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EPRS | Wissenschaftlicher Dienst des Europäischen Parlaments Verfasserin: Cornelia Klugman Referat Europäischer Mehrwert November 2016 — PE 593.501 Die Kontrolle der Exekutive in den Vereinigten Staaten

Die Kontrolle der Exekutive in den Vereinigten Staaten2016... · Exekutive der voraussichtlichen Folgen einer Verordnung und Abschätzung ihrer Vorteile und Kosten. Entspricht den

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EPRS | Wissenschaftlicher Dienst des Europäischen Parlaments Verfasserin: Cornelia Klugman

Referat Europäischer Mehrwert November 2016 — PE 593.501

Die Kontrolle der Exekutive

in den Vereinigten

Staaten

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In der vorliegenden Analyse werden die Ergebnisse eigener Forschungsarbeiten zum Kontrollsystem des Kongresses der Vereinigten Staaten vorgestellt. Die Analyse stützt sich insbesondere auf 44 Interviews, die mit politischen Akteuren durchgeführt wurden, darunter Mitglieder des Kongresses, Assistentinnen und Assistenten von Mitgliedern beider Kongresskammern sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der unterstützenden Stellen des Kongresses, der Regierung der Vereinigten Staaten, von Think-Tanks und aus der Wissenschaft.

PE 593.501 ISBN 978-92-823-9963-7 doi:10.2861/832253 QA-01-16-774-DE-N

Das Originalmanuskript in englischer Sprache wurde im November 2016 fertiggestellt.

Haftungsausschluss

Für den Inhalt dieses Dokuments ist ausschließlich die Verfasserin verantwortlich. Die darin vertretenen Auffassungen entsprechen nicht unbedingt dem Standpunkt des Europäischen Parlaments. Das Dokument richtet sich an die Mitglieder und Mitarbeiter des EP und ist für deren parlamentarische Arbeit bestimmt. Nachdruck und Übersetzung – außer zu kommerziellen Zwecken – mit Quellenangabe sind gestattet, sofern der Herausgeber vorab unterrichtet und ihm ein Exemplar übermittelt wird.

© Europäische Union, 2016.

Fotonachweise: © PB / Fotolia.

[email protected] http://www.eprs.ep.parl.union.eu (Intranet) http://www.europarl.europa.eu/thinktank (Internet) http://epthinktank.eu (Blog)

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ZUSAMMENFASSUNG

Um sicherzustellen, dass die Absicht ihrer Gesetzgebung angemessen befolgt wird, verfügt die gesetzgebende Gewalt der Vereinigten Staaten, der Kongress, über die Befugnis der Kontrolle („oversight“, im europäischen Kontext ist der englische Begriff „scrutiny“ gebräuchlich) über die US-amerikanische Exekutive, d. h. die Regierung der Vereinigten Staaten. Die Ausübung der Kontrolle in den USA unterscheidet sich von der Art und Weise, wie das Europäische Parlament als Teil der gesetzgebenden Gewalt der Europäischen Union Kontrolle über die Exekutive der EU (die Kommission) ausübt. Dies liegt zum Teil an den strukturellen Unterschieden zwischen den Regierungssystemen der EU und der USA, da es sich bei den Vereinigten Staaten um einen souveränen Staat handelt, dessen Kongress sowohl Gesetze verabschiedet als auch über das legislative Initiativrecht verfügt. Im Lauf der Jahre war das Europäische Parlament in zunehmendem Maß daran interessiert, politische Initiative und Gesetzgebungsinitiative auszuüben, wobei dieses Vorrecht gemäß den Verträgen in den meisten Bereichen der Kommission zugewiesen ist. Das Parlament wendet Kontrollverfahren unter anderem mit dem Ziel an, Vorschläge zur Verbesserung von politischen Maßnahmen oder Programmen zu machen. Im EU-System herrscht zwischen Parlament und Kommission ein weniger stark ausgeprägtes Spannungsverhältnis als zwischen dem Parlament und dem Rat der Europäischen Union, dem anderen Zweig der EU-Legislative.

Der US-Kongress besteht aus zwei Kammern, dem Senat und dem Repräsentantenhaus, und verfügt über viele formelle wie informelle Instrumente, um die Exekutive zur Rechenschaft zu ziehen. Die Aktivitäten des Kongresses hängen zu einem großen Teil von individuellen Interessen der Senatoren und Repräsentanten ab, und es wird oft angenommen, dass die Repräsentanten stärker regelmäßige, systematische Kontrolle ausüben, während Senatoren eher das Rampenlicht suchen und mit Unterstützung der Medien dann einschreiten, wenn die Exekutive einer unzureichenden Umsetzung der Maßnahmen verdächtigt wird. Demgegenüber versucht das Europäische Parlament, die Kommission in allen Stufen des legislativen und politischen Zyklus zu beeinflussen und zur Rechenschaft zu ziehen: von der Agendasetzung über Konsultationen und Gesetzgebung bis zur Kontrolle, deren Ergebnisse wiederum in die Agendasetzung einfließen sollten.

Der US-Kongress wird bei seinen Kontrollaktivitäten von drei Dienststellen unterstützt, in denen Beamte arbeiten: der Congressional Research Service (CRS), das Government Accountability Office (GAO) und das Congressional Budget Office (CBO). Der CRS stellt Ausschüssen und einzelnen Kongressmitgliedern Fachwissen in Form von Dokumenten und Informationsgesprächen zur Verfügung. Im Europäischen Parlament werden diese Tätigkeiten vom Wissenschaftlichen Dienst des Europäischen Parlaments (European Parliamentary Research Service, EPRS) und den verschiedenen Fachabteilungen durchgeführt. Das GAO führt externe Prüfungen der Bundesausgaben einschließlich Leistungsaudits durch. Seine Funktionen entsprechen in etwa denen des Europäischen Rechnungshofs. Zum CBO, das den Kongress mit Haushalts- und Wirtschaftsanalysen unterstützt, gibt es im Europäischen Parlament oder anderen EU-Institutionen kein direktes Pendant.

Zu einem großen Teil wird die Kontrolle in den USA auch von der Exekutive ausgeführt. In sämtlichen Bundesministerien und -behörden gibt es jeweils ein „Office of Inspector General (OIG)“, das eine interne Kontrollfunktion ausübt. Bei der Ausarbeitung von Gesetzen nimmt die US-Exekutive zu Vorschlägen, bei denen signifikante wirtschaftliche Auswirkungen zu erwarten sind, eine Folgenabschätzung der Rechtsakte vor. Die Kommission dagegen erstellt Folgenabschätzungen im Zusammenhang mit bedeutenden Vorschlägen, die das Europäische Parlament parallel dazu mit der Unterstützung spezialisierter parlamentarischer Dienste prüft. Ferner bewertet die US-Exekutive, wenngleich noch nicht sehr systematisch,

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bereits geltende Maßnahmen. Das Europäische Parlament nimmt mit Unterstützung des EPRS konkrete Bemühungen vor, Ex-post-Bewertungen in künftige Vorschläge miteinfließen zu lassen.

Bei einer vergleichenden Untersuchung der Kontrolle durch den US-Kongress in zwei konkreten Bereichen, der Umwelt- und der Außenpolitik, lassen sich in beiden Fällen sowohl Beispiele für eine evidenzbasierte Kontrolle als auch für eine politisch motivierte Kontrolle der Exekutive finden; Letzteres ist insbesondere der Fall, wenn Kongress und Regierung von unterschiedlichen Parteien dominiert werden. Bei der Kontrolle der Aktivitäten der US-Umweltschutzbehörde (EPA) ist es seitens des Kongresses zu Beschwerden gekommen, dass die Exekutive, statt zu regulieren – d. h. die Gesetzgebung konkreter und damit anwendbarer zu machen –, in seinen legislativen Bereich eindringe. Die Kontrolle des US-Außenministeriums umfasst verschiedene Tätigkeiten von der Überprüfung der internen Organisation und der Verwaltung von Programmen bis zu wiederholten Anhörungen zu einem konkreten Vorfall, um eine ehemalige Außenministerin zu diskreditieren.

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INHALTSVERZEICHNIS

1. Einleitung ....................................................................................................................... 5

1.1. Hintergrund der vorliegenden Studie ......................................................................... 5

1.2. Gründe für die Kontrolle ............................................................................................. 7

2. Unterschiede zwischen der EU und den Vereinigten Staaten im Hinblick auf Regierungsführung und Aufbau ........................................................................................ 8

2.1. Initiativrecht ............................................................................................................... 8

2.2. Beziehungen zwischen dem Europäischen Parlament und der Exekutive ............... 10

3. Schematische Darstellung der Kontrolle in den Vereinigten Staaten und der EU ...... 11

4. Kontrolle durch den Kongress: Funktionsweise .......................................................... 13

4.1. Vom US-Kongress verwendete Instrumente ............................................................ 13

4.1.1. Formelle Kontrollinstrumente .................................................................................... 13

4.1.2. Informelle Kontrollinstrumente ................................................................................. 15

4.1.3. Eigenschaften der Kontrolle durch den Kongress ...................................................... 15

4.1.4. Vergleich mit der Kontrolle durch das Europäische Parlament ................................. 16

4.2. Unterstützende Stellen des Kongresses ................................................................... 19

4.2.1. Congressional Research Service (CRS) ........................................................................ 19

4.2.2. Government Accountability Office (GAO – Rechnungshof der USA) ......................... 20

4.2.3. Congressional Budget Office (CBO) ............................................................................ 21

4.2.4. Vergleich mit unterstützenden Stellen des Europäischen Parlaments ...................... 23

5. Interne Kontrolle durch die Regierung ........................................................................ 24

5.1. Generalinspektoren (Inspectors General, IG)........................................................... 24

5.2. Verknüpfung von interner und externer Kontrolle .................................................. 25

5.3. Ex-ante: Folgenabschätzung eines Rechtsakts (RIA) ................................................ 25

5.4. Rolle des US-Kongresses bei der Regulierung .......................................................... 28

5.5. Vergleich mit Ex-ante-Analysen der EU/des EP ........................................................ 29

5.6. Ex-post: Nachträgliche Überprüfung ........................................................................ 31

5.7. Vergleich mit Ex-post-Analysen der EU/des EP ........................................................ 33

6. Fallstudien nach Politikbereichen................................................................................ 35

6.1. US-Umweltschutzbehörde (Environmental Protection Agency, EPA) ..................... 35

6.2. Auswärtige Angelegenheiten ................................................................................... 37

6.3. Hängt die Intensität der Kontrolltätigkeiten vom Politikbereich ab? ...................... 41

7. Schlussfolgerungen zum Vergleich zwischen dem US- und EU-System der Kontrolle 42

8. Wichtige Quellen ......................................................................................................... 43

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Glossar

Fach- oder Genehmigungsausschuss: Ausschuss einer der beiden Kammern, der sich mit einem Politikbereich wie beispielsweise auswärtige Angelegenheiten, Energie oder Justiz befasst.

Regierung: Die Exekutive, häufig mit Verweis auf einen konkreten Präsidenten, wie in „die Regierung Obama“.

