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Die Gruft des Magnortöters

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Atlan - Der Held vonArkon

Nr. 225

Die Gruft desMagnortöters

Auf dem Planeten der Legenden -ein Kommando sucht Klinsanthor

von Clark Darlton

Das Große Imperium der Arkoniden kämpft um. seine nackte Existenz, denn esmuß sich sowohl äußerer als auch innerer Feinde erwehren. Die äußeren Feindesind die Maahks, deren Raumflotten den Streitkräften des Imperiums durch überra-schende Schläge schwere Verluste zufügen. Die inneren Feinde Arkons sind Habgierund Korruption der Herrschenden, die – allen voran Imperator Orbanaschol III. – nurauf ihren eigenen Vorteil bedacht sind und das Gemeinwohl völlig außer acht lassen.

Gegen diese inneren Feinde des Imperiums ist der junge Atlan, der rechtmäßigeThronerbe und Kristallprinz von Arkon, der eine stetig wachsende Schar von ver-schworenen Helfern um sich sammeln konnte, bereits mehrmals erfolgreich vorge-gangen. Selbst empfindliche Rückschläge oder unvorhersehbare Hindernisse entmu-tigen ihn nicht und hindern ihn und seine Helfer nicht daran, den Kampf gegen Orba-naschol, den Diktator und Usurpator, mit aller Energie fortzusetzen.

In diesem Kampf hat Atlan mit dem wiederbelebten Körper Gonozals, seines Va-ters, gegenwärtig eine neue Waffe gegen Orbanaschol, die bereits zweimal erfolg-reich zum Einsatz gelangte.

Aber auch der Imperator bleibt nicht untätig! Durch das Erscheinen seines für totgehaltenen Amtsvorgängers zutiefst beunruhigt, entschließt er sich zu einem folgen-schweren Schritt. Er schickt Expeditionen aus, um Klinsanthor, den sagenumwobe-nen Magnortöter, suchen und wecken zu lassen. Eine dieser Expeditionen findet tat-sächlich den Weg in DIE GRUFT DES MAGNORTÖTERS …

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Die Hautpersonen des Romans:Lenth Toschmol - Ein Wissenschaftler auf der Spur des Magnortöters.Arkanol und Karon - Toschmols Begleiter.Vanthor und Tarnar - Zwei Menschen erleben eine unheimliche Verwandlung.Zeranal, Zortain, Parerttok und Swann - Überlebende, der PROTALKH.Orbanaschol III. - Der Imperator beginnt den zu fürchten, den er gerufen hat.

1.

Die Flucht war gelungen – wenigstensschien es so.

Der Planet Loipos stand auf dem Heck-bildschirm der VALKARON und fiel weiterzurück – eine Welt, die an das Paradies erin-nerte und sich als Hölle entpuppt hatte.

Lenth Toschmol dachte mit Schaudern andie Ereignisse auf Loipos zurück, die demGroßteil der Besatzung des PROTALKHdas Leben gekostet hatten. Mit knapper Mü-he waren er und weitere sechsunddreißigÜberlebende dem Tod entronnen und hattenmit dem Beiboot VALKARON fliehen kön-nen.

Toschmol war Chefwissenschaftler derPROTALKH gewesen, Gegenspieler desnun toten Kommandanten Zenkoorten, dervon Imperator Orbanaschol III. den Auftragerhalten hatte, den sagenhaften MagnortöterKlinsanthor zu suchen und um Hilfe zu bit-ten.

Niemand wußte, wer oder was Klinsan-thor war. Er – oder es – existierte nur in al-ten und halb vergessenen Legenden, dienichts über den Aufenthaltsort des Fabelwe-sens aussagten.

Toschmol war Altertumsforscher. Erwollte Klinsanthor finden, um seinen Ehr-geiz zu befriedigen, und er war davon über-zeugt, daß ihn seine Unterlagen zu dem Ma-gnortöter führen würden.

Zenkoorten war ein Narr gewesen, denPlaneten Loipos für Klinsanthors Versteckzu halten. Er hatte seinen Starrsinn mit demLeben bezahlt – und mit dem Verlust desgroßen Schiffes.

Die erlöschende rote Sonne wurde abernicht nur von Loipos umkreist. Es gab noch

einen zweiten Planeten, oder doch zumin-dest einen Weltkörper, den man notfalls alssolchen bezeichnen konnte. Im gleichen Ab-stand wie Loipos umlief ein schwarzer undscheinbar lichtloser Lavabrocken die roteSonne, ebenso groß wie die so paradiesischanmutende Sauerstoffwelt, die sich als tödli-che Falle erwiesen hatte.

Toschmol war davon überzeugt, in demSchlackebrocken das gesuchte VersteckKlinsanthors gefunden zu haben, aber es gabniemand an Bord der VALKARON, der sei-ne Meinung geteilt hätte.

Aber auch das war für den ehrgeizigenForscher ohne jedes Interesse. Die dreißigMänner und sechs Frauen hatten ihm zu ge-horchen, ob sie wollten oder nicht. Seineprivaten Motive gingen sie nichts an. Waszählte, war der Auftrag des Imperators. Nie-mand hätte ihm nachzuweisen vermocht,daß er seine eigenen Ziele verfolgte, dennsie schienen mit diesem Auftrag identisch zusein.

Er wandte seine Aufmerksamkeit wiederdem frontalen Panoramaschirm zu. Vor demSchiff stand die rote Sonne, die langsam aufden Bildrand zuwanderte. Weit dahinter undnoch nicht sichtbar mußte der geheimnisvol-le dunkle Planet sein, auf dem zu landen To-schmol sich fest entschlossen hatte.

Ohne den Blick vom Schirm zu nehmen,sagte er zu der Arkonidin vor dem Navigati-onskomputer:

»Haben Sie den Sicherheitsabstand genauprogrammiert?«

Sie warf ihm einen kurzen und nichtssa-genden Blick zu.

»Die Sonne ist nicht besonders heiß, To-schmol. Wir können sie in geringer Entfer-nung passieren.« Sie zögerte einen Augen-blick, dann fuhr sie fort: »Bestehen Sie

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wirklich darauf, diesen Schlackebrocken an-zusteuern? Die Messungen haben ergeben,daß niemand dort existieren kann, auch dersagenhafte Magnortöter nicht – falls es ihnüberhaupt gibt.«

Er lehnte sich zurück und sah zu ihr hin-über.

»Sie also auch, Zeranal? Ich dachte im-mer, Sie wären dem Imperator treu erge-ben.«

»Was hat denn das damit zu tun? Habenwir nicht schon genug Männer und Frauenverloren? Dieses ganze Sonnensystem bringtuns noch alle um.«

Toschmol lächelte und strich sich durchdas rote, strähnige Haar, wobei ihm seineauffallend große und lange Nase sichtlich imWeg war.

»Ich hatte von Anfang an die Meinungvertreten, daß Klinsanthor nicht auf Loiposist, aber keiner wollte auf mich hören. DerDunkelplanet hingegen entspricht jenerWelt, auf der Klinsanthor schläft. Wir wer-den also hinfliegen und nachsehen …«

»Das werden wir nicht!«Lenth Toschmol blieb ganz ruhig sitzen

und rührte sich nicht, als er die Mündungdes Impulsstrahlers in seinem Rücken spür-te. Er hatte die Stimme sofort erkannt undwußte, daß der Techniker Parentok hinterihm stand, den Finger am Abzug der Waffe.

Er hatte Parentok von Anfang an nicht ge-traut. Es wäre besser gewesen, ihn auf Loi-pos zurückgelassen, doch dazu war es nunzu spät.

»Ich bin hier der Kommandant, Paren-tok!«

»Sie waren es, Toschmol. Sie wurden so-eben Ihres Postens enthoben. Ich bringe Siein Ihre Kabine und schließe Sie ein, dannändern wir den Kurs und machen, daß wirhier fortkommen.«

»Und wer will sich später vor dem Impe-rator verantworten? Haben Sie daran auchgedacht?«

Parentok ging um den Wissenschaftlerherum, die Waffe ständig auf ihn gerichtet.

»Wer sagt denn, daß wir das zu tun beab-

sichtigen? Es gibt genügend unbewohnteund unbekannte Planeten jenseits der Impe-riumsgrenzen, auf denen wir uns niederlas-sen können. Im übrigen wollen Sie mir dochnicht weiszumachen versuchen, daß Sie Or-banaschol so lieben, daß Sie Ihr Leben fürihn riskieren wollen.«

Toschmol begann einzusehen, daß er sei-ne Taktik ändern mußte.

»Solche Gedanken bestraft Orbanascholfür gewöhnlich mit dem Tode, Parentok,aber Sie haben schon recht: Ich liebe denImperator nicht besonders. Mir geht es umKlinsanthor und die Wahrheit darüber. Ichwar meinem Ziel noch nie so nahe wie jetzt.Wenn wir den Magnortöter dazu bewegenkönnen, nach Arkon zu gehen, wird uns Or-banaschol jeden Wunsch gewähren. Wirwerden das Imperium verlassen können, oh-ne eine Verfolgung befürchten zu müssen.Wir werden frei und reich sein, unermeßlichreich, Parentok!«

»Reichtum ist für Tote wertlos, To-schmol. Wir haben unseren Entschluß ge-faßt.« Er sagte zu der Navigatorin, ohne siedabei anzusehen: »Zeranal, programmierenSie eine Transition, die uns ein paar Licht-jahre weiterbringt. Ich bringe Toschmol inseine Kabine.«

Er winkte mit der Waffe. Der Wissen-schaftler erhob sich langsam und blieb dannein wenig gebeugt stehen, so als fürchte er,mit dem Kopf gegen die Decke der Kon-trollzentrale zu stoßen.

»Eine Transition innerhalb des Systemswäre glatter Selbstmord«, gab er zu beden-ken. »Sie wissen so gut wie ich, daß derschwarze Planet Energiefelder verbreitet,deren Natur uns nicht bekannt ist. Ihre Aus-wirkungen waren selbst auf Loipos zu spü-ren und …«

»Das eben ist der Grund, warum wir soschnell wie möglich hier weg wollen. GehenSie schon! Sie halten uns nur auf.«

»Was haben Sie mit mir vor?«»Nichts! Wenn alles vorüber ist, können

Sie sich wieder frei im Schiff bewegen. Wirhaben Ihnen einiges zu verdanken, das ver-

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gessen wir nicht.«Wenn Toschmol insgeheim gehofft hatte,

jemand würde ihm jetzt beistehen, so sah ersich getäuscht. Auf dem Weg zur Kabine be-gegnete er nur finsteren Gesichtern. Ohneweiteren Kommentar schloß Parentok dieTür hinter ihm und verriegelte sie mit demPositronenschloß. Niemand außer ihm wür-de sie öffnen können.

Toschmol behielt seine Ruhe, auch als erallein war. Er nahm seine Unterlagen undstudierte die vagen Hinweise über den Ma-gnortöter, der einmal die gefährlichste Waf-fe des arkonidischen Imperiums gewesensein sollte.

Von einem zerklüfteten und leblosen Pla-neten war die Rede, von einer unwirklichanmutenden Welt mit unterirdischen Grüftenund Meeren. Auch eine sterbende Sonnewurde erwähnt, von der die Sage berichtete,daß sie zusammen mit dem Leben Klinsan-thors erlöschen würde.

Noch einmal las Lenth Toschmol die ge-heimnisvollen Verse, welche aus einer arko-nidischen Legende stammten:

In den Grüften und Meeren der Unweltträumt Klinsanthor, der Magnortöter.Weckt ihn und ruft ihn, aber achtetdarauf, daß sein schrecklicherSchatten nicht auf euch fällt …In einigen älteren Fassungen der Legende

blieb der Text zwar gleich, nur hatte dort dieerwähnte »Unwelt« einen Namen. Sie wurde»Die Skärgoth« genannt.

Toschmol legte die Aufzeichnungen aufden Tisch und setzte sich wieder. Er schalte-te den Interkomschirm ein, um verfolgen zukönnen, was in der Kommandozentrale ge-schah. Parentok war zurückgekehrt und hattesich in den Sessel vor die Kontrollen gesetzt.Zeranal teilte ihm mit, daß sie Kurs undTransition programmiert hatte.

Nur der linke Rand des Panoramaschirmswar zu sehen, und auf ihm erschien geradeder gewaltige Schlackebrocken. Gleichzeitigbegannen die Anzeigeinstrumente verrücktzu spielen. Das mußten die geheimnisvollenEnergiefelder sein, die den Dunkelplaneten

umgaben.»Es ist die Skärgoth, kein Zweifel!« mur-

melte Toschmol in verbissener Wut in sichhinein. »Die Legende hat nicht gelogen. Ichhabe Klinsanthor gefunden, und diese ver-dammten Narren hindern mich daran, ihnaufzusuchen. Warum sollte ich mich vor sei-nem Schatten fürchten?«

Ihm kam der Gedanke, daß mit dem»schrecklichen Schatten« die Energiefeldergemeint sein konnten, die der PROTALKHzum Verderben wurden.

Weitere Besatzungsmitglieder kamen indie Kommandozentrale, um sich nach demStand der Dinge zu erkundigen. Parentokteilte ihnen mit, daß die Transition baldstattfinden würde und bat sie, sich in die Ka-binen zurückzuziehen und auf die Betten zulegen. Der Entzerrungsschmerz würde stär-ker als gewöhnlich sein, vermutete er nichtzu unrecht.

»Ihr seid verrückt!« schimpfte Toschmol,aber niemand konnte ihn hören, da er nurauf Empfang geschaltet hatte. »Eine Transi-tion innerhalb des Systems ist Wahnsinn…!«

Voller Faszination starrte er auf das kleineStück Bildschirm, das von ParentoksRücken nicht verdeckt wurde. »Sein« PlanetSkärgoth war bereits halb zu sehen, aber dieVergrößerung war schlecht und zu gering.Einzelheiten waren nicht zu erkennen. Im-merhin wurde klar, daß die Form unregel-mäßig und keineswegs rund war, wie man esvon einem Planeten erwarten durfte. DieOberfläche reflektierte nur wenig Licht, wasauf drei Faktoren zurückzuführen war: dierote Sonne strahlte kaum noch, außerdemstand sie viel zu seitlich, und drittens wardie Albedo von Skärgoth bemerkenswert ge-ring.

Die Messungen waren richtig gewesen.Der Brocken schien tatsächlich nur aus er-kalteter Lava und Schlacke zu bestehen. Daßseine Bahn mit der von Loipos identischwar, mochte reiner Zufall sein. Aber viel-leicht hatte Klinsanthor da auch nachgehol-fen …

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Toschmol war so in den Anblick derSkärgoth vertieft, daß er die bevorstehendeTransition vergaß. Erst im letzten Augen-blick, als Parentok und Zeranal den Vorgangeinleiteten, wurde er sich der Gefahr be-wußt, in der er sich befand. Hastig warf ersich auf sein Bett und entspannte die Mus-keln. Keine Sekunde zu früh, denn im glei-chen Augenblick setzte der erwartete Ent-zerrungsschmerz ein.

Er begriff sofort, daß seine Ahnung sichbewahrheitet hatte. Das war kein gewöhnli-cher Entstofflichungsprozeß, der denSchmerz verursachte, und es fand auch kei-ne normale Transition über viele Lichtjahrehinweg statt. Das Bild auf dem Panorama-schirm in der Kommandozentrale verändertesich nicht. Auch die Konturen von ParentoksRücken blieben, wenn es auch einen Augen-blick so schien, als wollten sie verschwim-men und unsichtbar werden.

Langsam richtete Toschmol sich wiederauf. Es wurde ihm klar, daß die Transitionmißlungen war. Auch Parentok schien nunendlich zu begreifen, daß seine Absichtendurchkreuzt worden waren. Mit gespielterRuhe nahm er die Schadensmeldungen ausallen Sektoren des Schiffes entgegen und be-fahl eine Kursänderung.

Zeranal wirkte wesentlich hilfloser.»Die Transition wurde durch äußeren Ein-

fluß abgebrochen«, meinte sie aufgeregt.»Verstehen Sie, Parentok? Sie wurde regel-recht verhindert! Das können nicht nur Ener-giefelder sein!«

»Was denn sonst?«»Klinsanthor vielleicht«, flüsterte sie

scheu.Toschmol registrierte befriedigt, daß Pa-

rentok erschrak. Obwohl ihm selbst auchnicht wohl in seiner Haut war, freute er sichüber die Niederlage seiner Gegner, die nichtauf ihn hören wollten. Mit der Kursänderungwürden sie auch nicht weit kommen, hoffteer.

Jene Arkoniden, die sich zuerst von ihremSchreck erholt hatten, stürmten in die Kom-mandozentrale. Einige von ihnen verlangten,

man solle Toschmol wieder freilassen, wasvon Parentok jedoch schroff abgelehnt wur-de.

»Wir versuchen, mit Hilfe des Impul-striebwerks dem Einfluß des dunklen Plane-ten zu entkommen. Wenn die Energiefelderschon die Transition stören, so können sieden Triebwerken nichtstanhaben.«

Er sprach mit einer solchen Überzeugung,daß sich die Leute beruhigten. Außerdemtrug er noch immer seine Energiewaffe imGürtel. Toschmol war davon überzeugt, daßer die Meuterei angezettelt hatte.

Die lichtschnellen Impulstriebwerkesprangen einwandfrei an, aber der von ihnenerzeugte Schub kam nicht zur Geltung. EineKursänderung war unmöglich, und wenigspäter hatte Parentok das Gefühl, in einemferngelenkten Schiff zu sitzen, das seinenBefehlen nicht mehr gehorchte.

Die VALKARON flog mit unverminder-ter Geschwindigkeit weiter und wurde we-der langsamer noch schneller. Ihr Bug zeigtegenau auf den Lavaplaneten, der inzwischenbedrohlich nähergerückt war. Die Einzelhei-ten der in schwaches Dämmerlicht getauch-ten Oberfläche wurden immer deutlichersichtbar.

»Wir holen jetzt Toschmol!« sagte einerder Männer und verließ die Zentrale, ehe Pa-rentok ihn zurückhalten konnte.

Toschmol schaltete den Interkom ab undstreckte sich auf dem Bett aus, um seine Be-freier zu erwarten. Er war gespannt, wie sieohne Kode das positronische Schloß öffnenwollten. Es dauerte auch nicht lange, bis eres erfuhr. Die Leute setzten Impulsstrahlerein und zerstörten es einfach.

Er sah ihnen gelassen entgegen.»Nun?« erkundigte er sich seelenruhig.Die Männer wirkten verlegen.»Parentok hat uns nicht erlaubt, Sie zu ho-

len, aber wir glauben, daß nur Sie uns helfenkönnen. Wir stürzen auf den Dunkelplanetenzu. Was sollen wir tun?«

Toschmol erhob sich langsam. Er deuteteauf ihre Waffen.

»Zwingt Parentok, die Zentrale zu verlas-

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sen. Er ist verrückt geworden. Wie kann ersich dem Willen Klinsanthors widersetzen?Wir werden auf der Skärgoth landen.«

Sie sahen ihn verständnislos an, bis ihmeinfiel, daß ihnen der Name des Planeten un-bekannt war.

»Skärgoth ist das Versteck des Magnortö-ters«, erklärte er den bestürzten Arkoniden.»Er erwartet uns.«

Die Mitteilung wirkte nicht gerade beru-higend auf die Männer, aber sie sahen wohlein, daß eine Landung noch immer besserwar als ein Absturz. Zumindest mußte ver-sucht werden, den beginnenden Fall derVALKARON abzubremsen.

Als Toschmol die Kommandozentrale be-trat, wußte er hinter sich ein paar Arkonidenmit feuerbereiten Waffen. Parentok schwangin seinem Sessel herum. Seine Hand fuhrzum Griff des Strahlers, aber er zog ihnnicht aus dem Gürtel.

»Was soll der Unsinn?« fragte er wütend.»Glauben Sie vielleicht, gegen diese Natur-gewalten ankämpfen zu können? Ich binTechniker und verstehe mehr von Navigati-on als Sie, Toschmol. Verschwinden Sie!«

»Verlassen Sie den Platz vor den Kontrol-len!« forderte der Wissenschaftler ihn aufund ging furchtlos auf ihn zu. »Zeranal, lei-ten Sie ein Landemanöver ein und geben SieBremsschub.«

Parentok stand zögernd auf, als er von sei-nen Leuten keine Unterstützung erfuhr. Erwußte, wann er verloren hatte.

»Na schön, dann versuchen Sie es doch!«knurrte er hilflos vor Zorn und Enttäu-schung. »In einer halben Stunde zerschellenwir auf der Oberfläche dieses Lavabrockens,wenn Sie kein Zauberer sind.«

»Wir werden sehen«, gab Toschmol zu-rück und setzte sich. Ein Blick auf die Kon-trollinstrumente zeigte ihm, daß alle funktio-nierten, wenn einige von ihnen auch unmög-liche Werte anzeigten. »Wie weit sind Sie,Zeranal?«

»Fertig!«»Gut, dann einschalten!«Atemlos warteten sie auf das Ergebnis.

Toschmol bemerkte, daß sich die Skärgothauf dem Bildschirm verschob. Der Planetwanderte in die Mitte der großen Scheibeund kam so in Landeposition. Die Flugge-schwindigkeit der VALKARON verringertesich.

Parentok schien die Meuterei vergessenzu haben.

»Wie ist das möglich?« fragte er ungläu-big. »Der Bremsschub ist viel geringer alsjener der Impulstriebwerke.«

Toschmol war nicht nachtragend.»Auf dem Planeten dort gibt es Dinge, die

wir uns mit logischem Denken allein nichterklären können. Man muß die alten Legen-den heranziehen, um Antworten auf vieleFragen zu finden. Ich erinnere mich an eineStelle des Klinsanthor-Epos von Klerakones,in der das Aufgehen im Weltraum verlorenerArkoniden in Energieströme geschildertwird. Daran mußte ich denken, als die Tran-sition mißlang. Vielleicht war das unserGlück. Vielleicht hätten wir sonst für alleEwigkeit körperlos zwischen den Sternenherumirren müssen.«

Parentok gewann seine alte Überlegenheitzurück.

»Das sind doch alles nur Märchen, To-schmol, keine Tatsachen. Legenden sind Lü-gen, die man Kindern erzählt.«

»Nur schlechte Eltern erzählen ihren Kin-dern Lügen«, wies der Wissenschaftler ihnzurecht. »Ich glaube, daß Sagen und Legen-den ihre reale Grundlage in den Ereignissender Vergangenheit haben. Oder wagen Siees, Parentok, nicht an die Existenz vonKlinsanthor zu glauben?«

»Wir sind wieder voll manövrierfähig«,gab Zeranal bekannt und gab dadurch Paren-tok Gelegenheit, die für ihn peinliche Fragenicht zu beantworten. »Wo werden wir lan-den, Toschmol?«

Die Skärgoth wurde schräg von der rotenSonne angeschienen, was die zerklüfteteLandschaft um so deutlicher hervorhob.Lichtlose Schattenabgründe wechselten mitschroffen Felsen und mattschimmerndenEbenen. Manche der Spalten zogen sich vie-

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le Kilometer weit dahin und wechseltenständig die Richtung. Es sah so aus, als hät-ten gewaltige Kräfte die gesamte Oberflächeauseinandergezerrt, um Gebirge und riesigeSchluchten entstehen zu lassen.

»Es ist egal, wo wir landen«, entschiedToschmol, ohne lange zu überlegen. »Wennmöglich, auf einer Ebene zwischen den Ge-birgen und Schluchten. Wir dürfen dieVALK-RON nicht in Gefahr bringen.«

»Atmosphäre ist vorhanden«, sagte je-mand von den Massetastern her.»Unglaublich! Atmosphäre, aber keine fest-stellbare Vegetation.«

»Wir werden noch mehr Unmöglichkeitenund Überraschungen erleben«, prophezeiteToschmol, ohne zu ahnen, wie recht er be-halten sollte.

Auf dem Bildschirm war ein fast runderTalkessel zu erkennen.

»Dort, Zeranal! Dort werden wir landen…«

*

Das Schiff gehorchte in jeder Beziehungden Kontrollen, wenn auch die Meßinstru-mente und Massetaster unmögliche Werteanzeigten. Die Orterschirme waren schwarzgeworden, nur der Panoramaschirm arbeitetenoch.

Toschmol war aufgestanden und deuteteauf seinen Sessel.

»Arkanol, übernehmen Sie die Kontrol-len. Sie verstehen mehr davon als ich.«

Arkanol hatte in der Flotte gedient undgalt als bewährter Offizier. Wenn er in Stim-mung kam, konnte er die unglaublichstenAbenteuer aus dem großen Krieg gegen dieMethanatmer berichten, an dem er viele Jah-re teilgenommen hatte. Wenn auch nur dieHälfte von dem wahr war, was er erzählte,durfte man es als ein Wunder bezeichnen,daß er noch lebte.

Er nickte wortlos und setzte sich. Zeranalgab ihm einige Daten durch und schloß:

»Es sind die Energiefelder, die alles stö-ren. Eine ganz natürliche Erklärung, finden

Sie nicht?«Arkanol brach sein Schweigen.»Ich glaube nur an natürliche Erklärun-

gen, Zeranal. Hatten Sie übrigens Gelegen-heit, vor dem Totalausfall der Meßinstru-mente eine Atmosphäre da unten festzustel-len? Vorstellen kann ich es mir zwar nicht,aber es könnte ja sein …«

»Eine atembare Atmosphäre ist vorhan-den«, bestätigte sie.

Er schüttelte den Kopf und sagte zu To-schmol:

»Da fällt es mir allerdings schwer, an einenatürliche Erklärung zu glauben. Wie sollauf dem Lavahaufen eine Atmosphäre ent-stehen? Ich meine: eine atembare Atmo-sphäre.«

»Keine Ahnung«, gab der Wissenschaftlerzu. »Vielleicht kommen die Gase aus demInnern des Planeten und werden durch diemerkwürdigen Energiefelder gehalten, fallsdie Gravitation nicht ausreichen sollte, wasich jedoch bezweifle.«

»Na schön, wir werden ja sehen«, knurrteArkanol voller Zweifel.

Die VALKARON senkte sich langsamder Oberfläche entgegen. Der Landeplatz lagauf der Tagseite der Skärgoth. Die Rotationwar so langsam, daß es noch mehr als zwan-zig Stunden lang Tag bleiben würde. Dannerst würde die rote Sonne langsam unter denHorizont sinken.

Toschmol war neben Arkanol getretenund deutete auf den Bildschirm.

