen oder

Konferenzen mit historischen und kul-

turellen Zeugnissen und arbeiten unter-

schiedliche Wahrnehmungen, Erfahrun-

gen und Konsequenzen von historischen

Ereignissen in verschiedenen Ländern

heraus. Aus diesen Refl exionen über die

gemeinsame europäische Geschichte

und Kultur in Europa soll – so ist der pro-

grammatische Anspruch dieser EU-För-

derung – Toleranz zwischen den Völkern

Europas und ein stärkerer Gestaltungs-

wille im Sinne der europäischen Integra-

tion erwachsen.

»Aktive europäische Erinnerung«

Mit den menschenverachtenden Re-

gimes des Nationalsozialismus und des

Stalinismus befasst sich konkret Aktion

4 »Aktive europäische Erinnerung« des

Programms. Sie ist zwar die kleinste der

vier Aktionen (sie umfasst lediglich 4

bis 5 Prozent des Programmbudgets, im

Jahr 2009 ca. 1,8 Millionen Euro), aber

dafür thematisch am stärksten auf das

Motto »aus der Geschichte lernen und

die Zukunft gestalten« ausgerichtet. Sie

unterstützt die Erhaltung und Pfl ege der

wichtigsten Stätten, Denkmäler und Ar-

chive im Zusammenhang mit Deportati-

onen und Massenvernichtung zu Zeiten

des Nationalsozialismus und des Stali-

nismus. Im Zentrum steht die Wahrung

des Gedenkens an die Opfer dieser tota-

Die Europäische Unionfördert Erinnerungsarbeit

Innen_ 27-05.indd 4Innen_ 27-05.indd 4 27.05.2009 17:43:4027.05.2009 17:43:40

Page 5: Die Europäische Union fördert Geschichts- und Erinnerungsarbeit …ec.europa.eu/citizenship/pdf/mstates_de.pdf · 2016. 10. 24. · 3 Inhalt 04 Die Eur opäische Union fördert

5

litären Regimes sowie an diejenigen, die

unter extremen Bedingungen Menschen

vor dem Holocaust gerettet haben.

Durch die Erforschung, Thematisie-

rung und Visualisierung des Leidens und

seiner Ursachen und Bedingungen soll

die Erinnerung der Menschen in Euro-

pa an diese Vergangenheit gewahrt und

aufgearbeitet werden. Dabei geht es ins-

besondere darum, neue Formen der Ge-

schichtsarbeit zu entwickeln, mit denen

junge Menschen angesprochen und ak-

tiviert werden können, sich mit diesem

Teil europäischer Geschichte auseinan-

derzusetzen. Da die Zeit drängt, die ge-

lebte Erinnerung der Zeitzeugen zu doku-

mentieren, liegt ein Fokus der Förderung

auf Projekten, die die ältere Generation

und ihre individuellen Geschichten ein-

beziehen.

Vorläufer

Die Förderung der Archive und Gedenk-

stättenarbeit wurde nicht erst mit dem

Programm »Europa für Bürgerinnen und

Bürger« im Jahr 2007 in die Förderpoli-

tik der EU aufgenommen. Es gab bereits

Vorläuferprogramme, die auf eine Initi-

ative des Europäischen Parlaments zu-

rückgehen: Im Jahr 1993 drückte das

Europäische Parlament seine Überzeu-

gung aus, »dass den Millionen von To-

ten aller NS-Konzentrationslager der

Respekt der heutigen und künftigen

Generationen gebührt, und dass die Er-

ziehung unserer Jugend der Bedeutung

ihrer Opfer für die Sache der Freiheit,

der Menschenrechte und des Friedens

Rechnung tragen muss« und forder-

te den Schutz der Stätten der von den

Nationalsozialisten errichteten Kon-

zentrationslager als historische Mahn-

male. Nicht nur sollte fi nanzielle Hilfe

für ihren Erhalt bereitgestellt, sondern

auch Aufklärungsarbeit geleistet wer-

den: »das Gedenken an diese Millionen

von Todesopfern verlangt, (...) dass die

Besucher auch über die unterschiedli-

che Herkunft der darin festgehaltenen

Menschen sowie die Ursachen ihrer Ver-

schleppung informiert werden«.

Die gegen Ende der neunziger Jahre

eingerichtete EU-Förderung konzentrier-

te sich dementsprechend zunächst auf

die Zeit zwischen 1933 und 1945. Im

Jahr 2005 startete die EU eine Demokra-

tie-Kampagne, mit der sie das Ende der

nationalsozialistischen Herrschaft 60

Jahre zuvor ins Bewusstsein heben woll-

te. Neben einer Reihe von Projekten zum

Themenkomplex Demokratie wurden eu-

ropaweit auch fünf Projekte zum Thema

Erinnerungsarbeit gefördert.

Inhaltliche Erweiterung

In den letzten Jahren – unter anderem

bedingt durch den Beitritt der osteuro-

päischen Länder zur EU – wurden die

Thematik und der historische Bezugs-

zeitraum erweitert sowie die Finanzie-

rung aufgestockt. Neu ist seitdem nicht

nur die Einbeziehung des Stalinismus,

Innen_ 27-05.indd 5Innen_ 27-05.indd 5 27.05.2009 17:47:5027.05.2009 17:47:50

Page 6: Die Europäische Union fördert Geschichts- und Erinnerungsarbeit …ec.europa.eu/citizenship/pdf/mstates_de.pdf · 2016. 10. 24. · 3 Inhalt 04 Die Eur opäische Union fördert

6

sondern auch die Erweiterung des Krei-

ses der potenziellen Antragssteller um

Kommunen und regionale Behörden.

Während die Projekte in der Anfangszeit

der Förderung eine europäische Dimen-

sion insbesondere aufgrund der euro-

päischen Relevanz der Thematik hatten,

sich die Aktivitäten selbst jedoch häufi g

in lokalem Rahmen abspielten, ist inzwi-

schen die aktive Beteiligung von Grup-

pen anderer europäischer Länder obli-

gatorisch. Transnationale Kooperationen

und die europaweite Vernetzung von Ge-

denkstätten und Archiven erhalten damit

zunehmende Bedeutung im Rahmen die-

ses EU-Programms.

Wir stellen in diesem Band Projekte

von deutschen Einrichtungen, Kommu-

nen und Institutionen vor, die in den Jah-

ren 2005 bis 2009 durchgeführt wurden

bzw. stattfi nden werden. Unser Dank

gilt den Projektträgern, die uns Informa-

tionen und Fotos über ihre Vorhaben zur

Verfügung gestellt haben. Wir möchten

Quellen:Europäisches Parlament: Entschließung zum euro-

päischen und internationalen Schutz der Stätten

der von den Nationalsozialisten errichteten Kon-

zentrationslager als historische Mahnmale vom

11. Februar 1993, Amtsblatt der Europäischen Ge-

meinschaft Nr. C 072, 15. 3. 1993, S. 118

Europäisches Parlament / Rat der Europäischen

Union: Beschluss vom 12. Dezember 2006 über

das Programm »Europa für Bürgerinnen und Bür-

ger« zur Förderung einer aktiven europäischen

Bürgerschaft (2007–2013) Nr. 1904/2006/EG,

Amtsblatt der Europäischen Union L 378, 27. 12.

2006

die Vielfalt der Themen und Projektfor-

men zur Auseinandersetzung mit dem

Nationalsozialismus und dem Stalinis-

mus zeigen, die von der EU gefördert

wird. Die beschriebenen Projekte sollen

Ermutigung und Anregung zu transnati-

onalen Kooperationsprojekten in Euro-

pa sein.

Christine Wingert-Beckmann

Leiterin der Kontaktstelle

»Europa für Bürgerinnen

und Bürger«

Innen_ 27-05.indd 6Innen_ 27-05.indd 6 27.05.2009 17:47:5127.05.2009 17:47:51

Page 7: Die Europäische Union fördert Geschichts- und Erinnerungsarbeit …ec.europa.eu/citizenship/pdf/mstates_de.pdf · 2016. 10. 24. · 3 Inhalt 04 Die Eur opäische Union fördert

7

»Aus der Geschichte lernen«

Geschichte nur mit einem Erinnerungs-

gebot zu versehen, als stellten sich die

Lehren aus der Geschichte von selber

her, wäre naiv. »Aus der Geschichte ler-

nen zu wollen, heißt, die Geschichte ken-

nenlernen zu müssen«, (Heyl 1992, 232)

ohne dass sie die Form der Parabel an-

nimmt, in der das Vergangene zum blo-

ßen Vorher degradiert wird (Borowsky/

Vogel/Wunder 1980, 14). Die Beschäf-

tigung mit Geschichte soll – im Gegen-

satz zum im Historismus formulierten

Anspruch – nicht als Selbstzweck betrie-

ben, Geschichte nicht allein um der Ge-

schichte willen geschrieben werden. Sie

soll vielmehr dazu befähigen, aus ihr

heraus Kenntnisse und Kompetenzen zu

gewinnen, die dazu angetan sind, Ge-

genwart und Zukunft zu meistern.

Der schulischen Beschäftigung mit

Geschichte wird in neueren Rahmenlehr-

plänen die Gewinnung historischer Kom-

petenz zugeschrieben und abverlangt

(z.B. Rahmenlehrplan für die gymnasi-

ale Oberstufe Berlin). Geschichtsunter-

richt soll »die Entwicklung historischer

Kompetenz bei den Schülern (…) fördern.

›Wissen‹ ist dann nicht das eigentliche

Ziel, es wird viel mehr zum Werkzeug«

(Schreiber 2006, 12). Die schließlich

doch »wissensbasierte Kompetenzent-

wicklung historischen Denkens und Er-

zählens« zeige sich »in der Beherrschung

von zwei grundlegenden Operationen: in

der Fähigkeit, sich historisches Fachwis-

sen über Vergangenes anzueignen, also

Vergangenheit deutend zu rekonstruie-

ren und sinnvoll darzustellen (Deutungs-

kompetenz); sowie in der Fähigkeit, Ge-

schichtsdeutungen anderer analysieren

und beurteilen zu können (Analysekom-

petenz)« (ebenda, 11).

Eingang in den geschichtsdidakti-

schen Diskurs und in die konkrete For-

mulierung von deutschen Rahmenlehr-

plänen hat das Kompetenzmodell auch

als Reaktion auf den »beschleunigte(n)

Wandel einer von Globalisierung gepräg-

ten Welt« gefunden, die »ein dynami-

sches Modell des Kompetenzerwerbs«

erfordere, »das auf lebenslanges Lernen

und die Bewältigung vielfältiger Heraus-

forderungen im Alltags- und Berufsleben

ausgerichtet ist« (Rahmenlehrplan für

die gymnasiale Oberstufe Berlin).

Umbruch

Wir befi nden uns in der bundesdeutschen

wie in der europäischen Gesellschaft

bzw. den europäischen Gesellschaften

in einer mehrfachen Umbruchsituation.

In einer sich ihrer Globalisierung zu neh-

mend bewußteren Welt ist Europa ge-

halten, seinen Platz in Gegenwart und

Zukunft zu defi nieren. Das geht nicht

ohne genaue Kenntnis der geschichtli-

chen Fundamente, auf denen dieses sich

neu formierende Europa steht. Das 20.

Jahrhundert und seine Akteure haben uns

eine Geschichte hinterlassen, die mit zwei

sehr unterschiedlichen Typen von ideolo-

Jugendliche als Akteure»aktiver europäischer Erinnerung«

Innen_ 27-05.indd 7Innen_ 27-05.indd 7 27.05.2009 17:47:5127.05.2009 17:47:51

Page 8: Die Europäische Union fördert Geschichts- und Erinnerungsarbeit …ec.europa.eu/citizenship/pdf/mstates_de.pdf · 2016. 10. 24. · 3 Inhalt 04 Die Eur opäische Union fördert

8

gisch begründetem Unrecht einherging.

Der nationalsozialistische Terror, Zweiter

Weltkrieg und die Willkür eines als »rea-

ler Sozialismus« verbrämten Unrechts-

systems haben damit auch ihre Spuren in

Europa und in den kollektiven Gedächt-

nissen ihrer Gesellschaften und ihrer

heutigen Akteure hinterlassen.

Geschichte wird – wie schon in der

jüdisch-christlichen Bibel mehrfach

formuliert – »bis ins vierte und fünfte

Glied« lebendig kommuniziert. Fünf Ge-

nerationen bilden den Generationen-

bogen, in dem ein Individuum das von

den Großeltern selbst Erfahrene an sei-

ne Enkel weitergeben kann. Die kollek-

tiven Gedächtnisse der europäischen

Nationen stehen daher mit Blick auf die

Geschichte des nationalsozialistischen

Terrors, des Zweiten Weltkriegs und des

frühen kommunistischen Unrechts vor

dem Wandel eines »kommunizierten«

zu einem »kulturellen Gedächtnis«. Die

Zeitzeugen der nationalsozialistischen

Verbrechen und des Zweiten Weltkriegs

– die Überlebenden, die Zuschauer, die

Täter und die, die dazwischen ihren Platz

einnahmen – werden uns zur Befragung

bald ebenso wenig mehr zur Verfügung

stehen wie die Opfer und Akteure frühen

kommunistischen Unrechts.

Die heutige Generation Jugendli-

cher ist die letzte, die noch eine Chan-

ce hat, damalige Akteure der Geschich-

te selber zu befragen, ihre Fragen an die

Überlebenden und noch Lebenden zu

richten. Viele der im Folgenden vorge-

stellten Projekte boten und bieten ihnen

hierzu Gelegenheit. In diesem generati-

onenübergreifenden Dialog ist es ihnen

möglich, ihre Deutungs-, Analyse-, Me-

thoden-, Urteils- und Orientierungskom-

petenzen zu üben und an denen der Zeit-

zeugen zu messen.

Historische Kompetenz

Insofern bietet die Aktion »Aktive euro-

päische Erinnerung« des Programms

»Europa für Bürgerinnen und Bürger«

wertvollen Anlass, Anregung und Unter-

stützung, heutige Jugendliche als Akteu-

re »aktiver europäischer Erinnerung« in

die Lage zu versetzen, sich in der leben-

digen und lebensnahen Beschäftigung

mit Geschichte zu üben. Indem sie etwa

erfahren, wie unter unterschiedlichsten

Bedingungen Gelegenheit Täter macht,

wie einzelne sich einer wahnhaften Rea-

lität mit hohem Risiko entgegenstellten,

andere wegschauten und wieder andere

mithalfen, Wahn Wirklichkeit werden zu

lassen, werden sie mit einigem konfron-

tiert, was ihr Refl exionsvermögen mit

Blick auf das Vergangene herausfordert.

