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MSB Medical School Berlin Hochschule für Gesundheit und Medizin Fakultät Naturwissenschaften Masterstudiengang Klinische Psychologie und Psychotherapie Masterarbeit Die heilende Wirkung einer tiefen Naturverbindung und ihre Bedeutung für die Psychotherapie Henriette Leonie Illers 29.05.2017

Die heilende Wirkung einer tiefen Naturverbindung H.Illers ... · hergestellten Hormons DHEA (De-hydro-epiandro-steron) fest. DHEA soll den En- DHEA soll den En- ergieverbrauch von

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MSB Medical School Berlin Hochschule für Gesundheit und Medizin

Fakultät Naturwissenschaften

Masterstudiengang Klinische Psychologie und Psychotherapie

Masterarbeit

Die heilende Wirkung einer tiefen Naturverbindung

und ihre Bedeutung für die Psychotherapie

Henriette Leonie Illers

29.05.2017

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Inhaltsverzeichnis Abstract / Zusammenfassung……………………………………………………….IV

1 Einleitung……………………………………………………………………………..

2 Hintergrund…………………………………………………………………………..

2.1 Die Bedeutung und Wirkung der Natur.………………………………………

2.2 Forschungsstand………………………………………………………………..

2.3 Definitionen der verwendeten Begriffe………………………………………..

3 Theorie…………………………………………………………………………………

3.1 Theorien zur Heilwirkung der Natur……………………………………………

3.2 Naturtherapie…………………………………………………………………….

3.2.1 Tiefe Naturverbindung……………………………………………………..

3.2.2 Wirkungsweise der Naturtherapie und der tiefen Naturverbindung….

4 Methode………………………………………………………………………………

4.1 Das Experteninterview………………………………………………………….

4.2 Qualitative Inhaltsanalyse nach Mayring……………………………………..

5 Forschungsfragen…………………………………………………………………..

6 Auswertung…………………………………………………………………………..

6.1 Probanden……………………………………………………………………….

6.2 Kategorien……………………………………………………………………….

6.2.1 Deduktive Kategorien……………………………………………………..

6.2.2 Induktive Kategorien………………………………………………………

6.3 Interpretation der Interviews……………………………………………………

6.3.1 Beziehung zur Natur vor der Naturtherapie…………………………….

6.3.2 Veränderungen im Leben…………………………………………………

6.3.2.1 allgemeine Veränderungen………………………………………….

6.3.2.2 Veränderungen in Beziehungen…………………………………….

6.3.2.3 Veränderungen im Bezug auf den Lebenssinn……………………

6.3.3 Wirkungsweise……………………………………………………………..

6.3.3.1 Methoden………………………………………………………………

6.3.3.2 Art der Wirkung………………………………………………………..

6.3.4 Vergleich mit anderen Therapien…………………………………………

6.3.5 Spiritualität………………………………………………………………….

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6.3.6 Einheitsbewusstsein……………………………………………………….

6.4.7 Achtsamkeit…………………………………………………………………

6.4.8 Rolle des Naturtherapeuten………………………………………………

7 Diskussion…………………………………………………………………………….

7.1 Zusammenfassung der Ergebnisse……………………………………………

7.2 Bedeutung für die Psychotherapie…………………………………………….

7.3 Ausblick…………………………………………………………………………..

8 Fazit…………………………………………………………………………………… Literaturverzeichnis…………………………………………………………………..

Anhang

Anhang A Interviewleitfaden

Anhang B Kodierleitfaden

Anhang C Interview C

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Abstract

The present study explores the therapeutic and healing effects of deep nature connectedness. Basic theories regarding the healing effects of nature as well as approaches and methods of ecotherapy are presented and build the foundation of this empirical study. The central research questions investigated the life changes of test persons and the specific effectiveness of nature connection. Four expert interviews were conducted with test persons who experienced healing through a reconnection with nature. Subsequently these interviews were transcribed and analyzed by methods of qualitative content analysis. Results showed positive life changes regarding the quality of relationships, body awareness, mindfulness, en-hanced trust in life processes and an affirmative meaning of life. Key attributes that were received as especially therapeutic and healing were fascination with nature, unconditional acceptance, individuality and depth of therapy, unity consciousness and spiritual experiences. Results, the meaning of nature for psychotherapy and an outlook on future research are discussed.

Zusammenfassung

Die vorliegende Arbeit untersucht die heilende Wirkung einer tiefen Naturverbin-dung. Grundlegende Theorien zur Heilwirkung der Natur sowie Methoden und Wirkungsweisen der Naturtherapie werden vorgestellt und bilden die Ausgangsla-ge dieser empirischen Studie. Die Forschungsfragen untersuchten die wahrge-nommenen Veränderungen im Leben der Probanden sowie die spezielle Wir-kungsweise einer tiefen Naturverbindung. Die Datenerhebung erfolgte durch vier einstündige Experteninterviews mit Personen, die Heilung durch eine Rückverbin-dung mit der Natur erfahren haben. Diese wurden transkribiert und durch die quali-tative Inhaltsanalyse ausgewertet und interpretiert. Ergebnisse zeigten positive Veränderungen in Bezug auf Beziehungsqualitäten, Körperbewusstsein, Vertrauen in Lebensprozesse, erhöhte Achtsamkeit sowie die Entwicklung eines affirmativen Lebenssinns. Weiterhin zeigten die Ergebnisse, in Übereinstimmung mit der Theo-rie, bestimmte Wirkungsweisen die einen besonders positiven und heilenden Ef-fekt hatten. Dazu gehören Faszination, bedingungslose Akzeptanz, Individualität und Tiefe der Therapie, Einheitsbewusstsein sowie spirituelle Erfahrungen. Zum Abschluss der Arbeit wird die Bedeutung der Natur für die Psychotherapie sowie ein Ausblick auf zukünftige Forschung diskutiert.

Genderhinweis: Personenbezogene Bezeichnungen sind genderneutral zu verstehen.

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„… for going out, I found, I was really going in.“ (John Muir, 1913)

1 Einleitung

Die Erde mit ihren Pflanzen und Tieren, ihrer Artenvielfalt und ihrem perfekt abge-

stimmten Organismus ermöglicht unser Dasein. Betrachtet man die Zusammen-

hänge der Erde und ihres Ökosystems, wird die Sensibilität dieses Systems und

die vollendete Abstimmung zueinander deutlich (Hageneder, 2016). Der Mensch

ist integraler Teil dieses Systems, dem Organismus Erde. Jedoch trennt er sich in

zunehmendem Maße von der nicht-menschlichen Natur und betrachtet sich nur

noch selten als ebenbürtig und verbunden mit ihr (Jordan, 2016). Stattdessen

sieht er sich meist als übergeordnet, vielleicht sogar unabhängig von der Natur an.

Diese Wahrnehmung spiegelt jedoch nicht die Realität wider, sie verdeutlicht ein

mangelndes Bewusstsein über die tiefen Verbindungen dieser Erde. Jack D. For-

bes, nordamerikanischer Ureinwohner, Autor und Aktivist, schreibt:

„Ich kann meine Hände verlieren und dennoch leben. Ich kann meine Beine verlieren und dennoch leben. […] Wenn ich aber die Luft […] Sonne […] das Wasser verliere, sterbe ich. Wenn ich die Erde verliere, sterbe ich. Wenn ich die Pflanzen und Tiere verliere, sterbe ich. Sie alle sind mehr ein Teil von mir, notwendiger für je-den Atemzug, als mein sogenannter Körper. Was ist mein wirkli-cher Körper?“ (Forbes, 1984, S. 130-1)

Forbes spricht damit die Bedeutsamkeit und Relevanz der Ganzheit an: Der

Mensch braucht die ganze Erde zum Leben. Nicht nur sich selbst, sondern die

Welt als Einheit, deren einzelne Teile nicht getrennt voneinander existieren kön-

nen. Was vielen Urvölkern noch bewusst ist, lässt sich heute wissenschaftlich

nachvollziehen. Das Leben auf unserem Planeten existiert durch die Interdepen-

denzen aller Lebewesen, der ökologischen Prozesse und dem Organismus Erde

als Ganzes (Hageneder, 2016).

Seit jeher weiß der Mensch um die Relevanz und die heilende Wirkung der

Verbindung zur Natur, meist bleibt dieses lang erprobte Wissen jedoch unberück-

sichtigt und stark unterschätzt (Capaldi, Passmore, Nisbet, Zelenski & Dopko,

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2015). Der Mensch ist ein sinnliches, neugieriges und kreatives Wesen. Er hat

sich in seiner natürlichen Umwelt – der Natur entwickelt, lebt jedoch zunehmend in

einer unnatürlichen, unlebendigen Welt. In der Gesellschaft, wie auch in einer

großen Anzahl moderner Therapien, sind Funktionalität und Effizienz die neuen

Werte, die es zu erreichen und zu erhalten gilt. Die Folgen sowie Ursachen vieler

psychischer Erkrankungen sind eine Trennung und zunehmende Zerstörung eben

jener Quelle des Lebens, die uns erhält (Robinson, 2009; Jordan, 2015). Verges-

sen wird hierbei die lebendige, individuelle Seele des Menschen, die in einer un-

trennbaren Verbindung zur Natur und der Weltenseele existiert. Forschung, die

sich dieses Wissen (wieder) zunutze macht, zeigt, wie tief verwurzelt der Mensch

und sein Wohlbefinden in seiner natürlichen Umgebung sind. Auch jüngere Diszi-

plinen der Psychologie beschäftigen sich wieder mit diesen Interdependenzen und

der Beziehung zwischen dem Menschen und der nicht-menschlichen Natur sowie

ihrer Entfremdung (Roszak, Gomes & Kanner, 1995).

Im Rahmen meiner Masterarbeit möchte ich mich empirisch mit der Heilwir-

kung der Natur auseinandersetzen, und die Einbeziehung der Natur in die Thera-

pie näher erforschen. Die Frage, die in dieser Arbeit beantwortet werden soll ist,

inwieweit und in welcher Weise die persönliche Verbindung zur Natur einen Ein-

fluss auf das psychische Wohlbefinden hat. Die Forschungsfragen zielen darauf

ab, die Veränderungen im Leben und dem persönlichen Empfinden durch eine

(Wieder-) Verbindung zur Natur sowie die besondere Wirkungsweise der Natur (-

therapie) zu untersuchen. Die Natur wird dabei auf verschiedenen Ebenen und

von unterschiedlichen Ausgangspunkten aus betrachtet. Sie kann als „passives“

Gegenüber, Aufenthaltsort und Ressource wahrgenommen werden, als Co-Thera-

peutin und Therapeutin, oder als gleichwertiges Gegenüber und Teil des Selbst.

Diese Wahrnehmung beinhaltet eine ebenbürtige Beziehung zwischen Mensch

und nicht-menschlicher Natur und ermöglicht eine tiefe (Rück-) Verbindung.

Als Einstieg in das Thema werden im Folgenden zunächst Hintergründe

und Fakten zur Wirkung und Bedeutung der Natur dargestellt (2.1). Anschließend

wird ein Überblick über den aktuellen Forschungsstand (2.2) und die Bedeutung

sowie Definitionen der in der vorliegenden Arbeit verwendeten Begriffe gegeben

(2.3). In den folgenden Kapiteln werden die grundlegenden Theorien dieser Arbeit

dargelegt (3.1), verschiedene Arten der Naturtherapie vorgestellt (3.2), die tiefe

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Naturverbindung näher erläutert (3.2.1) sowie die Wirkungsweise der Naturthera-

pie und der tiefen Naturverbindung besprochen (3.2.2). Anschließend wird der in

dieser Studie verwendete methodische Ansatz zur Datenerhebung und Auswer-

tung erläutert (Kapitel 4) und die Forschungsfragen vorgestellt (Kapitel 5). Im An-

schluss folgen in Kapitel 6 die Definitionen der Kategorien sowie die Auswertung

der Interviews. Eine zusammenfassende Diskussion der Ergebnisse und der Be-

deutung der Natur für die Psychotherapie sowie ein Ausblick zukünftiger For-

schung folgt in Kapitel 7. Ein Fazit wird in Kapitel 8 gezogen.

2 Hintergrund

2.1 Die Bedeutung und Wirkung der Natur

Mit Rückblick auf die Geschichte der Menschheit begegnen einem immer wieder

Mythen und Sagen, Ideen und Vorstellungen über die Erde und die Beziehung von

Mensch und Natur. Zu Zeiten Aristoteles (384 v. Chr. – 322 v Chr.), als das Tran-

szendente noch allgegenwärtig war, ehrten die Griechen die Erde als lebendige

Gottheit und drückten ganz selbstverständlich ihre Faszination und Bewunderung

für sie aus (Hinds, 2016).

Auch in den Anfängen der Psychotherapie begegnen wir der Natur im Zu-

sammenhang mit dem menschlichen Wohlbefinden. Sigmund Freud (1856 –

1939), Tiefenpsychologe und Begründer der Psychoanalyse, übte seine ersten

Therapiesitzungen grundsätzlich im Wald, bei einem Spaziergang aus (Arvay,

2015). C.G. Jung (1875 – 1961), Psychiater und Begründer der Analytischen Psy-

chologie, betrachtete die Welt als ein empfindsames Wesen, eine lebendige Ein-

heit, die uns nicht nur einen Ort zum Leben bietet, sondern die auch in uns lebt.

Lévy-Bruhl (1857 – 1939), Philosoph und Ethnologe, formulierte für dieses ge-

heimnisvolle Phänomen den Begriff „participation mystique“: Eine besondere Art

der seelischen Verbundenheit zwischen Mensch und Erde (Jordan, 2015, S.

16-17). Jung zählte den Wald zu den Mutterarchetypen, ein Gleichnis für das Un-

bewusste, in dem der Baum, der schon immer einen hohen symbolischen Charak-

ter hatte, für das Individuelle und die Persönlichkeit steht (Gasser, Kaufmann-

Hayoz, 2004). Koch (1972) griff diesen Gedanken auf und beschreibt den Baum

als eines der starken archetypischen Symbole und damit als ideale psychische

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Projektionsfläche, die uns Zugang zum inneren Chaos und die Möglichkeit bieten

kann, blockierte Kräfte zu lösen. Inwiefern sich die Natur auch in der modernen

Psychotherapie als Projektionsfläche eignet und einen Zugang zum Unterbe-

wusstsein bietet, wird in einem späteren Kapitel (siehe 3.2.2) näher erläutert.

Die Natur hat also schon immer eine wichtige und entscheidende Rolle in

Bezug auf die Psyche und das Wohlbefinden des Menschen gespielt. Was in frü-

heren Zeiten durch Mythen und andere Überlieferungen vermittelt und bestärkt

wurde, wird heute empirisch erforscht und untersucht. Zahlreiche wissenschaftli-

che Studien (siehe 2.2) belegen mittlerweile die positive Wirkung der Natur auf

Körper, Geist und Psyche.

Der Zusammenhang zwischen physischen und psychischen Krankheiten ist

heute kaum noch zu ignorieren und spielt daher auch in psychotherapeutischen

Prozessen eine wichtige Rolle (Arvay, 2015). Clemens Arvay, Biologe und Autor,

beschreibt in seinen Büchern (Arvay, 2015 & 2016) verschiedene biologische Vor-

gänge, die während eines Aufenthaltes in der Natur auf körperlicher Ebene statt-

finden. Als Grundlage werden im Folgenden einige dieser Vorgänge sowie Auswir-

kungen auf psychischer Ebene beschrieben.

Befindet sich der Mensch in der Natur, stellt der Körper ganz automatisch

und selbstverständlich eine Verbindung mit der Pflanzenwelt her. Ebenso wie die

Pflanzen untereinander kommunizieren, spricht auch unser menschliches Immun-

system diese „Sprache“ und reagiert positiv auf den Austausch mit der Natur (Ar-

vay, 2015). Vor allem durch chronischen Stress, die Ursache vieler Krankheiten,

ist unser Immunsystem stark belastet. Schon ein einziger Tag im Wald senkt die

Stresshormone Cortisol und Adrenalin signifikant, reduziert den Blutdruck und

Blutzuckerspiegel und erhöht die Aktivität und Leistungsfähigkeit der natürlichen

Abwehrzellen, die unser Immunsystem stärken, um fast 40% (Qing Li, 2013). Die

Stärkung dieser natürlichen Abwehrzellen ist vor allem den Terpenen, den sekun-

dären Pflanzenstoffen und ätherischen Ölen der Bäume zu verdanken. Ihre Kon-

zentration ist besonders hoch in Nadelbäumen sowie in immergrünen Gewächsen,

zur Sommerzeit und im Waldesinneren, wo die Baumkronen näher beieinander

stehen und die gasförmigen Substanzen besser gespeichert werden können. Die

gesundheitsfördernde Wirkung der Terpene und ihre Fähigkeit den Zelltod von

Tumorzellen herbeizuführen ist so hoch, dass sie bereits als zukünftiges Heilmittel

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für Krebs erforscht werden (Arvay, 2015). Ebenso stellte man nach einem Wald-

spaziergang bei Probanden eine signifikante Erhöhung des vom Körper selbst

hergestellten Hormons DHEA (De-hydro-epiandro-steron) fest. DHEA soll den En-

ergieverbrauch von Zellen reduzieren, wodurch ihm eine lebensverlängernde Wir-

kung zugeschrieben wird. Es wirkt positiv auf Blutgefäße, das Herz und Stoff-

wechselstörungen und soll auch bei schweren psychischen Störungen, wie bei-

spielsweise der Schizophrenie und der Major-Depression, einer besonders schwe-

ren Form der Depression, unterstützend und symptomlindernd wirken (Arvay,

2016).

Diese Phänomene beobachtet man auch beim Shinrin-yoku, dem „Waldba-

den“. Shinrin-yoku ist ein traditioneller japanischer Ansatz, der in den letzten Jah-

ren auch in der wissenschaftlichen Forschung besondere Beachtung gefunden

hat. Man nimmt dabei auf eine intensive Art, zum Beispiel durch geführte Medita-

tionen oder Atemübungen, die Atmosphäre des Waldes in sich auf. Der Aufenthalt

fördert nicht nur die körperliche Gesundheit, ebenso führt er zu mehr Klarheit, ei-

ner Besserung genereller Stimmungsstörungen und bewirkt eine signifikante Ver-

ringerung von Angstzuständen, Aggressionen und Erschöpfung (Qing Li, 2013).

Lediglich der Aufenthalt im Wald bewirkt also auf körperlicher sowie psychischer

Ebene bedeutende, positive Veränderungen und eine Linderung von Krankheits-

symptomen.

Auch der Kontakt zu Tieren kann einen sehr positiven Einfluss auf die men-

schliche Psyche haben. Selbst bei schweren psychischen Störungen wie der

Schizophrenie, Angststörung, Affektiven- oder Persönlichkeitsstörungen wurden

eine bedeutende Linderung der Symptome, sowie erhöhte Bewältigungsmecha-

nismen, Selbstwirksamkeit und Lebensqualität festgestellt, nachdem Probanden

mehrere Stunden in der Woche Zeit mit Tieren verbrachten (Chalquist, 2009).

Auch für Kinder kann die Arbeit mit Tieren ein wirksamer, therapeutischer

Prozess sein. Sie profitieren in ihrer Entwicklung in hohem Maße von dem Kontakt

mit (Haus-) Tieren und zeigen in späteren Jahren bessere soziale Fähigkeiten so-

wie eine erhöhte Empathiefähigkeit (Arvay, 2015). Ebenso förderlich und von ele-

mentarer Bedeutung für die gesunde kindliche Entwicklung sind Aufenthalte in der

Natur (Gill, 2014). Bei Kindern häufig beobachtetes Verhalten wie Unruhe, Hyper-

aktivität und Konzentrationsschwäche, auch in verstärkter Ausprägung, können

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durch regelmäßiges Spielen in der Natur bedeutend gemildert werden (Louv,

2013; A. & C. van den Berg, 2010).

Bemerkenswert ist, dass nicht nur der Aufenthalt in und der direkte Kontakt

mit der Natur unser Wohlbefinden fördert: Robert Ryan und Rachel & Steven Ka-

plan (1998) zeigten in ihrer Studie, in der sie 1200 Büroangestellte befragten, dass

schon der Ausblick aus dem Fenster auf Natur- und Grünflächen einen signifikan-

ten Anstieg der Konzentration und Freude an der Arbeit hervorbringen. Einen ähn-

lichen Effekt zeigte bereits Roger Ulrich (1984) in seiner bekannten Studie zur

Genesung nach einem operativen Eingriff. Patienten, deren Krankenhauszimmer

ein Fenster mit Blick ins Grüne hatten, erholten sich schneller, benötigten weniger

Schmerzmittel und berichteten von weniger Komplikationen als Patienten, deren

Fenster nur einen Ausblick auf die gegenüberliegende Steinmauer bot.

Ein Blick in die Thematik zeigt: Die Natur ist eine gute Ärztin und Therapeu-

tin, bietet einen Zugang zu unserem Unbewussten und wirkt als heilende Kraft.

Wie genau die Natur und Naturtherapie auf psychischer Ebene wirken, wird im

Rahmen dieser Arbeit näher betrachtet. Im Folgenden wird zunächst ein Überblick

über die aktuelle wissenschaftliche Forschung zum Thema Heilung durch die Na-

tur gegeben, bevor anschließend die theoretische Grundlage der vorliegenden

Studie vorgestellt wird.

2.2 Forschungsstand

Zahlreiche wissenschaftliche Studien belegen mittlerweile die heilsame Wirkung

der Natur. In Japan gibt es seit 2012 einen eigenen medizinischen Forschungs-

zweig „Forest Medicine“ („Waldmedizin“), der sich darauf spezialisiert hat, die

Heilkräfte der Natur zu erforschen (Arvay, 2015). Die Forschung bezieht sich auf

psychologische sowie physiologische Effekte des bereits erwähnten „Waldbadens“

(vergl. z.B. Qing Li, 2013; Tsunetsugu, Park & Miyazaki, 2008). Weltweit beginnt

die Wissenschaft nun vermehrt, die heilende Wirkung der Natur anzuerkennen

und in therapeutische Prozesse mit einzubinden.

Der 2014 in Österreich erschienene Bericht des Bundesforschungszen-

trums für Wald (BFW) zur Gesundheitswirkung von Waldlandschaften fasste wis-

senschaftliche Literatur zur Wirkung von Waldlandschaften auf Gesundheit, Wohl-

befinden und Lebensqualität zusammen. Der besondere Fokus lag auf der Veran-

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schaulichung des aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstands. Die umfassende

Literaturrecherche beinhaltete Literatur, die zwischen 1993 und 2013 in Fachzeit-

schriften veröffentlicht wurde und fasst zusätzlich Ergebnisse von wissenschaftli-

chen Arbeiten und Berichten aus Büchern zusammen. Insgesamt ergab dies 149

wissenschaftlich geprüfte Artikel und 31 Publikationen zu den Themen physische,

psychische und soziale Gesundheit, Krankheitssymptome, Wald als Setting für

therapeutische Maßnahmen, Wilderness-Therapy-Programme, körperliche Aktivi-

täten und Bewegung, Waldaufenthalte allein und in Gesellschaft (BFW, 2014). Die

Ergebnisse unterstützen die bereits beschriebene positive Wirkung eines Aufent-

haltes im Wald. Die verschiedenen Studien belegen die wohltuenden Effekte in

Bezug auf physische, psychische und soziale Gesundheit: Ein Waldaufenthalt

verbessert die Stimmung, beugt stressbedingten Krankheiten vor und trägt zum

allgemeinen Wohlbefinden, wie auch zur mentalen Gesundheit bei. Weiterhin

weist der Bericht des BFW auf den gegenwärtigen Trend zu vermehrten Aufenthal-

ten im Wald hin, welcher sich auch in weltweiten wissenschaftlichen Publikationen

zeigt. Des Weiteren liefert der Bericht einen Überblick aller Reviewarbeiten. Zu-

sammenfassend zeigen diese Überblicksarbeiten ein einheitlich positives Bild und

unterstützen die Annahmen der heilsamen Wirkung der Natur (BFW, 2014).

