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41 Die Jahresfeste im Waldorfkindergarten Teil 1: Die Adventszeit Im November ist es kühl geworden, oft ist es trüb und regnerisch. Die Beete im Garten sind abgeräumt. Die letzten Blätter werden zusammengerecht, alle sind jetzt vom Herbstwind von den Bäumen geweht. Es wird nun schon sehr früh dunkel und mit unseren Laternen ziehen wir durch die Straßen. Viele Tiere ziehen sich zum Win- terschlaf zurück. In dieser Spätherbst-Zeit zeigt sich uns die Natur in ihrem kargen Kleid. Alle Licht- und Wachstumskräfte haben sich in die Erde zurückgezogen; dort sammeln sie sich, um den neuen Frühling vorzubereiten. Auch die Menschen bereiten sich in ih- rem Inneren vor – auf die Ankunft des Lichtes in der Weltenmitternacht. Der Er- wachsene bereitet seine Seele vor, versucht einen Raum zu schaffen für besinnliche, ordnende und reinigende Gedanken. So bereiten wir auch in den zwei Wo- chen vor der Adventszeit die Umgebung des Kindergartenkindes vor. Wir ordnen und reinigen den Raum und die Spielsa- chen beim sogenannten Adventsputz. Dabei polieren wir sorgfältig alle Holztiere,-spiel- sachen, -löffel und –teller mit einem wohl- riechenden Wachs. Wir putzen alle Spiel- ständer, Stühle und Tische und waschen unsere Spieltücher, Schneckenbänder und Kronenbänder. Die Tücher werden gebü- gelt. Alles wird zur Seite gelegt und erst am letzten Kindergartentag vor dem ersten Advent wieder in die Regale gelegt. In diesen Tagen binden wir auch den Adventskranz. Die Kinder binden sich kleine Kränzchen oder machen sich Tan- nensträußchen. Erste adventliche Düfte durchströmen den Kindergarten. Alle weiteren Vorbereitungen gesche- hen ohne die Kinder, denn die Adventszeit ist eine geheimnisvolle Zeit. Sie ist im Kindergarten eine besonders innige Zeit und so wichtig und lebendig für die Kinder, dass sie das ganze Jahr über, besonders auch zur Hochsommer/Johannizeit das Krippenspiel spielen oder vom Nikolaus sprechen. Die Adventszeit ist eine Zeit der Er- wartung auf das was kommen will, eine Vorbereitungszeit und eine Zeit der Vor- freude auf Weihnachten. Adventsgärtlein und Apfellicht Wir leiten die Adventszeit zunächst nur andeutungsweise ein. Dann lassen wir die Kinder eine sich von Adventswoche zu Adventswoche steigernde Fülle erleben. Die Adventszeit ist eine Zeit des Werdens ohne schon die Erfüllung zu sein, so wie sich auch das Kerzenlicht auf dem Ad- ventskranz steigert und schließlich im Christbaum einen Höhepunkt findet. Das Bild des sich steigernden Kerzen- lichtes finden wir auch beim Adventsgärt- lein, das uns im Kindergarten auf die Ad- ventszeit einstimmt. Das Adventsgärtlein ist ein vorweih- nachtlicher Brauch und findet immer am Samstag Nachmittag vor dem 1. Advent statt. Am Vortag wird auf dem Boden in unserer Halle eine Spirale aus Tannenreisig gelegt, in deren Mitte erhöht eine große Kerze steht. Jedes Kind bekommt dann im Laufe der Feier ein Apfellicht in die Hände gereicht, das es in die Spirale hineinträgt, an der Christuslicht-Kerze entzündet und dann beim Rückweg aus der Spirale auf seinen goldenen Fünfstern (Symbol für den Menschen) stellt, der zwischen den Tan- nenzweigen liegt. So erhellt sich der ge-

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Die Jahresfeste imWaldorfkindergartenTeil 1: Die Adventszeit

Im November ist es kühl geworden, oftist es trüb und regnerisch. Die Beete imGarten sind abgeräumt. Die letzten Blätterwerden zusammengerecht, alle sind jetztvom Herbstwind von den Bäumen geweht.