Kongress: Die US-Legislative, die aus zwei Kammern besteht: dem Repräsentantenhaus und dem Senat.

Exekutive: Die Regierung des Präsidenten und die nachgeordneten Dienste einschließlich den „Government Departments“ als Entsprechungen zu europäischen Ministerien, Behörden, die einem solchen Ministerium berichten, sowie unabhängige Regulierungsbehörden.

Generalinspektor: Der Generalinspektor („Inspector General“) ist für die Überprüfung der US-Ministerien innerhalb der Exekutive zuständig.

Kontrollausschuss: Senate Committee on Homeland Security and Governmental Affairs (Senatsausschuss zur Überwachung der Arbeit des Ministeriums für Innere Sicherheit und die Exekutive) und House Committee on Oversight and Government Reform (Ausschuss des Repräsentantenhauses zur staatlichen Aufsicht und Reform).

Folgenabschätzung eines Rechtsakts (Regulatory impact analysis, RIA): Beurteilung der US-Exekutive der voraussichtlichen Folgen einer Verordnung und Abschätzung ihrer Vorteile und Kosten. Entspricht den Folgenabschätzungen der Kommission.

Verordnung: Eine von der Exekutive beschlossene Rechtsvorschrift („rule“), über die nicht im Kongress abgestimmt wird, die aber dafür bestimmt ist, die Absicht des Kongresses zu erfüllen.

Gesetz: Ein vom Kongress mit (und in bestimmten Fällen ohne) Zustimmung des Präsidenten verabschiedeter Rechtsakt („statute").

Subpoena (Vorladung): Eine gerichtliche Anordnung, die von den ständigen Ausschüssen und Unterausschüssen des Senats und des Repräsentantenhauses verwendet wird, um Zeugen zur Aussage vorzuladen und die Erstellung von Dokumenten anzufordern.

Liste der wichtigsten Abkürzungen

AWP: Annual Work Programme (Jährliches Arbeitsprogramm der Kommission)

CONT: Haushaltskontrollausschuss des Europäischen Parlaments

CBA: Cost-benefit analysis (Kosten-Nutzen-Analyse)

CBO: Congressional Budget Office

CRS: Congressional Research Service

GD EXPO: Generaldirektion Externe Politikbereiche des Europäischen Parlaments

GD IPOL: Generaldirektion Interne Politikbereiche des Europäischen Parlaments

EuRH: Europäischer Rechnungshof

EP: Europäisches Parlament

EPA: Environmental Protection Agency (US-Umweltschutzbehörde)

EPRS: European Parliamentary Research Service (Wissenschaftlicher Dienst des Europäischen Parlaments)

GAO: Government Accountability Office (Rechnungshof der USA)

IAS: Internal Audit Service of the European Commission (Interner Auditdienst der Kommission)

IG: Inspector General (Generalinspektor)

OIG: Office of the Inspector General

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OIRA: Office of Information and Regulatory Affairs

OMB: Office of Management and Budget

PD: Policy Department (Fachabteilung des Europäischen Parlaments)

RIA: Regulatory impact analysis (US), (regulatory) impact assessment (EU): Folgenabschätzung eines Rechtsakts

RR: Retrospective review (nachträgliche Überprüfung)

EUV: Vertrag über die Europäische Union

AEUV: Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union

1. Einleitung

1.1. Hintergrund der vorliegenden Studie

In dieser Studie soll dargestellt werden, wie in den Vereinigten Staaten die Kontrolle über die Exekutive ausgeübt wird. Der Schwerpunkt liegt auf den Beziehungen zwischen dem US-Kongress und der Exekutive. Es wird ein Vergleich zum System der Europäischen Union aufgestellt, wobei der Schwerpunkt auf dem Europäischen Parlament und den zugehörigen unterstützenden Diensten liegt, insbesondere auf der Direktion C der Generaldirektion Wissenschaftlicher Dienst (GD EPRS). Diese Direktion wurde gegründet, um das Europäische Parlament (EP) im Hinblick auf die Kontrolle der Exekutive (die Kommission) zu stärken und zu einer besseren Rechtsetzung beizutragen. Wie EP-Generalsekretär Klaus Welle betonte, können Kontrolltätigkeiten das EP dabei unterstützen, den Gesetzgebungszyklus zu vollenden.1 Das EP hat folglich das Ziel, eine aktive Rolle zu spielen und alle Phasen des Politik- und Gesetzgebungsprozesses zu beeinflussen.

Tabelle 1 – Abschluss des Gesetzgebungszyklus

Zyklusphase Bestrebungen und Tätigkeit des EP

Agendasetzung Beeinflussung des Arbeitsprogramms der Kommission und des Mehrjahresprogramms

Konsultationen Einholen von Anregungen zu den Themen, die im jährlichen Arbeitsprogramm der Kommission behandelt werden

Gesetzgebung Vollständige Wahrnehmung der traditionellen Aufgaben des EP in Gesetzgebungs- und Haushaltsangelegenheiten

Kontrolle Kontrolle der Umsetzung der auf EU-Ebene verabschiedeten Rechtsvorschriften und getroffenen Entscheidungen

In dieser Studie werden die Ergebnisse eigener Forschungsarbeiten zum Kontrollsystem der Vereinigten Staaten vorgestellt. Die Analyse stützt sich insbesondere auf 44 Interviews, die mit politischen Akteuren durchgeführt wurden, darunter Kongressmitglieder, Assistentinnen und Assistenten von Mitgliedern beider Kongresskammern sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der unterstützenden Stellen des Kongresses, der Regierung der Vereinigten Staaten, von Think-Tanks und aus der Wissenschaft. Die Forschungsarbeiten wurden während eines Forschungsaufenthalts der

1 Eine Beschreibung des Mechanismus dieses Zyklus findet sich in Completing the legislative cycle, Klaus

Welle, Europäisches Parlament, 9. Oktober 2014; für weitere Informationen siehe Total quality management along the whole legislative cycle – A fresh look at better law-making, Klaus Welle, Rede, 30. Januar 2014.

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Verfasserin im Rahmen eines European Parliament Fellowship am Center for Transatlantic Relations der School of Advanced International Studies (SAIS) der Johns Hopkins University in Washington, D.C., im akademischen Jahr 2014/2015 durchgeführt.2

In der Studie wird eine Reihe von Aspekten eines kürzeren, parallel erstellten Briefings ausführlicher behandelt. Die Literaturrecherche wurde vertieft und es wurden unter anderem die Merkmale und die Wirksamkeit von Kontrolle in verschiedenen Politikbereichen behandelt und ein ausführlicherer Vergleich zwischen den Kontrollsystemen in den Vereinigten Staaten und der Europäischen Union vorgenommen.

In der Originalfassung dieses Dokuments wird der Begriff „oversight“ entsprechend seinem üblichem Gebrauch in den Vereinigten Staaten auch für den englischen Begriff „scrutiny“ eingesetzt. Die Begriffe „oversight“ und „scrutiny“ werden in der Originalfassung dieser Studie synonym verwendet und in der deutschen Fassung immer mit dem Begriff „Kontrolle“ übersetzt.3

Praktische Informationen über die Arbeitsweise der Kontrollinstitutionen in den Vereinigten Staaten auf Grundlage von Literaturrecherchen, vor allem aber durch Interviews mit den oben genannten Akteuren.

Es handelte sich um eine standardisierte Befragung, bei der den Interviewpartnern folgende Fragen vorgelegt wurden:

Wie (gut) funktioniert die parlamentarische Kontrolle? Wie könnte sie verbessert werden?

Welche Funktionen üben die einzelnen Ausschüsse, Kontrollausschüsse/-unterausschüsse und sonstigen Ausschüsse aus?

Welche Rolle spielt Parteilichkeit? Welche formellen und informellen Kontrollinstrumente haben Sie verwendet bzw.

welchen waren Sie ausgesetzt?

Kongressdienste CRS, GAO, CBO Auf welche Art und Weise erreichen Ihre Studien und anderen Erzeugnisse die

Mitglieder des Kongresses? Analysieren Sie die Auswirkungen Ihrer Arbeit auf die aktuelle oder zukünftige

politische Entscheidungsfindung? Wie interagieren Sie mit den anderen unterstützenden Stellen des Kongresses? Gab es Fälle, in denen Ihre Ergebnisse drastisch von den Ergebnissen dieser Stellen

abwichen? Gibt es Überschneidungen zwischen Ihren jeweiligen Rollen?

CRS: Sie führen auch die Überwachung und Bewertung der Umsetzung und Kontrolle durch. Wie sind Ihre Aufgabenbereiche von den Aufgabenbereichen von GAO und CBO abgegrenzt?

Welchen Einfluss haben diese Dienststellen auf den Kongress?

Wie interagieren diese Dienste mit Kongressmitgliedern und Ausschussmitarbeitern?

2 Die Verfasserin dankt den politischen Experten, die sich zur Teilnahme an der Befragung bereit erklärt

und wertvolle Einblicke für diese Studie geliefert haben, der Gastgeberorganisation Center for Transatlantic Relations der SAIS/Johns Hopkins University und ihren Kollegen vom Verbindungsbüro des Europäischen Parlaments (European Parliament Liaison Office, EPLO) in Washington, D.C., insbesondere Micaela del Monte für ihre Unterstützung bei der Durchführung vieler der Interviews, die als Grundlage für diese Studie dienen.

3 CRS-Gruppeninterview.

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Zu welchem Zeitpunkt des Politik- und Gesetzgebungsverfahrens/-zyklus werden die

Dienststellen üblicherweise von den Mitgliedern um die Erstellung eines Berichts gebeten?

Gibt es bei der Abdeckung des Gesetzgebungszyklus Lücken, das heißt Momente, in denen verstärkte Recherchearbeiten vonseiten der Behörden nützlich wären?

Haben die Dienste Zugriff auf vertrauliche Kongress- oder Regierungsinformationen?

Wie messen die Dienststellen die Auswirkungen ihrer Arbeit? (zahlenmäßige Erfassung schwierig; Probleme hinsichtlich Messgrößen, Ergebnissen und Produktivität)

Gibt es Peer-Reviews durch interne oder externe Stellen?

Wie verwendet der Kongress das Fachwissen – wie stark evidenzbasiert ist die politische Entscheidungsfindung?

Evaluierung Wie funktioniert die Evaluierung/Ex-post-Folgenabschätzung von Rechtsakten,

Ausgabenprogrammen, internationalen Vereinbarungen in den USA? Wer fordert Evaluierungen an? Gibt es – über Anhörungen und Arbeitstreffen hinaus – eine bestimmte Stelle innerhalb

des Kongresses oder der Regierung, die für die Betreuung von Evaluierungen zuständig ist?

Ist die Kontrolle auswärtiger Angelegenheiten schwieriger als die Kontrolle der Umweltpolitik?