»Sehen Sie nur – dort! Was ist das?«Der Talkessel war annähernd rund und

wurde von schroffen Gebirgen eingeschlos-sen. In den Steilabhängen waren dunkleStellen erkennbar, wahrscheinlich Höhlen-eingänge. Der Durchmesser des Tales betrugetwa zwanzig Kilometer. Es gab keine Spurvon Vegetation, aber an den Rändern desKessels und auch in der Nähe seiner Mittegab es ausgedehnte Flächen, die das Lichtder roten Sonne besonders stark reflektier-ten. Sie wirkten wie matt gewordene Spie-gel.

»Keine Ahnung«, murmelte Arkanol unsi-

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cher. »Sieht so aus, als hätte jemand die Fel-sen poliert.«

Die Höhe betrug noch einen knappen Ki-lometer, als der Antrieb plötzlich aussetzte.Statt jedoch abzustürzen, sank die VALKA-RON langsam weiter in die Tiefe, veränder-te ein wenig die Richtung und setzte dannnicht weit von den Randfelsen auf der Ober-fläche des Planeten auf.

Sie tat es nicht aus eigener Kraft.

*

Arkanol war blaß geworden. Er desakti-vierte die Hauptenergiezufuhr und schwenk-te den Sessel herum. Toschmol hatte sichgesetzt.

»Wir sind gelandet«, stellte er überflüssi-gerweise fest.

Der Offizier nickte.»Sicher, aber nicht auf eigenen Wunsch

und dort, wo wir wollten. Irgend etwas aufdiesem Planeten kann mit uns und demSchiff machen, wie es ihm beliebt. Klinsan-thor …?«

Der geheimnisvolle Name hing wie eineDrohung in der Luft.

Toschmol sagte ruhig:»Wahrscheinlich Klinsanthor, Arkanol.

Die glatte Landung scheint jedoch ein Be-weis dafür zu sein, daß wir nicht in Gefahrsind, sondern daß der Magnortöter bereit ist,uns zu empfangen und anzuhören. Woraufwarten wir noch?«

»Immer mit der Ruhe!« empfahl Arkanol,dessen Gesicht allmählich wieder die ge-wohnte Farbe zurückerhielt. »Bevor wir unsda draußen umsehen, treffen wir besser eini-ge Vorsichtsmaßnahmen. Ich habe schonmehr als einmal Landungen auf unbekann-ten Planeten durchgeführt und kenne michaus. Selbst harmlose Naturerscheinungenkönnen zu tödlichen Gefahren werden, wennman nicht mit ihnen vertraut ist. Die Atmo-sphäre ist atembar – das wenigstens wissenwir. Trotzdem schlage ich das Anlegen derKampfanzüge vor.«

Aber soweit war es noch nicht. Bevor die

Ausstiegluke der VALKARON geöffnetwurde, mußten die vorgeschriebenen Testsdurchgeführt werden, die einige Zeit in An-spruch nahmen. Nahezu die Hälfte aller In-strumente war ausgefallen, aber der Rest ar-beitete einwandfrei.

Schließlich hielt Toschmol es nicht mehraus.

»Hören Sie, Arkanol, ich bin der Mei-nung, daß wir nur Zeit verschwenden. Es istMittag Ortszeit. Vor uns liegen noch vieleStunden Tageslicht, und wenn die Nacht an-bricht, bleibt es lange dunkel. Wollen Siemich begleiten, oder warten Sie lieber bismorgen?«

Parentok mischte sich ein:»Ich werde das Schiff auf keinen Fall ver-

lassen, Toschmol. Aber ich hindere nieman-den daran, Sie zu begleiten.«

»Das könnten Sie auch nicht«, gab To-schmol trocken zurück.

Arkanol winkte einigen Männern zu, diein der Kommandozentrale herumstanden.

»Bereitet alles für einen Ausstieg vor. Ichwerde Toschmol begleiten. Wer kommtnoch mit?«

Es zeigte sich, daß noch ein Dutzend Ar-koniden bereit war, das Risiko der unbe-kannten Gefahren auf sich zu nehmen unddas Schiff zu verlassen. Auch Zeranal mel-dete sich. Damit war sie die einzige Frau,die an der ersten Landeexpedition teilnahm.

Toschmol konnte seine Ungeduld kaumnoch zügeln. In der großen Luftschleuse leg-te er zusammen mit den anderen denKampfanzug an und wartete dann an dernoch geschlossenen Luke, bis diese geöffnetwurde.

Die Kampfanzüge, Resultat einer hocht-echnisierten Zivilisation, besaßen hervorra-gende Eigenschaften. Sie verfügten sogarüber ein Flugaggregat, das den Träger dazubefähigte, große Strecken mit hoher Ge-schwindigkeit zurückzulegen. Im Vakuumdes Weltraums schützten sie vor der lebens-feindlichen Umgebung. Eine Klimaanlagesorgte für eine gleichbleibende Temperatur,ganz gleich, ob man sich in eisiger Luft oder

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kochendem Wasser aufhielt. Außerdem gabes Taschen mit Werkzeugen, Lebensmittel-konzentraten und einem handlichen Impuls-strahler. Die Luke schwang auf.

Toschmol ging als erster zur ausgefahre-nen Rampe und kletterte hinab zu dergrauschwarzen Felsenoberfläche der Skär-goth. Er machte einige Schritte und winktedann den anderen zu.

»Kommt, Leute!« forderte er sie über Te-lekom auf. »Prächtiger fester Boden! Wirwerden die Helme öffnen können, denn dieInstrumente zeigen gute Atemluft an. Wor-auf wartet ihr denn noch?«

Arkanol und Zeranal standen bald daraufneben ihm, die anderen folgten. Die Lukeblieb geöffnet.

Die Luft war frisch und kühl, was dankder schwachen Sonneneinstrahlung keinWunder war. Wahrscheinlich wurde der Pla-net in erster Linie von innen her erwärmt, ei-nige der Messungen deuteten darauf hin. Erbesaß demnach einen flüssigen Kern.

Parentok beobachtete die Gruppe in derKontrollzentrale auf dem Bildschirm. Erstand mit ihr durch den Telekom in Verbin-dung.

»Wie ist es?« erkundigte er sich.»Bestens – bis jetzt«, gab Toschmol zu-

rück, der die versuchte Meuterei total ver-gessen zu haben schien. »Wir werden diepolierte Fläche untersuchen, die zwischendem Schiff und den Felsen liegt.«

»Seid vorsichtig!«Sie blieben dicht beisammen, weil sie sich

so sicherer fühlten. Toschmol und Arkanolhatten die Führung übernommen und näher-ten sich vorsichtig der glatten Fläche, die ih-nen schon vor der Landung aufgefallen war.Von weitem sah sie aus wie die erstarrteOberfläche eines Sees aus mattem Silber.

An ihrem Rand hielten sie an.»Wie kann sie entstanden sein?« fragte

Zeranal scheu.Toschmol bückte sich und berührte die

unbekannte Materie mit der flachen Hand.Er zog sie schnell wieder zurück.

»Es ist heiß«, sagte er und richtete sich

wieder auf. »Die Hitze kommt aus der Tiefe,wie wir vermutet haben. Vielleicht war eseinst ein Vulkankrater, der sich mit verflüs-sigtem Metall füllte, das später abkühlte undfest wurde. Ich glaube, wir können ohne Ge-fahr darüber hinweggehen. Es trägt uns.«

»Und die Hitze?« wollte jemand wissen.»Unsere Stiefel bieten genügend Schutz,

und im Notfall können wir auch fliegen.«Auf der glatten Fläche, die kaum Uneben-

heiten aufwies, war das Marschieren leichterals auf der zerklüfteten Schlacke und Lava.Die Randfelsen des Talkessels wurdenscheinbar immer höher und verloren sich inder etwas dunstigen Atmosphäre. Toschmolsteuerte auf einen der Höhleneingänge zu.

Arkanol verlor nichts von seiner gewohn-ten Vorsicht. Er blieb mißtrauisch und beob-achtete aufmerksam ihre Umgebung, ob-wohl er nichts Verdächtiges zu entdeckenvermochte. Als er sich einmal umdrehte, riefer:

»Zeranal, bleiben Sie bei der Gruppe!Was haben Sie dort zu suchen?«

Toschmol blieb stehen, auch die anderenhielten an. Die Navigatorin hatte sich etwadreißig Meter von der Gruppe entfernt, schi-en es aber nicht bemerkt zu haben. Gehor-sam folgte sie der Aufforderung des Offi-ziers und kehrte zu den anderen zurück.

»Merkwürdig«, versuchte sie eine Erklä-rung zu finden. »Ich wollte gar nicht dorthingehen. Auf einmal war ich dort.«

Arkanol runzelte die Stirn.»Wollen Sie damit sagen, daß Sie etwas

gezwungen hat, uns zu verlassen?«»So muß es wohl gewesen sein. Immer

nach links zog es mich, obwohl ich mich da-gegen zur Wehr setzte. Es war, als hättemich ein Magnet angezogen.«

Einer der Männer bestätigte ihren Ein-druck.

»Mir ging es ähnlich wie Zeranal, aber ichkonnte den inneren Zwang bekämpfen. Viel-leicht ist es auch nur Einbildung.«

Arkanol schüttelte langsam den Kopf.»Nein, das ist keine Einbildung, denn ich

habe es auch gespürt. Es handelte sich dem-

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nach um einen hypnotischen Zwang, demder eine mehr und der andere weniger wi-dersteht. Ein Grund mehr für uns, jetzt zu-sammenzubleiben. Was ist mit Ihnen, To-schmol?«

»Unwichtig! Natürlich habe ich es auchbemerkt, aber man muß es einfach ignorie-ren. Übrigens ist mir aufgefallen, daß es unsalle etwas nach links gezogen hat. Seht nur,wo die VALKARON steht! Wir sind nichtgeradeaus gegangen, sondern in einem leich-ten Bogen.«

»Aber die Höhlen liegen noch immer ge-nau vor uns!«

»Eine optische Täuschung – vielleicht.«Sie gingen weiter, achteten nun aber kon-

zentrierter auf das unerklärliche Phänomen,das vorerst noch keine ernsthafte Gefahrdarstellte. Mit einiger Anstrengung gelanges ihnen, in ziemlich gerader Richtung wei-terzumarschieren, wenn ihre Beine auch im-mer wieder versuchten, eine andere Rich-tung einzuschlagen.

Und zwar immer nach links.Toschmol hatte seine eigenen Vermutun-

gen, die er aber für sich behielt, um seineBegleiter nicht noch mehr zu verwirren. Erwar fest davon überzeugt, daß Klinsanthorseinen unheimlichen Einfluß auf sie ausübte,was immer er auch damit bezwecken wollte.Auf der anderen Seite war der Wissenschaft-ler davon überzeugt, daß ihnen kein Unheildrohte, denn wenn der Magnortöter sie ver-nichten wollte, hätte er das schon längst tunkönnen.

Innerlich fieberte er der Begegnung mitKlinsanthor entgegen, aber er fürchtete sichauch vor ihr. In diesem Zwiespalt der Ge-fühle war es nicht leicht, Besonnenheit zubewahren.

Endlich erreichten sie den Rand der po-lierten und jetzt fast gläsern wirkenden Flä-che, die jedoch undurchsichtig blieb. DieFelswände waren nur noch einige hundertMeterentfernt.

»Ziemlich mächtige Höhlen«, stellte Ar-kanol fest. »Möchte wissen, wie sie entstan-den sind. Wahrscheinlich durch frühere vul-

kanische Tätigkeit, also Lavaausflüsse. Somag auch der gläserne See entstanden sein.«

»Klinsanthor soll in einer gigantischenGruft hausen«, bemerkte einer der Männermit unterdrückter Furcht. »Vielleicht lauerteer schon auf uns.«

»Unsinn!« fuhr Toschmol ihn an.»Warum sollte er? Wenn er Macht über un-ser Schiff hat, und das wurde ja wohl bewie-sen, hätte er uns samt der VALKARON indie Sonne stürzen lassen. Statt dessen half eruns noch bei der Landung.«

»Wenn es überhaupt Klinsanthor war!«sagte Arkanol ruhig.

Toschmol warf ihm einen Blick zu,schwieg aber.

Wortlos setzte sich die Gruppe wieder inBewegung.

*

Je näher sie den Felsen kamen, desto stär-ker wurde der Linksdrall.

Jetzt, da sie gewarnt waren, konnten sieihm zwar besser widerstehen, aber mit derZeit wurde es anstrengend. Es war, als müß-ten sie ständig gegen eine unsichtbare Strö-mung ankämpfen, die sie in eine andereRichtung tragen wollte.

»Es könnten auch energetische Felderseih, oder Strahlungen«, vermutete der Phy-siker Karon, der sich bisher schweigsamverhalten hatte. »Das wäre eine ganz natürli-che Erklärung, finden Sie nicht, Toschmol?«

»Sicherlich«, erwiderte dieser geistesab-wesend, denn der Anblick der gewaltigenHöhleneingänge faszinierte ihn viel mehr.»Doch für ein natürliches Phänomen geht esmir zu systematisch vor.«

Endlich standen sie vor der ersten Höhle.Fast fünfzig Meter hoch war das Tor, das indie Felswand führte.

Der Boden fiel leicht nach unten ab, unddie Wände waren nicht absolut dunkel, ob-wohl kaum Licht in den Eingang fiel. To-schmol wollte weitergehen, aber Arkanolhielt ihn fest.

»Augenblick, wir wollen den Leichtsinn

Die Gruft des Magnortöters 11

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nicht auf die Spitze treiben. Sie bringen unsalle in Gefahr, wenn Sie ohne jede Vorberei-tung dort eindringen.«

»Was für Vorbereitungen?« wollte To-schmol ungeduldig wissen. »Wir sind amZiel, und da wollen Sie mich aufhalten?«

»Keineswegs, aber ich richte mich nachden Erfahrungen unserer bewährten Explo-rerflotte. Ich kenne ihre Vorschriften, vonderen Einhaltung oft das Leben abhängt –besonders auf diesem verrückten Planeten.Die Mindestwartezeit beträgt zwanzig Stun-den.«

»Dann ist es Nacht! So ein Unsinn!«»Sie sehen ja selbst, daß es in der Höhle

nicht dunkel ist, außerdem würde Ihnen Ta-geslicht in ihrem Innern nicht viel nützen.Warten Sie also, dann erkläre ich mich auchbereit, Sie zu begleiten.«

»Ich auch«, erbot sich Karon.Die anderen schwiegen.Toschmol wurde klar, daß er keine andere

Wahl hatte, als auf ihren Vorschlag einzuge-hen, wenn er nicht allein in die unbekannteHöhlenwelt eindringen wollte. Und dazufehlte ihm trotz allen Engagements der Mut.

»Also gut, zwanzig Stunden! Aber keineMinute mehr!«

Nach einem letzten Blick in die Höhlewanderten sie weiter, immer an der Steil-wand entlang und nach rechts, um den Glas-see herum, bis sie sich wieder der VALKA-RON näherten. Parentok meldete sich überFunk:

»Es wird Zeit, daß ihr zurückkommt. Ei-nige der Leute beginnen durchzudrehen.«

»Wie meinen Sie das?« wollte Toschmolwissen.

»Ja, wie soll ich Ihnen das erklären …?Zwei sind mit dem Kopf gegen eine Wandgerannt und haben sich ernstlich verletzt. Je-mand behauptet, er hätte gesehen, wie siedurch den Korridor gingen, dann plötzlichlinks abbogen, obwohl keine Tür vorhandenwar. Ich kann mir keinen Reim darauf ma-chen.«

»Nach links?« vergewisserte sich To-schmol und sah Arkanol bestürzt an.

»Sorgen Sie dafür, daß die Leute in ihrenKabinen bleiben, bis wir dort sind.«

Ohne weiteren Aufenthalt erreichten siedie VALKARON und stiegen hinein. Dumpfschloß sich hinter ihnen die Luke und gabihnen das Gefühl, wieder in relativer Sicher-heit zu sein. Erleichtert legten sie dieKampfanzüge ab und zogen die Bordkombi-nationen an.

Parentok erwartete sie in der Zentrale.»Wir hätten versuchen sollen, von hier

wegzukommen«, jammerte er. »Ich habe esja schon immer gewollt.«

»Halten Sie den Mund!« fuhr Toschmolihn an. »Bis jetzt ist nicht viel passiert – undaußerdem hätten wir es gar nicht geschafft,das System zu verlassen, das wissen Sie sogut wie ich. Sind die Verletzten versorgt?«

»Sie sind in der Krankenstation.«»Ich kümmere mich darum«, erbot sich

Arkanol. »Ich will wissen, was geschehenist.«

»Gut«, erklärte sich Toschmol einverstan-den. »Kommen Sie dann in meine Kabineund berichten Sie mir. Ich möchte ein paarStunden ruhen.«

»Das würde uns allen wahrscheinlich gut-tun«, meinte Karon.

»Unausgeschlafen gehe ich auf keinenFall in die Höhle.«

*

Zehn Stunden vor dem geplanten Auf-bruch zu der Höhle unternahm Parentok mitdem Gleiter einen Erkundungsflug durchden Talkessel. Er wurde von Zeranal beglei-tet, die sich um die an Bord befindlichenMeßinstrumente kümmerte. Einige von ih-nen funktionierten einwandfrei.

Die Massetaster zeigten über den gläser-nen Flächen feste Materie und schwere Me-talle an, während sie an anderen Stellen ge-waltige Hohlräume tief unter der Lavadeckeverrieten. Parentok bat die Navigatorin, eineKarte zu zeichnen, die den Verlauf derHohlräume festhielt und so einen grobenÜberblick verschaffte.

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Er hatte sich inzwischen an den merkwür-digen Linkszwang gewöhnt. Selbst bei derSteuerung des Gleiters machte er sich be-merkbar, da sie aber das Tal in einer großenLinksschleife überflogen, spielte diese Feh-lerquelle keine besondere Rolle.

Parentok blinzelte verblüfft, als er schrägunter sich die farbige Wolke bemerkte, dieträge mit dem Wind dahinzog, ohne dabeiauseinandergetrieben zu werden. Das Seltsa-me dabei war nur, daß er Farben registrierte,die er noch nie in seinem Leben gesehenhatte. Er machte Zeranal auf das merkwürdi-ge Gebilde aufmerksam.

»Ein sichtbar gewordenes energetischesFeld«, behauptete diese, nachdem sie ihreInstrumente zu Rate gezogen hatte.»Harmlos, würde ich sagen.«

»Trotzdem merkwürdig! Und die Farben!Haben Sie schon einmal solche Farben gese-hen?«

»Stimmt, eine geheimnisvolle Mischung,das muß ich zugeben. Aber schließlich hates auch noch nie ein sichtbar gewordenesEnergiefeld gegeben. Dieser Planet ist ein-malig.«

»Ich könnte auf ihn verzichten«, knurrteParentok.

Zeranal widmete sich wieder ihrer provi-sorischen Karte, als die Farbwolke zurückb-lieb. Erst jetzt fiel ihr das gleichmäßige undsanfte Rauschen auf, das sie vorher überhörtzu haben schien. Zuerst war es überall, aberdann, als sie versuchte, sich darauf zu kon-zentrieren, nahm sie es nur mit dem rechtenOhr wahr. Mit dem linken konnte sie esnicht hören, so sehr sie sich auch anstrengte.

Sie sagte Parentok nichts davon, um ihnnicht zu beunruhigen, aber sie sah, daß ersich mehrmals an das rechte Ohrläppchenfaßte und daran zog und rieb, so als störe ihnetwas. Trotzdem schwieg sie. Sie arbeiteteweiter an der Karte.

Es schien, als sei das ganze Tal unterhöhltund von unregelmäßigen Gängen und Höh-lenlabyrinthen durchzogen. Alle standenmiteinander in Verbindung, und manche derHohlräume hatten mehrere Kilometer

Durchmesser.Wenn Toschmol sie erforschen wollte,

hatte er sich zuviel vorgenommen, das standfest.

Und wenn sich Klinsanthor in der unterir-dischen Welt verborgen hielt, würde manihn niemals finden – wenn er es nicht wollte.

Karon meldete sich über Telekom aus derVALKARON, von der er übrigens behaup-tete, sie sei nach einem seiner berühmtenVorfahren benannt worden.

»Ihr solltet allmählich zurückkommen.«»Wenn wir den jetzigen Kurs beibehalten,

werden wir in zehn Minuten beim Schifflanden. Warum? Ist etwas geschehen?«

»Zum Glück nicht. Was Neues?«»Zeranal hat eine Karte der Höhlen ange-

fertigt. Die Massetaster funktionieren wiedereinwandfrei.«

»Habt ihr Klinsanthor auch orten kön-nen?«

»Scherzbold!« sagte Parentok und schal-tete ab.

Der Rest des Fluges verlief ohne weitereZwischenfälle.

*

Wegen des seltsamen Linksdralls machtesich Toschmol keine Sorgen. Es konnte sehrgut möglich sein, daß die verschiedenenEnergiefelder und energetischen Strömun-gen einen gewissen Einfluß auf das Gehirnausübten, der sich zwar unangenehm, aberkeineswegs schädlich auswirkte. Er konntesich größere Gefahren vorstellen.

Noch einmal hatte er seine Unterlagenstudiert, nachdem er aus einem kurzen, abererfrischenden Schlaf erwacht war. Für ihnbestand kein Zweifel mehr an der Tatsache,daß er die Welt des Magnortöters gefundenhatte. Dieser Planet war die Skärgoth!

Im Geist sah er sich schon von ImperatorOrbanaschol öffentlich geehrt und in denKreis der Ruhmreichen aufgenommen. Ervergaß auch nicht, von der Belohnung zuträumen, die ihm ein Leben in Freiheit, Un-abhängigkeit und Reichtum ermöglichte,

Die Gruft des Magnortöters 13

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ganz abgesehen von den Privilegien, die erdann genießen würde.

Noch in ferner Zukunft würde man vonihm als dem berühmtesten und genialsten al-ler arkonidischen Wissenschaftler sprechen.

Alle diese kühnen Gedanken und Hoff-nungen stachelten ihn zu einem Unterneh-mungsgeist an, dessen er früher nie fähig ge-wesen wäre. Er war von Natur aus nicht fei-ge, aber unter anderen Umständen hätte er essich hundertmal überlegt, ob er in die Unter-welt eines so merkwürdigen Planeten hinab-gestiegen wäre. Die Karte Zeranals hatteihm gezeigt, daß die Höhlengänge nicht et-wa nur in die Felswand hineinführten, son-dern tief hinab unter die Oberfläche.

Um so mehr Grund zu der Annahme, daßKlinsanthor dort auf ihn wartete.

In einer Stunde würden er, Arkanol undKaron auf brechen.

Einen Augenblick lang erwog er die Mög-lichkeit, daß der zurückbleibende Parentokvielleicht auf den Gedanken kommen würde,während seiner Abwesenheit mit der VAL-KARON zu starten und zu fliehen. Aberdann sagte er sich, daß der Techniker nichtso verrückt sein würde. Außerdem war an-zunehmen, daß sich die anderen Arkonidenweigern würden, seinen Befehlen Folge zuleisten.

Außerdem war Zeranal noch da, und aufdie Navigatorin konnte er sich jetzt verlas-sen.

Arkanol meldete sich an und betrat dieKabine.

»Es ist bald soweit, Toschmol. Wir wer-den diesen Planeten dazu zwingen, seineGeheimnisse preiszugeben. Er wäre nichtder erste in meiner Praxis.«

»Karon denkt ebenso, aber wir müssendarauf vorbereitet sein, Unbekanntem zu be-gegnen. Wir dürfen uns niemals trennen,wenn wir die Unterwelt betreten haben. Wirwerden zusammenbleiben, dann können wiruns gleichzeitig nach drei Seiten hin vertei-digen – falls das jemals notwendig werdensollte.«

Arkanol blieb stehen.

»Wenn der Magnortöter hier lebt, ist jedeVerteidigung zwecklos, das sollten geradeSie wissen. Der Legende nach war er die ge-fährlichste Waffe, die es jemals gab, ob-gleich ich zugeben muß, mir nichts daruntervorstellen zu können. Wie kann ein Weseneine Waffe sein? Ist es überhaupt ein Lebe-wesen?«

»Ich weiß es nicht«, gab Toschmol mit ei-nigem Bedauern zu. »Niemand weißes!«

Arkanol zuckte die Schultern.»Nun, wie auch immer – wir treffen uns

in der Luftschleuse.«Er war schon halb aus dem Raum, als To-

schmol fragte:»Hören Sie auch dieses merkwürdige

Summen, Arkanol? Im rechten Ohr und un-terschiedlich stark. Es ist, als wolle uns je-mand etwas mitteilen, was wir nicht verste-hen.«

»Sie haben recht, ich höre es auch manch-mal, aber an eine Botschaft habe ich bishernicht gedacht. Ich schiebe alles auf die Ener-giefelder.«

Er ging.Toschmol nahm sich noch einmal die

Karte vor und prägte sich die Hauptkorrido-re ein. Manche von ihnen verliefen schnur-gerade, so als seien sie künstlich angelegtworden, andere wiederum waren zweifellosnatürlichen Ursprungs und mit Sicherheitdurch Lavafluß entstanden. Es würde Jahredauern, wollte man sie alle erforschen.

Aber das war nicht seine Absicht. Erwollte lediglich Klinsanthor finden.

2.

Sie ersparten sich den weiten Fußmarschund ließen sich mit dem Gleiter zum Ein-gang der Höhlen bringen. Hier überprüftensie zum letzten Mal ihre Ausrüstung, zu derauch starke Lampen gehörten. Die Sonnewar bereits untergegangen, aber über demgläsernen See lag ein silberner Schimmer,der das Geisterhafte der Landschaft nur nochmehr hervorhob.

Aus dem Höhleneingang kam diffuses

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Licht, jetzt besser erkennbar als bei Tage.Sie würden die Lampen kaum benötigen,wenn es so hell blieb.

Arkanol sah dem Gleiter nach, bis er inder Dunkelheit verschwand. Dann sagte er:

»Gehen wir! Ich bin gespannt, was uns er-wartet.«

Schon nach einigen Dutzend Schrittenmachte der unregelmäßig geformte Korri-dor, der seiner Höhe wegen mehr wie dasInnere eines Domes wirkte, eine scharfeBiegung nach links. Es ging nun steil bergabin die Tiefe.

Toschmol hielt die Karte Zeranals in derHand.