Es wird nun schon sehr früh dunkel undmit unseren Laternen ziehen wir durch dieStraßen. Viele Tiere ziehen sich zum Win-terschlaf zurück. In dieser Spätherbst-Zeitzeigt sich uns die Natur in ihrem kargenKleid. Alle Licht- und Wachstumskräftehaben sich in die Erde zurückgezogen; dortsammeln sie sich, um den neuen Frühlingvorzubereiten.

Auch die Menschen bereiten sich in ih-rem Inneren vor – auf die Ankunft desLichtes in der Weltenmitternacht. Der Er-wachsene bereitet seine Seele vor, versuchteinen Raum zu schaffen für besinnliche,ordnende und reinigende Gedanken.

So bereiten wir auch in den zwei Wo-chen vor der Adventszeit die Umgebungdes Kindergartenkindes vor. Wir ordnenund reinigen den Raum und die Spielsa-chen beim sogenannten Adventsputz. Dabeipolieren wir sorgfältig alle Holztiere,-spiel-sachen, -löffel und –teller mit einem wohl-riechenden Wachs. Wir putzen alle Spiel-ständer, Stühle und Tische und waschenunsere Spieltücher, Schneckenbänder undKronenbänder. Die Tücher werden gebü-gelt. Alles wird zur Seite gelegt und erst amletzten Kindergartentag vor dem erstenAdvent wieder in die Regale gelegt.

In diesen Tagen binden wir auch denAdventskranz. Die Kinder binden sich

kleine Kränzchen oder machen sich Tan-nensträußchen. Erste adventliche Düftedurchströmen den Kindergarten.

Alle weiteren Vorbereitungen gesche-hen ohne die Kinder, denn die Adventszeitist eine geheimnisvolle Zeit. Sie ist imKindergarten eine besonders innige Zeitund so wichtig und lebendig für die Kinder,dass sie das ganze Jahr über, besondersauch zur Hochsommer/Johannizeit dasKrippenspiel spielen oder vom Nikolaussprechen.

Die Adventszeit ist eine Zeit der Er-wartung auf das was kommen will, eineVorbereitungszeit und eine Zeit der Vor-freude auf Weihnachten.

Adventsgärtlein und ApfellichtWir leiten die Adventszeit zunächst nur

andeutungsweise ein. Dann lassen wir dieKinder eine sich von Adventswoche zuAdventswoche steigernde Fülle erleben.Die Adventszeit ist eine Zeit des Werdensohne schon die Erfüllung zu sein, so wiesich auch das Kerzenlicht auf dem Ad-ventskranz steigert und schließlich imChristbaum einen Höhepunkt findet.

Das Bild des sich steigernden Kerzen-lichtes finden wir auch beim Adventsgärt-lein, das uns im Kindergarten auf die Ad-ventszeit einstimmt.

Das Adventsgärtlein ist ein vorweih-nachtlicher Brauch und findet immer amSamstag Nachmittag vor dem 1. Adventstatt. Am Vortag wird auf dem Boden inunserer Halle eine Spirale aus Tannenreisiggelegt, in deren Mitte erhöht eine großeKerze steht. Jedes Kind bekommt dann imLaufe der Feier ein Apfellicht in die Händegereicht, das es in die Spirale hineinträgt,an der Christuslicht-Kerze entzündet unddann beim Rückweg aus der Spirale aufseinen goldenen Fünfstern (Symbol für denMenschen) stellt, der zwischen den Tan-nenzweigen liegt. So erhellt sich der ge-

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meinsame Weg von Innen nach Außen, bisder zunächst fast dunkle Raum durch dievielen Apfellichter immer heller erleuchtetist. – Wie die Kinder werden auch die Er-wachsenen durch dieses schlichte Gesche-hen in adventliche Stimmung versetzt, dieoft tief in Erinnerung bleibt.

