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H. Kuhn H.-H. Küster M. Esken Die intermetatarsale Neuropathie – Civinini-Durlacher, genannt Morton Metatarsalgie * FussSprungg 1:273–282 (2003) DOI 10.1007/s10302-003-0069-x Fuß 069 Eingegangen: 28. August 2003 Akzeptiert: 25. September 2003 ** Pseudoneurom und Entrapment ** Pseudoneuroma and entrapment Dr. med. Harald Kuhn ( ) ) Prof. Dr. med. Hans.-H. Küster Orthopädische Klinik Stankt-Elisabeth-Hospital Stadtring Kattenstroth 130 33332 Gütersloh, Germany Tel.: +49-52 41 / 5 07 72 34 Fax: +49-52 41 / 5 07 72 90 E-Mail: [email protected] Dr. med. Maria Esken Akazienweg 54 33415 Verl-Kaunitz, Germany The intermetatarsal neuropathy Civinini-Durlacher, called Morton’s metatarsalgia ** n Summary The first description of an intermetatarsal neuropathy with respect to a neuroma is his- torically and clinically the result of Civinini’s and Durlacher’s work. “Mortons” metatarsalgia is still defined as a benign tumor of the plantar nerve. It can be found distally of the metatarsal heads. Alternatively a chronic entrap- ment can cause a rarefication of the nerve’s diameter. The clinical data of 71 intermetatarsal neuro- pathies in 53 patients who under- went surgery at St. Elisabeth Hos- pital, Gütersloh were evaluated. In all cases, evaluation of the clinical and histological examination as well as radiological findings was performed. It was possible to dis- tinguish neuroma, like nerve thickening, from rarefication of the perineural tissue. Standar- dized X-ray examinations showed a significant correlation. The greater the relative width of the metatarsal heads, the more often rarefication of the nerves and perineural diameter was found. Clinical examination remains the most important factor in diagnos- ing Civinini-Durlacher’s neuropa- thy or plantar nerve entrapment. Nerve resection is indicated after failure of conservative treatment. n Key words Civinini – entrapment – Morton – neuroma – neuropathy n Zusammenfassung Die Erstbe- schreibung der intermetatarsalen Neuralgie mit dem Aspekt einer Neurombildung wird historisch und klinisch begründet den Her- ren Civinini und Durlacher zuge- rechnet. Definitionsgemäß ver- steht man bisher unter der „Mor- ton“ Metatarsalgie eine gutartige Vergrößerung des plantaren Ner- ven distal der Metatarsalköpfchen, alternativ kommt beim Entrap- ment eine Neuropathie mit sand- uhrförmiger Einengung des Ner- ven in Betracht. Die klinischen Daten von 71 intermetatarsalen Neuropathien bei 53 Patienten mit sich anschließenden Opera- tionen, einschließlich der histolo- gischen und radiologischen Be- funde aus dem Sankt Elisabeth- Hospital in Gütersloh werden eva- luiert. Hierbei bestätigt sich die mögliche Differenzierung in Ver- dickung und Ausdünnung des pe- rineuralen Gewebes der resezier- ten Nerven. Eine radiologisch sig- nifikante Unterscheidung ergab die Messung der relativen Meta- tarsaleköpfchenbreite, je breiter die Köpfchen, um so eher korre- lierte der Befund mit einer Tail- lierung des Gesamtdurchmessers. Die differenzierte klinische Unter- suchung bleibt die Basis der Diagnosestellung bei der Civini- ni-Durlacher Neuropathie oder dem Entrapment des Plantarner- ven. Die Resektion ist nach er- folgloser konservativer und schuhtechnisch adäquater Be- handlung die Therapie der Wahl. n Schlüsselwörter Civinini – Entrapment – Morton – Neurom – Neuropathie BEITRAG ZUM THEMENSCHWERPUNKT

Die intermetatarsale Neuropathie – Civinini-Durlacher, genannt Morton Metatarsalgie

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Page 1: Die intermetatarsale Neuropathie – Civinini-Durlacher, genannt Morton Metatarsalgie

H. KuhnH.-H. KüsterM. Esken

Die intermetatarsale Neuropathie –Civinini-Durlacher,genannt Morton Metatarsalgie *

FussSprungg 1:273–282 (2003)DOI 10.1007/s10302-003-0069-x

Fuß069

Eingegangen: 28. August 2003Akzeptiert: 25. September 2003

** Pseudoneurom und Entrapment

** Pseudoneuroma and entrapment

Dr. med. Harald Kuhn ())Prof. Dr. med. Hans.-H. KüsterOrthopädische KlinikStankt-Elisabeth-HospitalStadtring Kattenstroth 13033332 Gütersloh, GermanyTel.: +49-52 41 / 5 07 72 34Fax: +49-52 41 / 5 07 72 90E-Mail:[email protected]

Dr. med. Maria EskenAkazienweg 5433415 Verl-Kaunitz, Germany

The intermetatarsal neuropathyCivinini-Durlacher, called Morton’smetatarsalgia **

n Summary The first descriptionof an intermetatarsal neuropathywith respect to a neuroma is his-torically and clinically the resultof Civinini’s and Durlacher’swork. “Mortons” metatarsalgia isstill defined as a benign tumor ofthe plantar nerve. It can be found

distally of the metatarsal heads.Alternatively a chronic entrap-ment can cause a rarefication ofthe nerve’s diameter. The clinicaldata of 71 intermetatarsal neuro-pathies in 53 patients who under-went surgery at St. Elisabeth Hos-pital, Gütersloh were evaluated. Inall cases, evaluation of the clinicaland histological examination aswell as radiological findings wasperformed. It was possible to dis-tinguish neuroma, like nervethickening, from rarefication ofthe perineural tissue. Standar-dized X-ray examinations showeda significant correlation. Thegreater the relative width of themetatarsal heads, the more oftenrarefication of the nerves andperineural diameter was found.Clinical examination remains themost important factor in diagnos-ing Civinini-Durlacher’s neuropa-thy or plantar nerve entrapment.Nerve resection is indicated afterfailure of conservative treatment.