»Wir werden unter dem gläsernen Seehindurch müssen, wenn wir das Hauptlaby-rinth erreichen wollen. Wenigstens habendie Massetaster das angezeigt.«

»Die können sich irren.«»Kaum, Karon, wenigstens nicht die im

Gleiter. Bis jetzt wenigstens ist ZeranalsZeichnung korrekt.«

Das Leuchten aus Wänden und Deckenblieb unverändert. Der Fels zeigte keineSpuren einer Bearbeitung, trotzdem war To-schmol davon überzeugt, daß hier jemandder Natur nachgeholfen hatte. Es schien ihmunwahrscheinlich, daß allein Vulkanausbrü-che und Erdverschiebungen solche Höhlenverursachen konnten, und von Wasser hatteer auf der Skärgoth noch nichts gesehen.

Alls sie unter dem »See« waren, verliefder Korridor eben weiter. Arkanol schätzte,daß sie sich nun etwa zweihundert Meter un-ter der Oberfläche befanden. Die allgemeineHelligkeit hatte eher zugenommen als nach-gelassen.

Arkanol war stehengeblieben und blicktenach oben.

»Mir scheint, die Decke ist höher als vor-her. Auch ist der Gang breiter geworden.Was verrät die Karte? Nähern wir uns dergroßen Haupthöhle?«

»Keineswegs.« Toschmol studierte dieZeichnung und deutete auf eine bestimmteStelle. »Wir sind jetzt etwa hier. Richtig,Zeranal hat die breitere Stelle mit den Ta-

stern auch entdeckt. In zweihundert Meternkommen die ersten Abzweiger, die wir je-doch ignorieren können. Die meisten von ih-nen münden an anderen Orten wieder in un-seren Gang ein. Etwa zehn Kilometer voruns, fast in der Mitte des Tales, müßten wireine riesige Höhle vorfinden, die sich biszum anderen Rand des Kessels erstreckt.«

»Zehn Kilometer? Wollen wir die lau-fen?«

»Sie denken an das Flugaggregat?« To-schmol verzog sein Gesicht. »Um ehrlich zusein, ich habe es vor einigen Minuten aus-probieren wollen. Der Antrieb rührt sichnicht.«

Arkanol starrte ihn erschrocken an.»Er fällt aus? Dann stehen wir bereits

wieder unter der fremden Kontrolle.«»Das tun wir, seit wir in das System der

roten Sonne eindrangen. Es beunruhigt michkaum noch.«

»Mich beunruhigt etwas ganz anderes«,mischte sich Karon nun ein. »Fällt Ihnennichts auf, Toschmol? Mit Ihren Augen,meine ich.«

Der Wissenschaftler sah ihn fragend an.»Was wollen Sie damit sagen?« Er zöger-

te eine Sekunde. »Nun ja, manchmal meineich, rechts nicht so gut sehen zu können,aber das kann ein Staubkorn sein. KeinGrund zur Aufregung.«

»Dann habe ich aber auch ein Staubkornim rechten Auge«, stellte Arkanol besorgtfest. »Merkwürdiger Zufall …«

»Das ist kein Zufall!« behauptete Karonüberzeugt. »Auf dieser Welt scheint sich al-les gegen die rechte Körperhälfte verschwo-ren zu haben. Daher auch der Linksdrall,den wir schon mehrmals verspürten. Meinrechtes Ohr schmerzt, und ich höre damitständig ein fernes Rauschen wie von einemWasserfall. Ist das auch nur Einbildung?«

Die beiden anderen Männer bestätigtenihm, den selben Eindruck zu haben. Auchder Drang, nach links im Kreise zu laufen,war geblieben, aber nicht stärker geworden.Hier im Höhlenkorridor konnte nicht vielpassieren, da die linke Felswand ein unüber-

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windliches Hindernis darstellte. Wenn sie anihr entlanggingen, gab es keinen Linksdrallmehr.

Der Funkverkehr zur VALKARON warschon lange abgebrochen, aber das war wei-ter nicht erstaunlich. Die Felsen schirmtenjeden Funkimpuls ab, außerdem zeigten dieInstrumente in den Kampfanzügen starkeEnergiefelder an.

Sie wanderten zwei Stunden. Der Korri-dor war inzwischen so breit geworden, daßdie gegenüberliegende Wand nur noch alsschwach schimmerndes schmales Band zuerkennen war. Sie befanden sich nun fünf-hundert Meter unter der Oberfläche, und dieDecke war mehr als hundert Meter hoch.

Mehrmals schaltete Karon seinen Schein-werfer an, um besser sehen zu können. DerLichtkegel fiel plötzlich auf ein paar merk-würdige Gebilde, die aus dem Boden her-auszuwachsen schienen.

Die drei Arkoniden blieben stehen.»Was ist denn das?« fragte Arkanol er-

staunt. »So etwas habe ich noch nie gesehen.Scheinen Kristalle zu sein.«

In der Tat waren die ungefähr fünf Meterhohen Säulen sechseckig und regelmäßiggeformt. Sie reflektierten das Licht desScheinwerfers in tausendfacher Stärke – undfarbig.

Als Toschmol die Augen vorsichtig wie-der öffnete, stellte er zu seiner Überraschungfest, daß die Kristallsäulen nur dann farbigwaren, wenn er sie mit dem rechten Augebetrachtete. Für das linke erschien das re-flektierte Licht lediglich grell und weiß.Welches Auge belog ihn?

Den anderen beiden Arkoniden erging esgenauso.

»Das sind künstliche Gebilde«, meinteArkanol überzeugt. »So etwas kann nichteinfach aus dem Boden wachsen. Hier ist al-les staubtrocken, Ablagerungen können esalso auch nicht sein. Ich frage mich nur, wassie bedeuten.«

Karon erwiderte:»Die Instrumente registrieren ein starkes

energetisches Feld. Es ist von ungewöhnli-

cher Intensität und geht von den Säulen aus.Sie sind eine Art Sender.«

Toschmol sagte ungehalten:»Gehen wir weiter! Warum halten wir uns

mit Dingen auf, die wir doch nicht verste-hen?«

Sie folgten ihm, wenn auch nicht sehr be-reitwillig. Schließlich war vereinbart wor-den, sich niemals zu trennen.

Das allerdings wurde erheblich schwieri-ger, als sich der ohnehin schon kilometer-breite Korridor nach beiden Seiten fastrechtwinklig ausdehnte. Sie hatten die vonZeranal entdeckte Höhle endlich erreicht.

Höhle war nicht die richtige Bezeichnungfür das unterirdische Reich, das sich ihrenstaunenden Blicken darbot. Von der sehr ho-hen Decke fiel helles Licht, wie von einemkünstlichen Himmel mit tausend ineinanderverwobenen Sonnen. Der Horizont erstreck-te sich nach allen Seiten bis ins Unendliche,eine Begrenzung war nicht mehr erkennbar.

Das Erstaunlichste jedoch war der Bodender »Höhle«.

Obwohl er noch immer aus Felsen be-stand, brachte er die farbenprächtigste Vege-tation hervor, die man sich vorstellen konn-te. Bizarr geformte Pflanzen rankten sich anhalb zerfallenen Steinsäulen empor, überund über mit bunten Blüten bedeckt, dieeinen betäubenden Duft verströmten. Da-zwischen wuchsen hohe Bäume mit üppigenBlättern und Wipfeln, durch die das Decken-licht kaum noch drang.

Und keine Spur von Wasser, das doch un-entbehrlich für jedes Leben war.

Die drei Männer standen lange vor demwunderbaren Gartenparadies, keiner Wortefähig. Dann raffte Toschmol sich schließlichauf, ging zu der ersten Blume hin und be-rührte sie. Seine Hand zuckte zurück. Erschlenkerte sie einigemal und sagte dann:

»Das Ding hat mir einen Schlag versetzt,kein Zweifel. Sie scheinen aus Energie zubestehen, die Formen angenommen hat. Ka-ron, wissen Sie eine Erklärung?«

Der Physiker schüttelte den Kopf.»Dafür gibt es überhaupt keine Erklärung,

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es sei denn, jemand ist in der Lage, Energiebeliebig in Materie zu verwandeln. Daskonnte niemand bisher, aber ich beginne all-mählich, an Wunder zu glauben.«

»Es sind also keine natürlich wachsendenPflanzen?«

»Bestimmt nicht! Hier gibt es nichts Na-türliches.«

»Die Explorerflotte wird sich auf diesenPlaneten stürzen, wenn sie davon erfährt«,behauptete Arkanol.

»Ja – wenn!« schränkte Toschmol ein,und es klang so, als rechne er damit, für im-mer auf der Skärgoth festgehalten zu wer-den.

Vorsichtig drangen sie nach einer kurzenRast in den farbenstrotzenden Dschungelein, in dem es zu ihrer Überraschung richti-ge Wege gab, auf denen nichts wuchs.Mehrmals gaben sie unbewußt dem immernoch vorhandenen Linksdrall nach und ge-rieten in die Pflanzen hinein. Die Strom-schläge trieben sie jedoch immer noch recht-zeitig auf den Weg zurück.

Schon nach kurzer Zeit hatten sie jedeOrientierung verloren. Auch die Karte nütztenichts mehr, und die Instrumente zeigten un-terschiedliche Werte an. Die Richtung, inder sie gegangen waren, konnte nicht mehrfestgestellt werden. Es würde an ein Wundergrenzen, wenn sie den Ausgang der Höhlejemals wiederfanden.

Toschmol spürte im Unterbewußtsein et-was nie Gekanntes, das er bei sich als»bösartige Harmonie« bezeichnete. Diesephantastische Welt in ihren abstrakten For-men war völlig unmöglich. Er ließ sich nichtvon den prächtigen Farben täuschen, die fürihn das manifestierte Böse darstellten, dassich nur in täuschendem Glanz präsentierteund so jeden aufkommenden Verdacht ein-schläferte. Alles wirkte wie eine geniale Fal-le.

Eine Falle … für wen?Nach zwei Stunden Marsch hielt Karon

an.»Hier sind wir schon gewesen«, behaupte-

te er.

»Es sieht überall gleich aus, also könnenwir nicht sicher sein«, hielt Toschmol ihmentgegen. »Und wenn Ihre Vermutung wirk-lich stimmt, müssen wir trotzdem weiter!«

»Warum hinterlassen wir keine Wegzei-chen?« fragte Arkanol.

»Wie denn?«»Einfach so …«Der Offizier nahm seinen Impulsstrahler

aus dem Gürtel, entsicherte ihn und zielteauf eine der Pflanzen. Die Waffe versagtenicht, als er abdrückte, aber der Energie-strahl wurde von den Blüten absorbiert undhinterließ auch nicht die geringste Spur.

Sein zweiter Versuch richtete sich gegenden Felsenweg – mit dem gleichen Mißer-folg.

»Es hat keinen Sinn«, sagte Toschmolzornig. »Sie halten uns nur unnötig auf, Ar-kanol. Ihre langjährigen Erfahrungen in al-len Ehren, aber hier nützen sie niemandem.«

Karon hielt sich neben dem Wissenschaft-ler, als sie weitergingen. Arkanol hatte dieSpitze übernommen, den Strahler schußbe-reit in der rechten Hand.

»Glauben Sie wirklich, daß Klinsanthordies alles geschaffen hat, Toschmol? Dannhandelt es sich nicht um ein Fabelwesen,sondern um eine uns absolut überlegene In-telligenz. Wie können wir so vermessensein, in sein Reich einzudringen?«

»Es ist der Befehl des Imperators, Karon,vergessen Sie das nie! Wir wollen den Ma-gnortöter um Hilfe bitten, das kann dochnicht verboten sein. Sind wir bisher einmalernsthaft angegriffen worden? Eben nicht!Aber vielleicht sind alle Schwierigkeiten nurPrüfungen, um festzustellen, ob wir der Hil-fe Klinsanthors würdig sind.«

»Vielleicht haben Sie recht, aber ich kannnicht daran glauben. Klinsanthor müßte auchso wissen, ob Arkon würdig ist oder nicht.«

»Er muß nicht allwissend sein.«»Aber allem Anschein nach überall ge-

genwärtig, nicht wahr?«»Ja, in Legenden und Sagen. Aber in

Wirklichkeit …?«Arkanol drehte sich um.

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»Die Landschaft verändert sich bald. Ichkann das Ende des Gartens sehen.«

»Und was kommt dann?«»Keine Ahnung. Jedenfalls hören die Blu-

men auf.«Toschmol und Karon holten den Offizier

ein, der stehengeblieben war. Sie fanden sei-ne Behauptung bestätigt. Das Gelände fielein wenig ab und wurde dadurch übersichtli-cher. Das Ende des Gartens – oder wie im-mer man es bezeichnen wollte – war durchkahle Felsen gekennzeichnet, die seltsameFormen besaßen. Einige erinnerten an Tor-bögen, wie sie von Völkern auf einer primi-tiven Kulturstufe gern errichtet wurden. Wasdahinter lag, blieb den Blicken der drei Ar-koniden verborgen.

Ohne viele Worte zu verschwenden, nah-men sie ihren Vormarsch wieder auf, undkeiner von ihnen schien traurig darüber zusein, der trügerischen Blumenpracht zu ent-rinnen.

Blumen, die aus Energie bestanden unddoch Materie zu sein schienen …

Toschmol konzentrierte sich mehr aufdas, was hinter den Felstorbögen lag. Je nä-her sie kamen, desto deutlicher wurde es er-kennbar. Im ersten Augenblick glaubte er,Gebäude entdeckt zu haben, aber er war sichseiner Sache nicht sicher. Für Gebäude wa-ren die Gebilde zu abstrakt und sinnlos ge-formt.

Doch in dieser verrückten Unterweltkonnte man mit allem Unmöglichem rech-nen.

Doch was sie dann wirklich entdeckten,als sie die Torbögen erreichten, war alles an-dere als unmöglich. Es war durchaus»natürlich« in einer künstlichen Umgebung,weil es ebenfalls künstlich war.

*

Einige der Wissenschaftler und Technikerder VALKARON kehrten von einem kurzenAusflug zum gläsernen See zum Schiff zu-rück und berichteten dem augenblicklichenKommandanten Parentok von ihren Erleb-

nissen. Zum Schluß teilten sie ihm mit, daßdie VALKARON genau auf einem kleinenFelsspalt gelandet sei.

Zeranal schüttelte ungläubig den Kopf.»Das ist nicht möglich«, protestierte sie

energisch. »Ich war draußen, als wir denGleiter startbereit machten, aber von einemSpalt habe ich nichts bemerken können. Wirstehen auf einer soliden Felsplatte.«

»Dann überzeugen Sie sich doch selbst!«forderte der Mann sie auf.

Parentok stand auf.»Ich komme mit Ihnen, Zeranal. Wir kön-

nen in der Kombination gehen, der Schutz-anzug ist überflüssig.«

Sie stiegen die Leiter hinab und gingenzwischen den Landestützen hindurch, derenAbstand genügend Bewegungsfreiheitzuließ. Zwischen zwei Stützen entdecktensie den Spalt. Er war nur handbreit, aber.

»Er war vorher nicht da!« stellte Zeranalfest. »Ganz bestimmt nicht, Parentok! Ermuß erst kürzlich entstanden sein.«

Der Techniker ging in die Hocke und un-tersuchte den Spalt. Dann nahm er einen lo-se herumliegenden Stein und ließ ihn hinein-fallen.

Sie warteten beide vergeblich auf denAufschlag.

»Er muß sich nach unten erheblich ver-breitern, Zeranal. Sorgen Sie dafür, daß einMeßgerät hier angebracht wird. Wenn sichherausstellt, daß der Spalt sich vergrößert,sind wir gezwungen, einen Start zu versu-chen und an einer anderen Stelle wieder zulanden. Ich kann es mir zwar nicht vorstel-len, aber hier ist alles möglich.«

»Jedenfalls war er vorher nicht da«, wie-derholte sie energisch. »Er ist erst nach derLandung entstanden. Vielleicht ein kleinesBeben.«

»Die VALKARON ist gefährdet. Küm-mern Sie sich um das Meßgerät.«

Sie kehrten ins Schiff zurück. Im. Kon-trollraum wandte sich Parentok an dendiensthabenden Funker:

»Immer noch kein Kontakt?«»Er ging verloren, als sie die Höhle betra-

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ten. Aber das ist kein Grund zur Sorge. Werweiß, wie tief sie hinabgegangen sind? DieFelsen schirmen alle Wellen ab.«

»Vielleicht haben Sie recht. Bleiben Sieauf Dauerempfang.«

Zeranal kümmerte sich inzwischen umdas Meßgerät, das trotz der Energiefelderder Skärgoth nicht versagen konnte, weil esauf rein mechanischer Basis arbeitete. Eswurde an einer Stelle der Felsspalte so ange^bracht, daß jede Vergrößerung sofort regi-striert und berechnet wurde.

Am anderen Tag, fast dreißig Stundenspäter, war noch immer kein Lebenszeichenvon Toschmol, Arkanol und Karon einge-troffen.

Aber der Spalt war um zwölf Zentimeterbreiter geworden.

*

Zehn Meter vor dem ersten Torbogenblieb Toschmol stehen. Auch seine Begleiterhielten an, denn auch sie hatten die in regel-mäßigen Abständen angebrachten künstli-chen Gegenstände bemerkt, die an die kurz-en Läufe von Impulsstrahlern erinnerten.Diese Läufe richteten sich konzentrisch aufjeden, der den Weg benutzte und unter demTorbogen hindurchgehen wollte.

»Das sieht nicht nach einem freundlichenEmpfang aus«, konstatierte Arkanol befrem-det. »Eher nach einer Falle. Wenn das keineEnergieschleudern sind, will ich nicht mehrArkanol heißen.«

»Es sind welche!« bestätigte Karon denVerdacht des Offiziers.

»Also eine Energiesperre?«»Ganz richtig!«»Und wie sollen wir an ihr vorbeikom-

men? Ein Bogen steht neben dem anderen,es gibt keine Zwischenräume.«

»Wir stehen nicht vor der ersten Sperre,Arkanol. Haben Sie die fünf Meter hohenKristalle im Korridor schon vergessen?«

»Sie meinen, das war auch eine Sperre?«»Mit Sicherheit, aber sie hielt uns nicht

auf. Wenn schon, dann sind die Sperren für

andere gedacht, nicht für uns. Ich beginneallmählich Toschmols Behauptung zu glau-ben, daß wir erwartet werden.«

»Von Klinsanthor?«»Wer sonst könnte dies alles geschaffen

haben …?«Trotzdem blieb Arkanol vorsichtig, aber

er hielt auch Toschmol nicht zurück, als die-ser sagte:

»Also gut, dann werde ich es eben versu-chen. Wartet hier, bis ich unter dem Torbo-gen hindurch bin.«

Er hatte seinen Impulsstrahler in den Gür-tel geschoben und streckte die Arme waage-recht vor, als er sich in Bewegung setzte.Die beiden anderen sahen ihm mit gemisch-ten Gefühlen nach und befürchteten jedenAugenblick das Aufblitzen energetischerEntladungen, die dem Leben des Wissen-schaftlers ein jähes Ende bereiten würden.

Aber nichts geschah.Unangefochten durchschritt Toschmol

den Torbogen und erreichte die andere Seite.Er ging ein paar Meter weiter, blieb stehenund drehte sich um.

»Nun, was ist? Wollt ihr dort anwach-sen?«

Arkanol und Karon setzten sich nach kur-zem Zögern ebenfalls in Bewegung, ließenaber die Strahlmündungen der vermutlichenEnergiewaffen nicht aus den Augen. Sie at-meten beide erleichtert auf, als sie unge-schoren neben Toschmol standen.

»Das erinnert mich an eine Art von Mut-probe«, stöhnte Arkanol. »Dieser Klinsan-thor hat wirklich Ideen!«

»Ich hoffe nur, daß es bei Ideen bleibt«,meinte Karon.

Rein optisch betrachtet, waren die vorherscheinbar in ihrer Öffnung durchsichtigenTorbögen durchaus normale Bauten, dochnun stellte es sich heraus, daß sie alles ande-re als nur das waren. Die Durchgänge warenSichtsperren. Erst jetzt war zu sehen, washinter den Torbögen lag.

Eine weite Ebene erstreckte sich vor dendrei Arkoniden, mit vereinzelten, sehr hohenBäumen bewachsen, die riesige Blätter tru-

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gen. Am Horizont war eine schimmerndeFläche zu erkennen, die an die poliertenStellen an der Oberfläche erinnerten.

Darüber spannte sich der helle Kunsthim-mel der Unterwelt.

Karon, der sich noch einmal umdrehte,rief erschrocken aus:

»Die Torbögen … der Garten …!«Beides war spurlos verschwunden. Dort,

wo eben noch die Bögen gestanden hatten,war nichts mehr als eine glatte Felswand. Esgab keinen Garten mehr, aber in der Wandauch keinen Korridor.

Klinsanthor hatte ihnen endgültig denRückweg abgeschnitten.

»Das macht unsere Entscheidung einfa-cher, wenn auch nicht leichter«, sagte To-schmol nach einiger Zeit. »Wir können nichtmehr zurück – es sei denn, alles ist nur eineoptische Täuschung. Also müssen wir in derbisherigen Richtung weitergehen – nachvorn.«

»Ich will es genau wissen!« Arkanol gingauf die Felswand zu und zog den Strahler. Insicherer Entfernung feuerte er schräg gegendas Gestein. Das Energiebündel versprühte,als es gegen feste Materie prallte und glittab. Auf dem Felsen blieben keine Spurenzurück. »Erstaunlich, wirklich erstaunlich…«

»Wieder einmal Materie, die aus demNichts entstand«, stellte Karon sachlich fest,aber seine Stimme zitterte ein wenig dabei.»Wenn die Sage stimmt und Klinsanthor ei-ne Waffe ist, dann beginne ich zu verstehen,warum mit seiner Hilfe Kriege zu gewinnensind. Nur frage ich mich, warum Orbana-schol ihn nicht früher zu Hilfe rief – für denKrieg gegen die Maahks.«

Unter dem nächsten Baum ließen sie sichnieder und machten Rast. Zum Glück hattensie auch Wassertabletten dabei, um ihrenDurst zu stillen.

Toschmol zog wieder seine Karte hervor.»Wir haben nun ein Dutzend Kilometer

zurückgelegt und sind etwa hier.« Er deuteteauf einen Punkt, der ungefähr in der Mitteder eingezeichneten Riesenhöhle lag. »Bis

zum Rand des Tales sind es noch acht Kilo-meter – wir können die Wand bereits se-hen.«

»Wenn sie nicht verschwindet.« Arkanolzerkaute eine der Konzentrattabletten.»Wundern würde es mich nicht.«

Toschmol ging nicht darauf ein.»Wir werden also versuchen, die Wand zu

erreichen. Auch wenn wir die Gruft Klinsan-thors nicht auf Anhieb entdecken, so findenwir dort vielleicht wenigstens einen Aus-gang aus dem Labyrinth.«

»Hört sich nach Aufgeben an, Toschmol.«Karon betrachtete nachdenklich die großenBlätter, die den Baum schmückten. »Ichkann mir nicht helfen, aber ich meine, siebewegen sich, obwohl von Wind hier nichtszu spüren ist.«

»Ich denke nicht daran aufzugeben«, wi-dersprach Toschmol. »Ich ziehe nur eineMöglichkeit in Erwägung, das ist alles.«

»Kein Zweifel, die Blätter bewegen sich.So, als wären sie lebendig.«

Nun sah es auch Arkanol. Er kramte inseiner reichhaltigen Erinnerung und suchtenach einer Parallele, die er auch sofort fand.

»Ich kann mich entsinnen, daß wir einmalauf der Flucht vor einem überlegenen Feind-verband eine blinde Transition vornahmenund auf einem wilden Urplaneten Schutzsuchten. Wir fühlten uns sicher, aber unsereOrter verrieten uns, daß im Umkreis vonLichtjahren Dutzende von Schiffen derMaahks Jagd auf uns machten. Einen Funk-spruch abzusetzen und Verstärkung anzufor-dern, wäre Selbstmord gewesen. Also blie-ben wir und beschlossen, die Zwangspausezu einem Erholungsurlaub auszunutzen. Dashätten wir lieber nicht tun sollen.«

»Die Maahks fanden euch?«»Nein, sie verzogen sich bereits nach we-

nigen Tagen und suchten einen anderen Sek-tor ab, aber wir hatten den Fehler begangen,die Natur des Planeten nicht exakt genug zuuntersuchen. Es gab Tiere, aber sie schienenungefährlich zu sein, nur befanden sie sichständig auf der Flucht, was wir nicht ver-standen. Bis wir den ersten Mann durch den

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Überfall einer harmlos wirkenden Pflanzeverloren.«

»Aha, ich beginne zu begreifen.« Karonsah hinauf in das dichte Laubdach des Bau-mes, unter dem sie saßen. »Und Sie glauben,hier gäbe es auch fleischfressende Pflan-zen?«

»Möglich ist es doch wohl, nicht wahr?Nach allem, was wir bisher erlebten. Nurwar es auf dem Urplaneten so, daß sich diegefährlichen Pflanzen fortbewegen konnten.Sie stellten uns regelrechte Fallen, umzin-gelten einzelne Gruppen von uns und tötetensie bis auf den letzten Mann. Es war wirk-lich grauenhaft, denn wenn wir sie auch mitden Strahlern verbrannten, so wuchsen dieAbleger über Nacht neu heran und nahmenRache.«

Karon stand auf und setzte sich zwanzigMeter weiter auf einen Stein.

»Hier fühle ich mich sicherer.«Toschmol begann sich nun ebenfalls für

den Baum zu interessieren. Vorsichtig erhober sich und berührte ein weit herabhängen-des Blatt.

»Kein elektrischer Schlag, aber klebrig.Kann sein, daß sie so Insekten fangen. Ichglaube, wir sollten uns keine Sorgen machenund endlich weitergehen. Wir verlieren zu-viel Zeit.«

Arkanol ging zu Karon, »Finden Sie nichtauch, daß eben ein Lufthauch zu spüren war,so als käme ein leichter Wind auf?«

»Ja, allerdings. Vielleicht befinden wiruns gerade zwischen zwei Höhleneingängen,die zur Oberfläche führen und fühlen denDurchzug.«

»Dann wäre er schon immer da gewesen.«Sie diskutierten noch einige Minuten dar-

über, dann folgten sie Toschmol, der sich inMarsch gesetzt hatte. Ihn schienen weder dieBäume noch der leichte Wind zu stören.

Sie kamen gut voran, doch vorsichtshal-ber machten sie um jeden Baum einen Um-weg. Die Erzählung Arkanols hatte sie miß-trauisch werden lassen. In dieser phantasti-schen Scheinwelt konnte jeder Grashalm ei-ne tödliche Gefahr in sich bergen.

