10
Archly fiir pathologische Anatomie und 1)hysiologie und ffir klinische Mediein. Bd. 135. (Dreizehnte Folge Bd. V.) tiff. 3. Xu Die geschichtliche Entwickelung der experi- mentellen Medicin 1) yon Dr. Friedrich Falk, weiland Drof. in Berlin. III. Mit Harvey war der bedeutsame Sehritt der Neubelebung experimenteller Forschung, zuvSrderst ffir physiologische Fragen, speciell im Gebiete der Lehre yon der Herz- und Blutbewegung, gethan. Den Widersachern der neuen Doktrin traten deren u theidiger entgegen. Von diesen erscheinen einige schon dutch die Darlegungen und Demonstrationen Harvey's iiberzeugt; an- dere glaubten doch, die eigene Untersuchung nicht entbehren zu diirfen. Aber auch diejenigen unter ihnen, welehe nicht, wie z.B. der die Bedeutung viviseetorischer Ermittelung scharf betonende Conring, doch im Wesentliehen nut die Harvey'- schen Experimente nachmaehten, sondern, darfiber hinaus, bemiiht waren, den Lehren des grossen Briten Ergi~nzung und in Einzelnem Berichtigung angedeihen zu lassen, -- auch diese ~ihneln den Aehrenlesern nach dem Sehnitter. Mit Uebergehung verdienstlicher Forseher, welehe aber dem Experimente in der Frage keine hervorragende Arbeitskraft gewidmet haben, erhei- ~) Yore Verfasser kurz vor seinem Tode~ unter dem 3. October 1893~ ein- geliefert. D. Red. Arehiv f. pathoL Anat. Bd. 135. tilt. 3. 25

Die geschichtliche Entwickelung der experimentellen Medicin

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Die geschichtliche Entwickelung der experimentellen Medicin

A r c h l y fiir

pathologische Anatomie und 1)hysiologie und ffir

klinische Mediein. Bd. 135. (Dreizehnte Folge Bd. V.) tiff. 3.

Xu

Die geschichtliche Entwickelung der experi- mentellen Medicin 1)

yon Dr. F r i e d r i c h F a l k , weiland Drof. in Berlin.

III.

Mit Harvey war der bedeutsame Sehritt der Neubelebung experimenteller Forschung, zuvSrderst ffir physiologische Fragen, speciell im Gebiete der Lehre yon der Herz- und Blutbewegung, gethan. Den Widersachern der neuen Doktrin traten deren u theidiger entgegen. Von diesen erscheinen einige schon dutch die Darlegungen und Demonstrationen Harvey's iiberzeugt; an- dere glaubten doch, die eigene Untersuchung nicht entbehren zu diirfen. Aber auch diejenigen unter ihnen, welehe nicht, wie z .B . der die Bedeutung viviseetorischer Ermittelung scharf betonende Conring, doch im Wesentliehen nut die Harvey ' - schen Experimente nachmaehten, sondern, darfiber hinaus, bemiiht waren, den Lehren des grossen Briten Ergi~nzung und in Einzelnem Berichtigung angedeihen zu lassen, - - auch diese ~ihneln den Aehrenlesern nach dem Sehnitter. Mit Uebergehung verdienstlicher Forseher, welehe aber dem Experimente in der Frage keine hervorragende Arbeitskraft gewidmet haben, erhei-

~) Yore Verfasser kurz vor seinem Tode~ unter dem 3. October 1893~ ein- geliefert. D. Red.

Arehiv f. pathoL Anat. Bd. 135. tilt. 3. 2 5

Page 2: Die geschichtliche Entwickelung der experimentellen Medicin

360

schen mehr noch, als Conring, van Horne, l%lf ink, auch ffir dies Gebiet F. de le Bo~ Sylvius und andere nicht erst ausdrficklich genannt% wegen ihrer eigenen Exper imente vor allen Descar tes , dann der schon frfiher als Harvey's Gef/~hrte yon uns erw~hnte Walaeus , ferner Pecque t , und schliesslich Thomas Bar tho l inus besondere Berficksichtigung.