n Key words Civinini –entrapment – Morton – neuroma –neuropathy

n Zusammenfassung Die Erstbe-schreibung der intermetatarsalenNeuralgie mit dem Aspekt einerNeurombildung wird historischund klinisch begründet den Her-ren Civinini und Durlacher zuge-rechnet. Definitionsgemäß ver-

steht man bisher unter der „Mor-ton“ Metatarsalgie eine gutartigeVergrößerung des plantaren Ner-ven distal der Metatarsalköpfchen,alternativ kommt beim Entrap-ment eine Neuropathie mit sand-uhrförmiger Einengung des Ner-ven in Betracht. Die klinischenDaten von 71 intermetatarsalenNeuropathien bei 53 Patientenmit sich anschließenden Opera-tionen, einschließlich der histolo-gischen und radiologischen Be-funde aus dem Sankt Elisabeth-Hospital in Gütersloh werden eva-luiert. Hierbei bestätigt sich diemögliche Differenzierung in Ver-dickung und Ausdünnung des pe-rineuralen Gewebes der resezier-ten Nerven. Eine radiologisch sig-nifikante Unterscheidung ergabdie Messung der relativen Meta-tarsaleköpfchenbreite, je breiterdie Köpfchen, um so eher korre-lierte der Befund mit einer Tail-lierung des Gesamtdurchmessers.Die differenzierte klinische Unter-suchung bleibt die Basis derDiagnosestellung bei der Civini-ni-Durlacher Neuropathie oderdem Entrapment des Plantarner-ven. Die Resektion ist nach er-folgloser konservativer undschuhtechnisch adäquater Be-handlung die Therapie der Wahl.

n Schlüsselwörter Civinini –Entrapment – Morton – Neurom –Neuropathie

BEITRAG ZUM THEMENSCHWERPUNKT

Page 2: Die intermetatarsale Neuropathie – Civinini-Durlacher, genannt Morton Metatarsalgie

Einleitung

Die intermetatarsale Neuropathie findet in der Lite-ratur vielfältige Erwähnung. 1835 berichtet FillippoCivinini aus Pistoia über eine nervöse, ganglionähn-liche Schwellung an der Fußsohle mit einer entspre-chenden anatomischen Zeichnung [24]. Durchlachercharakterisiert 1845 das klinische Bild der Neuralgiedes N. plantaris zwischen III. und IV. Intermetatar-salraum in der bis heute gültigen Form [9]. Nebender verdickten Pseudoneurombildung kann ein En-trapment den Nerven auch sanduhrförmig ein-schnüren [10, 11].

Das klinische Bild beider Erkrankungsvariantenist meist typisch. Anamnestisch werden neben bren-nenden, exakt lokalisierbaren Vorfußschmerzen aucheine Schmerzprojektion bis in den Rückfuß und dieWade beschrieben, gegebenenfalls begleitet von Pa-rästhesien der Zehen. In der Untersuchung kanndurch dorso-plantaren Druck im befallenen Interme-tatarsalraum der gleiche Schmerz ausgelöst werden,der sonst spontan auftritt. Oft genügt zur Schmerz-auslösung schon ein einfacher Fingerdruck plantarexakt zwischen den Metatarsophalangealgelenkenund auch davor. Die Hyperextension [10] der zu-gehörigen Zehe im Metatarsophalangealgelenk undin den Interphalangealgenken löst ebenfalls denSchmerz aus, während er bei Beugung der Interphal-angealgelenke sofort abnimmt. Hierbei sollte die me-tatarsophalangeale Stabilität überprüft werden. InEinzelfällen, häufiger bei gleichzeitigem rheumati-schen Grundleiden, ist bereits eine lokale Schwellungoder die von Vainio [28] beschriebene Deviation derbeiden zugehörigen Zehen mit Verbreiterung desZwischenraumes sichtbar.

Beim positiven Mulder Click Test ist das Hervor-pressen einer Nervenverdickung oder Bursa tastbar[19]. Eine von dorsal an den N. digitalis plantariscommunis injizierte Lokalanästhesie schafft kurzfris-tige Beschwerdefreiheit, wenn die Diagnose als auchdie Lokalisation sicher ist [7, 17, 21].

Der Wert der Sonographie unter Verwendung ei-nes 7,5 Khz Schallkopfes ist in der Diagnostik derintermetatarsalen Neuralgien beschrieben [22], diePseudoneurome lassen sich im Gegensatz zu dentaillierten Nerven darstellen.

Die konventionelle Röntgendiagnostik dient demAusschluss von ossären Läsionen und der Beurtei-lung von Fußdeformitäten und Stellungsvarianten.

Die Magnetresonanztomografie verlangt eine prä-zise Untersuchungstechnik und dient vornehmlichwissenschaftlichen Fragestellungen oder der Klärungdifferentialdiagnostischer Erwägungen, beispielswei-se bei Narbensträngen nach Voroperationen [29].

Ätiologisch betrachtet spricht bisher vieles für ei-ne chronische Traumatisierung des Interdigitalner-ven. Ein intestistielles Ödem, Verdickungen, Fibro-sierung und reparatives, überschießendes Wachstumdes endoneuralen und perineuralen Bindegewebes,sowie die Schädigung der großen markhaltigen Ner-venfasern sind die Folge, die marklosen Schmerzfa-sern bleiben länger erhalten. Die Dauerbelastungdurch Übergewicht und Hyperextension der MTP-Gelenke im hochhackigen Schuhwerk und Fußstatik-variationen mit Abknickung des Nerven am Liga-mentum metatarseum transversum scheinen die Mi-krotraumatisierung zu begünstigen [12, 15].