Beim transatlantischen Vergleich der Kontrolle muss auch erörtert werden, auf welche Art und Weise die Regierung (Exekutive) ihre eigenen Aktivitäten kontrolliert. In den Vereinigten Staaten setzt die Regierung Gesetze („statutes“, siehe Glossar) um, nachdem diese vom Kongress verabschiedet und vom Präsidenten gebilligt wurden. Die Durchführungsmaßnahmen/ Verordnungen („rules“) sind das Ergenis des Regulierungsprozesses. Je nach Fall können sie von einer Folgenabschätzung eines Rechtsakts („Regulatory Impact Analysis“) begleitet sein.

Nach der Verabschiedung von Gesetzen und Verordnungen (Ex-post) führt die US-Regierung eine nachträgliche Überprüfung („Retrospective Review“) durch. Es handelt sich hierbei um eine Bewertung aktueller politischer Maßnahmen, die der Regierung die Verbesserung von Vorschriften erleichtern kann und manchmal (wenn auch selten) dazu führt, dass der Kongress die zugrunde liegenden Gesetze neu fasst.

In den Vereinigten Staaten beruft sich die Exekutive bei der Kontrolle ihrer eigenen Tätigkeiten häufig auch auf Generalinspektoren („Inspectors General“), die einer Behörde oder einem Ministerium angehören und Gesetze, Maßnahmen sowie Ausgabenprogramme einer internen Prüfung unterziehen.

1.2. Gründe für die Kontrolle

Die Kontrolle in den Vereinigten Staaten wird als Bestandteil der Arbeit von Kongressausschüssen und -mitgliedern bei der Ausübung ihrer legislativen Aufgaben angesehen. Der Kongress erstellt Gesetze („statutes“), möchte ferner aber auch sicherstellen, dass bei der anschließenden Durchführung dieser Gesetze die Absicht des Kongresses erfüllt wird.

Des Weiteren dient die Kontrolle durch den Kongress unter anderem folgenden Zielen:

• Vertreter der Exekutive bei der Umsetzung der übertragenen Befugnisse zu überwachen;

• Förderung der Verwaltungseffizienz in der Regierung;

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• Bewahrung und Förderung von Maßnahmen und Programmen, die von den

Ausschüssen – auch als Alternative oder im Vorgang zur Gesetzgebung – als wichtig erachtet werden;

• Aufzeigen der Misserfolge und Erfolge einer Regierung; • Publikmachen der Ziele eines bestimmten Ausschusses oder Mitglieds; • Bekräftigung der Autorität des Kongresses gegenüber der Regierung; und • Verfolgen der Interessen von Lobbys.

Die Kontrollfunktion des Kongresses wurde 1946 im Legislative Reorganization Act festgelegt.

Tabelle 2 – Legislative Reorganization Act

Stelle Tätigkeit

Gesetzgebungs- oder Genehmigungsausschüsse

Überprüfung von Regierungsprogrammen und -behörden

Ausschüsse für Mittelzuweisungen („Appropriations Committees“)

Überprüfung der Regierungsausgaben

Kontrollausschüsse Überprüfung der Bundesregierung auf Ineffizienz, Verschwendung und Korruption.

Nach 1946 untermauerte der Kongress seine Kontrollfunktionen durch verschiedene Gesetze, mit denen die personelle Unterstützung des Senats und des Repräsentantenhauses verbessert, die Finanzierungsmodelle einiger Programme auf jährliche Finanzierung verkürzt und die Rolle des GAO gestärkt wurden. Der Legislative Reference Service wurde erweitert und später in Congressional Research Service umbenannt.4

2. Unterschiede zwischen der EU und den Vereinigten Staaten im Hinblick auf Regierungsführung und Aufbau

Während es sich bei den Vereinigten Staaten um einen souveränen Staat handelt, wird die EU im Allgemeinen als einzigartiges politisches Phänomen beschrieben, als Gebilde sui generis, dessen Regierungssystem weder einem Bundesstaat (Föderation) noch einem Staatenbund (Konföderation) entspricht und das gleichzeitig sowohl Merkmale eines Staates als auch einer internationalen Organisation aufweist.5

2.1. Initiativrecht

Der US-Kongress ist das wichtigste Gesetzgebungsorgan und verfügt unter anderem über das Initiativrecht. Das EP teilt legislative Befugnisse mit dem Rat der Europäischen Union, während die Kommission in den meisten Politikbereichen die alleinige Initiatorin der Gesetzgebung ist.

Ausnahmen zu dieser Regel sind die folgenden Bereiche, in denen das Initiativrecht beim EP liegt:

einheitliches Wahlverfahren zum Europäischen Parlament

Statut der Abgeordneten des Europäischen Parlaments

4 How Congress Works, Congressional Quarterly Inc. 2013, S. 181. 5 Struktur der Europäischen Union, Europäisches Parlament, abgerufen am 29. Juli 2016.

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Statut des Europäischen Bürgerbeauftragten

Ausübung des Untersuchungsrechts des Europäischen Parlaments

Feststellung der eindeutigen Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung der Werte der

EU durch einen Mitgliedstaat.6

Im jüngsten Vertrag wurden delegierte alleinige oder gemeinsame Initiativrechte in den Bereichen Justiz und Inneres sowie Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, die zuvor auf zwischenstaatlicher Zusammenarbeit beruhten, an die Kommission übertragen.7 Das 2025-Team des EP stellte jedoch fest, dass die formalen Rechte der Kommission seit der Präsidentschaft von Romano Prodi (1999–2004) zum Teil an den Rat, den Europäischen Rat und das EP übergegangen sind.8 Das EP ist bestrebt, durch die Erstellung legislativer Initiativberichte seine Möglichkeiten zur politischen und legislativen Agendasetzung zu verbessern.9 Gemäß Artikel 225 AEUV hat das EP ein indirektes Recht zur Gesetzesinitiative: Nach diesem Artikel kann das EP die Kommission auffordern, Legislativvorschläge zu unterbreiten. Zwar kann die Kommission dies ablehnen, aber durch Änderungen im Rahmen des Vertrags von Lissabon ist sie nunmehr verpflichtet, ihre Ablehnung zu begründen.

Im Hinblick auf die Kontrolle sind die Unterschiede beim Initiativrecht signifikant: Der Kongress übt Kontrolltätigkeiten unter anderem mit dem praktischen Ziel aus, die Gesetzgebung oder den Haushalt im Zusammenhang mit nicht zufriedenstellenden politischen Maßnahmen zu ändern. Er kann diese Änderungen selbst initiieren. Ein allgemein bekannter und häufig verwendeter Ansatzpunkt für das EP ist jedoch die Haushaltsbefugnis („power of the purse“)10. Das EP setzt diese Befugnis bei der Verabschiedung des EU-Haushaltsplans (gemeinsam mit dem Rat) und ferner auch im Entlastungsverfahren (siehe Abschnitt 5.7) ein. Im Vertrag von Lissabon wurde die Unterscheidung zwischen obligatorischen und nicht-obligatorischen Ausgaben abgeschafft und damit – zumindest formal – der Einfluss des EP über den gesamten Haushaltsplan vergrößert.11

Auch der Kongress verfügt nicht über volle Haushaltsbefugnisse. Nur die Ermessensausgaben („Discretionary Spending“), die etwa ein Drittel des gesamten US-Haushalts ausmachen, werden vom Kongress gebilligt. Pflichtausgaben („Mandatory Spending“ bzw. „Direct Spending“), die den restlichen zwei Dritteln entsprechen und die Ansprüche wie Ruhegehälter umfassen, beruhen dagegen auf ständigen Gesetzen. Um bei den Ermessensausgaben Prioritäten und eine Höchstgrenze festzulegen, stimmt der Kongress zunächst über eine von den Haushaltsausschüssen erstellte Haushaltsentschließung ab und anschließend über die Bewilligung der Ermessensausgaben durch die Gesetzgebungs- oder Bewilligungsausschüsse (die ferner das Recht haben, Gesetze zu Pflichtausgaben zu einem beliebigen Zeitpunkt während des Jahres zu ändern). In einem zweiten Schritt erstellen die Ausschüsse für Mittelzuweisungen („Appropriations Committees“) Bewilligungsvorlagen („Appropriations Bills“), über die der Kongress abstimmt. Diese Vorlagen sind derzeit in 6 The European Parliament, Richard Corbett, Francis Jacobs, Michael Shackleton, 8. Ausgabe,

London 2011, S. 264–265. 7 Ever Closer Union, Desmond Dinan, London 2010, S. 193. 8 Preparing for complexity – European Parliament in 2025 – The Answers, CSG EP 20125 Long-Term

Trends Team, Januar 2013, S. 181, siehe auch Artikel 46 der EP-Geschäftsordnung. 9 Artikel 225 AEUV; Artikel 46 der Geschäftsordnung des Europäischen Parlaments. 10 Artikel 1 § 9 Absatz 7 der Verfassung der Vereinigten Staaten. 11 The European Parliament, Richard Corbett, Francis Jacobs, Michael Shackleton, London 2011, S. 274.

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12 Politikbereiche unterteilt und enthalten eine detaillierte Mittelzuweisung. Die Vorlagen müssen vom Präsidenten unterzeichnet werden.12

2.2. Beziehungen zwischen dem Europäischen Parlament und der Exekutive

Parteilichkeit spielt in den Vereinigten Staaten eine andere Rolle als in Europa. Oft wird Kontrolle von einer Kongresskammer, in der eine andere Partei als die Regierungspartei die Mehrheit stellt, als politisches Mittel genutzt, um die gegnerische Partei zu schwächen. Kontrolltätigkeiten können dazu dienen, Druck auf die Regierung auszuüben. Wenn dagegen in Legislative und Exekutive dieselbe Partei die Mehrheit stellt, sind Kontrolltätigkeiten oft deutlich stärker auf konkrete Sachverhalte ausgerichtet.13 In der EU erfolgt die Einsetzung des Kollegiums der Kommissare im selben Jahr wie die Wahlen zum Europäischen Parlament und hängt zunehmend von diesen Wahlen ab, wie das neue Spitzenkandidaten-Verfahren zeigt (gesamteuropäische Spitzenkandidaten, die von den europäischen Parteien als Kandidaten für das Amt des Kommissionspräsidenten nominiert werden).14 Daher gibt es eine Tendenz, dass im Kollegium dieselben Fraktionen dominieren wie im Parlament. Da jedoch das EP grundsätzlich danach strebt, seine Befugnisse zu erweitern, setzt es Kontrolle unabhängig von Parteizugehörigkeit als Mittel zur Einflussnahme auf die Kommission ein.

Das Spannungsverhältnis zwischen der Exekutive und der Legislative ist in der EU jedoch weniger stark ausgeprägt als in den Vereinigten Staaten. Die EU als System unterlag von Anfang an Spannungen, die aus den diametral entgegengesetzten Konzepten von Supranationalismus/Neofunktionalismus und Zwischenstaatlichkeit/ Intergouvernementalismus entstehen. Die Kommission hat die EU-Integration vorangetrieben und dabei Vorschläge für neue Rechtsvorschriften unterbreitet und die Umsetzung der bestehenden Rechtsvorschriften überwacht. Sie ist gemeinsam mit dem EP Fürsprecherin des Supranationalismus. Demgegenüber war der Rat, der die Regierungen der Mitgliedstaaten repräsentiert, stets der Hüter der Rechte und der Souveränität der Mitgliedstaaten und stellt den zwischenstaatlichen Zweig der Gesetzgebungs- und Haushaltsgewalt dar.15 Von ihrer Konstruktion her stehen das EP und die Kommission also annähernd „auf derselben Seite“.