Der Wind war kräftiger geworden undkam von hinten. Wenigstens hielt er sie sonicht auf, sondern beschleunigte nur nochihre Gangart. Er verhinderte zum Glückauch, daß sie links im Kreis gingen.

Dann wurde der Wind zu einem Sturm.Karon bemerkte es zuerst.Er blieb stehen und stemmte sich mit aller

Kraft gegen den Luftzug. Seine Begleiterhielten ebenfalls an.

»Die Blätter! Sie lösen sich von den Bäu-men und fliegen davon. Wie große Vögel –seht doch nur!«

Toschmol kniff die Augen zusammen, alser den Flug der Blätter beobachtete. Er woll-te sich davon überzeugen, daß er sich nichttäuschte, denn er war sich seiner Sachedurchaus nicht sicher. Es war ihm, als flögennicht alle Blätter genau mit dem Wind. Eini-ge segelten quer zur allgemeinen Richtung,andere sogar dagegen.

Auch Arkanol kam zur gleichen Feststel-lung. Voller Panik brüllte er:

»Sie sind lebendig und können fliegen,wohin sie wollen! Sie verfolgen uns …!«

So war es wirklich.In Schwärmen näherten sich ihnen die

meterlangen Blätter und kreisten sie förm-lich ein. Arkanol begann wie wild auf sie zufeuern, und diesmal wurden seine Energie-strahlen nicht absorbiert. Sie verbrannten diegetroffenen Blätter, die sich in davon schwe-bende Aschewölkchen verwandelten.

Aber es waren ihrer zu viele.Obwohl nun auch Toschmol und Karon

das Feuer auf die unheimlichen Angreifereröffneten, wurden sie von der Übermachtregelrecht zugedeckt. Schließlich nutztenauch die Waffen nichts mehr, weil sie sichsonst gegenseitig gefährdet hätten.

Der Klebstoff an der Unterseite der Blät-ter haftete an ihren Anzügen, am Gesichtund an den Händen. Sie behinderten ihre Be-wegungen, als sie zu fliehen versuchten, da-bei hatte der Sturm noch zugenommen. Erwar so stark, daß er Karon mehrere Meterweit durch die Luft fliegen ließ, ehe er wie-der festen Boden spürte.

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In einer größeren Mulde fanden sie sichwieder.

Sie lagen unter den Blättern begraben, diewie Pech an ihnen klebten und sich nur untergrößter Anstrengung lösen ließen. Aber siegriffen nicht weiter an, wie Arkanol es be-fürchtet hätte. Ihre Aufgabe schien es nur zusein, die Eindringlinge festzuhalten.

»Wir müssen uns gegenseitig von ihnenbefreien«, schlug Toschmol vor und beganndamit, das lästige Zeug von Karons Rückenzu ziehen.

Als sie es endlich geschafft hatten, blie-ben sie noch in der fast windstillen Muldeliegen und sahen vorsichtig über ihren Randhinaus, um ihre Umgebung unter Beobach-tung zu halten. Noch immer segelten Blättermit dem Wind dahin, aber sie machten keineAnstalten, in der Mulde niederzugehen. ZuToschmols Entsetzen kehrten sie sogar Dut-zendweise zu ihren Bäumen zurück – undwuchsen sofort wieder an.

»Ich verliere noch den Verstand«, be-hauptete Karon, dem die geltenden physika-lischen Gesetze wichtiger als alles anderewaren. »Hier hat nichts mehr Gültigkeit, aufdem unsere eigene Welt aufgebaut ist. Wiesoll man da Erklärungen finden?«

»Dies ist auch nicht unsere Welt«, erin-nerte ihn Toschmol. »Es ist die WeltKlinsanthors.«

3.

Über dem Tal brach ein neuer Tag an. Esdauerte allerdings noch Stunden, ehe dielangsam steigende Sonne den Rand des Ge-birges erreichte und ihre roten Strahlen indie unwirklich anmutende Landschaftschickte.

Der Spalt unter der VALKARON war in-zwischen ein Meter breit geworden, seineRänder näherten sich unaufhaltsam den bei-den nächsten Landestützen.

Parentok rief die Besatzung zu einer Be-sprechung zusammen und schlug einenStartversuch vor. Er stieß auf heftigen Wi-derstand, denn man traute ihm nicht. Einer

der Arkoniden sprach es aus:»Ich kann mir denken, was Sie planen,

Parentok. Aber wir lassen Toschmol undseine Begleiter nicht im Stich. Wir müssenwarten, bis sie zurückkehren.«

»Können wir warten, bis der Spalt so breitwird, daß die VALKARON einsinkt? Dannist es für jeden Start zu spät. Außerdemdenkt niemand daran, Toschmol hier zurück-zulassen. Ich will nur einen besseren Lande-platz suchen, das ist alles.«

Nach langer Debatte gelang es Parentok,die Leute zu überzeugen. Allerdings ver-langten sie, dem Start in der Kommandozen-trale beizuwohnen, denn ihr Mißtrauen hatteer nicht beseitigen können.

Zeranal übernahm die Navigation, obwohldas für den beabsichtigten Kurzflug über-flüssig schien. Einer der leitenden Techni-ker, zugleich ein erfahrener Raumpilot,übernahm die Hauptkontrollen.

Parentok schaltete die Energie ein.Eigentlich hatte er damit gerechnet, daß

sie ausblieb, wie es schon einmal der Fallgewesen war, aber zu seiner Überraschungzeigten alle Instrumente volle Leistung an.

Schon bei schwachem Schub hob dasSchiff ab und stieg langsam in die Höhe. Esgehorchte auch der Steuerung und flog mitgeringer Geschwindigkeit bis zum Rand derpolierten Fläche, wo der Pilot es sanft nie-dergehen ließ.

Parentok atmete auf. Die Energie wurdeabgeschaltet.

»Na also«, sagte er zu den anderen undversuchte ein krampfhaftes Lächeln. »Soschlimm war es nicht. Wenigstens wissenwir nun, daß wir im Notfall jederzeit startenkönnen. Die Energiefelder scheinen schwä-cher geworden zu sein.«

Sie verließen das Schiff, um sich davonzu überzeugen, daß sie diesmal auf wirklichfestem Boden standen. Zu ihrer Beruhigungkonnten sie keine einzige Spalte I ent-decken. Nur Zeranal blieb skeptisch. »Dortdrüben gab es auch keine«, betonte sie Pa-rentok gegenüber. »Sie kann hier genausoentstehen wie am alten Landeplatz. Ich wür-

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de die Meßinstrumente bei den Landestützenlassen.«

»Das hatte ich auch vor. Außerdem binich der Meinung, wir sollten uns um To-schmol kümmern. Vielleicht befindet er sichin Gefahr und braucht Hilfe. Was halten Sievon einer Rettungsexpedition?«

»Niemand wird ihm in die Höhlen fol-gen«, prophezeite sie – und behielt recht.

Dann wurde ein Kompromiß geschlossen.Der Gleiter sollte einen zweiten Erkun-dungsflug unternehmen, denn es war durch-aus möglich, daß Toschmol und seine Be-gleiter auf der anderen Seite des Tales einenAusgang gefunden hatten und warteten, ab-geholt zu werden. Vielleicht waren dieFunkgeräte und Flugaggregate ausgefallen.

Der Pilot Vanthor half der ChemikerinTarnar beim Einsteigen. Wenig später erhobsich der Gleiter und strebte in geringer Höheüber den festen See auf das Randgebirge zu.Dort wollte man zuerst suchen.

Die Höhleneingänge waren leer. Von denGesuchten war keine Spur zu entdecken,doch das war bei dem felsigen Gelände ver-ständlich. Damit der Linksdrall, der nichtnachgelassen hatte, ungefährlich blieb, hieltsich Vanthor links von den steil aufragendenFelsen. Tarnar vergewisserte sich, daß derFunkkontakt zur VALKARON funktionierteund versprach, in regelmäßigen AbständenVerbindung aufzunehmen.

Ohne es selbst zu wollen, stieg Vanthorallmählich immer höher, bis die Gipfelrechts den Gleiter nicht mehr länger über-ragten. Der Blick auf das, was hinter demRandgebirge lag, wurde frei.

Tarnar, die das Verhalten des Pilotennicht kritisierte, war im ersten Augenblickenttäuscht. Sie wußte selbst nicht, war sieerwartet hatte, aber nun erblickte sie einewilde, zerklüftete Landschaft, die von Hun-derten von riesigen Spalten und Schluchtendurchzogen wurde. Dagegen wirkte das Talgeradezu einladend.

»Wo seid ihr?« fragte Parentok, als sieKontakt aufnahm.

»Auf der gegenüberliegenden Seite. Noch

keine Spur.«»Sucht weiter. Hier keine Neuigkeiten.

Der Boden hält.«Hoffentlich bleibt es so, dachte sie und

schaltete ab.Vanthor überquerte den Kamm und ent-

fernte sich immer weiter von der VALKA-RON und ihrem neuen Landeplatz.

»Jede dieser Schluchten kann zugleich einZugang zu dem Höhlenlabyrinth sein«, ver-mutete er und zog die Kopie von ZeranalsKarte zu Rate. »Wo soll man da zu suchenanfangen?«

Sie nahm die Karte.»Der ganze Planet scheint durchhöhlt zu

sein, kein Wunder also, wenn es Beben gibt.Damit hat die Spalte am Ländeplatz eine na-türliche Erklärung gefunden. Übrigens habeich eben, als wir den Rand des Tales erreich-ten, der dem Landeplatz gegenüberliegt, kei-ne Höhleneingänge entdecken können. Ichbeginne, mir Sorgen um Toschmol und dieanderen zu machen.«

Vanthor gab keine Antwort. Er hantiertenervös an den Kontrollen des Gleiters undlehnte sich dann ratlos zurück.

»Das verstehe ich nicht, Tarnar. Er ge-horcht mir nicht mehr.«

»Was soll das heißen?«»Daß er hinfliegt, wohin er will. Wir ent-

fernen uns immer mehr vom Talrand. Auchdie Instrumente sind ausgefallen. Unterrich-te die VALKARON, aber schnell!«

Sie versuchte es, aber der Empfängerblieb stumm.

Der Kontakt war abgerissen.Von unsichtbaren Energiefeldern einge-

fangen, trieb der Gleiter immer weiter hineinin die Felslandschaft, hielt sich dabei abergenügend hoch, um nicht die Gipfel zu strei-fen, die hoch hinauf in die dunstige Atmo-sphäre reichten. Mehrmals wurde die Flug-richtung geändert, ohne daß Vanthor dieKontrollen berührt hätte. Nur die Antigrav-aggregate arbeiteten noch, obwohl auch dasüberflüssig geworden zu sein schien.

Es konnte kein Zweifel daran bestehen,daß eine unbekannte Macht Besitz von dem

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Gleiter und seinen beiden Insassen ergriffenhatte und sie einem ungewissen Ziel entge-gensteuerte …

»Wir hätten sie nicht fliegen lassen sol-len«, warf Zeranal Parentok vor. »Seit fünfStunden haben wir keine Funkverbindungmehr. Was mag geschehen sein?«

»Keine Ahnung. Wir können nur warten,denn ein zweiter Gleiter ist nicht vorhan-den.«

»Aber wir haben den Energiekissen-schweber«, erinnerte sie ihn. »Der kann we-nigstens nicht abstürzen.«

»Ich kann mir nicht denken, daß der Glei-ter Havarie erlitten hat. Dann könnte Tarnarnoch immer funken – wenn sie lebt.«

Sie warf ihm einen erstaunten Blick zu.»Ich beginne mich zu wundern, Parentok.

Sie scheinen sich plötzlich über nichts mehrSorgen zu machen. Ist Ihnen das Schicksalunserer Freunde gleichgültig geworden?Denken Sie nur noch an sich selbst?«

»Unsinn!« Wenn er verlegen oder betrof-fen war, so zeigte er es nicht. »Ich denke le-diglich nüchtern und praktisch, weil ich er-kannt habe, wie hilflos wir in Wirklichkeitsind. Wenn Toschmol rechtzeitig auf michgehört hätte, wären wir nicht in diese ver-zweifelte Lage geraten. Außerdem tut mirdie ganze rechte Seite weh. Und nun lassenSie mich in Ruhe, ich habe zu tun.«

Wortlos verließ sie die Zentrale und gingin ihre Kabine.

Parentok sah ihr nach, dann bat er überden Interkom die Ärztin, ihn aufzusuchen.Als er ihr seine Beschwerden mitteilte, sagtesie:

»Sie sind nicht der erste, der überSchmerzen klagt. Einige verlieren rechts so-gar die Sehkraft. Andere scheinen auf demrechten Ohr taub zu werden. Ich finde keineErklärung.«

»Es muß aber eine geben!« fauchte er siean und schaltete ab.

Nach einer Injektion, von deren Wirkunger nicht viel hielt, verließ er das Schiff undbegab sich nach draußen. Seine heimlicheBefürchtung, unter der VALKARON könne

vielleicht wieder ein neuer Spalt entstandensein, bewahrheitete sich nicht. Der felsigeBoden wirkte äußerst solide. Selbst einschwaches oder mittleres Beben würde ihmnichts anhaben können.

Stumm sah er hinüber zu den Höhlenein-gängen auf der anderen Seite des gläsernenSees. In ihnen waren Toschmol, Arkanolund Karon verschwunden, es war nun be-reits fünfzig Stunden her.

Würden sie jemals wieder zurückkehren…?

Parentok begann es zu bezweifeln.

*

Ähnliche Zweifel hegten Vanthor undTarnar, allerdings verständlicherweise ganzauf sich bezogen. Ihr Gleiter hatte sich nunschon so weit vom Talrand entfernt, daß dieGipfel des Randgebirges nicht mehr von denBergen der zerklüfteten Hochfläche zu un-terscheiden waren, Tarnar hatte ihre Versu-che, Verbindung mit der VALKARON zuerhalten, längst aufgegeben. Die Instrumentezeigten keine Werte mehr an, aber sieschätzte, daß sie seit dem Start zweihundertKilometer zurückgelegt hatten.

Vanthor erschrak, als er ein leichtes Krib-beln in sämtlichen Gliedern fühlte, so als seier mit einem schwachen Energieleiter in Be-rührung gekommen. Tarnar bestätigte ihmauf seine Frage hin die gleiche Beobach-tung.

»Vielleicht eine Auswirkung der Fern-steuerung, oder wir schweben im Zentrumeines Energiefelds. Die Wandung des Glei-ters ist schwach im Vergleich zur Hülle derVALKARON, deshalb haben wir frühernichts davon bemerkt.«

»Schon möglich, aber beruhigend ist estrotzdem nicht.«

Ein wenig später begann der Gleiter abzu-sinken.

Unter ihnen lag eine breite, aber nichtsehr tiefe Schlucht, mehr ein langgestrecktesTal. Allerdings schien es nicht durch einenFlußlauf entstanden zu sein, denn von einem

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solchen konnte Vanthor nichts sehen.Bevor der Gleiter landen konnte, sagte

Tarnar hinter ihm:»Ich habe Sehstörungen, Vanthor. Deine

Körperumrisse scheinen zu verschwimmen –aber auch der Gleiter wird transparent. Wassoll das denn nun wieder bedeuten?«

Er drehte sich um. Seine Augen wurdengroß und rund. »Du wirst auch durchsichtig,Tarnar! Es ist so, als würdest du dich in Luftauflösen.«

Der Gleiter landete mit einem leichtenRuck.

Rechts und links stiegen die Felswändefast senkrecht nach oben. Die Talsohle warnackt und kahl. Keine Spur von Vegetationgab es, dafür aber Dutzende von regelmäßiggeformten Höhleneingängen, die in denBerg hineinführten – ähnlich wie jener, indem Toschmol verschwunden war.

»Wir müssen aussteigen«, mahnte Van-thor.

»Ich rühre mich nicht von der Stelle!« er-widerte sie. »Jetzt bist du fast völlig durch-sichtig geworden …«

Vanthor blieb sitzen. Vorsichtig tastete erseinen Körper ab und stellte erleichtert fest,daß er noch in fester Form vorhanden war,obwohl er von den Umrissen nur noch einleichtes Flimmern wahrnahm. Er drückte zuund spürte den Schmerz.

»Es muß sich um ein Deflektorfeld han-deln, das Lichtstrahlen derart umlenkt …«

»Was immer es auch sein mag – es ist un-heimlich. Vielleicht geht es vorüber, wennwir lange genug warten.«

Davon war Vanthor nicht überzeugt. Ervergaß nicht, daß der Gleiter gegen seinenWillen zur Landung gezwungen wordenwar. Jemand – oder irgend etwas – hatte sieabsolut unter Kontrolle.

Inzwischen waren die Umrisse des Glei-ters wieder voll sichtbar geworden, die bei-den Arkoniden jedoch blieben geisterhafteSchatten, wurden aber nicht völlig transpa-rent.

Vanthor erhob sich und öffnete den klei-nen Ausstieg. Ohne auf Tarnars Warnung zu

hören, kletterte er hinaus. Zu seiner Verblüf-fung verspürte er kaum ein Gewicht, als erauf den felsigen Grund hinabschwebte. Eswar, als gäbe es plötzlich keine Schwerkraftmehr.

Er blickte zurück. Die Kabine des Gleitersschien leer zu sein. Erst als er genauer hin-sah, konnte er die Umrisse der Arkonidin er-kennen.

»Komm her!« sagte er, nicht sehr laut.Trotzdem verstand sie seine Worte.

»Ich komme …«Auch sie war nahezu schwerelos gewor-

den und landete dicht neben ihm. Sie nahmseine Hand, und er konnte die ihre fühlen.Zugleich macht sich ein anderes Phänomenbemerkbar, dessen wahre Natur sie beidenicht sofort begriffen. Sie begannen einan-der zu verstehen – ohne zu sprechen.

Sie wurden Telepathen.Wir müssen dem Ruf folgen, dachte Van-

thor.Ja, ich empfange ihn auch. Sie warten

auf uns …Der Gleiter blieb auf der Talsohle stehen,

einsam und verlassen, als die beiden Arkoni-den nur wenige Zentimeter über dem felsi-gen Boden dahinschwebten, fast unsichtbarund nicht mehr an die Fesseln der Schwer-kraft gebunden. Sie hielten sich bei denHänden, um sich nicht zu verlieren, aberwahrscheinlich wäre das nicht nötig gewe-sen.

Eine der gewaltigen Höhlen nahm sie auf,aber sie hätten nicht zu sagen vermocht, obes hell oder dunkel war. Sie sahen nichtmehr mit körperlich vorhandenen Augen,sondern mit dem Gehirn oder Bewußtsein.Ein wohltuendes energetisches Feld nahmsie auf, so wie ein heißes Wasserbad einenHalberfrorenen wärmend umspült.

Sie fühlten sich geborgen und in endlicherSicherheit. Vergessen waren alle ihre Sorgenund auch ihre Freunde, die sie in einer ande-ren, rein materiellen Welt zurückließen. DasParadies hatte sie aufgenommen, obwohl sienicht gestorben waren.

Ist es nicht wunderbar?

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Das Leben war noch nie so wunderbar,stimmte sie lautlos zu.

Die vorbeigleitenden Wände des breitenKorridors leuchteten in allen nur denkbaren– und undenkbaren – Farben. Seltsame Mu-ster veränderten sich ständig und formtenimmer wieder neue Symbole und abstrakteModelle. Ein seltsames Summen, stummund doch vernehmbar, war überall und be-gleitete die beiden von einem energetischenUniversum aufgenommenen Arkoniden.

Ich glaube nicht, Tarnar, daß wir nochleben – wenigstens nicht mehr in dem unsbekannten Sinn. Wir sind gestorben.

Du meinst, so wäre der Tod!Nicht immer. Nur für uns. Unser Da-

seinszustand hat sich einfach verwandelt,das ist alles. Für die Welt, wie wir sie kann-ten, sind wir tot. Wir existieren nicht mehrfür sie. Dafür, und davon bin ich fest über-zeugt, holt man uns in eine andere Welt, inder wir den Körper nicht mehr brauchen.Ich verstehe nun, wie überflüssig unsereKörper gewesen sind …

Ein Übergangsstadium, dachte sie zurück.Der Korridor mündete im Freien – wenig-

stens sah es im ersten Augenblick so aus.Ein weißschimmernder Himmel spannte sichüber einer phantastischen Landschaft, in derbizarre Gebilde »wuchsen«. Sie erinnertenzuerst an Bäume, aber sie waren alles andereals das. Säulen aus einem unbekannten Ma-terial türmten sich gegen das schimmerndeGewölbe, verzweigten sich mehrmals undendeten in dünnen, zerbrechlichen Ästen.

Vanthor und Tarnar schwebten an denglitzernden Stämmen vorbei, und dannglaubten sie, ein telepathisches Flüstern zuvernehmen.

Helft uns! Warum helft ihr uns nicht …?Die beiden Arkoniden begriffen nicht,

wer in dieser paradiesischen Welt Hilfe be-nötigte. Sie konnten auch niemand sehen.Nur eben die baumartigen Auswüchse, zwi-schen die sie hindurchglitten, aller Sorgenund Beschwerden ledig.

Beide konnten sich nicht erinnern, jemalsso glücklich gewesen zu sein.

Eine unbestimmte Zeit schwebten siedurch den merkwürdigen »Wald« und emp-fingen die Botschaften der für sie unsichtba-ren Gefangenen. Vor sich sahen sie einenbesonders großen und auffälligen »Baum«,auf den sie der energetische Strom zutrug.Das Gebilde war halb transparent, und inihm glaubten Vanthor und Tarnar einenSchatten erkennen zu können, der sich be-wegte.

Wir werden erwartet, dachte Vanthor.Ich weiß, gab sie zurück.Der Strom führte sie genau auf den riesi-

gen Stamm zu, der mehr einem unendlichhohen Gebäude glich, dessen Seitenkorrido-re frei nach allen Seiten abzweigten wie ge-waltige Äste. Auch sie waren nahezu durch-sichtig, aber man konnte ihr Inneres nicht er-kennen.

Ohne ein Hindernis zu berühren, drangendie beiden entstofflichten Arkoniden in dasrätselhafte Gebilde ein und wurden sofortvon dem, was sie dort bereits voller Gier er-wartete, aufgesogen …

*

Und wieder sank die lange Nacht über dasTal herab und zwang die überlebenden Ar-koniden, in die VALKARON zurückzukeh-ren.

Die Stimmung war verständlicherweisegedrückt und ohne jede Zuversicht oderHoffnung, soweit es die Rückkehr der bei-den nun schon seit vielen Stunden vermißtenExpeditionen anbetraf.

Mehr als einmal dachte Parentok nun wie-der daran, zwei oder drei Verbündete zu fin-den, sich mit ihnen in der Kommandozentra-le einzuschließen und mit dem Schiff zustarten, um diesen unheimlichen Planetenfür immer zu verlassen. Der kurze Flug hatteihm bewiesen, daß der Antrieb funktionierte.

Allein konnte er diesen Versuch nicht un-ternehmen, das wäre glatter Selbstmord ge-wesen.

Zeranal, die er behutsam auf das Themaansprach, reagierte abweisend und zornig.

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»Der Gedanke allein ist Verrat, Parentok.Niemand würde Ihnen dabei helfen. Manwürde Sie höchstens einsperren oder gar tö-ten.«

»Wir können doch nicht ewig hier war-ten!«

»Zumindest aber eine gewisse Zeit. Undwir haben noch immer das Fahrzeug, um ei-ne Suche zu wagen. Es ist klein genug, umin die Höhlen eindringen zu können.«

»Wenn uns auch der Schweber verloren-geht …«

»… dann ist ein Start eventuell zu überle-gen«, bot sie ihm einen Kompromiß an.

Und dabei blieb es vorerst.

4.

Mehrere Stunden hatten sie in der Muldegelegen und sich ausgeruht. Der Sturm hattenachgelassen, nachdem alle Blätter wiederzu ihren Bäumen zurückgekehrt waren – bisauf jene, die von den drei Arkoniden ver-nichtet worden waren.

Toschmol drängte zum Aufbruch.»Wir verlieren immer mehr Zeit. Was

sind schon diese kleinen Hindernisse undNaturwunder, denen wir begegnen? Bis jetztbedeutete noch keines eine echte Gefahr. Essind nichts als Prüfungen, davon bin ichüberzeugt. Nur Schwächlinge bestehen sienicht und müssen umkehren, ohne Klinsan-thor begegnet zu sein.«

Arkanol pflichtete ihm bei:»Ich bin ganz Ihrer Meinung, Toschmol.

Aber unsere Körper bedurften einer Ruhe-pause, das müssen Sie verstehen. Was nütztes uns, wenn wir kurz vor dem Ziel vor Ent-kräfgung zusammenbrechen?«

»Er hat recht«, stimmte nun auch Karonzu. »Jetzt haben wir uns von den überstande-nen Strapazen erholt und können weiter. Ichbin gespannt, was wir noch alles erlebenwerden.«

»Meine Sorge gilt eher Parentok. Viel-leicht hätten wir ihn nicht zurücklassen sol-len.« Arkanol runzelte die Stirn. »Er könnteauf dumme Gedanken kommen …«

»Soll er!« Toschmol stand auf und sahsich um. »Wenn Klinsanthor uns empfangenund anhören will, dann kann er auch verhin-dern, daß die VALKARON startet. Das hater bewiesen. – Gehen wir, der Wind ist ein-geschlafen, und die Felsen sind nicht mehrweit.«

Der künstliche Himmel war immergleichmäßig hell geblieben. In dem unterir-dischen Reich schien es ewig Tag zu sein.Eine Nacht gab es nur auf der Oberfläche.Der Wind war nun völlig eingeschlafen. Al-les war so wie vorher, als sie die Torbögendurchschritten hatten.

Die Felswand hob sich deutlich von derEbene ab und begrenzte den Horizont. Über-all standen die Bäume mit den Riesenblät-tern, aber nun wirkten sie harmlos und abso-lut ungefährlich. Schlaff hingen die buntenund meist grünen Schalen von den Ästen, alshätten sie diese niemals verlassen.

Vielleicht konnten sie das auch nicht,wenn kein Sturm wehte.

Die drei Männer kamen gut voran, dieFelswand rückte immer näher. Die erstenHöhleneingänge hoben sich gut von derdunklen Wand ab, denn aus ihrem Innerndrang das bekannte matte Schimmern.