Diese Beschäftigung ist aber im Sinne

einer historisch-politischen Bildung auch

dazu angetan, sie für Deutung und Ge-

staltung gegenwärtiger und künftiger ge-

sellschaftlicher Prozesse kompetenter

zu machen.

Dass die(se) Geschichte(n) in Euro-

pa verschieden verlief(en) und sich

Innen_ 27-05.indd 8Innen_ 27-05.indd 8 27.05.2009 17:47:5127.05.2009 17:47:51

Page 9: Die Europäische Union fördert Geschichts- und Erinnerungsarbeit …ec.europa.eu/citizenship/pdf/mstates_de.pdf · 2016. 10. 24. · 3 Inhalt 04 Die Eur opäische Union fördert

9

in der überlieferten Geschichte unter-

schiedlich vermittelt bzw. vermitteln,

dass Geschichte also sehr verschiede-

ne Erinnerungsspuren hinterlassen hat,

wird gerade in transnationalen Koope-

rationen deutlich. Hier werden verschie-

dene Perspektiven erfahrbar, die ein Teil

des kulturellen Reichtums Europas sind.

Oft genug wird die Differenz vornehm-

lich als Problem wahrgenommen und

beschrieben, da unterschiedliche Per-

spektiven auf ein historisches Gesche-

hen zu Konfl ikten Anlass geben. Die Dif-

ferenzen wahrnehmen und deuten zu

können, bietet jedoch erst die Chance,

Respekt zu entwickeln, der Konfl ikte zu

meistern hilft.

Europäische Jugendliche sind – ob

sie wollen oder nicht, ob sie sich dessen

bewußt sind, oder nicht – auch immer

Akteure der Erinnerung. Sie als Akteure im

Wortsinne ernst zu nehmen und zur ak-

tiven Teilhabe an europäischer Erinne-

rung zu befähigen, hilft, die Perspektive

zu weiten, gesellschaftliche Strukturen

als in der Geschichte und Gegenwart(!)

von Menschen gestaltet zu begreifen und

eigene historische Kompetenzen zu ent-

wickeln, die Voraussetzung für ein refl ek-

tiertes eigenes Handeln in der Gegen-

wart und für die Zukunft sind.

Dr. Matthias Heyl

Leiter der Internationalen

Jugendbegegnungsstätte

Ravensbrück I Stiftung Branden-

burgische Gedenkstätten

Literatur:Borowsky, Peter / Vogel, Barbara / Wunder, Hei-

de: Einführung in die Geschichtswissenschaft I,

Grundprobleme, Arbeitsorganisation, Hilfsmittel,

Opladen 1980

Heyl, Matthias: Von der Notwendig- und Unmög-

lichkeit einer »Erziehung nach Auschwitz«, in:

Schreier, Helmut / Heyl, Matthias (Hrsg.): Das

Echo des Holocaust – Pädagogische Aspekte des

Erinnerns, Hamburg 1992, S. 217–233

Schreiber, Waltraud: Mit Geschichte umgehen ler-

nen. Historische Kompetenz aufbauen. Ein Para-

digmenwechsel im Geschichtsunterricht, in: Kör-

ber, Andreas / Baeck, Oliver (Hrsg.): Der Umgang

mit Geschichte an Gedenkstätten, Anregungen zur

De-Konstruktion, Neuried 2006, S. 11–19

Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Sport

Berlin / Ministerium für Bildung, Jugend und Sport

Land Brandenburg (Hrsg.): Rahmenlehrplan für

die gymnasiale Oberstufe (Gymnasien, Gesamt-

schulen mit gymnasialer Oberstufe, Berufl iche

Gymnasien, Kollegs, Abendgymnasien) Geschich-

te, Berlin 2008

Innen_ 27-05.indd 9Innen_ 27-05.indd 9 27.05.2009 17:47:5127.05.2009 17:47:51

Page 10: Die Europäische Union fördert Geschichts- und Erinnerungsarbeit …ec.europa.eu/citizenship/pdf/mstates_de.pdf · 2016. 10. 24. · 3 Inhalt 04 Die Eur opäische Union fördert

10

Innen_ 27-05.indd 10Innen_ 27-05.indd 10 27.05.2009 17:47:5127.05.2009 17:47:51

Page 11: Die Europäische Union fördert Geschichts- und Erinnerungsarbeit …ec.europa.eu/citizenship/pdf/mstates_de.pdf · 2016. 10. 24. · 3 Inhalt 04 Die Eur opäische Union fördert

11

Projekte zur»aktiven europäischenErinnerungsarbeit«aus den Jahren 2007 und 2008

Innen_ 27-05.indd 11Innen_ 27-05.indd 11 27.05.2009 17:53:2327.05.2009 17:53:23

Page 12: Die Europäische Union fördert Geschichts- und Erinnerungsarbeit …ec.europa.eu/citizenship/pdf/mstates_de.pdf · 2016. 10. 24. · 3 Inhalt 04 Die Eur opäische Union fördert

12

Wegegegen das Vergessen

In Aachen führen »Wege gegen das Ver-

gessen« quer durch die Stadt zu mehr als

42 Gedenkorten, um an die Menschen zu

erinnern, die während des Naziregimes

in der Zeit von 1933 bis 1945 in der Re-

gion Aachen verfolgt und ermordet wur-

den. Erstellt wurden sie von Bürgerin-

nen und Bürgern im Jahr 1997, um die

Erinnerung an Leid und Zerstörungen im

Zweiten Weltkrieg wachzuhalten.

Im Oktober 2006 wurde das Aache-

ner Konzept der »Wege gegen das Ver-

gessen« in gemeinsamer Arbeit von der

Volkshochschule Aachen mit der Bur-

genländischen Forschungsgesellschaft

im österreichischen Eisenstadt, dem bel-

gischen Centre d‘Education Populaire

et d‘Action Global d‘Eveil, der Cépage

verviertois in Vervier und dem Ministe-

rium für Kultur und Medien, Denkmä-

ler, Jugend und Sport der Regierung der

Deutschsprachigen Gemeinschaft Bel-

giens in Eupen aufgegriffen und sowohl

geografi sch als auch technisch erweitert.

Das Projekt »Demokratie stärken – Aus

der Geschichte lernen für die Zukunft.

Wege gegen das Vergessen und für die

Verständigung in europäischen Grenzre-

gionen« wurde im Rahmen der »Demo-

kratie-Kampagne« der Europäischen Uni-

on anlässlich des 60. Jahrestages der Be-

freiung vom Faschismus mit ca. 150.000

Euro unterstützt.

Um jungen Menschen die Beschäf-

tigung mit der Zeit des Faschismus und

des Krieges zu erleichtern, wurde die Ver-

mittlung von »Geschichte vor Ort« mit

dem Einsatz von Neuen Medien (Handy

und Internet) verknüpft. Gemeinsam ent-

wickelten die Projektpartner handyge-

stützte Touren für Jugendliche zu Orten

der Erinnerung an Naziherrschaft, Ver-

folgung, Krieg und Besatzung in Aachen,

dem belgischen Eupen und dem öster-

reichischen Eisenstadt: Über jedes inter-

nettaugliche Mobiltelefon können sie an

den einzelnen Stationen über die Inter-

netadresse www.wgdv.de Informationen

als mp3-Dateien abrufen.

Die Touren basieren auf umfangrei-

chen wissenschaftlichen Recherchen.

Sie variieren hinsichtlich der thematisch-

inhaltlichen Ausführung und bedienen

sich unterschiedlicher Verkehrsmittel: Die

Tour durch das Zentrum der Stadt Aachen

ist als Spaziergang konzipiert, die belgi-

sche Tour bewegt sich im Grenzraum zwi-

schen Aachen, Eupen und Malmedy und

ist als Rundfahrt mit dem Auto oder auch

dem Bus angelegt (eine direkte Verknüp-

fung mit der deutschen Tour ist möglich),

die österreichische Tour ist mit dem Fahr-

rad zu bewältigen und führt durch das

Grenzgebiet zu Ungarn von Eisenstadt

nach Sopron.

Innen_ 27-05.indd 12Innen_ 27-05.indd 12 27.05.2009 17:55:3427.05.2009 17:55:34

Page 13: Die Europäische Union fördert Geschichts- und Erinnerungsarbeit …ec.europa.eu/citizenship/pdf/mstates_de.pdf · 2016. 10. 24. · 3 Inhalt 04 Die Eur opäische Union fördert

13

Neben den drei Touren sind ein von

Jugendlichen gestalteter Gedenktag und

eine Internetausstellung wichtige Be-

standteile des Projektes, die um weite-

re Veranstaltungen (z. B. vorbereiten-

de Fortbildungen für Schulen) ergänzt

wurden. Schülerinnen und Schüler aus

Deutschland, Belgien und Österreich ge-

stalteten in eigener Verantwortung ei-

nen Holocaust-Gedenktag »27. Januar«,

an dem Tag der Befreiung von Auschwitz

im Jahr 1945. Hier konnten sie ihre Er-

fahrungen aus der Auseinandersetzung

mit Faschismus, Rechtsextremismus

und Rassismus nutzen. In einem Thea-

tersaal in Aachen stellten sie ihre Arbei-

ten in Form von mündlichen Berichten,

Wandzeitungen, Film- und Theaterbeiträ-

gen vor.

In dem gemeinsamen Ausstel-

lungs projekt »1.000 Gesichter« bezo-

gen 550 junge Menschen in einem grenz-

überschreitenden Dialog Stellung zu

Rassismus und Ausgrenzung, Rechts-

extremismus und Antisemitismus. Sie

formulierten Aussagen gegen Rechtsext-

remismus, die zusammen mit ihren Por-

traits und Namen auf der Internetseite

www.1000visages.be veröffentlicht wur-

den. Neben weiteren Aktivitäten wurde

ein Banner mit der Aussage »Rechtsex-

tremismus ist gefährlich – sein Ziel sind

wir« gefertigt.

Projektträger:

Volkshochschule Aachen

Peterstr. 21-25

52062 Aachen

www.wgdv.de/wege/aktuell.htm

© VHS Aachen

Innen_ 27-05.indd 13Innen_ 27-05.indd 13 27.05.2009 17:57:4227.05.2009 17:57:42

Page 14: Die Europäische Union fördert Geschichts- und Erinnerungsarbeit …ec.europa.eu/citizenship/pdf/mstates_de.pdf · 2016. 10. 24. · 3 Inhalt 04 Die Eur opäische Union fördert

14

Der Dokumentation und Wahrung des

Gedenkens an die Opfer des Nationalso-

zialismus widmete sich das Projekt »Be-

gegnen, Bewahren, Zukunft gestalten –

Gemeinsames lebendiges Erinnern und

Erhalten der Stätten nationalsozialisti-

scher Massenvernichtung« des Aktion

Sühnezeichen Friedensdienste e. V.

im Jahr 2007. Er führte es in Zusammen-

arbeit mit dem Foyer le Font in Paris,

der Internationalen Jugendbegegnungs-

stätte Auschwitz, dem Jüdischen Zentrum

Auschwitz, der Gedenkstätte Majdanek

(alle in Polen) und den Gedenkstätten

Kamp Vught (NL), Maison mémorial des

enfants juifs exterminés d‘Izieu (FR), Ge-

denkstätte KZ Theresienstadt (CZ), KZ-

Gedenkstätte Neuengamme (DE) und der

Evangelischen Versöhnungskirche in der

Gedenkstätte KZ Dachau (DE) durch. Im

Mittelpunkt standen hierbei die Erfah-

rungen und Erlebnisse von Menschen,

die den Holocaust überlebt haben.

Begegnen, Bewahren,Zukunft gestalten

Rund 200 Teilnehmerinnen und Teil-

nehmer verschiedener Herkunft kamen

mit Zeitzeuginnen und Zeitzeugen aus

den Niederlanden, Tschechien, Frank-

reich und Deutschland zusammen, um

in Gesprächen von deren Schicksalen zu

erfahren und diese festzuhalten. Ziel die-

ser Begegnungen und der Dokumentati-

on der individuellen Geschichten war es,

die Auseinandersetzung der jungen Men-

schen mit der nationalsozialistischen

Ideologie, dem Antisemitismus und Ras-

sismus anzuregen, den Dialog der Gene-

rationen im historischen Kontext zu för-

dern und durch die Veröffentlichung der

Zeitzeugenberichte Einzelschicksale der

breiten Öffentlichkeit zur Verfügung zu

stellen.

Ein weiterer Schwerpunkt waren

die ca. 15 europäischen Sommerlager:

Jugendliche aus über 50 Nationen leg-

ten hier Orte des Grauens und ehemalige

jüdische Friedhöfe frei. Die Leiterinnen

und Leiter der Sommerlager bereiteten

sich im Vorfeld in fünf Seminaren auf ihre

Aufgaben vor. In Nachbereitungssemina-

ren werteten die jungen Menschen ihre

Erfahrungen, Ideen und Projekte aus.

Zusätzlich zu der Präsentation auf

der Internetseite des Aktion Sühnezei-

chen Friedensdienste e.V. und Reporta-

gen in der lokalen Presse wurde auch in

der Vereinszeitschrift »zeichnen« über

die einzelnen Aktivitäten berichtet, die in

einer Aufl age von 16.000 Stück erscheint.

Der Aktion Sühnezeichen Friedensdiens-

te e.V. erhielt von der Europäischen Uni-

on für dieses Projekt ca. 40.000 Euro.

Innen_ 27-05.indd 14Innen_ 27-05.indd 14 27.05.2009 17:59:3627.05.2009 17:59:36

Page 15: Die Europäische Union fördert Geschichts- und Erinnerungsarbeit …ec.europa.eu/citizenship/pdf/mstates_de.pdf · 2016. 10. 24. · 3 Inhalt 04 Die Eur opäische Union fördert

15

Im Jahr 2008 baute ein Begeg-

nungsprojekt auf den Erfahrungen des

Vorjahres auf: Unter dem Titel »Erinnern

und Menschenrechte. Mit der Geschichte

lernen für die Zukunft Europas« fand eine

Vielzahl von Veranstaltungen für Men-

schen aller Altersklassen, vor allem aber

für junge Menschen, bei denen sie sich

mit der Thematik des Nationalsozialis-

mus, aber auch allgemein mit Antisemi-

tismus und Rassismus auseinandersetz-

ten. Rund 200 junge Menschen aus ver-

schiedenen europäischen Nationen wie

Polen, Tschechien und Frankreich hatten

u.a. die Möglichkeit, einen Freiwilligen-

dienst an verschiedenen Orten der Erin-

nerung zu leisten. In Paris wurde in Zu-

sammenarbeit mit dem Foyer le Font eine

öffentliche Veranstaltung mit Überleben-

den des Holocaust durchgeführt sowie

ein Seminarzyklus mit einer internatio-

nalen Freiwilligengruppe aus Ost- und

Westeuropa.