Aus anatomischer Sicht ziehen hinter dem In-nenknöchel der N. plantaris medialis und lateralis indie Fußsohle. Der N. plantaris medialis verläuft ent-lang des medialen Randes des M. flexor digitorumbrevis, diesem plantarwärts aufliegend und versorgtdie 3 1/2 medialen Zehen sensibel. Der laterale Plan-tarnerv quert den M. flexor digitorum brevis dage-

274 Fuß & Sprunggelenk, Band 1, Heft 4 (2003)© Steinkopff Verlag 2003

Abb. 1 Zehendeviation beim Pseudoneurom Abb. 2 Kernspintomografisch nicht nachweisbares Nervenentrapment

Page 3: Die intermetatarsale Neuropathie – Civinini-Durlacher, genannt Morton Metatarsalgie

gen dorsalseitig, um dann an die Oberfläche derFußsohle zu kommen. Distal gibt er – nicht konstant[20] – einen Verbindungsast zum medialen Plantar-nerven im 3. Interspatium ab, so dass eine Nerven-schlinge um den M. flexor digitorum brevis entsteht.Die einzelnen Communis-Äste teilen sich dann zurVersorgung der einander zugewandten Seiten der be-nachbarten Zehen, wobei gelegentlich statt des er-warteten distalen Nervenpaares zwei Paare hervor-gehen können [6].

Das Ligamentum metatarseum transversum ver-hindert mit seinem dorsalen und plantaren Blatt,dass der N. dig. plantaris communis zwischen dieMetatarsaleköpfchen gerät, es hält ihn plantarseitigund begrenzt das Auseinanderweichen der Metatar-salköpchen.

Eine intermetatarsophalangeale Bursa reicht je-weils zwischen dem 2. und 3. sowie dem 3. und4. Strahl distal über den Rand des Lig. metatarseumtransversum hinaus. Sie kann dort entzündlich ver-größert sein und den Nerven einengen oder un-trennbar mit ihm verwachsen sein.

Histologisch besteht Übereinstimmung, dass keinneurogenes neoplastisches Wachstum vorliegt, son-dern bindegewebige „Neurome“ exstirpiert werden[3, 12, 26, 28]. Die elektromikroskopische Studie vonPalma und Tulli [3] dokumentiert eine Vermehrungder Anzahl kollagener Fasern und der endoneuralenkollagenen Mikrofibrillen, also gerade die Verdrän-gung durch Fibrose. Der Ausdruck Neurom ist ir-reführend [15]. In der deutschsprachigen Literaturwird bisher der neutrale Terminus „Morton-Metatar-salgie“ genutzt. Dem entspricht in der französischenLiteratur der Ausdruck der „Maladie de Morton“ [3].

Das Vorkommen der intermetatarsalen Neuralgiewird in der Literatur zu 70–90% im Raum zwischen3. und 4. Mittelfußstrahl angegeben [7, 10, 12, 14].Interdigitale „Neurome“ im ersten sowie im viertenInterdigitalraum sind sehr selten. Meist ist nur eineinziges Pseudoneurom vorhanden, es können aberam gleichen oder gegenseitigen Fuß ein oder zweiweitere Nerven sowohl gleichzeitig [27] als auch zeit-lich verschoben in derselben Weise schmerzhaft ver-ändert sein. Gauthier [10] sah bei ca. 1/3 seiner Pa-tienten ein Doppelvorkommen. Interdigitale Pseudo-neurome sind bei Frauen (75–90%) häufiger als beiMännern anzutreffen [10], Das Leiden kann in jederAltersstufe auftreten, hauptsächlich ist das 4.–6. De-zennium betroffen. Während T. Morton 1876 nochbetonte, dass eine normale Fußform vorliege, ist in-zwischen bekannt, dass viele Patienten gleichzeitigeine Fußdeformität aufweisen, am häufigsten einenHallux valgus mit oder ohne Spreizfuß [7, 11].

Zur Behandlung ist die überwiegende Anzahl derAutoren der Meinung, dass nur in einzelnen Fällen,und zwar am ehesten bei kurzer Anamnese, eine

konservative Behandlung einen längerfristigen Erfolgerzielen kann. Die konservative Behandlung umfasstdie Umstellung auf weites und weiches Schuhwerk,verschiedene Formen von Schuheinlagen und Corti-coid-Injektionen. Nach R. A. Mann [16] können wie-derholte Injektionen in die Interdigitalfalte zu einerKontinuitätsunterbrechung der plantaren Kapsel undzu einer Beschädigung des plantaren Fettpolstersführen, die dann schwieriger zu behandeln seien alsdas „Neurom“ selbst.

Die Indikation zum operativen Eingriff ist gege-ben, wenn sich die Beschwerden einer intermetatar-salen Neuralgie mit konservativen Mitteln nicht be-herrschen lassen. Eine sorgfältige Differerentialdiag-nostik sollte durchgeführt werden, um andere Ursa-chen für das Beschwerdebild auszuschließen [13].Auch weitere „Neurome“ in benachbarten Interdigi-talräumen sollten ausgeschlossen werden [26, 27],um ein bestmögliches chirurgisches Ergebnis zu er-zielen. Eine gute Aufklärung über das zu erwartendeOperationsergebnis und die möglichen Komplikatio-nen sind besonders wichtig. So sollte der Patientdarüber aufgeklärt werden, dass nach der Exzisiondes „Neuroms“ die Haut im Versorgungsgebiet desNerven teilweise taub bleiben kann und auch die Ex-zision nicht immer zum gewünschten Erfolg führenkann [13, 17]. Während Morton in Unkenntnis derPlantarnervenveränderung noch die Resektion desvierten Metatarsalköpfchens durchführte, ist seit derMitteilung von Betts 1940 [1] die Exzision des „Neu-roms“ die gängige Behandlung. Für den Zugang ste-hen vier Wege zur Verfügung, der plantare Längs-[1] und Querschnitt [20, 23], der web-splitting-approach mit Inzision der Zwischenzehkommissur[5, 18] und der dorsale Zugang [2, 4, 17].