MIND, eine Hilfsorganisation für mentale Gesundheit in England und Wa-

les, veröffentlichte 2013 in Zusammenarbeit mit der University of Essex (UK)

ebenfalls eine umfassende Studie zur Wirkungsweise und Evidenz von naturba-

sierten Therapien. Der Report beschreibt Ergebnisse und Evaluationen von 130

naturtherapeutischen Projekten, deren ökonomischen Vorteilen, sowie Umfragen

mit Ärzten und Krankenschwestern. Die Ergebnisse zeigten übereinstimmend,

dass Personen, die an naturtherapeutischen Projekten teilgenommen haben, un-

abhängig von Alter oder Art der Intervention, eine signifikante Verbesserung ihrer

mentalen Gesundheit erfahren haben. Weiterhin verstärkte sich bei den Proban-

den das Zugehörigkeitsgefühl zur Gemeinschaft, das Bewusstsein über einen ge-

sunden Lebensstil, umweltfreundliches Verhalten sowie die Verbindung zur Natur.

Nach Aussagen der Teilnehmer war insbesondere die Verbindung zur Natur einer

der wichtigsten Aspekte und Erfahrungswerte während der Projekte (MIND, 2013).

Weitere Meta-Analysen und Literaturstudien (z.B. Maller et al., 2006; Bow-

ler et al., 2010; Hartig et al., 2014; Capaldi et al., 2015) aktueller wissenschaftli-

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cher Forschung belegen ebenfalls positive Effekte naturbasierter Therapien und

Interventionen, sowie die Aktualität und Relevanz der Thematik. Weiterhin zeigten

Studien eine signifikante Beziehung zwischen der Verbindung zur Natur und Au-

thentizität, Zufriedenheit, Glück und Sinnhaftigkeit im Leben. Naturverbundenheit

steht außerdem in enger Verbindung zu Resilienz und psychischer Belastbarkeit,

zwei Schlüsselfaktoren für psychische Gesundheit und Stressbewältigung (Capal-

di et al., 2015).

Craig Chalquist (2009) fasst sich überschneidende Aspekte der wissen-

schaftlichen Forschung zusammen und zieht folgendes Fazit: Die Trennung des

Menschen von seiner natürlichen Umwelt erzeugt psychologische Symptome wie

Angst, Frustration und Depression. Eine Wiederverbindung mit der Natur verrin-

gert diese Symptome und erhöht darüber hinaus Gesundheit, Selbstbewusstsein,

Selbstbezug, soziale Beziehungen und persönliches Glück. Weiterhin ersetzt sie

pathologisches Empfinden einer inneren Leblosigkeit und der Entfremdung vom

Selbst, von anderen und der Welt mit dem Gefühl innerer Lebendigkeit und Freu-

de an Beziehungen zu sich selbst und dem Rest der Welt.

Dies sind beeindruckend positive Ergebnisse, widerlegende Studien findet

man hingegen selten (Chalquist, 2009). Die Forschung verdeutlicht, dass schon

ein kurzer Kontakt und ein kleiner Schritt zurück zur Verbindung mit der natürli-

chen Umwelt bedeutende Heilungseffekte und eine tiefe Freude für Körper, Geist

und Seele bewirken kann (Buzzell, 2016). Trotz der überwiegend positiven Reso-

nanz sollten jedoch mögliche Nachteile und Einschränkungen nicht außer Acht ge-

lassen werden (Jordan, 2015). Die Forschung bezieht sich überwiegend auf posi-

tive Attribute der Natur. Inwiefern andere, vermeintlich negative Aspekte eine Rolle

spielen, ist empirisch hingegen kaum erforscht. Weiterhin existieren nur wenige

Studien zur Langzeitforschung sowie zu verschiedenen, spezifischen Elementen

der Naturtherapie (Capaldi et al., 2015). Ein weiterer Aspekt, der in empirischen

Studien kaum zu finden ist, ist der Umgang mit intensiven Veränderungen. Die In-

tegration tiefer Transformationen, zu denen es beispielsweise bei der Visionssu-

che (vgl. 3.2) oder schamanischen Ritualen kommen kann, kann überwältigend

und im Anschluss der Erfahrung, zurück in der „normalen“ Welt, schwer handhab-

bar sein (Jordan, 2015).

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Zusammenfassend lässt sich in der Forschung jedoch ein äußerst positives Bild

der Wirkung der Natur verzeichnen. Die Aktualität und Relevanz der Thematik

spiegelt sich in der hohen Anzahl aktueller wissenschaftlicher Forschung wider

und bietet eine Vielzahl an Möglichkeiten für eine Auseinandersetzung mit dem

Thema. Auch aktuelle Projekte, wie der erste Heilwald Deutschlands auf der Insel

Usedom („Startschuss für ersten Kur- und Heilwald auf Usedom“, 2017), zeigen

die Bedürfnisse des Menschen nach Natur und die Relevanz des Themas.

Im Folgenden werden die in dieser Arbeit verwendeten Begriffe definiert

und voneinander abgegrenzt, um das Verständnis zu erleichtern.

2.3 Definitionen der verwendeten Begriffe

Begriffe zum Thema der vorliegenden Arbeit werden in der Literatur unterschied-

lich genutzt und definiert. Des Weiteren kommt es bei der Übersetzung englischer

Literatur zu unterschiedlicher Verwendung von Begriffen, die im Englischen und

Deutschen überschneidend, aber nicht identisch benutzt werden. Im Folgenden

sollen hier kurze Definitionen für verwendete Begriffe gegeben werden, wie sie in

dieser Arbeit benutzt und verstanden werden.

Der Begriff Natur wird in der vorliegenden Arbeit grundsätzlich als Bezeich-

nung für die nicht-menschliche Natur benutzt, welche von Pflanzen bis zu natürli-

chen Landschaften reicht und auch die nicht-menschlichen Tiere mit einbezieht.

Diese Konzeptualisierung deckt sich mit der Verwendung des Begriffes in der wis-

senschaftlichen Forschung (Capaldi et al., 2015). Das Verständnis des Begriffes

Natur wird im Verlauf der Arbeit näher betrachtet und seine Bedeutung erweitert.

Dies wird an den entsprechenden Stellen kenntlich gemacht.

Die Ökopsychologie, auch ökologische Psychologie, bezeichnet eine Diszi-

plin der Psychologie, die sich mit der Mensch-Umwelt-Beziehung beschäftigt.

Der Begriff der Naturtherapie wird gleichbedeutend mit dem Begriff der

Ökotherapie und naturbasierten Therapie genutzt und bezeichnet Therapien und

Interventionen, bei denen die Natur in den therapeutischen Prozess mit einbezo-

gen wird. Im Englischen ist nature therapy eine Art der Ecotherapy (Ökotherapie)

und wird nicht gleichwertig verwendet. Im Deutschen sind die Definitionen jedoch

weniger klar voneinander getrennt und die Begriffe nicht rechtlich geschützt.

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Als traditionelle oder herkömmliche Therapien sind in der vorliegenden Arbeit die

klassischen Psychotherapieschulen der Verhaltenstherapie, Tiefenpsychologie

und Psychoanalytischen Therapie gemeint. Sofern im Allgemeinen, nicht naturba-

sierte Therapien gemeint sind, werden diese als andere Therapien bezeichnet.

Eine Trennung von der Natur wird in der vorliegenden Arbeit als das Fehlen

des Bewusstseins, ein integraler Teil der Natur zu sein, verstanden: Sich nicht

mehr bewusst in ihr aufzuhalten, sie nicht als lebensspendende Kraft anzuerken-

nen und ihr keine tiefere, persönliche Bedeutung (mehr) zuzuschreiben.

Eine Naturverbindung oder tiefe Naturverbindung bezeichnet das Bewusst-

sein, ein ebenbürtiger Teil des Ökosystems zu sein. Es respektvoll zu behandeln

und nicht besitzen zu wollen, die lebenswichtige Bedeutung zu würdigen und die

Natur als Ganzes, einschließlich der menschlichen Natur, wahrzunehmen.

Diese Definitionen stellen nur einen kurzen Überblick über die häufig ver-

wendeten Begriffe der vorliegenden Arbeit dar und sollen die Abgrenzungen un-

tereinander vereinfachen. Genauere Erläuterungen befinden sich in den jeweiligen

Kapiteln.

3 Theorie

Im Folgenden werden verschiedene Theorien vorgestellt, die in Bezug auf die

Mensch-Natur Beziehung, ihre Ursprünge und Bedeutung entstanden sind. Die

Theorien streben an, die Heilwirkung der Natur wissenschaftlich zu erfassen und

das „Gefühl“, welches die Natur dem Menschen gibt, empirisch einzuordnen (3.1).

Anschließend werden verschiedene Arten und Ansätze der Naturtherapie sowie

ihre Wirkungsweise und die Bedeutung einer tiefen Naturverbindung vorgestellt

und besprochen (3.2).

3.1 Theorien zur Heilwirkung der Natur

Die Sehnsucht des Menschen zur Natur nannte der Psychotherapeut und Philo-

soph Erich Fromm (1900 – 1980) Biophilia (aus dem griechischen wörtlich über-

setzt „Liebe zum Leben“). Edward O. Wilson, Evolutionsbiologe und Universitäts-

professor in Harvard, übernahm diesen Begriff und stellte die Biophilia-Hypothese

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auf: Das menschliche Bedürfnis sich mit anderen Lebewesen zu verbinden (Arvay,

2015). Die Hypothese besagt, dass die menschliche Identität und die persönliche

Erfüllung von der Beziehung zur Natur abhängig sind. Dieser Bedarf umfasst nicht

nur den materiellen Nutzen der Natur, sondern auch den Einfluss, den die Natur

auf die emotionale, kognitive, ästhetische und spirituelle Entwicklung hat (Jordan,

2015, S.9). Die Interdependenz des Menschen mit der Natur liegt also in „seiner

Natur“ – tief verwurzelt in seinem Inneren.

Rachel und Stephen Kaplan (1989) fokussierten sich in ihrer Forschung auf

die erholsamen Effekte einer natürlichen Umgebung und entwickelten in den

1980er Jahren die Attention Restoration Theory (ART). Sie entdeckten Besonder-

heiten in der kognitiven Funktion während eines Aufenthaltes in der Natur und be-

zeichneten diese als indirekte Aufmerksamkeit. Die direkte Aufmerksamkeit, wel-

che ununterbrochene Konzentration benötigt, während andere Ablenkungen unter

Kontrolle gehalten werden müssen, ermüdet mit der Zeit und erschöpft höhere ko-

gnitive Funktionen (Jordan, 2015). Die indirekte Aufmerksamkeit oder auch „sanf-

te“ Faszination (Kaplan & Kaplan, 1989) hingegen wirkt erholend und fördert die

Konzentrationsfähigkeit (Arvay, 2015). Einen deutlichen Zusammenhang stellt Ka-

plan (2001) auch zwischen den erholsamen Erlebnissen in der Natur und acht-

samkeitsbasierter Meditation her. Der indirekten Aufmerksamkeit in der Natur und

der Meditation werden eine gleiche Wirkung zugeschrieben: Ruhe und eine Erho-

lung des Geistes, die achtsame Wahrnehmung von dem was ist im Hier und Jetzt.

Für diesen besonderen Effekt der Aufmerksamkeits-Erholungs-Theorie

spielen noch weitere Faktoren eine Rolle: Das Gefühl des „Weg-sein“ aus dem All-

tag, ein gewisser Abstand zu täglichen Gewohnheiten und Anforderungen sowie

Zugang zu einem Ökosystem und die Möglichkeit, dieses zu erforschen. Der Auf-

enthalt in der Natur muss darüber hinaus im Einklang mit persönlichen Erwartun-

gen und Erfahrungen sein. Verirrt man sich im Wald oder gerät in schlechtes Wet-

ter und ist auf diese Ereignisse nicht vorbereitet oder ihnen nicht gewachsen, wirkt

dies weniger wohltuend, sondern beängstigend. Dies erklärt, warum nicht alle Na-

turerlebnisse erholsam sind (Kaplan & Kaplan, 1989). Sind diese Bedingungen je-

doch erfüllt, zeigt sich der psychologische Effekt der sanften Faszination (Jordan,

2015). Diese beinhaltet auch die Faszination über das Leben selbst. Sie erweckt

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Neugier und Ehrfurcht gegenüber dem Wunder des Lebens und vermittelt damit

ein Bewusstsein darüber „how fantastic this life is“ (Sahlin, 2016, S.103).

Roger Ulrichs (1984) bereits erwähnte Studie über den Zusammenhang

des Blickes aus dem Krankenhausfenster und die Erholung nach einer Operation

(siehe 2.1) zeigte den positiven Effekt des Ausblickes auf eine natürliche Umge-

bung. Zur Erinnerung, Patienten, die Bäume aus ihrem Krankenhausfenster sehen

konnten, erholten sich signifikant schneller und mit weniger Komplikationen, als

Patienten mit Blick auf eine Hauswand. Ulrich erforschte die beruhigende (und

damit regenerationsfördernde) Wirkung visueller Eigenschaften der Natur und

entwickelte die Psychoevolutionäre Theorie: Natürliche Umgebungen bzw. Symbo-

le aktivieren das autonome Nervensystem und signalisieren, je nach Bewertung

der betrachteten Naturszene, Gefahr oder Sicherheit. Er fand heraus, dass eine

savannenartige Umgebung, in der auch Wasser zu finden ist, und die als nicht

oder nur geringfügig gefährlich empfunden wird, automatisch eine positive affekti-

ve Reaktion hervorruft. Ruhe, Entspannung, Behaglichkeit und Faszination stellen

sich ein (Jordan, 2015). Des Weiteren wird auch der Parasympathikus aktiviert,

dessen Neuronen zum Großteil vom Hirnstamm ausgehen. Er wird auch als „Nerv

der Ruhe“ bezeichnet und dient der Regeneration, Entspannung und dem Wieder-

aufbau körperlicher und mentaler Ressourcen (Köhler, 2014, S141f.; Arvay, 2015,

S.109). Weitere Landschaftselemente, die das Stressniveau besonders stark sen-

ken und das Gehirn auf „Entspannung“ umschalten, sind:

• Stehende, glitzernde Gewässer und ruhige Fließgewässer,

• das Meer,

• Blumen und blühende Bäume oder Sträucher,

• Gärten mit Obst und Gemüse,

• ruhige Plätze, an denen Pilze wachsen,

• Bäume, die Schutz bieten oder auf die man klettern kann,

• Lichtungen und Wiesen, auf denen verstreut Bäume und Büsche wachsen

(Savanneneffekt),

• Vogelgezwitscher (Arvay 2015, S.86f.).

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Die Gründe für diese automatisch entspannende Wirkung bestimmter natürlicher

Umgebungen sind in der menschlichen Entwicklungsgeschichte zu finden. Über

Jahrmillionen entwickelte sich der Mensch in seiner natürlichen Umwelt, umgeben

von Pflanzen, Tieren, Flüssen, Seen und Bergen. Diese Umgebung aktiviert be-

stimmte Teile des menschlichen Gehirns: Das Stammhirn, der älteste Teil des Ge-

hirns, welcher auf 500 Millionen Jahre geschätzt wird, und das limbische System,

welches sich ringförmig um das Stammhirn legt und ebenfalls bereits 200 – 300

Millionen Jahre alt ist. Diese ursprüngliche Gehirnstruktur ist (im Zusammenhang

mit weiteren Hirnarealen) für Emotionen und Gefühle verantwortlich und signali-

siert wann sich der Mensch entspannen kann oder Aktivität (z.B. fight or flight) ge-

fragt ist (Arvay, 2015, S.56f.). Das limbische System, welches für unsere archai-

sche Verbindung zur Natur von großer Bedeutung ist, fühlt sich in seinem natürli-

chen Lebensraum am wohlsten und findet sich dort am besten zurecht (Arvay,

2015, S.63f.). Es ist also nicht überraschend, dass sich der Mensch, aus evolutio-

närer Sicht, in der Natur wohl fühlt und, sofern die Umgebung nicht als bedrohlich

empfunden wird, zur Ruhe findet (Arvay, 2015; Jordan, 2015).

Die verschiedenen Theorien verdeutlichen die natürliche, ursprüngliche und

evolutionäre Bedeutung der Natur und ihre positive, wohltuende Wirkung auf den

Menschen. Sie reduziert Stress, belebt die Aufmerksamkeit und signalisiert dem

Körper sich zu entspannen. Verschiedene Ansätze naturbasierter Therapien wer-

den im Folgenden vorgestellt.

3.2 Naturtherapie

Die ökologische Psychologie (engl. ecopsychology), eine noch sehr junge Disziplin

der Psychologie, befasst sich mit dem Gleichgewicht zwischen Mensch und Natur.

Sie setzt sich nicht nur damit auseinander, was wir uns in unserer heutigen Ge-

sellschaft Negatives zufügen – wie ungesunde Ernährung, Umweltgifte und dazu

ein Mangel an Bewegung. Vor allem beschäftigt sie sich damit, was wir uns Ge-

sundes und Heilendes nehmen, indem wir uns als Mensch nicht mehr als Einheit

mit der Natur sehen, sondern uns stetig weiter von ihr abtrennen. Die Ökopsycho-

logie versucht, diese Entfremdung zwischen dem Menschen und seiner natürli-

chen Umwelt aufzuheben (Roszak, 1994). Sie strebt ein „greening of psychology“,

ein „Ergrünen“ der Psychologie an: Die Entwicklung einer Identität im Einklang mit

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der Natur und ein tiefes Mitgefühl dieser gegenüber (Jordan & Hinds, 2016). Sie

deutet auf die Fehlkommunikation zwischen Mensch und Natur hin und den damit

verbundenen kontinuierlichen Anstieg psychischer Krankheiten in unserer Gesell-

schaft. Depression und Angststörungen nehmen zu, je mehr wir uns von unserer

natürlichen Umwelt distanzieren (Jordan, 2015).

Die Ökotherapie (auch Naturtherapie, engl. ecotherapy), kann man als an-

gewandte oder klinische Ökopsychologie verstehen – vergleichbar mit der Be-

zeichnung der klassischen Psychotherapie als angewandte klinische Psychologie.

Sie ist eine neue Form der Psychotherapie, die die Mensch-Natur Beziehung in

den therapeutischen Prozess mit einbezieht und ist der Überbegriff für verschie-

dene Arten von Naturtherapien (Jordan & Hinds, 2016). Theodore Roszak (1992)

beschreibt die Ökopsychologie und -therapie wie folgt:

„Other therapies seek to heal the alienation between person & person, person & family, person & society. Ecopsychology seeks to heal the more fundamental alienation between the person & the natural envi-ronment.“ (S.320)

Im Folgenden werden einige Ansätze naturbasierter Therapien vorgestellt. Die

Gartentherapie nutzt die heilende Kraft der Gärten und bietet die Möglichkeit Pro-

blemstellungen mit den Methoden des Gärtnerns anzugehen, alternative Lösun-

gen zu finden, Schwierigkeiten in ihrer Bedeutung zu verstehen, durchzuarbeiten

und zu bewältigen (Petzold, 2012; Neuberger, o.J.). Gärten sind seit über 4000

Jahren in der Menschheitsgeschichte dokumentiert und wurden stets als Plätze

der Heilung, Sicherheit und des Lebenserhalts angesehen. Der Garten als Ort für

therapeutische Gestaltung und Selbstgestaltung bietet Möglichkeiten für rezeptive

Gartentherapie oder aktiv-produktive Gartentherapie (Petzold, 2012). Bereits das

passive Erleben der Pflanzen und der Aufenthalt in speziell angelegten, heilenden

Gärten fördert das Wohlbefinden und die Gesundheit und reduziert dabei Stress

und negative Gedanken. Die aktivere Variante der Gartentherapie beinhaltet hin-

gegen viele Merkmale der Beschäftigungs- und Arbeitstherapie (Jordan, 2015) und

bezieht auch systemische, hypnotherapeutische und körpertherapeutische Metho-

den mit ein (Neuberger, o.J.). Ein wertvoller Aspekt dieser Arbeit ist das Überneh-

men von Verantwortung. Das Pflanzen von Samenkörnern und die Pflege der jun-

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gen Pflanzen hat etwas Fürsorgliches: Klienten tragen Sorge um ein anderes Le-

bewesen, achten auf dessen besondere Bedürfnisse und lernen, dass ihre Hand-

lungen relevant sind, dass sie lebenserhaltend sind. Kulturpflanzen sind, ebenso

wie Haustiere, auf die Beziehung zum Menschen und dessen Pflege angewiesen.

Die Verantwortung, das Wahrnehmen von Bedürfnissen sowie das Heranziehen

und Umsorgen der Pflanze kann dadurch eine sinnstiftende Tätigkeit und ein wirk-

samer therapeutischer Prozess sein (Arvay, 2015, S.187f.). Das Arbeiten mit Pro-

jektionen, auf die im späteren Abschnitt noch näher eingegangen wird (siehe

3.2.2) spielt in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle und stellt eine wirksa-

me therapeutische Methode dar (Jordan, 2015).

Das Arbeiten mit Tieren, ebenso wie die Gartentherapie, beinhaltet das be-

wusste Wahrnehmen und mitunter Umsorgen eines anderen Lebewesens. Die

tiergestützte Therapie bezeichnet das Miteinbeziehen von Tieren in den therapeu-

tischen Prozess. Tiere haben eine besondere und wichtige Bedeutung für den

Menschen und der bewusste Umgang mit ihnen wirkt äußerst positiv für jede Al-

tersgruppe oder psychische Konstitution (Chalquist, 2009). Das Therapie-Paar aus

Mensch und Tier wird dabei zu einer Einheit. Diese besondere Verbindung, die

bedingungslose Anerkennung durch das Tier, die Wärme und emotionale Nähe

kennzeichnen die therapeutischen Elemente der tiergestützten Therapie (Greif-

fenhagen & Buck-Werner, 2007). Neda DeMayo (2009) beschreibt, wie behutsame

Begegnungen mit Wildpferden im therapeutischen Setting ein erhöhtes Selbst-

wertgefühl, mehr Vertrauen in die eigene Intuition und den Instinkt sowie ein bes-

seres Körpergefühl bewirken können. Die hochsensiblen Tiere spüren jede Emoti-

on – und reagieren sofort auf fehlende Integrität. Für eine gesunde Beziehung

zum Pferd müssen Handlung und Emotionen im Einklang sein. Diese Form von

Selbstfindung durch den direkten Kontakt mit den Pferden in der Natur bewirkt

tiefgreifende Veränderungen und hat, auch bei Menschen ohne vorherige Affinität

zu Pferden, einen nachhaltigen therapeutischen und heilenden Effekt.