Am Tag vor dem Adventsgärtlein be-reiten wir während der Freispielzeit mit denKindern zusammen die Apfellichter vor.Die rotbackigen Äpfel polieren wir, bis sieschön glänzen, dann wird jeder Apfel etwasausgehöhlt, so dass die Bienenwachskerzeund ein wenig Tannenreisig hineingestecktwerden können. Die älteren Kinder imKindergarten wissen nun schon ganz ge-nau, was morgen geschehen wird, und wirsingen zur Einstimmung die ersten Weih-nachtslieder. „Tief im Gärtlein strahlt eshelle“ und „Über Sterne, über Sonnen, leisegeht Mariens Schritt“.

Warum fügen wir das Apfellicht in die-ser Weise zusammen, was bedeutet dieseEinheit von Apfel, Kerzenlicht und Reisig?

Der Apfel, in der Sommersonne gereift,ist ein uraltes Symbol für die Frucht vomBaum der Erkenntnis, für unsere Erdenna-tur. Dieser Apfel wird zum Träger desoffenen Kerzenlichtes, dieses steht für diegeistigen Qualitäten in uns, die sich amChristuslicht entzünden. Das Kerzenlichtsymbolisiert also die innere Sonne undverbreitet ihre Wärme und ihr Licht, indemes seine eigene Substanz aufopfert. Ver-bunden und gehalten werden Apfel undKerze von den immergrünen Zweigen derTanne, die ein Symbol sind für wirkendeLebens- und Wachstumskräfte. Wir gebenden Kindern mit diesem Apfellicht ein Bilddes Menschen, das sie mitnehmen dürfenauf ihren Entwicklungsweg zu sich selbst,denn die Spirale ist ein altes christlichesSymbol für den Weg des Menschen zu sichselbst. Diesen adventlichen Weg, der auchein Bild für die Erlösung vom Sündenfallist, erlebt das Kindergartenkind beim Ad-

ventsgärtlein im eigenen Tun, was tief insLeibliche hinein wirkt. Durch seine Sin-neswahrnehmungen und die innere Nach-ahmungskraft vollzieht jedes Kind auchden Spiralenweg der anderen mit.

Das Adventsgärtlein verdeutlicht unsdie Verbundenheit des Menschen-Ich mitdem Christus-Ich. Dieser Weg zum Geisti-gen wird von jedem Menschen individuellgegangen, so wie jedes Kind in seiner ganzeigenen Art und Weise den Weg in dieSpirale hinein- und wieder hinausgeht.

Jahreszeitentisch und Krippen-gärtchen

Am Montag nach dem Adventsgärtleinfinden die Kinder den Gruppenraum verän-dert vor. Diese Verwandlung geschah je-doch ohne ihr Dabeisein. Jeden Advents-montagmorgen versammeln wir uns mitEltern vor dem Krippengärtchen am Jah-reszeitentisch und singen im Schein derAdventskranzkerzen unsere Adventslieder.

Bei der Gestaltung des Krippengesche-hens auf dem Jahreszeitentisch gibt esverschiedene Möglichkeiten. In unsererGruppe finden die Kinder ein mit Moosund Tannen gestaltetes Krippengärtchenvor. Die Wand dahinter ist mit einem blau-en Tuch geschmückt. Auf dem Sternen-himmel leuchtet während der Adventszeitjeden Tag ein neuer Stern auf.

Das Krippengärtchen ist so gestaltet,dass im Hintergrund ein kleiner hügeligerWald angelegt ist, in dessen Mitte der Stallsteht. Zum Stall führt im Vordergrund vonbeiden Seiten ein gebogener Weg. DieKinder erleben nun in den kommendenTagen, wie sich im Krippengärtchen lang-sam steigernd das Krippengeschehen voll-zieht. Zunächst hütet Gallus nur seinSchäfchen, dann wird die Schafherde grö-ßer, die anderen Hirten Wittok, Stichl undder alte Crispus kommen dazu. Am Endeder ersten Adventswoche machen sich