Descar tes trat in einem~ an einen (anonymen)LSwener Arzt, der auf Grand einiger (Unterbindungs- und Durchschnei- dungs-) Versuche schfiehterne Bedenken gegen H a r v e y ' s Lehre vorgebracht hatte, gerichteten Schreiben als eifriger, aber selb- stiindiger KKmpe ffir letztere auf. Auch er h~lt sich zun~chst an die Betrachtung der Bewegungen des aus dem KSrper ent- fernten (namentlieh Fisch-) tterzens~ geht dann abet auch an den lebenden Thier-K~rper heran. So wird z. B. (auch an Kanin- chen) nach ErSffnung des Thorax die Aorta nahe dem Herzen unterbunden, yon der Umgebung ganz abgelfst und dann zwi- schen Ligatur and Herz angeschnitten. Ferner wird das Herz yon der Herzspitze an partikelweise angeschnitten und dann mit dem Finger in die HerzhShlen eingegangen , urn fiber die Consistenz- und Volumens-Ver/~nderung bei Systole und Diastole in's Klare zu kommen. Descar tes warnt hier davor, sich nicht, wie Har- vey, durch die blosse Inspection des (Hunde-) Herzens t~uschen zu lassen, indem dessert Windungen (anfi'actus) durch den Blut- strom eine Dehnung erleiden, was nut durch die Palpation riehtig gestellt werden kSnne.

W~hrend Harvey die Anschauung verfochten hatte, dass die Arterien sich contrahiren, wenn die Herzkammern dilatirt werden, and umgekehrt, spricht sich Descar tes im Sinne gleich- zeitiger Volumens-Ver~nderungen an Herz and Schlagadern aus.

In ausgedehnterem Grade ist abet Wals (Joh. de Wale 1604--1649) bemfiht, in seiner kurzen Forseherbahn dutch con- trolirende und Liicken ausffillende Experimente die neue Kreis- laufs-Lehre zu fSrdern. Dieselben setzen technische Gewandtheit und tfichtige Persistenz voraus~ and thatsKchlich nennt Walaeus in einem Briefe an Bar tho l inus eine Anzahl wackerer Mitar- beiter und Zeugen der Versuche. Auch bei ibm handelt es sieh, begreiflicherweise, vornehmlich um Unterbindungen von Gef~ssstSommen in Hals~ Brust (an den Stellen der Klappen~

Page 3: Die geschichtliche Entwickelung der experimentellen Medicin

361

sowie anderw~irts) und Unterleib bis zu den Leistenbeugen, um zun~ichst das Zusammenfallen des Lumens ober-, bezw. unterhalb der Ligatur zu verfolgen. An die Unterbindungen schliesst sich aueh bei Walaeus die Ansteehung des Gefiissrohres zwischen Ligatur und Herz oder jenseits der Unterbindung an, wobei auf Ausbleiben oder Eintritt yon H~morrhagien geachtet wird. Fer- net werden Herzvorkammern und -Kammern angesehnitten; um die Contractionsenergie der Herzventrikel und die Art des Ein- strSmens yon Blur in die Atrien und aus diesen in die Kammern zu erforsehen~ wird das Herz das eine Mal an Hunden, die in aufreehter~ das andere Mal an solehen, die in wagerechter Lage fixirt sind, angestochen. Ausser Hunden verwendet Walaeus namentlieh Kaninehen, warnt aber vor Artefaetis, die an den Herzkammern intravitale Vorkommnisse vort~uschen k5nnen.

An G~nsen und Hfihnern unterbindet Walaeus z. B. die Jugularvenen. Besonders eingehend beschs er sich nehmlich aueh mit u festen und loekeren, mit darauf folgen- der Durehtrennung; dies namentlich, um den Gang der Heilung yon Venenwunden zu ergrfinden. Er empfiehlt die quere Durch- schneidung b]utender Venen, macht auch auf die Bedeutung der Anastomosen, namentlich an den Blutadern, fiir Vorgi~nge nach traumatiseher Seh~digung oder experimenteller Ligatur auf- merksam.