Die integrative Naturtherapie kombiniert Methoden der Garten-, Land-

schafts- und tiergestützten Therapie und strebt die Entwicklung eines Lebensstils

an, der den Kontakt zur Natur, gesunde Selbstfürsorge und ein stabiles soziales

Umfeld beinhaltet (Petzold, 2013).

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In der Erlebnistherapie, einer weiteren Form der Naturtherapie, liegt der Fokus auf

der Herausforderung und dem Erkennen und Austesten eigener Grenzen und

Stärken. Aktivitäten wie Klettern, Kayak fahren oder Wandern gehören zum Pro-

gramm, welches außerdem spirituelle Elemente und psychotherapeutische Ansät-

ze beinhaltet. Das Selbst-Konzept und die Selbstwirksamkeit werden hier beson-

ders gestärkt. In der Wildnistherapie, einer Art der Erlebnistherapie, verbringen

Klienten eine gewisse Zeit in abgelegener Natur. Verhaltensauffällige Jugendliche

beispielsweise erlernen durch diese Art von Erlebnis die gesunde Selbstfürsorge

und erfahren Resozialisierung durch die entstehenden Gruppenprozesse. Zwei

zum (Über-) Leben in der Natur elementare und notwendige Kompetenzen. Auch

die Visionssuche beinhaltet den längeren Aufenthalt in der Natur. Es ist eine inten-

sive Art der Naturerfahrung, während der Klient vier Tage und Nächte allein in der

Wildnis verbringt. Er wird dabei mit sich selbst konfrontiert und kann tiefe Einblicke

in seelische Vorgänge erlangen (Arvay, 2015). Diese Herausforderungen und

Grenzerfahrungen in der Natur konfrontieren Klienten mit ihren eigenen (selbstge-

setzten) inneren und äußeren Grenzen und ermöglichen ihnen, diese zu durch-

brechen und neu zu definieren (Jordan, 2015).

Wird die Natur nicht nur in den therapeutischen Prozess, sondern bewusst

in die Therapeut-Klient Beziehung mit eingebunden, entsteht eine Art Triade oder

Dreifachbeziehung zwischen Therapeut, Klient und Natur. Die Natur fungiert nicht

nur als Projektionsfläche oder Setting der Therapie, sondern als Co-Therapeutin:

Sie bildet die Umgebung, vermittelt und regt den therapeutischen Prozess an. Sie

ist die dritte Instanz in der Therapie. Durch die Auflösung der herkömmlichen dya-

dischen Beziehung zwischen Therapeut und Patient, entsteht eine vergleichswei-

se demokratische Konstellation. Der Therapeut nimmt zwar nach wie vor eine zen-

trale Rolle ein, die Dynamik in der Hierarchie, Autorität und therapeutischen Ver-

bindung verändert sich jedoch in der Dreier-Interaktion. Dem Patienten ist die di-

rekte Arbeit mit der Natur möglich, während der Therapeut als Beobachter, Media-

tor oder Container (bekannt aus der Psychoanalyse) fungiert (Jordan, 2015).

Dieser Überblick beinhaltet nur einige Arten der verschiedenen Naturthera-

pien. Weitere Ansätze umfassen zum Beispiel das Arbeiten mit Ritualen und

schamanischen Methoden, Naturmeditation, Bewegungstherapie in der Natur, sys-

temische und existentialpsychologische Naturtherapie, etc. (Jordan, 2015; Arvay,

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2015; Bartsch, 2016). Häufig ist es eine Kombination verschiedener Ansätze, ab-

hängig von Therapeut und den persönlichen Bedürfnissen des Klienten (Scull,

2009). Die Naturtherapie wird dadurch zu einer sehr individuellen Behandlung und

Erfahrung.

Ein bedeutsames Merkmal ist bei allen Ansätzen die Ebene, auf der die Na-

turtherapie ausgeübt wird. Linda Buzzell (2016) unterscheidet dabei in Level 1-

und Level 2-Naturtherapien. In Level 1-Naturtherapien stehen der Mensch und

sein Wohlbefinden im Mittelpunkt. Die Natur fungiert als Ressource, welche ge-

nutzt werden kann, um psychische und physische Gesundheit zu erhalten oder

wieder herzustellen. Diese Art von Naturtherapie ist vor allem in den letzten Jah-

ren intensiv erforscht und als evidenzbasierte Therapie immer mehr anerkannt

worden. Buzzell (2016) zeigt jedoch, trotz der positiven Wirkung, ein häufig vor-

handenes Defizit in dieser Art von Therapie oder in der Grundhaltung von Thera-

peut und Klient der Natur gegenüber auf. Es ist eine traditionell westliche Einstel-

lung, eine Weltsicht, in der der Mensch im Mittelpunkt und über dem Rest der Na-

tur steht. Diese Haltung erlaubt ein „Benutzen“ anderer Lebewesen und Ressour-

cen zum eigenen Wohl mit häufig geringem Bewusstsein über die Folgen und

Konsequenzen. Die größte Illusion dieser Weltsicht besteht laut Buzzell (2016) in

der Überzeugung, es gäbe tatsächlich ein menschliches Selbst, das vom Rest der

Natur getrennt existiert. Das Erkennen, dass unser Wohlbefinden unter eben die-

ser Trennung zwischen dem Selbst und dem Rest der Natur leidet und die Heilung

dieser Spaltung sind der eigentlich existentielle Part der Naturtherapie.

Die Level 2-Naturtherapien basieren auf eben jener Erkenntnis, dass wir

alle Teile der gleichen Natur sind. Sie legen ihren Fokus auf die wechselseitige

Heilung der Natur-Mensch Beziehung, in der weder die menschliche noch die

nicht-menschliche Natur der anderen überlegen ist (Buzzell, 2016). Conn und

Conn (2009, S.112 zitiert nach Buzzell, 2016, S.72) schreiben dazu:

„Individual health … is connected to the health of other beings and to the health of the earth as a whole … Ecological health is the larger context of human health; they go together as outside-inside.“

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Fast jede Naturtherapie kann auf beiden Leveln ausgeübt werden. Es ist weniger

eine Frage der Aktivität selbst, sondern viel mehr das Bewusstsein, mit welchem

diese ausgeführt wird (Buzzell, 2016). Eine Gartentherapie kann beispielsweise

durch körperliche Aktivität, Aufenthalt an der frischen Luft und sozialer Interaktion

als gesundheitsfördernd bewertet werden. Auch wenn dies äußerst positive Aspek-

te beinhaltet und fördernswert ist, fehlt in dieser Anschauung die Dimension der

gegenseitigen Beziehung zwischen Mensch und (nicht-menschlicher) Natur. Eine

Level 2-Therapie würde in der Gartentherapie also neben diesen offensichtlichen

Faktoren auch das tiefe Verständnis der gegenseitigen Beziehung und komplexen

Verbindungen unseres Ökosystems beachten, respektieren und das Bewusstsein

hierüber stärken. Der Fokus liegt nicht nur auf den Vorteilen und dem Nutzen für

den Menschen, sondern gleichsam auf der Interdependenz aller Lebewesen die-

ser Erde und der Bedeutung dieser Verbindungen. Ebenso kann eine Erlebnisthe-

rapie auf einer Ebene wirken, auf der die Natur als eine Art Abenteuerort genutzt

wird, um dem Klienten Herausforderungen zu bieten und sich selbst weiterzuent-

wickeln. Bezieht man jedoch tiefere Ebenen und die Erkundung der persönlichen

tiefen Verbindung zur Natur mit ein, erweitert man diese Erfahrungen um das Be-

wusstsein, integraler Teil von etwas Größerem zu sein (Buzzell, 2016). Inwiefern

dieses Bewusstsein eine Bedeutung für die menschliche Psyche hat, wird in ei-

nem späteren Kapitel näher erläutert (siehe 3.2.2).

In den Level 2-Naturtherapien geht es um die Entwicklung einer wechsel-

seitigen, positiven Beziehung zwischen Mensch und Natur und dem Sicherstellen

des psychologischen und ökologischen Wohlbefindens beider (Jordan & Hinds,

2016). Es geht nicht mehr nur um den Patienten, welcher Linderung seiner Pro-

bleme sucht, sondern um die Heilung und Wiederbelebung einer ursprünglichen

Beziehung, der tiefen Verbindung zwischen Mensch und nicht-menschlicher Natur.

Im Folgenden wird die Bedeutung dieser Verbindung näher erläutert.

3.2.1 Tiefe Naturverbindung

Im Verständnis der Ökopsychologie entstehen und verstärken sich psychische

Störungen, je weiter sich der Mensch von seiner natürlichen Umwelt distanziert

(Roszak et al., 1995). Die wachsenden Raten der Depression, eine der am weit

verbreitetsten psychischen Störungen in unserer heutigen Gesellschaft, stehen in

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direkter Verbindung zu der wachsenden Distanz des Menschen zur Natur. Das

Konzept des Selbst und der eigenen Identität hat sich mit der Industrialisierung

verändert, entfernt von der Natur mit ihren Jahreszeiten und fließenden Prozes-

sen, hin zur Individualisierung und materialistischen Werten. Ein Zustand, der

Ängste und Depression nährt (Kidner, 2007). Den Menschen heilt folglich nicht nur

eine Wiederverbindung zur Natur, er leidet auch unter der Trennung von dieser.

Shepard (1982) vermutet die Anfänge dieser Trennung mit Beginn der Landwirt-

schaft. Eine Entwicklung, die dem Menschen einen falschen Eindruck über die

scheinbare Trennung und Unabhängigkeit zu seinem natürlichen Lebensraum

vorgibt. Tacey (2009) schildert die Trennung des Menschen zur Natur in drei Stu-

fen: Zunächst „überholte“ sich der Glaube an Übernatürliches und spirituelle Kräf-

te. Die Mechanismen der Erde erklärte nun die moderne Wissenschaft. Die zweite

Stufe bezeichnet Tacey als moderne Skepsis. Prä-moderne Systeme zu ökologi-

scher Kommunikation wurden dem infantilen, unaufgeklärten Verstand zuge-

schrieben und als heidnisch abgetan. Die letzte Stufe der Trennung ist der Ver-

such der Wiederverbindung. Sie bedeutet eine Re-Evaluation der Art und Weise,

wie die Menschen ihre Umwelt wahrnehmen sowie die Entwicklung eines Be-

wusstseins über den Einfluss der Natur, der auf so vielen Ebenen geschieht, dass

er kaum zu erfassen ist. Eine zentrale Schwierigkeit ist der Austausch über eben

diese Phänomene, das Erleben der Natur auf verschiedenen Ebenen, die gefühlt,

aber nicht erklärt werden können (Tacey, 2009, S.49). Statt jedoch das Ursprüngli-

che zu romantisieren oder die Verbindung als etwas komplett Verlorengegangenes

anzusehen, besteht die Aufgabe darin, eine neue, zeitgerechte Art der Kommuni-

kation und des Verständnisses zu entwickeln (Jordan, 2015).

Der Auffassung, die Verbindung sei etwas Verlorengegangenes, steht An-

derson (2009) entgegen. Die Konzepte ‚Natur‘, ‚Kultur‘ und ‚Geist‘ können nicht als

voneinander getrennte Entitäten verstanden werden, die sich als eigenständige

Instanzen zuweilen begegnen. Eine ontologische Trennung zwischen Mensch und

Natur kann sich nicht ereignen. Morton (2007) sieht die Vorstellung einer über-

haupt für möglich gehaltenen Trennung als Teil des Problems. Er versteht die Rea-

lität als ein unendliches Netz gegenseitiger Interdependenzen, in der weder Gren-

zen noch ein Zentrum existieren.

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Wie aber soll man aus der erschaffenen Dualität wieder zum Bewusstsein einer

Einheit finden und welche Bedeutung hat dies für die menschliche Psyche? „Multi-

ple Ecotherapies, Multiple Populations, Multiple Methods Of Nature Connection –

Practised at Multiple Levels“ (Buzzell, 2016, S.76) heißt eine Überschrift, die die

Komplexität und Variabilität der Wege zur (Wieder-) Verbindung mit der Natur auf-

zeigt. Die Einzigartigkeit der persönlichen Verbindung eines jeden Einzelnen zur

restlichen Welt muss dabei anerkannt und verstanden werden (Buzzell, 2016). Sie

bildet die Grundlage für dessen individuellen Weg zum Erkennen seiner inneren

und äußeren Natur. Auch jene Praktiken, die den Menschen wieder mit seiner in-

neren Natur, seinem inneren Wesen verbinden, bezeichnet Linda Buzzell als „true

ecotherapy“ (Buzell, 2016, S.76). Traditionelle Yogis beispielsweise verbinden sich

über ihren Atem mit dem Atem der Welt, chinesische Heiler arbeiten mit der Le-

bensenergie Chi und verbinden sich so mit ihrer „wilderness within“ (Buzell, 2016,

S.76).

Inwiefern sich die vielfachen Methoden verschiedener Naturtherapien (sie-

he 3.2) in ihrer Wirkungsweise überschneiden und welche Veränderungen eine

Wiederverbindung mit der Natur hervorruft soll nun im Folgenden näher betrachtet

werden.

3.2.2 Wirkungsweise der Naturtherapie und der tiefen Naturverbindung

Das gemeinsame Ziel der Naturtherapien ist die Heilung der Beziehung zwischen

dem Menschen und der nicht-menschlichen Natur und damit eine Heilung der in-

neren Natur und des Selbst des Menschen. Naturtherapien wirken durch unter-

schiedliche Methoden (vgl. 3.2) und auf verschiedenen Leveln (vgl. 3.2.1), teilen

jedoch das Bewusstsein über die Bedeutung der Verbindung zwischen Mensch

und Natur (Buzzell, 2016). Ausübende Therapeuten stützen sich dabei auf Metho-

den verschiedener psychotherapeutischer Schulen und beziehen sich auf Theori-

en der Psychoanalyse, C.G. Jungs Konzepte der Archetypen und Mythen, verhal-

tenstherapeutische Ansätze und schamanisches Wissen (Brazier, 2016). Die spe-

zifischen Wirkungsweisen und Wirkungen sowie Zusammenhänge mit bekannten

Theorien werden im Folgenden näher erläutert.

Ein zentraler Aspekt der Veränderungsprozesse in der Psychotherapie ist

laut der Boston Change Process Study Group (BCPSG) das Erreichen des ge-

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genseitigen Verständnisses zwischen Therapeut und Klient (Jordan, 2015, S.48).

Die im Laufe der Therapie stetige Entfaltung des Verstehens ist ein kreativer und

dynamischer Prozess. Die natürliche Umgebung, die ebenso wenig statisch ist,

wie Gefühle oder das menschliche Bewusstsein, bietet einen dynamischen, le-

bendigen Raum, der den Verlauf dieser Beziehung und ihrer Entwicklung wider-

spiegeln und intensivieren kann (Jordan, 2015). Wie an vorheriger Stelle bereits

beschrieben (vgl. 3.2), entwickelt sich die dyadische Beziehung zwischen Thera-

peut und Klient in der Natur zu einer demokratischeren Dreier-Beziehung zwi-

schen Therapeut, Klient und Natur. Durch die Veränderung der Dynamik entsteht

ein verstärktes Empfinden von Gemeinsamkeiten und Berührungspunkten. Dieses

Arbeiten „side-by-side“ (Brazier, 2016, S.40) erlaubt eine weniger formale Bezie-

hung in der das Gespräch leichter fließen kann. Dieser Zustand löst vermehrt so-

genannte „now moments“ (Jordan, 2015, S.49) aus: Besondere Momente der

Wahrheit oder der Begegnung, in denen sich ein Raum öffnet, in dem beide Par-

teien vollständig im Hier und Jetzt sind. Diese speziellen Momente unterscheiden

sich von dem kontinuierlich voranschreitenden therapeutischen Prozess und

zeichnen sich durch ihre besondere Auswirkung auf das tiefe Verständnis zwi-

schen Therapeut und Klient aus. Die Natur bietet eine Vielzahl an Möglichkeiten

diese Schlüsselmomente hervorzurufen (Jordan, 2015).

Weiterhin kann die Natur eine sichere Basis für den Patienten darstellen,

ein Konzept bekannt aus Bowlbys Bindungstheorie (Bowlby, 2014). Er beschreibt

damit die Relevanz der ersten Beziehungserfahrung zwischen Mutter (bzw. Für-

sorgerIn) und Kind. Durch diese erste Bindung wird ein inneres Beziehungsmodell

entwickelt. Das Vorhandensein einer sicheren Basis, im „Normalfall“ verkörpert

durch die Mutter, gilt als essentiell für eine gesunde Entwicklung. In Bezug auf die

Naturtherapie kann die Natur diese sichere Basis repräsentieren und Halt geben

(Jordan, 2015). Nicht in Wissenschaft und Literatur erwähnt, aber von Interesse

könnte die Frage sein, ob sich Bowlby´s Bindungstheorie auch in Bezug auf sein

Modell der unsicheren Bindung auf die Natur übertragen lässt. Hier stellt sich die

Frage, ob Natur, zum Beispiel in Form von Naturkatastrophen, auch als unsiche-

res Bezugsobjekt wahrgenommen und erlebt werden kann.

Die Affektregulation steht ebenfalls in direkter Verbindung zu guten Bezie-

hungen in früher Kindheit und bezeichnet die Fähigkeit eigene Gefühle und Stim-

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Page 26: Die heilende Wirkung einer tiefen Naturverbindung H.Illers ... · hergestellten Hormons DHEA (De-hydro-epiandro-steron) fest. DHEA soll den En- DHEA soll den En- ergieverbrauch von

mungen zu regulieren, positive Gefühle zu verstärken und negative Stimmungen

zu minimieren. Die Wirkung der Natur hat einen ähnlichen Charakter und hilft Ge-

fühle und Emotionen zu regulieren sowie negative Stimmungen in positive umzu-

wandeln (Jordan, 2015).

Eine aus der Psychoanalyse bekannte Theorie ist die von Melanie Klein

geprägte Objektbeziehungstheorie. Auch sie erläutert die Bedeutsamkeit der ers-

ten Bindungen des Kindes und den Einfluss der emotionalen Umgebung für die

psychologische und emotionale Entwicklung eines Individuums. Die Theorie be-

handelt die Rolle der ersten Bezugspersonen (den „Objekten“) und inwiefern die

ersten Beziehungserfahrungen die Wahrnehmung der Welt prägen (Bacal &

Newman, 1994). Donald Winnicott (1951) fasste diesen Gedanken auf und beton-

te die Relevanz des emotionalen Raumes und sogenannter Übergangsobjekte.

Winnicott beschreibt noch einen weiteren Aspekt – den Raum zwischen Objekt

und Subjekt, welcher nicht zum Selbst gehört, jedoch auch noch nicht als externe

Realität wahrgenommen wird. Dieser sogenannte Übergangsraum sowie die

Übergangsobjekte helfen dem Kind beim Übergang zwischen Verbindung und

Trennung zur Mutter. Das Kind lernt, dass es ein „Ich“ und ein „nicht-Ich“ gibt. Der

Teil dazwischen enthält Attribute von beidem, der inneren und äußeren Realität

und hilft diese Anteile getrennt, jedoch trotzdem in einer Wechselbeziehung zuein-

ander zu halten (Jordan, 2015, S.53f.; Winnicott, 1951). Dieser emotionale Raum

bietet eine Umgebung in der Affekte verstanden und gehalten werden können. In

der klassischen Psychotherapie wird diese gewöhnlich durch das sichere und ge-

schützte Therapiezimmer repräsentiert. Für viele Klienten mit problematischen

ersten Beziehungserfahrungen ist es jedoch einfacher in einer natürlichen Umge-

bung mit dem Therapeuten in Kontakt zu kommen. Die Natur repräsentiert ein le-

bendiges und dynamisches Gegenüber, welches jedoch als weitaus weniger be-

drohlich empfunden wird als vorherige Beziehungen. Sie stellt für viele Patienten

natürlicherweise einen sicheren Raum dar, der weder einengend noch invasiv ist.

Es fällt leichter, sich zu öffnen und Emotionen zu regulieren, selbst wenn vorher

keine bewusste Verbindung zur Natur existierte (Jordan, 2015).

Der Begriff der projektiven Identifikation stammt ebenfalls von der Begrün-

derin der Objektbeziehungstheorie Melanie Klein. Projektion ist ein Prozess, der

vom Kind genutzt wird, um die Beziehung von innerer und äußerer Realität zu be-

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wältigen. Das Kind projiziert dabei seine schwer zu bewältigenden Gefühle auf die

Mutter (projektive Identifikation), welche diese identifizieren und verstehen kann

und dem Kind in handhabbarer Form zurückgibt (Frank & Weiß, 2007). Gefühle

werden also nach außen, auf eine Person, ein Objekt oder eine Idee verlagert, um

die eigene innere Realität besser bewältigen zu können. Die Projektion ist damit

auch ein Mechanismus, der uns die Möglichkeit bietet, Zugang zu unserer inneren

Realität zu finden und die äußere Realität zu nutzen, um unsere eigenen Gefühle

klarer zu verstehen. In den naturbasierten Therapien dient die Natur als Projekti-

onsfläche, welche die innere Welt der Klienten reflektiert und in der Patienten Me-

taphern begegnen, die in direkter Beziehung zu ihrem Selbst stehen. Das Arbeiten

mit Projektionen, Symbolen und Bildern greift auf einen zentralen Aspekt der Psy-

chotherapie zurück und erleichtert den Zugang zum Inneren (Jordan, 2015, S. 67).

Patienten sehen sich selbst in der Natur und ihren Prozessen gespiegelt, was ih-

nen dabei hilft, ihre Situation aus neuen Perspektiven zu sehen und konstruktive

Lösungen zu erkennen (Sahlin, 2016). Erkennt ein Patient beispielsweise eigene

Anteile in einem jungen, zarten Pflänzchen wieder, kann er darin sein eigenes Be-

dürfnis nach Schutz und Fürsorge erkennen. Er bekommt die Möglichkeit, in einen

Spiegel zu schauen und sich der Notwendigkeit eines behutsamen Umgangs mit

etwas noch so jungem, gerade erst ins Leben gekommenen bewusst zu werden.

Deborah Kelly (2016) erforschte 2011 in einer qualitativen Studie die thera-

peutischen Wirkungsweisen der Natur und naturbasierten Therapien und stellt die

folgenden Themen als Kernaspekte der heilsamen Wirkung vor. Der Aufenthalt in

der Natur ruft ein Gefühl der Erleichterung und der Unterstützung hervor. Der the-

rapeutische Prozess wird als natürlich empfunden und es fällt leichter, sich diesem

hinzugeben. Weiterhin fungiert die Natur als Container und vermittelt ein Gefühl

gehalten zu werden, dies erleichtert es Klienten ebenfalls, ihre tieferen Gefühle

und Erfahrungen zu teilen, sowie es auch den Therapeuten unterstützt, sich auf

Patienten einzulassen. Weiterhin wird die Natur als eine unerschöpfliche, thera-

peutische Ressource wahrgenommen, die Patient und Therapeut das Gefühl ver-

mittelt, dass dort etwas ist, auf das man in jeder Situation oder in schwierigen

Momenten zurückgreifen kann. Man ist nicht allein, sondern hat zu jeder Zeit Zu-

gang zu einem Bestand von Wissen und Weisheit, welcher die persönlichen Res-

sourcen in Größe und Alter weit übersteigt. Ein weiterer wichtiger Aspekt in der Ar-

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Page 28: Die heilende Wirkung einer tiefen Naturverbindung H.Illers ... · hergestellten Hormons DHEA (De-hydro-epiandro-steron) fest. DHEA soll den En- DHEA soll den En- ergieverbrauch von

beit mit der Natur ist die Auseinandersetzung mit den Jahreszeiten und den zykli-

schen, rhythmischen Prozessen der Natur. Die Natur spiegelt unentwegt den

Kreislauf des Lebens und des Todes wider und vermittelt dadurch das Empfinden

einer größeren, gemeinsamen Erfahrung, ein „here we go again“ (Kelly, 2016, S.