Begleitend zu den Seminaren wurde

die französischsprachige Broschüre mit

dem Titel »Shoah, Exil, Reconnaissance«

(Shoah, Exil, Anerkennung) erstellt, die

Erfahrungen und Erlebnisse von jüdi-

schen Frauen aus Zentral- und Osteuropa

während des Zweiten Weltkriegs doku-

mentiert. Die Unterstützung der Europäi-

schen Union betrug ca. 38.000 Euro.

Projektträger:

Aktion Sühnezeichen

Friedens dienste e.V.

Auguststr. 80

10117 Berlin

www.asf-ev.de

»Es gab Situationen, da wussten wir nicht, was wir tun sollen. Als ein Mann erzählte, wie er seinen Vater das letzte Mal sah, bevor dieser in Auschwitz bei einem der ersten Vergasungs-versuche ermordet wurde und anfi ng fürchterlich zu weinen. Dann munterte er uns auf: ›Ihr seid unsere Enkelkinder, ihr seid eine andere Generation. Eine gute Generation und wir fi nden es wichtig, unsere Geschichten zu erzählen, damit sowas nie wieder vorkommt‹.« Dorothea Warneck arbeitete mit Überle-benden in Łódz.

Innen_ 27-05.indd 15Innen_ 27-05.indd 15 27.05.2009 18:01:0527.05.2009 18:01:05

Page 16: Die Europäische Union fördert Geschichts- und Erinnerungsarbeit …ec.europa.eu/citizenship/pdf/mstates_de.pdf · 2016. 10. 24. · 3 Inhalt 04 Die Eur opäische Union fördert

16

Zwangsprostitutionund Krieg

Die Gedenkstätte Ravensbrück führt

bereits seit dem Jahr 2005 eine europä-

ische Sommer-Universität mit jährlich

wechselnden Schwerpunkten durch, die

sich auf die Themenbereiche National-

sozialismus, Frauen und Europa bezie-

hen. Die Sommer-Universität ist eine ge-

nerationsübergreifende Veranstaltung,

die sich sowohl an Studierende, Promo-

vierende, etablierte Wissenschaftlerin-

nen und Wissenschaftler sowie Fachkräf-

te von Gedenkstätten, Nichtregierungs-

organisationen, aber auch an Überleben-

de des nationalsozialistischen Regimes

sowie allgemein an interessierte Men-

schen aller Alters- und Bildungsgruppen

aus Europa und der ganzen Welt richtet.

Besonders Menschen aus den osteuro-

päischen Staaten soll eine Teilnahme er-

möglicht werden.

Im Jahr 2007 fand die Veranstal-

tung, die in Kooperation mit der Hein-

rich-Böll-Stiftung, der Stiftung Topogra-

phie des Terrors und dem Internatio-

nalen Freundeskreis der Gedenkstätte

Ravensbrück durchgeführt wurde, zu

dem Thema »Zwangsprostitution und

Krieg im 20. und beginnenden 21. Jahr-

hundert« statt. Sie griff damit den Inhalt

der Sonderausstellung »Sex-Zwangsar-

beit in NS-Konzentrationslagern« über

die Zwangsprostitution von weiblichen

KZ-Häftlingen auf, die bis Ende 2007 in

der Gedenkstätte Ravensbrück zu se-

hen war.

Ziel war es, Menschen aus ver schie-

de nen Kulturen anzuregen, sich mit die-

sem heiklen Thema auseinanderzuset-

zen und sich über humanistische Werte

und Menschenrechte auszutauschen.

Außerdem möchte die Sommer-Univer-

sität die Vernetzung von Projekten und Ini-

tiativen der Beteiligten fördern. Insge-

samt be teiligten sich 72 Teilnehmende

und 29 Referentinnen und Referenten im

Alter von 25 bis 85 Jahren aus europäi-

Dr. des. Regina Mühlhäuser, Hamburger

Institut für Sozialforschung, bei ihrem

Vortrag »Die Bedingungen des Sprechens.

Erzählungen von Frauen, die sexuelle

Versklavung überlebt haben«

© Kristina Strauss, MGR/SBG 2007

Innen_ 27-05.indd 16Innen_ 27-05.indd 16 27.05.2009 18:03:2327.05.2009 18:03:23

Page 17: Die Europäische Union fördert Geschichts- und Erinnerungsarbeit …ec.europa.eu/citizenship/pdf/mstates_de.pdf · 2016. 10. 24. · 3 Inhalt 04 Die Eur opäische Union fördert

17

schen Ländern (Deutschland, Italien,

Bosnien Norwegen, Polen, Schweiz), aus

Israel, Japan, Korea, Afghanistan und

den Vereinigten Staaten an der Sommer-

Uni versität.

Jeder der sieben Veranstaltungs-

tage mit Vorträgen und Arbeitsgruppen

war auf ein bestimmtes Thema ausge-

richtet: den Zusammenhang zwischen

Krieg und sexueller Gewalt, die Zwangs-

prostitution in den nationalsozialisti-

schen Konzentrationslagern und in Japan,

den verschiedenen Darstellungsformen

von Zwangsprostitution während des

Krieges und der deutschen Besatzung in

den Frankreich, Polen und Italien sowie

den juristischen Umgang mit dieser im

internationalen Kontext. Im Vordergrund

der Auseinandersetzung standen hier-

bei besonders die Überlieferungen der

Opfer. Abschließend fanden eine öffent-

liche Podiumsdiskussion und ein Emp-

fang bei der Heinrich-Böll-Stiftung in

Berlin statt.

Aufgrund des großen Interesses an

diesem Thema beschlossen die Veran-

Die Historikerin Dr. Christl Wickert führt die Teilnehmer/innen der Sommer-Universität

Ravensbrück durch die Ausstellung. © Kristina Strauss, MGR/SBG 2007

Innen_ 27-05.indd 17Innen_ 27-05.indd 17 27.05.2009 18:05:3927.05.2009 18:05:39

Page 18: Die Europäische Union fördert Geschichts- und Erinnerungsarbeit …ec.europa.eu/citizenship/pdf/mstates_de.pdf · 2016. 10. 24. · 3 Inhalt 04 Die Eur opäische Union fördert

18

stalter, die parallel stattfi ndende Aus-

stellung »Sex-Zwangsarbeit in NS-Kon-

zentrationslagern« zu einer Wanderaus-

stellung umzugestalten und sie u.a. in

Israel und der Ukraine zu zeigen. Wäh-

rend der Sommer-Universität konnte

auch die Grundlage für eine Kooperation

der Gedenkstätte Ravensbrück mit Part-

nern aus Korea gelegt werden, die zur

Folge hat, dass die Thematik der sexuel-

len Gewalt gegen Frauen im Krieg im Rah-

men einer weiteren Ausstellung in Seoul

behandelt werden wird.

Die Sommer-Universität 2007

»Zwangsprostitution und Krieg« wur-

de von der Europäischen Union mit ca.

36.000 Euro gefördert. Die Beiträge der

Referentinnen und Referenten wurden

2008 in einem Tagungsband veröffent-

licht, um die Ergebnisse der Veranstal-

tung auf regionaler, nationaler und in-

ternationaler Ebene in die wissenschaft-

liche Diskussion einzubringen. Die

»Europäische Sommer-Universität Ra-

vensbrück« im Jahr 2007, die Wander-

ausstellung und die Publikation trugen

dazu bei, das weitgehend verdrängte

und verschwiegene Thema der sexuellen

Gewalt gegen Frauen in Kriegssituatio-

nen in die europäische und internationa-

le Öffentlichkeit zu tragen.

Projektträger:

Mahn- und Gedenkstätte

Ravensbrück /

Stiftung Brandenburgische

Gedenkstätten

Straße der Nationen

16798 Fürstenberg-Havel

www.ravensbrueck.de

TeilnehmerInnen der Sommer-Universität

Ravensbrück besuchen die Ausstellung zum

Thema der Sex-Zwangsarbeit.

© Kristina Strauss, MGR/SBG 2007

Innen_ 27-05.indd 18Innen_ 27-05.indd 18 27.05.2009 18:05:5227.05.2009 18:05:52

Page 19: Die Europäische Union fördert Geschichts- und Erinnerungsarbeit …ec.europa.eu/citizenship/pdf/mstates_de.pdf · 2016. 10. 24. · 3 Inhalt 04 Die Eur opäische Union fördert

19

Anläßlich des 75. Jahrestages der Eröff-

nung des Konzentrationslagers Dachau

im März 2008 gestaltete der Trägerkreis

Gedächtnisbuch Dachau eine internati-

onale Wanderausstellung mit dem Titel

»Namen statt Nummern«, die Anstoß ge-

ben sollte, die Lebensgeschichten der

Dachauer Häftlinge in einen europäischen

Kontext zu stellen. Damit sollten die

Menschen hinter den Häftlingsnummern

vorgestellt werden, um ihnen ihre Würde

und Individualität zurückzugeben.

Während des Nationalsozialismus

wurden Menschen aus verschiedenen

Orten Europas in das Konzentrations-

lager Dachau deportiert. Polnische Jü-

dinnen und Juden, deutsche Kommu-

nist/innen und Sozialdemokrat/innen,

österreichische Roma-Angehörige, nie-

derländische und französische Wider-

standskämpfer/innen, Jugendliche, die

aus der Ukraine zur Zwangsarbeit nach

Deutschland verschleppt wurden und

nach einem Fluchtversuch in die Fänge der

Gestapo gerieten: Verfolgung und Terror

der SS im KZ Dachau mußten Menschen

unterschiedlicher Herkunft und Lebens-

erfahrung erleben.

Die Ausstellung baut auf dem

»Dachauer Gedächtnisbuch« auf, in dem

der Trägerkreis seit 1999 gemeinsam mit

der Weiße Rose Stiftung Einzelschicksa-

le ehemaliger Häftlinge des KZ Dachaus

vorstellt. Für die Ausstellung wurden 22

Biographien von Menschen aus den Län-

dern ausgewählt, in denen die Ausstel-

lung gezeigt werden sollte. Dabei wurde

besonderer Wert darauf gelegt, die unter-

schiedlichen Häftlingsgruppen zu reprä-

sentieren: Geistliche, politische Häftlin-

ge, Homosexuelle, Juden oder Sinti und

Roma. Die Einzelschicksale wurden auf

großen Schautafeln vorgestellt. Die Be-

sucherinnen und Besucher konnten sich

zudem über den historischen Hinter-

grund, über Europa im Zweiten Weltkrieg

und über den emotionalen Umgang mit

der Thematik informieren. Begleitend zur

Ausstellung wurde eine 84-seitige Bro-

schüre in den Sprachen Deutsch, Nieder-

Namenstatt Nummern

Deckblatt der Broschüre zur

Internationalen Wanderausstellung

»Namen statt Nummern«

© Trägerkreis Gedächtnisbuch e. V.

Innen_ 27-05.indd 19Innen_ 27-05.indd 19 27.05.2009 18:05:5327.05.2009 18:05:53

Page 20: Die Europäische Union fördert Geschichts- und Erinnerungsarbeit …ec.europa.eu/citizenship/pdf/mstates_de.pdf · 2016. 10. 24. · 3 Inhalt 04 Die Eur opäische Union fördert

20

ländisch, Französisch, Englisch und Pol-

nisch mit Kurzbiographien veröffentlicht.

Im Rahmen der offi ziellen Eröffnung

im März 2008 fand für alle Projektpart-

ner eine zweitägige Konferenz in Dachau

statt, die das persönliche Kennenlernen

und den Austausch über den bisheri-

gen Projektverlauf ermöglichte. Die Aus-

stellung wird in Deutschland, Frankreich,

Großbritannien, den Niederlanden, Ös-

terreich, Polen und der Ukraine zu sehen

sein. In der ursprünglichen Konzeption

des Trägerkreises Gedächtnisbuch wa-

ren zunächst nur 13 Orte vorgesehen. In-

zwischen war sie schon in 18 Orten zu

sehen, und es liegen Anfragen für weite-

re 29 Orte in Europa vor. An den jeweili-

gen Eröffnungsveranstaltungen nahmen

Zeitzeugen, Politiker/innen sowie kirch-

liche Vertreter/innen oder Menschen

des öffentlichen Lebens als Redner teil.

Auch szenische Darstellungen, gezeigt

von Schülerinnen, Schülern und Studie-

renden gehörten mancherorts zum Pro-

gramm. Im österreichischen Klagenfurt

fand zusätzlich ein Workshop zum The-

ma statt. Bis Ende des Jahres 2008 be-

suchten mehr als 20.000 Menschen die

Ausstellung.

Vor allem bei Schülerinnen und

Schülern stieß die Ausstellung auf große

Resonanz. An vielen Ausstellungsorten

wurden Führungen für Schulklassen und

Gruppen organisiert. Für die Lehrkräfte

boten sowohl die Ausstellung als auch

die Begleitbroschüre hilfreiche Instru-

mente zur Vermittlung der Zeit des Natio-

nalsozialismus, der Geschichte der Kon-

zentrationslager und der Auseinander-

setzung mit dieser Thematik im eigenen

Land. Die Ausstellung wurde von der Eu-

ropäischen Union mit ca. 40.000 Euro ge-

fördert.

Projektträger:

Trägerkreis Gedächtnisbuch

Dachauer Forum e.V.

Ludwig-Ganghofer-Str. 4

85221 Dachau

www.gedaechtnisbuch.de/

namen-statt-nummern

„Leid braucht immer Gesichter. Die Ausstellung passt zurzeit besser denn je“, so Herbert Eck-stein, Landrat und Schirmherr der Ausstellung in Heideck bei der dortigen Eröffnung Ende März 2009

Innen_ 27-05.indd 20Innen_ 27-05.indd 20 27.05.2009 18:05:5327.05.2009 18:05:53

Page 21: Die Europäische Union fördert Geschichts- und Erinnerungsarbeit …ec.europa.eu/citizenship/pdf/mstates_de.pdf · 2016. 10. 24. · 3 Inhalt 04 Die Eur opäische Union fördert

21

Erinnerungskulturund regionale Identität

Der Grenzlandmuseum Eichsfeld e.V.

führte im Sommer 2008 ein Symposium

durch, das sich dem Zusammenhang zwi-

schen regionaler Identität und Erinne-

rungskultur aus wissenschaftlicher Sicht

widmete. Das Grenzlandmuseum Eichs-

feld ist nicht nur Informations- und Do-

kumentationszentrum zur Geschichte

der innerdeutschen Grenzen und deren

Auswirkung auf Mensch und Natur, son-

dern auch Mahn- und Erinnerungsstätte

zur deutschen Teilung. Das Symposium

sollte einen Beitrag dazu leisten, das Be-

wusstsein von einer europäischen Iden-

tität zu schärfen, die sich auf demokrati-

sche Traditionen im Kampf gegen den To-

talitarismus bezieht.