Ausgehend davon, dass es sich beim „Morton-Neurom“ um eine „entrapment neuropathy“, einEngpass-Syndrom des Plantarnerven in einem all-

275H. Kuhn et al.Die intermetatarsale Neuropathie Civinini-Durlacher

Abb. 3 Dorsaler Zugang mit Pseudoneurom

Page 4: Die intermetatarsale Neuropathie – Civinini-Durlacher, genannt Morton Metatarsalgie

seits fibrös straff begrenzten Tunnel handelt, schlägtGauthier [10, 11] die Dekompression des Nervendurch Spaltung des Ligamentum transversum mitNeurolyse durch den dorsalen Zugang als therapeuti-sches Konzept vor. Gauthier erwähnt 1975 in seinerUntersuchung, dass zugleich der Nerv mit Alkoholkoaguliert wird, was nicht der Dekompression, son-dern einer komplette Ausschaltung auf chemischenWege entspricht. 1979 erwähnt Gauthier diese Alko-holinjektion nicht mehr, sondern führt nun eine epi-neurale Neurolyse durch. Er erzielte bei 304 „Neuro-men“ 83% gute Resultate und 14,5% zufriedenstel-lende Resultate. 2,5% schienen ohne Veränderungdes Beschwerdebildes. Gauthiers therapeutischenKonzept folgten auch Diebold [8] und Okafor [21],die damit eine hohe Patientenzufriedenheit erreich-ten.

Auch nach Resektion des interdigitalen Pseudoneu-roms wird in der Literatur die Anzahl der Patienten,deren Beschwerden postoperativ andauern, mit10–19% angegeben [13, 17, 23], wobei die Präsenzund Mitbehandlung gleichzeitig vorliegender Vorfuß-erkrankungen teils in die Untersuchungen Eingangfindet. Misserfolge der Resektionsbehandlung sindlaut W. Dick keine Rezidive im eigentlichem Sinn:„Wo ein Nerv vollständig entfernt wurde, kann ernicht wieder nachwachsen. Es kann sich nur ein Am-putationsneurom an der Resektionsstelle bilden.“ [5].Jede Durchtrennung eines peripheren Nerven führtdurch die sofort einsetzenden Proliferationsvorgängeentweder zu erneutem Anschluss an ein Endorganoder zur Ausbildung eines kleinen oder größeren Am-putationsneuroms. Ob dieses schmerzhaft oderschmerzlos ist, hängt u. a. von seiner Lage [17] undvon der Narbenbildung und Reizung durch einwirken-de äußere Kräfte ab [5]. „Rezidive“ beruhen also ent-weder darauf, dass – bei ungenauer Lokalisationsdiag-nostik das falsche Spatium revidiert wurde, – das re-sezierte „Morton-Neurom“ überhaupt nicht die auslö-sende Ursache für die präoperativen Symptome war[13], – simultan ein zweites, nicht beachtetes „Neu-rom“ im Nachbar-Spatium vorlag [26, 27], – bei dor-salem Zugang überhaupt nicht das „Neurom“, son-dern die Bursa oder Fett reseziert wurde [5] oder einenach proximal unvollständige Resektion erfolgte [13,17]. Im lezten Fall bliebe ein Anteil des ursprüngli-chen Nerven zurück, der sich histologisch von einemneu entstandenen Amputationsneurom unterscheidet[5]. An den zueinander zugewandten Seitenflächenund caudalen Hälften der entsprechenden Zehen isthäufig ein Sensibilitätsausfall nachweisbar. Die über-lappende Innervation der Zehen ist aber offenbar soausreichend, dass sich ein Sensibilitätsausfall seltenstörend bemerkbar macht [5].

Postoperative Probleme, die richtige Schuhklei-dung zu finden, sind häufig erwähnt worden [13].

Eine belgische Studie [4] zeigt, dass selbst vier Jahrepostoperativ nur 1/3 der Patienten keine Einschrän-kung bei ihrer Schuhwahl hatten, Mann und Rey-nolds [17] wiesen bei 25% ihrer Patienten keine Ein-schränkung ihrer Schuhwahl auf, ungeachtet des er-folgreichen chirurgischen Eingriffs.

Material und Methode

In der orthopädischen Klinik des Sankt-Elisabeth-Hospitals in Gütersloh wurden vom Januar 1993 biszum Juni 1999 81 pathologische Befunde bei 60 Pa-tienten mit Morbus-Civinini-Durlacher operiert undin die Auswertung gebracht. Im Interesse der Unter-suchung stand die Frage der Differenzierungsmög-lichkeit von Nervenverdickungen mit dem Aspektvon Pseudoneuromen und sanduhrförmigen Ein-engungen, im Weiteren hier Entrapment genannt, imklinisch-radiologischen Bild und im anatomisch-his-tologischen Bild.

Analysiert wurden die Operations- und Histolo-gieberichte, sowie radiologische Standaufnahmenmit antero-posteriorem Strahlengang,. Die Auswer-tung der Röntgenaufnahmen erfolgte zur statisti-schen Prüfung, ob sich eine oder mehrere Mess-und Winkelgrößen signifikant im Mittelwert von derDiagnose „Pseudoneurom“ oder „Entrapment“ unter-scheiden und somit gegebenenfalls praeoperativ eineAussage möglich ist, ein „Pseudoneurom“ oder ein„Entrapment“ anzutreffen. Ausgewertet wurden fol-gende Messgrößen: Spreizfuß, Maestro-Linie, inter-metatarsaler Diaphysenabstand und Metatarsaleköpf-chenbreite in mm, Metatarsaleöffnungswinkel, Halluxvalgus Winkel und intermetatarsaler Winkel in �. Beijeder vollzogenen Auswertung wurde zunächst einedeskriptive Statistik erstellt, um Mittelwert, Stan-dardabweichung, Minimum und Maximum zu erfas-sen. Um eine Normalverteilung der Variablen fest-stellen zu können, wurde der Kolmogorov-SmirnovAnpassungstest durchgeführt. Bei Normalverteilungwurde der T-Test bei unabhängigen Stichproben undbei abhängigen Stichproben durchgeführt. Ohne vor-liegende Normalverteilung folgte der Mann-Whitney-Test. Durch diese Tests wurden die Mittelwertsunter-schiede zwischen den Gruppen E und V auf Signifi-kanz geprüft, d. h. zeigt bei einer Variable dieasymptotische Signifikanz in diesem Test einen Wert< 0,05 so unterscheidet sich der Mittelwert der Vari-ablen in Bezug auf die beiden Diagnosen E und Vsignifikant voneinander.