Obwohl die fliegenden Blätter sich seitdem überraschenden Überfall nicht mehr ge-rührt hatten, waren sie alle froh, als sie denletzten Baum hinter sich ließen. Vor ihnenlag eine freie Fläche, die sie noch von denHöhlen trennte. Der Boden war glatt und fel-sig, aber ohne bemerkenswerte Hindernisse.

Obwohl sie nun insgesamt zwanzig Kilo-meter zurückgelegt hatten, war es ihnen klar,daß sie im Grunde genommen keinen einzi-gen Schritt weitergekommen waren. DieSpur des Magnortöters hatten sie nicht ge-funden, nicht einmal einen Hinweis, wo ersich aufhalten könnte – wenn er überhaupthier lebte und wenn dieser Planet wirklichdie Skärgoth war.

Sie gingen noch weitere fünfhundert Me-ter und blieben wie auf ein Kommando ste-hen, als sich die Landschaft vor ihnen plötz-lich veränderte. Wo vorher noch die kahle

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Ebene gewesen war, lag nun ein silbernschimmernder See, der sich bis hinüber zuden Höhleneingängen erstreckte.

War er eine optische Täuschung, oder hat-ten sie nur nicht bemerkt, daß sie ihn beimHinaufgehen nicht spürten?

»Ist das Wasser?« fragte Karon befrem-det. »Kann es hier überhaupt Wasser ge-ben?«

»Das Ufer ist nicht weit entfernt – gehenwir und finden es heraus«, schlug Arkalonvor.

Nach einigem Zögern wurde sein Vor-schlag angenommen, aber bereits dieses kur-ze Zögern war jenen unbekannten Mächtenwohl zuviel, denen sie seit ihrem Eindringenin das fremde Sonnensystem relativ hilflosausgeliefert waren.

Um sie herum entstand ein farbiges Flim-mern, das sie wie eine Wolke umgab undvöllig einschloß. Toschmol registrierte einwildes Ausschlagen seiner Meßinstrumente,das auf einen überstarken energetischen Ein-fluß schließen ließ. Gleichzeitig spürte er,wie er leichter und dann sogar gewichtsloswurde. Vergeblich versuchte er mit seinenFüßen wieder Grundberührung zu erreichen,aber ein nicht fühlbarer Wind trug ihn sanftdavon, auf das Ufer des Sees zu.

Seinen beiden Begleitern erging es nichtbesser. Sie sträubten sich zwar gegen die un-sichtbare Gewalt, die sie in die Höhe ent-führte, aber es half ihnen nichts. Keiner vonihnen konnte sich vorstellen, daß es die far-bige Wolke war, die sie gepackt hatte.

Minuten später schwebten sie über der un-beweglichen Oberfläche des Sees. Toschmolsah, wie Arkanol mit beiden Händen umsich griff, als suche er verzweifelt nach ei-nem Halt, und dann senkrecht in die Tiefestürzte. Mit den Füßen zuerst tauchte er inden See ein und verschwand darin. Gleich-zeitig begann auch Karon abzustürzen – undeine Sekunde danach Toschmol.

Die farbige Wolke hingegen stieg schnellnach oben und verschwand im künstlichenHimmel.

Toschmol sah die silbern schimmernde

Fläche rasend schnell auf sich zukommen,und kurz nach Karon spürte auch er einenharten Schlag gegen seine Füße, dann tauch-te er ein.

Er wußte sofort, daß es kein gewöhnlichesWasser war. Der Widerstand war wesentlichgrößer. Ihm war auch keine Zeit mehr ge-blieben, den Helm zu schließen, also galtseine erste Sorge dem Wiederauftauchen,um nicht zu ertrinken – oder zu ersticken.

Zu seinem Erstaunen stieg er auch ohneSchwimmbewegungen nach oben und er-reichte die Oberfläche. Als er die Augenwieder öffnete, sah er Arkanol und Karondicht neben sich auf der zähflüssigen Massetreiben.

Nein, das war kein Wasser. Es war etwas,das aus unzähligen winzigen Kristallkörpernbestand, etwa wie Treibsand, nur viel feinerund mehliger. Das spezifische Gewichtmußte jedoch sehr hoch sein, sonst hätte esdie Arkoniden nicht tragen können. Sie wä-ren rettungslos in dem silbernen Meer ver-sunken.

Karon begann zu schwimmen, aber nurein wohlwollender Beobachter hätte seinekrampfhaften Armbewegungen so bezeich-nen können. Er kam nur langsam voran undnäherte sich Toschmol, der bewegungslosabwartete, weil er befürchtete, wieder zuversinken.

»Das ist einfach nicht wahr!« keuchte Ka-ron, als er ihn fast erreicht hatte. »WinzigeKristalle, keine Flüssigkeit in unserem Sin-ne! Und sie flüstern!«

Toschmol, der zu seiner Erleichterungsah, daß auch Arkanol sich langsam näherte,erwiderte:

»Sie flüstern? Wer? Die Kristalle?«»Der ganze See flüstert! Hören Sie es

nicht?«Toschmol lauschte, und er konnte es hö-

ren. Aber ihm war, als dränge das leise, wis-pernde Geräusch nicht durch seine Gehör-gänge an sein Bewußtsein, sondern … nun,eben anders. Er spürte es mehr, als daß er eshörte. Aber wenn es Botschaften waren, soblieben sie ohne jeden Sinn.

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Inzwischen kam auch Arkanol näher.»Das war eine Energiewolke, die uns hier

hineinwarf! Ich habe nun bald genug vondiesen unliebsamen Überraschungen. Wirwollen so schnell wie möglich versuchen,das Reich dieses Superzauberers zu verlas-sen. Zuerst einmal das Ufer! Ich will festenBoden unter den Füßen haben!«

Obwohl sie nicht versanken, benötigtensie alle ihre Kräfte, um von der Stelle zukommen und endlich wieder das Ufer zu er-reichen. Karon sah immer wieder zum Him-mel empor; er schien zu befürchten, daß diefarbige Wolke zurückkehrte und sie aber-mals in den Silbersee warf.

Das telepathische Geflüster hörte auchdann nicht auf, als sie aus dem See kletter-ten. Es blieb konstant, wenn auch weiterhinunverständlich. Zweifellos handelte es sichum Botschaften, die ihnen übermittelt wer-den sollten, aber von wem sie stammten undwas sie bedeuteten, wußte keiner der dreiMänner.

»Die Frage ist: Wie kommen wir über denSee hinüber zu den Höhlen?« Toschmol wartrotz seines Eifers, Klinsanthor zu begegnen,ruhiger geworden. »Wenn unsere Flugaggre-gate funktionierten, wäre das ja sehr einfach,aber so …«

»Wir müssen umkehren«, sagte Arkanolentschlossen. »Es hat keinen Sinn, das müs-sen Sie doch endlich einsehen. Ich bindurchaus auf Ihrer Seite, das sollten Sielängst bemerkt Traben, aber ich fürchte, nunkommen wir nicht mehr weiter.«

»Zurück! Wohin wollen Sie denn zurück?Zu den Torbögen, die durch eine Felswandverschlossen wurden? Wir befinden uns aufeiner Einbahnstraße, Arkanol. Es gibt keinZurück mehr!«

»Aber auch kein Vorwärts!«Toschmol stand am Ufer des silbernen

Sees und starrte hinüber zu der Felswand.Deutlich hoben sich die Höhleneingänge ab.Sie schienen ihn zu rufen, und ihm kam derverrückte Gedanke, daß sie es waren, dieihm die telepathischen Botschaften schick-ten, nicht die unzähligen Kristalle des Sees.

Karon hatte sich gesetzt. Nachdenklichblickte er in die gleiche Richtung wie derWissenschaftler. Seinem Gesicht war nichtanzusehen, was er dachte und fühlte, ob erArkanol oder Toschmol zustimmte. Wer ihnjedoch genau kannte, der hätte gewußt, daßihn nur das Problem der merkwürdigen»Flüssigkeit«, beschäftigte, aus der der Seebestand. Er war und blieb Physiker, ob ernun von unerklärlichen Wundern umgebenwar oder nicht.

Die Zwangspause wurde abrupt beendet,als Toschmol sich umblickte und die farbigeWolke entdeckte, deren Kommen er heim-lich erhofft und zugleich befürchtet hatte.Sie näherte sich von der Ebene her, schiller-te in allen Farben und schien sich im Rhyth-mus einer unhörbaren Melodie hin und herzu wiegen.

»Sie kommt wieder«, sagte er nur undblieb ruhig stehen.

Karon sprang auf, rannte aber nicht weg.Er wußte, wie sinnlos ein Fluchtversuch seinwürde. Die Wolke war schneller als sie –wenn es überhaupt eine Wolke war. Wahr-scheinlich handelte es sich um ein energeti-sches Kraftfeld, das von einer Kommando-zentrale aus gesteuert wurde. Es hatte nichtsmit Zauberei zu tun, wohl aber mit einerüberlegenen Technik.

Arkanol blieb ebenfalls stehen. Er warkein Wissenschaftler, er war ein erfahrenerSoldat. Für ihn war jede Gefahr zu besiegen,die man sehen konnte. Wenigstens war dasbisher so gewesen. Jetzt allerdings fühlte ersich nicht mehr so ganz sicher, denn er be-gegnete Wundern. Da konnte man ihm wis-senschaftliche Erklärungen geben, sovielman wollte. Zauberei blieb Zauberei.

»Das verdammte Ding will uns nur auf-halten«, vermutete er.

»Oder über den See bringen«, hoffte To-schmol.

Karon schwieg. Vermutungen auszuspre-chen, hielt er für Kraftverschwendung, so-lange sie keine Entscheidung herbeiführenkonnten.

Die Wolke begann sie einzuhüllen, und

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abermals verloren sie ihr Gewicht undschwebten langsam – fast behutsam – in dieHöhe. Diesmal wußten sie, daß der See kei-ne unmittelbare Gefahr für sie bedeutete,deshalb verhielten sie sich ruhig. Aber siehatten die Geistesgegenwart gehabt, sich beiden Händen zu fassen, bevor sie emporgeho-ben wurden. Obwohl kein Wind wehte, trie-ben sie über den See hinaus, genau auf dieFelsenhöhlen zu.

*

Parentok hatte sich nie sonderlich umSwann gekümmert. Schon dessen Bartmochte er nicht, und schon gar nicht seineSelbständigkeit und sein unkonventionellesDenken und Handeln.

Trotzdem kam ihm der Gedanke, in ihmeinen guten Bundesgenossen zu finden. Alses draußen wieder dunkel zu werden begannund sie alle im Schiff waren, suchte er ihn inseiner Kabine auf.

Swann war sichtlich erstaunt, Parentok zusehen. Hinzu kam eine leichte Nervosität,die Parentok sich nicht sofort erklären konn-te.

»Entschuldigen Sie, Swann, aber ich hättegern mit Ihnen gesprochen.«

»Schießen Sie los, Parentok. Aber ichmöchte mich heute bald zur Ruhe begeben.«

»Die Nacht ist noch lang«, meinte Paren-tok und setzte sich, ohne dazu aufgefordertworden zu sein. »Wenn ich mich nicht irre,waren Sie doch auch nicht mit ToschmolsPlan einverstanden, diesen verrückten Plane-ten anzufliegen.«

Swann nickte. Er ahnte, worauf Parentokhinauswollte.

»Natürlich war ich es nicht, aber ich habenachgedacht und meine Meinung in gewis-ser Hinsicht geändert. Wenn ich das allesrichtig sehe, landeten wir hier nicht deshalb,weil Toschmol es so wollte. Wir wurden zurLandung gezwungen, und zwar noch zu derZeit, als Sie das Kommando führten. Sieprogrammierten eine Transition, die miß-lang. Haben Sie das vergessen? Schon von

diesem Zeitpunkt an befanden wir uns unterder Kontrolle jener unbekannten Mächte, diediesen Planeten beherrschen. Was also kannToschmol dafür? Ich gebe ihm keineSchuld.«

»Sie haben gesehen, daß wir die VALKA-RON ungehindert starten konnten, um einenneuen Landeplatz zu finden. Was hindertuns daran, mit einem plötzlichen Notstartvon hier zu verschwinden?«

Swann schüttelte bedächtig den Kopf.»Völlig sinnlos. Sie wissen, daß ich ein

feines Gespür für Strahlungen habe, und die-ser Planet ist voll davon. Wir können über-haupt nicht starten, und selbst wenn wir eskönnten, wäre eine Flucht Verrat an To-schmol und den anderen. Wir würden siedem Tod ausliefern, denn hier gibt es nichts,wovon sie sich ernähren könnten. Ich bin einharter Bursche, Parentok, aber kein Verrä-ter.«

Parentok zeigte seine Enttäuschung nicht.»Natürlich denke ich nicht daran, die Leu-

te im Stich zu lassen, ich habe nur eineMöglichkeit angedeutet. Ich schlage vor,daß wir noch einige Tage abwarten. Wirwissen, wie lange die Lebensmittelvorräteder beiden Expeditionen reichen. Also wis-sen wir auch, wann ihre Teilnehmer tot sind.Dann starten wir!«

»Hm …« Swann sann vor sich hin. Dannnickte er. »Also gut, das ist ein fairer Vor-schlag. Wie lange würde das noch dauern?«

»Fünf Tage noch. Ich kann also mit IhrerUnterstützung rechnen?«

»Wenn die anderen auch zustimmen –ja.«

Parentok erhob sich.»Also gut, ich werde auch mit den ande-

ren reden und ihre Ansichten erkunden. Wirsprechen uns dann später noch.«

»Aber nicht mehr heute«, sagte Swannund brachte ihn zur Tür.

Draußen auf dem Korridor begegnete Pa-rentok der jungen und hübschen AstronominZortain, die seinen Gruß ein wenig verlegenzurückgab. Er stellte keine Fragen und gingweiter, an der Biegung des Ganges aber

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blieb er stehen und sah zurück.Zortain verschwand in Swanns Kabine.Sieh mal einer an! dachte Parentok und

ging weiter.Er suchte noch einige andere Besatzungs-

mitglieder auf und unterhielt sich mit ihnen,ohne ihnen allerdings den Zweck seinesKommens zu verraten. Viele von ihnen hät-ten den Planeten Skärgoth lieber heute alsmorgen verlassen, aber die Furcht vor derAllmacht Klinsanthors steckte ihnen allzu-sehr in den Knochen – weniger allerdingsdie Sorge um Toschmol und seine Begleiter.

Wer in die Höhlen eindrang, hatte sich dieFolgen selbst zuzuschreiben.

Nicht ganz unzufrieden kehrte Parentok indie Kommandozentrale zurück, um Zeranalabzulösen. Die Arkonidin sah ihm neugierigentgegen.

»Nun?« erkundigte sie sich. »Erfolg ge-habt?«

Er zuckte die Schultern.»Wie man es nimmt. Fünf Tage und

Nächte müssen wir noch warten, ehe wir denStart versuchen. Dann wissen wir, daß To-schmol und die anderen nicht mehr leben.Eher will niemand den Versuch wagen, umnicht zum Verräter zu werden.«

»Das ist verständlich, und ich denke ge-nauso. Übernimmst du die Wache?«

Er lächelte ihr zu. »Ich werde in dreiStunden abgelöst. Erwartest du mich?«

Sie lächelte zurück.»Ich freue mich, Parentok …«

*

Die bunte Energiewolke setzte sie aufdem schmalen Felsband ab, das den Silber-see von den Höhlen trennte. Dann stieg sieschnell nach oben und verschwand.

Toschmol deutete nach vorn.»Da, seht nur! Die Höhle ist nur ein

Durchgang. Dahinter liegt wieder ein riesi-ges unterirdisches Reich. Ich sehe sogareinen Wald – oder täusche ich mich?«

»Werden wir wohl bald wissen«, vermu-tete Arkanol, der froh war, wieder festen

Boden unter den Füßen zu haben. »Gehenwir.«

Nur Minuten später standen sie jenseitsdes Felsdurchgangs, ein wenig erhöht, aufeinem sanften Hügelkamm und hatten einenumfassenden Blick auf das, was vor ihnenlag.

Der ferne Horizont verschwamm mit demkünstlichen Himmel zu einer diffusen Linie,die keine Schätzung zuließ. Auch die davorsich ausbreitende Landschaft ermöglichte inkeiner Weise eine vernünftige Definition.Das, was Toschmol als Wald zu erkennengeglaubt hatte, sah viel mehr wie eine unre-gelmäßige Anhäufung von schmalen, hohenBauten aus, die sich nach oben zu verzweig-ten – wie die Äste eines Baumes. Aber dieBäume waren nicht grün, sondern sie wirk-ten farblos und sogar ein wenig transparent.

Davor – die drei Arkoniden glaubten ih-ren Augen nicht zu trauen – waren Wiesenund ein Fluß, der sich zwischen den flachenHügeln durchwand. Dichte Büsche säumtendie wenigen Wege ein, die durch das grüneLand führten, das es auf dieser sterilen Welteigentlich gar nicht geben durfte.

»Unmöglich!« entfuhr es Karon. »Es mußeine Täuschung sein!«

Toschmol sagte nichts. Vorsichtig setzteer einen Fuß vor den anderen und nähertesich dem ersten Strauch, der nur wenige Me-ter vom Höhlenausgang entfernt wuchs.Langsam streckte er die Hand vor und be-rührte ein Blatt. Seine beiden Gefährten, diemit einer elektrischen Entladung rechneten,sahen zu ihrem Erstaunen, daß nichts gesch-ah.

Toschmol drehte sich zu ihnen um.»Blätter, richtige Blätter! Sie fühlen sich

gut an.«Arkanol und Karon überzeugten sich we-

nig später davon, daß der Wissenschaftlerrecht hatte. Wenn hier wiederum die Wand-lung von Energie in Materie stattgefundenhatte, dann in meisterhafter und unerklärli-cher Art.

Der Boden war auch nicht felsig. DieSträucher und das Gras wuchsen in fruchtba-

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rer Erde, und es schien erst vor kurzer Zeitnoch geregnet zu haben.

»Wir müssen weitergehen«, mahnte To-schmol ungeduldig zum Aufbruch. »Dortdrüben, der zweite Wald – er wartet aufuns.«

»Wartet er wirklich?« fragte Arkanolmißtrauisch. »Wie kommen Sie auf den Ge-danken?«

»Er ruft uns – hören Sie es nicht?«»Ich höre nichts.«Karon meinte:»Auch ich höre nichts, aber mir ist, als

könnte ich lautlose Stimmen vernehmen. Esist so ähnlich wie beim silbernen See, alswir von telepathischen Impulsen über-schwemmt wurden. Aber diese hier sind an-ders.«

»Ich höre nichts!« wiederholte Arkanolungläubig. »Vielleicht bin ich nicht so leichtzu beeinflussen wie ihr.«

»Das ist durchaus möglich«, stimmte Ka-ron ihm zu. »Der eine ist eben empfindlicherals der andere. Ich jedenfalls empfange dieImpulse sehr deutlich, wenn ihr Sinn auchnicht ganz klar ist. Jedenfalls ist es eine Auf-forderung, die gesendet wird. Wir sollenweitergehen.«

»Richtig!« Toschmol ging weiter, bliebauf dem Weg, von dem kleinere abzweigten,und marschierte auf den tiefer gelegenenFluß zu, über den eine schmale Brücke führ-te. Nicht weit dahinter begann der seltsameWald. »Ich glaube, wir nähern uns allmäh-lich unserem eigentlichen Ziel.«

Die VALKARON schien er inzwischenvöllig vergessen zu haben, jedenfalls er-wähnte er sie mit keinem Wort mehr. Arka-nol begann zu bezweifeln, daß sie das Schiffjemals wiedersahen. Karon schien der glei-chen Ansicht zu sein, wenn er es auch nichtlaut aussprach.

Sie erreichten den Fluß. Bevor sie überdie Brücke schritten, ging Karon hinab zumUfer und untersuchte das Wasser.

Es war Wasser, klar, sauber und kühl.Man konnte es trinken.

Dann erst gingen sie über die Brücke.

Die auf sie eindringenden Impulse wur-den stärker, intensiver. Nun konnte auch Ar-kanol sie empfangen.

»Das ist keine Aufforderung«, behaupteteer nach einigem Lauschen. »Das ist Protest!Das ist Stöhnen, Murren und Suche nachHilfe. Merkt ihr das denn nicht?«

»Doch, wir merken es auch. Aber werwill unsere Hilfe?« Toschmol sah sich su-chend nach allen Seiten um, konnte aber au-ßer dem fast gläsern anmutenden Waldnichts entdecken. »Es kommt von den halbtransparenten Bäumen her – falls es über-haupt möglich ist, die Richtung zu bestim-men. Ob Klinsanthor Hilfe braucht?«

»Ein Magnortöter benötigt nicht die HilfeSterblicher«, wies Karon ihn zurecht, ob-wohl er die ganze Angelegenheit bisher mitäußerster Nüchternheit betrachtet hatte. »EinWesen, das solche technischen Wunder voll-bringt, kann sich selbst helfen. Ich glaube,wir werden von anderen gerufen.«

»Aber von wem dann?« Arkanol legte dieHand auf den Griff seines Strahlers. »Ich se-he niemand.«

»Aber ich!« Toschmol deutete mit ausge-strecktem Arm nach vorn. »Seht ihr das, waswir für künstliche Bäume hielten? Sie sindhalb durchsichtig, und wenn meine Augenmich nicht täuschen, kann ich Bewegungenin ihnen erkennen. Schatten von unter-schiedlichem Aussehen, in den Stämmenund in den dickeren Ästen. Jemand lebt inden Bäumen …!«

Nun sahen es auch die anderen.Die Schatten waren nur zu bemerken,

wenn sie sich bewegten, sonst konnte mansie für Unregelmäßigkeiten in den Gebildenoder für Lichtreflexe halten. Manche wan-derten nicht sehr schnell von unten nachoben, versuchten sich in die abzweigendenÄste zu drängen, was ihnen auch manchmalfür ein Stück gelang, und wanderten dannmühsam wieder nach unten zurück.

Ihr müßt uns befreien, sonst dauert dieQual Ewigkeiten!

Der Impuls war so klar und deutlich, daßihn alle drei Arkoniden gleichermaßen gut

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empfingen. Trotzdem war es ihnen nichtmöglich, die Richtung zu bestimmen, ausder er kam. Aber sie waren davon überzeugt,daß einer der Schatten ihn ausgestrahlt hatte.

»Helfen!« knurrte Arkanol wütend. »Wiesollen wir ihnen denn helfen? Wir habenselbst Hilfe nötig!«

»Ich muß wissen, was da los ist!« To-schmol ging weiter, auf die ersten Bäume zu– oder auf das, was wie Bäume aussah.»Nun kommt schon, wir müssen zusammen-bleiben.«

Karon rief:»Warten Sie noch, Toschmol! Lassen Sie

sich Zeit, ehe Sie uns alle ins Unglück stür-zen. Hier stimmt etwas nicht! Ich vermuteeine Falle – und zwar eine letzte Falle.«

Toschmol blieb stehen.»Wie kommen Sie darauf? Warum eine

letzte Falle? Wer sollte sie uns stellen?«»Na, wer schon? Übrigens, sehen Sie mal

nach rechts, ja, dort über der Ebene, an de-ren Ende wieder Felsen und Höhlen zu er-kennen sind. Dort fliegt oder schwebt etwas,und es kommt näher …«

Das Ding erinnerte an eine riesige Qualle,und es bewegte sich auch so ähnlich, nurnicht im Wasser, sondern durch die Luft.Der Durchmesser mochte fünf Meter betra-gen. Da es auch halb transparent war, konn-ten die Arkoniden es nur undeutlich erken-nen.

Lautlos näherte sich die Qualle ihremStandort, ignorierte sie jedoch, als sie in ge-ringer Höhe über sie hinwegschwebte unddann sanft dicht vor den ersten Bäumen lan-dete.

Die telepathischen Hilferufe wurden stär-ker, verzweifelter.

Toschmol, Arkanol und Karon standenwie angewurzelt, unfähig, sich zu bewegenoder den stummen Rufen Folge zu leisten.Sie waren wie gelähmt. Fassungslos sahensie zu, was bei den Bäumen geschah.

Das Wesen begann seine Form ein wenigzu verändern. In Ruhestellung ähnelt esmehr einer Halbkugel, die mit der Schnitt-seite auf dem Boden lag und matt in drei

oder vier sich vermischenden Farben leuch-tete.

Dann begann es langsam auf den Baumzuzukriechen.

Als es den Stamm erreichte, hielt es an.Abermals begann sich seine Form zu verän-dern. Es schien zerfließen zu wollen, dennes wurde flach wie ein aufgespannter Schirmund hüllte so den Fuß des gewaltigen gläser-nen Stammes ein.

Die Schatten im Innern bewegten sich nunheftiger von unten nach oben und umge-kehrt. Sie schienen einen Fluchtweg zu su-chen, doch diesmal in letzter Verzweiflungund in unbeschreiblicher Todesangst.

Das Wesen kümmerte sich nicht darum.Es begann, in den Baum einzudringen, lang-sam – aber mit tödlicher Sicherheit.

»Ob das dort – Klinsanthor ist?« hauchteToschmol.

Er erhielt keine Antwort von seinen Ge-fährten, die dem Geschehen wie gebannt zu-sahen und jede Einzelheit verfolgten.

Das Wesen war nun zur Hälfte in den glä-sernen Baum eingedrungen und kaum nochzu erkennen. Man konnte seine Fortbewe-gung nur noch an den Bewegungen desSchattens erraten, der vergeblich versuchte,dem drohenden Verderben zu entrinnen.

Und dann kroch der Schatten wieder nachunten, während das Quallenwesen gleichzei-tig wieder aus dem Baum hervorkam. KeinZweifel, es hatte sein Opfer eingefangen undaufgesogen, denn noch während es wiederzur ursprünglichen Form zurückfloß, ver-schwand der Schatten in ihm.

Der geöffnete Schirm blieb bei dem Baumliegen, seine Konkavseite den Arkoniden zu-gewandt. Auf dieser Seite begannen sich dieblassen Farben zu vermischen und ein Bildzu formen. Allmählich erkannten Toschmolund die anderen, was es war:

Es war ein schmerzverzerrtes Gesicht.Das Gesicht einer Arkonidin, die sie alle

kannten.»Bei allen Dunkelsternen – das ist ja Tar-

nar!« Arkanol hatte so leise gesprochen, daßdie anderen ihn nicht verstanden. Aber das

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war auch nicht nötig. Sie alle kannten diejunge, hübsche Chemikerin, aber natürlichwußten sie nichts von ihrem Flug mit demGleiter.

»Es ist Tarnar!« hauchte nun auch To-schmol.