91), welches dem Patienten Vertrauen in die natürlichen Prozesse und den Kreis-

lauf des Lebens vermittelt, in dem es weder Anfang noch Ende gibt.

Als weiteren essentiellen Aspekt nennt Kelly (2016) die Tiefe und Fülle der

Erfahrungen. In der Natur, geerdet und gehalten, fällt es leichter die eigene Ge-

schichte zu erzählen – und sie loszulassen. Diese Wirkung einer natürlichen Um-

gebung ist auch für den Therapeuten eine wichtige Ressource. Es gelingt mühelo-

ser dem Klienten zu folgen, zu wissen, wann man tiefergehend hinterfragen kann

und wann man wieder mehr Raum geben sollte, um den therapeutischen Prozess

fließend führen zu können. Als letzten Punkt erwähnt Kelly (2016) Grenzen und

das Lösen aus festgelegten Rollen, Rahmenbedingungen und Erwartungen. Wie

an vorheriger Stelle bereits erwähnt, hat die neutrale, weite Umgebung, im Ge-

gensatz zum klar begrenzten Therapiezimmer, eine Wirkung auf die Therapeut-

Klient Beziehung und Grenzen gehen weicher ineinander über. Dies bedeutet kei-

ne komplette Auflösung von Grenzen, bietet jedoch die Möglichkeit einer ebenbür-

tigen Begegnung. Ebenso eröffnet sich außerhalb des herkömmlichen Therapie-

raumes ein größerer und natürlicherer Raum, der von Patienten als friedlich und

sanftmütig empfunden wird (Adams & Jordan, 2016).

Der Bereich der Spiritualität ist ein nicht außer Acht zu lassender Aspekt in

den naturbasierten Therapien. Spiritualität hat viele Bedeutungen und ist nur

schwer spezifisch definierbar. Es wird als ein Bedürfnis, einen Sinn im Leben zu

finden bezeichnet oder als den Sinn selbst. Für manche ist es eine bestimmte En-

ergie, für andere das Wissen, dass es mehr als das Sichtbare in der Welt gibt

(Marques, 2005). Mitroff und Denton (1999) beschreiben Spiritualität als etwas

Universelles, das nicht konfessionsgebunden, aber allgemein umfassend und tole-

rant ist, sowie als das grundsätzliche Gefühl mit seinem ganzen Selbst, anderen

und dem gesamten Universum verbunden zu sein. Auch wenn der Begriff schwer

greifbar und von vielen Therapeuten als nebensächlich erachtet wird, belegen ver-

schiedene Studien mittlerweile den Zusammenhang zwischen Spiritualität und der

Natur (Capaldi et al., 2015). Auch in der Praxis stellt sich bei Klienten unerwartet

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Page 29: Die heilende Wirkung einer tiefen Naturverbindung H.Illers ... · hergestellten Hormons DHEA (De-hydro-epiandro-steron) fest. DHEA soll den En- DHEA soll den En- ergieverbrauch von

schnell ein kaum beschreibbares Gefühl von Heiligkeit der inneren und äußeren

Natur ein. Diese Wahrnehmung und das Empfinden von etwas Heiligem zeigt sich

als Schlüsselfaktor für mentale Gesundheit sowie in Veränderungsprozessen

(Buzzell, 2016). Klienten empfinden die Natur als eine Ressource, in der sie ihre

Spiritualität entdecken und entwickeln können. Diese Erfahrungen spiritueller Art

werden als große Bereicherung für das Wohlbefinden und positive Selbstbild ge-

sehen und zeigen sich beispielsweise in sogenannten Gipfelerfahrungen: Momen-

te, in denen ein tiefes Gefühl des Glückes und der Harmonie empfunden werden.

Diese Erfahrungen haben eine anhaltende, positive Wirkung und vermitteln das

Gefühl einer Verbundenheit mit einem größeren Ganzen. Auch Klienten, die sich

selbst als ungläubig bezeichnen, erleben diese Moment als eine tief spirituelle

oder religiöse Erfahrung und empfinden sich als Teil eines größeren Kontextes

(Sahlin, 2016). Die Dankbarkeit spielt in dieser Beziehung eine wichtige Rolle und

entwickelt sich durch das Empfinden, Teil von etwas Größerem zu sein und dieses

Wunder mit all seiner Schönheit erleben zu dürfen (Sahlin, 2016).

Einen zentralen und bedeutsamen Stellenwert hat auch der Lebenssinn für

jedes Individuum. Das Erkennen des Lebenssinns ist ein fundamentales mensch-

liches Bedürfnis (Sahlin, 2016). Viktor Frankl, Begründer der Logotherapie (sinn-

zentrierte Psychotherapie), vertritt die Ansicht, dass das Leben an sich, aus-

nahmslos und unter allen Umständen, Sinn und Bedeutung hat (Längle, 2007).

Naturerfahrungen unterstützen ein „opening of their eyes“ (Sahlin, 2016, S.106)

und haben einen positiven Einfluss auf das (Wieder-) Finden von Werten und Sinn

im eigenen Leben.

Ein weiteres Merkmal in der Beziehung mit der Natur ist die Akzeptanz. Die

Natur hat weder Erwartungen noch stellt sie Forderungen. Diese bedingungslose

Grundhaltung ist ebenfalls ein Merkmal der Naturtherapie: Anerkannt und akzep-

tiert zu werden so wie man ist, ist wesentlich für die Wiederherstellung der seeli-

schen Gesundheit. In der Natur geht es nicht um eine zu erbringende Leistung,

sondern um eine respektvolle, empathische Begegnung in einer toleranten und

weitherzigen Umgebung (Sahlin, 2016; Adams & Jordan, 2016).

Die besondere Rolle des Naturtherapeuten, welche bereits am Rande er-

wähnt wurde, ist nicht Fokus dieser Arbeit und wird an dieser Stelle nur kurz erläu-

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Page 30: Die heilende Wirkung einer tiefen Naturverbindung H.Illers ... · hergestellten Hormons DHEA (De-hydro-epiandro-steron) fest. DHEA soll den En- DHEA soll den En- ergieverbrauch von

tert. Ein Zitat von Jung (1953, S.4 zitiert nach Kelly, 2016, S.95) fasst die Grund-

haltung des Naturtherapeuten passend zusammen:

„Learn your theories well, but be prepared to put them aside when you

encounter the miracle of the human soul.“

Jung verdeutlicht damit die Notwendigkeit des achtsamen und einfühlsamen Um-

gangs mit der menschlichen Seele. Auch Larry Robinson (2009) versteht den Na-

turtherapeuten als einen „guide of souls“ (Robinson, 2009, S.28), der zwischen

Mensch und nicht-menschlicher Natur vermittelt. Er nimmt eine empathische und

energetisch präsente Grundhaltung ein und begleitet den Patienten bei der Aus-

einandersetzung mit inneren Konflikten und Blockaden, die in der therapeutischen

Arbeit und der Beziehung zur Natur aufkommen. Der Therapeut hilft ihm dabei,

das neue Verständnis auf seinen Alltag und persönliche Beziehungen zu übertra-

gen (Robinson, 2009). Anders als im Therapiezimmer, offenbart der Therapeut in

der (wilden) Natur häufig mehr Persönlichkeit und eigene innere Prozesse. Glei-

chermaßen wie auch der Klient kann er von unerwarteten oder schwierigen Situa-

tionen beeinflusst oder überrascht werden, wodurch seine eigenen Grenzen und

Stärken deutlicher zum Vorschein kommen. Dies erzeugt eine persönlichere,

„normalere“ Beziehung zwischen Therapeut und Klient. Übertragungsphänomene

schließt dies jedoch nicht aus. Trotz der meist natürlich verlaufenden Prozesse

während der Arbeit in der Natur ist es die Aufgabe des Therapeuten, seine eigene

mentale und körperliche Verfassung sowie die des Klienten oder der Gruppe im

Auge zu behalten. Ebenso wichtig ist die bewusste Wahrnehmung der Umgebung

und der gegenwärtigen Aktivität. Diese vielschichtige Aufmerksamkeit erfordert

Fokus und Achtsamkeit (Brazier, 2016).

Die beschriebenen Hintergründe, Therapiemethoden und Theorien bilden

die Grundlage der vorliegenden Arbeit und empirischen Forschung. Im Folgenden

wird der verwendete methodologische Ansatz für Datenerhebung und Auswertung

vorgestellt, erläutert und begründet. Es wird dargestellt, welche Methoden mit wel-

cher Intention verwendet wurden.

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4 Methode

Um das Thema dieser Arbeit zu untersuchen, wurden Methoden der qualitativen

Sozialforschung angewendet. Diese befasst sich mit Menschen, sozialen Situatio-

nen und sozialen Phänomenen, die sowohl Ausgangspunkt als auch Ziel des qua-

litativen Forschungsprozesses sein sollen (Mayring 2002, S.20). Es handelt sich

demnach um einen vielmehr zirkulären, nicht linearen Forschungsprozess, wel-

cher dem vorliegenden Thema, das zahlreiche zirkuläre Aspekte mit sich bringt,

entsprechend gewählt wurde (Jordan & Hinds, 2016). Es wurde sich dabei be-

wusst gegen die quantitative Methodik entschieden. Der statische Prozess und die

unbeteiligte Außenperspektive der forschenden Person schienen nicht angebracht

um sich ein neues und erst seit kurzen erforschtes Feld zu erschließen. Durch

quantitative Methoden ist es kaum möglich, einen tiefen Einblick in das subjektive

Erleben der Probanden zu bekommen. Bedeutend ist in diesem Zusammenhang

auch die im Vergleich zur quantitativen Forschung wesentlich offenere Herange-

hensweise der qualitativen Methodik an den Forschungsgegenstand, sie ermög-

licht das Entdecken neuer unbekannter Sachverhalte.

Aus der Diskussion, inwiefern quantitative Methoden soziale Phänomene

ausreichend darstellen und widerspiegeln können, bildete sich in den 1970er und

1980er Jahren innerhalb der Sozialwissenschaften das „interpretative Paradigma“

heraus (Lamnek, 2005, S.4f.; Mayring, 2002, S.10), welches auch die „qualitative

Wende“ (Mayring, 2002, S. 9) mit sich brachte. Sozialwissenschaftliche For-

schungsgegenstände wurden fortan als interpretativ verstanden und der For-

schende wurde Teil des gesamten Prozesses (Lamnek, 2005; Mayring, 2002).

Auch Helfferich (2011) bezeichnet den Forschungsgegenstand der qualitativen

Forschung, die „soziale Wirklichkeit“, als eine interpretierte oder konstruierte Wirk-

lichkeit. Diese Grundannahme bildet die Basis der qualitativen Forschung und be-

einflusst den Prozess auf verschiedenen Ebenen, bei der Datenerhebung und der

Auswertung (Mayring, 2015)

Der Forschungsauftrag qualitativer Forschung ist das Verstehen. Der Sinn,

den Beforschte und Forscher einem Gegenstand geben, ist nicht derselbe. Er ist

nicht objektiv gegeben, sondern wird in der Interaktion, in diesem Falle dem Inter-

view, erst gebildet. Er muss demnach identifiziert und gedeutet werden und die

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eigenen Annahmen müssen reflektiert werden. Nur so kann „[…], durch die Einze-

läußerungen hindurch das zugrundeliegende Muster oder Konzept […]“ gedeutet

werden (Helfferich, 2011, S.22).

In diesem Zusammenhang ist auch der Kontext von Aussagen, in diesem

Falle das Interview, zu berücksichtigen. Äußerungen sind grundsätzlich immer

kontextgebunden, daher ist der Bezug in dem diese entstanden sind, für das Ver-

stehen immer bedeutsam. Helfferich (2011, S.23) schreibt: „Wenn Menschen die

Welt verstehen und ihr einen Sinn geben, dann tun sie dies im Kontext ihrer Le-

benswelt.“ Der Forschende muss also das subjektive Verständnis verstehen und

braucht Informationen über den Entstehungskontext sowie über das Bewusstsein

des Befragten. Helfferich (2011) bezeichnet dies als „Verstehensleistung zweiten

Grades“ (S.23).

Für die Wahrung und Umsetzung dieser Annahmen bzw. Bedingungen

wurden die im Folgenden näher zu erläuternden vier „Prinzipien qualitativer For-

schung“ formuliert (Helfferich, 2011, S.24f.).

1. Kommunikation

2. Offenheit

3. Reflexivität

4. Fremdheit

Das Prinzip der Kommunikation basiert auf der Annahme, dass die Prozessbildung

durch alle Beteiligten und deren subjektive Sichtweise ein wesentlicher Bestandteil

der qualitativen Forschung ist. Forscher und Beforschte formen den Verlauf der

Forschung und wirken so gleichermaßen auf das Verständnis und die Erkenntnis-

se (Lamnek, 2005). Das Interview wird als eine Kommunikationssituation verstan-

den, in dem sich beide auf eine kommunikative Beziehung einlassen. Nur dadurch

kann der Zugang und das Verständnis zum Sinnessystem der Befragten erfolgen

(Helfferich, 2011, S.79).

Des Weiteren ist es wichtig, den Forschungsprozess offen zu gestalten

(Prinzip der Offenheit). Dies bedeutet, die Probanden sollen die Möglichkeit ha-

ben, ihr eigenes Relevanzsystem und Deutungsmuster darzustellen. Mit anderen

Worten wird ihnen der Raum gegeben, die Kommunikation mit zu formen, die Fra-

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gestellung in ihrer Lebenswelt einzuordnen und ihr eine eigene Bedeutung zu ge-

ben (Helfferich, 2011, S.114f.). Durch eine offene Grundhaltung ist es auch wäh-

rend des Prozesses jederzeit möglich, auf neue Informationen zu reagieren und

sie in den Prozess mit einzubinden (Lamnek, 2005).

Das Prinzip der Reflexivität besagt, dass sich Forschende über ihre persön-

lichen (impliziten) Annahmen, Erwartungen und ihr Vorwissen, sowie auch über

ihre Bedenken und Strategien bewusst sein sollten. Der Interviewende muss sich

über seinen „Normalitätshorizont“ (Helfferich, 2011, S.157) und seine Fokussie-

rungen im Klaren sein. Das Ziel ist eine Prozessbildung im Sinne der Forschungs-

frage, nicht im Sinne der eigenen Vorstellungen. Selbstreflexion ist daher ein es-

sentieller Bestandteil in der qualitativen Forschung und gewährleistet die Erfor-

schung des Systems der Beforschten, statt der eigenen Interessen (Helfferich,

2011, S.157).

Diese benannten Differenzen der Systeme und Lebenswelten zwischen

Forschenden und Beforschten müssen erkannt werden. Das Prinzip der Fremdheit

setzt daher voraus, dass das Gegenüber fremd ist und in seiner Art begriffen wer-

den muss. Trotz einer zumindest minimalen gemeinsamen Basis, die für die Inter-

viewsituation notwendig ist, existieren dennoch verschiedene Vorverständnisse

und Differenzen in den Bezugssystemen. Diese müssen identifiziert und berück-

sichtigt werden (Helfferich, 2011, S.130f.).

Zusammenfassung

Qualitative Forschung beinhaltet Aspekte der Kommunikation und Interpretation

(Lamnek, 2005). Sie strebt an, die Lebenswelten von Personen aus ihrer Sicht,

„von innen heraus“ zu beschreiben (Flick et al. 2009, S.14). Gemeinsamer Be-

zugspunkt der verschiedenen Ansätze qualitativer Forschung sind die Grundlagen

des qualitativen Denkens, der Forschungsauftrag des Verstehens und die vier

Prinzipien qualitativer Forschung.

Für die Bearbeitung der in dieser Arbeit gestellten Forschungsfragen (siehe

Kapitel 5), welche eine erste Strukturierung und Eingrenzung des Feldes darstel-

len (Flick, 1991), wurden die folgenden Methoden qualitativer Forschung gewählt:

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1. Experteninterview

2. qualitative Inhaltsanalyse nach Mayring.

Die Auswahl und Anwendung der gewählten Methoden werden im Folgenden er-

läutert.

4.1 Das Experteninterview

Für die Datenerhebung wurde die Methode des leitfadengestützten Experteninter-

views gewählt. Diese Methode eignet sich vor allem für die theoriegeleitete For-

schung (Mayring, 2002, S.70), wie es in der vorliegenden Arbeit der Fall ist. Das

halbstrukturierte Experteninterview beinhaltet einen Leitfaden mit den wichtigsten

Fragestellungen und gibt so einen Rahmen vor, ist jedoch immer noch so frei ge-

staltet, dass Reichweite und Tiefe des Themas nicht einbüßen. Die Ausformulie-

rung der Fragen sowie die Reihenfolge können dabei flexibel gestaltet werden

(Helfferich, 2011). Der Leitfaden fungiert demnach als Orientierung, nicht als fest-

gelegter Fragenkatalog. Das Interview sollte einem Alltagsgespräch mit natürli-

chem Fluss ähneln, in dem der Dialog jedoch von der forschenden Person geführt

wird (Gläser & Laudel, 2004). Der Leitfaden dieser Arbeit (siehe Anhang) wurde

als solch ein Orientierungsrahmen genutzt und stellt sicher, dass eine Standardi-

sierung erreicht wird, welche die verschiedenen Interviews vergleichbar macht

(Mayring, 2002). Der Leitfaden, der für diese Arbeit erstellt wurde, dient unter an-

derem als Grundlage für die Erstellung der Kategorien für die Auswertung (siehe

Kapitel 6).

Das Experteninterview zeichnet sich durch seine „Interaktionseffekte“ aus

(Bogner & Menz, 2002, S.67) und ist ein kommunikativer Prozess: Das Ergebnis

des Interviews und der spätere Text ist gemeinsames Produkt von Forscher und

Beforschten (Helfferich, 2011). Im Experteninterview werden die interviewten Per-

sonen zu Experten der jeweiligen Thematik, die ihr „[…] besonderes Wissen über

soziale Kontexte […] zur Verfügung stellen können“ (Gläser & Laudel, 2004, S.10).

Das Interview ist damit keine objektive Situation, sondern wird von Forscher und

Befragten gleichermaßen beeinflusst (Helfferich, 2011).

Zur Durchführung des Interviews gehört eine vertiefende Auseinanderset-

zung mit der Thematik, sowie ein gewisser Kenntnisstand auf Seiten des Inter-

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viewers. Dadurch ist es möglich, spontan zu reagieren und spezifische Fragen zu

stellen, die sich erst im Verlauf des Gespräches herausbilden (Helfferich, 2011;

Mayring, 2002). Weiterhin benötigt der Forschende eine offene Grundhaltung so-

wie die Fähigkeit zuzuhören und sich auf das Gegenüber einlassen zu können.

Dazu gehört auch, die spontanen Impulse, wie sie in einem gewöhnlichen Ge-

spräch aufkommen, in gewisser Weise zu kontrollieren und die Position des Inter-

viewers beizubehalten (Helfferich, 2011).

Die Interviews, die für diese empirische Studie geführt wurden, wurden auf

einem Audio-Aufnahmegerät festgehalten, sodass der gesamte Gesprächsinhalt

durch eine Transkription verschriftlicht werden konnte. Es wurden einfache Tran-

skriptionsregeln angewandt, da in der vorliegenden Arbeit keine sprachwissen-

schaftlichen Aspekte im Vordergrund stehen, sondern nur der Inhalt, der anschlie-

ßend im Hinblick auf Kategorien untersucht wird, für die Forschungsfragen von

Relevanz ist. Dies bedeutet, es wurde wörtlich, nicht zusammenfassend oder laut-

sprachlich transkribiert. Sprache und Interpunktion wurden geglättet und ins

Schriftdeutsche übersetzt. Zustimmende oder bestätigende Lautäußerungen des

Interviewers wurden nicht transkribiert, sofern sie keine besondere Bedeutung im

Gespräch hatten (Kuckartz, Dresing, Rädiker & Stefer, 2007). Um genaue Quel-

lenangaben zu ermöglichen, wurden die Dokumente mit Seiten- und Zeilennum-

mern transkribiert. Die Interviews wurden mit A bis D tituliert. Namen und Orte

wurden anonymisiert. Die erzeugten Texte wurden anschließend durch die qualita-

tive Inhaltsanalyse nach Mayring ausgewertet. Diese Methode wird im folgenden

Kapitel näher erläutert.

4.2 Qualitative Inhaltsanalyse nach Mayring

Die Auswertung des Materials wurde durch die qualitative Inhaltsanalyse nach

Mayring vorgenommen. Die qualitative Inhaltsanalyse reduziert das Untersu-

chungsmaterial so, dass lediglich die Inhalte übrig bleiben, die für die Beantwor-

tung der Forschungsfragen essentiell sind (Mayring, 2015). Sie dient der Interpre-

tation von sprachlichem Material und orientiert sich an drei Grundformen (Mayring,

2010, S.65):

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1. Zusammenfassung: Reduzierung und Abstraktion des Materials, sodass nur die

wesentlichen Inhalte und ein überschaubares Abbild des Grundmaterials erhal-

ten bleiben.

2. Explikation: Zu einzelnen Textteilen wird zusätzliches Material hinzugefügt, wel-

ches das Verständnis verbessert und erläutert.

3. Strukturierung: Herausfiltern bestimmter Aspekte aus dem Material, welche

durch vorher festgelegte Kategorien bestimmt werden.

Für die vorliegende Studie scheint die strukturierende qualitative Inhaltsanalyse

am geeignetsten, um die Aussagen der Befragten auf Basis der relevanten The-

mengebiete (den Kategorien) zu interpretieren. Ein Kodierleitfaden ermöglicht

durch drei zentrale Schritte die genaue Zuordnung des Materials zu den einzelnen

Kategorien (Mayring, 2010). Zunächst erfolgt die Definition der Kategorien, die

festlegt, welche Textstellen zu welcher Kategorie gehören. Zitate bilden Ankerbei-

spiele, die konkrete Beispiele in Form von Zitaten aus den Interviews zu den ein-

zelnen Kategorien geben. Anschließend werden Kodierregeln formuliert, welche

eine klare Abgrenzung zwischen den Kategorien ermöglichen. Die Definitionen

und Ankerbeispiele, die für die Auswertung der vorliegenden Arbeit genutzt wur-

den, werden in Kapitel 6 vorgestellt. Der gesamte Kodierleitfaden in Tabellenform

befindet sich im Anhang dieser Arbeit.

Des Weiteren gibt es vier Typen der strukturierenden Inhaltsanalyse: Die

formale, die inhaltliche, die typisierende und die skalierende. Die gewählte Form

muss in Übereinstimmung mit der Fragestellung abgeleitet und bestimmt werden

(Mayring, 2010). Für die vorliegende Arbeit eignet sich eine inhaltliche Strukturie-

rung, welche Material zu konkreten Fragestellungen und Inhalten herausfiltert und

zusammenfasst (Mayring, 2010).