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Maria und Josef mit dem Eselchen auf denWeg. Ist der Engel den Hirten erschienen,ziehen auch diese los, nur Crispus bleibtbei den Schafen. (Die Hirten benennen wirnach denen im Oberuferer Weihnachts-

spiel.) Jeden Tag finden die Kinder beimKrippengärtchen etwas verändert vor: dieHirten und Maria mit Josef kommen demStall immer näher, hier erscheint ein Edel-stein, da eine kleine Schnecke, dort einTannenzäpfchen u.v.m. Von Adventswochezu Adventswoche steigert sich auch dasKerzenlicht im Krippengärtchen. JedenMorgen gießen und pflegen wir es, sobleibt es frisch und duftet nach Wald. Baldblühen auch erste Gänseblümchen, Erdbee-ren oder das Moos; feine grüne Gräsersprießen. An dieser gestalteten Naturland-schaft erleben die Kindergartenkinder dieLebenskräfte (auch Formkräfte, Bildekräfteoder Ätherkräfte genannt), die im erstenLebensjahrsiebt an ihnen selbst so intensivwirken und bilden.

Am letzten Kindergartentag vor denWeihnachtsferien sind alle im Stall ange-kommen. Und damit die gemeinsam erlebteAdventszeit nun auch ihren Abschlussfindet, liegt bei unserer kleinen Weih-nachtsfeier das Kind bereits in der Krippe.

So wird das Geschehen im Krippengärt-chen zu einer Ganzheit abgerundet, dennnach den Ferien steht auf dem Jahreszei-tentisch das Haus der Familie des Jesuskin-des, das die Heiligen Drei Könige anbeten.

Sankt Nikolaus

Am 6. Dezember kommt der HeiligeNikolaus zu uns in den Kindergarten.

Das Leben des in der Legende geschil-derten Bischofs Nikolaus von Myra(4.Jahrhundert) war bestimmt von Güte,Liebe und Selbstlosigkeit. Im Kindergartenkommt der Nikolaus aber nicht als Moral-gestalt, sondern als Vorbote des Christkin-des; sein gütiges Wirken soll die Weih-nachtszeit für die Kinder vorbereiten.

Bis ins Äußere hinein soll die Niko-lausgestalt ein Wahrbild sein und so trägt erein weißes Priestergewand als Zeichen fürdie Reinheit seines Wesens, darüber einenblauen Samtmantel mit goldenen Sternen,dies deutet auf seine himmlische Herkunfthin. Er kommt in festen Stiefeln, trägt wür-devoll eine Mitra und hält einen goldenenBischofsstab in der Hand.

Wenn wir morgens dann im Märchen-kreis sitzen, klopft es fest an die Türe.

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Nikolaus, der Himmelsbote, trifft ein underzählt von seiner langen Erdenreise undwie er Mutter Maria begegnete. Sie gabihm den Auftrag die Liebe der Menschen-herzen zu sammeln. Denn diese Liebe be-reichert das Sternenkleid, das Maria für dasChristkind webt, um es vor Erdendunkelund Erdenkälte zu schützen. Nikolaus istschon weit über die Erde gewandert, umdie Liebe der Kinder zu sammeln. Er kenntauch unsere guten Taten und die liebevol-len Gedanken. Er sieht aber auch, wasunsere Herzen trübt, deshalb geht er imKreis herum, um mit einem Tannenbüschelsymbolisch unsere Herzen für die nahendeWeihnachtszeit zu „putzen“. Wir singenihm dann das Lied „Über Sterne, über Son-nen“, das von Marias Weg von Stern zuStern berichtet, um die Strahlen für dasSternenkleid zu sammeln. Dann teilt unsNikolaus Sterne aus, Himmelssterne ausfeinen Lebkuchen, „damit ihr nimmer ver-gesst bis zur Heiligen Nacht, dass Men-schenliebe die Strahlen des Himmels bindetund dass es nur Weihnachten wird aufErden, wenn die Liebe der Menschen demChristkinde hilft“. – Wir danken dem Ni-kolaus mit einem Lied und verabschiedenihn.