Eine Gruppenstatistik untersuchte die untersuch-ten Mess- und Winkelgrößen abhängig von der Di-agnose E oder V in Bezug auf Mittelwert, Standard-abweichung und Standardfehler des Mittelwertes.

276 Fuß & Sprunggelenk, Band 1, Heft 4 (2003)© Steinkopff Verlag 2003

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Um im Weiteren genaue Zusammenhänge herstellenzu können, wurde die Summe aller fünf Köpfchen-breiten den Werten der Spreizfußmessungen gegenü-bergestellt. Ein Streudiagramm für die beiden Diag-nosen „Entrapment“ (= E) und „Vergrößerung“ (= V)wurde erstellt und die Regressionslinien ermittelt.

Mit den Operationsberichten wurde die histologi-sche Differenzierung verglichen, um Korrelationenintraoperativ makroskopischer Befunde und histolo-gischer Bewertungen bei „Verdickungen des Nerven“oder einem sanduhrförmigen „Entrapment“ zu su-chen. Die Färbung der Präparate war S100-Protein(S100) zur Anfärbung der Schwann’schen Zellen desperipheren Nervengewebes und Goldner’s Trichrom-färbung (Gd) zur Darstellung von Bindegewebe. Re-trospektiv wurden die Patienten über ihren prae-und postoperativen Krankheitsverlauf befragt, 53 Pa-tienten mit 71 Civinini-Durlacher Neuropathien an61 Füßen konnten mit einem modifizierten Scorenach Kitaokas Ratingsystem ausgewertet werden.

Ergebnisse

71 intermetatarsale Neuropathien von 61 operiertenFüßen bei 53 Patienten kamen in die Auswertung.Elf Patienten hatten gleichzeitig und fünf zeitlichverschoben mehrere operationswürdige Befunde. Invier Fällen handelte es sich um Reoperationen an-dernorts voroperierter Patienten, zwei Fälle waren ei-gene Revisionen. Der Nachuntersuchungszeitraumbetrug 3–76 Monate, durchschnittlich lag er bei 37,8Monaten. Das Geschlechterverhältnis war 72% weib-lich zu 28% männlich, entsprechend 39 weiblichenPatienten und 14 männlichen Patienten. Das Alterder Patienten lag zwischen 32 und 78 Jahren. DerMittelwert lag bei 56,7 Jahren.

Intermetatarsal zwischen 2. u. 3. Strahl wurden39 neuropathische Nerven reseziert, intermetatarsalzwischen 3. u. 4. Strahl fanden sich 32 pathologischeNervenbefunde, die übrigen Intermetatarsalräumewaren im Krankengut nicht betroffen. Alle Patientenkonnten zu ihrem Beschwerdebeginn Angaben ma-chen, im Mittel traten die Beschwerden erstmalig

5,4 Jahre vor der Operation auf. 3,8% der Patientenhatten gelegentliche Schmerzen, 50,9% täglich und45,3% der Patienten klagten über ständige Schmer-zen, meist beim Gehen, Tragen von Schuhen undbeim Stehen. In 48,3% der Fälle wurde ein stechen-der Schmerz angegeben, in 25,3% war er brennend,in 11,5% elektrisierend, in 9,2% bestand ein lokalesTaubheitsgefühl, auch wurden Anschwellen, Druckund Fremdkörpergefühl genannt. In 44,3% wurde ei-ne Schmerzausstrahlung in die Zehen, 24,5% in denganzen Fuß und in in 8,2% in den Unterschenkelpräoperativ angegeben, während 23% keine Aus-strahlung bemerkten. 98,1% waren in ihrer Aktivitätdurch die Schmerzen eingeschränkt.

Bei der Auswertung der Patientenantworten zurBeurteilung des Erfolges einer vorangegangenenkonservativen Therapie fiel auf, dass nur bei Patien-ten, die sowohl Schuheinlagen als auch Injektionenbekommen hatten, zum Teil eine vorübergehendeLinderung ihrer Beschwerden von einigen Stundenbis zu mehreren Monaten aufgetreten waren.

In der orthopädischen Klinik des St. Elisabeth-Hospitals wurde zur Operation der dorsale Zugangin 50 Fällen gewählt, der plantare Zugang in 11 Fäl-len. Bei den sechs durchgeführten Re-Operationenwurde in fünf Fällen der plantare Zugang gewählt. Inallen Fällen war die operative Übersicht durch Anla-ge eines Tourniquets bei Blutleere gewährleistet.

In den Operationsberichten aller operierten Be-handlungsfälle wurde zwischen zwei makroskopi-schen Befunden unterschieden:

Verdickung des Nerven mit Gewebeproliferationim Sinne einer klassischen „Civinini-Durlacher-Neu-ropathie“ und eine sanduhrförmige Ausdünnung des

277H. Kuhn et al.Die intermetatarsale Neuropathie Civinini-Durlacher

Abb. 4 Alter der operierten Patienten

Abb. 5 Präsenz von Schmerzen

Abb. 6 Beschwerdebeginn

Page 6: Die intermetatarsale Neuropathie – Civinini-Durlacher, genannt Morton Metatarsalgie

Nerven, schon makroskopisch als Nerventaille zu er-kennen, in den Berichten als Entrapment aufgeführt.

In 7 Fällen wurde eine Korrektur am ersten Strahlmit durchgeführt, 3 Korrekturen betrafen anliegendeMTP-Gelenke, in 10 Fällen wurde das PIP-Gelenkkorrigiert.