Mit Hilfe der Fragestellung und des Leitfadens wurden Kategorien und Un-

terkategorien gebildet, die für die Strukturierung und Zusammenfassung des Mate-

rials genutzt wurden. Diese deduktiv gewonnenen Kategorien verknüpfen die vor-

her festgelegten, theoriegeleiteten Aspekte mit dem Material. Durch erneutes

Durcharbeiten des Materials wurden weitere Aspekte herausgefiltert, die nicht

durch diese Kategorien abgedeckt wurden. Dadurch konnten auch induktiv Kate-

gorien gebildet werden.

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Die der Auswertung zugrundeliegende Fragestellung wird im folgenden Kapitel

vorgestellt. Anschließend folgt die Auswertung der deduktiv und induktiv gebilde-

ten Kategorien.

5 Forschungsfragen

Die Frage, die in dieser Arbeit beantwortet werden soll ist, inwieweit und in wel-

cher Weise die persönliche Verbindung zur Natur einen Einfluss auf das psychi-

sche Wohlbefinden hat. Um einen tieferen Einblick in die Prozesse und persönli-

chen Erfahrungen der Probanden und Kenntnis darüber zu erlangen, inwiefern

diese für die Psychotherapie von Bedeutung sind, wurden folgende Forschungs-

fragen generiert:

1. Inwieweit hat die Veränderung der persönlichen Verbindung zur Natur einen

Einfluss auf das eigene Leben genommen?

2. Welche besonderen Prozesse und Vorgänge fanden durch die Wiederverbin-

dung mit der Natur statt, die die psychische Gesundheit begünstigen oder wie-

derherstellen konnten?

3. Was konnte durch die Wiederverbindung zur Natur und das Empfinden und

Bewusstsein einer Einheit erfüllt werden, was bisher und auf anderem Wege

nicht möglich war?

Anhand der Forschungsfragen in Verbindung mit dem Interviewleitfaden wurden

die Kategorien gebildet und die Interviews analysiert und ausgewertet. Im Folgen-

den werden die einzelnen Kategorien definiert und mit Ankerbeispielen verdeut-

licht. Die Ergebnisse der qualitativen Inhaltsanalyse werden anschließend je Kate-

gorie zusammenfassend dargestellt.

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6 Auswertung

In der Auswertung der vorliegenden Studie wurden die Aussagen der Probanden

mit Hilfe der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring (vgl. Kapitel 4) je Kategorie

analysiert und zusammengefasst.

Zunächst erfolgt an dieser Stelle eine Beschreibung der interviewten Pro-

banden (6.1). Es folgt eine graphische Übersicht der Kategorien (6.2) sowie die

Beschreibungen der deduktiv (6.2.1) und induktiv (6.2.2) gebildeten Kategorien

und Unterkategorien. Im Falle der deduktiven Kategorien werden Ankerbeispiele

aufgeführt. Diese verdeutlichen, welches Material welcher Kategorie zugeordnet

werden soll. Die Auswertung der Interviewaussagen (6.3) findet anschließend in-

nerhalb der einzelnen Kategorien zusammenhängend statt. Das heißt, zur besse-

ren Übersicht werden die Ergebnisse aus allen vier Interviews zusammengefügt

und abwechselnd aus den einzelnen Interviews (benannt mit Interview A, B, C, D)

zitiert. Der Begriff Naturtherapie wird zur Vereinfachung als Überbegriff der ver-

schiedenen Interventionen genutzt, die die Probanden erfahren haben. Eine detail-

liertere Beschreibung erfolgt an gegebenen Stellen, sofern dies für das Verständ-

nis und die Auswertung von Bedeutung ist.

6.1 Probanden

Die vier der Forscherin vorher unbekannten Probanden der vorliegenden Studie

wurden über verschiedene ebenfalls der Forscherin zunächst unbekannte Natur-

therapeuten vermittelt, per Email kontaktiert und für die Durchführung des Inter-

views Zuhause besucht. Dadurch konnte eine entspannte Atmosphäre in vertrau-

tem Umfeld entstehen. Nur in einem Fall fand das Interview in der Ausbildungs-

stätte der Interview-Partnerin statt, jedoch ebenfalls in ruhiger und ungestörter

Umgebung. Interviewt wurden drei Frauen und ein Mann, alle jeweils mittleren Al-

ters, die den gesetzten Kriterien, die für diese Untersuchung notwendig waren,

entsprachen. Zu den Kriterien zählte die Erfahrung einer Naturtherapie oder

mehrmaliger Intervention und das Empfinden einer Verbesserung der psychischen

Gesundheit durch die (Wieder-) Verbindung zur Natur. Für die vorliegende Studie

wurden ausschließlich Probanden interviewt, die eine heilende Wirkung durch die

Natur erfahren haben, da der Fokus dieser Arbeit vorwiegend auf der Wirkungs-

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weise der Naturverbindung liegt. Alle Probanden berichteten von psychischen Be-

lastungen, die sie zu einer Therapie veranlasst haben. Diese wurden während des

Interviews nicht explizit definiert oder diagnostiziert, sondern aus dem Empfinden

der befragten Person heraus beschrieben. Die einzelnen psychischen Belastun-

gen der Probanden werden in der Auswertung im Zusammenhang mit dem Ge-

samtinterview genauer betrachtet.

6.2 Kategorien

Zur Übersicht wird in Abbildung 1 die graphische Darstellung der deduktiv und in-

duktiv gebildeten Kategorien gezeigt, welche in den folgenden Unterkapiteln näher

erläutert und definiert werden.

Abb. 1: Deduktive und induktive Kategorien mit Unterkategorien (eigene Darstellung).

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6.2.1 Deduktive Kategorien

1. Beziehung zur Natur vor der Naturtherapie

In dieser Kategorie werden der Stellenwert und die Bedeutung der Natur be-

schrieben, wie sie vor der Naturtherapie von den Probanden empfunden wur-

den. Sie dient als Orientierung, inwiefern eine Verbindung bzw. das Empfinden

einer Verbindung schon vor der Therapie vorhanden war und inwiefern sich das

Bewusstsein in Bezug auf die Naturverbindung verstärkt oder verändert hat.

„[…] Natur ist halt irgendwie da und ja, ich bin auch lieber im Grünen als von

Betonmauern umgeben. Das heißt ich habe sicherlich auch die wohltuende

Wirkung von Natur, von im Wald sein und so erfahren, aber ich habe mir da

nicht wirklich Gedanken drum gemacht und […] es war auch keine besondere

Beziehung.“ (B, 152f.)

2. Veränderungen im Leben

Die zweite Kategorie erläutert Veränderungen im Leben der Probanden durch

die Naturtherapie. Diese Kategorie ist zur besseren Übersicht in drei Unterkate-

gorien aufgeteilt.

2.1 Allgemein

In dieser Unterkategorie werden alle Veränderungen aufgeführt, die sich im

Allgemeinen vollzogen haben und die nicht einer der anderen beiden Unter-

kategorien zugeordnet werden können.

„[…] dass ich durch das wieder Zurückfinden zur Natur und zum Naturerle-

ben […] auch wieder mehr in meinen Körper gefunden habe.“ (C, 96f.)

2.2 Beziehungen

Hier werden alle Veränderungen, die sich bei den Probanden in Bezug auf

Beziehungen gezeigt haben erläutert und interpretiert. Beziehungen beinhal-

ten dabei die Beziehung zu sich selbst sowie die Beziehung zu anderen.

„[…] dass [der Umgang] sehr viel bewusster ist, mehr Achtsamkeit […]“ (A,

401).

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2.3 Lebenssinn

An dieser Stelle sollen die Veränderungen in Bezug auf den persönlichen

Lebenssinn der befragten Personen näher betrachtet werden. Der Lebens-

sinn ist definiert als das Bewusstsein, dass das Leben an sich Sinn und Be-

deutung hat (Längle, 2007). Aussagen über das Empfinden oder die Entde-

ckung des Sinns des (eigenen) Lebens im Zusammenhang mit der Verbin-

dung zur Natur werden analysiert.

„[…] aber wenn ich nach Sinn gefragt habe, hatte ich, glaube ich, immer was

Riesengroßes im Kopf, was das jetzt für einen Wahnsinnssinn machen

müsste. Und wo ich jetzt einfach nur irgendwie denke, wenn ich das schaffe

in meinem Leben ein gutes Zahnrad in dem Gefüge Natur und mit menschli-

cher Beziehung zu sein, dann ist das Sinn genug." (C, 560f.)

3. Wirkungsweise

Diese Kategorie beschreibt die wahrgenommene Wirkungsweise der Naturthe-

rapie. Sie ist in zwei Unterkategorien unterteilt, welche wie folgt definiert sind.

3.1 Methoden

In dieser Unterkategorie werden Merkmale und verschiedene methodische

Ansätze der bei den Probanden durchgeführten Naturtherapien zusammen-

gefasst und näher betrachtet.

"Also dann gab es eine Aufgabe im Wald, in der Natur, eine häufig gestellte

Aufgabe war dann, also wenn zum Beispiel das Thema war, Schutz, dass

dann die Aufgabe war, geh mal da in das Waldstück und guck, was die Natur

für Dich heute hat, was mit Deinem Thema zu tun hat […]“ (C, 20f.).

3.2 Art der Wirkung

Hier soll in Ergänzung zur Kategorie 3.1 das persönliche Empfinden der Pro-

banden in Bezug auf die Art der Wirkung der Natur und Naturtherapie näher

betrachtet und interpretiert werden. In Abgrenzung zu Kategorie 2 und 3.1

geht es in dieser Kategorie nicht um das was gemacht wurde und sich ver-

ändert hat, sondern darum wie und wodurch Verfahren wirken und Verände-

rungen sich vollziehen konnten.

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„[…] wenn ich in die Natur gehe, […] dann weiß ich, dass ich grundsätzlich

aussprechen darf, was ich aussprechen möchte. […] Sie wird mir nie ins

Wort fallen, mich nie unterbrechen und sie wird auch nie bewerten oder be-

oder gar verurteilen […]“ (A, 215f.).

4. Vergleich mit anderen Therapien

In dieser Kategorie werden Vergleiche zu anderen, nicht naturbasierten psycho-

therapeutischen Therapien gezogen. Diese beziehen sich ausschließlich auf die

persönlichen Erfahrungen und Empfindungen der Probanden.

"Meine erste therapeutische Erfahrung, das war ne kognitive Gesprächsthera-

pie und abgesehen davon, dass es erst mal nett ist, ein Gegenüber zu haben,

der sich irgendwie kümmert, musste ich feststellen, das Kognitive, das geht ein-

fach nicht tief genug." (B, 107f.)

5. Spiritualität

Spiritualität ist definiert als das Wissen, dass es noch mehr auf der Welt als das

für den Menschen Sichtbare gibt (Marques, 2005). Da der Begriff sehr umfas-

send und schwer erfassbar ist, werden in dieser Kategorie ebenfalls Aussagen

zum persönlichen Verständnis von Spiritualität erfasst.

"Also nach einem Erfahrungszustand, das ist eine Form von Verbindung und

Anbindung mit etwas Höherem oder einem höheren Wesen oder das möchte

ich gar nicht so genau fassen […]“ (B, 193f.).

6. Einheitsbewusstsein

In dieser Kategorie werden Aussagen zu dem Empfinden einer Einheit analy-

siert. Einheit ist definiert als das Bewusstsein darüber, dass alles miteinander

verbunden ist und die Welt als eine Ganzheit wahrgenommen wird. Die Einheit

oder auch Alleinheit (sprich: All-Einheit) beschreibt die unteilbare Einheit allen

Seins.

„[…] das ist alles eins, wir sind alle verbunden, wir sind alle aus dem gleichen

Ursprung gekommen" (A, 572f.).

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6.2.2 Induktive Kategorien

Nach einer intensiven Auseinandersetzung durch die qualitative Inhaltsanalyse

des Materials mithilfe der theoriegeleiteten Kategorien (siehe 6.2.1) brachte das

erneute Durcharbeiten des Materials im Hinblick auf Elemente, die nicht einer der

deduktiv erstellten Kategorien eindeutig zuzuordnen sind, zwei weitere Kategorien

hervor. Achtsamkeit, welche als eine besondere Art der bewussten, urteilsfreien

Aufmerksamkeit definiert wird (Kabat-Zinn, 1994, S.4), sowie die Rolle und Bedeu-

tung des Therapeuten in der Naturtherapie, stellten in allen vier Interviews rele-

vante Aspekte dar. Die induktiv erstellten Kategorien werden im folgenden Kapitel

im Anschluss an die deduktiven Kategorien interpretiert (siehe 6.3.7 - 6.3.8).

6.3 Interpretation der Interviews

Die Interviews A, B, C und D wurden nach den beschriebenen Kategorien analy-

siert und interpretiert. Im Folgenden wird die Auswertung nun je Kategorie vorge-

stellt und einzelne Textstellen mit Angabe des Interviews sowie der Zeilennummer

zitiert. Im Anschluss werden die wesentlichen Ergebnisse dieser Studie zusam-

mengefasst und diskutiert (Kapitel 7).

6.3.1 Beziehung zur Natur vor der Naturtherapie

Alle vier Probanden berichten, dass sie schon immer eine Art von Verbindung zur

Natur gehabt haben. Diese war vor allem in der Kindheit präsent, ist im Laufe der

jungen Erwachsenenjahre jedoch irgendwann verloren gegangen. Die Natur und

auch die Verbindung zu ihr war schon immer da, wurde aber nicht bewusst wahr-

genommen oder gelebt. Auch die angenehme Wirkung war bekannt, wurde jedoch

nicht weiter beachtet, es fehlte die Zeit für Aufenthalte in der Natur oder sie wurde

schlichtweg vergessen.

„[…] Natur ist halt irgendwie da und ja, ich bin auch lieber im Grünen als von Betonmauern umgeben. Das heißt ich habe sicherlich auch die wohltuende Wirkung von Natur, von im Wald sein und so erfahren, aber ich habe mir da nicht wirklich Gedanken drum gemacht und […] es war auch keine besonde-re Beziehung.“ (B, 152f.)

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„Man vergisst die Natur. […] Man sieht die Natur auch gar nicht mehr.“ (D, 166&181)

Für einen der Befragten kam das bewusste Bedürfnis in der Natur sein zu wollen

erst durch einen Aufenthalt im südamerikanischen Urwald, mit (ungeplant) viel Zeit

und wenig Aufgaben, zurück. Nach dieser Erfahrung, wieder in den vier Wänden,

spürte er plötzlich einen Mangel und den Bedarf an Natur. Eine andere Befragte

berichtete ebenfalls, dass das bewusste Wahrnehmen der Natur eher zufällig,

während eines Auslandaufenthaltes durch eine Freundin, die „Treehugger“ (A,

165) war, wieder in ihr Leben trat.

Für eine der Probandinnen stellte die Natur einen wichtigen Teil ihres Le-

bens dar, der sich jedoch irgendwann zu einer Bedrohung entwickelt hatte. Durch

Ängste entstanden Phantasien einer gefährlichen Umwelt, die nicht mehr als ein

wohltuender Raum wahrgenommen werden konnte.

„Ich hatte schon als Kind und Jugendliche immer einen Zugang dazu, da so-was Heilendes und Stärkendes zu finden und das hatte ich irgendwann verlo-ren. […] Ich konnte nicht mehr gut alleine in den Wald gehen […], weil ich einfach ständig das Gefühl hatte von Bedrohung […]“ (C, 66f.&118).

Eine andere Befragte, die in der Naturtherapie auch mit Pferden gearbeitet hat,

erzählt von ihren frühen Erfahrungen in der Reitschule: „Ich war im Reitverein,

ganz normal, dieses Hackengas und rechts drücken und links drücken, links rum

und rechts rum.“ (D, 159f.) Ein Kontakt zu Tieren war zwar vorhanden, jedoch ver-

deutlicht ihre Aussage die Qualität dieser Beziehung und die damalige innere oder

von außen vermittelte Haltung dem Tier gegenüber.

Der Einblick in die Beziehungen zur Natur vor der Naturtherapie zeigt, dass

eine Verbindung bei den Probanden eigentlich schon immer da gewesen ist, sie

jedoch aus verschiedenen Gründen und durch Veränderungen der Lebensum-

stände verloren gegangen oder stark in den Hintergrund gerückt ist.

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6.3.2 Veränderungen im Leben

6.3.2.1 Allgemeine Veränderungen

Im Allgemeinen beschreiben die Probanden vor allem eine Veränderung ihres Be-

wusstseins. Sie nehmen sich und ihre Umwelt bewusster und achtsamer wahr und

können gelassener mit schwierigen Situationen umgehen, bzw. sich innerlich

schneller wieder von ihnen distanzieren.

„[…] dass dann relativ schnell so ein Bewusstsein dafür da ist, okay, das hät-te ich vielleicht auch anders hingekriegt. Und dass ich dann auch so […] gut in ein klärendes Gespräch gehen kann.“ (A, 591f.)

Ein weiterer Aspekt, der in allen Interviews genannt wird, ist die bewusste Wahr-

nehmung des eigenen Körpers. Die Probanden berichten, dass sie sich endlich

wieder spüren können:

„Ich habe meinen Körper überhaupt nicht mehr gespürt […] Und dieses Kör-pergefühl wiederzubekommen. Mich selber zu spüren. Das hat mir wieder ein Lebegefühl gegeben.“ (D, 530f.)

„[…] wie ich aufgehört habe, sozusagen in meinem Körper zu sein, sondern mein Leben nur noch im Kopf stattgefunden hat […] und dass ich durch das wieder Zurückfinden zur Natur und zum Naturerleben, ich dadurch auch wie-der mehr in meinen Körper gefunden habe.“ (C, 94f.)

Eine Probandin berichtet von mehr Akzeptanz für die Aufgaben, die sie verrichtet.

Ebenso beschreibt sie einen erhöhten Selbstwert und verstärkte Selbstwirksam-

keit sowie einen Perspektivenwechsel. Dinge, die zu tun sind, stellen keine Belas-

tung mehr dar, sondern werden zu Angeboten, für die sie sich bewusst entschei-

den und auch Dankbarkeit empfinden kann:

„[…] wo ich einfach durch die Naturtherapie die Möglichkeit hatte, die Per-spektive darauf zu wechseln und das nicht mehr als sowas empfinden, ach das auch noch, sondern als Angebot, als Chance und dafür dankbar zu sein, ja super, das kann ich machen!“ (C, 372f.)

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Eine positive Wirkung in Bezug auf die Selbstwirksamkeit, wie es sich bei dieser

Befragten zeigt, wird zum Beispiel in Verbindung mit der Erlebnistherapie be-

schrieben (vgl. 3.2). Da die Probandin verschiedene Ängste gegenüber der Natur

empfand (siehe 6.3.1), stellte die Arbeit in der Natur möglicherweise zunächst eine

größere Herausforderung für sie dar, auch wenn sie nicht die klassischen Elemen-

te der Erlebnistherapie beinhaltete. Die Erfahrung zu machen, es trotzdem bewäl-

tigen zu können, wirkt dabei stärkend auf das Selbst-Konzept sowie die Hand-

lungsfähigkeit.

Einheitlich nahmen die Probanden das Bedürfnis, öfter und bewusster in

die Natur zu gehen, wahr. Auch die genannten Ängste einer Probandin lösten sich

auf und das Gefühl der Bedrohung „war irgendwann weg […]. Und dann konnte

ich auch wirklich in den Wald gehen, also nicht auf einem Weg, sondern wirklich

[…] sehen, erleben und das so für mich fühlen und habe mich sicher gefühlt und

frei gefühlt […]“ (C, 129f.).

Eine Frau beschreibt wie ihr ganzes Wesen sich geändert habe. Sie hat 20

Jahre lang als Soldatin gearbeitet, was man ihr, nach eigener Aussage, in ihrer

ganzen Erscheinung ansehen konnte: „Meine ganze Art, meine Kleidung, mein

Äußerliches, mein Ton, mein Gang […] jeder wusste, Soldat oder Polizei.“ (D, 264)

Durch die Arbeit mit der Natur und den Tieren empfand sie zum ersten Mal wieder

das Gefühl von innerer Ruhe und Entspannung. Sie konnte abgespaltene Teile ih-

res Selbst, die sie durch mehrfache Traumatisierungen in ihrer Kindheit (D, 528)

und durch ihren Berufsalltag als Soldatin nicht mehr annehmen konnte, wieder in-

tegrieren. Sie fühle sich zum ersten Mal wieder lebendig, konnte „wieder mit [sich]

selber Eins […] werden“ (D, 567). Heute würde niemand mehr ihren damaligen

Beruf erahnen. Ebenso berichtet sie davon, wie sich ihre chronischen Rücken-

schmerzen einfach aufgelöst haben.

Im Allgemeinen wirkten alle Probanden erleichtert und entspannt, als sie

über die Veränderungen in ihrem Leben erzählten. Alte Muster oder Verhaltens-

weisen seien nicht plötzlich verschwunden, jedoch zeigte sich bei allen eine er-

höhte Achtsamkeit dem Leben und sich selbst gegenüber, sowie mehr Bewusst-

sein und Vertrauen für die Prozesse des Lebens, denn was auch immer einem

begegnet, „[…] zu irgendwas wird es gut sein.“ (B, 434)

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6.3.2.2 Veränderungen in Beziehungen

Auch in Bezug auf ihre Beziehungen beschreiben die Befragten ein erhöhtes Be-

wusstsein und mehr Achtsamkeit. Der Wunsch nach „echten Verbindungen“ (A,

385) und Freundschaften auf tieferer Ebene wird sehr deutlich: „Also oberflächli-

che Beziehung, das geht überhaupt nicht mehr.“ (B, 370) Menschen, die eine ähn-

liche Vorstellung vom Leben haben, ähnliche Interessen und eine „ähnliche Fre-

quenz“ (A, 395), sowie die Qualität der Beziehung spielen nun eine größere Rolle.

Auch hier berichten die Probanden von alten Mustern oder Beziehungsdynamiken,

die sich noch nicht komplett aufgelöst haben. Das Bewusstsein hierüber ist jedoch

deutlich erhöht, ebenso wie die Bereitschaft, Verantwortung für sich zu überneh-

men. Diese Selbstverantwortung gibt Kraft und Handlungsfähigkeit: „[…] ich bin da

selber für verantwortlich, ich kann da was dran verändern, dann gibt mir das

Kraft.“ (A, 415f.)

Ebenso berichten zwei Frauen, wie sie durch das Erkennen des eigenen

Wertes mehr Zuneigung annehmen können und hierfür Dankbarkeit statt Skepsis

oder Ablehnung empfinden:

„[…] dass ich annehmen oder verstehen konnte, dass ich […] für etwas ge-mocht oder geliebt [werde], auch um meiner selbst willen. […] dass ich [sie] nicht mehr so ablehnen muss […] sondern ich denke, ach wie schön, wie nett, danke!“ (C, 243f.& 255f.)

„Früher hat es weh getan, wenn er mich umarmt hat. Ich habe es nie genos-sen, es war ein Schmerz. Und heute lasse ich mich fallen, wenn mich jemand umarmt, genieße diese Sekunden von Umarmung und bin dankbar für dieses Gefühl […]“ (D, 562f.).

Die zwei Frauen erzählen weiterhin, wie sich ihr Verhältnis zum Geben verändert

hat. Sie fühlten sich gewöhnlich ausgenutzt oder stellten Erwartungen an Gefallen,

die sie anderen getan haben. Heute tun sie es für sich, aus freier Wahl, weil sie

etwas geben möchten, „einfach aus dem Geben-Aspekt heraus, aber nicht aus

dem Aspekt heraus, ich brauche das, weil ich mich über Anerkennung definiere

[…]“ (C, 237f.).