Die dreitägige Konferenz verband

Internationalität und Interdisziplinari-

tät, denn es nahmen Menschen aus un-

terschiedlichen Tätigkeitsfeldern teil,

darunter Fachkräfte aus Museums- und

Gedenkstätten, Journalist/innen, His-

toriker/innen, Übersetzer/innen aus

Deutschland, Polen und Tschechien, aber

auch 40 Schüler/innen des Eichsfeld-

gymnasiums in Duderstadt und dessen

Partnerschule in Kartuzy (Polen). Die Ta-

gung sollte die Vernetzung zwischen den

polnischen, deutschen und tschechi-

schen Partnern fördern: dem Grenzland-

museum Eichsfeld in Deutschland, der

Staatlichen Universität und dem Staats-

archiv in Katowice (Polen) sowie der In-

ternationalen Jugendbegegnungsstätte

in (Auschwitz, Polen), der Uni-

versität sowie dem Schlesischen Landes-

museum in Opava und dem Gymnasium

von Havlove (alle in Tschechien). Unter-

stützt wurde dies von der Europäischen

Union mit ca. 22.000 Euro.

Mit dem Grenzstreifenprojekt »Archinatura«

trägt die Heinz Sielmann Stiftung, wie das

Grenzlandmuseum Eichsfeld, dazu bei, das

»Gedächtnis der Landschaft« lebendig zu

erhalten.

© Grenzlandmuseum Eichsfeld e.V.

Innen_ 27-05.indd 21Innen_ 27-05.indd 21 27.05.2009 18:05:5327.05.2009 18:05:53

Page 22: Die Europäische Union fördert Geschichts- und Erinnerungsarbeit …ec.europa.eu/citizenship/pdf/mstates_de.pdf · 2016. 10. 24. · 3 Inhalt 04 Die Eur opäische Union fördert

22

Ziel der Konferenz war es, den Er-

fahrungsaustausch zu verschiedenen

Formen der Erinnerung zu intensivieren

und die Auseinandersetzung der betei-

ligten Organisationen mit dem Totalita-

rismus als Phänomen europäischer Ge-

schichte anzuregen. Damit wollte sie

einen Beitrag dazu leisten, dass in der

museumspädagogischen Arbeit regiona-

le, nationale und europäische Besonder-

heiten des Erinnerns in ihrer Wechselwir-

kung stärker berücksichtigt werden. Im

Mittelpunkt standen die regionale Iden-

tität (»Gedächtnis der Landschaft«) so-

wie Erinnerungskultur in ihrer Wechsel-

beziehung sowie als Bestandteile von

politischer Kultur. Denn sie sind wichtige

Aspekte für die Entwicklung und Umset-

zung von Demokratie, besonders für die

Reformländer in Ost- und Mitteleuropa.

Zu dem umfangreichen Programm

gehörten eine Präsentation der Bildungs-

und Gedenkstätte Eichsfeld und deren

Bildungskonzeption, Vorträge zu metho-

dischen Aspekten der Erinnerungskultur

sowie die Annäherung an das Thema

Abschlussdiskussion nach einem Workshop mit Symposiumsteilnehmern aus Deutschland,

Polen und Tschechien sowie polnischen und deutschen Schülerinnen und Schülern während

des Symposiums in Teistungen. © Grenzlandmuseum Eichsfeld e.V.

Innen_ 27-05.indd 22Innen_ 27-05.indd 22 27.05.2009 18:05:5327.05.2009 18:05:53

Page 23: Die Europäische Union fördert Geschichts- und Erinnerungsarbeit …ec.europa.eu/citizenship/pdf/mstates_de.pdf · 2016. 10. 24. · 3 Inhalt 04 Die Eur opäische Union fördert

23

»Die wissenschaftliche Analyse der Wechselbeziehungen zwischen Erinnerungskultur und regiona-ler Identität birgt große Chancen, das Bewusstsein einer europäi-schen Identität zu schärfen, die sich auf demokratische Traditi-onen im Kampf gegen den Tota-litarismus bezieht. Dadurch soll vor allem die junge Generation motiviert werden, sich für die Stärkung der Demokratie einzu-setzen und die historische Aus-einandersetzung mit dem Totali-tarismus in all seinen Spielarten (Aggression, Faschismus, Stali-nismus, Rassismus, Antisemitis-mus ...) nicht zu scheuen.« Dr. Harro Bebert, Projektleiter

»regionale Identität« anhand ausgewähl-

ter Gruppen aus Schlesien, der früheren

Tschechoslowakei, aus Polen sowie aus

der ehemaligen DDR. Bei dem Besuch

des Grenzlandmuseums in Teistungen

und der anschließenden Wanderung am

ehemaligen Grenzzaun der DDR entlang,

lernten die 59 Teilnehmerinnen und Teil-

nehmer die Erinnerungsorte der Region

im Zusammenhang mit der ehemaligen

innerdeutschen Grenze kennen. Sie

besuchten die nahegelegene Stadt Du-

der stadt und konnten hier anhand wirt-

schaftlicher, kultureller und touristischer

Aktivitäten sehen, wie sich die ehemals

geteilte Region Eichsfeld von einem be-

nachteiligten Grenzgebiet zu einer Region

des Brückenschlags im Zentrum Deutsch-

lands entwickelt hat. Im Um weltzentrum

Gut Herbigshagen wurden die Zusam-

menhänge von politischen und ökologi-

schen Aspekten der ehemaligen inner-

deutschen Grenze debattiert.

Eine umfangreiche Internetseite

informiert über die Tagung und ihre Er-

gebnisse. Außerdem wurde das Projekt

in einem Bericht des Ministerrates der

Europäischen Union, der im Anschluss

an ein Hearing zu dem Thema »Crimes

Committed by Totalitarian Regimes« im

April 2008 publiziert wurde, ausführlich

vorgestellt.

Das Symposium trug zu einer Inten-

sivierung des Meinungsaustausches un-

ter den Kooperationspartnern bei und

gab wichtige Impulse für die Realisierung

zukünftiger gemeinsamer Projekte, z.B.

Jugendreisen zu ost- und mitteleuropäi-

schen Erinnerungsorten oder Austausch

von Fachkräften in Museen und Initiati-

ven der Erinnerungskultur in Polen und

Tschechien.

Projektträger:

Grenzlandmuseum Eichsfeld e.V.

Duderstädter Straße 5

37339 Teistungen

www.pcpaessler.de/comemo

Innen_ 27-05.indd 23Innen_ 27-05.indd 23 27.05.2009 18:05:5427.05.2009 18:05:54

Page 24: Die Europäische Union fördert Geschichts- und Erinnerungsarbeit …ec.europa.eu/citizenship/pdf/mstates_de.pdf · 2016. 10. 24. · 3 Inhalt 04 Die Eur opäische Union fördert

24

Politische Häftlingeerzählen

Eine wichtige Rolle bei der Aufarbeitung

der kommunistischen Diktatur in Ost-

deutschland spielen persönliche Häft-

lingserinnerungen, denn aus den Unter-

lagen des DDR-Staatssicherheitsdiens-

tes lässt sich der menschenunwürdige

Umgang mit den Gefangenen nur schwer

rekonstruieren.

Die Gedenkstätte Berlin-Hohen-schönhausen möchte dazu beitragen,

die Erinnerungen und Beschreibungen

ehemaliger Gefangener auszuwerten

und zu dokumentieren. Sie betreibt da-

für ein Zeitzeugenbüro, das sowohl amt-

liche Unterlagen als auch persönliche

Haftberichte, Veröffentlichungen, Fotos,

Kassiber oder heimlich gefertigte Gegen-

stände sammelt. Es unterhält Kontakt

zu mittlerweile rund 1.000 ehemaligen

Häftlingen, von denen ca. 250 in Video-

interviews von ihren persönlichen Erfah-

rungen in der Untersuchungshaftanstalt

Berlin-Hohenschönhausen des Minis te-

riums für Staatssicherheit erzählen.

Zellengang © Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen

Innen_ 27-05.indd 24Innen_ 27-05.indd 24 27.05.2009 18:09:1527.05.2009 18:09:15

Page 25: Die Europäische Union fördert Geschichts- und Erinnerungsarbeit …ec.europa.eu/citizenship/pdf/mstates_de.pdf · 2016. 10. 24. · 3 Inhalt 04 Die Eur opäische Union fördert

25

Im Jahr 2008 wurde im Rahmen des

Projektes »Das zentrale Untersuchungs-

gefängnis des kommunistischen Staats-

sicherheitsdienstes in Deutschland im

Spiegel von Opferberichten« die Tätigkeit

des Zeitzeugenbüros ausgebaut:

Eine inhaltliche Auswertung der Inter-

views durch Historiker/innen sowie Po-

litolog/innen ermöglichte gesicherte

und quantifi zierbare Aussagen sowohl

über die Lebensbedingungen in der Haft-

anstalt Berlin-Hohenschönhausen, als

auch über das System politischer Haft in

der DDR. Nun führen Zeitzeugen – ehe-

malige politische Häftlinge – interessier-

te Besucherinnen und Besucher durch

die Gedenkstätte und vermitteln ihre

persönlichen Erfahrungen. Im Jahr 2008

besuchten mehr als 247.000 Menschen

die Gedenkstätte, darunter mehr als die

Hälfte Schülerinnen und Schüler.

Besuchergruppe © Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen

Innen_ 27-05.indd 25Innen_ 27-05.indd 25 27.05.2009 18:12:5927.05.2009 18:12:59

Page 26: Die Europäische Union fördert Geschichts- und Erinnerungsarbeit …ec.europa.eu/citizenship/pdf/mstates_de.pdf · 2016. 10. 24. · 3 Inhalt 04 Die Eur opäische Union fördert

26

stellung eingebunden, die ab 2011 ein

breites Publikum über Haft und politi-

sche Justiz in der DDR informieren wird.

Mit ihrer Arbeit möchte die Gedenk-stätte Berlin-Hohenschönhausen nicht

nur die Geschichte des Haftortes Hohen-

schönhausen aus Sicht ehemaliger Häft-

linge im historischen Kontext aufarbei-

ten, sondern auch eine Anerkennung der

Opfer politischer Verfolgung durch das

kommunistische Regime in der DDR ein-

fordern. Sie will den Blick dafür schärfen,

dass auch heute in vielen Teilen der Welt

rechtsstaatliche Prinzipien nicht selbst-

verständlich sind, sondern hart erkämpft

werden müssen. Die Europäische Kom-

mission unterstützte dieses Projekt mit

ca. 40.000 Euro.

Projektträger:

Stiftung Gedenkstätte

Berlin-Hohenschönhausen

Genslerstraße 66

13055 Berlin

www.stiftung-hsh.de

»Viele Besucher begreifen erst an diesem Ort, was es bedeu-tete, mit einer kommunisti-schen Diktatur in Konfl ikt zu geraten. Insbesondere möchten wir Jugendliche für diesen Teil deutsch-deutscher Geschichte sensibilisieren und dafür sorgen, dass diese nicht in Vergessen-heit gerät. Das ehemalige Stasi-Gefängnis steht symbolisch für Unfreiheit und Unterdrückung. Wer könnte besser darüber berichten, als die früheren In-sassen?« Hubertus Knabe, Leiter

Die wissenschaftliche Arbeit im

Rahmen dieses Projekts bildet die

Grundlage für eine historische Einord-

nung von Hafterlebnissen und unter-

stützt so die emotionale Wirkung, die die

persönlichen Erinnerungen der ehemali-

gen Gefangenen auf die Besucherinnen

und Besucher der Gedenkstätte Hohen-

schönhausen haben. Abschließend ist

eine Broschüre geplant, die Einblicke in

das Projekt geben soll und auch wichti-

ge Hintergrundinformationen zum Thema

enthalten wird. Auf der Internetseite der

Gedenkstätte werden die Auswertungs-

ergebnisse zur Verfügung gestellt. Darü-

ber hinaus werden sie in eine Daueraus-

Innen_ 27-05.indd 26Innen_ 27-05.indd 26 27.05.2009 18:13:0027.05.2009 18:13:00

Page 27: Die Europäische Union fördert Geschichts- und Erinnerungsarbeit …ec.europa.eu/citizenship/pdf/mstates_de.pdf · 2016. 10. 24. · 3 Inhalt 04 Die Eur opäische Union fördert

27

Europäische Gedenkstättenpädagogikzur NS-Zeit

Bei der dreitägigen Konferenz der Lan-

deszentrale für politische Bildung Rhein-

land-Pfalz und der Gedenkstätte KZ Ost-

hofen standen im November 2008 die

»Europäischen Perspektiven der Ge-

denkstättenpädagogik zur NS-Zeit in

Frankreich, Belgien und Deutschland« im

Mittelpunkt. Organisiert wurde die Fach-

tagung für Mitarbeiterinnen und Mitar-

beiter der Gedenkstätten Fort Breen-

donk in Willebroek (Belgien), des Cen-

tre européene du resistant déporté / Site

de l‘ancien camp de Natzweiler-Struthof

(Frankreich), der Gedenkstätte KZ Ost-

hofen (Deutschland) sowie für weitere

Multiplikator/innen und Lehrbeauftrag-

te. Der Zuschuss der Europäischen Union

für die Veranstaltung betrug ca. 16.100

Euro.