Als Komplikationen wurden eine Wunddehiszenz,zwei verzögerte Wundheilungen und eine Keloidbil-dung postoperativ beobachtet, in drei Fällen fiel einTaubheitsgefühl auf. Bei 33 Patienten war eine Nach-behandlung nicht notwendig oder zeitlich limitiert.Einlagen oder geändertes Schuhwerk trugen 34 Pa-tienten (55,7%) der Patienten postoperativ, 27 Patien-ten (44,3%) änderten ihre Schuhgewohnheiten nicht.Postoperativ bezeichneten sich 20 Patienten (32,8%)als gänzlich schmerzfrei, 21 Patienten (34,4%) hattenschwache Schmerzen, 13 Patienten (21,3%) hattenmittelmäßig Schmerzen, 7 Patienten (11,5%) berichte-ten über starke Schmerzen. Die Gehstrecke war bei38 Patienten (62,3%) schmerzfrei uneingeschränkt,bei 15 Patienten (24,6%) bis zwei Kilometer frei, bei8 Patienten (13,1%) lag sie unter 500 Metern. Die Nar-be erschien 40 Patienten (65,6%) als gut, 13-mal(21,3%) war sie zufriedenstellend, in 8 Fällen (13,1%)als schlecht beurteilt. Sehr zufrieden äußerten sich23 Patienten (37,7%) mit dem Gesamtergebnis, 25 Pa-tienten (41%) waren zufrieden, 13 Patienten (21,3%)waren nicht zufrieden.

Sechs Patienten, vier davon auswärtig operiert,waren mit ihrem Operationsergebnis nicht zufrieden.Sie wurden revidiert, dreimal mit gutem und dreimalmit zufriedenstellendem Ergebnis.

Aus den Operationsberichten aller operierten Be-handlungsfälle mit dem Verdacht auf eine intermeta-

tarsale Neuralgie wurde herausgearbeitet, dass bei11 Patienten an 12 Füßen 14 sanduhrförmige Neuro-pathien bei einem Entrapment vorlagen und bei42 Patienten an 49 Füßen 57 klassische „Civinini-Durlacher-Neurome“ vorlagen. Im Vergleich der sub-jektiven Gesamtbeurteilung zeigten 71,4% der Pa-tienten mit Pseudoneurom postoperativ ein sehr gu-tes und gutes Ergebnis, jeweils 14,3% hatten ein be-friedigendes und unbefriedigendes Ergebnis. Bei densanduhrförmigen Entrapmentneuropathien ergabensich 49,9% sehr gute und gute Ergebnisse, 23,3% wa-ren befriedigend, 16,7% unbefriedigend. Unser fürdie subjektive Erfolgsbeurteilung an Kitaokas RatingSystem angelehnter Score ergab für 53 auswertbarePatienten bei 61 operierten Füßen das in der Diskus-sion dargestellte Gesamtergebnis.

Die Auswertung der präoperativ durchgeführtenanteroposterioren Röntgenaufnahmen im Stand er-gab, dass sich die Variablen Köpfchenbreite 2, 3 und4 signifikant im Mittelwert bezüglich der Diagnose„Vergrößerung“ und „Entrapment“ unterscheiden.Im Streudiagramm zeigen die Regressionslinien, dassein schmaler Raum zwischen den Köpfchen eher mitdem intraoperativ und histologisch festgestellen Be-fund einer neuralen und perineuralen Taillierungkorrelierte, bei einem vergrößerten Raum zwischenden Metatarsaleköpfchen trat eher die Neuropathiemit pseudoneuromatöser Verdickung auf.

Diskussion

Das Krankheitsbild des Morbus-Civinini-Durlacher,genannt Morton-Neuralgie, ist bei der Diagnosefin-dung diffuser Vorfußschmerzen vielfach noch unge-nügend berücksichtigt. Die im Rahmen dieser Unter-suchung festgestellten Zeiträume zwischen Schmerz-

278 Fuß & Sprunggelenk, Band 1, Heft 4 (2003)© Steinkopff Verlag 2003

Abb. 7 Pseudoneurom und Nervenatrophie

Abb. 8 V = Vergrößerung, E = Entrapment

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beginn und Diagnosestellung, im Durchschnitt wa-ren es 5,4 Jahre, lassen den Schluss zu, dass hierweiterer Informationsbedarf besteht. Das implizierenauch die vielfach erstaunten Äußerungen der Patien-ten, eine neuroorthopädische Ursache sei in der Ab-wägung der Erkrankungsmöglichkeiten und bei derTherapieplanung vormals nie angesprochen worden.Die ausführliche Anamnese und eine subtile kli-nische Untersuchung erlauben in den meisten Fällen,die Diagnose zu stellen. Zur diagnostischen Befund-sicherung und differentialdiagnostischen Klärung istdie ein- oder mehrmalige Lokalanästhesie hilfreich,in einigen Fällen ist sie notwendig [2], um eine hohepostoperative Patientenzufriedenheit zu gewähren.Insbesondere die Metatarsalgie bei klinisch oder ra-diologisch auffälligen metatarsophalangealen Gelen-kinstabilitäten sollte von der Neuralgie abgegrenztwerden.