Die Kinder sitzen nun sehr beeindrucktauf ihren Plätzen, springen aber gleichgelöst auf, wenn Knecht Ruprecht die Türeein wenig öffnet und einen Korb Nüsse inden Gruppenraum wirft. Der Nikolausbringt uns Nüsse – als Bild für die Gedan-kenarbeit, die auch dazugehört, um demWeihnachtsfest näher zu kommen, „an denKern der Sache zu kommen“. Er schenktuns die Lebkuchensterne – Lebkuchen sindverfeinerte, mit Gewürzen angereicherteBrote – und er bringt Äpfel, Symbol für dieErkenntniskräfte des Menschen, oder auchMandarinen, die als Sonnenfrüchte dasSüße in uns nähren. Diese Gaben legt er alsWegzehrung in unsere Schuhe oder Stiefel,die wir geputzt hinausstellen. So hilft uns

der Nikolaus den Weg zum Weihnachtsge-schehen hin zu bereiten.

Geheimniskörbchen und Moos-gärtchen

Der Nikolaus bringt uns auch das „Ge-heimniskörbchen“ mit. Darin liegt jedenTag bis zu den Ferien ein Geschenk aus derNatur verborgen, das die Kinder währenddes Morgenkreises erhalten. Jedes Kindlegt seinen Schatz behutsam in sein Moos-gärtchen. Die Moosgärtchen wurden in denersten Adventstagen vorbereitet, dabeihelfen die Kinder Erde in Tonschalen zufüllen und Moos darauf zu legen. JedenTag füllt sich das Moosgärtchen also mitSchätzen aus dem Mineral-, Pflanzen- undTierreich, bis dann kurz vor Weihnachtendie Kinder Maria, Josef und das Kindleinaus Bienenwachs kneten, manchmal gesel-len sich Ochs und Esel dazu, oder der En-gel. Zuletzt werden immergrüne Zweigeund eine Bienenwachskerze ins Moosgärt-chen gesteckt. Bei unserer kleinen Weih-nachtsfeier erhält jedes Kind sein Gärtcheneingepackt als Geschenk für die ganze

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Familie und die Kerze darauf darf dann amHeiligen Abend angezündet werden.

Während der Adventszeit pflegen undgießen wir täglich die Moosgärtchen, dieKinder springen oft hin, schauen sich ihrGärtchen an und ordnen die Schätze immerwieder neu. An diesem kleinen Moosgärt-chen erleben die Kinder selber schaffend,was auch am großen Krippengärtchen ge-schieht, erleben den engen Zusammenhangzwischen der Natur und dem Weihnachts-geschehen, wie es im Lukas-Evangeliumberichtet wird.

Ebenfalls im Geheimniskörbchen fin-den wir zwei bis drei Nüsse jeden Morgen,für jedes Kind im Laufe der Adventswo-chen eine. Alle lauschen, wenn die Nuss inder geschlossenen Hand der Kindergärtne-rin von Ohr zu Ohr wandert; das Kind, beidem die Nuss klappert, erhält sie dann,öffnet sie und zeigt den anderen stolz sei-nen schönen Edelstein. Beide goldenenNusshälften legen die Kinder ins Moos-gärtchen, in der einen Schale liegt der Edel-stein, in die andere wird das gekneteteKindlein auf Wolle gelegt.

Jeden Morgen haben die Engel neuegoldene Briefe in den Tannenstrauß gelegt.Im Kerzenschein kann man, wenn man sehrgut schaut, den Namen des Kindes lesen,das eine Engelspost erhalten hat. Strahlendbetrachten die Kinder ihre Engelskartenund zeigen sie herum, bevor wir sie aneinem blauen Tuch befestigen. Jeden Tagwerden es mehr Karten und die Kinderkönnen sich sehr gut merken, wem welchegehört. Am letzten Tag erhalten alle ihreEngelspost als Weihnachtsgeschenk ver-packt mit nach Hause.