Die EU legt Verordnungen vor, die in allen Mitgliedstaaten unmittelbar anwendbar sind, und Richtlinien, die die Mitgliedstaaten zu einem bestimmten Ziel verpflichten, ohne dass dabei jedoch die Mittel zu diesem Zweck vorgeschrieben werden.16 Im Hinblick auf die Kontrolle der rechtlichen Umsetzung und praktischen Durchführung von Rechtsvorschriften und Ausgabenprogrammen in den Mitgliedstaaten und die Überprüfung, wie gut diese funktionieren, ist das EP derzeit nicht in der Lage, die notwendigen legislativen Änderungen durchzusetzen. Dem steht erneut – anders als in den Vereinigten Staaten – das Initiativrecht der Kommission entgegen. Das EP kann jedoch Druck auf die Kommission ausüben, Rechtsvorschriften zu ändern, indem sie deren Umsetzung sorgfältig kontrolliert. Auch der Petitionsausschuss des Europäischen

12 The Congressional Appropriations Process: An Introduction, Jessica Tollestrup, CRS,

14. November 2014. 13 Interview: Mitarbeiter des Center for Transatlantic Relations 3. 14 Role and election of the President of the European Commission, Eva-Maria Poptcheva, EPRS-Briefing,

2014. 15 Politics in the European Union, Ian Bache, Stephen George, Simon Bulmer, Oxford 2011, S. 1–20. 16 Artikel 288 AEUV.

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Parlaments wacht nun darüber, wie die EU-Rechtsvorschriften von den Mitgliedstaaten umgesetzt werden. Wenn dieser Ausschuss dank der Petitionen von Bürgerinnen und Bürgern einen Verstoß gegen EU-Rechtsvorschriften feststellt, macht er die Kommission darauf aufmerksam; diese führt Untersuchungen durch und nimmt Kontakt mit dem betreffenden Mitgliedstaat auf. Bei anhaltenden Verstößen kann die Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen den betreffenden Mitgliedstaat einleiten.

3. Schematische Darstellung der Kontrolle in den Vereinigten Staaten und der EU

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EP – Vollendung des GesetzgebungszyklusQuelle: Klaus Welle, Generalsekretär des Europäischen Parlaments, 8. April 2016

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4. Kontrolle durch den Kongress: Funktionsweise

4.1. Vom US-Kongress verwendete Instrumente

Der Kongress verwendet sowohl formelle als auch informelle Kontrollinstrumente. Formelle Instrumente leiten sich aus den verfassungsrechtlichen Befugnissen des Kongresses ab oder sind in Rechtsvorschriften verankert, während informelle Instrumente überwiegend aus der Kongresspraxis entstehen.

Welches Kontrollinstrument in einem bestimmten Fall angewandt wird, hängt vom Vorsitzenden und ranghöchsten Mitglied („ranking member“) eines Ausschusses ab. Sowohl das Repräsentantenhaus als auch der Senat verfügt jeweils über einen Kontrollausschuss („Oversight Committee“), außerdem haben einige der Bewilligungsausschüsse eigene Kontroll-Unterausschüsse.

4.1.1. Formelle Kontrollinstrumente Ausschussanhörungen17 sind das bekannteste Kontrollinstrument im US-Kongress. Ausschüsse laden des Weiteren auch Generalinspekteure (siehe unten) der Regierungsbehörden ein, damit diese Bericht ablegen können, oder stellen Zeugengremien zusammen, die von Mitgliedern der Mehrheits- und Minderheitsparteien eingesetzt werden. In der Regel stellt die Mehrheit mehr Mitglieder dieses Gremiums als die Minderheit (beispielsweise werden drei Zeugen von der Mehrheit und zwei Zeugen von der Minderheit eingeladen).

Wenn ein Kongressausschuss das Erscheinen eines bestimmten hohen Regierungsbeamten wünscht, die Regierung stattdessen aber einen anderen oder gar keinen Vertreter schicken möchte, kann der Ausschuss mit dem Erlass einer Subpoena (Vorladung) drohen oder diese tatsächlich erlassen, um das Erscheinen des Beamten zu erzwingen. Mithilfe einer Subpoena kann ferner der Zugriff auf Unterlagen erzwungen werden, die die Regierung nicht offenlegen möchte. Das Recht zur Verwendung von Subpoenas wurde vom Obersten Gerichtshof bestätigt, der feststellte, dass ein Gesetzgebungsorgan ohne Informationen nicht vernünftig oder wirkungsvoll Gesetze erlassen kann.18 Ferner ist die Verwendung von Subpoenas auch in den Regeln des Senats und des Repräsentantenhauses verankert.19 Für den Erlass einer Subpoena ist entweder eine Abstimmung des Ausschusses oder eine Übereinkunft zwischen Vorsitzendem und ranghöchstem Mitglied erforderlich. In einigen Ausschüssen kann allerdings auch der Vorsitzende direkt Subpoenas erlassen. Kontrollausschüsse wenden die Subpoena-Befugnis regelmäßig an, in anderen Ausschüssen ist dies deutlich restriktiver geregelt. Nach Angaben von Kongressmitarbeitern kann das Verfahren zur Durchsetzung einer Subpoena in dem Fall, dass der Empfänger nicht einwilligt, jedoch Jahre dauern.20 Wenn ein Ministerium oder Regierungsbeamter einer Subpoena nicht nachkommt, kann der Kongress auch darüber abstimmen, strafrechtlich gegen das Ministerium oder den Beamten vorzugehen. Anschließend steht es dem Justizministerium jedoch frei, ob es einen Regierungsbeamten wegen Missachtung einer Anordnung belangen möchte.21

17 Regel des Senats XXVI, Regel des Repräsentantenhauses XI. 18 Entscheidung Eastland v. United States Servicemen's Fund, p. 421 U.S. at 504. 19 Regel des Senats XXVI(1) und Regel des Repräsentantenhauses XI(2)(m)(1). 20 Interviews: CRS-Gruppeninterview; Senatsmitarbeiter 1. 21 „Holder heading out, but contempt lives on“, Washington Times, 25. September 2014.

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Anhörungen und Subpoenas können im Rahmen regelmäßiger Kontrolltätigkeiten ebenso wie von Untersuchungen durchgeführt werden. Diese beziehen sich in der Regel auf ein bestimmtes Thema, wie beispielsweise die Watergate- oder die Iran-Contra-Affäre, und können von nicht ständigen Sonderausschüssen durchgeführt werden.22 Auch einzelne Senatoren und Repräsentanten können Initiativen ergreifen, um Verhalten der Exekutive zu untersuchen, die sie als problematisch erachten. Der Vorsitzende des Rechtsausschusses des Senats Chuck Grassley (114. Kongress) hat ein Team von Untersuchungsanwälten zusammengestellt, die hauptsächlich auf Warnungen von Informanten („Whistleblowern“) in Ministerien oder Behörden reagieren, oft im Zusammenhang mit Vorwürfen von Verschwendung, Betrug, Missbrauch oder schlechter Verwaltung. Kongressmitarbeiter halten dieses Vorgehen, in Kombination mit der Unterstützung von Anhörungen und der Presse, für einen einfacheren Weg, die Arbeitsweise von Behörden zu verbessern, im Gegensatz zu Gesetzesänderungen, die eine Übereinkunft zwischen Senat und Repräsentantenhaus erfordern und vom Präsidenten unterzeichnet werden müssen. Das Untersuchungsverfahren beginnt damit, dass Mitarbeiter einem Ministerium oder einer Agentur Fragen vorlegen, und kann sich um die Verwendung formellerer Mechanismen wie der Anforderung von Unterlagen per Subpoena ausweiten.23

Ministerien und Agenturen verdanken ihre Existenz einer anfänglichen Genehmigung durch den Kongress.24 Die erneute Genehmigung („Reauthorising“) bietet dem Kongress eine Möglichkeit zur Bestandsaufnahme und zur Änderung von Merkmalen, die sich bei der Kontrolle während des vorangegangenen Bewilligungszeitraums als unzulänglich herausgestellt haben. Durch eine Genehmigung wird in der Regel eine Behörde oder ein Programm eingerichtet oder fortgeführt, und es werden gleichzeitig zukünftige Mittel (teils mit Beschränkungen) zugewiesen. Durch die Genehmigung selbst wird jedoch die Finanzierung der Behörde bzw. des Programms nicht gewährleistet. Ausschüsse, die Genehmigungen des Kongresses in einem bestimmten Politikbereich durchführen, werden daher als Genehmigungsausschüsse („Authorising Committees“) bezeichnet. Nach der Genehmigung werden die Ermessensausgaben („Discretionary Spending“) zur Finanzierung der Behörde bzw. des Programms durch Mittelzuweisungsgesetze geregelt.25 Diese Gesetze müssen jedes Haushaltsjahr vom Kongress gebilligt werden. Dies geschieht in Form der jährlichen Bewilligungsvorlagen des Kongresses.26

Der Kongress hat auch die Möglichkeit, Berichtspflichten („Reporting Requirements“) in Rechtsvorschriften festzulegen. Einige Behörden haben diese Instrumente weiterentwickelt, sodass ihre Prioritäten regelmäßig überprüft werden und gegenüber dem Kongress nachgewiesen wird, dass sie die Kontrolle ernst nehmen. Ein Kongressmitarbeiter äußerte sich positiv zum Quadrennial Defense Review

22 Parliament and US Congress: Investigative powers compared – As MEPs ramp up their probe into EU

member states' tax rulings, can US lawmakers teach them some tricks?, Brian Beary, Europolitics, 19. Mai 2015.

23 Interview: Senatsmitarbeiter 4. 24 Artikel I § 9 und Artikel II § 2 Absatz 2 der Verfassung der Vereinigten Staaten. 25 Im Gegensatz zu Pflichtausgaben („Mandatory Spending“); für nähere Erläuterungen zum Haushalts-

und Mittelzuweisungsverfahren siehe Making the US federal budget: Process and hazards, Matthew Parry, EPRS, März 2015.

26 Artikel I § 9 Absatz 17 der Verfassung der Vereinigten Staaten; Congressional Oversight Manual, S. 19–20.

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(vierteljährlicher Verteidigungsbericht),27 die auch den Haushaltsplanungsprozess erleichtert.28

Der Senat hat eine zusätzliche Kontrollfunktion, die vom Repräsentantenhaus nicht ausgeübt wird: Bei Ernennungen durch den US-Präsidenten hat er eine beratende Rolle inne und hat das Recht, diese Ernennungen zu bestätigen.29 Dabei macht der Senat oft von Anhörungen Gebrauch.