Bei allen operierten Patienten wurde der betroffe-ne Fuß präoperativ in zwei Ebenen im Standgeröngt. Die a.p.-Aufnahme wurde ausgewertet undbei dem heterogenen Patientengut zeigte sich, dassein schmaler Raum zwischen den Köpfchen eher mitdem intraoperativ und histologisch festgestellen Be-fund einer neuralen und perineuralen Taillierungkorrelierte, bei einem vergrößerten Raum zwischenden Metatarsaleköpfchen eher ein Pseudoneuromauftrat. Diese Signifikanz stellt einen Ansatzpunktdar, bei typischen Schmerzen ohne klinische Zeichenfür ein Pseudoneurom eine Diagnosefindung zu er-leichtern. Die in der Literatur vielfach diskutiertesonografische oder kernspintomografische Untersu-chung [22, 29] kann die Diagnose des Morbus-Civi-nini-Durlacher mit perineuraler Gewebeproliferationoptisch untermauern. Gerade bei der differential-diagnostisch notwendigen Erwägung einer Nerven-taillierung mit klinisch ebenfalls schmerzhafter Neu-ropathie ist eine Abgrenzung gegenüber Normalbe-funden nicht sicher möglich, was die Wichtigkeitder klinischen Vorinformation unterstreicht. Beiknöchernen Anomalien, bei voroperierten Füßenund zur Abgrenzung bei entzündlich-degenerativerErkrankungen hatten die Sonografie und die Kern-spintomografie bei den Voruntersuchungen diesesKrankengutes ihre Indikation.

In der Literatur [2, 17] erwähnte konservative Be-handlungsmaßnahmen wie die Umstellung auf wei-tes, weiches Schuhwerk, verschiedene Formen vonSchuheinlagen sowie wiederholende Leitungsanäs-thesie-Infiltrationen mit Kortikoidzusatz erfolgtenauch bei dem überwiegenden Teil unseres Patienten-gutes. Sie stellten sich, konservativ austherapiert,nach durchschnittlich über fünfjähriger Schmerza-namnese bei uns vor. Bei der Auswertung der Pa-tientenantworten fiel auf, dass nur bei Patienten, diesowohl Schuheinlagen als auch Injektionen bekom-

men hatten, zum Teil eine vorübergehende Lin-derung ihrer Beschwerden aufgetreten waren (42%).Sie reichte von einigen Stunden bis zu mehrerenMonaten. Bei 58% der Patienten hatte die konser-vative Therapie keine Linderung ihrer Schmerzenbewirkt.

Die Hauptmanifestation der intermetatarsalenNeuropathie ist in der Literatur zwischen dem drit-ten und vierten Strahl am häufigsten angegeben. Sieliegt dort zwischen 70–90% [6, 10, 12, 18]. Diegrößere Beweglichkeit zwischen tibialem und fibula-rem Fuß, also zwischen Metatarsale drei und vierkönnte die häufigere Pseudoneurombildung dort be-gründen gegenüber der rigideren Verbindung zwi-schen dem zweiten und dritten Mittelfußknochen,wo eher die Atrophie zu erwarten wäre. Einige Auto-ren argumentieren mit der anatomisch vorgegebenenVerstärkung des zwischen drittem und viertem Me-tatarsale verlaufenden dritten Interdigitalnervendurch die fakultativ auftretende Anastomose zwi-schen dem Nervus plantaris medialis und lateralis[1]. Im Rahmen der anatomisch-funktionellen Situa-tion wird auch die Häufigkeit erklärt, mit der die Ci-vinini-Durlacher’sche Metatarsalgie auch bei anderenVorfußerkrankungen, die mit einer funktionellenbiomechanischen Veränderungen verbunden sind,z. B. Hallux valgus, begleitend auftreten kann [24].

Wir können uns mit unseren Ergebnissen (55% –2. Interspatium, 45% – 3. Interspatium) nicht demüblichen Verteilungsmuster der Literatur anschlie-ßen, sondern fanden wie unter anderem Lassmann[15] und Ruuskanen [25] ein vermehrtes Auftretenneuropathischer Befunde im zweiten Interspatium.

Mann und Reynolds [17] publizierten eine fastgleiche Anzahl pathologischer Befunde im zweitenund dritten Intermetatarsalraum. Wiederholt auftre-tende Traumata, verursacht durch die Schuhmode,d. h. zu festsitzende Schuhe, zu hohe Absätze und zudünne Sohlen seien verantwortlich für das Auftretender Neuropathie. Die Prävalenz bei Frauen gegen-über Männern in veröffentlichten Untersuchungenlässt annehmen [17], dass die Schuhmode eine derUrsachen dieser Ungleichverteilung der Erkrankungist. Die in dieser Nachuntersuchung erhobene Ge-schlechterverteilung – 39 Frauen: 14 Männer – gibtder Vermutung Rückhalt.

Aus den Operationsberichten aller operierten Be-handlungsfälle mit intermetatarsaler Neuropathieließ sich ermitteln, dass zwischen zwei makroskopi-schen Befunden unterschieden werden kann: derVerdickung des Nerven im Sinne eines klassischenPseudoneuroms und der sanduhrförmigen Ausdün-nung des Nerven. In 57 Fällen fand sich eine Ver-dickung des Nerven, 14 Nerven zeigten eine Nerven-taillierung, auch als Atrophie bezeichnet [23]. In50 Fällen wurde in dem untersuchten Krankengut

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der dorsale, in 11 Fällen der plantare Zugang ge-wählt. Bei den sechs durchgeführten Re-Operationenwurde in fünf Fällen der plantare Zugang gewählt,insbesondere um andere pathologische Ursachen pe-rimetatarsal auszuschließen und um eine weit nachproximal reichende Nachresektion sicherzustellen.Wir beobachteten je dreimalig Wundheilungsstörun-gen und Störungen der Sensibilität, Tourniquet be-dingte postoperative Störungen traten nicht auf.

In der Literatur herrscht Uneinigkeit bezüglichdes Zuganges, bezüglich der Frage, ob eine Neuroly-se oder eine Nervenexzision durchgeführt werdensoll und bezüglich der Frage, ob das Ligamentummetatarseum transversum gespalten werden soll. Wirentnahmen neuropathische Präparate in allen Fällen,nach Spaltung des transversalen Ligamentes bei demvon uns in der Mehrheit gewählten dorsalen Zugang.Die Schmerzfortleitung durch die marklosenSchmerzfasern ist somit sicher unterbrochen, die ge-ringe Auffälligkeit postoperativer Taubheit sprichtfür eine schon zuvor stattgefundene Atrophie dersensiblen Fasern bei histologisch bestätigter all-gemeiner Nervenzellrarefizierung. 66 Präparate, diezur histologischen Untersuchung eingebracht wurdenzeigten keine eigenständige neurogene Proliferatio-nen. In allen Fällen fiel aber eine Rarefizierung desNervengewebes auf.