Fiir die einfaehe Beobaehtung am Herzen empfiehlt auch Walaeus das der Fisehe~ an welchem er fieissig Inspection und Palpation fibt; da nimmt er auch wahr, dass die Contractionen der VorhSfe denen der Kammern voraufgehen. Er verfolgt ge- nau den Rhythmus des pulsirenden Herzens und weist auf das Flattern des absterbenden Herzens~), vergleiehbar den postmor- talen Zuckungen willkiirlieher Muskeln, hin.

Das Galenische Experiment der Entfernung eines Stiickes der Arterienwand und Ersetzung derselben dureh eine eingeffihrte starre RShre, dessen yon Harvey behauptete (technisehe) Unm5glieh-

1) Die MSglichkeit, zum Stillstand gekommene tterzth~tigkeit noch 1 Stunde nach dem Tode, u. A. dutch centripetale Lufteinb]asung (yore Duct. thorac, aus), wieder anzufachen, haben dann Harder , P eye r (Exer- citatio anatomica et medica XLIII)~ Wepfer (Cicutae aquaticae historia et noxa, qu. VIII. p. 89) und B r u n n e r dargetban.

25*

Page 4: Die geschichtliche Entwickelung der experimentellen Medicin

362

keit Descar tes nicht mochte gelten lassen, weist Walaeus sogar dutch die Annahme eines verstiimmelten Textes im Ori- ginale zuriiek, da die Thiere alsbald in Folge der Blutung oder (quod mirum!) an Kr~mpfen zu Grunde gehen. (Allem An- schein nach diirfte dem Pergamener die Ucberlegenheit der Kunstfertigkeit zuzumessen sein.)

In Anbetraeht der gleichzeitigen Pulsation aller KSrperarterien vindicirt Walaeus den Schlagadern cine selbst~indige Dilatations- kraft. Dem ~hnliche Versuehe, namentlieh yon Unterbindung grosset hrterien- uud u mit deren eonsecutiven Durehschneidung jenseits der Ligaturen, unternahm auch P e c q u e t an verschiedenen KSrperstellen; u. a. unterbindet auch er die Pulmonalgefi~ssstiimme (wobei ihm die forensische Bedeutung des Lungenbefundes bei Neugebornen ersiehtlieh wird). Die Venae jugulares unterbindet auch er bei G~nsen, da der Hals der Hunde zu kurz sei; dafiir w~hlt er mit Vorliebe letztere Thierklasse~ wenn er die Vena cava unterbindet, dies nicht blos um die Art des Blutumlaufes in dem Gefi~sse selbst zu beobaehten, sondern auch um dem Leberkreislauf zu erforschen. Er gesellt hierzu die Ligatur der Pfortader und ihrer Wurzeln, tier Venae mesentericae~ der Vena spleniea und der Venae gastric, super. (vasa brevia).

Alle diese Versuche dienten eben nut dazu, Harvey ' s Kreislaufslehre abzurunden. Aber schon Pecque t ' s Name weist auf den angio-physiologischen Zuwachs hin, welchen die Eut- deekung, bezw. Neufindung 1) der Chylusgefi~sse braehte. Deren Auffindung durch Asell i begegnete vivisectoriseher Erg~nzung durch de le Bo~, Walaeus und Peequet , welcher letztere bekanntlieh aueh den Milchbrustgang entdeekt ~) hat. In recht erheblichem Umfangc unternahm der riihrige Walaeus Unter- bindungen der Mesenterial-Chylusgefi~sssti~mme, um die Filtrirung yon Chylus aus dem Darme klar zu legen. Die ,,Magen- und die Mesenterialvenen nehmen nicht den Chylus auf, denn wenn man die Pfortader unterbindet, so hat dies keinen Einfluss auf den

1) Vergl. Finlayson~ Herophilus and Erasistratus. Glasgow 1893. 3) Eigentlich hatte ihn Bartholomaeus Eustachio zuerst beschrieben,

vergl. Wharton, De glandulis oesophago annexis.

Page 5: Die geschichtliche Entwickelung der experimentellen Medicin

363

Fiillungsgrad jener Vasa lactea"; des Pfortadergebiet ist lediglieh fiir den Blutumlauf bestimmt.