4.1.2. Informelle Kontrollinstrumente Zusätzlich zu den formellen Instrumenten, die ihm zur Verfügung stehen, hat der Kongress verschiedene informelle Kontrollmechanismen entwickelt. Diese werden häufig in einem ersten Versuch, die Regierung zur Verantwortung zu ziehen, eingesetzt. Wenn mit den informellen Mechanismen keine zufriedenstellenden Ergebnisse erzielt wurden, können anschließend in einer zweiten Phase formelle Mechanismen angewandt werden.

Mitarbeiter des Senatsausschusses zur Überwachung der Arbeit des Ministeriums für Innere Sicherheit und Regierungsangelegenheiten („Committee on Homeland Security and Governmental Affairs“) führen viele informelle Gespräche mit Ministerien. Dadurch werden die Beamten häufig zur Handlung angespornt;30 ferner können diese Gespräche als erster Schritt zur Evaluierung der Politik einer Regierung angesehen werden.

Das Verfassen von Briefen kann als Instrument der Kontrolle recht wirksam sein, wenngleich die Regierung rechtlich nicht zu deren Beantwortung verpflichtet ist, es sei denn, der Ausschuss fügt einen formellen Bestandteil wie beispielsweise eine Subpoena hinzu.31 Die Wahrscheinlichkeit, dass die Empfängerministerien diese Schreiben ernst nehmen, ist höher, wenn sie von einem Ausschussvorsitzenden und/oder ranghöchsten Mitglied unterzeichnet werden. Manche Briefe werden allerdings auch nur aus Gründen der Öffentlichkeitswirksamkeit geschrieben, ohne dass die Verfasser eine Antwort erwarten. Wenn keine Subpoena vorliegt, bemühen sich die Kongressmitarbeiter unter Umständen, die Regierung von der Wichtigkeit einer Antwort zu überzeugen.32

4.1.3. Eigenschaften der Kontrolle durch den Kongress Für die Wissenschaftler Cushman33, McCubbins und Schwartz34 ist die Kontrolle durch den Kongress ebenso wie für die Mehrheit der Befragten stärker durch einen Ad-hoc- als einen systematischen Charakter gekennzeichnet und eher vergleichbar mit der Reaktion auf „Feueralarme“ als mit der Durchführung regelmäßiger „Polizeistreifen“. Wichtige Faktoren, die den Ad-hoc-Charakter begünstigen, sind die mediale Aufmerksamkeit bei Skandalen sowie fehlende finanzielle und personelle Mittel. Allerdings unternimmt der Kongress durchaus einige Anstrengungen, Kontrolltätigkeiten regelmäßiger durchzuführen. In einer empirischen Studie kommen Balla und Deering zu dem Schluss,

27 Quadrennial Defense Review, abgerufen am 15. Juli 2015. 28 Interview: Senatsmitarbeiter 2. 29 Artikel II § 2 Absatz 2 der Verfassung der Vereinigten Staaten. 30 Interview: Senatsmitarbeiter 1. 31 Interview: Senatsmitarbeiter 4. 32 Interview: Senatsmitarbeiter 1. 33 An introduction to the U.S. Congress, Charles B. Cushman Jr., Armonk, New York/London 2006, S. 103–

115. 34 Congressional Oversight Overlooked: Police Patrols versus Fire Alarms, Mathew D. McCubbins, Thomas

Schwartz, in: American Journal of Political Science, Bd. 28, Nr. 1, Feb. 1984, S. 165–179. Herausgegeben von der Midwest Political Science Association.

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dass, im Gegensatz zu früheren Ergebnissen und der öffentlichen Meinung, der Kongress zumindest bei Anhörungen eher routinemäßige Kontrolltätigkeiten ausübt als „Feueralarm“-Reaktionen auf Grundlage von Ereignissen oder Skandalen zeigt.35

Die befragten Kongress- und Think-Tank-Mitarbeiter waren übereinstimmend der Ansicht, dass Kontrolle in manchen Fällen ein wirksames Instrument zur Politikverbesserung sei, in anderen Fällen aber nur als politisches Instrument eingesetzt werde, um die Partei, die die Regierung stellt, zu destabilisieren.36

Die meisten Beobachter betonen, dass der Kongress gut daran tut, sich die Unterstützung der Öffentlichkeit, der Zivilgesellschaft und der Presse zu sichern, um den notwendigen Druck auf die Regierung ausüben zu können und die Kontrolle zu verbessern. Ein Politikanalyst und ein Kongressmitarbeiter befanden übereinstimmend, dass die Ausübung der Kontrolle schwieriger werde, wenn diese Unterstützung fehlt oder keine Unterstützung eingeholt werden kann, weil geheime Unterlagen betroffen sind, die nicht an die Öffentlichkeit und die Presse weitergegeben werden dürfen.37 Anderseits können andere Umstände zu einer stärker sachlich basierten Kontrolle beitragen: In technischen oder politisch weniger stark aufgeladenen Zusammenhängen kann es leichter sein, einen überparteilichen Konsens zu erzielen, der wiederum gegenüber den Ministerien stärker ins Gewicht fällt als die Anstrengungen nur einer Partei. Das andere Extrem sind dagegen die Zeiten der geteilten Regierung („Divided Government“), in denen die Parteizugehörigkeit der Kongressmehrheit von der Parteizugehörigkeit des Präsidenten abweicht: sie führt zu einer verstärkten routinemäßigen Kontrolle. Die Frequenz von „Feueralarm“-Reaktionen steigt oftmals in Wahljahren.38

Unterschiede zwischen Senat und Repräsentantenhaus

Balla und Deering weisen darauf hin, dass die Aufmerksamkeit der Medien gegenüber Kontrolltätigkeiten von Senatoren höher ist als bei Repräsentanten. Sie folgern daraus, dass Senatoren vermutlich höheren Nutzen in Bezug auf Wahlen haben, wenn sie auf einzelne Feueralarme reagieren, und gleichzeitig weniger Anreize, Kontrolltätigkeiten im Ganzen durchzuführen. Nach den Regeln des Repräsentantenhauses39 sind dessen Ausschüsse verpflichtet, einen jährlichen Kontrollplan zu veröffentlichen; nicht alle Ausschüsse kommen dem nach, einige dieser Pläne sind jedoch recht detailliert.40 Dies zeigt, dass das Repräsentantenhaus Anstrengungen unternimmt, regelmäßigere Kontrolltätigkeiten durchzuführen.

4.1.4. Vergleich mit der Kontrolle durch das Europäische Parlament Um in allen Phasen des Politik- und Gesetzgebungsprozesses Einfluss auszuüben, hat das EP eine Reihe eigener unterstützender Instrumente und Stellen geschaffen und arbeitet

35 Police Patrols and Fire Alarms: An Empirical Examination of the Legislative Preference for Oversight,

Balla, Steven, Deering, Christopher J., Congress & the Presidency 2013, Bd. 40 Ausgabe 1, S. 27–40. 36 Interview: Mitarbeiter des Center for Transatlantic Relations 3. 37 Interviews: Donald Jensen, Forschungsbeauftragter am Center for Transatlantic Relations;

Senatsmitarbeiter 3. 38 Police Patrols and Fire Alarms: An Empirical Examination of the Legislative Preference for Oversight,

Balla, Steven, Deering, Christopher J., Congress & the Presidency 2013, Bd. 40 Ausgabe 1, S. 27–40. 39 Regel X Absatz 2 (d) 1, Rules of the House of Representatives, Fassung vom 6. Januar 2015. 40 CRS-Gruppeninterview; Oversight Plan for all House Committees/ House Committee on Oversight and

Government Reform, 114. Kongress; Oversight plan of the House Committee on Financial Services, abgerufen am 12.10.2015.

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darüber hinaus mit externen Stellen, Bürgerinnen und Bürgern, Think-Tanks und anderen Einrichtungen zusammen.

Tabelle 3: Tätigkeiten und Instrumente für die Vollendung des EU-Gesetzgebungszyklus

Zyklusphase Bestrebungen und Tätigkeit des EP

Ausgewählte Instrumente Zusammenarbeit

Agendasetzung Beeinflussung des Arbeitsprogramms der Kommission und des Mehrjahresprogramms

Initiativberichte, legislative Initiativberichte, Berichte über die Kosten des Nicht-Europa, Bewertungen des europäischen Mehrwerts

Politische Strategen der OECD, Think-Tanks, Forschungseinrichtungen

Konsultationen Einholen von Anregungen zu den Themen, die im jährlichen Arbeitsprogramm der Kommission behandelt werden

Überprüfung von Petitionen, Ausschussanhörungen, Bewertungen der Umsetzung

Leistungsaudits des Rechnungshofs, Beratungsausschüsse (Ausschuss der Regionen und Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss), nationale Parlamente, Parteien, NGO, Sozialpartner, Bürgerinitiativen, Petitionen, Informationsbüros des Europäischen Parlaments

Rechtsvorschriften Vollständige Wahrnehmung der eigenen Rolle in Gesetzgebungs- und Haushaltsangelegenheiten

Studien, Arbeitstreffen, Beiträge ständiger Delegationen, Arbeit des EP im Bereich Ex-ante-Folgenabschätzungen, Wissenschaftlicher Dienst für die Mitglieder (z. B. die Briefings über anstehende EU-Gesetzgebungsvorschläge), Kontrollen der Rechtmäßigkeit, Trilog-Verhandlungen, Plenarversammlungen

Think-Tanks, Politikwissenschaftler, EP-Verbindungsbüro beim US Kongress, nationale Parlamente

Kontrolle Kontrolle der Umsetzung der auf EU-Ebene verabschiedeten Rechtsvorschriften und getroffenen Entscheidungen

Prüfung durch einen Ausschuss, Umsetzungsberichte, Referat Ex-post-Folgenabschätzungen (Evaluierung der europäischen Umsetzung), Kontrolle des Europäischen Rates, Kontrolle des Euro-Raums

Europäische Zentralbank und Fonds, Europäischer Rechnungshof

Das EP muss deutlich mehr tun als der Kongress, um zur Agendasetzung beizutragen, weil der Kongress bereits über das Initiativrecht verfügt. Die EP-Verwaltung weist auf Artikel 16 EUV hin, nach dem die Kommission die jährliche und die mehrjährige Programmplanung der Union „mit dem Ziel [...], interinstitutionelle Vereinbarungen zu

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erreichen “, einleitet.41 Seit April 2016 hat das EP ein weiteres Argument auf seiner Seite, warum es in den Agendasetzungsprozess in der EU einbezogen werden sollte: In der Interinstitutionellen Vereinbarung über bessere Rechtsetzung ist festgelegt, dass die Kommission vor und nach der Annahme ihres Arbeitsprogramms das EP und den Rat konsultieren muss und „in jeder Phase des Dialogs den vom Europäischen Parlament und vom Rat geäußerten Ansichten, einschließlich ihrer Ersuchen um Initiativen, gebührend Rechnung tragen“ wird.42