Beispielhaft ist die Krankengeschichte einer Pa-tientin, bei der sich intraoperativ bei engen anato-mischen Verhältnissen und angespanntem Lig. meta-tarseum transversum eine sanduhrförmige Ausdün-nung des Nerven im Interspatium II/III zeigt. ImRaum zwischen III/IV zeigt sich die typische pseu-doneuromatöse Auftreibung.

Histologisch wird zum einen eine Taillierung be-stätigt mit Nervenatrophie und perineuraler Fibrose,zum anderen findet sich in der Auftreibung die typi-sche knotige intra und perineurale Fibrose mit Ner-venzelldegeneration. Die Patientin war postoperativkomplett beschwerdefrei.

Durch mechanische Alterationen kann es zu Fi-brosierungen kommen, die im Bereich des Engpas-ses geringer ausfallen, da nicht ausreichend Platzvorhanden ist. Auffallend in diesem Bereich ist die

kompressions- oder minderdurchblutungsbedingteAtrophie des Nervengewebes und der mäßige binde-gewebige Ersatz im anatomisch begrenzten Raum.Außerhalb des Engpasses kann die chronisch, me-chanische Distraktion zum Ersatz der mikrotrauma-tisierten Zellen durch Narbengewebe führen, welchessich bei weiterer Zerrung des Nerven in die Längezunehmend ein- und auflagert und die fibrotischeVerdickung bewirken kann.

Mit dem Operationsergebnis zeigten sich die Pa-tienten von 48 operierten Füßen sehr zufrieden. Diesentspricht 79% der operierten Füße. Patienten mit13 operierten Füßen bzw. 21% sind mit ihrem Opera-tionsergebnis nicht zufrieden. Die Gesamtangaben derPatienten wurden nach einem Vorfußscore ausgewer-tet, der auf Kitaoka’s Rating-System [14] basiert. NachAddition der zu vergebenden Scorepunkte zeigt sich,dass 67% der Operationen (41 Füße) „sehr zufriedenePatienten“ hinterlassen sind oder diese das Ergebnisals „gut“ einstufen. Patienten mit 18% der operiertenFüße (11 Füße) sind zufrieden, Patienten mit 15%

280 Fuß & Sprunggelenk, Band 1, Heft 4 (2003)© Steinkopff Verlag 2003

Abb. 9 Falldarstellung radiologisch-klinisch

Abb. 10 Nervenatrophie mit perineuraler Fibrose

Abb. 11 Ausgedehnte intraneurale Fibrose

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der operierten Füße (9 Füße) sind mit dem Gesamt-ergebnis nicht zufrieden.

Diese Ergebnisse reihen sich in die Listen bisheri-ger Nachuntersuchungserhebungen ein. Insbesonderedie subtile klinische Untersuchung und der Aus-schluss anderer für den Schmerz ursächlicher Erkran-kungen sowie sonstiger Begleiterkrankungen kanndas individuelle Ergebnis und damit auch das Gesamt-ergebnis beeinflussen. Im Gegensatz zu anderen Publi-kationen [2] schloss diese Nachuntersuchung auch Pa-tienten mit gleichzeitig andersartigen Vorfußerkran-kungen, die gegebenenfalls mitbehandelt wurden, ein.Hier ist das Ergebnis dann auch vom Erfolg der Mit-behandlung beeinflusst. Wesentlich erscheint die aus-reichend proximal angesetzte Resektion des Nerven,um eine Schmerzpersistenz durch verbliebene patho-logisch veränderte Nervenfasern auszuschließen.

Schlussfolgerung

Eine häufige Ursache der Metatarsalgie ist die inter-metatarsale Neuropathie. Der Morbus-Civinini-Dur-lacher ist eine schmerzhafte Neuropathie eines odermehrerer atrophierter Plantarnerven unter dem Liga-mentum metatarseum transversum. Im untersuchtenKrankengut zeigt die intermetatarsale Neuropathiezwei typische Befunde, mit radiologischen und ana-tomopathologischen Unterschieden. Die pseudoneu-romatöse Verdickung findet sich statistisch gehäuftbei größerem intermetatarsalen Köpfchenabstand aufder anteroposterioren Standaufnahme. Trotz Um-fangsvermehrung tritt eine neurale Degeneration auf,die chronische Zerrung des Nerven scheint eine zu-nehmende intra- und perineurale Fibrose zu begün-stigen. Die Nerventaillierung oder sanduhrförmigeAusdünnung tritt vermehrt bei geringem intermeta-tarsalen Köpfchenabstand auf, hier scheint die direk-te Nervenkompression die neurale Atrophie und dieperineurale Bindegewebszellformation zu bedingen.Die intermetatarsale Neuropathie sollte immer in diedifferentialdiagnostischen Erwägungen beim Vorfuß-schmerz einbezogen werden. Die vielfach, auch hierbeschriebene Prävalenz beim weiblichen Geschlechterlaubt, adäquates Schuhwerk zur Prävention zuempfehlen.

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Abb. 12 Gesamtergebnis der subjektiven Erfolgsbeurteilung

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Appendix

Score evaluation: symptoms and severity scale

Subjective score

1. Pain, Metatarsalgia (18%) none9

mild 6moderate 3severe 0

2. Walking distance (8%) unlimited 4mildly limited(less than 0,5 km) 2severely limited(less than 0,5 km) 0

3. Satisfaction (12%) satisfied completely 6limited satisfaction 3dissatisfied 0

4. Footwear requirements none 3(6%) necessary 0

5. Cosmetics (8%) good 4fair 2poor 0

Excellent 21–26 pointsGood 14–20 pointsFair 7–13 pointsPoor 0–6 points