P e e q u e t maehte eingreifende Verletzungen: ErSffnung der Brust, der UnterleibshShle, Unterbindung der Milehgef~sso im Thorax, Exstirpation der Leber, Ansteehung der Pfortader, um die Chylusgefgsse zu Gesieht zu bekommen und Lieht in ihre Beziehungen zu den grossen Unterleibsorganen zu bringen. Zum Zwecke der Demonstration abdominaler Chylusgef//sse und ihrer Fortsetzungen zur Brust und zur unteren KSrperhi~lfte wird dann schliesslich noch veto Zwerehfelle etwas abgetragen, was freilich nicht sowohl Experimentiren als Disseciren darstellt, um so mehr als gar nicht deutlieh erw~hnt ist, ob etwa d iese operativen Encheiresen fiberhaupt am lebenden Thiere in Angriff genommen wurden. Derartiges ,,Demonstrations"-Material scheinen hierf/ir 5fters auch menschliche Leichen und zwar in fr/ihesten Stadien postmortaler Zeit abgegeben zu haben. Hierfiir kamen nament- lich die Opfer seharfrichterlieher Arbeit den medicinisehen For- sehern, wie z. B. de le Bo~, zu Gute.

Dann hat R u d b e e k seine Entdeckung der Lymphgefitsse mit demonstrirenden Experimenten an Hunden begleitet, um aber die Auffindung des Duetus thoracicus za ermSgliehen und zu erleichtern, auch an Wiederki~uern, Einhufern und Dickhi~utern geforseht. Die Beziehungen der abdominalen Lymphgeffisse zu den Gekr5s- und anderen Dr/isen hat dann auch W h a r t o n ~) experimentell, dutch Unterbindungen, klar zu stellen sich be- mfiht. Schliesslich hat T h o m a s B a r t h o l i n u s das gesammte experimentelle Material zur Lehre yon der Blur- und Lymph- str5mung, kritiseh eontrolirend, nachpriifend und vervollstiindigend, gesiehtet und wesentlich zu einer solehen Festigung dieses Theiles der Biologie beigetragen, dass yon irgend einem Ansturm gegen Harvey ' sche Doctrin nicht mehr die Rede sein konnte~).

Besondere experimentelle Arbeit wurde, neben und nach Aufkli~rung des Verlaufes der Chylusgefi/sse, nur deren physiolo-

1) hffectus glandularum mesenterii. XI. 3) Lancisi hat dann noch mit besonderer Sorgfalt die Reihenfolge in

den Contractionen der einzelnen tterz- und Gef~ssabschnitte, sowie die V0rg~nge nach Arterion-Unterbindungen vivisectorisch erforscht (de, aneurysmatibus).

Page 6: Die geschichtliche Entwickelung der experimentellen Medicin

364

gisehen Bedeutung als Yehikel der N~hrstoffe und namentlieh dem Eindringen der letzteren in die Lymphbahn zugewendet. Es galt, die Annahme zu bek~mpfen~ dass den Chylusbahnen offene M~iudungen in der Magen- oder Darmwand zukommen. Hier sind zwei englische Forscher hervorzuheben, Glisson, der iiberhaupt, als Anatom wie als Patholog% den Vorg~ngen der Ern~hrung sein wissensehaftliches Interesse mit Vofliebe zu- wandte, und Lewer. Ersterer blies Thieren Luft durch Magen und Darm ein und sah dieselbe nicht in die Chylusgef~sse vordringen; Klappen in letzteren seien nieht die Ursaehe, dass die N~ihrstoffe in den Chylusstrom gelangen kSnnen, dazu diene das Gewebe (parenchyma) als Filter (colatorium).