Um Einfluss auf die EU-Agenda zu nehmen, setzt das EP seit mehreren Jahrzehnten Initiativberichte ein. Diese Berichte werden von der Kommission (bzw. vom Rat in zwischenstaatlichen Politikbereichen) jedoch noch zu oft ignoriert. Im Rahmen seiner Berichte über die Kosten des Nicht-Europa beziffert das EP seit 2013 die Kosten, die den Europäern dadurch entstehen, dass bestimmte Bereiche nicht von der EU-Politik abgedeckt sind (siehe Abschnitt 5.5). Diese Berichte führen manchmal zu legislativen Initiativberichten, in denen die Kommission zur Unterbreitung eines Vorschlags aufgefordert wird. Die legislativen Initiativberichte müssen mit absoluter Mehrheit der Mitglieder des EP angenommen werden.43 Das EP hat sich selbst dazu verpflichtet, in dem Fall, dass finanzielle Auswirkungen zu erwarten sind, aufzuzeigen, auf welche Weise ausreichende finanzielle Mittel bereitgestellt werden können. Der zuständige Ausschuss überwacht anschließend die Folgemaßnahmen der Kommission im Hinblick auf den Bericht. Die Kommission muss zumindest eine Begründung liefern, warum sie es ablehnt, einen Vorschlag auszuarbeiten. 44

Während der Phase der Konsultationen kontrolliert das EP das jährliche Arbeitsprogramm der Kommission. Da in sehr vielen Bereichen bereits EU-Rechtsvorschriften vorhanden sind, betrifft ein großer Teil des Arbeitsprogramms die Änderung bestehender Rechtsvorschriften. Dem EP eröffnet dies die Möglichkeit zu bewerten, ob die Rechtsvorschriften und die Ausgabenprogramme, die die Kommission ändern möchte, gut funktionieren. Die EP-Verwaltung schätzt die vom Europäischen Rechnungshof (EuRH) durchgeführten Leistungsaudits und erwartet, dass die Kommission sich mit dem EP und dem Rat in ihrer Funktion als Mitgesetzgeber eng berät und auf der Basis des jährlichen Arbeitsprogramms arbeitet. Außerdem hat das EP nun ein Partnerschaftsabkommen mit den beratenden Ausschüssen der EU – dem Ausschuss der Regionen und dem Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss – ausgehandelt, das eine Bestimmung über die rechtzeitige Beratung bezüglich des jährlichen Arbeitsprogramms der Kommission oder der Kommissionsvorschläge zur Änderung von Rechtsvorschriften enthält. In dieser Phase führt das EP ferner auch Konsultationen anderer Interessenträger durch, beispielsweise bei Ausschussanhörungen, und bewertet die Umsetzung von EU-Gesetzgebung(Referat Politikzyklus des EPRS, siehe Abschnitt 5.7).

41 Strategic Planning for the Secretariat-General of the European Parliament, Klaus Welle, März 2015;

Total quality management along the whole legislative cycle – A fresh look at better law-making, Klaus Welle, Rede, 30. Januar 2014, Hervorhebungen in Kursivschrift von der Verfasserin.

42 Interinstitutionelle Vereinbarung vom 13. April 2016 zwischen dem Europäischen Parlament, dem Rat der Europäischen Union und der Europäischen Kommission über bessere Rechtsetzung, Art. 6., Abl. L123 vom 12.5.2016

43 Siehe auch Parliament's legislative initiative, Eva-Maria Poptcheva, EP Library Briefing, 24. Oktober 2013.

44 Artikel 225 AEUV; Artikel 46 der Geschäftsordnung des Europäischen Parlaments.

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Durch Fachwissen können Rechtsvorschriften erheblich verbessert werden. Der Gesetzgebungsprozess beginnt, sobald ein Vorschlag der Kommission veröffentlicht und an das EP sowie den Rat gesandt wurde. Der EP-Präsident, die Ausschüsse, die Delegationen und die Berichterstatter werden von den Fachabteilungen der Generaldirektionen Interne Politikbereiche (GD IPOL) und Externe Politikbereiche (GD EXPO) des EP beraten. Die Fachabteilungen geben externe Studien in Auftrag und erstellen eigene Analysen. Der EPRS stellt über den Wissenschaftlichen Dienst für die Mitglieder den MdEP, einschließlich Schattenberichterstattern und Koordinatoren, Informationen zur Verfügung.

In der Phase der Kontrolle werden zur Bewertung der Umsetzung von EU-Rechtsvorschriften in nationales Recht sowie ob und wie diese Vorschriften umgesetzt und durchgeführt wurden Umsetzungsberichte des EP und unterstützend Ex-post-Bewertungen (siehe Abschnitt 5.7) erstellt. Die Ausschüsse übernehmen eine aktivere Rolle bei der Kontrolle beispielsweise von externen Finanzinstrumenten oder der Arbeit des Europäischen Auswärtigen Dienstes. Außerdem überprüft das EP kontinuierlich, welche weiteren Schritte im Anschluss an Beschlüsse des Europäischen Rates unternommen wurden.45 Ferner hat das EP jüngst seine Kontrolle delegierter Rechtsakte verbessert (siehe Abschnitt 5.7).

4.2. Unterstützende Stellen des Kongresses

Dem Kongress stehen verschiedene Behörden unterstützend zur Seite: der Congressional Research Service (CRS), das Government Accountability Office (GAO) und das Congressional Budget Office (CBO). Im Gegensatz zu den Ausschüssen, die entweder für die Mehrheit oder die Minderheit arbeiten, müssen diese Behörden unparteiisch sein und beschäftigen aufgrund von Verdiensten ausgewählte Beamte. Sie gelten allgemein als neutrale Quelle ausgewogener Informationen. Die Nominierung der Leiter dieser Behörden ist dagegen eine höchst politische Angelegenheit.

4.2.1. Congressional Research Service (CRS) Der CRS stellt dem Kongress im Rahmen des Gesetzgebungsprozesses folgende Dienste zur Verfügung:

politische Probleme zu ermitteln und erklären sowie Handlungsmöglichkeiten für den Kongress zu untersuchen;

mögliche Auswirkungen und Tragweite alternativer Maßnahmen zu bewerten und

die Kontrolle durch den Kongress und die Prüfung der Umsetzung von Rechtsakten zu unterstützen.46

Da der CRS oft die erste Stelle ist, an die sich Kongressabgeordnete und ihre Mitarbeiter wenden, ist einer der Funktionen dieser Behörde die Kontrolle zu unterstützen, beispielsweise wenn der Kongress eine schnelle Erläuterungen einer von einer Behörde erstellten Folgenabschätzung benötigt.47 Das Congressional Oversight Manual des CRS, das Kongressmitglieder und ihre Mitarbeiter bei der Nutzung der ihnen zur Verfügung

45 European Council Conclusions: A Rolling Check-List of Commitments to Date, 9. Ausgabe, EPRS,

European Council Oversight Unit, 18. Oktober 2016. 46 Overview of the Congressional Research Service, Mary B. Mazanec, Präsentation, April 2016. 47 Interview: Mitarbeiter des Repräsentantenhauses 4.

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stehenden Kontrollinstrumente unterstützt, ist innerhalb und außerhalb des Kongresses weithin bekannt.48

Der CRS erstellt ferner Berichte von allgemeinem Interesse zu einer Reihe von politischen und rechtlichen Fragen. Die Berichte des CRS stehen gemäß den Statuten nur dem Kongress sowie den Kongressmitarbeitern zur Verfügung und werden nicht formal öffentlich zugänglich gemacht. Dies steht im Gegensatz zu den Richtlinien anderer Kongressbehörden und wird regelmäßig kritisiert.49 Der CRS hebt den Stellenwert der Vertraulichkeit für Kongressmitglieder hervor, die individuelle Forschungsarbeiten anfordern.

Der CRS beschäftigt etwa 600 Mitarbeiter, darunter Politikanalysten, Juristen („legislative attorneys“) und Informationsexperten, die auf sechs thematische Abteilungen verteilt sind. Analysten erstellen allgemeine Berichte für alle Mitglieder und stellen einzelnen Mitgliedern vertrauliche Aktennotizen, persönliche Informationsgespräche und individuelle E-Mail-Antworten zur Verfügung. Vor Anhörungen kann der CRS außerdem Fragen für Zeugen erarbeiten oder Hintergrundinformationen liefern.

Das Budget des CRS belief sich im Haushaltsjahr 2016 auf 107 Mio. USD. Für 2017 hat der Dienst als Ausgleich für Kürzungen in der Vergangenheit eine Erhöhung um 7 % beantragt. Die Leiterin des CRS, Mary Mazanec, erklärte 2016 gegenüber dem Kongress, dass der Personalbestand in den vergangenen fünf Jahren wegen Haushaltsbeschränkungen um fast 10 % gesunken war. Sie fasste einige Tätigkeiten des CRS wie folgt zusammen: Bis zum Ende des Haushaltsjahres hat der CRS über 3.600 neue oder aktualisierte schriftliche Arbeiten erstellt, Zusammenfassungen von über 8.000 Gesetzentwürfen für den Legislative Digest verfasst und über 300 Seminare, Briefings und andere Veranstaltungen für mehr als 7.400 Teilnehmer des Kongresses abgehalten.“50

4.2.2. Government Accountability Office (GAO – Rechnungshof der USA) Der GAO führt externe Prüfungen durch, mit dem Ziel, festzustellen, ob das Geld der Steuerzahler ordnungsgemäß, effizient und wirksam eingesetzt wurde. Der Großteil dieser Compliance-Prüfungen, Leistungsaudits und Prüfungen der Rechnungsführung werden auf Anforderung des Kongresses durchgeführt, ein Teil der Prüfungen erfolgt jedoch auch nach Ermessen des GAO-Präsidenten, des „Comptroller General“. Die rund 3.000 GAO-Mitarbeiter51 erstellen jährlich etwa 900 Berichte, 90 % davon auf direktes Ersuchen durch den Kongress oder aufgrund gesetzlicher Erfordernisse. Ersuchen können vom Vorsitzenden oder vom ranghöchsten Mitglied eines Ausschusses vorgebracht werden, einige Ersuchen sind allerdings auch überparteilich. Die restlichen 10 % der Arbeiten des GAO werden nach freiem Ermessen des Comptroller General

48 Congressional Oversight Manual, Alissa M. Dolan, Elaine Halchin, Todd Garvey et al., Congressional

Research Service, 19. Dezember 2014. 49 Trying to crack open Congress's confidential think tank after a century of secrecy, Washington Post,

Lisa Rein, 29. Oktober 2015. 50 Overview of the Congressional Research Service, Mary B. Mazanec, Leiterin des CRS, Präsentation, April

2016; Fiscal 2017 Budget Request, Mary B. Mazanec, Stellungnahme vor dem Unterausschuss zur Legislative, Ausschuss für Mittelzuweisungen, Senat der Vereinigten Staaten, 15. März 2016.