Arkanol fügte grimmig hinzu:»Sie ist es, und nun beginnt sie, zu uns zu

sprechen! Hört ihr es? Sie spricht zu uns,lautlos und voller Angst …«

Und sie konnten es alle hören …

5.

Als Swann am anderen Tag in der Kom-mandozentrale auftauchte, war er sichtlichaufgeregt, aber bevor er zu sprechen begann,überzeugte er sich, daß der Panoramaschirmnicht eingeschaltet war. Einer der Technikerhatte Wache. Er schien halb eingeschlafenzu sein, jedenfalls erschrak er, als Swann ihnaufforderte:

»Interkomkontakt mit Parentoks Kabine,aber schnell!«

Parentok meldete sich sofort.»Ja, was ist, Swann?«»Ich war eben draußen. Sieht nicht gut

aus. Unter dem Schiff sind wieder Risse ent-standen. Überhaupt scheint sich die ganzeOberfläche des Planeten zu verschieben. InRichtung Gebirge ist eine tiefe Schlucht, diegestern noch nicht da war.«

»Bin schon unterwegs …«Gemeinsam verließen sie wenig später in

Begleitung einiger Besatzungsmitglieder dasSchiff, um das Ausmaß der sich anbahnen-den Katastrophe abzuschätzen. Unter denLandestützen zeigten sich nicht nur eine,sondern gleich drei Spalten.

Dem Gebirge zu hatten sich Falten aufge-türmt – über Nacht waren Hügel und Tälerentstanden, von tiefen, schroffen Schluchtengetrennt.

»Wir müssen hier weg, und zwar soschnell wie möglich«, entschied Parentokund warf seinen Begleitern einen fragendenBlick zu. »Was meint ihr?«

Zeranal legte ihre Hand auf seinen Arm.

»Du kennst meine Entscheidung, aber dieNacht hat vieles verändert – auch diesenPlaneten. Ich bin auf deiner Seite.«

»Wir haben wohl auch keine andereWahl«, stimmte nun auch Swann zu.»Vielleicht finden wir einen besseren Lan-deplatz, um in Ruhe auf Toschmol warten zukönnen.«

»Er wird nicht zurückkehren, Swann.Kommt, wir haben keine Zeit zu verlieren…«

Parentok spürte den Schmerz im rechtenBein bereits seit einigen Stunden, aber erhatte niemandem etwas davon gesagt. Als erdie Leiter zur Luke emporstieg, wurde derSchmerz so unerträglich, daß er ein Stöhnennicht unterdrücken konnte. Swann, der hin-ter ihm war, fragte:

»Sie spüren es auch, Parentok? Die rechteSeite, nicht wahr? Beginnende Lähmung,kein Zweifel. Sie hatten recht! Wir müssenhier fort! Schnell sogar, ehe die VALKA-RON manövrierunfähig wird.«

Parentok antwortete nichts. Er versuchte,das Humpeln, zu dem ihn seine Schmerzenzwangen, möglichst zu unterdrücken. Er hat-te längst gesehen, daß auch die anderenSchmerzen auf der rechten Seite verspürten.

»Swann, können Sie die Kontrollen über-nehmen? Glauben Sie wirklich, daß es sichum eine beginnende Lähmung der rechtenSeite handelt?«

»Leider ja.« Er ließ sich im Kontrollsesselnieder. »Der Spalt neben Landestütze vierhat sich verbreitert. Nicht mehr lange, undwir verlieren den Halt. Alles in Startpositi-on!«

Noch bevor Swann die Hauptenergie ein-schaltete, wußte er, daß es zwecklos seinwürde. Er spürte das Kraftfeld förmlich, dassich über das Schiff senkte und es unsichtbareinschloß. Trotzdem versuchte er es.

»Was ist?« erkundigte sich Parentok, alsnichts geschah.

Swann stand mühsam auf.»Wir müssen versuchen, das Schiff so zu

vertäuen, daß es nicht in die Spalte stürzt,wenn sie sich vergrößert. Dann müssen wir

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warten, bis wir wieder Energie haben. So-bald das geschieht, muß ein Blitzstart erfol-gen. Eine andere Chance haben wir nunnicht mehr.«

»Keine Energie?«»Wie gehabt, Parentok. Beeilen wir uns,

ehe es zu spät ist.«Trotz ihrer Schmerzen verließ die gesam-

te Besatzung das Schiff, um sich an den Ret-tungsarbeiten zu beteiligen. Es stellte sichheraus, daß kein einziger von den Läh-mungserscheinungen verschont gebliebenwar. Zwei Techniker lagen in der Kranken-station. Sie konnten sich kaum noch bewe-gen – höchstens ein wenig auf der linkenSeite.

Zu seiner Beruhigung stellte Prentok fest,daß die gefährlichste Spalte nur wenige Dut-zend Meter tief war, dafür aber schnell brei-ter wurde und Landestütze vier bereits er-reicht hatte. Das Schiff begann langsam ab-zusacken.

»Es hat keinen Zweck mehr!« Swannwinkte dem Mann, der die Ladeluke manuellöffnen wollte, mit der noch gesunden linkenHand zu. »Es ist zu spät. Kommen Sie her,ehe das Schiff kippt. Wir müssen hier drau-ßen abwarten, was geschieht.«

Der so Aufgeforderte begann gerade,mühselig die Leiter hinabzusteigen, als dieLandestütze absackte. Eine zweite folgte, dasich der Spalt rapide zu verbreitern begann.Die VALKARON neigte sich zur Seite, unddann begann sie, in die flache Schlucht hin-abzurollen.

Dabei wurde der an der Außenhülle be-findliche Arkonide zerquetscht. In der Kran-kenstation starben ein Arzt und zwei seinerPatienten.

Parentok hätte am liebsten die Augen ge-schlossen, als er die VALKARON davonrol-len sah, aber auf der anderen Seite konnte erin dieser verzweifelten Situation weder dieHoffnung noch die Nerven verlieren. Erkannte die Widerstandsfähigkeit des arkoni-dischen Stahls, außerdem waren die Hängeder Schlucht relativ sanft.

Das Schiff bekam immerhin soviel

Schwung, daß es auf der gegenüberliegen-den Seite den Hang halb hinaufrollte, dannjedoch auf die Sohle der Spalte zurückfiel.Bei diesem Vorgang starben zwei weitereArkoniden, die ihrer Schmerzen wegen anBord geblieben waren.

Swann humpelte zum Rand der Schluchtund sah hinab.

Die VALKARON lag in richtiger Positionauf ihren zerbrochenen Landestützen, einwenig schief, aber sonst offensichtlich nichtschwer beschädigt. Wenn Energie vorhan-den war, würde ein Notstart möglich sein.Die Antigravfelder würden dabei eine großeHilfe sein.

Wenn auch sie funktionierten …Parentok trat neben ihn.»Jetzt brauchen wir nur noch zu warten,

bis die Energie zurückkommt. Jemand vonuns sollte ständig vor den Kontrollen wa-chen.«

»Und niemand darf das Schiff verlassen«,schlug Swann vor.

»Und wenn inzwischen neue Spalten ent-stehen?« befürchtete Zeranal.

Sie erhielt keine Antwort auf ihre Frage.Es erwies sich als ziemlich schwierig, in

die VALKARON zurückzuklettern. Die To-ten wurden in einer der Notschleusen unter-gebracht. Man würde sie später bestatten –entweder im felsigen Boden der Skärgothoder im Raum.

Trotz der zunehmenden Schmerzen über-nahm Parentok die erste Wache in der Kon-trollzentrale. Nun endlich hatte er die Zu-stimmung aller Überlebenden, das Schiffbeim ersten Anzeichen der Manövrierfähig-keit zu starten.

Alle Luken waren verschlossen worden.Das lange Warten begann …

*

Toschmol, Arkanol und Karon lauschtenatemlos auf die lautlose Stimme Tarnars, dieaus dem Quallenschirm zu ihnen sprach. Inkurzen Zügen berichtete sie von ihrem Flugmit Vanthor und ihre unbegreifliche Ver-

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wandlung in zwei Energiewesen mit festen,aber unsichtbaren Körpern.

»Der Baum nahm uns auf, aber Vanthorund ich wurden dann getrennt. Ich weißnicht, wo er geblieben ist, denn ich habe je-den Kontakt mit ihm verloren. Alles ist vol-ler Energie und Strahlungen, die uns auf-saugt. Das Schrecklichste von allem aber istder Kristallwächter. Er ruft uns ab undbringt unsere Identität zu Klinsanthor, denMagnortöter …«

Toschmol unterdrückte seine Erregung.Zum erstenmal erhielt er nun einen definiti-ven Hinweis, daß er sich auf der richtigenSpur befand. Dieser Planet war die geheim-nisvolle Skärgoth, das Versteck Klinsan-thors!

»Und was geschieht weiter, Tarnar?Weißt du es?«

»Ich empfange nur die verwirrenden Im-pulse der anderen Toten, die Gefangene desgläsernen Waldes wurden. Es sind viele Ar-koniden dabei, die Klinsanthor aus ihrenSchiffen holte, aber auch Angehörige ande-rer Völker der Galaxis. Der Magnortöter hatMacht über viele Welten und Sternenberei-che. Er scheint von den Seelen der Gefange-nen zu leben.«

»Wie sollte das möglich sein?« fragte Ka-ron wißbegierig.

»Seelen und Bewußtsein sind reinsteEnergie«, gab Tarnar bereitwillig Auskunft.Sie mußte es jetzt besser wissen als jeder an-dere. »Klinsanthor speichert sie und setzt sienach Belieben ein. Ich glaube wenigstens,daß es so ist. Ihr müßt zur VALKARON zu-rückkehren, oder ihr seid alle verloren. Fin-det den Weg, ehe es zu spät ist! Mir bleibtnicht mehr viel Zeit …«

Noch während die Stimme in ihren Gehir-nen schwächer und undeutlicher wurde,blähte sich der Schirm wieder zu der Qualleauf und begann zu schweben. Ein riesigerKristall, schwerelos und von einem unfaßba-ren Intellekt gesteuert.

Tarnars Gesicht begann zu verschwim-men. Sie verlor den Rest ihrer Identität undwurde zu reiner Energie.

Das Gebilde stieg höher, ohne sich um diedrei Arkoniden zu kümmern, dann schwebtees langsam und doch zielstrebig auf das na-he Gebirge hinter dem gläsernen Wald zu,wo es bald den Blicken der Nachschauendenentschwand.

Toschmol sagte:»Wir haben Klinsanthor gefunden! Gehen

wir zu ihm!«Arkanol hielt ihn fest.»Nicht so schnell, Toschmol. Wir sind dir

bis hierher gefolgt, aber nun ist Schluß! Ichgehe keinen einzigen Schritt mehr mit dir,und auch Karon wird sich's überlegen, ob erdich weiter begleitet.«

»Wollt ihr jetzt aufgeben, da wir endlichGewißheit haben?«

»Die Gewißheit, bald sterben zu müssen,hat nur wenig Verlockendes für mich«, teilteKaron ihm trocken mit. »Arkanol hat recht.Wir müssen versuchen, zur VALKARONzurückzufinden. Wir haben unseren Auftragerfüllt, denn wenn Klinsanthor hier lebt,dann weiß er auch schon, warum wir kamen.Jede weitere Suche nach dem Magnortöterist sinnlos und Zeitverschwendung.«

Toschmols intellektuelle Arroganz brachwieder durch.

»Sie mögen Physiker sein, Karon, aber füreinen Wissenschaftler fehlt es Ihnen an Neu-gierde. Wenn Arkanol aufgibt, so kann ichdas verstehen, obwohl ich ihn stets für tapfe-rer hielt. Ich jedenfalls werde weitergehen,und zwar sofort. Ich. wünsche euch vielGlück mit auf den Weg – zurück zur VAL-KARON.«

Er lachte kurz auf, ehe er auf die gläser-nen Bäume zuging und zwischen ihnen ver-schwand.

Arkanol warf Karon einen zweifelndenBlick zu. Der schien sich seiner Sache auchnicht mehr ganz so sicher zu sein. To-schmols Entschlossenheit hatte den Physikersichtlich beeindruckt. Hinzu kam seine festeÜberzeugung, den Rückweg nicht finden zukönnen.

»Wir dürfen ihn nicht allein lassen«, faßteer seine Überlegungen zusammen.

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»Eigentlich nicht«, pflichtete Arkanol bei,erleichtert darüber, daß nicht er diese Ent-scheidung hatte treffen müssen.

Sie holten Toschmol einige hundert Meterweiter wieder ein. Der Wissenschaftler war-tete, bis sie bei ihm waren. Mit keinem Worterwähnte er die vorangegangene Meinungs-verschiedenheit.

»Der Linksdrall setzt wieder ein, habt ihres auch bemerkt? Wir müssen uns immernach rechts halten, außerdem haben wirnoch immer die Meßinstrumente im Anzug.Sie funktionieren, so erstaunlich das klingenmag.«

»Wohin wenden wir uns?«»Dort, die Berge und Höhlen vor uns. Das

ist Klinsanthors Versteck, und dort findenwir auch seine Gruft, von der die Legendenberichten. Es kann nicht mehr weit sein.«

Karon sagte:»Auf dem rechten Auge scheine ich zu er-

blinden. Ich kann damit kaum noch etwassehen. Auch das rechte Ohr macht nichtmehr mit.«

»Mir geht es ähnlich«, gab auch Arkanolzu.

Toschmol nickte fast gleichmütig.»Opfer müssen gebracht werden, Freunde.

Ich kann die rechte Hand kaum noch bewe-gen, und wenn ich einen Schritt mache,zwingt mich etwas, ihn nach links zu tun.Aber wir müssen durchhalten, denn die Prü-fungen werden bald überstanden sein.«

Die Impulse der Schatten in den Bäumenwaren schwächer geworden und kaum nochzu vernehmen. Die drei Arkoniden nähertensich zweifellos jenem Teil dieser Region,den man als »Waldrand« hätte bezeichnenkönnen, wäre es ein gewöhnlicher Wald ge-wesen.

Vor ihnen lag eine senkrechte Felswand,die hinauf bis in den künstlichen Himmelreichte und sich dort verlor. Höhle lag nebenHöhle, und die Wahl fiel schwer, in welcheman eindringen sollte. Wenn sie dem zwin-genden Druck des Linksdralls gefolgt wären,hätten sie die am weitesten links gelegenenehmen müssen.

»Wir sollten vorher eine Pause machen«,schlug Karon vor. »Mir schmerzen sämtli-che Glieder.«

»Und ich verspüre Hunger«, sagte Arka-nol.

Sie ließen sich auf einer felsigen Plattenieder, von der aus sie die Höhleneingängeim Auge behalten konnten. Nach der Ein-nahme einiger Konzentrate fühlten sie sichwieder ein wenig zuversichtlicher.

»Wir nehmen jenen Eingang dort, hinterdem Licht schimmert«, sagte Toschmol.»Die anderen scheinen dunkel zu sein. Ichbin sicher, daß wir uns ganz in der Nähe desLabyrinthzentrums befinden. Wenn nur die-se verdammten Schmerzen nicht wären …«

»Sie sind nur eine Prüfung Klinsanthors«,meinte Arkanol spöttisch.

Karon sagte überhaupt nichts. Er massier-te seinen rechten Fuß. Er tat es mit der lin-ken Hand; seine rechte hing kraftlos herab.

Aile hatten sie jedes Zeitgefühl verloren.Vielleicht waren sie schon Tage unterwegs,vielleicht erst Stunden – sie wußten es nichtmehr genau.

Nur eines wußten sie bestimmt: bald muß-te eine Entscheidung fallen – so oder so.

*

Ein Besatzungsmitglied der VAL-KA-RON verlor am Mittag des vierten Tages aufder Skärgoth von einer Sekunde zur anderenden Verstand. Vorher war er in der Kranken-station gewesen und hatte sich wegen derbeginnenden Lähmungserscheinungen aufder rechten Seite behandeln lassen. DieSchmerzen hatten nachgelassen.

Auf dem Weg in seine Kabine begegneteer einem der Offiziere, den er ohne jedeWarnung niederschlug und ihm die Strahl-waffe abnahm, mit der er ihn erschoß. ZweiTechniker, die den Vorfall bemerkten undihn entwaffnen wollten, wurden ebenfallsOpfer des Wahnsinnigen, der sich wie einKreisel nach links zu drehen begann und wiewild um sich feuerte. Swann selbst war es,der die Sache kurz entschlossen in die Hand

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nahm, indem er den Mörder mit dem Paraly-sator betäubte und einsperren ließ. Er konnteniemanden töten, der seiner Sinne nichtmächtig war.

Doch das war nicht der einzige Grund.Swann war fest davon überzeugt, daß überkurz oder lang jeder von ihnen den Verstandverlieren würde, wenn er nicht vorher durcheinen Unfall ums Leben kam.

Draußen im Tal hatte sich in den vergan-genen Stunden nichts mehr verändert. DieVALKARON lag noch immer in der breitenSchlucht, ohne Energie. Lediglich die le-bensnotwendigsten Hilfsaggregate arbeitetennoch und lieferten Strom für Kühlkammernund Klimaanlage. Auch die Notbeleuchtungfunktionierte, ebenso wie der schiffsinterneInterkom.

So nur war es möglich, daß die Arbeit inder Krankenstation nicht völlig zum Erlie-gen kam. Ein Arzt war übriggeblieben. Ihmstanden zwei Arkonidinnen zur Seite, die diePatienten betreuten.

Parentok sah auf, als Swann in die Zentra-le kam.

»Nun?«»Drei Tote. Es kann jeden Augenblick

wieder passieren.«»Der Schmerz muß ihn wahnsinnig ge-

macht haben. Ich spüre ihn ja selbst, und ichfürchte außerdem, daß mein rechtes Augebald völlig erblindet. Gibt es eine vernünfti-ge Erklärung dafür, daß die Schäden nur aufeiner Seite auftreten?«

»Der Arzt hat keine, Parentok. Es mußmit dem Energiefeldern und der Rotationdes Planeten zusammenhängen.«

»Das leuchtet mir nicht ein. Die Rotationist viel zu langsam, und …«

»Schon gut, war ja auch nur der Versucheiner Erklärung.«

»Es wird nie eine Erklärung geben«, be-fürchtete Parentok.

Es entstand eine kurze Pause, dann fragteSwann:

»Was mag mit Toschmol geschehen sein?Warum kommt er nicht zurück?«

Parentok stellte eine Gegenfrage:

»Und warum kommen Vanthor und Tar-nar nicht zurück?« Er seufzte. »Ich fürchte,es gibt für keinen ein Zurück, der auf diesemverdammten Planeten einmal gelandet ist.Auch für uns nicht.«

Der Interkom summte schwach. Swannschaltete ihn ein.

Es war Zortain.»Swann, bist du es … Ja, jetzt erkenne ich

dich. Das Bild ist zu undeutlich, wahrschein-lich zu wenig Energie. Wer ist noch bei dirin der Zentrale?«

»Parentok, sonst niemand. Warum?«»Ich hole Zeranal und komme zu euch.

Etwa fünf der Männer haben sich Waffenbesorgt und wollen euch umbringen. Siesind schon unterwegs. Seid vorsichtig …«

»Bleib, wo du bist!« warnte Swann noch,aber der Bildschirm war schon dunkel ge-worden.

Parentok entsicherte seinen Handstrahler,wagte es aber nicht, die Tür zur Kommando-zentrale positronisch zu schließen, um Ze-renal und Zortain nicht den Rückzug abzu-schneiden.

Auf dem kleinen Interkomschirm warkaum etwas zu sehen. Das Umschalten funk-tionierte nur mangelhaft, so daß eine konti-nuierliche Beobachtung verschiedener Sek-tionen des Schiffes unmöglich wurde. Mankonnte daher nicht wissen, wo sich die Meu-terer gerade aufhielten.

Schritte näherten sich auf dem Korridor.Swann hielt den Strahler schußbereit,

während Parentok zur Tür ging und sie vor-sichtig öffnete. Aber es waren, nicht die bei-den Arkonidinnen, sondern vier Männer derBesatzung.

»Sie sind hinter uns her, bewaffnet und zuallem entschlossen«, behauptete einer vonihnen. »Laßt uns in die Zentrale!«

Parentok durchsuchte sie und ließ sie her-ein. Sie waren völlig erschöpft von der An-strengung einer Flucht. Ohne Ausnahme wa-ren sie auf der rechten Seite halb gelähmt.

»Geht nach nebenan in die Funkzentrale«,forderte Swann sie auf. »Wir werden schonallein mit den Burschen fertig.«

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Wenig später, fast im letzten Augenblick,kamen Zeranal und Zortain. Parentok bliebbei der Tür und wartete. Er konnte dieSchritte der Meuterer schon hören und er-wartete sie mit der Waffe in der Hand.Swann nahm dicht hinter ihm Aufstellung.

Als sie um die Biegung des Korridorsrannten und die beiden entschlossenen Män-ner sahen, hielten sie an. Sie hielten dieStrahler ebenfalls in der linken Hand.

»Was wollt ihr?« rief Parentok ihnen ent-gegen.

»Starten, Sofort! Wir wollen hier weg!«»Das wollen wir auch, aber wir haben kei-

ne Energie.«»Das ist gelogen – das Licht brennt, es ist

Strom da. Ihr belügt uns, um auf den ver-rückten Toschmol zu warten. Startet, oderwir bringen das Schiff in unsere Gewalt.«

»Das wird euch wenig nützen! KeineEnergie! Es ist sinnlos!«

»Na schön, Ihr wollt es nicht anders …«Doch dann geschah etwas, mit dem nie-

mand gerechnet hatte, am allerwenigstensdie Meuterer selbst. Noch während sie ihreWaffen hoben und blindlings gegen dieschnell geschlossene Zentraltür feuerten,tauchten hinter ihnen einige andere Besat-zungsmitglieder auf und eröffneten ohneVorwarnung ebenfalls das Feuer.

Drei der Meuterer brachen sofort getrof-fen und tot zusammen, der vierte brachtesich mit einem Satz hinter die nächste Korri-dorbiegung in Sicherheit. Drei der unerwar-teten Retter folgten ihm, die anderen riefenParentok über Interkom, da die Tür zur Zen-trale verschlossen war. Sie berichteten, wasgeschehen war.

Swann öffnete die Tür, vorsichtig undmißtrauisch. Als er die drei Toten sah, ließer die Waffe sinken.

»Vielen Dank, Leute«, sagte er. »Ihrkönnt euch darauf verlassen, daß wir starten,sobald wir Energie haben. Was machen dieSchmerzen?«

Ihm wurde bestätigt, daß sie fast unerträg-lich geworden waren, und er empahl ihnen,sich auf die Betten zu legen und sich mög-

lichst wenig zu bewegen. Ihre Waffen soll-ten sie bereit halten.

Als sie gegangen waren und er in die Zen-trale zurückkehrte, saß Parentok schon wie-der hinter den Kontrollen.

»Immer noch nichts, Swann. Die Haupt-zufuhr lasse ich von nun an immer einge-schaltet, der Notstart ist programmiert undaktiviert. Sobald Energie vorhanden ist, star-tet die VALKARON – selbst dann, wennniemand von uns in der Zentrale ist. Ich ha-be die gespeicherten Daten zweimal vomKomputer überprüfen lassen, sie stimmen –aber der Start ist riskant. Wir müssen aberimmer damit rechnen, daß die Sperrfeldersofort wieder eingesetzt werden, sobald un-sere Absicht zu fliehen bemerkt wird.«

»Welche Programmierung nahmen Sievor?«

»Notstart ROT, Swann. Das bedeutet, daßwir mit höchster Beschleunigung abhebenund bereits nach kurzer Zeit eine Transitionüber eine Lichtminute vornehmen, dazu be-nötigen wir maximale Energie. Weiterflugmit LG für zehn Sekunden, dann die zweiteblinde Transition über eine Lichtstunde. Dasdürfte genügen.«

»Wenn die VALKARON es durchhält –vermutlich ja.«

Zeranal, die bei der Programmierung ge-holfen hatte, sagte:

»Erst einmal in meinem Leben habe icheinen ähnlichen Start erlebt, und ich werdeihn niemals vergessen. Wir landeten auf ei-nem offensichtlich unbewohnten Planeten,auf dem unsere Instrumente und Massetasterjedoch verdächtige Metallansammlungen re-gistrierten. Unser Landetrupp fand kein Le-ben, kein Hinweis darauf, daß es jemals wel-ches gegeben hatte. Und doch geschah dasUnglaubliche: Wir wurden angegriffen, undzwar durch Robotkampfmaschinen, dieplötzlich aus dem Nichts auftauchten undsofort auf uns schossen. Unsere Leute hattenkaum Zeit, ins Schiff zu gelangen, das schoneinige Treffer aufwies, bevor der Notstarterfolgte.«

»Ohne Programmierung?« wunderte sich

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Swann.»Natürlich nicht. Der Notstart ROT wurde

sofort nach der Landung eingespeist. EinKnopfdruck genügte, um das Schiff startenzu lassen, was ja auch geschah. Noch heuteist mir ein Rätsel, wie uns die Flucht gelang,denn die Roboter folgten uns, zielsicher ge-steuert und mit hoher Geschwindigkeit. Siewaren jedoch nicht schnell genug für unsereerste Transition und verloren uns, aber wiralle glaubten, die Hülle des Schiffes müssezerbrechen, dabei handelte es sich um einenSchlachtkreuzer.«

»Dann sehe ich aber schwarz für dieVALKARON«, meinte Swann.

Parentok winkte ab.»Keine Sorge, sie hält es schon aus. Und

wenn nicht, so haben wir noch immer Glückgehabt, denn auf der Skärgoth würden wirohnehin einer nach dem anderen verrückt.Wir riskieren, so betrachtet, eigentlich über-haupt nichts.«

Der Interkom summte. Einer der Männermeldete sich:

»Wir haben den letzten der Meuterer auchnoch erwischt. Er ist tot.«

»Es ist gut. Ruht euch aus. Niemand weiß,wie lange wir noch warten müssen. Wenndie Energie zurückkehrt, bereitet euch aufden Schnellstart und eine Kurztransition vor.Bleibt in der Nähe der Betten.«

»Wir können sowieso kaum noch gehen.«Die vier Arkoniden verzichteten vor-

sichtshalber darauf, die Kommandozentralezu verlassen. Überall in den Gängen konnteihnen jemand auflauern. Die Energie desNotaggregats reichte nicht zur geregeltenBildüberwachung.

Das schlimmste aber war, daß der Panora-maschirm ausgefallen war.

Sie konnten nicht sehen, was inzwischendraußen im Tal geschah …

6.