Im Vorfeld der Konferenz hatte es

bereits gegenseitige Besuche von Vertre-

terinnen und Vertretern der deutschen

und französischen und belgischen Ge-

denkstätten gegeben, bei denen sie mar-

kante Unterschiede im Umgang mit der

Zeit des Nationalsozialismus zwischen

Gedenkstätte KZ Osthofen © Gedenkstätte KZ Osthofen

Innen_ 27-05.indd 27Innen_ 27-05.indd 27 27.05.2009 18:13:0027.05.2009 18:13:00

Page 28: Die Europäische Union fördert Geschichts- und Erinnerungsarbeit …ec.europa.eu/citizenship/pdf/mstates_de.pdf · 2016. 10. 24. · 3 Inhalt 04 Die Eur opäische Union fördert

28

An der Konferenz nahmen ca. 20

Pädagog/innen und Historiker/innen

aus Frankreich, drei aus Belgien, 25 aus

Deutschland sowie der Leiter des luxem-

burgischen Dokumentationszentrums

teil. Die Beschäftigung mit dem Veran-

staltungsort selbst, der Gedenkstätte KZ

Osthofen, bot einen guten Ausgangs-

punkt für das Seminar. Die Beteiligten

verschafften sich in Rundgängen und

durch einen Besuch der Dauerausstel-

lung einen ersten Eindruck von der Ge-

denkstätte, bevor in mehreren Vorträgen

und einem Film die Geschichte der his-

torischen Stätte sowie die pädagogische

Arbeit vor Ort vorgestellt wurden. Berei-

chert wurde die Konferenz durch die Be-

richte von zwei französischen Zeitzeu-

gen, die während des Nationalsozialis-

mus u.a. in den Konzentrationslagern

Buchenwald, Flossenbürg und Johann-

georgenstadt inhaftiert waren. Nachdem

sich auch die Einrichtungen aus Frank-

reich, Luxemburg und Belgien vorgestellt

hatten, erarbeiteten die Teilnehmerinnen

und Teilnehmer in trinationalen Work-

»Vieles wurde in den letzten 20 Jahren erforscht, dargestellt, in Veranstaltungskonzepte aufge-nommen und bei Gedenkfeiern vorgetragen. Aber was passiert, wenn der Reiz des neu zu Fin-denden nicht mehr so leicht erreichbar ist? Wenn auf Rituale und Konzepte aus der Schublade zurückgegriffen wird? Immer häufi ger fragen sich auch er-fahrene in der Gedenkarbeit engagierte Personen, was man beim nächstjährigen Gedenktag anders machen könnte.« Uwe Bader, Leiter der Osthofe-ner Gedenkstätte.

den einzelnen Gedenkstätten feststell-

ten. Begründet liegen diese in den ver-

schiedenen Sichtweisen auf die gemein-

same Geschichte und in didaktisch-

methodischen Differenzen: Während

deutsche Einrichtungen häufi g bemüht

sind, die Besucherinnen und Besucher

durch Gruppenarbeit und Gesprächsrun-

den zu erreichen, versucht man in Frank-

reich eher, die Gäste durch multimedia-

le Präsentationen emotional anzuspre-

chen.

Aufgrund dieser Erkenntnisse ent-

schlossen sich die Mitarbeiterinnen und

Mitarbeiter der Gedenkstätten zu einer ge-

meinsamen Fachkonferenz. Sie wollten die

unterschiedlichen Konzepte der Gedenkar-

beit in Deutschland, Frankreich und Belgi-

en kennenlernen, Erfahrungen und Metho-

den austauschen und auf dieser Grundla-

ge neue länderübergreifende didaktische

und pädagogische Modelle für die Gedenk-

arbeit entwickeln. Im Verlauf der Planung

wurde der Kreis der Projektpartner um das

Dokumentationszentrums der Zwangsrek-

rutierten in Luxemburg erweitert.

Innen_ 27-05.indd 28Innen_ 27-05.indd 28 27.05.2009 18:13:0127.05.2009 18:13:01

Page 29: Die Europäische Union fördert Geschichts- und Erinnerungsarbeit …ec.europa.eu/citizenship/pdf/mstates_de.pdf · 2016. 10. 24. · 3 Inhalt 04 Die Eur opäische Union fördert

29

shops ein Konzept der »gekreuzten Bli-

cke« – ein vergleichender Ansatz sowohl

für die pädagogische Arbeit in den jewei-

ligen Gedenkstätten als auch für eine in-

tensivere transnationale Kooperation.

In einer gemeinsamen Erklärung zur

europäischen Geschichts- und Gedenk-

arbeit wurden die erarbeiteten Grund-

lagen und Formen der künftigen Zusam-

menarbeit der beteiligten Gedenkstät-

ten festgehalten. Sie wird voraussichtlich

ab August auf der Internetseite der Ge-

denkstätte KZ Osthofen zu fi nden sein. In

künftigen jährlichen Treffen werden sich

die Pädagog/innen über ihre Erfahrun-

gen mit neuen Methoden und Zugängen

in der Gedenkstättenpädagogik austau-

schen. Die nächste Konferenz fi ndet im

Jahr 2009 in Luxemburg statt.

Projektträger:

Gedenkstätte KZ Osthofen

Ziegelhüttenweg 38

67574 Osthofen

www.ns-dokuzentrum-rlp.de

Zuhörer/innen im Plenum © Gedenkstätte KZ Osthofen

Innen_ 27-05.indd 29Innen_ 27-05.indd 29 27.05.2009 18:13:0127.05.2009 18:13:01

Page 30: Die Europäische Union fördert Geschichts- und Erinnerungsarbeit …ec.europa.eu/citizenship/pdf/mstates_de.pdf · 2016. 10. 24. · 3 Inhalt 04 Die Eur opäische Union fördert

30

Erinnernfür die Zukunft Europas

Im November 2008 setzten sich im Rah-

men des einwöchigen Seminars »Erin-

nern für die Zukunft Europas« in Ostritz-

St. Marienthal in Deutschland Jugendli-

che und junge Erwachsene aus sieben

Nationen gemeinsam mit deutschen und

polnischen Überlebenden verschiedener

Konzentrationslager sowie Mitgliedern

von Widerstandsgruppen mit der Zeit des

Nationalsozialismus und dem Holocaust

auseinander. Arbeitssprachen des Se-

minars waren Deutsch und Englisch. Es

wurde mit einer Summe von etwa 42.000

Euro von der EU gefördert.

Um ihr Zusammentreffen im Inter-nationalen Begegnungszentrums St.

Marienthal vorzubereiten, erarbeite-

ten die 53 Jugendlichen aus Deutsch-

land, Lettland, Litauen, Polen, Schwe-

den, Tschechien und Wales auf der Basis

von Interviews und Internetrecherchen

eigene Präsentationen. Diese stellten sie

sich gegenseitig während des Seminars

in St. Marienthal im sogenannten Erzähl-

café vor. Sie berichteten von historischen

Ereignissen, Persönlichkeiten und Orten,

die in ihrem jeweiligen Heimatland zur

Zeit des Nationalsozialismus von beson-

derer Bedeutung waren.

Auch während des Seminars gab es

immer wieder Gelegenheit zu Gruppen-

oder Einzelgesprächen mit den sechs Zeit-

zeugen, so dass die Jugendlichen einen

persönlichen Zugang zur Zeit des National-

sozialismus in Deutschland bekamen. Sie

lernten die individuellen Lebens- und Lei-

densgeschichten der Überlebenden ken-

nen und machten sich daran die Tragweite

und die Konsequenzen des Nationalsozia-

lismus in Europa bewusst.

»I think the museums were really exciting, because it was a bit more personal ... like poems and drawings from children. And the paintings from the ar-tists who were in concentration and extermination camps.« Elin Bergvik Eriksson

»Wenn viele bis nachts um 5 Uhr gearbeitet haben, sagt das alles über die Begeisterunggegenüber den Themen vom Seminar.« Anonym,Teilnehmer/in

»Wir wollten an Europa mit-bauen und dazu haben wir hier die Chance erhalten.« Anonym, Teilnehmer/in

Innen_ 27-05.indd 30Innen_ 27-05.indd 30 27.05.2009 18:17:0327.05.2009 18:17:03

Page 31: Die Europäische Union fördert Geschichts- und Erinnerungsarbeit …ec.europa.eu/citizenship/pdf/mstates_de.pdf · 2016. 10. 24. · 3 Inhalt 04 Die Eur opäische Union fördert

31

Nach einer Tagesexkursion zu dem

ehemaligen Konzentrationslager The-

resienstadt im heutigen Tschechien mit

Führungen durch das Ghettomuseum

und die kleine Festung wurden im zwei-

ten Teil der Seminarwoche die Erlebnis-

se und Erkenntnisse auf das Leben der

Jugendlichen bezogen. Anhand von Fra-

gen wie »Welche Bedeutung hat national-

sozialistisches Gedankengut für mich

heute?« oder »Was bedeuten Menschen-

rechte für mich im Alltag?« diskutierten

die Jugendlichen ihre eigenen Stand-

punkte und überlegten, wie sie selbst in

ihren Heimatländern zur Wahrung der

Menschenrechte beitragen können.

In international gemischten Grup-

pen arbeiteten die Teilnehmerinnen und

Teilnehmer zu verschiedenen Themen:

Eine Gruppe befasste sich mit Fremden-

feindlichkeit und Vorurteilen, eine ande-

re zeichnete und fotografi erte zum The-

ma Mobbing – Täter und Opfer. Die dritte

Gruppe erfand unter dem Thema »Was

ist Blindheit?« u.a. ein Lied über soziale

Blindheit. Auch ein Theaterstück wurde

inszeniert, bei dem es um Vorverurteilun-

gen ging.

Die kreativen Produktionen sowie

die Gespräche und Diskussionen der Ju-

gendlichen wurden in einem Video doku-

mentiert, das zusammen mit den Präsen-

tationen aus dem Erzählcafé, dem Semi-

narprogramm und Fotos auf einer eigens

für das Projekt erstellten Internetseite

eingestellt ist. Zusätzlich erstellten die

Organisatoren eine Dokumentation, die

beim Begegnungszentrum St. Marien-

thal erhältlich ist.

Projektträger:

Internationales Begegnungs-

zentrum St. Marienthal

St. Marienthal 10

02899 Ostritz-St. Marienthal

www.erinnern-fuer-europa.eu

Zeitzeugengespräch

© Internationales Begegnungszentrum

St. Marienthal (IBZ)

Innen_ 27-05.indd 31Innen_ 27-05.indd 31 27.05.2009 18:18:4027.05.2009 18:18:40

Page 32: Die Europäische Union fördert Geschichts- und Erinnerungsarbeit …ec.europa.eu/citizenship/pdf/mstates_de.pdf · 2016. 10. 24. · 3 Inhalt 04 Die Eur opäische Union fördert

32

Zwangsarbeitim Dritten Reich

Im Schuljahr 2008/2009 arbeiteten die

Schülerinnen und Schüler der zehn-

ten Klasse des Schwarzwald-Gymnasi-

ums Triberg sowie der polnischen Schu-

len Gymnasium 2 in Lask, Gymnasium

26 Nikolaus Kopernikus in , dem

Allgemeinbildenden Lyzeum Tadeusz

Kosciuszko in Lask sowie das Gymnasi-

um Königin Jadwiga mit Unterstützung

der Universität neben dem Unter-

richt gemeinsam an dem Projekt »Ge-

dächtnis für die Vergangenheit – Schick-

sal der Zwangsarbeiter des ›Dritten Rei-

ches‹ als Botschaft für die Generationen

Europas«.

Ehemalige Zwangsarbeiterin zeigt ihren Ausweis © Annekarin Mauch

Innen_ 27-05.indd 32Innen_ 27-05.indd 32 27.05.2009 18:23:0327.05.2009 18:23:03

Page 33: Die Europäische Union fördert Geschichts- und Erinnerungsarbeit …ec.europa.eu/citizenship/pdf/mstates_de.pdf · 2016. 10. 24. · 3 Inhalt 04 Die Eur opäische Union fördert

33

Sie arbeiteten das Schicksal junger

Menschen auf, die während des Natio-

nalsozialismus in die Region Schwarz-

wald verschleppt und dort auf Bauernhö-

fen zur Zwangsarbeit verpfl ichtet worden

waren. Jeder der Kooperationspartner

übernahm dabei von Beginn an einen

Teil der zu bearbeitenden Inhalte. Wäh-

rend die Triberger Gymnasiasten deut-

sche Zeitzeugen befragten, recherchier-

ten die polnischen Jungen und Mädchen

die Geschehnisse aus Sicht der ehema-

ligen polnischen Zwangsarbeiter und

Zwangsarbeiterinnen. Die Beteiligten

wollten die Erfahrung dieser Menschen

in eine Botschaft überführen, die in Zu-

kunft für das Miteinander der europäi-

schen Bürgerinnen und Bürger von gro-

ßer Bedeutung sein kann.

Im Rahmen des Projekts nahmen

die 100 deutschen und polnischen Schü-

lerinnen und Schüler im Alter von 14 bis

16 Jahren an der Universität Freiburg an

einem dreitägigen Workshop teil, in dem

sie die Methode der Oral History kennen-

lernten und in das wissenschaftliche Ar-

»Auf jeden Fall hatten die kei-nen Polen, sondern einen Rus-sen und der arbeitete nicht. Die waren auch natürlich brutal verbittert. Wieso dass ein Russe daher gekommen ist, das weiß ich jetzt nicht – wahrscheinlich nicht ganz freiwillig. (...) Der hätte also sollen Ginster abhau-en, und so – im Sommer. (...) Und dann hat das der Bauer also einmal gemeldet oder gar zweimal in der Behörde: ›Also der arbeitet nichts‹. Und dann ist er fort gekommen, seither hat ihn niemand mehr gesehen. Was mit denen passiert ist (…) also so ganz geheuer war das nicht.« Aus dem Interview mit Adolf Schwer

beiten eingeführt wurden. Sie lernten

auch, wie man qualifi zierte Interviews

führt und einen Fragenkatalog für die Ge-

spräche mit den Zeitzeugen erstellt. In

Kleingruppen machten die Jugendlichen

danach in Polen und Deutschland durch

ihre Eltern, Großeltern und durch Mund-

zu-Mundpropaganda Zeitzeugen aus,

die ihnen von ihren Erlebnissen und Er-

fahrungen aus der Zeit des Zweiten Welt-

kriegs erzählten. Auf diese Weise konn-

ten sie insgesamt 15 Interviews führen.

Auf deutscher Seite kamen so über 23

Stunden Material zusammen, das von

den Beteiligten transkribiert und ausge-

wertet wurde. Die Jugendlichen ergänz-

ten ihre Informationen durch Archiv-

recherchen.