Das KrippenspielNachdem der Nikolaus bei uns war,

fangen wir an, jeden Vormittag zum Ab-schluss das Krippenspiel mit verteiltenRollen zu spielen. Jeden Tag schlüpfen die

Kinder in eine andere Rolle, die wir mitUmhängen und Tüchern andeuten. DasKrippenspiel ist aus Weihnachtsliedern undgesprochenen Texten zusammengestellt.Über die Nachahmung prägen sich dieLieder und Gesten tief bei den Kindern ein,und voll Freude wird das Krippenspielimmer wieder während der Freispielzeitmorgens aufgegriffen – nicht nur in derAdventszeit.

Am letzten Kindergartentag vor den Fe-rien laden wir alle Eltern und Geschwisterzu unserer kleinen vorweihnachtlichenFeier ein. Noch einmal erleben wir allegemeinsam mitwirkend das Krippenspiel.Danach sitzen wir gesellig zusammen undessen die für diese Feier gebackenen Aus-stecherle. Wir singen einige unserer Weih-nachtslieder, dann erhalten die Kinder ihreGeschenke überreicht und mit unseremschönsten Weihnachtslied „Maria durch einDornwald ging“ verabschieden wir uns indie Weihnachtszeit.

Das Fest der Liebe

An den Heiligen Abend schließen sichdie Zwölf Heiligen Nächte an, eine bedeu-tungsvolle Zeit zwischen den Jahren, in derwir ausruhen und neue Kräfte sammelnkönnen. Erst wenn die Heiligen Drei Köni-ge das Jesuskind, das jetzt schon im Hausist, angebetet und beschenkt haben, werdenwir uns wieder im Kindergarten sehen. Nunherrscht eine ganz andere Stimmung; dieKinder freuen sich auf das Drei-Königs-Spiel, das wir bis Maria Lichtmess am 2.Februar durchtragen. Durch das Auftretender Heiligen Drei Könige können die Kin-der ein vollständiges Bild des Weihnachts-ereignisses erleben. Die Evangelien bergenein großes Geheimnis, in zwei Bildern wirdes angedeutet: Im Lukas-Evangelium fin-den die Hirten im Stall zu Bethlehem dasneugeborene Kind, im Matthäus-

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Evangelium beten die Weisen aus demMorgenland das Jesuskind im Haus an.

Durch alle vorher beschriebenen Tätig-keiten in der Adventszeit wollen wir demKind im Kindergartenalter den geistigenInhalt des Christgeburtsfestes erlebbarmachen. In der Adventszeit haben wir unsvorbereitet auf die Ankunft des Christus-kindes, das uns vom Vatergott in dunkelsterErdennacht geschenkt wird und als dashellste Licht auf der Erde ankommt. Es sollden Keim bilden für ein neues brüderlichesMiteinander unter den Menschen. DasWeihnachtsfest ist das Fest der Liebe undso ist das Christkind, das die Geschenkebringt, ein Wahrbild für den Christus, deruns so liebt, dass wir schenken wollen.Wenn die Kinder größer werden und da-nach fragen, werden sie verstehen, dass dieErwachsenen Helfer des Christkindes sind,und werden auch den Wunsch haben, spätersolche Helfer zu sein.

Zum Schluss möchte ich als Abrundungdas folgende Gedicht von Ch. Morgensternanfügen, das den Weihnachtsgedanken insehr stimmiger Weise ausdrückt:

Licht ist LiebeLicht ist Liebe … Sonnen-WebenLiebes-Strahlung einer Weltschöpferischer Wesenheiten –die durch unerhörte Zeitenuns an ihrem Herzen hält,und die uns zuletzt gegebenihren höchsten Geist in einesMenschen Hülle während dreierJahre: da Er kam in SeinesVaters Erbteil – nun der Erdeinnerlichstes Himmelsfeuer:dass auch sie einst Sonne werde.

Christian Morgenstern

D. Schneider (K)

Aus dem Josef-Spiel der 4. Klasse