51 Fiscal year 2015, GAO, abgerufen am 9. August 2016.

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durchgeführt; sie können Themen behandeln, die für verschiedene Ausschüsse von Interesse sind.52

Die Standards des GAO entsprechen in etwa internationalen Prüfungsstandards. Der GAO verwendet eigene Daten oder Daten von Regierungsstellen. Obwohl der GAO keine Durchsetzungsgewalt besitzt, werden etwa 80 %53 seiner Empfehlungen umgesetzt. Zur Erstellung von Berichten richtet der GAO Prüfungsgruppen ein. Die durchschnittliche Zeitspanne für die Erstellung und Überprüfung eines Berichts beträgt 9,5 Monate. Der Großteil der Arbeit wird intern durchgeführt; wenn Expertengruppen benötigt werden, kann das GAO allerdings auch Aufträge extern an die nationalen Akademien der Wissenschaft (National Academies of Science) vergeben. Solange sie keine als geheim eingestuften Themen betreffen, sind die GAO-Berichte öffentlich. Das macht es leichter, Druck auf Behörden auszuüben, damit sie den Empfehlungen folgen. GAO-Mitarbeiter betonen jedoch die kooperative Herangehensweise der Prüfungsstellen: Das GAO stelle nicht einfach Empfehlungen auf, sondern diskutiere sie im Prozessverlauf mit der geprüften Stelle. Im Rahmen von Leistungsaudits fertigt das GAO außerdem Kosten-Nutzen-Analysen an.54 Die GAO-Berichte umfassen häufig eine Auswahl an Verbesserungsmöglichkeiten, sodass die betreffende Stelle das wirksamste Vorgehen wählen kann.55

Neben der GAO-Zentrale in Washington, D.C., gibt es 11 Außenstellen, in denen 25 % der Beschäftigten arbeiten.56 Dadurch kann das GAO eigene Forschung vor Ort betreiben. Die Lage der GAO-Außenstellen hat einen gewissen Einfluss auf ihre jeweiligen Tätigkeiten. So ist die in der Nähe großer Militärstützpunkte gelegene Außenstelle in Norfolk, Virginia auf die Kontrolle des US-Verteidigungsministerium spezialisiert, während ein wichtiger Schwerpunkt des GAO-Büros in Los Angeles auf Einwanderungs- und Grenzfragen liegt. Im Zuge des technischen Fortschritts und der Entwicklung der Kommunikationsmöglichkeiten wurden die Belegschaften der Außenstellen allerdings verringert.57

4.2.3. Congressional Budget Office (CBO) Ex-ante-Folgenabschätzungen von Vorschlägen für den Bundeshaushalt werden mithilfe des CBO erstellt. Aktuell beschäftigt das CBO 235 Mitarbeiter,58 darunter vorwiegend Wirtschaftswissenschaftler und Public-Policy-Analysten.

Das CBO wurde gegründet, um den Informationsnachteil des Kongresses gegenüber der Regierung in Haushaltsdebatten auszugleichen. Hauptkunden des CBO sind die Haushaltsausschüsse von Senat und Repräsentantenhaus. Anfragen kommen von Ausschussvorsitzenden und ranghöchsten Mitgliedern sowie von der Senats- oder Repräsentantenhausführung, allerdings werden die meisten CBO-Erzeugnisse aufgrund gesetzlicher Erfordernisse erstellt.59

52 Interview: GAO-Führungskraft 1. 53 Performance Auditing – The Experiences of the United States Government Accountability Office,

25. September 2013, Informationen zu Empfehlungen aus dem Haushaltsjahr 2008. 54 Performance Auditing; Interview: GAO-Führungskraft 1. 55 GAO-Gruppeninterview. 56 Interview: GAO-Führungskraft 1; GAO careers, abgerufen am 30. September 2015. 57 GAO-Gruppeninterview; siehe auch GAO products, abgerufen am 9. August 2016. 58 Congressional Budget Office: Organization and Staffing, abgerufen am 8. August 2016. 59 Interview: CBO-Führungskraft 1.

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Das CBO versorgt den Kongress mit Informationen zu den Auswirkungen der vorgeschlagenen Gesetzgebung auf den Bundeshaushalt in einem fünf- bis zehnjährigen Zeitrahmen. Die Schätzungen beziehen sich auf drei Kernbestandteile: Ermessensausgaben („Discretionary Spending“), Pflichtausgaben („Mandatory Spending“) und Einnahmen („Revenues“).60 Solche „Kostenschätzungen“ (zwischen 500 und 700 pro Jahr) werden für den Großteil der von den Kongressausschüssen angenommenen Gesetzentwürfe erstellt und sind durch den Congressional Budget and Impoundment Control Act von 1974 vorgeschrieben.61 Das CBO erstellt ferner zahlreiche vorläufige Schätzungen für einzelne Kongressmitglieder und Ausschüsse, die noch mit der Prüfung befasst sind, bei welchen Rechtsvorschriften Fortschritte erforderlich sind.

Die Basisschätzungen („Baseline Projections“) des CBO dienen zur Vorausschätzung der haushaltsmäßigen und wirtschaftlichen Entwicklungen im Verlauf der kommenden zehn Jahre auf Grundlage der Annahme, dass die aktuellen Gesetze über Einnahmen und Ausgaben in Kraft bleiben. Darüber hinaus stellt das CBO dem Kongress Prognosen zu Wirtschafts- und Haushaltsergebnissen, Analysen des Haushaltsplans des Präsidenten sowie Analyseberichte zur Verfügung.

Entsprechend seiner Methodik präsentiert das CBO bei den meisten seiner Schätzungen nicht eine Reihe von Zahlen, sondern vielmehr einen Einzelwert in der Mitte des Verteilungsspektrums der möglichen Ergebnisse: So soll verhindert werden, dass seine Arbeiten in parteiischen Kämpfen innerhalb des Kongresses verwendet werden.62 Um Kritik zu begrenzen, verfolgt das CBO das Ziel, die Grundlage dieser Schätzungen und die damit zusammenhängenden Unsicherheiten klar zu vermitteln. Bis 2015 wurden makroökonomische Veränderungen bei den Kosteneinschätzungen nicht berücksichtigt, aber unter einer republikanischen Mehrheit in beiden Kammern verabschiedete der Kongress einen gemeinsamen Beschluss („Concurrent Resolution“) über den Haushaltsplan für das Haushaltsjahr 2016 und stellte Anforderungen für eine dynamische Auswertung („Dynamic Scoring“) auf: Bei wichtigen Rechtsvorschriften, denen die Kongressausschüsse zugestimmt haben, muss das CBO nunmehr versuchen, auch die Auswirkungenmakroökonomischer Effekte auf den Haushalt zu berücksichtigen.63

Außerdem untersucht das CBO politische Optionen unter Haushaltsaspekten. Diese etwa im Zweijahresrhythmus erstellten Haushaltsoptionen („Budget Options“) zeigen verschiedene Möglichkeiten zur Reduzierung des Haushaltsdefizits nicht nur unter haushaltstechnischen Gesichtspunkten auf, sondern auch im Hinblick auf die mit den verschiedenen Optionen verbundenen qualitativen Auswirkungen.64

60 Components of budget, CBO, Schema, abgerufen am 16. August 2016. 61 Congressional Budget and Impoundment Control Act of 1974. 62 In anderen Zusammenhängen, etwa in einem Projektmanagement-Umfeld, kann eine Zahlenspanne

sinnvoll sein. Das Umweltministerium (Department of Energy) verwendet Mindest- und Höchstwerte. 63 S.Con.Res. 11 – Ursprünglicher gemeinsamer Beschluss des Senats, in dem der Haushaltsplan des

Kongresses für die Regierung der Vereinigten Staaten für das Haushaltsjahr 2016 und die geeigneten Haushaltsniveaus für die Haushaltsjahre 2017 bis 2025 festgelegt sind, siehe: PARAGRAPH 3112 – Honest accounting: cost estimates for major legislation to incorporate macroeconomic effects; Dynamic Scoring at CBO, Wendy Edelberg, Präsentation, 22. September 2015.

64 Interview: CBO-Führungskraft 1; zur Auswahl der Erzeugnisse siehe www.cbo.gov/about/products.

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Beschränkung des Mandats/Kritik

Entsprechend seinem Auftrag liegt der Schwerpunkt des CBO auf den Kosten, die den US-Steuerzahlern entstehen, und nicht auf allgemeinen Vorteilen für die Gesellschaft. Diese Beschränkung des Mandats wird oft kritisiert, da so Niedrigsteuerpolitik gegenüber Umverteilungspolitik im Mandat strukturell begünstigt wird.65 Außerdem könnten in einer solchen Analyse auch Vorschläge mit geringen Auswirkungen auf den Haushalt, aber stärkeren Auswirkungen auf den Privatsektor als relativ kosteneffektiv bewertet werden.66 Aufgrund fehlender Ressourcen prüft das CBO seine früheren Prognosen selten nach. Es liefert lediglich auf Ersuchen Schätzungen einer kontrafaktischen Situation (Folge fehlender Gesetzgebung). So forderte beispielsweise der Kongress eine budgetäre Analyse zur Außerkraftsetzung des Krankenversicherungsgesetzes Affordable Care Act („Obamacare“).67

4.2.4. Vergleich mit unterstützenden Stellen des Europäischen Parlaments Entsprechungen des CRS im Europäischen Parlament sind der Wissenschaftliche Dienst des EPRS für die Mitglieder und die Fachabteilungen (Policy Department, PD) der Generaldirektionen GD EXPO und IPOL.

EP-Ausschüsse und interparlamentarische Delegationen sowie die zugehörigen Vorsitzenden, Berichterstatter und Schattenberichterstatter erhalten Unterstützung von den Fachabteilungen der GD EXPO und der GD IPOL, die die Arbeit der Ausschüsse organisieren, und der Direktion Folgenabschätzungen und europäischer Mehrwert, die zum EPRS gehört. Der Gesamtwert der internen Analysen und extern beauftragten Studien dieser unterstützenden Stellen beläuft sich auf 10 Mio. EUR.

Einzelne Abgeordnete erhalten Unterstützung durch den Wissenschaftlichen Dienst für die Mitglieder und die EPRS-Bibliothek. 2015 wurden rund 3.000 umfangreiche Rechercheanfragen von MdEP und ihren Mitarbeitern beantwortet. Die vertraulichen Antworten stützten sich auf die aktuellsten Quellen und umfassten unter anderem auf die individuellen Anfragen zugeschnittene Analysen und persönliche Informationsgespräche. Die 81 Politikanalysten und 30 Informationsfachleute im Wissenschaftlichen Dienst für die Mitglieder sind auf fünf Abteilungen unterteilt, die den Fachabteilungen und den EP-Ausschüssen entsprechen. Der Dienst deckt alle für das EP relevanten Politikfelder ab und veröffentlicht regelmäßig Analysen (732 Veröffentlichungen im Jahr 2015).68

Im EP gibt es keine Stelle, die dem CBO genau entspricht. Sowohl die Fachabteilungen als auch der EPRS erfüllen einige der Funktionen des CBO, sind aber weder im Hinblick auf die Anzahl noch auf die Spezialisierung der Mitarbeiter in der Lage, ähnlich systematische Haushaltsanalysen zu Kommissionsvorschlägen zu erstellen. Die Fachabteilung D für Haushaltsfragen, in der acht Politikanalysten beschäftigt sind, stellt sowohl interne Analysen als auch externe Studien bereit und arbeitet überwiegend für

65 The Congressional Budget Office at Middle Age, Philip Joyce, University of Maryland, Brookings,

17. Februar 2015. 66 Aussage von John D. Graham, Indiana University School of Public and Environmental Affairs, vor dem

Unterausschuss für regulatorische Angelegenheiten und Bundesverwaltung (Regulatory Affairs and Federal Management) des Senatsausschusses für Innere Sicherheit und die Exekutive („Committee on Homeland Security and Governmental Affairs“), Anhörung: Examining Federal Rulemaking Challenges and Areas of Improvement Within the Existing Regulatory Process, 19. März 2015.