Innen_ 27-05.indd 33Innen_ 27-05.indd 33 27.05.2009 18:26:5127.05.2009 18:26:51

Page 34: Die Europäische Union fördert Geschichts- und Erinnerungsarbeit …ec.europa.eu/citizenship/pdf/mstates_de.pdf · 2016. 10. 24. · 3 Inhalt 04 Die Eur opäische Union fördert

34

Schüler anschließend die damalige Situ-

ation im Schwarzwald und präsentierten

persönliche Schicksale. Eine Polin be-

richtete den Anwesenden von ihrer Kind-

heit, die sie auf einem Hof im Schwarz-

wald verbrachte, auf dem ihre Eltern als

Zwangsarbeiter eingesetzt waren.

In einem fünftägigen Seminar setz-

ten sich die Schülerinnen und Schüler

mit ihren Rechercheergebnissen aus-

einander. Sie besuchten Bildungsein-

richtungen, wie das Gedenkzentrum des

Konzentrationslagers Natzweiler-Strut-

hof, und machten eine Tagesexkursi-

on nach Straßburg, um auch das Schick-

sal polnischer Zwangsarbeiterinnen und

Zwangsarbeiter im besetzten Frankreich

zu beleuchten. In einer öffentlichen Po-

diumsdiskussion, an der ca. 250 Gäs-

te, darunter Gemeindevertreter/innen,

Zeitzeug/innen und Medienvertreter/in-

nen, teilnahmen, schilderten die deut-

schen und polnischen Schülerinnen und

Im Juli 2009 ist ein weiteres acht

tägiges Seminar für die Beteiligten des

Projektes in Polen vorgesehen, bei dem

die deutschen und polnischen Ergeb-

nisse zusammengeführt und eine the-

menumfassende internationale Präsen-

tation erarbeitet werden sollen. Nach

Abschluss des Projektes wird eine Inter-

netseite zu dem Projekt erstellt, auf der

Ausschnitte der Interviews sowie die auf

der Konferenz im Juli erarbeitete Präsen-

tation in deutscher und in polnischer

Sprache verfügbar sein werden. Das Pro-

jekt wurde von der Europäischen Union

mit ca. 20.000 Euro bezuschusst.

Projektträger:

Schwarzwald-Gymnasium Triberg

Bergstr. 11

78098 Triberg

www.schwarzwald-gymnasium.de

Innen_ 27-05.indd 34Innen_ 27-05.indd 34 27.05.2009 18:26:5127.05.2009 18:26:51

Page 35: Die Europäische Union fördert Geschichts- und Erinnerungsarbeit …ec.europa.eu/citizenship/pdf/mstates_de.pdf · 2016. 10. 24. · 3 Inhalt 04 Die Eur opäische Union fördert

35

Aus der Vergangenheit lernen!?Lebensgeschichte als Argument

Die Schülerinnen und Schüler des Adam-

Josef-Cüppers-Berufskollegs in Ratingen

(Deutschland) und des I Liceum Ogól-

noksztalcace im polnischen Jaworzno er-

arbeiteten sich 2008/2009 in einem Pro-

jekt des Stätte der Begegnung e.V. aus

Vlotho (Deutschland) gemeinsam ihren

eigenen alters- bzw. generationsgerech-

ten Zugang zur Geschichte des National-

sozialismus, indem sie sich mit der Le-

bensgeschichte eines Holocaust-Über-

lebenden intensiv beschäftigten. Für die

Jugendlichen sollten auf diese Weise die

Begründungszusammenhänge von Hass

und Krieg als Mittel von Politik in der Ge-

schichte einerseits und der Wert einer

europäischen Friedensordnung und ihrer

politischen Instrumente andererseits er-

fahrbar und nachvollziehbar werden.

Ziel war es auch, den Blick der Ju-

gendlichen für politische und individu-

elle Verantwortung in ihrem Alltag zu

schärfen. Die Annahme, dass die eigen-

ständige Erarbeitung des Zugangs zur

NS-Vergangenheit den Lernerfolg för-

dert, bildete die Ausgangsbasis für das

Projekt.

In einer ersten Werkstattphase, die

2008 in (Auschwitz/Polen)

stattfand, hat sich die binationale Grup-

pe, die aus insgesamt 32 Teilnehmerin-

nen und Teilnehmern bestand, intensiv

mit dem historischen Geschehen des

Holocaust auseinandergesetzt und auch

die Gedenkstätte KZ Auschwitz-Birkenau

besichtigt. Im Zentrum stand die Begeg-

nung mit dem Holocaust-Überlebenden

Tadeusz Sobolewicz aus dem polnischen

Krakau. Der 84-Jährige, der während des

Nationalsozialismus in insgesamt sechs

Konzentrationslagern inhaftiert war,

schilderte den jungen Menschen seine

Erfahrungen und Erinnerungen.

Schüler dokumentieren die Erinnerungen

von Tadeusz Sobolewicz, um eine DVD zu

erstellen

© Stätte der Begegnung e.V.

Innen_ 27-05.indd 35Innen_ 27-05.indd 35 27.05.2009 18:26:5127.05.2009 18:26:51

Page 36: Die Europäische Union fördert Geschichts- und Erinnerungsarbeit …ec.europa.eu/citizenship/pdf/mstates_de.pdf · 2016. 10. 24. · 3 Inhalt 04 Die Eur opäische Union fördert

36

300 Schüler/innen des AJC-Berufskollegs in Ratingen folgen interessiert den Schilderungen des Zeitzeugen

© Stätte der Begegnung e.V.

Innen_ 27-05.indd 36Innen_ 27-05.indd 36 27.05.2009 18:26:5227.05.2009 18:26:52

Page 37: Die Europäische Union fördert Geschichts- und Erinnerungsarbeit …ec.europa.eu/citizenship/pdf/mstates_de.pdf · 2016. 10. 24. · 3 Inhalt 04 Die Eur opäische Union fördert

37

In der zweiten Projektphase im

März 2009 wurden die Jungen und Mäd-

chen in Ratingen bei Düsseldorf selbst

als Multiplikatoren der Erinnerungsar-

beit aktiv. Sie hatten die Aufgabe, für die

gleichaltrigen Mitschülerinnen und Mit-

schüler des Adam-Josef-Cüppers-Berufs-

kollegs eine Zeitzeugenveranstaltung

zu organisieren und zu dokumentieren.

Dazu gehörten auch die Öffentlichkeits-

arbeit und Beiträge für die Internetsei-

ten der beteiligten Organisationen. Die

Veranstaltung fand in der Turnhalle der

Schule statt. Vor über 300 Schülerinnen

und Schülern im Alter von 16 bis 17 Jah-

ren berichtete der polnische Holocaust-

Überlebende, den die deutsch-polnische

Jugendgruppe bereits in O wi cim ken-

nengelernt hatte, von der Zeit, die er im

KZ Auschwitz verleben musste.

Das Zeitzeugengespräch und die an-

schließende Fragerunde mit den Schü-

lerinnen und Schülern wurden auf DVD

festgehalten. Darüber hinaus wurde eine

CD-Rom erstellt, die Informationen zu der

Thematik und dem Projekt enthält: z.B.

einen Zeitstrahl, der die wesentlichen Da-

ten der Biografi e des Zeitzeugen in den

Kontext geschichtlicher Daten der NS-Zeit

stellt. Die Europäische Union unterstützte

das Projekt mit ca. 28.000 Euro.

Projektträger:

Stätte der Begegnung e.V.

Oeynhausener Str. 5

32602 Vlotho

www.staette.de

Als die Runde für Fragen von Seiten der Schüler eröffnet wurde, zeigten die Jugendlichen abermals reges Interesse an seinem persönlichen Schicksal. Besonders die Frage eines Mäd-chens lag den Schülern am Her-zen: »Wie ist es für Sie, heute einem Deutschen gegenüber zu stehen?«, fragte sie. »Löst das in Ihnen nicht immer noch bittere Gefühle aus?« Sobolewicz zuckte mit den Schultern und ant-wortete: »In der heutigen Welt haben wir keinen Platz mehr für Hass. Hass bringt niemanden weiter.« Diese Menschlichkeit, die er sich trotz des Schreckens seiner Vergangenheit bewahrt hat, wird den Schülern wohl am meisten im Gedächtnis bleiben.Lisa Vollmering, Rheinische Post Online, 18.03.2008

Innen_ 27-05.indd 37Innen_ 27-05.indd 37 27.05.2009 18:26:5227.05.2009 18:26:52

Page 38: Die Europäische Union fördert Geschichts- und Erinnerungsarbeit …ec.europa.eu/citizenship/pdf/mstates_de.pdf · 2016. 10. 24. · 3 Inhalt 04 Die Eur opäische Union fördert

38

Daheiman der Donau

Die Stiftung Donauschwäbisches Zen-

tralmuseum (DZM) in Ulm arbeitet seit

Herbst 2008 in Kooperation mit dem Mu-

seum der Vojvodina im serbischen Novi

Sad, dem Institut für Neueste Geschichte

Serbiens in Belgrad, der Konrad Adenau-

er Stiftung in Belgrad, dem Landmann-

schaft der Donauschwaben, Bundesver-

band e.V. in Sindelfi ngen, dem Institut

für donauschwäbische Geschichte und

Landeskunde in Tübingen sowie dem

Ludwig-Uhland-Institut für Empirische

Kulturwissenschaft der Uni Tübingen an

dem Projekt »Daheim an der Donau. Zu-

sammenleben von Deutschen und Ser-

ben in der Vojvodina«. Die Projektträger

wollen mit Unterstützung der Europäi-

schen Union in Höhe von 55.000 Euro

die gemeinsame Geschichte in dieser Re-

gion aufarbeiten und in Form einer Aus-

stellung ab Mai 2009 den Menschen in

Novi Sad und in Ulm präsentieren.

Bis zum Ausbruch des Zweiten Welt-

kriegs waren in der Vojvodina, einer Re-

gion nördlich von Belgrad, fast 400.000

Deutsche beheimatet, deren Vorfahren

im 18. und 19. Jahrhundert dorthin aus-

gewandert waren. Dort lebten sie mit

Serben, Ungarn und anderen Ethnien zu-

sammen, bis sie Ende des Zweiten Welt-

krieges von Nationalsozialisten und spä-

ter Kommunisten enteignet und vertrie-

ben wurden. Den nationalsozialistischen

und kommunistischen Diktaturen des

20. Jahrhunderts fi elen zehntausen-

de Donauschwaben, wie die deutschen

Siedlerinnen und Siedler in Ungarn, Ru-

mänien und dem ehemaligen Jugoslawi-

en bezeichnet werden, zum Opfer. Friseurgeschäft von Anton Horschitz in

Ruma (Syrmien). Ladengeschäfte und

Geschäftsannoncen wurden nach 1920

durchweg zweisprachig deutsch und

serbisch ausgezeichnet.

© Donauschwäbisches Zentralmuseum

Innen_ 27-05.indd 38Innen_ 27-05.indd 38 27.05.2009 18:29:5227.05.2009 18:29:52

Page 39: Die Europäische Union fördert Geschichts- und Erinnerungsarbeit …ec.europa.eu/citizenship/pdf/mstates_de.pdf · 2016. 10. 24. · 3 Inhalt 04 Die Eur opäische Union fördert

39

schichte beider Kulturen wie »Der Zweite

Weltkrieg« oder »Das Verschwinden der

Donauschwaben 1944-1952« werden

thematisiert. Begleitend fi nden sowohl

im serbischen Novi Sad als auch in Ulm

Podiumsdiskussionen mit Zeitzeugen,

Historiker/innen und Schriftsteller/in-

nen und Führungen durch die Ausstellun-

gen statt. Zur Dokumentation erscheint

ein Katalog in serbischer und deutscher

Sprache.

Die Ausstellung richtet sich ins-

besondere an in Deutschland leben-

de Donauschwaben aus dem ehemali-

gen Jugoslawien und ihre Nachkommen,

Bildungseinrichtungen, die sich mit in-

terkulturellen Fragestellungen beschäf-

tigen, sowie an Schulklassen. Ungefähr

50 Wissenschaftlerinnen und Wissen-

schaftler sowie Fachkräfte aus dem Aus-

stellungsbereich aus beiden Ländern

sind an der Konzeption der Ausstellung

beteiligt. Von Mai bis August 2009 wird

die Ausstellung in Novi Sad in Serbien

und ab September 2009 in Ulm zu se-

hen sein.

Das Donauschwäbische Zentral-museum in Ulm und das Museum der

Vojvodina in Novi Sad haben im Rahmen

des Projektes zu ersten Mal auf breiter

Basis kooperiert. Beide Seiten möchten

die neuen kollegialen Kontakte für weite-

re Kooperationen nutzen.

Projektträger:

Donauschwäbisches

Zentralmuseum

Schillerstraße 1

89077 Ulm

www.dzm-museum.de

Die Ausstellung informiert über das

Zusammenleben von Deutschen und Ser-

ben und klärt über lange Zeit tabuisier-

te oder in Vergessenheit geratene histo-

rische Fakten auf. Ihr Ziel ist es auch dar-

zustellen, wie in Europa vor der Zeit von

Nationalismus und Nationalsozialismus

mehrere Völker in gegenseitigem Re-

spekt zusammengelebt haben. Die Pro-

jektträger möchten dazu beitragen, die

Verständigung von Deutschen und Ser-

ben und die Entstehung neuer grenz-

übergreifender Kontakte zu fördern.

Im Rahmen der zweisprachigen

Ausstellung werden unterschiedliche

Schwerpunktbereiche behandelt, die

das Zusammenleben und die gegensei-

tigen Einfl üsse von Donauschwaben und

Serben illustrieren. Hierzu gehören z.B.

»Das Leben im Dorf«, »Handwerk, Wirt-

schaft und Industrie«, »Bürgertum« und

»Die Deutschen im jugoslawischen Staat

(1918-1941)«. Aber auch die Schwierig-

keiten und tragischen Aspekte in der Ge-

Innen_ 27-05.indd 39Innen_ 27-05.indd 39 27.05.2009 18:31:2327.05.2009 18:31:23

Page 40: Die Europäische Union fördert Geschichts- und Erinnerungsarbeit …ec.europa.eu/citizenship/pdf/mstates_de.pdf · 2016. 10. 24. · 3 Inhalt 04 Die Eur opäische Union fördert

40

Europäische Dimensionender Zwangsarbeit

Die Fachhochschule Hannover konzipiert

derzeit* gemeinsam mit ihren Projekt-

partnern eine internationale Ausstellung

zu den Lebensschicksalen ehemaliger

Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterin-

nen aus verschiedenen Ländern Euro-

pas, die während des Nationalsozialis-

mus nach Südniedersachsen gebracht

wurden. Die Ausstellung trägt den Titel

»Europäische Dimensionen der Zwangs-

arbeit im Nationalsozialismus. Wander-

ausstellung. Eine Fallstudie über Südnie-

dersachsen/Deutschland«. Sie widmet

sich der Geschichte der Zwangsarbeit

im Nationalsozialismus allgemein, aber

stellt auch den lokalen und regionalen

sowie transnationale, sozioökonomische

und historische Zusammenhänge dar.