Desgleichen hat Lower an einem ges~ttigten Thiere das Jejunum~ woes in das Ileum iibergeht, lest unterbunden uud Luft durch den Pylorus eingeblasen, dann auch diesen constringirt und nun das mit Luft erffillte Darmstfick mit den Hs zu- sammengedrfickt in tier Hoffnung, class nun der Chylus in das Receptaculum gedr~ngt werden wiirde; dies erfolgte aber nicht~ und eben so wenig, wenn Lower~ anstatt Luft, mit Tinte ge- f~rbten Alkohol dutch den Pylorus infundirte. Lower verwirft deshalb ebenfalls die Aunahm% dass offene Thore (Hiatus) in der Darmwand den Chylus direct aufnehmenl); er glaubt, dass die Chylusgefiisse schr~ig in letzterer verlaufen~ wie der Gallen- und der pankreatische Gang in~s Duodenum, die Ureteren in die Blase mfinden: je st~irker der Druck yon Seiten des Inhaltes wird, desto enger schliessen sich die Ostien. Die Peristaltik ermSglieht es~ dass der Chylus in die Gef~sse hineingepresst wird, verdiinnt dureh Darms~fte, wozu weitere Verdiinnungen und Vermischungen in den Mesenterial- und den Brustlymphdrfisen hinzukommen.

Wie an den Anfs so hat Lower aueh in Betreff der Endstationen des Lymphdrfisenlaufes experimentell geforseht. Um darzuthun, wie anderen Bahnen, als dem Duct. thorae., der Chylus seh]iesslich nicht zustrSmt, hat er das Receptaeulum chyli, sowie Lymphst~mme des Thorax zerrissen, so dass die Lymphe in die BrusthShle floss: obwohl Magen und Darm mit Speisebrei ge-

l) Ffir VSgel glaubte Peyer eine offene Communication yon Darmrohr und Mesenterialvenen experimentell festgestellt zu haben. Exercitatio anatomico-medica de glandulis intestinorum. 1677. p. 54.

Page 7: Die geschichtliche Entwickelung der experimentellen Medicin

365

ffillt waren, erlag das Thier doch bald der tSdtlichen Entkr~t- tung. Von den Um~nderungen, welehe der Urquell des Chyhs, die Nahrungsmittel, im Verdauungskanale erfahren, fesselte die Experimentatoren vorwiegend die S~uerung im Magen. Helmont~ tier bereits einen fermentativen Vorgang im Magen voraussetzt% hatte die Milz fiir die Bildungsst~tte der S~ure bildenden Substanz erkl~irt. Hiergegen wandte sich das Experi- ment. Glisson erkl~rte den Magen selbst als die Bildangs- st~itte des Verdauungsfermentes (quo eoetio perfieitur), das er auch naeh Exstirpation der Milz seine Wirkung entfalten sah. MilzausschMtung wurde in i~hnlicher Tendenz von Malpighi , nach dessen Vorbilde aueh yon Bohn unternommen. Malpighi verfuhr ~) zun~chst in der Art, dass er an einem jungen Hunde eine Wunde in der linken Regio hypoehondriaca maehte, die zum Vorfall der Milz ffihrte; dann wurden die Gefs an dem Hilus (porta) unterbunden, die Milz reponirt~ Muskeln nnd Peri- toni~um zusammengeni~ht~ die flaut lose vereinigt. Das Thief genas bald. Es erschien etwas gefriissiger, h~ufig weinend, sonst abet wie andere Hunde. Nach Woehen wurde (unter Beistand yon Fraeassa t i und Buonfigl iol i ) die Section gemaeht: die Milz erschien klein, die Leber etwas vergrSssert.

Malpighi verhehlt sich hierbei nicht das unbefriedigende, meist negative Ergebniss seines Versuches in Bezug auf die Function der Milz. Auch die blosse Unterbindung der Vasa gastro-lienalia konnte ihn nicht aufki~iren. Da es fiir die speci- fisehe Driisen-, d.h. aus dem Blute iiltrirende Th~tigkeit der Milz wesentlich auf die Milzarterie, kaum auf die Nerven an- kommt, so hat er die Milz-Schlagader an einem ]ebenden Sehafe unterbunden, die Nerven geschont und in die Milzvene eine Glas- r5hre eingeffigt, die mit einem Recipienten in Verbindung stand: er land dann aber weder im l~ecipienten, noch in der stagni- renden Milz serSse oder i~hnliehe ,,Flfissigkeit '~. Malpighi kniipfte hieran eine (,sehfichterne '~) chemische Untersuchung tier Milzfasern und des Milzblutes.