Neugewonnenes Vertrauen spielte vor allem bei einer Befragten eine wich-

tige Rolle. Durch die Natur- und tiergestützte Therapie konnte sie erstmals wieder

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Vertrauen aufbauen, vor allem über die Beziehung zu einem Hund, der sie in der

schwierigen Anfangsphase der Therapie begleitete. Sie lernte so, wenn auch

langsam, sich anderen gegenüber wieder zu öffnen.

„[…] allein dieses in der Natur sein, dieses Tier bei sich zu haben, was mir vertraut, das ist auch eine ganz andere Erfahrung gewesen. Ich habe ja mir selber auch nicht vertraut. Und daraus zu lernen, dass ein Tier mir vertraut, konnte ich wieder lernen, wieder auch jemand anderes zu vertrauen. Tier sowie Menschen.“ (D, 42f.)

Dies brachte auch eine veränderte Wahrnehmung ihrer Mitmenschen mit sich, sie

ist „anders zu den Leuten geworden“ (D, 271), akzeptiert und respektiert sie so

wie sie sind, ist offener, herzlicher geworden.

Die Veränderungen in Beziehungen zeigen sich im Allgemeinen vor allem in

einem höheren Bewusstsein und einem achtsameren Umgang, sowie der Akzep-

tanz der eigenen und der anderen Person. Ebenso zeigt sich ein deutlicher

Wunsch nach tiefen Beziehungen sowie ein erhöhtes Vertrauen, sich diesen hin-

zugeben.

6.3.2.3 Veränderung in Bezug auf den Lebenssinn

In Bezug auf den Lebenssinn berichten alle Probanden von einer Entwicklung, die

man als Vereinfachung bezeichnen könnte. Das Leben wurde einem gegeben und

es ist die eigene Entscheidung, was man mit diesem anfängt: „Einfach zu gucken,

okay, jetzt habe ich dieses Leben geschenkt bekommen, was mache ich

damit.“ (A, 538); „[…] dieser Prozess [des Lebens – Anm. d. Verf.] ist ja auch Sinn,

also in sich sinnhaft.“ (B, 227f.) Die Frage nach einem Sinn stellte sich oft gar nicht

mehr:

„[…] dass ich einfach angefangen habe, mehr im Jetzt zu sein und ja, halt nicht nach einem Sinn zu fragen und einfach zu gucken, was macht das viel-leicht jetzt gerade mit mir, fühle ich mich dabei wohl, tut mir das gut, passt das zu mir, […] mache ich jemand anders eine Freude damit oder so und das dann als sinnstiftend genug zu empfinden.“ (C, 546f.)

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Eine Frau erzählt, wie sie durch ihren neugewonnenen tiefen Glauben an Mutter

Erde einen neuen Sinn und Halt im Leben empfindet. Der Sinn liegt darin „dieses

Wunderwerk“ Erde (A, 505) zu schützen und etwas zu hinterlassen, wofür es sich

zu leben lohnt. Auch im Hinblick auf das Leben ihrer Kinder. Dieser Glaube und

Sinn gibt ihr mehr Mut, Missstände anzusprechen und sich für eine bessere Welt

einzusetzen.

Weiterhin zeigen alle Probanden eine größere Akzeptanz für die Prozesse

im Leben. Ein Befragter erzählt, wie er (Lebens-) Ziele nicht mehr als Zustände

ansieht, die man irgendwann erreichen kann, sondern „[…] das Ziel als

Prozess“ (B, 223) begreift, welcher in ständiger Bewegung ist. Diese innere Hal-

tung und Öffnung dem Wandel gegenüber bringen ihm Glück und Erfüllung. Durch

Erfahrungen in und mit der Natur (-therapie) stellte sich auch eine Gewissheit ein:

„[…] es gibt für mich persönlich einen Beruf, es gibt einen Platz im Leben, wo ich

hin soll und es gibt einen Weg, den ich zu gehen habe.“ (B, 214f.) Dadurch kann

das Leben an sich als sinnhaft empfunden werden. Selbst tiefe Gefühle der Sinn-

losigkeit zweier Befragten wandelten sich:

„Was du vorher dachtest, so, wenn ich sterbe, sterbe ich halt. […] Ach, hof-fentlich passiert es bald. So war ich damals drauf. Weil wozu denn leben, wenn du dich selber nicht mehr spürst.“ (D, 553&558)

„[…] was macht das jetzt für einen Sinn, dass ich das mache. Und ganz schnell war die Antwort, keinen.“ (C, 542f.)

Heute können sie mehr im Hier und Jetzt leben, die Dinge in sich ergeben einen

Sinn. Es müssen keine großen Fragen beantwortet werden, die Sinnfrage ist so-

zusagen „zusammengeschrumpft“ (C, 559):

„[…] wenn ich das schaffe in meinem Leben ein gutes Zahnrad in dem Gefü-ge Natur und mit menschlicher Beziehung zu sein, dann ist das Sinn genug.“ (C, 562f.) „Ich möchte noch ein bisschen leben und glücklich sein.“ (D, 555)

Zusammenfassend zeigte sich bei allen Befragten eine deutliche Veränderung in

Bezug auf ihren Lebenssinn. Der Sinn wird zunehmend im Hier und Jetzt gese-

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hen, im Glücklichsein, in guten Beziehungen und darin, etwas Gutes für sich und

andere zu tun.

6.3.3 Wirkungsweise

6.3.3.1 Methoden

Um die von den Probanden wahrgenommene Wirkung (siehe 6.3.3.2) der Natur-

therapien besser einordnen zu können, werden zunächst einige Methoden ge-

nannt, die in den jeweiligen Interventionen laut der Befragten angewandt wurden.

Besonders auffallend war die hohe Individualität der verschiedenen Thera-

pien: „[…] das ist einfach sehr stark auf denjenigen, der da kommt, so ausgerich-

tet. […] es gibt bei ihr [der Therapeutin – Anm. d. Verf.] nicht die Therapie […]“ (A,

50). „Das Grundkonzept ist […] personal aufgebaut […] es interessiert nicht so

sehr das Symptom, sondern der Mensch […] als Ganzes.“ (B, 11f)

Die Arbeit mit Projektionen, wie sie auch in der Theorie vorgestellt wurde

(vgl. 3.2.2), erwähnen alle Befragten. Eine der Kernmethoden ist das Wiederer-

kennen des Selbst in der Natur:

„[…] es ist aber letztlich eigentlich so, dass immer irgendwie zu dem Thema, das gerade da ist, findet sich auch irgendein Spiegel in der Natur draußen.“ (A, 19f.)

„[…] dass ich mit einem konkreten Problem komme und die Natur dann mei-ne Probleme auch spiegelt bzw. dann einen inneren Zugang zu mir selbst öffnet.“ (B 32f.)

Auch von dem Arbeiten mit Naturritualen, wie dem „Medizinrad“ (A, 27), welches

eine Art Kompassrose ist, die den Himmelsrichtungen verschiedene Lebensab-

schnitte zuordnet, oder der „Nachtwache“ (B, 474), während der, nach einer Vor-

bereitung an einem selbst gestalteten Platz im Wald, eine Nacht gewacht wird,

wird berichtet. Gerade diese intensiven Übungen und Zeremonien bewirkten tiefe

Transformationen: „Und die Rituale, es liegt ja im Wesen der Rituale, dass die eine

Struktur vorgeben, das sind natürlich die Sachen, die meistens so ein bisschen

tiefer reingehen und ein bisschen heftiger […] sind.“ (B, 77f)

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Ebenfalls wurden immer wieder Meditations-, Achtsamkeits- und Wahrnehmungs-

übungen beschrieben. Diese Praktiken sind ebenfalls besonders wichtige Elemen-

te der naturtherapeutischen Verfahren:

„Erstmal gucken, Gedanken, Gefühle, Körperempfindungen […]“ (C, 15).

„[…] mit dem ganzen Körper lausch[en], was kommt da an Geräuschen und wo kommt das in mich rein und was macht das mit mir. Oder die Atmosphäre eines Ortes einfach aufnehmen und spüren […] ganz bewusstes Gehen […]“ (B, 65f).

Ein weiterer Aspekt der Naturtherapie ist eine gewisse Offenheit, mit der Thera-

peut und Patient in die Therapiezeit gehen.

„[…] die Aufgabe war, geh mal da in das Waldstück und guck, was die Natur für Dich heute hat, was mit Deinem Thema zu tun hat und das Wichtige war wohl immer, also jetzt nicht zu suchen, zu gucken, was finde ich, sondern in so eine offene Haltung zu kommen und zu gucken, was hat die Natur für mich im Angebot.“ (C, 22)

„Entweder man geht völlig ohne Auftrag rein, guckt, was Dir begegnet oder vielleicht mit einer Einschränkung, mit einem bestimmten Thema.“ (B,75f)

Es gibt also keinen festgelegten Plan für die Zeit in der Natur, sondern man schaut

was einem begegnet, hat eventuell ein Thema, was einen zurzeit beschäftigt und

den Blickwinkel in bestimmte Richtungen lenkt. Diese offene Haltung ermöglicht

es direkt zum Kern der Dinge zu kommen:

„Und das ist einfach, ja, in dem Moment finde ich auch immer irgendwas, was dann genau dazu auch passt. Und worin mir dann plötzlich bestimmte Dinge mal so ganz klar werden, die vielleicht vorher mehr so nebulös ir-gendwo im Unterbewusstsein rum geschwommen sind.“ (A, 41f)

Ein weiterer bedeutender Aspekt war die Vielfältigkeit des Naturraumes und die

Möglichkeit sich darin zu bewegen:

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„[…] ob man sich dann irgendwo lieber hinsetzen möchte, lieber gehen möchte, möchte man lieber durch den Wald, lieber über freies Feld auf Feld-wegen, durch Gestrüpp, durchs Unterholz, […] [was] gerade passend ist.“ (C, 35f.)

Die Freiheit draußen zu sein, spielte besonders für zwei Frauen eine sehr wichtige

Rolle.

„[…] ich hatte damals halt ein Riesenproblem mit kleinen, zu engen Räumen, fand das in der Natur natürlich viel befreiter.“ (D, 26) „[…] den Freiraum, die-ses draußen sein. Nicht eingesperrt.“ (D, 396)

„Also das Allerwichtigste ist glaube ich für mich direkt von Anfang an gewe-sen, dass man rausgehen kann, dass man nicht in einem Raum sitzt, […] Und dass es viel leichter ist […] wenn man neben jemandem geht. Also nicht ständig im Blickkontakt ist, […] nebeneinander einfach in die gleiche Rich-tung guckt. […] durch das sich bewegen können ist es wirklich, als käme das anders in Gang im wahrsten Sinne des Wortes.“ (C, 412f.)

Die von den Befragten beschriebenen Methoden und Herangehensweisen decken

sich vielfach mit den in dieser Arbeit vorgestellten Verfahren der Naturtherapie

(vgl. 3.2). Dieser kurze Überblick der erfahrenen Interventionen dient dem Sicher-

stellen einer Vergleichbarkeit der von den Probanden wahrgenommenen Wirkung

(siehe 6.3.3.2) und der Wirkungsweise, wie sie in der Theorie (vgl. Kapitel 3) be-

schrieben wurde.

6.3.3.2 Art der Wirkung

In dieser Kategorie werden Aussagen zu der empfundenen Art der Wirkung der

Natur und der Naturtherapie zusammengefasst und interpretiert. Ein Befragter äu-

ßert sein Erstaunen über die Wirkung mit folgenden Worten:

„[…] das kommt so unspektakulär daher, geh mal raus in die Natur und ge-nieße den Frühling oder so. Toll, einen Spaziergang kann ich selber machen. Aber in der richtigen Verfassung, also das hat was an Wirkung, ja, also die hat mich doch wirklich von den Socken gehauen.“ (B, 121f.)

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Generell empfanden alle Probanden die Verbindung zur Natur als außergewöhn-

lich heilsam:

„[…] wo es […] um die Rückverbindung zur Natur geht, dass das sehr, sehr heilsam ist und dass dadurch Wunden heilen dürfen und dadurch so ein in-nerer Friede entstehen kann.“ (A, 642f.)

Die Art, durch die Prozesse und Veränderungen sich vollziehen konnten und eine

Öffnung ermöglichte, beschreiben Probanden damit, dass die Natur „[…] einen in-

neren Zugang zu mir selbst öffnet.“ (B, 33f.); „[…] in dem Moment, wo Du den

Kontakt aufnimmst, öffnen sich Kanäle.“ (D, 425f.)

Ein wichtiger Aspekt, den alle Probanden als besonders wohltuend und för-

derlich für die persönlichen Prozesse und Entwicklung empfanden, war die bedin-

gungslose Akzeptanz und Wertfreiheit. Das Gefühl, so sein zu können wie und wer

man gerade ist, ohne irgendetwas leisten, darstellen oder gar erwidern zu müssen

empfanden für die Probanden als befreiend.

„[…] wenn ich in die Natur gehe, […] dann weiß ich, dass ich grundsätzlich aussprechen darf, was ich aussprechen möchte. […] Sie wird mir nie ins Wort fallen, mich nie unterbrechen und sie wird auch nie bewerten oder be- oder gar verurteilen […] ich kann einfach […] wie ich bin, was ich mitbringe, mit all meinen Fehlern und mit all meinen Stärken kann ich dahin kommen […] ich kann mich einfach öffnen, ohne Angst vor einer Verletzung zu haben oder ja, auch ohne Angst vor einer Bewertung zu haben.“ (A, 215f.)

Insbesondere auch in Bezug zu der Auseinandersetzung mit den eigenen Schat-

tenseiten spielte die Akzeptanz eine entscheidende Rolle für die Probanden, wenn

man „[…] dann in die Natur geht und feststellt, die Natur wertet nicht. Das mildert

das Ganze wahnsinnig ab.“ (B, 536f.) Es ermöglichte den Probanden, mehr in

Kontakt mit den „eigenen dunklen Seiten“ (B, 542) zu kommen, sie akzeptieren

und integrieren zu können. Die Natur spiegelt die Kreisläufe des Lebens mit all ih-

ren Facetten wider und dazu gehört eben auch „[…] das Hässliche, das Vermoder-

te und dieses Sterben vor allem, was dazu gehört, dass wieder was Neues wach-

sen kann.“ (B, 544f.) Alle Seiten haben ihren Platz im Kreislauf des Lebens und

die Spiegelung in der Natur half den Probanden, all ihre Anteile anzuerkennen und

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zu verstehen „[…] das gehört auch zu mir […] das darf integriert werden.“ (B,

559f.) Die Integration ungewollter oder abgespaltener Anteile des Selbst bewirkte

eine Art Zusammenführung: „Wieder mit mir selber eins zu werden.“ (D, 567)

Die Veränderung der Wahrnehmung des eigenen Körpers (siehe auch

6.3.2.1) wurde immer wieder erwähnt und als besonders bereichernd und positiv

empfunden. Durch den direkten Naturkontakt lernt man wieder zu spüren: den

„Boden unter den Füßen […] wenn der Wind da ist […]“ (C, 593f.); „diese Hitze

und Kälte, [die] man endlich mal spürt […]“ (D, 208). Die Körperempfindungen

stärkten die Probanden in ihrer Beziehung zu sich selbst und halfen ihnen, sich im

Hier und Jetzt zu erden.

Ein weiterer bedeutsamer Aspekt war das Vertrauen. Probanden beschrei-

ben, wie ihnen das Vertrauen, welches ihnen die Natur geschenkt hat und sie

ebenso der Natur gegenüber empfanden, geholfen hat, wieder sich selbst zu ver-

trauen und „[…] daraus die Kraft zu schöpfen.“ (D, 739f.) „[…] dieses Vertrauen,

ich kann der Welt vertrauen, die hält was für mich bereit.“ (C, 190f.) Die Möglich-

keit zu haben, dieses Vertrauen entwickeln und wahrnehmen zu können, bewirkte

eine tiefe Wandlung und eröffnete den Probanden neue Perspektiven und Wege:

„[…] es gibt halt kein Anfang und Ende, das gibt es einfach in der Natur nicht und daraus einfach so ein Vertrauen zu schöpfen. Es gibt kein Ende. Es gibt nur einfach, ja, wieder einen Neuanfang […]“ (A, 525f.).

Ist das Vertrauen zu Menschen stark verletzt, konnten die Natur und die Tiere

wunderbare Gegenüber für den therapeutischen Kontakt sein:

„Wenn Du kein Vertrauen mehr in den Menschen hast, ist es schwierig, mit Menschen […] über Deine Probleme zu reden. Dann bist Du lieber unter Tie-ren, die Dich genauso spiegeln.“ (D, 389f.)

„Das Urvertrauen ist in der Natur und bei den Tieren.“ (D, 122f.)

Der Erfahrungswert ist ebenfalls ein zentraler Aspekt bezüglich der besonderen

Wirkungsweise naturbasierter Therapien. Die Prozesse laufen nicht nur im Kopf

oder auf emotionaler Ebene ab, sondern werden erlebt, gesehen, gespürt, mit al-

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len Sinnen wahrgenommen. Dies hat bei allen Probanden sowohl Faszination als

auch einen tiefen Veränderungsprozess bewirkt.

„Das ist so Wahnsinn, also wie gesagt, man muss das erleben, dass man davon richtig überzeugt ist.“ (D, 140f.)

„Und wo ich dann in diesem Moment so das Gefühl erleben konnte, wie sich das anfühlen könnte, wenn man das Gefühl hat, […] das war für mich ir-gendwie eine wichtige Erfahrung […] und das fand ich irgendwie sehr irre, das war schon, glaube ich, kann man so sonst nicht erleben.“ (C, 184f.)

„Er [der Patient – Anm. d. Verf.] kommt in ein anderes Erleben rein und die-ses andere Erleben lässt ihn ja spüren, ich bin ja auch ganz wer anders […]“ (B, 348f.).

Die Faszination, die die Natur bei den Probanden ausgelöst hat, war ein Merkmal,

welches in den Interviews immer wieder benannt wird. Selbst kleine Erkenntnisse,

wie der Kreislauf einer „[…] Blumenzwiebel – dann vergeht die Blume und im

Frühling kommt da auf wundersame Weise wieder eine neue Blume.“ (A, 534) be-

wirkte Vertrauen in die harmonischen Kreisläufe und Zusammenhänge des Le-

bens.

„Allein diese Bilder, diese Zugvögel, wenn die in Kreisen und Figuren da oben fliegen, was für ein Vertrauen die in sich haben, was für einen Instinkt in die gleiche Richtung zu fliegen, was für ein Zusammenhalt.“ (D, 346)

Zusammenfassend wirkte die Natur und Naturtherapie auf eine tiefgehende, be-

hutsame und persönliche Art und Weise. Sie ist wertfrei, gibt Raum und Zeit, fas-

ziniert und beruhigt.

„Und die Essenz ist für mich wirklich eine nachhaltige Heilung. […] das braucht Zeit und das wächst, aber […] es ist nichts, was man einfach so wie-der verlieren kann. Es ist wirklich ganz, ganz solide. Und man kann eigentlich auch nicht umkehren, wenn man sich mal auf den Weg gemacht hat.“ (A, 657f.)

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„Das ist, als ob ich wirklich auf Null und auf Reset drücke […] So die ganzen Traumata oder die ganzen negativen Erfahrungen, die Du gemacht hast. Ein-fach dieses tiefe Luftholen und sagen, so, und jetzt noch mal auf Null und ab jetzt entscheidest Du.“ (D, 719f.)

„Die Natur ist das Leben. […] Und ich glaube, daraus tankst Du Deine Kraft. Das auch selber zu schaffen. Diesen Kontakt aufbaust, […] zu dem eigentli-chen Energiepunkt. Und das ist die Welt. Das ist die Mutter Erde.“ (D, 736f.)

6.3.4 Vergleich mit anderen Therapien

Der Vergleich mit anderen psychotherapeutischen Therapien in dieser Arbeit ist

kein repräsentativer Vergleich. Es werden ausschließlich die Erfahrungen der Be-

fragten betrachtet und miteinander verglichen. Da bisherige Therapieerfahrungen

bestimmter Schulen kein Kriterium für die Auswahl der Probanden war, fallen die-

se sehr unterschiedlich aus. Im Folgenden werden nun die wichtigsten Aspekte

zusammengefasst.

Raum und Zeit sind besondere Merkmale der Naturtherapie. Eine der Be-

fragten, die vor der Naturtherapie verschiedene kassenärztliche Therapien durch-

laufen hat, empfand den Aspekt der Zeit als einen der wichtigsten im Vergleich zu

herkömmlichen Therapien:

„[…] 45 Minuten, erster fertig, Sie müssen jetzt raus, weil der nächste steht gleich da und ist dran […] und Du bist nach 45 Minuten noch nicht mal am Anfang vom Reden gewesen. Und gehst dann raus, setzt Dich ins Auto und denkst so, ja, wo fährst Du denn jetzt hin? Gegen den Baum? Von der Brü-cke?“ (D, 91f.)

Im Gegensatz dazu wurde ihr in der Naturtherapie „die Zeit und [der] Raum gege-

ben“ (D, 389), „[…] die Türen zu öffnen, die du möchtest […]“ (D, 105) um dann

am Ende mit Gefühl zu gehen, für heute fertig zu sein: „Du bist wirklich frei, erst

mal bist Du kaputt wie hulle, nach 1,5 Stunden hast Du selber gemerkt, Dein

Thema ist fertig.“ (D, 103f.)

Ebenso spielte die Ganzheitlichkeit der naturbasierten Therapien, „[…] das

Ansprechen der ganzen Bereiche […]“ (B, 284) eine wesentliche Rolle:

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„Ja, das sind so Aspekte, die hatte ich so bei den anderen Therapien nicht. Also ich habe schon das Gefühl, das ist noch mal ganzheitlicher irgendwie, also bringt noch mehr Aspekte mit rein und spricht mich auf einer anderen Ebene auch noch mal an.“ (A, 340f.)

Im Vergleich zur Erfahrung einer kognitiven Verhaltenstherapie bemerkte ein Be-

fragter „[…] die überraschende Tiefe […]“ (B,282) der Naturtherapie.

Eine Frau der interviewten Probanden litt nach mehrfacher Traumatisierung

in ihrer Kindheit (D, 528) und durch ihren Beruf als Soldatin unter Posttraumati-

scher Belastungsstörung (PTBS). Für sie war die von Ärzten verschriebene „Kas-

sentherapie“ (D, 368) besonders problematisch, „[…] weil direkt Medikamente ver-

schrieben worden sind, die ich gar nicht einnehmen wollte.“ (D, 9f.) Auch die ers-

ten Sitzungen stellten sie vor eine schwer zu bewältigende Aufgabe:

„[…] und habe nach dem ersten Termin 20, 30 Seiten Papier mitgekriegt, nach dem Motto, füllen Sie mal aus. Schreiben Sie mal Ihre Lebensgeschich-te auf. […] aber wenn Du mehrfach traumatisiert bist durch Kindheit etc., dein ganzes Leben aufschreiben sollst und dann unbeobachtet zu Hause bist und gar nicht weißt, ob du überhaupt noch vor die Tür gehen möchtest danach, weil eigentlich die Hoffnung dann total weg ist, dass dir überhaupt jemand helfen kann. Fand ich unverantwortlich damals.“ (D, 107f.)