Sie gerieten in ein Labyrinth von Gängenund Korridoren, in dem sie sich bereits nachkurzer Zeit hoffnungslos verirrt hatten.

Wie zu Beginn ihrer unheimlichen Odys-see waren überall Decken und Wände voninnen her beleuchtet, so daß Lampen über-flüssig wurden. Es war ein ständiges Leuch-ten und Schimmern, das natürlich wirkte,zweifellos aber künstlichen Ursprungs seinmußte.

Toschmol war von einem Eifer gepacktworden, der ihn trotz seiner zunehmendenSchmerzen und der weiterschreitenden Läh-mung der rechten Seite vorantrieb und seinebeiden Gefährten ansteckte, die ihm bedin-gungslos folgten. Das allerdings mochteauch an der Tatsache liegen, daß niemandvon ihnen mehr den Weg zurück findenkonnte.

Nach drei Stunden des Umherirrens hieltToschmol an.

»Ich bin sicher, daß nun alle Gänge in ei-ne Richtung verlaufen, auch wenn es hierund da Abzweigungen gibt. Doch auch sieführen immer wieder in die Generalrichtungzurück. Wir nähern uns also zweifellos un-serem Ziel.«

»Es wird auch Zeit, denn lange halte ichnicht mehr durch«, beklagte sich Karon, derbis zum Umfallen erschöpft war. »Mir ist esschon egal, was uns am Ziel erwartet, wennich nur ausruhen kann.«

»Nun übertreiben Sie nicht gleich«, er-mahnte ihn der robustere Arkanol. »Wir ha-ben mehr als eine Ruhepause eingeschobenund dadurch wertvolle Zeit verloren. Wasmich viel mehr ärgert, ist die dumme Tatsa-che, daß wir keinen Kontakt zur VALKA-RON erhalten. Ich möchte wissen, was dortinzwischen alles passiert ist – falls dieserParentok nicht auf den Gedanken gekom-men ist, zu starten und uns zurückzulassen.«

»Das würde er nie wagen«, hoffte To-schmol. »Er weiß wie jeder andere, was aufMeuterei steht. Der Tod! Außerdem könnenwir uns auf die anderen Leute verlassen.«

»Trotzdem würde es mich beruhigen, esganz genau zu wissen.«

»Wenn wir Klinsanthor gefunden haben,werden wir es erfahren.«

Sie gingen weiter.

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Jeder machte sich seine eigenen Gedan-ken, was sie am Ende ihres langen und mü-hevollen Weges finden würden. Keiner aberkonnte sich vorstellen, wer oder was derMagnortöter war. Nur eines war ihnen allenklar: Klinsanthor mußte mächtiger sein, alssich jemand vorzustellen vermochte. Dashatten sie am eigenen Leibe erfahren müs-sen.

Sie blieben auf dem Hauptgang und dran-gen in keinen Nebenkorridor mehr ein. DieRichtung blieb konstant, und die linkeWandseite hielt sie immer wieder davon ab,in den schon zur Gewohnheit werdendenLinksdrall zu verfallen.

Alle drei zogen sie den rechten Fuß nach,der schon nicht mehr schmerzte, weil ermehr als halb gelähmt war. Sie sehnten diefarbige Energiewolke herbei, die sie überden Silbersee getragen hatte, aber jetzt, daman sie brauchte, erschien sie nicht.

Endlich mündete der Korridor in einemschimmernden Gewölbe, das sich wie einriesiger Dom vor ihnen auftat. Die Deckewar so hoch, daß sie kaum zu erkennen war,und die Wände leuchteten in allen Farben.

In der Mitte des Domes aber ruhte eingroßer kristalliner Körper, halb durchsichtigund von phantastischer Form. Im ersten Au-genblick erinnerte er an einen weit ausladen-den Blumenkelch, mehr als fünf Meter hochund ebenso breit. Er schien direkt aus demFelsboden gewachsen zu sein, besaß aberkeinen Stengel.

Und es war auch keine Blume.Ein feines, kaum wahrnehmbares Singen

ging von dem Gebilde aus, das vorerst ohnejede Bedeutung blieb. Es erfüllte den gigan-tischen Dom mit angenehmen Vibrationen,die die drei Arkoniden ihre Schmerzen undLähmung vergessen ließen.

Stumm standen sie im Eingang und ver-suchten eine Erklärung für das zu finden,was sie sahen. Keiner von ihnen vermuteteeine Falle, dazu wirkte das Singen und Vi-brieren viel zu beruhigend.

Was aber war es denn?Toschmol sagte heiser und scheu:

»Es muß die Gruft Klinsanthors sein – sowurde sie in den Legenden beschrieben. Wirhaben die Gruft gefunden, aber wo istKlinsanthor? Seht ihr ihn?«

Arkanol schüttelte die Beklemmung ab,die sich seiner zu bemächtigen drohte. Fastnüchtern meinte er:

»Er ist nicht da, denn ich sehe ihn nicht.«Karon hatte sich einfach auf den Steinbo-

den gesetzt. Stumm und ergriffen betrachteteer den riesigen Kelch und lauschte den Ge-räuschen, die auf ihn eindrangen.

»Vielleicht ist Klinsanthor unsichtbar«,vermutete Toschmol. »Wir müssen warten,bis er unsere Botschaft hören will. Ich binsicher, daß er uns ein Zeichen geben wird.«

Er hatte das Ziel seines Lebens erreicht,der Wissenschaftler Lenth Toschmol. Solange er zurückdenken konnte, war er aufder Suche nach Hinweisen und Legendengewesen, die ihm die Spur zum VersteckKlinsanthors zeigen konnten. Dann kam derAuftrag Orbanaschols, den Magnortöter auf-zuspüren und um Hilfe zu bitten.

Toschmol hatte gewußt, daß seine Unter-lagen richtig waren. Nun stand er vor demBeweis. Einem Beweis allerdings, der nochstumm blieb.

Die Farben an den Wänden des Domesveränderten sich ständig, vermischten sichzu neuen, unbekannten Farben und bildeteneindrucksvolle Muster abstrakter Symbolik.Die hohe Decke selbst blieb hell und kon-stant.

Der Kristallkelch – natürlich bestand ernicht aus Kristall, aber seine Struktur erin-nerte unwillkürlich daran – veränderte sichnicht. Sein Inneres war nur undeutlich zu er-kennen, aber es war leer.

Plötzlich verstummte das feine und melo-dische Singen. Gleichzeitig erstarrten dieSymbole an den Wänden, als wären sie ein-gefroren. Der Kelch jedoch begann intensivzu strahlen, so als wolle er erglühen.

Toschmol lauschte atemlos, aber seineOhren hörten nichts, keinen einzigen Lautmehr. Im Dom herrschte ein unheimliches,fast erdrückendes Schweigen, und er glaub-

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te, seinen eigenen Herzschlag vernehmen zukönnen. Das Blut rauschte durch seineAdern, aber das war sicher nur Einbildung.

Das Strahlen des Kristallkelchs wieder-holte sich in rhythmischer Reihenfolge, soals wolle er eine optische Botschaft aussen-den, aber sie blieb ohne Sinn.

Aber dann kam die lautlose, telepathischeStimme wieder, die sie ähnlich schon mehr-mals einmal vernommen hatten. Doch diesewar anders, nicht emotionell, sondern me-chanisch und ohne Gefühle.

Sie teilte mit:Ihr sucht ihn vergeblich, den großen und

unbesiegbaren Klinsanthor, den unver-gleichlichen Magnortöter. Er hat die Skär-goth verlassen, denn er wurde gerufen.

Das war alles. Kein Wort mehr.Der Kelch blieb stumm, das Farbenspiel

an den Wänden begann erneut, und das fei-ne, melodische Singen war wieder da.

Arkanol erholte sich als erster von derÜberraschung.

»Habt ihr es auch vernommen? Oder leideich etwa unter Halluzinationen?«

Karon nickte nur. Toschmol flüsterte:»Sei ruhig, vielleicht erfahren wir noch

mehr.«»Was wollen wir denn noch erfahren,

nachdem wir alles wissen?« fuhr Arkanolihn in verzweifelter Wut an. »Du hast esdoch gehört: Er ist nicht mehr hier, denn erwurde gerufen.« Er entsann sich des Re-spektes, den er dem Wissenschaftler schul-dig war. »Verzeih', aber ich wollte nicht zu-dringlich werden …«

»Bleiben wir dabei«, hauchte Toschmolfasziniert von der Tatsache, eine Botschaftvon Klinsanthor erhalten zu haben – wennauch nicht direkt von ihm, sondern von ei-nem Beauftragten. »Du warst ein guterFreund auf dieser Reise, die nun zu Ende ist.Ja, sie ist zu Ende, denn der Magnortöter hatden Ruf schon vernommen, bevor wir ihnfinden konnten. Aber er kann ihn' nur durchuns vernommen haben. Unser Auftrag ist er-füllt. Wir können umkehren.«

Arkanol ließ sich mit einem Seufzer ne-

ben Karon nieder.»So, wir dürfen also umkehren, meinst

du? Und wie stellst du dir das vor?«»Darüber denke ich noch nicht nach.

Vielmehr zerbreche ich mir den Kopf, woKlinsanthor jetzt schon sein mag. Wie konn-te er diese Welt verlassen? Wir haben keinanderes Raumschiff geortet …«

»Wer sagt dir, daß er die Skärgoth mit ei-nem Schiff verlassen hat?«

»Wie sonst?«»Ein Klinsanthor benötigt kein Raum-

schiff, Toschmol. Darüber bin ich mir nunklar, nach allem, was geschehen ist. Der Ma-gnortöter kann hier sein und im nächstenAugenblick auf Arkon. Unsere Mission warvon Anfang an überflüssig. Orbanaschol hät-te sich die Mühe sparen können – und dieOpfer.«

Toschmol antwortete nicht sofort. Er sannvor sich hin, und seiner Miene war anzuse-hen, daß er in gleichem Maße zufrieden undunzufrieden war. Sein Ziel hatte er zwar er-reicht, Klinsanthor aber nicht mehr angetrof-fen. Vieles war umsonst gewesen, aber erhatte recht behalten. Klinsanthor war nichtnur eine Legende, sondern eine Realität.

»Es kann aber auch möglich sein«, unter-brach Arkanol abermals die ÜberlegungenToschmols, »daß allein der Wunsch des Im-perators genügte, den Magnortöter aktivwerden zu lassen. Frage mich nicht nach ei-ner Erklärung, ich weiß keine. Aber ich hal-te es durchaus für möglich, daß Klinsanthornoch vor uns auf Arkon eintrifft.«

Zum ersten Mal ergriff nun wieder Karondas Wort:

»Oder er ist bereits dort«, sagte er ge-preßt.

Toschmol und Arkanol starrten ihn wort-los an.

*

Rings um die in der Schlucht liegendeVALKARON riß die Erde auf. Es entstan-den zahlreiche neue Spalten und Erhebun-gen, und dann zeigte es sich, daß alle Verän-

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derungen der Oberfläche vor dem Schiffhaltmachten. Es lag also relativ sicher undwurde vorerst nicht gefährdet.

Die Erschütterungen jedoch waren selbstin der abgesicherten Kommandozentrale zuspüren. Parentok versuchte vergeblich, denBildschirm zu aktivieren.

»Ich gehe hinaus und sehe nach«, erbotsich Swann schließlich. »Die Schmerzen ha-ben nachgelassen. Wir müssen wissen, wasdraußen geschieht. Außerdem ist niemandda, Toschmol hereinzulassen, falls er zu-rückkommen sollte.«

Parentok erklärte sich nur zögernd mitdem Vorschlag einverstanden und gab zubedenken, daß Swann rettungslos verlorenwar, wenn die erwartete Energie plötzlichwieder vorhanden war und das Schiff starte-te.

»Das muß ich riskieren«, gab Swann zu-rück. »Aber wir müssen auch wissen, wasdraußen geschieht.«

Seinen Impulsstrahler schußbereit in derHand, verließ er die Kommandozentrale undtrat auf den Korridor. Er konnte niemandenentdecken. Wahrscheinlich lagen alle Leuteauf ihren Betten und warteten auf den ver-sprochenen Start. Das erleichterte seine Auf-gabe.

Unangefochten erreichte er die Luft-schleuse und Ausstiegsluke, die er von innenmanuell öffnete.

Ihm bot sich ein phantastischer Anblick.Die Landschaft bewegte sich wie ein rie-

siges Tier, das bis eben noch geschlafen hat-te und nun erwachte. Swann glaubte amUfer eines weiten Ozeans zu stehen, dessenWogen herangerollt kamen und kurz vor derSchlucht, über deren Rand er gerade hin-wegsehen konnte, plötzlich erstarrten. Siekamen von allen Seiten und kreisten dasSchiff förmlich ein, aber sie beschädigten esnicht.

Es war überflüssig, die VALKARON zuverlassen, es genügte, wenn er in der geöff-neten Luke stand, um das Wunder zu beob-achten. Drüben bei den Höhleneingängenbrach das Gebirge zusammen. Toschmols

Rückzugsmöglichkeit war damit endgültigabgeschnitten.

Wenn es doch wenigstens eine Kontakt-möglichkeit gäbe!

Vielleicht war aber auch nur der Senderim Schiff zu schwach, weil er nicht genü-gend Energie erhielt. Die Reichweite undEmpfangsstärke eines kleineren Geräts wür-de mit gleicher Energiemenge wahrschein-lich größer sein. Das war ein Gedanke, derSwann elektrisierte.

Er schloß die Luke und kehrte in dieKommandozentrale zurück, wo er hastig sei-nen Kampfanzug anlegte, während er denanderen seinen Plan mitteilte. Er fügte hin-zu:

»Außerdem schirmen die Felsen ab, re-flektieren jedoch auch die Funkimpulse. Ichwerde mich auf den Pol der VALKARONstellen und senden. Vielleicht sind Toschmolund seine Gruppe oder auch Vanthor undTarnar längst nicht mehr im Tal, sondernoben in den Bergen. Dann müßten sie meineSendung empfangen.«

»Denken Sie an den programmierten Not-start«, mahnte Parentok. »Wir könnten zwardie Programmierung aufheben und …«

»Kommt nicht in Frage!« protestierteSwann selbst. »Um mich ist es kaum schade,ich fühle mich schon als halbe Leiche.«

Wenig später kletterte er mühsam aus derSchleuse und kroch dann an der Hülle desSchiffes empor, bis er den höchsten Punktder Kugel erreichte. Von hier aus konnte erdie seltsamen Wellenbewegungen des Tal-bodens noch besser beobachten. Von demRandgebirge waren Felslawinen abgegan-gen, die nun sämtliche Höhleneingänge rest-los verschüttet hatten.

Dann setzte er den Sender in Betrieb undrief die Vermißten. Er holte soviel Energieaus dem kleinen Reaktor, wie eben möglich,wiederholte die Sendung mehrere Male undging dann auf Empfang.

Eine Weile lauschte er, aber das Gerätund der Kopfhörer blieben stumm. Doch soschnell gab Swann nicht auf. Um trotz seinerSendungen nichts zu versäumen und auf

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Empfang bleiben zu können, kehrte er nocheinmal in die Luftschleuse zurück, wo ande-re Kampfanzüge bereit hingen, nahm einenvon ihnen mit auf seinen luftigen Aussichts-platz und schaltete dessen Telekom auf Dau-erempfang.

Mit seinem eigenen Gerät sendete er nunununterbrochen.

Nach einer Stunde etwa glaubte er, imKopfhörer eine Stimme zu vernehmen, aller-dings sehr leise und undeutlich. Es war nichtzu verstehen, was sie sagte. Aufgeregt funk-te er zurück und bat um Wiederholung.Dann lauschte er abermals.

Diesmal konnte er Toschmols Stimme oh-ne Zweifel erkennen. Sie berichtete in allerHast, was geschehen war und noch geschah.

Eine Stunde fast lauschte Swann, dannwar er informiert.

Als er dann das Gerät abschaltete undschwerfällig ins Schiff zurückkehrte, wirktesein Gesicht wie versteinert. Nur der zuneh-mende Schmerz in allen Gliedern und Orga-nen der rechten Körperhälfte ließen esmanchmal zusammenzucken.

Er wußte, daß niemand wieder die Stim-me Toschmols hören würde, aber auch nichtdie von Arkanol, Karon, Vanthor und Tar-nar.

Doch als er endlich die Kommandozentra-le erreichte und Parentok schnell die Türhinter ihm schloß und seine erste Frage stell-te, sagte er nur:

»Die Energie für den Notstart wird baldeintreffen. Wir werden die Skärgoth verlas-sen dürfen.«

»Und Toschmol und die anderen?« fragteZeranal.

Swann setzte sich.»Ich werde es euch erzählen …«

*

Die drei Arkoniden verließen den Domauf dem gleichen Weg, auf dem sie ihn er-reicht hatten. Nichts hatte sich in den Korri-doren geändert, und sie kamen gut voran, bissie endlich den Ausgang erreichten und wie-

der vor dem gläsernen Wald standen. To-schmol hielt an. Angestrengt sah er hinüberzu den halbtransparenten Gebilden, in denensich undeutlich die seltsamen Schatten hinund her bewegten.

»Wir müssen durch!« sagte Arkanol ent-schlossen. »Es gibt keine andere Möglich-keit, oder, wir finden niemals zurück.«

»Ich bleibe hier«, teilte ihnen Karon mit.»Ich gehe nicht mehr weiter.«

Die beiden anderen starrten ihn verblüfftan. Es war das erste Mal, daß der PhysikerAnzeichen einer beginnenden geistigen Ver-wirrung zeigte. Vielleicht war nur seine kör-perliche Erschöpfung daran schuld. To-schmol versuchte ihn umzustimmen:

»Sei vernünftig, Karon. Gemeinsam ha-ben wir es geschafft, die Gruft Klinsanthorszu finden, und wenn wir. weiter zusammen-halten, finden wir auch die VALKARONwieder. Wir durchqueren jetzt den gläsernenWald und riihen uns dann ein paar Stundenaus.«

»Dieser Wald hat Tarnar getötet, ich aberwill leben.«

Arkanol packte Karons Arm.»Rede keinen Unsinn! Meinst du viel-

leicht, hier würdest du überleben? Der Waldhat uns vorher nichts getan, er wird uns auchdiesmal ungehindert durchlassen. Nunkomm schon!«

Der Physiker schüttelte die Hand ab.»Geht nur! Hört ihr denn die Stimmen

nicht, die uns warnen? Seid ihr taub undblind? Ich bin es, aber nur rechts. Ich willnicht völlig blind, taub und gelähmt sein. Ichbleibe hier!«

Toschmol hatte das feine Wispern schonlängst vernommen. Es war in seinem Be-wußtsein. Aber noch ehe er jetzt etwas sagenkonnte, sah er mit dem linken Auge wiederdie transparente Qualle über den gläsernenBäumen schweben und sich nähern. Nur einDutzend Schritte vor ihnen landete sie sanftauf dem felsigen Grund, obwohl dort keinesder baumartigen Gebilde stand. Wieder ent-stand der schillernde Schirm in Form einerPilzkappe.

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Das Gesicht darauf, verzerrt und schmerz-erfüllt, gehörte Vanthor. »Ich muß euch et-was mitteilen«, sagte er ohne Stimme, dochseine Gedanken drangen deutlich in die Ge-hirne der drei Arkoniden. »Ich folge Tarnar,denn unsere Energie ist die Energie Klinsan-thors. Hört meine Botschaft: Ihr werdetFunkkontakt mit der VALKARON aufneh-men und berichten, was geschehen ist. Dazubleibt euch eine Stunde Zeit – nutzt sie.«

Toschmol faßte sich als erster.»Wir sind tief unter der Oberfläche, wie

sollten unsere Funkimpulse bis zum Schiffdringen?«

Und Vanthor – oder das, was von ihm ge-blieben war – erwiderte:

»Meine Energie ist dazu ausersehen, eureWorte zur VALKARON zu tragen. Die eurewird für einen anderen Zweck benötigt. Ineiner Stunde …«

Sein Gesicht verschwamm und vermisch-te sich mit den anderen Farben des Schir-mes, der wieder zu der Qualle wurde.

»Warte noch, Vanthor!« rief Toschmol,aber er wußte, daß es zwecklos war. »Wasmeinst du damit: Unsere Energie wird benö-tigt …? Soll das heißen, daß auch wir …?«

Er verstummte, denn er begriff plötzlich.Arkanol zog grimmig seinen Strahler.»Energie! Wir haben auch Energie! Mehr

als genug!«Er zielte auf die davonschwebende Qual-

le, den Wächter des gläsernen Geisterwal-des, und feuerte. Die Energiebündel flossenvon den Rundungen des Gebildes ab undverschwanden wirkungslos im Felsboden.Es schien, als würden sie einfach von ihmverschluckt.

Die Qualle stieg höher und blieb stationär,hoch über den Köpfen der Arkoniden,schweben. Sie wirkte jetzt wie eine Relais-station.

Und genau das sollte sie auch sein.Seltsamerweise war es Karon, der darauf

kam. Er schien sich mit seinem ungewissenSchicksal abgefunden zu haben.

»Wir müssen den Telekom einschaltenund senden«, sagte er und ging mit gutem

Beispiel voran.Toschmol hingegen ging auf Empfang,

und nach einigem Suchen hörte er SwannsStimme. Wenig später war der Kontakt her-gestellt.

*

»Ich verstehe das alles nicht«, sagte Pa-rentok, als Swann seinen Bericht beendethatte. »Der Funkkontakt kam nur zustande,weil Vanthor die Energie dazu lieferte? Wieist das zu verstehen?«

»Ein Techniker sollte das wissen, Paren-tok. Zumindest sollte er die Wahrheit ahnenkönnen. Vanthor und Tarnar verwandeltensich in Energie, so wie umgekehrt Klinsan-thor Energie in Materie umwandeln konnte.Es geschah nicht sporadisch und in Form ei-nes Energieausbruchs, sondern kontrolliertund programmiert. Zu erklären ist das allesnicht, aber wir müssen versuchen, es trotz-dem zu verstehen.«

Zeranal sagte von ihrem Sessel her:»Und was ist nun mit Toschmol und sei-

nen Begleitern geschehen? Sie haben da et-was angedeutet …«

»Auch ihre Energie wird benötigt – wozu,das weiß ich nicht.«

»Aber ich weiß es!« Zortain legte ihreHand auf Swanns Schulter. Sie stand hinterihm, er saß im Sessel. »Eine Stunde, sagtestdu? Die eine Stunde ist vorbei – wenigstensin einigen Minuten. Wenn ich alles richtigverstanden habe, ist unsere Mission beendet,denn Klinsanthor ist dem Ruf gefolgt. Es be-steht kein Grund mehr für ihn, uns hier fest-zuhalten. Die Energie von Toschmol, Arka-nol und Käron wird dazu benötigt, dasSperrfeld aufzulösen, das die VALKARONhier festhält.«

Parentok sah sie erstaunt an, dann wandteer sich unwillkürlich den Kontrollen zu.Nichts hatte sich bei den Instrumentenanzei-gern verändert. Das Notaggregat lieferte ei-ne Mindestmenge von Energie, wie seitStunden und Tagen.

»Vielleicht hast du recht«, meinte Swann

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mit neuer Hoffnung. »Dann werden wir dieSkärgoth verlassen können, und zwar fürimmer.«

Zortain gab keine Antwort. Sie starrteplötzlich in Richtung der Tür, die hinaus aufden Korridor führte. Die anderen folgten ih-rem Blick, und was sie sahen, war nicht er-freulich.

Mitten auf der metallenen Fläche entstandein dunkelroter Fleck, rund und sich lang-sam vergrößernd.

Parentok riß seinen Strahler aus dem Gür-tel.

»Sie versuchen, mit Gewalt hier einzu-dringen! Sie müssen verrückt gewordensein!« Schmerzhaft verzog er sein Gesicht.»Au, verdammt! Es wird immer schlim-mer!«

»Darum kommen sie ja«, meinte Swann,der sich am meisten beherrschte. »Wie wol-len wir sie zur Vernunft bringen? Wir kön-nen keinen Mann mehr entbehren – undauch keine Frau. Wenn Zortains Theoriestimmt, und ich halte das für wahrscheinlich,kann der Start jeden Augenblick erfolgen.«

Die erste Schmelzstelle brach durch. Dienoch flüssigen Metalltropfen fielen auf denKunststoffboden und zerspritzten. Zeranalhielt sich schützend die Hände vors Gesicht.

»Treibt sie zurück!« forderte sie die Män-ner auf.

Swann nickte grimmig.Er stellte sich trotz der Hitze dicht neben

die Tür und rief:»Wartet, Männer! Der Start steht kurz be-

vor! Es ist ein Notstart, und ihr seid in größ-ter Gefahr, wenn ihr bei der unmittelbar da-nach erfolgenden Transition nicht in denBetten liegt. Geht in die Kabinen!«

Dumpf kam eine Stimme zurück:»Wir haben es satt mit euren Verspre-

chungen! Wir werden euch ausräuchern unddas Kommando übernehmen. Öffnet freiwil-lig, dann geschieht euch nichts!«

Parentok richtete seine Waffe auf das im-mer größer herausschmilzende Loch.

»Verschwindet, oder wir eröffnen dasFeuer!« brüllte er voller Wut. »Klinsanthor

hat uns ausrichten lassen, daß wir startendürfen, sobald die Energie zurückkehrt. Daskann jede Sekunde passieren.«

»Ihr lügt alle!« Die Stimme blieb uniden-tif izierbar. »Ihr lügt, und darum müßt ihrsterben!«

Parentok sprang aus seinem Sessel undrannte zur Tür. Neben Swann ließ er sich zuBoden fallen, den Strahler schußbereit. Errief den beiden Arkonidinnen zu:

»Bleibt in den Sesseln! Entspannt euch!Kümmert euch nicht um das, was hier ge-schieht. Wir versuchen, sie aufzuhalten.«

Auch Swann hatte sich hingelegt. Der Bo-den war hart, aber er schützte vor dem plötz-lichen Andruck des Notstarts. Die Antigrav-felder schalteten sich erst Sekundenbruchtei-le später ein. Hinzu kam der Entzerrungs-schock bei der Transition. Es war besser, zuliegen.

Als die Warnlampe aufleuchtete, riefSwann den Männern auf dem Korridor nocheine Warnung zu, denn es blieben noch ge-nau fünf Sekunden Zeit bis zum eigentlichenStart. Höhnisches Gelächter antwortete ihm.Er achtete nicht mehr darauf, sondern ver-grub sein Gesicht in den Armen.