Ersehien danach den Experimentatoren, zu denen sieh sp~ter aueh Baglivi gesellte, die Milz ffir die Verdauung yon keiner

1) De liene, p. 114.

Page 8: Die geschichtliche Entwickelung der experimentellen Medicin

366

directen Bedeutung, so konnte ihnen die Wichtigkeit anderer Drfisen flit die Umwandlung- und sei es naeh den damals zu Gebote stehenden Methoden wesentlieh nur meehanisehe Um- wandlung, Verdiiunungl) _ der Ingesta gross genug erscheinen, um zu Experimenten einzuladen. Nuck unterwarf die Speichel- dr~isen3) dem Versuehe. Er uuterband bei Hunden die Jugular- venen bis zur Undurchg~ngigkeit und beobaehtete, dass nicht nut die Thr~nen, sondern auch der Speiehel in erheblieher Menge~ dem ,,mercuriellen Ptyalismus" ~hnlieh, abflossen. Unter- band Nuek die Driisenarterien, dann stockte die Absonderung fast ganz; wurden zur Speicheldrfise laufende Nerven unterbunden oder quer durchsehnitten, dann wurde die Absonderung lang- samer, tr~ger. Wil l is und Bohn wollten auch wahrnehmen, dass dutch Unterbindung der Nerv. recurrent. Salivation hervor- gerufen werde 3).

Ferner dampfte Nuok Speiehel ein und behande|te den Abdampfriiekstand mit Reagentien, wie Antimon-Butter, Spir. nitr. u. a., er hat abet danach wesentliche Ver~nderungen nicht gesehen. Er unterband ferner einmal den ,oberen Speichel- gang", ein anderes Mal den unteren, und fand dann die aus dem Munde fiiessenden Secrete yon gleicher Beschaffenheit. - -

Vielseitigere Aufmerksamkeit wandten die Aerzte der Leber and deren Secrete zu. Freilich zogen hervorragende, wie M al- pighi, ihre Schlfisse bezfiglich der Leber-, bezw. Gallenfunction gem aus klinischen und pathologisch-anatomischen Beobachtungen. Doch auch das Experiment ging nicht leer aus. Schon Bils 4) hatte am lebenden Hunde die Art. coeliac, and die Mesenterial- adern unterbunden~ die Haut zugen~iht, nach ffinf Stunden wieder aufgetrennt~ and wollte nun die Arterie in der Leber leer, die Venen im Gebiete der Pfortader mit einem dunkelgrauen Safte (subobdenso et cinereo) geffillt gefunden haben, als dessert tter- kunftsst~itte er Magen and Darm betrachtete. [Glisson 5) hat

1) Vergleiehend-physiologische Untersuchungen fiber ~Iechanismus der Vet: dauung, speciell den Ruminationsprozess haben g a r d e r and P e y e r (Parerga anatomica) angestellt.

3) De sialographia. 3) De sanguine et sere. p. 172. 4) Cfr. M a l p i g h i , De hepate. 5) De functione eoctriee. XIX.

Page 9: Die geschichtliche Entwickelung der experimentellen Medicin

367

dies Experiment ergebnisslos angestellt, erkl~rt dies aber durch seine senile Hand- und Augenschw~che.] De le Bog, der sich ebenfalls an die chemische Analyse yon DrfisensMten heranwagte, und Malp igh i haben, um den Ursprung und Lauf der Galle zu ergrfinden, namentlich auch an jungen Katzen~ Unterbindungen yon Galleng~ngen ohne oder mit ErSffnung der Gallenblase vor- genommen: ersterer sah~ dass nach Ligatur des Duct. cystic, die Gallenabscheidung nicht gehindert wurde. Ganz besonders er- wiihnt abet Malp igh i 1) einen Versuch, wo er die Art. hepat, nahe der Art. coeliac, unterband, die Gallenblase exstirpirte und das Pankreas eliminirte. Es floss dann reiehlich Galle in's Duodenum. Der Hund lebte 1 Tag. Diese Galle war an Farbe, Geschmack und Geruch verschieden von normalem Leber-Secrete~ Die Leberarterie konnte danach nicht als Urquelle der Galle g e l t e n . - Die die Peristaltik befgrdernde Wirkung der Galle ermittelte B o h n 3). _