Im Gegensatz dazu empfand die Probandin eine tiefe Erleichterung in der Natur-

therapie erst mal nur ankommen zu dürfen und sich langsam, im eigenen Tempo

öffnen zu können.

„Und bei Kati [Name geändert – Anm. d. Verf.] bist Du hin und erst mal hast Du monatelang gar nicht geredet. Das war so angenehm, dass Dich keiner gezwungen hat zu reden. Dieses Vertrauen erst mal aufbauen. Und dann hat sie eine Tür nach der anderen aufgemacht. Aber auch nur die, die Du möchtest.“ (D, 114f.)

Ein besonderes Merkmal der Natur ist, „[…] sie ist halt einfach da.“ (A, 219) Man

ist „immer willkommen. Und es gibt keine Zeit, wo ich ungelegen kommen kann.

[…] es gibt keine Warteliste […] zu jeder Tages- und Nachtzeit.“ (A, 239f.) Eine

Probandin beschreibt, auch nach Ende der eigentlichen Therapie „[…] habe ich

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die Möglichkeit, mich einfach zu den Pferden zu stellen […]“ (D, 148f.). Im Gegen-

satz dazu hat sie bei herkömmlichen Therapien die Erfahrung gemacht nach Ab-

lauf der vorgegebenen Stunden nicht mehr willkommen zu sein: „[…] da sind die

25 oder 50 Sitzungen, hier mach, bezahlt und auf Wiedersehen, auf Nimmerwie-

dersehen.“ (D, 170)

Für eine der befragten Frauen war das Thema Grenzen von wichtiger Be-

deutung. Sie empfand dies in einer vorherigen Gesprächstherapie als problema-

tisch, fühlte sich einerseits eingeengt im Raum: „[…] ein Raum [ist] halt auch

schnell zu eng […] in so einer intimen Situation und das ist draußen nicht.“ (C,

424f.), aber auch unter Druck gesetzt, bestimmte Erwartungen erfüllen zu müssen:

„[…] und wo die Therapeutin dann auch sagte, das musst du aber fühlen.“ (C,

302f.) Weiterhin fühlte sie sich in ihren Grenzen verletzt, als die Therapeutin sie

„[…] dann direkt umarmt hat zur Begrüßung und das kommt mir alles viel zu nah

[…] das war zu viel.“ (C, 309f.) An dieser Stelle stellt sich weniger die Frage eines

Unterschiedes zwischen den Therapiemethoden, sondern viel mehr zwischen den

Therapeuten und deren Grundhaltung. Die Probandin beschreibt weiter, wie sie

sich im Gegensatz dazu in der Natur und naturbasierten Therapie gefühlt hat:

„[…] da habe ich halt das Gefühl, dass ich Grenzen selber bestimmen kann […] wenn ich jetzt an einem Baum sitzen möchte, kann ich selber wählen, wie nah möchte ich an dem Baum sitzen. […] Vögel, Rehe, das alles kommt mir nicht zu nahe, das bleibt ja auf Abstand. Da weiß ich dann, also da ist das Thema Grenzen gar kein Thema, ich weiß, die wer-den bewahrt.“ (C, 316f)

Zusammenfassend werden Bedürfnisse nach Tiefe, Zeit und Raum deutlich, wel-

che die Natur (-therapie), zumindest für die in dieser Studie befragten Probanden,

erfüllen konnte. Im Vergleich dazu waren es diese Merkmale, die häufig als zu

kurz kommend in anderen Therapien empfunden wurden. Ebenso wurden die

Ganzheitlichkeit sowie die verschiedenen Ebenen und Aspekte der naturbasierten

Therapien als sehr bereichernd empfunden. Auch der Wunsch nach nachhaltiger,

tiefgehender Heilung äußerte sich, reine Funktionalität stand nicht im Vordergrund.

„Natürlich weiß ich, wie ich mir zu helfen habe in Triggersituationen, aber deswegen bin ich ja nicht gesund.“ (D. 578f.)

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Kritik gegenüber der Naturtherapie wird kaum geäußert, dies muss jedoch im Zu-

sammenhang mit der Tatsache gesehen werden, dass Probanden ausgewählt

wurden, die positive Erfahrungen mit dieser Art von Therapie gemacht haben. Eine

der Befragten äußert jedoch Zweifel, ob eine Naturtherapie allein reicht oder mit

anderen Therapieelementen „[…] sinnvoll ergänzt […]“ (C, 612) werden sollte.

Weiterhin kam bei zwei Probanden die Frage auf, „ob das was für jeden ist

[…]“ (C, 47). Naturtherapie erfordert eine gewisse Grundhaltung, man „muss offen

sein ein Stück […] ein bisschen weich sein, […] nach innen spüren können

[…]“ (B, 54f.). Inwiefern die Naturtherapie bestimmte Voraussetzungen erfordert

oder eine bestimmte Klientel anspricht wird in der Diskussion (Kapitel 7) näher be-

trachtet.

6.3.5 Spiritualität

Auffallend in Bezug auf Fragen zur Spiritualität war, dass die Probanden zunächst

Schwierigkeiten hatten, diesen Begriff für sich zu definieren „[…] weil ich ehrlich

gesagt gar nicht so genau weiß, was ich unter Spiritualität verstehe“ (A, 475). Je-

doch beschrieben alle spontan spirituelle, den höheren Geist betreffende Erfah-

rungen.

„[…] ich habe dann einfach mal so die Pflanze halt, ich mache das alles im Stillen dann, begrüßt und Zwiesprache gehalten und einfach mal geguckt, kriege ich irgendwie ein Wort oder ein Bild oder irgendwas. Und dann habe ich irgendwie die Worte gekriegt, ich bin die Spirale. Ich habe gesagt, okay, ich bin die Spirale. So, und dann wollte ich mich eigentlich bedanken für das Gespräch irgendwann und dann habe ich ein Bild gekriegt und das war wirk-lich, ja, es hat mich unglaublich tief berührt […]“ (A, 561f.).

Weiterhin grenzten sich die Probanden relativ deutlich von der Kirche oder Religi-

on ab: „Also ich habe mit der Kirche nicht viel am Hut“ (A, 115f.); „Ich meine damit

nicht Religion, ich meine damit nicht Kirche und ich meine damit nicht Konzept und

ich meine damit nicht Lehre und Dogma.“ (B, 186f.)

Ebenso verwendeten Probanden ein bestimmtes Vokabular, wenn sie von

spirituellen oder schwer zu erklärenden Phänomenen erzählten und benutzten

Ausdrücke wie „ganz komisch“, „spooky“ (D, 465 & 488), „phänomenal“, „nicht ein-

fach zu erklären“ (B, 591) oder „verblüffend“ (C, 492).

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Spiritualität wurde meist mit einer Art Verbindung erklärt: „[…] ich [würde] jetzt

ganz intuitiv sagen, Spiritualität ist für mich ein Stück weit auch wieder Zugehörig-

keit.“ (A, 480f.); „[…] eine Form von Verbindung und Anbindung mit etwas höhe-

rem oder einem höheren Wesen […]“ (B, 194f.).

Ein weiterer Punkt, der mehrmals genannt wurde, war die Erfahrungsquali-

tät der Spiritualität – man kann es nicht begreifen: „Das muss man wirklich erle-

ben.“ (D, 516) Es sind Erfahrungen, die tiefes Wissen mit sich bringen. Eine „[…]

Dimensionserweiterung. Dabei geht ein Raum auf […] es ist eine Form von Ergrif-

fenheit und von Sinnhaftigkeit.“ (B, 198)

Weiterhin wurde das Phänomen beschrieben, „[…] dass das eine ganz an-

dere Welt ist“ (D,591f.). Es ist „wie man vielleicht als Kind spielt“ (C,183), das

plötzlich andere Dinge sieht, erlebt und empfindet, „jenseits der materiellen

Welt.“ (B, 198)

Auch hier berichten die Probanden von dem Empfinden eines tiefen Ver-

trauens in den Lauf der Dinge: „Ich denke, das kommt von ganz alleine […] das

öffnet sich von alleine. Wenn die Zeit dran ist.“ (D, 669&671) „[…] es funktioniert

irgendwie und ich gehe da raus und habe nichts geplant und es passieren einfach

Dinge, die ich nicht geplant habe.“ (B,587f.)

6.3.6 Einheitsbewusstsein

Alle vier Probanden berichten von Erfahrungen, die ihnen das Gefühl der Allein-

heit, der Zugehörigkeit zu etwas größerem Ganzen gegeben haben:

„Und dann habe ich wirklich gesehen, wie alles, was auf diesem Erdball ist, zu diesem Erdmittelpunkt geht, wirklich zu diesem winzig kleinen Punkt ganz in der Mitte, wo sich alles trifft und das war ein unglaubliches Erlebnis. […] wie so eine Welle ist das über mir zusammengebrochen […] das ist alles eins, wir sind alle verbunden, wir sind alle aus dem gleichen Ursprung ge-kommen und das ist, ja, also das ist was unglaublich Tröstliches und Heilsa-mes.“ (A, 569f.)

„[…] die Verbindung mit der Natur […] die mich vom Wesenskern her wieder anschließt an was Größeres, was die Natur als Ganzes ist, aber auch etwas, was darüber hinausgeht.“ (B, 180f.) „[…] wenn ich mich da verbinde, dann

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fühle ich mich anders, dann bin ich auch anders. […] Das macht mich in dem Sinne dann vollständiger.“ (B, 258)

„Aber du bist, ich weiß nicht, als ob du eins mit der Erde bist. Und die Erde ist rein. Die Erde ist unberührt.“ (D, 718f.)

Die Erkenntnis, dass „die Dinge kommen, wie sie passen“ (C, 490) erklärt sich

eine Probandin damit, dass „tief in [ihr] drin oder in uns drin mit irgendwas in der

Natur verbunden ist […]“ (C, 493f.). Auf die Frage, wie es wäre, immer und überall

diese Verbindung zur Natur und zur Erde zu spüren antwortet sie spontan:

„Das wäre super. Ich glaube, dann hätte ich wahrscheinlich kaum noch oder gar keine Angst vor irgendwelchen Dingen, dann würde ich mich wahrschein-lich sicher fühlen, da wo ich bin. Ich hätte einen guten Selbstwert, all die Din-ge, die man halt haben möchte. Ausgeglichen, ich glaube das Wichtigste wäre halt, dass ich mich dann sicher fühlen würde. Beschützt […]“ (C, 531f.).

Die Aussagen der Probanden verdeutlichen: Besondere, tiefgehende Erfahrungen

erwecken das Empfinden einer tiefen Verbundenheit und das Bewusstsein über

die Einheit allen Seins. Diese Wahrnehmung eines großen Ganzen findet sich in

der Menschheitsgeschichte immer wieder (vgl. 2.1). Weiterhin ist die Wirkung der

Wahrnehmung dieser vollkommenen Alleinheit eine heilsame Erfahrung und der

Kern der Naturtherapie (vgl. 3.2).

6.3.7 Achtsamkeit

Achtsamkeit ist definiert als eine besondere Art aufmerksam zu sein: Bewusst, ur-

teilsfrei und im gegenwärtigen Moment (Kabat-Zinn, 1994, S.4). Aussagen zur

Achtsamkeit tauchten wiederholt in allen Interviews auf. Sie spielte eine Rolle in

den besonderen Momenten, bildete die Basis vieler Veränderungen und war damit

Teil jeder bisher genannten Kategorie. Die Naturtherapie bewirkte bei allen Pro-

banden eine deutlich erhöhte Achtsamkeit und Wahrnehmungsfähigkeit.

„[…] diese ganze Achtsamkeit, die man dort lernt, achtsam mit Dir selber zu sein, zu spüren […]“ (D, 313f.).

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In Bezug auf Beziehungen war der Aspekt der Achtsamkeit ein besonders bedeu-

tender:

„[…] eine Art Wachsamkeit des Bewusstseins, aber Achtsamkeit hat ja auch einen Beziehungsaspekt. Das heißt, dass ich so was Fürsorgliches, dass ich was spüre, was empfinde, bin ich achtsam mit einem Menschen umgegan-gen? Dann bin ich ja nicht nur aufmerksam, sondern dann will ich ja, dass dem nichts passiert oder dann achte ich auch so ein bisschen auf den. Die-ser Beziehungsaspekt, der ist ganz wichtig.“ (B, 54f.)

„[…] ich habe schon den Eindruck, dass das oft sehr viel bewusster ist, mehr Achtsamkeit auch so im Umgang miteinander […]“ (A, 399f.).

„Dieses in Beziehung gehen, dieses achtsame in Beziehung gehen.“ (B, 585f.)

„Dass ich achtsamer mit anderen Menschen umgehe, mit mir selber umgehe, dass ich schneller mal auf den Kopfschmerz höre, viel glücklicher bin, öfters lache, anders mit Menschen umgehe, sie akzeptiere, respektiere, wie sie sind.“ (D, 354f.)

Auch im Zusammenhang mit dem Spüren des eigenen Körpers und den dadurch

gewonnenen Veränderungen spielte die Achtsamkeit eine elementare Rolle:

„Und da weißt Du wirklich Deinen Körper zu spüren, achtsamer zu sein […] Das ist ja alles, was ich jetzt irgendwie gelernt habe. Noch zusätzlich nach der Therapie. Aber das könnte ich jetzt nicht lernen, wenn ich durch die The-rapie nicht wieder gelernt hätte, mich zu spüren.“ (D, 540f.)

„Also ich habe schon vor der Therapie mich immer viel mit Achtsamkeit und Achtsamkeitsübungen beschäftigt, Meditation und so, aber habe es nie ge-schafft, so wirklich in den Körper zu kommen, wie durch Naturerleben […]“ (C, 97f.).

Die Probanden berichten, wie ihre erhöhte Achtsamkeit es ihnen ermöglicht, sich

selbst und ihre Umwelt bewusster wahrzunehmen sowie ihre Beziehung zu sich

selbst und anderen bewusster zu gestalten. Diese neu gewonnene Achtsamkeit

ermöglichte viele Veränderungen und einen besonderen Zugang zu persönlichen

Themen, zum Gegenüber und zum Selbst.

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6.3.8 Rolle des Naturtherapeuten

Ein weiterer Aspekt, der mehrfach in den geführten Interviews genannt wurde ist

die Rolle des Naturtherapeuten. Ein besonderes Merkmal war hier wieder der

Raum und die Zeit, die nicht nur von der Natur, sondern ebenso vom Therapeuten

gegeben wurden.

„Also ausschlaggebend ist wirklich die Zeit, die Du hast […] Ich hatte das Glück bei ihr, dass ich da angekommen bin, dass sie mir die Zeit und den Raum gegeben hat.“ (D, 385f.)

„Das war so eine meiner intensivsten Sitzungen mit dem Ritual, da waren wir auch, glaube ich, über zwei Stunden haben wir da gearbeitet.“ (A, 44f.)

„[…] sind wir erst mal, so fünf bis zehn Minuten bis Dorf gegangen, in Schweigen […]“ (C, 13f.).

Dazu gehörte für die Befragten auch einfach nur sein zu dürfen:

„Dementsprechend sind wir die ersten Stunden über Wochen, ich glaube, die ersten vier Wochen haben wir kaum ein Wort miteinander geredet, wir sind wirklich nur spazieren gegangen.“ (D, 36f.)

„Dann gab es auch mal eine Einheit oder einen Tag, da hatte ich irgendwie gar kein Thema, auch keinen Redebedarf, gar nichts und das war im Som-mer und dann kamen wir zum Beispiel bei einer Wiese an und haben uns in die Wiese gesetzt. Und einfach nur in der Wiese gesessen.“ (C, 28f.)

Die Akzeptanz der Therapeuten von dem was ist, wurde von allen Probanden als

sehr positiv und entlastend empfunden. Auch die besondere Atmosphäre, die der

Therapeut erschaffen konnte, faszinierte einen Befragten besonders:

„[…] dass ich dachte, wie macht er das, dass er sich in den Kreis jetzt mit Leuten [setzt], kein Ton sagt, auf einmal entsteht eine Atmosphäre, die an sich schon eine heilsame Wirkung hat.“ (B, 132f.)

Ebenso benannten die Probanden die besondere Aufmerksamkeit und Achtsam-

keit des Therapeuten im Zusammenhang mit dem was in der Beziehung zwischen

dem Klienten und der Natur entsteht.

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„Und dann der Therapeut, der einfach die Frage stellte, Dich zieht es da im-mer wieder in dieses Dickicht rein, hat das was mit deinem Leben zu tun? Mehr hat der nicht gefragt. Und auf einmal liefen die Tränen […] und auf einmal war alles so klar.“ (B, 308f.)

Für alle Probanden spielte der Therapeut eine sehr wichtige und essentielle Rolle

während ihrer Therapie. Der Therapeut begleitete den persönlichen Prozess ohne

Druck aufzubauen oder einen vorausbestimmten Plan einzuhalten. Die Probanden

beschrieben immer wieder eine offene Haltung und eine sanfte, achtsame und re-

spektvolle Art des Umgangs. Die besondere Rolle des Naturtherapeuten spielte in

dieser Studie keine vorrangige Rolle, bei näherer Betrachtung in Theorie und Pra-

xis zeigt sich jedoch die Bedeutsamkeit und Relevanz.

7 Diskussion

7.1 Zusammenfassung der Ergebnisse

Die wesentlichen Ergebnisse der qualitativen Auswertung werden nun im Zusam-

menhang mit den Fragestellungen und der in dieser Arbeit vorgestellten Theorie

dargestellt und erläutert.

Die erste Forschungsfrage untersuchte den Einfluss, den die Veränderung

der persönlichen Verbindung zur Natur auf das Leben der Probanden hatte. Die

Aussagen der Probanden bezüglich ihrer Beziehung zur Natur vor der Naturthera-

pie (6.3.1) zeigten übereinstimmend, dass eine Verbindung zur Natur auf die eine

oder andere Art schon immer existierte, insbesondere in der Kindheit. Es zeigte

sich jedoch ebenfalls, dass diese Verbindung und der Bedarf nach Natur nicht un-

bedingt bewusst war oder gelebt wurde. Mitunter rückte die Natur erst durch einen

„Zufall“ oder äußere Umstände wieder ins Bewusstsein.

Bei allen Probanden veränderte sich die Beziehung zur Natur durch die Na-

turtherapie und sie gewann für alle Befragten wieder an zentraler Bedeutung. Die

Probanden berichteten von verschiedenen Veränderungen in ihrem Leben, die

sich durch die veränderte Beziehung zur Natur entwickelten. Ein besonders wich-

tiger Aspekt für alle Befragten war dabei das wiedererlangte Spüren und Wahr-

nehmen des eigenen Körpers. Dies lässt sich durch die Theorien bezüglich der

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Wirkung der Natur erklären. Wie in Kapitel 3.1 beschrieben, signalisiert die Natur

dem Körper Entspannung und ein Gefühl von Sicherheit, sofern sie als nicht be-

drohlich empfunden wird. Weiterhin beinhalten verschiedene Naturtherapien (vgl.

3.2) Aspekte der Körpertherapie bzw. körperliche Bewegung. Diese Kombination

gibt Körper und Geist die Möglichkeit, sich wieder zu verbinden. Zu bemerken ist

an dieser Stelle, dass obwohl eine Probandin die Natur als bedrohlich empfunden

hat, sie trotzdem durch eine bewusste, achtsame Begegnung mit ihr und in Beglei-

tung einer Therapeutin, diese Art von Entspannung erfahren konnte. Das durch die

Natur wiedererlangte Gefühl der Lebendigkeit, wie es von einer anderen Proban-

din beschrieben wurde, findet sich auch in der Literatur vielfach wieder. Chalquist

(2009) beispielsweise beschreibt das Phänomen innerer Lebendigkeit (vgl. 2.2) als

ein Attribut, welches immer wieder in den Ergebnissen empirischer Forschung zu

finden ist.

Weitere nachhaltige Veränderungen im Leben der befragten Personen fan-

den bezüglich ihres Bewusstseins statt. Die Probanden berichteten von mehr

Achtsamkeit und einem erhöhten Bewusstsein in Alltags-Situationen, welches

mehr Akzeptanz und Gelassenheit für Prozesse des Lebens mit sich brachte. Die-

ses neue oder wiedergewonnene Vertrauen in den Lauf der Dinge wird auch von

Kelly (2016) beschrieben. Das Erkennen und die Akzeptanz der Kreisläufe und der

rhythmischen Prozesse des (natürlichen) Lebens ließ auch die Probanden ein tie-

feres Vertrauen in ihr Leben und die Geschehnisse des Alltags aufbauen (vgl.

3.2.2).

In Bezug auf Veränderungen in persönlichen Beziehungen zeigte sich vor

allem ein bewussterer Umgang und eine erhöhte Akzeptanz. Wie in Kapitel 3.2.2

beschrieben ist die Akzeptanz ein Merkmal in der Beziehung mit der Natur. Die

Natur stellt keine Forderungen und erwartet keine Gegenleistung. Dieses Erleben,

selbst bedingungslos akzeptiert zu werden, scheint sich auf die persönlichen Be-

ziehungen zu übertragen. Die Probanden berichteten von einem bewussteren

Umgang mit ihrem Gegenüber und einer erhöhten Bereitschaft selbst die Verant-

wortung für ihr Leben zu übernehmen, statt andere dafür verantwortlich zu ma-

chen. Auch das Bedürfnis nach tiefgründigen Beziehungen wurde sehr deutlich.

Eine Probandin, welche in ihrer Therapie auch mit Tieren gearbeitet hat, berichtete

wie sie körperliche Nähe wieder zulassen, sogar genießen kann. Besondere Ele-

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mente in der tiergestützten Therapie sind die Wärme und emotionale Nähe durch

das Tier (vgl. 3.2). Eine Übertragung der positiven Erfahrungen, die sie in der Be-

ziehung zu den Tieren aufbauen konnte, auf die persönlichen Beziehungen zu ih-

ren Mitmenschen liegt hier nahe.

Betrachtet man die Aussagen zum persönlichen Lebenssinn wird deutlich,

wie sich dieser „vereinfacht“ hat. Die Probanden sehen ihr Leben heute als ein

Geschenk und als einen Prozess an, in dem sich stets alles wandelt und von allein

zusammenfügt. Das Leben selbst ist in sich sinnhaft und die Sinnfrage wird täglich

neu gelebt und beantwortet. Sahlin (2016) beschreibt wie die Erfahrungen in der

Natur die Augen öffnen und einen positiven Einfluss auf das Entdecken des Sinns

im eigenen Leben haben können (vgl. 3.2.2). Das Vertrauen in das Leben selbst

und die Akzeptanz des Laufs der Dinge sind fundamentale Elemente für Heilung,

ein gesundes Leben und das Erkennen des persönlichen Sinns (vgl. 3.2.2). Die

Ergebnisse der Interviews unterstützen diese Theorie und zeigen, inwiefern die

Erfahrungen in der Natur (-therapie) Veränderungen auf tiefer Ebene und eine

Sinnhaftigkeit des eigenen Lebens hervorrufen konnten. Selbst die vor der Thera-

pie tief empfundene Sinnlosigkeit zweier Probanden konnte sich in Gefühle der

Dankbarkeit und Zufriedenheit wandeln.

Zusammenfassend zeigten sich die Veränderungen im Leben der Proban-

den insbesondere in einem bewussteren Körpergefühl, erhöhter Qualität und

Achtsamkeit in Beziehungen, mehr Akzeptanz und Vertrauen in die Prozesse des

Lebens sowie der Entwicklung eines affirmativen Lebenssinns.