Als Projektträger ist die FH Hannover,Fakultät III – Medien, Information und

Design, für die zielgruppengerechte Prä-

sentation der Inhalte sowie für die Finan-

zierung und Koordination zuständig. Das

Institut für Geschichte und Ethik der Me-

dizin der Universität Erlangen-Nürnberg

bürgt für die wissenschaftliche Behand-

lung des Abschnittes »Gesundheitswe-

sen«. Die internationalen Projektpartner

in Polen (Fundacji Polsko-Niemieckie

Pojednanie), den Niederlanden (Stich-

ting Deportatie Oktober 1944 Noord en

Midden Limburg) und Italien (Instituto

di storia contemporanea Amato Peretta)

sind an der Recherche und der Bearbei-

tung der Materie und am Projektmanage-

ment beteiligt. In jedem Land sind auch

jeweils ein bis drei Zeitzeugen in die Vor-

bereitung der Ausstellung einbezogen.

Die Europäische Kommission unterstützt

dieses Projekt mit 55.000 Euro.

Die Wanderausstellung ist in 13

thematische Abschnitte unterteilt. Der

Schwerpunkt liegt auf der Dokumentati-

on und der (auch multimedialen) Präsen-

tation biographischer Portraits ehema-

liger Zwangsarbeiterinnen und Zwangs-

arbeiter. Auf diese Weise sollen den

Opfern der nationalsozialistischen Po-

litik ihre Individualität und persönliche

Würde zurückgegeben und den Besuche-

rinnen und Besuchern ein persönlicher

Zugang zu der Problematik der Zwangs-

arbeit ermöglicht werden. Durch ver-

schiedene Präsentationsformen – von

Ausstellungstafeln mit Texten über Foto-

graphien, Illustrationen, Graphiken und

Primärquellen bis zu Audio- und Video-

* Zur Zeit der Erstellung der Broschüre,

Mai 2009

Innen_ 27-05.indd 40Innen_ 27-05.indd 40 27.05.2009 18:32:5227.05.2009 18:32:52

Page 41: Die Europäische Union fördert Geschichts- und Erinnerungsarbeit …ec.europa.eu/citizenship/pdf/mstates_de.pdf · 2016. 10. 24. · 3 Inhalt 04 Die Eur opäische Union fördert

41

materialien wie Zeitzeugeninterviews

oder interaktiven Computerpräsentati-

onen – wird ein breites Publikum unter-

schiedlichen Alters, Bildungsgrads und

unterschiedlicher Herkunft angespro-

chen.

Die Ausstellung wird an den einzel-

nen Orten von Rahmenprogrammen und

Workshops für Jugendgruppen beglei-

tet, die eine Grundlage für mögliche Ju-

gendaustauschprojekte zwischen den

internationalen Projektpartnern schaf-

fen sollen.

Ziel ist es, zu einer kritischen De-

batte über Zwangsarbeit, Nationalsozi-

alismus und die Erfahrung der Fremd-

herrschaft anzuregen. Dies soll durch die

dialogische Konzeption der mobilen Aus-

stellung erreicht werden: Sowohl die Per-

spektive der politischen und administra-

tiven Akteure auf die Zwangsarbeitenden

als auch die Erfahrungen und Erlebnis-

se der Betroffenen selbst werden darge-

stellt. Dabei ist die Mitwirkung der Pro-

jektpartner aus Polen, Italien und den

Niederlanden, den Heimatländern vieler

Zwangsarbeitender in Südniedersach-

sen, hilfreich.

Um eine möglichst große Öffent-

lichkeitswirkung zu erzielen, sind u.a.

die Erstellung von Flyern, Plakaten, ei-

nes Katalogs sowie ein Internetauftritt

geplant. Als Grundlage für einen Fern-

sehbericht, aber auch als pädagogisches

Material für die Zusammenarbeit mit Ju-

gendlichen und Schulen sollen sechs

bis acht Fotoreportagen erstellt werden,

die die Gegenwart mit der Vergangenheit

verbinden.

Mit der Erarbeitung der Ausstel-

lung wurde im Oktober 2008 begonnen,

ihre Eröffnung ist für November 2009

in den Berufsbildenden Schulen in Göt-

tingen vorgesehen. Anschließend wird

sie, nachdem sie in verschiedenen Ein-

richtungen in Südniedersachsen gezeigt

wurde, auf italienisch, niederländisch

und polnisch übersetzt und in den Part-

nerländern gezeigt. Später steht sie zum

Verleih zur Verfügung.

Projektträger:

Fachhochschule Hannover

Fakultät III –

Medien, Information und Design

Expo-Plaza 2

30539 Hannover

www.goest.de/gwgoe

Innen_ 27-05.indd 41Innen_ 27-05.indd 41 27.05.2009 18:33:5827.05.2009 18:33:58

Page 42: Die Europäische Union fördert Geschichts- und Erinnerungsarbeit …ec.europa.eu/citizenship/pdf/mstates_de.pdf · 2016. 10. 24. · 3 Inhalt 04 Die Eur opäische Union fördert

42

»Ich bin als Mensch geborenund will als Mensch hier raus!«

Die Erinnerungs- und Begegnungsstät-

te Geschlossener Jugendwerkhof Torgau

setzt sich als einzige Gedenkstätte in Eu-

ropa mit staatlicher Repression an Kin-

dern und Jugendlichen in einer kommu-

nistischen Diktatur auseinander. Im Ok-

tober 2008 hat sie die Erweiterung der

bereits seit 2003 im Jugendwerkhof ge-

zeigten Dauerausstellung »Auf Biegen

und Brechen. Geschlossener Jugend-

werkhof Torgau 1964 – 1989« in Angriff

genommen. Diese beschreibt am histori-

schen Ort auf anschauliche Weise die

Geschichte und Struktur des Jugend-

werkhofs. Jugendliche, die nicht in das

Bild der sozialistischen Gesellschaft

passten, wurden vom Ministerium für

Volksbildung der Deutschen Demokra-

tischen Republik hier eingewiesen, um

durch Schikanen und Demütigungen um-

Blick in die derzeitige Dauerausstellung

»Auf Biegen und Brechen« über

die Geschichte des Geschlossenen

Jugendwerkhofes 1964 bis 1989,

Aufnahme 2003 (c) GJWH Torgau

erzogen zu werden. Die Besucherinnen

und Besucher der Dauerausstellung er-

halten Einblick in das fragwürdige Erzie-

hungskonzept, den menschenunwürdi-

gen Alltag und das strenge Strafsystem

in der Einrichtung.

Mit der Ausstellungserweiterung,

die die Europäische Union mit einem Be-

trag von 55.000 Euro unterstützt, möchte

die Erinnerungs- und Begegnungsstät-

te Geschlossener Jugendwerkhof Torgau

gemeinsam mit der Stiftung Sächsische

Gedenkstätten, dem Zeitgeschichtlichen

Forum Leipzig, der Fachhochschule Mitt-

weida und der Politischen Memoriale

e.V. in Schwerin die Geschichte, Struk-

tur und Arbeitsweise der anderen Spe-

zialheime der DDR-Jugendhilfe (offene

Jugendwerkhöfe, Spezialkinderheime,

Durchgangsheime, Kombinat der Sonder-

heime) aufgreifen, damit die Besucherin-

nen und Besucher die Funktion der Tor-

Innen_ 27-05.indd 42Innen_ 27-05.indd 42 27.05.2009 18:35:5227.05.2009 18:35:52

Page 43: Die Europäische Union fördert Geschichts- und Erinnerungsarbeit …ec.europa.eu/citizenship/pdf/mstates_de.pdf · 2016. 10. 24. · 3 Inhalt 04 Die Eur opäische Union fördert

43

gauer Einrichtung besser verstehen und

historisch einordnen können.

Dabei wird in der Nachkriegszeit

angesetzt, um auch die Entstehungs-

und Entwicklungsgeschichte der Jugend-

hilfe zu verdeutlichen. Themen wie die

sowjetische Pädagogik nach Makarenko,

der eine Form der sozialistischen Kollek-

tiverziehung entwickelte, die Geschich-

te der »Schwarzen Pädagogik« in Europa,

Erziehungsmethoden, die Gewalt und

Einschüchterung als Mittel enthalten,

und die Heimerziehung in der Bundesre-

publik werden vertieft behandelt.

Die Ausstellung dokumentiert erst-

mals die repressiven Machtstrukturen

des Bildungs- und Erziehungsapparates

der DDR, die bisher in der Wissenschaft

und der Öffentlichkeit wenig beachtet

wurden, und möchte damit einen Beitrag

dazu leisten, ein reales Gesamtbild der

DDR und der SED-Diktatur zu vermitteln.

Außerdem soll sie als Vorbild für ähnli-

che Initiativen in Europa fungieren und

die Auseinandersetzung mit den Erzie-

hungssystemen in Diktaturen anregen.

15 Wissenschaftlerinnen, Wissen-

schaftler und Betroffene arbeiten seit

Oktober 2008 an der Realisierung der

Ausstellung: Sie betreiben umfangreiche

Archiv- und Zeitzeugenrecherche, sam-

meln exemplarische Biographien, Doku-

mente, Exponate und Fotos, sie erarbei-

ten Ausstellungstexte und entwickeln ein

Konzept für die Präsentation der Dunkel-

zellen im Jugendwerkhof, die im originä-

ren Zustand erhalten sind. In regelmäßi-

gen Abständen fi nden hierzu Arbeitstref-

fen aller Beteiligten statt.

Die Eröffnung der neuen Daueraus-

stellung wird im Herbst 2009 stattfi nden.

Begleitend zur Ausstellung werden eine

Broschüre, Flyer und Plakate erstellt, die

wie auch die Ausstellungstexte in deut-

scher und englischer Sprache verfasst

werden.

Projektträger:

Gedenkstätte

Geschlossener Jugendwerkhof

Torgau

Fischerdörfchen 15

04860 Torgau

www.jugendwerkhof-torgau.de

Innen_ 27-05.indd 43Innen_ 27-05.indd 43 27.05.2009 18:37:2427.05.2009 18:37:24

Page 44: Die Europäische Union fördert Geschichts- und Erinnerungsarbeit …ec.europa.eu/citizenship/pdf/mstates_de.pdf · 2016. 10. 24. · 3 Inhalt 04 Die Eur opäische Union fördert

44

GJWH Torgau, Hofbereich der Jungen mit der Sturmbahn für die vormilitärische Ausbildung der Jugendlichen, um 1978

© DIZ Torgau

Innen_ 27-05.indd 44Innen_ 27-05.indd 44 27.05.2009 18:37:2427.05.2009 18:37:24

Page 45: Die Europäische Union fördert Geschichts- und Erinnerungsarbeit …ec.europa.eu/citizenship/pdf/mstates_de.pdf · 2016. 10. 24. · 3 Inhalt 04 Die Eur opäische Union fördert

45

Schlaglichter auf frühere Projekte

Innen_ 27-05.indd 45Innen_ 27-05.indd 45 27.05.2009 18:39:1227.05.2009 18:39:12

Page 46: Die Europäische Union fördert Geschichts- und Erinnerungsarbeit …ec.europa.eu/citizenship/pdf/mstates_de.pdf · 2016. 10. 24. · 3 Inhalt 04 Die Eur opäische Union fördert

46

Die EU unterstützte die Arbeit von Gedenkstätten

und Archiven, die sich mit Deportationen zur Zeit des

Nationalsozialismus befassen, schon lange bevor

es das Programm »Europa für Bürgerinnen und Bür-

ger« (2007-2013) gab. Schon 1999 wurden die ersten

Projekte zu dieser Thematik seitens der EU gefördert.

Wir werfen Schlaglichter auf Veranstaltungen,

Ausstellungen, Publikationen und andere Projekte

in Deutschland, die in den Jahren 2004 bis 2006

von der Generaldirektion Bildung und Kultur

der Europäischen Kommission für eine Förderung

ausgewählt wurden.

Medizin und VerbrechenIm November 2004 eröffnete die Stiftung Brandenburgische Gedenk-stätten die ständige Ausstellung »Medizin und Verbrechen. Das Kranken-revier Sachsenhausen 1936-1945« im ehemaligen Konzentrationslager Sachsenhausen. Mit einer Fördersumme in Höhe von 40.000 Euro be-leuchtet sie verschiedene Aspekte des Themas – von der medizinischen Minimalversorgung bis hin zu Menschenversuchen und Krankenmord.

Für das ErinnernAnlässlich des 60. Jahrestages zur Befreiung des örtlichen Konzentrations-lagers veranstaltete die KZ-Gedenkstätte Mühldorfer Hart e.V. in Bayern im April 2005 mit einem Förderbetrag in Höhe von 20.750 Euro eine Gedenkfeier. Auch Holocaustüberlebende aus Ungarn besuchten das ehemalige Außenlager im Mühldorfer Hart.

Das Opfer der Toten des Lagers Stalag XBIm April 2005 veranstaltete die Gemeinde Sandbostel in Niedersachsen zum 60. Jahrestag der Befreiung des Kriegsgefangenenlagers mit einer EU-Förderung von 12.570 Euro eine Gedenkveranstaltung. Der Schwer-punkt lag auf Berichten ehemaliger Gefangener über ihre Zeit im Lager.

Ort der NamenZum 60. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Ravensbrück im April 2005 baute die Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten das ehemalige SS-Wachhaus um und weihte es als »Ort der Namen« ein. In der Mitte des Raumes liegt ein Gedenkbuch aus, das die Namen der über 13.000 ermordeten Häftlinge aufl istet. Der Umbau und die Einrich-tung wurden mit einer Summe von 34.000 Euro von der EU gefördert.

Innen_ 27-05.indd 46Innen_ 27-05.indd 46 27.05.2009 18:40:4327.05.2009 18:40:43

Page 47: Die Europäische Union fördert Geschichts- und Erinnerungsarbeit …ec.europa.eu/citizenship/pdf/mstates_de.pdf · 2016. 10. 24. · 3 Inhalt 04 Die Eur opäische Union fördert

47

3.000 Nummern. 3.000 Männer.Mit einer Förderung von 40.000 Euro errichtete die KZ-Gedenkstätten-initiative Leonberg im Mai 2005 eine 25 mal 3 Meter lange, 50 Tonnen schwere Namenswand. Der Künstler Johannes Kares schnitt per Laser endlos scheinende Buchstabenketten in die Stahlplatten: die bisher be-kannten Namen von etwa 3.000 Häftlingen, die im KZ Leonberg der Will-kür der SS ausgeliefert waren.