Aueh das Pankreas erweckte die Aufmerksamkeit der E x - perimentalforscher: Brunner machte mit ausffihrlich dargelegter Technik und Nachbehandlung4), mit und ohne gleichzeitige Milz- aussehaltung, vielfache Exstirpationen jenes Organs, riehtiger Entfernungen grSsster Theile desselben mit Abbindung des oder der Ausffihrungsg~nge, wonach ~hi~rtliche Atrophie" oder auch Abscedirung des Drfisenrestes eintrat.

Seine ausffihrlich mitgetheilten Protoeolle ergeben~ im Gegen- satze zu de le Bog's Ueberseh~tzung des Pankreas, dass das Leben der Thiere Monate lang ohne ernste StSrungen im Wohl- befinden his znr absichtlichen TSdtung durch Giftbeibringung oder auf anderem Wege erhalten bleiben konnte. Was sonst das Pankreas absonderte und der LSsung und Verdfinnung des Speise- breies (Chylus) diente , fiel anderen Organen, namentlich auch den Intestinaldrfisen, zu. Da dann auch die Magenverdauung gut vor sich ging, kann die Si~ure des Magens nicht vom Pan-

1) 1. c. p. 120; ibm schliesst sich Bohn an. 2) Chemische Analysen der Galle unternahmen Sylvius~ Pechlin~

Rivinus~ Baglivi. 3) Vivum philosophiae experimentalis exemplum. Experimenta nova circa

pancreas, p. 13. 4) De chyli depuratione et motu per intestina.

Page 10: Die geschichtliche Entwickelung der experimentellen Medicin

368

kreas stammen; sie ist ein Produkt der Magendriisen, die aus den Art. after, filtriren, unterstiitzt durch den Einfiuss der be- sonders zahlreichen Magennerven-Aeste:

Was andere Secretionen betrifft, so erweckten die der Haut und der Nieren den Forschertrieb~ an ersterer in ausgedehntem Grade die insensible Perspiration, welche von Sanctorius be- kanntlich eine, auf Selbstbeobachtung genauester Art, die lange Jahre fortgesetzt wurde, die Lungenausdfinstung aber nicht aus- schliessen konnte~ gegrfindete monographische Bearbeitung fand.

Nuck ffillte einem Thiere die UnterleibshShle mit einem ,,diuretischen Wasser" und sah dies Wasser nach 24 Stunden verschwunden, wie er meint, auf dem Wege der insensiblen Per- spiration; in die Periton~alhShle eingeblasene Luft sah er meh- rere Tage darin verweilen.

Ueber die Nierensecretion sind freilich keine methodisehen Experimental-Untersuchungen hier anzuffihren; gelegentliehe dies- beziigliche Angaben von Bohn, Lancisi u. A. erheischen hier keine besondere Wiedergabe 1); selbst Bellini , der die berfihmte anatomische Darstellung vom Ban der Nieren lieferte, hat sich nicht systematisch bemiiht, in den Mechanismus ihre Function durch Versuche die Leuchte hineinzutragen.

Jedenfalls sehen wit schon in obiger Skizze die Gelehrten des 17. Jahrhunderts rfistig das Feld tier experimentellen For- schung, und nut diese haben wir ja yon Beginn an in's Auge gefasst, ebnen. Wir haben bisher nut sich unmittelbar und in- direct an die Kreislaufslehre anschliessende Gebiete rasch durch- wandert; nebst gelegentlichen Erg~nzungen zu dem bisher Dar- gebrachten sollen uns andere Zweige normaler und pathologischer Biologie demn~chst besch~iftigen.

1) Vgl. Hits c h~ Geschichte der medicinischen Wissenschaften in Deutsch- land. S. 109.