Und dann war es so, als habe sein Körperdie ganze Last des Universums zu tragen …

7.

Es kam selten vor, daß Admiral For selbstdas Kommando über einen Flotteneinsatzübernahm. Meist leitete er ein solches Un-ternehmen vom Schreibtisch aus – wobeidiese Bezeichnung irreführend ist. Der»Schreibtisch« bestand aus einem Kontroll-pult mit Dutzenden von Nachrichtengeräten,Hyperfunkverbindungen, Bildschirmen undeiner direkten Leitung zum Imperator.

Kommandant des Achthundert-Me-ter-Schlachtschiffs war Rentar, ein verdien-ter Offizier, der sich auch durch die Anwe-senheit seines Admirals nicht aus der Ruhebringen ließ.

Der eigentliche Auftrag war ihm nicht be-kannt, und es wäre absolut sinnlos gewesen,

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den Admiral danach zu fragen. Man flog be-stimmte Sektoren innerhalb des Großen Im-periums ab und näherte sich allmählich denRandbezirken.

In der Funkzentrale der PERONKOLAherrschte Hochbetrieb. Der Admiral hatteständige Funküberwachung angeordnet, wo-bei er nicht durchblicken ließ, worauf er ei-gentlich wartete. Der Befehl an die Besat-zung der Funkzentrale besagte lediglich, daßalle eintreffenden Meldungen zu speichernund ihm in geraffter Kurzform zugänglichgemacht werden soll ten.

Das war alles.Es genügte immerhin, an Bord der PE-

RONKOLA eine gespannte Atmosphäre ent-stehen zu lassen, die mit einer gewissen Un-sicherheit verbunden war. Man handele imdirekten Auftrag des Imperators, hieß, es inzahllosen Gerüchten immer wieder, die dieRunde machten.

Auftrag oder nicht Auftrag, jedenfallspassierte vorerst nichts. Einige unbekannteSysteme wurden angeflogen und inspiziert,ohne jeden Erfolg. Die aufgefangenen Funk-sprüche waren belanglos.

Als sie vier Wochen unterwegs waren,breitete sich an Bord des Schiffes so etwaswie Langeweile aus. Es wurden Hundertevon Sendungen aufgefangen, die von ande-ren Schiffen stammten, die oft tausendLichtjahre entfernt operierten. Aber keineeinzige dieser Sendungen schien das zu sein,auf das Admiral For wartete.

Nach vier Wochen war auch Rentar so-weit, seine Geduld zu verlieren und seineScheu dem Vorgesetzten gegenüber zu un-terdrücken.

Er hatte den Wachdienst in der Komman-dozentrale übernommen und seinen ErstenOffizier in die Kabine geschickt. Auf demPanoramaschirm war das übliche Bild: ver-einzelte Sonnen in unterschiedlichen Entfer-nungen, dazwischen die schwarze, lichtloseLeere des Raumes.

Rentar schrak zusammen, als die Tür sichöffnete und Admiral For ohne Anmeldung indie Zentrale trat. Er wollte aufspringen, aber

For winkte ab.»Behalten Sie Platz, Kommandant. Ich

kann nicht schlafen, darum bin ich hier. Al-so außerdienstlich, wenn Sie so wollen.«

Er setzte sich in einen der Kontursessel.Stumm und fast ohne sichtbares Interessesah er die inzwischen eingetroffenen Funk-meldungen durch und schob sie dann wiederbeiseite. Dann lehnte er sich zurück und be-trachtete den Bildschirm.

Rentar nahm seinen ganzen Mut zusam-men.

»Wieder nichts dabei, Admiral?« fragte erin einem Tonfall, als wisse er ganz genau,worauf For warte.

Der Admiral nahm den Blick nicht vomSchirm.

»Nichts, Kommandant. Ich beginne all-mählich zu glauben, daß nie etwas dabeisein wird. Wir suchen im falschen Sektor,aber mit uns suchen mehrere hundert Schif-fe, jedes in einem anderen Sektor. Warumsollten gerade wir das Glück haben …?«

»Was suchen wir?«Der Admiral sah ihn sekundenlang prü-

fend an, dann nickte er.»Ich hätte es Ihnen schon viel früher sa-

gen sollen, aber der Imperator ordnetestrengste Geheimhaltung an. Ich glaube esverantworten zu können, wenn ich Ihnen dieNatur unseres Auftrags verrate. Wir wartenauf eine Botschaft, die Klinsanthor betrifft.«

Rentar starrte ihn verblüfft an.»Klinsanthor – der Magnortöter?«»Genau der! Es sind zahlreiche Expeditio-

nen unterwegs, ihn zu suchen – wir übrigensauch. Das Imperium befinde sich in großerGefahr, heißt es am Hofe des Imperators.Nur Klinsanthor könne helfen, heißt es wei-ter. Darum wird er gesucht.«

Rentar erholte sich nur allmählich vonseiner Überraschung.

»Aber Klinsanthor – das ist doch alles nureine uralte Legende. Es gibt diesen sagen-haften Magnortöter doch überhaupt nicht!Wie kann man etwas finden, das es nichtgibt?«

Der Admiral zuckte die Schultern.

Die Gruft des Magnortöters 47

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»Keine Ahnung, aber Befehl ist Befehl!Wir werden solange suchen, bis wir etwasgefunden haben – oder bis wir zurückbeor-dert werden. Das kann noch Wochen oderMonate dauern.«

Rentars Gesicht verriet nur wenig Begei-sterung bei der Aussicht, Monate ziellos inden unbekannten Randregionen des Imperi-ums herumzustreifen. Er wußte, daß seineLeute mal wieder festen Boden unter denFüßen spüren wollten und begierig waren,eine Stadt mit Vergnügungsvierteln zu se-hen. Die Disziplin an Bord eines Schlacht-schiffs war streng, sie wurde nur dann ge-lockert, wenn der Flug durch eine Landungunterbrochen wurde.

»Sie sehen nicht gerade glücklich aus,Rentar.«

»Bin ich auch nicht, wenn ich ehrlich seindarf. Ich habe nichts gegen Aufträge, die einreales Ziel besitzen und Aussicht auf Erfolgversprechen. Aber Klinsanthor …? Nein, ichfürchte, wir vergeuden unsere Zeit.«

»Zu dieser Überzeugung bin ich inzwi-schen auch gekommen, aber ich würde mei-ne Machtbefugnisse überschreiten, gäbe ichjetzt den Befehl zum Rückflug. Versuchenwir doch, es anders zu sehen: Wir durch-streifen unbekannte Regionen unserer Gala-xis und haben die Möglichkeit, fremde Wel-ten zu entdecken und vielleicht sogar Kon-takt mit einer anderen Intelligenz aufzuneh-men. Wird unsere Aufgabe durch solcheAspekte nicht ein wenig interessanter?«

»Wenn Sie es so sehen, Admiral, aller-dings. Dazu wäre es aber auch notwendig,nicht nur an den fremden Systemen vorbei-zufliegen, sondern in sie einzudringen undauf den entsprechenden Planeten zu landen.«

»Dazu haben wir keinen Auftrag. EineLandung ist nur dann befohlen, wenn einHinweis auf die Anwesenheit Klinsanthorsvorhanden ist.«

»Also nie!« meinte Rentar enttäuscht.»Seien Sie nicht so pessimistisch«, wies

der Admiral ihn zurecht. »Sie stecken michsonst noch mit Ihrer Mutlosigkeit an.«

Eine Weile schwiegen sie, weil es nichts

mehr zu sagen gab. Die Funkzentrale warnicht besetzt, alle eintreffenden Meldungenwurden automatisch aufgenommen und ge-speichert. Sie konnten jederzeit abgerufenwerden.

Admiral For schien sich gerade in diesemAugenblick daran zu erinnern, denn er nick-te Rentar zu, stand auf und ging nach neben-an. Der Kommandant hörte ihn an den Kon-trollen der Speicherregistratur manipulieren,dann wurde es still. Er wußte, daß der Admi-ral nun die aufgefangenen Funksendungenüberprüfte, eine nach der anderen und mitder ihm eigenen Sorgfalt, die an Pedanterieerinnerte.

Rentar sah wieder auf den Bildschirm.Die PERONKOLA flog mit Unterlichtge-schwindigkeit nahe an einem Sonnensystemvorbei, das auf den Karten zwar verzeichnet,jedoch als unbewohnt registriert wurde. Eswar damit genauso uninteressant wie alles,was sie in den vergangenen Wochen gese-hen beziehungsweise nicht gesehen hatten.

Er blickte kaum auf, als Admiral For indie Kommandozentrale zurückkam und sichwieder setzte. In der Hand hielt er einen Zet-tel – ein Stück Plastikfolie, das aus demSpeicher stammte. Er legte ihn vor sich aufdas Kontrollpult, las ihn noch einmal durchund runzelte voller Befremden die Stirn.

Rentar fragte:»Eine Meldung, Admiral?«»Eine von vielen, aber der Absender kann

nicht normal sein. Ein wirres Durcheinanderohne jeden Sinn. Ein Ruf um Hilfe jeden-falls, aber ohne Angabe der Koordinaten.Lassen sich Richtung und Entfernung fest-stellen?«

»Wenn der Spruch bereits gespeichertwurde, ist das schwierig. Die Orter sind nurdann wirksam, wenn man sie während desEmpfangens einsetzt. Vielleicht melden sichdie Leute noch einmal.«

Der Admiral schob dem Kommandantenden Zettel zu.

»Lesen Sie selbst. Und dann sagen Siemir, ob Sie glauben, daß die Leute sich nocheinmal melden werden.«

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Rentar nahm den Zettel und las:»… immer nur Energiefelder und Lava,

silberne Glasflächen und riesige Höhlen …Die Welt des Magnortöters ließ uns frei …Wir brauchen Hilfe, sonst sterben wir alle.Die VALKARON wird unser Sarg …«

Rentar starrte auf den Zettel. Immer wie-der sprang ihm nur das Wort »Magnortöter«in die Augen.

»Sie haben Klinsanthor gefunden«, sagteer schließlich.

Der Admiral nickte.»So sieht es aus, und darum müssen wir

sie finden. Lassen Sie sofort die Funkzentra-le besetzen und die Orter in Betrieb nehmen.Jede Funkmeldung muß ab sofort angepeiltwerden, ob sie mit diesem Notruf in Verbin-dung steht oder nicht.« Er nahm den Zettelund erhob sich. »Sie wissen nun, worum esgeht, Kommandant. Rufen Sie mich über In-terkom, wenn Sie etwas auffangen?«

Rentar alarmierte die einzelnen Teamsund beorderte sie in die Zentrale. Mit kurzenWorten klärte er sie auf, und zu seiner Ver-wunderung hob sich sofort die Stimmungder Männer. Endlich wußten sie, worum esging, und wenn auch niemand an die Exi-stenz des Magnortöters so recht glaubenwollte, so hatten sie doch das Gefühl, für ei-ne wichtige Aufgabe ausersehen zu sein.

Funk- und Orterzentrale arbeiteten Handin Hand. Rentar blieb in der Kommandozen-trale, vor sich die Sternkarten des Sektors, indem sich die PERONKOLA aufhielt. Alsdie ersten Funksprüche aufgefangen wurden,bewährte sich das System der schnellenAusarbeitung. Der Standort der betreffendenSchiffe war in wenigen Minuten ausgemachtund konnte anhand der Karten bestimmtwerden.

Aber es war keine Meldung von derVALKARON dabei.

Die traf erst einige Stunden später ein.

*

Admiral For hatte sich hingelegt und wareingeschlafen, obwohl er innerlich sehr er-

regt war und eine nie gekannte Unruhe ver-spürte. Vom ersten Tag seiner Mission anwar er davon überzeugt gewesen, einemPhantom nachjagen zu müssen, aber er hättees niemals gewagt, dem Imperator zu wider-sprechen. Wenn der an den Magnortöterglaubte, so war das seine Sache. For verließsich lieber auf die Schlagkraft der arkonidi-schen Flotte als auf eine Sagenfigur.

Doch nun mußte er seine Meinung än-dern, auch wenn der aufgefangene Notrufkeinen vernünftigen Sinn ergab. In ihm wur-de Klinsanthor erwähnt, zumindest aber dieWelt, auf der er lebte. Das war eine Spur,die er finden mußte. Denn es war eine Spur,die zu Reichtum und Ruhm führte.

Als der Interkom summte, war er soforthellwach. Vom Bett aus schaltete er das Ge-rät ein. Kommandant Rentars Gesicht er-schien auf dem kleinen Bildschirm.

»Eine zweite Meldung von der VALKA-RON, Admiral. Wir haben den Standort desSchiffes bestimmen können. Zwei Transitio-nen werden genügen …«

»Wie lautet die Meldung?«»Sie ist fast identisch mit der ersten, nur

wird der Name des Planeten erwähnt, aufdem der Magnortöter leben soll. Skärgoth.Noch nie in meinem Leben gehört …«

»Aber ich!« Admiral For sprang aus demBett. »Ich komme!«

Er nahm den Zettel und las ihn durch.Rentar zeigte ihm die Position der beidenSchiffe auf der Karte. For ließ eine Hyper-kom-Verbindung mit Arkon herstellen undeinige verschlüsselte Fragen senden. Erbrauchte nicht lange auf die ebenfalls inKode verfaßten Antworten zu warten.

Ein flüchtiges Lächeln huschte über seinGesicht, als Rentar ihn voller Spannung an-sah.

»Ja, Kommandant, wir sind auf der richti-gen Spur. Die VALKARON muß das Bei-boot der PROTALKH sein, die zu den Spe-zialschiffen gehört, die mit dem Auftragausgeschickt wurden, direkten Kontakt mitKlinsanthor aufzunehmen. An Bord befindetsich der Wissenschaftler Lenth Toschmol,

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der angeblich genaue Unterlagen über denAufenthaltsort des Magnortöters besitzensoll. Er scheint Erfolg gehabt zu haben, aberdann muß etwas Unerwartetes passiert sein.«

Von der Navigation her wurde bekanntge-geben, daß die erste Transition program-miert sei. Der Admiral befahl die Durchfüh-rung und blieb in der Zentrale.

»Sie meinen, Admiral, die Besatzung derVALKARON habe den Verstand verloren?«

»Nicht unbedingt, aber sie befindet sichzumindest in Schwierigkeiten. Mir geht esum Toschmol. Ihn müssen wir retten!«

Rentar sagte nichts darauf. Er war mit sei-nen eigenen Gedanken und Spekulationenbeschäftigt, während die PERONKOLA inTransition ging und einige Dutzend Licht-jahre zurücklegte. Nach der Rematerialisati-on wurde der zweite Hypersprung program-miert, was einige Zeit in Anspruch nahm. Indieser Pause wurde der dritte Funkspruchder VALKARON aufgefangen. Er lautete:

»… immer schlimmere Schmerzen undmehr Linksdrall. Bewegen uns nur noch imKreis. Die Skärgoth läßt uns nicht mehr los.Position unbekannt. Helft uns! Klinsanthorist …«

Der Admiral sah Rentar fragend an undgab ihm den Zettel zurück.

»Klinsanthor ist … was ist mit Klinsan-thor?«

»Die Meldung kam verstümmelt hier an,Admiral. Sie ist nicht vollständig.«

Wenig später erfolgte die zweite Transiti-on, diesmal fast im rechten Winkel zum bis-herigen Kurs. Der Umweg war notwendig,weil die Sternkarte energetische Felder undGravitationsstörungen in diesem Bereich desRandgebiets verzeichnete. Vielleicht war dieVALKARON in einen magnetischen Sturmgeraten.

Die PERONKOLA rematerialisierte in ei-ner sternenarmen Zone. Die Orter begannensofort mit ihrer Arbeit und suchten den er-rechneten Sektor systematisch ab, aber dieerwarteten Echos auf den Schirmen bliebenaus. Entweder hatte die VALKARON in derZwischenzeit eine Transition vorgenommen,

oder das Schiff existierte nicht mehr.Eine fieberhafte Suchaktion begann. Un-

unterbrochen jagten die Funker eine Positi-onsmeldung nach der anderen durch die An-tennen des Hyperkoms und riefen die VAL-KARON. Es erfolgte keine Antwort.

Die Fernortung meldete ungewöhnlichstarke Energiefelder in Richtung einer rotenSonne, die mehrere Lichtjahre entfernt war.Auf den Karten war sie mit einem Warnzei-chen versehen.

Endlich, nach Stunden, traf wieder eineNachricht ein. Sie stammte von einem Tech-niker, mit Namen Parentok und besagte, daßdie gesamte Mannschaft der VALKARONdienstuntauglich sei und dringend ärztlicherHilfe bedürfe. Die PROTALKH selbst seimit dem Großteil der Besatzung verlorenge-gangen. Nur das Beiboot habe sich rettenkönnen.

Die PERONKOLA nahm erneut Fahrtauf, nachdem eine Peilung vorgenommenworden war. Als der Entzerrungsschmerznachließ, wurde der Panoramaschirm ju-stiert.

Die Berechnung waren genau gewesen.Der kleine Kugelraumer stand nur wenige

Lichtsekunden entfernt bewegungslos imRaum.

*

Parentok antwortete nach einigen vergeb-lichen Funkanrufen.

»Rechte Seite völlig gelähmt, kann michnicht mehr bewegen und die Luke öffnen.Automatik versagt. Wir dürfen die Zentralenicht verlassen. An Bord fand eine Meutereistatt. Die Zahl der Überlebenden ist unbe-kannt. Kommen Sie zu uns und helfen Sieuns!«

Admiral For ließ Rentar ein Enterkom-mando zusammenstellen. Schwerbewaffnetverließen zehn Männer die PERONKOLA,als diese sich der VALKARON bis auf we-nige hundert Meter genähert hatte. In ihrenKampfanzügen schwebten sie hinüber zudem anderen Schiff und öffneten dann ge-

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waltsam die verklemmte Luke. Schon in derSchleuse fanden sie zwei Überlebende, diesich jedoch nicht rühren konnten und aufFragen keine Antwort gaben.

Überall in den Gängen, Korridoren undKabinen lagen gelähmte Männer und Frau-en. Vor der Tür zur Kommandozentrale wa-ren drei bewaffnete Arkoniden gestorben.Die Verletzungen ließen erkennen, daß einplötzlicher Andruck sie getötet hatte.

In der Zentraletür waren rundes Schmelz-loch. Parentok betätigte den Öffnungsme-chanismus und ließ die Retter hereinkom-men. Bei ihm waren der bärtige Swann, Zer-anal und Zortain.

Es dauerte einige Stunden, bis die insge-samt sechzehn Überlebenden an Bord derPERONKOLA geschafft waren und behan-delt werden konnten. Parentok war der ein-zige, der noch verständlich sprechen konnte,bei allen anderen war die Lähmung so weitfortgeschritten, daß sie ihren Mund nichtmehr bewegen konnten.

Admiral For erfuhr zu seiner Enttäu-schung, daß auch Toschmol nicht mehr leb-te. Aber dann tröstete er sich mit der Tatsa-che, daß die PROTALKH die sagenhafteGruft Klinsanthor gefunden hatte, wennauch durch Opfer, die in keinem Verhältniszum Erfolg der Mission standen.

Während Rentar den Kurs nach Arkonprogrammieren und die erste Transition vor-bereiten ließ, wich Admiral For nicht vonder Seite Parentoks. Immer wieder stellte erseine gezielten Fragen, bis er alles wußte,was auch der Halbgelähmte noch in Erinne-rung behalten hatte. Besonders interessantwar natürlich Toschmols letzter Bericht, be-vor er sich mit seinen beiden Begleitern inEnergie auflöste.

Erst dann, als Perentok vor Erschöpfungdas Bewußtsein verlor, verließ For die Kran-kenstation und begab sich in seine Kabine,um seinen Bericht zu verfassen.

Schon morgen würde er Orbanaschol ge-genübertreten und ihm die Erfolgsmeldungüberbringen.

*

Der Imperator beachtete den auf einerBahre liegenden Parentok kaum. Auch dieTatsache, daß Hunderte von Arkoniden beidem Versuch, Klinsanthor zu finden, umge-kommen waren, schien ihn nicht zu berüh-ren.

Orbanaschol III. Diktator über das Ster-nenreich der Arkoniden, stand breitbeinighinter seinem wuchtigen Tisch, die Daumenin den breiten und mit Juwelen geschmück-ten Gürtel geschoben. Er sah Admiral Foran, der seinen Bericht vorlas.

Als er damit fertig war, setzte sich der Im-perator.

»Also wurde die Welt des Magnortötersgefunden – sehr gut. Die Legenden sind alsowahr – auch gut. Ich werde den ArchivarKonph El Trajn davon in Kenntnis setzen.«Er hatte eine unangenehm hohe Stimme, dieeine gewisse Unsicherheit verriet. »Was istmit dem da?« Er deutete auf Parentok, dernicht begriff, was um ihn herum geschah.»Ist das dieser Parentok?«

»Er ist es. Erhabener. Außer ihm gibt eskeinen lebendigen Zeugen der Geschehnissemehr, der noch zurechnungsfähig wäre. Eshandelt sich wahrscheinlich um eine energe-tische Zerfallserscheinung, die mit rechtssei-tiger Lähmung beginnt und dann …«

»Er hat seinen Herrscher nicht einmal be-grüßt!« fistelte Orbanaschol wütend.

»Ich fürchte, er hat Euch nicht erkannt,Erhabener. Er wird bald sterben, denn dieÄrzte kennen kein Mittel zur Heilung. Aberbevor er stumm wurde, hat er mir alles be-richtet. Ihr braucht Euch nicht mehr um ihnzu kümmern. Ihr solltet ihn nur sehen, dar-um ist er hier.«

»Na schön, dann soll man ihn wieder fort-bringen. Ich will ihn nicht mehr sehen.«

Als sich die Tür wieder geschlossen hatte,sah Orbanaschol seine um ihn herum ver-sammelten Ratgeber an.

»Nun, was sagt ihr dazu? Die Gruft desMagnortöters wurde von Toschmol gefun-

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den. Wie schade, daß auch er tot ist, ich hät-te ihn gern für seinen Mut belohnt. Abersprecht endlich, ich warte.«

Einer der Arkoniden in reich besticktemGewand trat einen Schritt vor. Seine Hal-tung war demütig und voller Respeckt –oder auch Furcht.

»Die Welt Skärgoth wurde zwar gefun-den, Erhabener, aber nicht Klinsanthor. Erhatte die Gruft bereits verlassen.«

»Das weiß ich auch, Dummkopf!« fuhrihn der Imperator zornig an. »Aber wo ist erjetzt?«

Admiral For kam einem anderen arkonidi-schen Edelmann zuvor und sagte:

»Soweit ich Parentoks Schilderung ent-nehmen konnte, hat Toschmol vor seinerAuflösung behauptet, allein der Wille desImperators genüge, Klinsanthor herbeieilenzu lassen. Aber es gibt niemanden, der ihnjemals gesehen hat. Niemand kann also wis-sen, wie Klinsanthor aussieht. Er kann dem-nach bereits mitten unter uns sein …«

Orbanaschol wurde weiß im Gesicht. Sei-ne zusammengepreßten Lippen bildeteneinen schmalen Strich. Fahrig strich er sichmit den Händen die Haare aus der Stirn.Sein suchender Blick ging von einem Ratge-ber zum anderen, bis sein Blick auf AdmiralFor hängenblieb.

»Er kann schon mitten unter uns sein –meinen Sie? Einer von uns vielleicht?« Erstreckte abwehrend beide Hände von sich.»Nein, das glaube ich nicht, das ist unmög-lich! Wir kennen uns doch alle schon langegenug. Wir wissen, wie wir aussehen undwer wir sind.«

»Klinsanthor ist dem Ruf des Imperatorsgefolgt und nach Arkon gekommen.« Admi-ral For wunderte sich über seinen Mut, demHerrscher in Gegenwart seiner Ratgeber zuwidersprechen. »Er ist hier! Er muß hiersein! Eines Tages werden wir ihn erkennen…«

Orbanaschol starrte ihn lange wortlos an.Sein Gesicht war noch immer sehr blaß, under war sich darüber im klaren, daß er im Au-genblick keine gute Figur abgab. Jeder hatte

sehen können, wie sehr ihm der Schreck indie Knochen gefahren war.

Dieser negative Eindruck mußte revidiertwerden, wenn er nicht alle Anwesenden hin-richten lassen wollte, und das wäre unter dengegebenen Umständen unklug gewesen.

Seine Stimme war heiser, als er sagte:»Also ist Klinsanthor, der Magnortöter,

bereits eingetroffen, auch wenn wir nichtwissen, wer er ist und wie er aussieht. Er istmeiner Bitte gefolgt – das wenigstens müs-sen wir annehmen. Sein todbringenderSchatten ist über jene gefallen, die ihn such-ten und fanden, und er wird bald mit seinerTätigkeit hier am Hofe beginnen. Wir wer-den sie zu spüren bekommen – vor allemmeine Feinde!«

Die Ratgeber blieben stumm, denn siewußten nur zu gut, daß Orbanaschol sichselbst Mut machen wollte. Er versuchte, sei-ne Angst zu verscheuchen, die er seinemschlechten Gewissen zu verdanken hatte.

Als es still in dem Versammlungssaalblieb, rief Orbanaschol:

»Geht! Laßt mich allein! Ich muß nach-denken …«

Sie gingen und ließen ihn allein. Nur Ad-miral For drehte sich in der Tür noch einmalum und fragte:

»Erhabener, Ihr hattet eine Belohnung fürdenjenigen versprochen, der Euch die Nach-richt überbringt …«

»Ich habe es nicht vergessen, aber nungeht endlich! Ich will allein sein!«

Admiral For verließ den Palast mit ge-mischten Gefühlen. Mißtrauisch sah er je-dem nach, dem er begegnete, selbst dannnoch, als er auf der Straße war und ein Luft-taxi herbeirief, das ihn in sein Quartier brin-gen sollte.

Jeder konnte Klinsanthor sein, wenn derMagnortöter sich nach Belieben verwandelnkonnte.

Selbst der Roboter, der ihn vor dem Ge-bäude absetzte.

Und plötzlich verspürte auch er Angst undUnsicherheit. Hastig sprang er in den Liftund war froh, als sich die Tür seiner Wohn-

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einheit hinter ihm schloß. Hier erst fühlte ersich sicher.

Als er sich setzte, achtete er nicht auf dasleichte Kribbeln im rechten Arm, und denfeinen Schleier vor dem rechten Augeschrieb er seiner Müdigkeit zu.

Es wurde Zeit, daß er wieder einmal aus-

schlief.

ENDE

E N D E

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