Das Frauenkonzentrationslager RavensbrückMit einer Zuwendung von 18.600 Euro errichtete die Lagergemeinschaft Ravensbrück/Freundeskreis e.V. im Mai 2005 eine Erinnerungstafel in sechs verschiedenen Sprachen. In Verbindung mit weiteren Gedenkver-anstaltungen zum 60. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Ravensbrück wurde die Tafel enthüllt.

Erinnerung begreifen und bewahrenDas Kreismuseum Wewelsburg in Büren (Nordrhein-Westfalen) sicherte und dokumentierte Anfang 2006 den ehemaligen SS-Schießstandals Leidens- und Hinrichtungsort für KZ-Häftlinge als dauerhaften Erin-nerungsort. Mit einer Unterstützung der EU von ca. 17.000 Euro wurdenneben der weiteren Pfl ege der historischen Anlage wissenschaftliche Recherchen über die Opfer durchgeführt.

Vergangenheit ist GegenwartIm Rahmen eines Kunstprojektes stellte die Stiftung Sächsische Gedenk-stätten im Juni 2005 16 Tafeln in der Stadt Pirna auf. Diese Denkzeichen führen vom Bahnhof über das Stadtzentrum hin zum Ort nationalsozia-listischer Verbrechen, der heutigen Gedenkstätte Pirna-Sonnenstein. Die Förderungssumme der EU betrug 15.000 Euro.

Vom Schießstand bis zum KohlenkellerMit einer EU-Förderung von 29.400 Euro hat das Kreismuseum Wewels-burg in Büren (Nordrhein-Westfalen) Fundstücke aus dem ehemaligen SS-Schießstand und dem KZ Niederhagen gesichert und erhalten. Im Sommer 2005 wurden die Objekte in einer Werkstatt-Ausstellung ge-zeigt. Sie dokumentieren die Erfahrungswelt der KZ-Häftlinge und wei-sen auf ihre Lebens- und Arbeitsbedingungen hin. In der Ausstellung wurde auch ein Dokumentarfi lm über einen Zeitzeugen aus der Ukraine präsentiert.

StolpersteineMit einem Betrag von ca. 34.300 Euro unterstützte die EU im Jahr 2005 den Deutsche Gesellschaft e.V. und den Berliner Künstler Günther Dem-nig bei der Verlegung der »Stolpersteine« in Deutschland, Österreich, Ungarn und den Niederlanden, die die Erinnerung an die Opfer des Na tio-nalsozialismus lebendig halten sollen. An deren letzten selbstgewähl-ten Wohnorten wurden die 10 mal 10 Zentimeter großen Pfl astersteine, die eine Gedenktafel aus Messing mit Namen und Schicksal des jeweili-gen Menschen tragen, in den Bürgersteig eingelassen. Bis heute wurden an über 300 Orten »Stolpersteine« gelegt.

Innen_ 27-05.indd 47Innen_ 27-05.indd 47 27.05.2009 18:40:4427.05.2009 18:40:44

Page 48: Die Europäische Union fördert Geschichts- und Erinnerungsarbeit …ec.europa.eu/citizenship/pdf/mstates_de.pdf · 2016. 10. 24. · 3 Inhalt 04 Die Eur opäische Union fördert

48

The Holocaust against the Roma and SintiDas Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma e.V. in Heidelberg realisierte im Jahr 2005 eine englischsprachige Wander-ausstellung mit dem Titel »The Holocaust against the Roma and Sinti and present day racism in Europe«, die den Völkermord der Nationalso-zialisten an den Sinti und Roma dokumentiert und in einen aktuellen Zu-sammenhang mit heutigem Rassismus stellt. Berichte der Überleben-den und Familienbilder der Opfer ließen hierbei individuelle Schicksale sichtbar werden und standen den menschenverachtenden Dokumenten der Täter gegenüber. Die EU-Förderung betrug 40.000 Euro.

Berliner Spuren und Zeugnisse in den Freitod getriebenerJüdinnen und Juden 1938-1945In den Jahren 1938 bis 1945 nahmen sich in Berlin über 1.600 jüdische Menschen unter dem Druck der Schikanen und Bedrohungen durch die Nationalsozialisten das Leben. Die Stiftung Neue Synagoge Berlin – Centrum Judaicum hat 2005 mit einer Unterstützung der EU in Höhe von 37.500 Euro Daten zu den Lebensgeschichten dieser Menschen zusam-mengetragen und in einer Publikation dokumentiert. Auf diesem Weg sollte an die Tatsache erinnert werden, dass zu den Opfern des national-sozialistischen Regimes auch diejenigen gehören, die keinen anderen Ausweg aus ihrer Not sahen.

Netzwerk der Erinnerung an die NS-OpferDie Stiftung Topographie des Terrors in Berlin erarbeitete im Jahr 2005 das Internetforum www.gedenkstaetten-uebersicht.de . Es bietet ne-ben historischen Informationen zur Geschichte der nationalsozialisti-schen Verfolgung Beschreibungen der Tätigkeiten von Bildungs- und For-schungseinrichtungen. Zusätzlich sind Kontaktadressen der wichtigsten bestehenden Gedenkstätten und Denkmäler für die Opfer des National-sozialismus sowie von Museen, Bildungs- und Forschungseinrichtun-gen, die sich mit der Zeit nach 1945 befassen, zu fi nden. Diese Plattform wurde von der Europäischen Union mit ca. 23.000 Euro gefördert.

Erhaltung von ZeitzeugnissenStudierende und Professor/innen der Fachhochschule Köln entwickelten im Jahr 2005 in einem Semesterprojekt Konzepte für die Restaurierung und Konservierung materieller Zeitzeugnisse aus der Sammlung des Staatlichen Museums Auschwitz-Birkenau in Polen. Die Ergebnisse wur-den publiziert und in einem internationalen Workshop präsentiert. Ziel war es, zum Erhalt der Zeugnisse von Opfern des Nationalsozialismus beizutragen und die Öffentlichkeit für diese stummen Zeugen zu sensi-bilisieren. Die Studierenden arbeiteten an Objekten ehemaliger Häftlin-ge des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau, mit Dokumenten, aber auch Gemälden und Skulpturen, die die Verbrechen der Nationalsozia-listen dokumentieren. Die Projektträger erhielten einen EU-Förderbetrag in Höhe von ca. 18.800 Euro.

Innen_ 27-05.indd 48Innen_ 27-05.indd 48 27.05.2009 18:40:4427.05.2009 18:40:44

Page 49: Die Europäische Union fördert Geschichts- und Erinnerungsarbeit …ec.europa.eu/citizenship/pdf/mstates_de.pdf · 2016. 10. 24. · 3 Inhalt 04 Die Eur opäische Union fördert

49

Gedenken an die Opfer der Deportation 1933-1945Das Stadtgeschichtliche Museum Leipzig gestaltete 2005 eine Wander-ausstellung, die sich der Aufarbeitung eines bis dahin wenig beachte-ten Aspekts der Leipziger Stadtgeschichte widmete: die Beteiligung der Leipziger Stadtverwaltung an den Deportationen jüdischer Bürgerinnen und Bürger während des NS-Regimes. Begleitend zur Ausstellung wur-den die recherchierten Dokumente in die frei zugängliche Objektdaten-bank des Museums eingespeist und Lehrmaterial für die Museumspä-dagogik und den Schulunterricht erstellt. Die Zuwendung der EU betrug 40.000 Euro.

Fremde kamen – Freunde gingenDie Dokumentationsstelle Pulverfabrik Liebenau veröffentlichte 2003 die Broschüre »Fremde kamen – Freunde gingen«. Mit einer Fördersum-me von 24.800 Euro wurde sie im Jahr 2005 neu aufgelegt und ins Polni-sche, Russische, Niederländische und Englische übersetzt.

Opfer der Tötungsanstalt Pirna-SonnensteinDie Stiftung Sächsische Gedenkstätten erstellte im Jahr 2004 das »Buch der Opfer der Tötungsanstalt Pirna-Sonnenstein«. Es erinnert an die 13.720 geistig behinderten und psychisch kranken Menschen, die zwi-schen 1940 und 1941 im Konzentrationslager umgebracht wurden. Die Fördersumme der EU betrug 10.500 Euro.

Gespräche und SpurenIm Jahr 2007 begaben sich Jugendliche auf historische Spurensuche,indem sie an Gedenkorten Gespräche mit Zeitzeugen des Naziterrors führten. Unter der Federführung der Brücke/Most-Stiftung wurden dieErgebnisse in Wandzeitungen visualisiert und die Begegnungen perVideo dokumentiert. Die EU förderte dieses Projekt mit 28.000 Euro.

Gedenkstätte »Lindenstraße 54«Im Rahmen des Projekts des Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam e.V. wurde der historische Ort »Lindenstraße 54/55« als Sitz eines Erbgesundheitsgerichts, Gerichtsort und Gefängnis für die Geg-ner des Nationalsozialismus erforscht und dokumentiert. Eine inter-national ausgerichtete Tagung thematisierte im September 2007 ver-schiedene Aspekte der Strafjustiz in der NS-Zeit. Die regionalen For-schungsergebnisse wurden in einen größeren Kontext eingeordnet und Perspektiven für die künftige Forschung entwickelt.

Zwangsarbeit beim Provinzialverband der RheinprovinzDer Landschaftsverband Rheinland eröffnete im November 2007 die Wanderausstellung »Zwangsarbeit beim Provinzialverband der Rhein-provinz – Mütter und Kinder« im eigenen Hause in Köln. Mit einer För-dersumme von knapp 39.500 Euro dokumentiert die zweisprachige Ausstellung das Schicksal ukrainischer Zwangsarbeiterinnen, diewährend des Zweiten Weltkrieges in der Landesfrauenklinik Wupper-tal, einer Einrichtung des damaligen Provinzialverbandes der Rhein-provinz, untergebracht waren.

Engelbergtunnel LeonbergMit einer EU-Förderung in Höhe von 42.000 Euro baute die KZ-Gedenk-stätteninitiative Leonberg e.V. in Baden-Württemberg eine Dokumenta-tionsstätte im alten Engelbergtunnel ein. Der frühere Autobahntunnel war zwischen 1944 und 1945 eine Produktionsstätte der Rüstungsindus-trie, in der die Gefangenen hart arbeiten mussten. Im Juni 2008 wur-de die Stätte in Anwesenheit von sieben Überlebenden des Nazi-Ter-rors eröffnet.

Innen_ 27-05.indd 49Innen_ 27-05.indd 49 27.05.2009 18:40:4427.05.2009 18:40:44

Page 50: Die Europäische Union fördert Geschichts- und Erinnerungsarbeit …ec.europa.eu/citizenship/pdf/mstates_de.pdf · 2016. 10. 24. · 3 Inhalt 04 Die Eur opäische Union fördert

50

Innen_ 27-05.indd 50Innen_ 27-05.indd 50 27.05.2009 18:40:4427.05.2009 18:40:44

Page 51: Die Europäische Union fördert Geschichts- und Erinnerungsarbeit …ec.europa.eu/citizenship/pdf/mstates_de.pdf · 2016. 10. 24. · 3 Inhalt 04 Die Eur opäische Union fördert

Die Kontaktstelle »Europa für Bürgerinnen und Bürger«

Die Kontaktstelle EfBB ist die offi zielle nationale Kontaktstelle für

das Förderprogramm »Europa für Bürgerinnen und Bürger« der

Europäischen Union in Deutschland.

Wir informieren Städte, Gemeinden und Kreise, Vereine und Ver-

bände, Forschungsinstitute, Gewerkschaften, Gedenkstätten und

Archive und natürlich prinzipiell alle interessierten Bürgerinnen

und Bürger über das Programm »Europa für Bürgerinnen und Bür-

ger« (2007-2013).

Potenziellen Antragstellern helfen wir bei Fragen zur Konzeption

eines transnationalen Kooperationsprojekts, bei Detailfragen zum

Antrag, den Dokumenten und Formularen.

Die Kontaktstelle Deutschland »Europa für Bürgerinnen und

Bürger« bei der Kulturpolitischen Gesellschaft e.V. wird gefördert

durch die Europäische Union aus dem Programm »Europa für

Bürgerinnen und Bürger« sowie vom Bundesministerium für

Familie, Senioren, Frauen und Jugend aufgrund eines Beschlusses

des Deutschen Bundestages.

Kontaktstelle Deutschland

»Europa für Bürgerinnen und Bürger«

bei der Kulturpolitischen Gesellschaft e.V.

Weberstraße 59a

D-53113 Bonn

Internet: www.kontaktstelle-efbb.de

E-Mail: [email protected]

Endlayout_Umschlag.indd 5Endlayout_Umschlag.indd 5 27.05.2009 15:37:3727.05.2009 15:37:37

Page 52: Die Europäische Union fördert Geschichts- und Erinnerungsarbeit …ec.europa.eu/citizenship/pdf/mstates_de.pdf · 2016. 10. 24. · 3 Inhalt 04 Die Eur opäische Union fördert

Die Europäische Union ist nicht zuletzt

aufgrund der Erfahrungen des Zweiten

Weltkrieges gegründet worden, um den

Frieden zwischen den europäischen Völ-

kern zu sichern. Das EU-Förderprogramm

»Europa für Bürgerinnen und Bürger« un-

terstützt Veranstaltungen, Seminare, Aus-

stellungen, Geschichtspfade, Publikatio-

nen und vieles mehr, wenn sie geeignet

sind, den Menschen die europäischen

Grundwerte wie Demokratie, Rechts-

staatlichkeit und Achtung der Menschen-

rechte, die kulturelle Vielfalt Europas und

die gemeinsame europäische Geschichte

bewusst zu machen.

Diese Publikation konzentriert sich auf

Aktion 4 »Aktive europäische Erinne-

rung« dieses EU-Programms, die histo-

rische Stätten und Archive fi nanziell för-

dert, die sich mit Nationalsozialismus

und Stalinismus befassen und die Erin-

nerung an die Opfer wahren. Hier werden

Projekte vorgestellt, die in den Jahren

2004 bis 2009 mithilfe einer Förderung

durch die EU umgesetzt werden.

Endlayout_Umschlag.indd 2Endlayout_Umschlag.indd 2 27.05.2009 15:31:3427.05.2009 15:31:34