Die zweite Forschungsfrage dieser Studie befasste sich mit den besonde-

ren Prozessen und Vorgängen, die durch die Verbindung mit der Natur stattfanden

und als heilend für die psychische Gesundheit empfunden wurden. Zur Beantwor-

tung dieser Frage wurden Aussagen bezüglich der Methoden sowie der Art der

Wirkung analysiert. Weiterhin wurden Erfahrungen mit anderen, herkömmlichen

Therapien untersucht. Im Laufe der Analyse der Interviews ergaben sich zwei wei-

tere Merkmale bezüglich der Wirkungsweise der Naturtherapie. Achtsamkeit sowie

die Rolle des Naturtherapeuten stellten zwei weitere Aspekte dar, die zur Beant-

wortung dieser Forschungsfrage ausgewertet wurden.

Die von den Befragten beschriebenen Methoden, der von ihnen erfahrenen

Naturtherapien oder Interventionen, deckten sich vielfach mit den in der Theorie

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vorgestellten Ansätzen der Naturtherapie (vgl. 3.2). Besonders häufig beschrieben

Probanden die Aufgabe, mit einer offenen Haltung oder einer bestimmten Thema-

tik in den Wald zu gehen und zu schauen, was ihnen begegnet. Die Befragten be-

richteten, wie die Natur ihre innere Haltung widerspiegelte und sie Symbolen und

Metaphern begegneten, die ihnen den Zugang zu ihrem Unbewussten erleichter-

ten und Klarheit in schwierige Prozesse brachte. Die Arbeit mit Projektionen (vgl.

3.2.2) und das Wiedererkennen des Selbst in der Natur sind Kernmethoden der

Naturtherapie. Einblicke und Einsichten in noch undurchsichtige Prozesse und

schwierige Problematiken werden dadurch vereinfacht und bewusster.

Weiterhin wurden immer wieder Meditations-, Achtsamkeits- und Wahr-

nehmungsübungen beschrieben. Die veränderte innere Haltung ermöglichte den

Befragten, sich selbst und ihre Umwelt bewusster wahrzunehmen sowie ihre Be-

ziehung zu sich selbst und anderen bewusster zu gestalten. Diese neu gewonne-

ne Achtsamkeit ermöglichte viele Veränderungen und einen besonderen Zugang

zu persönlichen Themen, zum Gegenüber und zu ihrem inneren Wesen. Wolsko

und Lindberg (2013) sehen in ihrer Studie einen klaren Zusammenhang zwischen

Achtsamkeit und Naturerfahrungen, umfassende Studien zu dieser Beziehung gibt

es jedoch kaum. Huppertz und Schatanek (2015) beschreiben diese Verbindung

und Wechselbeziehung mit folgenden Worten:

„Je mehr wir die Natur auf uns wirken lassen, umso achtsamer werden wir. Aber je achtsamer wir uns in der Natur bewegen, umso differenzierter wer-den wir sie auch wahrnehmen.“ (S.11)

Um die Natur und ihre Wirkung wahrnehmen und aufnehmen zu können benötigt

es also eine achtsame Grundhaltung. Gleichzeitig entwickelt sich Achtsamkeit

durch Naturerfahrungen, wie es auch von den Befragten dieser Studie berichtet

wurde. Neben dieser Wechselwirkung besteht ein weiterer Zusammenhang in der

Wirkung. Innere Ruhe, Gelassenheit, Klarheit sowie ein erhöhtes Bewusstsein für

Körper und Geist sind Merkmale, die durch das Praktizieren von Achtsamkeit so-

wie durch Naturerfahrungen gleichermaßen entwickelt werden können (Müller,

o.J.; Huppertz & Schatanek, 2015).

Eine weitere Besonderheit in vielen Ansätzen der Naturtherapie ist das The-

rapiegespräch im Gehen. Die Probanden beschreiben, wie sie einerseits die Be-

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wegung, aber auch das nebeneinander hergehen als erleichternd empfanden. Den

Aspekt des nebeneinander Gehens beschreibt auch Jordan (2015) als eine für vie-

le Klienten angenehme und vorteilhafte Art des Kontaktes. Vielen Patienten ist der

direkte Blickkontakt zu intensiv und zu nah. Die neutralere und offenere Atmo-

sphäre draußen in der Natur ist dadurch für viele Patienten erleichternd und ver-

einfacht es ihnen sich zu öffnen (vgl. 3.2.2).

Besonders betont wurde auch die hohe Individualität der Interventionen.

Die Probanden berichteten, wie wandelbar und vielfältig die Therapiestunden wa-

ren, keine Stunde oder Therapie gleicht damit der anderen. Im Mittelpunkt stand

immer die Person als Ganzes: Wesentlich war nicht die Symptombehandlung oder

das Anwenden bestimmter Techniken, sondern das innere Wesen des Menschen.

Auf besondere Art erschafft sich der Patient in seiner Beziehung zur Natur und mit

Unterstützung des Therapeuten dadurch seine eigene persönliche Therapie. Die

Ganzheitlichkeit und die Tiefe der Wirkung wurden in diesem Zusammenhang als

weitere wichtige Merkmale der Wirkungsweise der Natur (-therapie) genannt,

ebenso wie die bedingungslose Akzeptanz der Natur. Sie erleichterte es den Be-

fragten, sich zu öffnen und auf den therapeutischen Prozess einzulassen. Auch

die Auseinandersetzung mit den Schattenseiten wurde dadurch erleichtert und

ermöglichte tiefe Transformationen. Durch die Gewissheit, sich zeigen und sein zu

können wie man ist, ohne Angst zu haben bewertet oder verurteilt zu werden,

konnten sich die Befragten dem Therapeuten gegenüber sowie sich selbst schnel-

ler und problemloser öffnen. Dies erleichterte den Zugang und die Bearbeitung

von Kernthemen und Problematiken. Der Erfahrungswert der Naturtherapie ist ein

weiterer wichtiger Aspekt, den die Probanden als besonders hilfreich empfanden.

Das Besprechen von Themen und das Erlangen von Erkenntnissen fand nicht nur

auf kognitiver Ebene statt, sondern erreichte durch das Erleben alle Ebenen und

wirkte dadurch in allen Dimensionen. Das Ergebnis war eine tiefgehende und

nachhaltige Heilung, die mit allen Sinnen und auf allen Bewusstseinsebenen er-

fahren wurde. Diese Art und Tiefe der Wirkung löste häufig Faszination bei den

Befragten aus. Diese Faszination wurde nicht nur in Bezug auf die Auswirkungen

der Therapie, sondern gleichermaßen auf das Wunder der Natur benannt. Wie be-

reits in der Theorie erläutert (vgl. 3.1) bewirkte die Faszination und das Wundern

und Staunen über die vollendeten Prozesse des Lebens auch bei den Probanden

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eine besondere Verbindung und Offenheit gegenüber der Natur, die den Befragten

ein tiefes Vertrauen schenkte.

In anderen von den Probanden erfahrenen, nicht naturbasierten, Therapien

wurden vor allem Defizite in Raum und Zeit benannt. Zu kleine Therapiezimmer

wirkten auf manche der Befragten einengend und bedrohlich, ebenso wie der di-

rekte Blickkontakt oder zu viel Nähe zum Therapeuten auf kleinem Raum. Auch

spielte die Zeit eine wichtige Rolle, welche den Probanden in der Naturtherapie

vermehrt, aber vor allem in der Natur selbst unbegrenzt zur Verfügung stand. Die

Natur bot den Befragten den Raum, den sie brauchten und war bzw. ist nach wie

vor, auch außerhalb des therapeutischen Settings, immer da und erreichbar. Ein

weiterer Aspekt, der in einem Interview aufkam, war das Thema Grenzen. Morton

(2007) beschreibt die Realität als ein Netz unendlicher Interdependenzen, in der

Grenzen gar nicht existieren (vgl. 3.2.1). Die Probandin wiederum beschrieb, wie

problematisch es für sie war, ihre eigenen Grenzen zu spüren und einzuhalten, in

der Natur jedoch gelang ihr dies nicht nur, die Problematik existierte gar nicht

mehr. Diese Verknüpfung soll an dieser Stelle nur einen Denkanstoß geben und

würde einen weiteren interessanten Forschungsgegenstand darstellen. Im Allge-

meinen wurden Bedürfnisse nach Tiefe, Zeit und Raum in der Therapie deutlich.

Diese konnten, für die in dieser Studie befragten Probanden, durch die Natur (-

therapie), jedoch nicht durch bisherige Therapien, erfüllt werden.

Die besondere Rolle des Naturtherapeuten spielte in dieser Studie zu-

nächst keine vorrangige Rolle. Probanden erwähnten jedoch einheitlich die essen-

tielle Bedeutung des Therapeuten und wie er durch eine offene innere Haltung

sowie eine sanfte, achtsame und respektvolle Art des Umgangs den persönlichen

Prozess begleitete. Ohne Druck aufzubauen oder einen vorausbestimmten Plan

einzuhalten gaben Therapeuten, ähnlich wie die Natur selbst, ihren Klienten Zeit

und Raum sowie die Möglichkeit ihre eigenen Prozesse zu erkennen und begleitet

zu durchleben.

Zusammenfassend, in Bezug zur zweiten Forschungsfrage, empfanden die

Probanden die Natur (-therapie) als überaus heilsam auf vielen verschiedenen

Ebenen. Die besondere Art der heilenden Wirkung der Naturtherapie und Natur-

verbindung zeichnete vor allem durch bedingungslose Akzeptanz, Individualität

und Tiefe der „Behandlung“, den Erfahrungswert, Achtsamkeit, ausreichend Raum

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und Zeit, das Empfinden von Faszination über die Natur sowie die behutsame Be-

gleitung des Therapeuten aus.

Die dritte Forschungsfrage dieser Arbeit untersuchte die Wirkung der be-

wussten Wahrnehmung der Alleinheit der Welt. Zur Beantwortung dieser Frage

wurden Aussagen, die spirituelle Erfahrungen sowie das Einheitsbewusstsein be-

treffen, untersucht. Bezüglich der Spiritualität äußerten alle Befragten zunächst

Unsicherheit in Bezug auf die Bedeutung dieses Begriffes. Sie alle berichteten je-

doch spontan von besonderen Erlebnissen, die sie selbst als spirituell empfanden,

bzw. die ihnen das Gefühl vermittelten, spirituelle Wesen zu sein. Diese Erlebnis-

se, die die Probanden in der Natur und durch die Naturtherapie erfahren haben,

beschreibt auch Buzzell (2016). Sie schreibt, dass die Wahrnehmung von etwas

Heiligem, wie es auch die Befragten bezeichneten, im Zusammenhang mit der Na-

tur empfunden wird und ein Schlüsselfaktor für mentale Gesundheit ist (vgl. 3.2.2).

In Übereinstimmung mit dieser Theorie stellte sich bei den Probanden, unabhän-

gig vom Glauben, überraschend schnell dieses besondere Empfinden ein und er-

möglichte spirituelle Erfahrungen. Insbesondere diese Erlebnisse hatten eine tiefe

und anhaltend positive Wirkung. Probanden berichteten in diesem Zusammen-

hang wie besondere und tiefgehende Erfahrungen das Empfinden einer Verbun-

denheit und das Bewusstsein über die Einheit allen Seins in ihnen erweckten. Die

Wahrnehmung und Wirkung des großen Ganzen und der vollkommenen Alleinheit

war für die Befragten eine heilsame Erfahrung und ist der Kern der Naturtherapie

(vgl. 3.2). Die Probanden berichteten von einem besonders tiefen Vertrauen, wel-

ches sich durch das Einheitsbewusstsein einstellte. Die Gewissheit und das Emp-

finden, mit allem verbunden zu sein, löste Zuversicht und ein Gefühl der Vollstän-

digkeit aus. Durch die Wiederverbindung, beziehungsweise die bewusste Wahr-

nehmung der Verbindung zur Natur und das wiedererlangte Empfinden einer Ein-

heit mit sich und der Welt, erlangten Probanden Sinnhaftigkeit und tiefes Vertrau-

en in die Prozesse des Lebens. Durch das Gefühl, bedingungslos angenommen

und beschützt zu sein, konnte eine intensive Auseinandersetzung mit inneren Kon-

flikten und psychischen Prozessen stattfinden.

Im Folgenden wird die Bedeutung der Ergebnisse dieser Studie für die Psy-

chotherapie näher erläutert.

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7.2 Bedeutung für die Psychotherapie

Die theoretische Grundlage und die Ergebnisse der vorliegenden Studie zeigen

das Potential der Einbeziehung der Natur in therapeutische Prozesse auf. Die

heilsame Wirkung der Natur wird in der modernen Psychotherapie jedoch grund-

legend unterschätzt und unterbewertet (Capaldi, 2015). Ebenso wird die Relevanz

des Systems und die Beziehung des Menschen zum Rest der Welt meist nur ne-

bensächlich oder gar nicht beachtet (Wolsko & Lindberg, 2013). Theodore Roszak

(1992) schreibt:

„If ecopsychology has anything to add to the Socratic-Freudian project of self-knowledge, it is to remind us of what our ancestors took to be common knowledge: there is more to know about the self, or rather more self to know, than our personal history reveals.“ (S.319)

Er beschreibt damit die Notwendigkeit das größere Ganze in den Entwicklungs-

prozess des Einzelnen mit einzubeziehen.

„Making a personality, the task that Jung called „individuation“ may be the adventure of a lifetime. But the person is anchored within a greater, uni-versal identity.“ (S. 319)

Die Ökopsychologie und die naturbasierten Therapien betrachten diese größere

Identität als einen elementaren Bestandteil des Heilungsprozesses und beziehen

diesen aktiv mit ein. Das Bedürfnis des Menschen nach Natur und die tiefgehen-

de, heilende Wirkung einer persönlichen Verbindung zur Natur verdeutlichen die

Notwendigkeit, die Natur in den therapeutischen Prozess mit einzubinden. Dies

kann auf verschiedenen Wegen stattfinden und ist damit umsetzbar für nahezu

jeden.

Betrachtet man die Methoden und Wirkungsweisen der Naturtherapie fällt

auf, wie viele Bereiche und Ebenen sie ansprechen und erreichen kann. Sie kom-

biniert verschiedene therapeutische Elemente, wie beispielsweise verhaltensthe-

rapeutische, lösungsorientierte Ansätze, die vor allem Veränderungen auf kogniti-

ver Ebene bewirken, sowie tiefenpsychologische und analytische Konzepte, wie

das Arbeiten mit Projektionen und der Auseinandersetzung mit dem Unbewussten

und den eigenen Schattenseiten. Auch beinhaltet sie systemische Ansätze, in de-

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nen der Naturraum als ein lebendiges System betrachtet wird (Kreszmeier, 2012),

in dem der Mensch, wie in der Familie, seinen Platz hat. In Kombination mit scha-

manischen Ansätze in Form von Ritualen wirkt die Naturtherapie ganzheitlich und

umfassend. Die hohe Individualität der naturtherapeutischen Verfahren spielt in

diesem Zusammenhang ebenfalls eine wichtige Rolle. Dem Patienten wird eine

Vielfalt an Möglichkeiten gegeben, sich selbst zu begegnen. Sei es durch einen

einfachen Spaziergang, Aktivitäten wie dem Gärtnern oder dem Wandern, Acht-

samkeitsübungen, herausfordernde Naturrituale, wie dem Alleinsein in der Wildnis

oder einfach nur das sein in der Natur. Die Naturtherapie ist dadurch eine Thera-

pie, die eine Vielzahl an Menschen ansprechen kann. Sie kann den Patienten dort

abholen, wo er ist und mit den vielfältigen Ansätzen und Herangehensweisen auf

seinem Weg begleiten. Die Natur bietet einen Zugang, der je nach Bedürfnissen

des Klienten individuell gestaltet werden kann. Naturtherapeutische Ansätze kön-

nen somit auch eine sinnvolle und bereichernde Ergänzung zu anderen klassi-

schen Therapieformen darstellen. Die Herausforderung dabei ist, das passende

Maß zu finden, dem Klienten Freiraum zu geben, seinen eigenen Prozess zu ge-

stalten und selbst tiefes Vertrauen in die Natur mit ihren natürlichen Kreisläufen,

Wundern und Überraschungen zu entwickeln.

Die Bedeutung der Natur für die Psychotherapie ist keine geringe und ver-

dient es zweifellos verstärkt wahrgenommen und näher erforscht zu werden. Die

zahlreichen positiven Effekte der naturbasierten Therapien für den Einzelnen spie-

len dabei ebenso eine wichtige Rolle, wie die weitreichenden Konsequenzen einer

positiven, achtsamen und respektvollen Wechselbeziehung zwischen Mensch und

nicht-menschlicher Natur. Die Natur und ihre Bedeutung für den Menschen sollte

daher stärker in den Blickwinkel der Psychologie rücken und stellt einen wichtigen

Bestandteil einer ganzheitlichen Heilung dar.

7.3 Kritik und Ausblick

Die vorliegende empirische Arbeit beschäftigte sich mit der Heilwirkung einer tie-

fen Naturverbindung. Zur näheren Erforschung der Thematik wurden vier Exper-

teninterviews durchgeführt und qualitativ ausgewertet. Kritik an der qualitativen

Forschung bezieht sich insbesondere auf mangelnde Objektivität, Reliabilität und

Validität. Aufgrund des dynamischen und komplexen Forschungsprozesses wer-

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den diese Gütekriterien nur teilweise erfüllt. Der besonders kritisierte Aspekt der

Subjektivität wird in der qualitativen Forschung jedoch nicht als Defizit bewertet,

sondern für Verstehensprozesse genutzt und aus diesem Grund befürwortet

(Mruck, 2000). Die weiteren Kritikpunkte der fehlenden Reliabilität (Zuverlässigkeit

der Messmethode), welche durch die besondere Erhebungssituation des Inter-

views nicht gegeben ist; sowie die Validität (Gültigkeit), welche sich ausschließlich

auf die Gültigkeit der Interpretationen des Forschers bezieht (Mayring, 2002;

Mruck, 2000) müssen bei der Reflexion der Ergebnisse dieser qualitativen Studie

berücksichtigt werden.

Für eine weitere Auseinandersetzung und vertiefende Forschung sollten

weitere qualitative Studien in Verbindung mit quantitativer Forschung in Betracht

gezogen werden. Forschungsthemen, die im Laufe dieser Arbeit aufkamen umfas-

sen zum Beispiel die genauere Erforschung der Rolle des Naturtherapeuten, so-

wie seine Grundhaltung und Arbeitsweise. Dies könnte auch im Vergleich zu The-

rapeuten anderer Schulen einen interessanten Forschungsgegenstand ergeben.

Ebenso zeigte sich eine besondere Verbindung zwischen der Natur, bzw. Aufent-

halten in der Natur und Achtsamkeit. Inwiefern dieser Zusammenhang besteht und

welche Bedeutung er hat, wäre ein weiteres aufschlussreiches Forschungsfeld. In

Bezug dazu wäre ebenfalls eine genauere Erforschung von Gemeinsamkeiten der

Wirkung einer tiefen Naturverbindung und der Meditation eine interessante Frage-

stellung. Insbesondere qualitative Studien eignen sich bei diesem erst seit kurzem

erforschten Feld und bieten die Möglichkeit, einen tiefen Einblick in die Thematik

zu erlangen. Durch die offene Herangehensweise können zunächst unbekannte

Zusammenhänge entdeckt und näher analysiert werden. Quantitative Studien er-

geben anschließend eine sinnvolle Ergänzung und bieten die Möglichkeit objekti-

ve, breiter angelegte Studien durchzuführen.

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8 Fazit

Die vorliegende Studie untersuchte die heilende Wirkung einer tiefen Naturverbin-

dung und setzte sich mit der Bedeutung der Natur für das psychische Wohlbefin-

den des Menschen auseinander. Nach einer thematischen Einleitung und dem ak-

tuellen Forschungsstand wurden verschiedene Theorien zur Heilwirkung der Natur

vorgestellt. Anschließend wurden einige Ansätze und Methoden der Naturtherapie

sowie die Bedeutung und Wirkung einer tiefen Naturverbindung näher erläutert.

Vier Experteninterviews wurden nach den deduktiven Kategorien Beziehung zur

Natur vor der Naturtherapie, Veränderungen, Wirkungsweise, Vergleich mit ande-

ren Therapien, Spiritualität und Einheitsbewusstsein sowie den induktiven Katego-

rien Achtsamkeit und Rolle des Therapeuten ausgewertet.

Wie der aktuelle Forschungsstand zeigt, gibt es zahlreiche Studien, die den

Zusammenhang zwischen Naturerfahrungen und psychischer Gesundheit sowie

Genesung belegen. Auch die Ergebnisse der vorliegenden empirischen Studie

deuten darauf hin, dass eine Verbindung zur Natur eine Besserung oder Heilung

psychischer Probleme bewirken kann. Die Methoden der Naturtherapie sowie der

Naturtherapeut helfen, die ursprüngliche Beziehung des Menschen zur Natur wie-

der ins Bewusstsein zu rufen. Besondere Merkmale der Natur, die sich in den Er-

gebnissen dieser Studie als besonders heilsam erwiesen haben, sind ihre bedin-

gungslose Akzeptanz, die Individualität und Tiefe der Begegnung, der Erkenntnis-

gewinn durch das unmittelbare Erleben, die Unbegrenztheit von Zeit und Raum,

sowie ihre Art, Faszination und Achtsamkeit auszulösen. Durch das Wiedererfah-

ren der universellen Verbindungen und der Einheit allen Seins empfanden die für

diese Studie befragten Personen tiefes Vertrauen in das Leben mit seinen Kreis-

läufen und Prozessen. Auf dieser Basis konnten psychische Probleme und Er-

krankungen geheilt oder gelindert werden. Bedeutende Veränderungen im Leben

der Probanden zeigten sich insbesondere in einem erhöhten Bewusstsein, Ver-

trauen und Körperempfinden sowie in mehr Achtsamkeit in Bezug auf sich und

andere und in der Entwicklung eines affirmativen Lebenssinns.

Die vorgestellte Theorie sowie die Ergebnisse der empirischen Untersu-

chung dieser Arbeit verdeutlichen die Bedeutung der natürlichen Umgebung für

das menschliche Wohlbefinden sowie die Relevanz der Einbeziehung der Natur in

die Psychotherapie.

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Wir Menschen sind ein integraler Teil der Natur, tief verwurzelt und im ständigen

Austausch mit ihr lebend. Durch unsere heutige Lebensweise vergessen wir je-

doch diese heilige Beziehung und unsere ursprünglichen Instinkte. Wir leben, wie

Einstein es nannte, in einer „optischen Täuschung des Getrenntseins“ (zitiert nach

Stanley & Loy, 2015, S.46). Das Empfinden einer unmittelbaren und bedingungs-

losen Zugehörigkeit ist jedoch von großer Bedeutung für den Menschen, seine

Heilung und sein Wohlbefinden und damit elementarer Bestandteil einer ganzheit-

lichen Gesundheit. Diese Arbeit möchte einen Beitrag leisten, sich an unseren Ur-

sprung und unsere Natürlichkeit zu erinnern und diesen Anteil unseres Selbst in

die therapeutische Arbeit sowie heilende Prozesse mit einzubinden.

„Salt remnants of ancient oceans flow through our veins, ashes of expired stars rekindle in our genetic chemistry.“ (Roszak, 1992, S. 319)

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