67 Budgetary and Economic Effects of Repealing the Affordable Care Act, CBO, 19. Juni 2015. 68 The work of EPRS: The first two years: 2014 and 2015, EPRS 2016.

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den Haushaltsausschuss und den Ausschuss für Haushaltskontrolle des EP. Im Referat Haushaltspolitik des Wissenschaftlichen Dienstes sind zehn wissenschaftliche Mitarbeiter tätig, die haushaltsbezogene Publikationen für alle Mitglieder erstellen und vertrauliche Arbeiten für einzelne Mitglieder durchführen. Außerdem veröffentlicht der EPRS regelmäßig unter der Überschrift „How the EU budget is spent“ (Wie das Budget der EU verwendet wird) bereichsübergreifende Analysen zur Verwendung von EU-Geldern.69

Der Europäische Rechnungshof (EuRH) ist wie das GAO eine oberste Rechnungskontrollbehörde, sie ist jedoch keine Stelle des EP (siehe Abschnitt 5.7).

5. Interne Kontrolle durch die Regierung

5.1. Generalinspektoren (Inspectors General, IG)

In den Vereinigten Staaten führen die Generalinspektoren der Ministerien gemäß dem Inspector General Act of 1978 interne Prüfungen der Gesetzgebung, politischen Maßnahmen und Ausgabenprogramme durch. Ihre Aufgaben bestehen in der Förderung von Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Wirksamkeit sowie in der Vermeidung von Betrug und Missbrauch. Der Kongress und die Ministeriumsleiter müssen umfassend über festgestellte Probleme und Fortschritte bei den Abhilfemaßnahmen informiert werden.70 Die 72 Bundesstellen der Generalinspektoren (Offices of the Inspector General, OIG) beschäftigen etwa 14.000 Mitarbeiter und ermittelten im Jahr 2013 ein Kosteneinsparpotenzial von 37 Milliarden USD.71 Die Tätigkeit des OIG im US-Außenministerium ist in Inspektionen (von Abteilungen und Botschaften), Prüfungen (der Rechnungsführung) und Untersuchungen (zur Aufdeckung von Betrug) unterteilt.72 Die OIG kommen im Rat der Generalinspektoren für Integrität und Effizienz (Council of Inspectors General on Integrity and Efficiency) zusammen.73

Der Vorsitzende des House Oversight and Government Reform Committee (114. Kongress), Jason Chaffetz, wünscht sich mehr unabhängige Untersuchungsbefugnisse für die IG, zum Beispiel bei der Verfolgung ehemaliger Beamter im Ruhestand.74 Da die IG ihr Gehalt von den Ministerien beziehen, kann ihre Unabhängigkeit in Frage gestellt werden.75 Das OIG des US-Ministeriums für Veteranenangelegenheiten (Department of Veterans Affairs) wurde beispielsweise wegen Vergeltungsmaßnahmen gegen Informanten scharf kritisiert. Anstelle auf die Beschwerden von Mitarbeitern hin ernsthafte Untersuchungen einzuleiten, fungierte das OIG in den Worten eines Kommentators eher als „Schoßhund“ denn als

69 How the EU budget is spent, EPRS, verschiedene Autoren. 70 Inspector General Act of 1978, siehe Artikel 2. 71 Stellungnahme von Michael E. Horowitz, Generalinspektor, Justizministerium der Vereinigten Staaten,

vor dem Ausschuss des Repräsentantenhauses zur staatlichen Aufsicht und Reform (House Committee on Oversight and Government Reform) zu „Inspectors General: Independence, Access and Authority“, Anhörung, 3. Februar 2015.

72 Interview: Diplomat 1. 73 Council of the Inspectors General on Integrity and Efficiency (CIGIE), abgerufen am 8. August 2016. 74 Jason Chaffetz, speaking to the National Journal, Washington, D.C., 2. Juni 2015. 75 Interview: Diplomat 4.

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„Wachhund“.76 Zudem können IG in der Regel von derselben Person oder Stelle abberufen werden, die sie auch ernannt hat. So können beispielsweise vom Präsidenten ernannte Generalinspektoren vom Präsidenten abberufen werden und Generalinspektoren, die von einem Behördenleiter ernannt wurden, von ebendiesem Leiter auch entfernt werden. Der Kongress spielt bei der Abberufung keine direkte Rolle.

5.2. Verknüpfung von interner und externer Kontrolle

Nach Angaben der befragten GAO-Mitarbeiter arbeitet das GAO sehr gut mit den Generalinspektoren zusammen. Diese internen und externen Prüfstellen stimmen ihre Arbeiten miteinander ab, um doppelten Aufwand zu vermeiden, und da die Generalinspektoren einen relativ eng gefassten Bereich untersuchen, kommt es selten zu Kompetenzkonflikten. So kann beispielsweise ein bestimmter Vorgang innerhalb eines Ministeriums Gegenstand einer Untersuchung durch die Generalinspektoren sein, während das GAO ministerienübergreifend ermitteln kann. Der Auftrag des GAO ist allgemein weiter gefasst.77 Die Generalinspektoren haben dagegen theoretisch Zugriff auf mehr interne Unterlagen als das GAO, weil sie für das betreffende Ministerium arbeiten; tatsächlich wird ihre Arbeit aber recht häufig von Vorgesetzten behindert, die Enthüllungen befürchten.78

Das GAO steht wie alle Stellen, die Kontrolle ausüben, häufig mit der Leitung der Ministerien und Behörden in Konflikt über den Zugang zu Informationen. Die Qualität der Zusammenarbeit ist je nach Regierungsstelle unterschiedlich: Mit manchen bestehen gute Arbeitsbeziehungen, andere sind dagegen sehr verschlossen.

Der Wunsch, die potenziellen Auswirkungen von Gesetzesvorschlägen oder möglicher neuer Gesetzgebung zu bewerten, ist im Kongress durchaus vorhanden, auch wenn dies bei weitem noch keinen systematischen Bestandteil des Kongressvorgehens darstellt.

Die CBO-Analysen fallen in den Bereich der Ex-ante-Folgenabschätzungen, wogegen die Arbeiten des GAO in der Regel nachträglich stattfinden.

5.3. Ex-ante: Folgenabschätzung eines Rechtsakts (RIA)

Um mögliche wesentliche Auswirkungen von Rechtsvorschriften abzuschätzen, müssen Ministerien eine Folgenabschätzung eines Rechtsakts (Regulatory impact analysis, RIA) durchführen, wenn ein Verordnungsvorschlag („proposed rule“) unter die Definition signifikant oder wirtschaftlich signifikant („significant“ bzw. „economically significant“) gemäß der von Präsident Bill Clinton erlassenen Verfügung Executive Order 12866 fällt.79 Auch für Verordnungen („rules“), die nach dem Congressional Review Act (CRA, siehe Abschnitt 5.4) als wesentlich („major“) eingestuft werden, muss eine RIA erstellt werden.

Das Office of Information and Regulatory Affairs (OIRA) gehört zum Office of Management and Budget (OMB) in der Geschäftsstelle (Executive Office) des Präsidenten. Es legt für Behörden und Ministerien Leitlinien fest, wie Folgenabschätzungen durchzuführen sind, und prüft signifikante Verordnungen. Das OIRA arbeitet bereichsübergreifend und analysiert mögliche Widersprüche zwischen

76 VA Inspector General Confronted over Feeble Investigations, Daniel Van Schooten, Project on

Government Oversight (POGO), 14. März 2016; VA Whistleblowers Testify at Senate Hearing, Daniel Van Schooten, POGO, 29. September 2015.

77 Interview: GAO-Führungskraft 3. 78 Stellungnahme von Michael E. Horowitz, 3. Februar 2015. 79 Executive Order 12866, „Regulatory Planning and Review“, 30. September 1993.

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verschiedenen Verordnungsvorschlägen oder einem Verordnungsvorschlag und der allgemeinen Politik der Regierung. Ein ehemaliger OIRA-Mitarbeiter vertritt die Auffassung, dass der wichtigste Beitrag des OIRA in diesem Prozess darin liege, „regulatorische Alternativen vorzuschlagen, die von der Regulierungsbehörde bislang nicht berücksichtigt wurden“.80 Außerdem entwickelt das OIRA gemeinsam mit Statistikern Erhebungen, die in RIA einfließen können.

Dem OIRA zufolge besteht der Zweck von Folgenabschätzungen darin, sicherzustellen, dass die wahrscheinlichen Folgen von regulatorischem Handeln berücksichtigt wurden. Die Behörden sollten Rechtsvorschriften nur dann erlassen, wenn sie hinreichend sicher sind, dass die Kosten durch die Vorteile aufgewogen werden (wobei einige Vorteile und Kosten schwierig zu beziffern sind). Das OIRA verweist ferner auf die demokratische Funktion von RIA und ihre Bedeutung für Rechenschaftspflicht, Transparenz und Open Government. Folgenabschätzungen sollten die folgenden Kernbestandteile („Key Elements“) umfassen: eine Erläuterung, warum regulatorisches Handeln erforderlich ist, die Ermittlung einer Reihe von regulatorischen Vorgehensweisen einschließlich dem Verzicht auf Maßnahmen und eine Abschätzung von Kosten und Vorteilen (Kosten-Nutzen-Analyse bzw. Cost-benefit analysis, CBA). Kosten und Nutzen müssen so umfassend wie möglich quantifiziert und beziffert werden, um unter anderem direkte Befolgungskosten schätzen zu können. Ist eine Quantifizierung nicht möglich, kann ein qualitativer Ansatz verfolgt werden. Die Behörde verwendet entweder zuverlässige Daten oder erwägt die eigene Entwicklung der notwendigen Daten und Recherchen. RIA sollten so verfasst sein, dass „sachkundige Dritte“ die Analyse verstehen und reproduzieren können, und durch eine allgemein verständliche Zusammenfassung abgerundet werden. Das OIRA unterstützt die Behörden mit einer schrittweisen Anleitung für die Zusammenstellung von Folgenabschätzungen.81

Bei einem Leistungsaudit für den Kongress überprüfte das GAO 109 signifikante Verordnungen darauf, ob sie die Kernbestandteile enthalten. Die Vorgaben wurden von den Behörden der Exekutive beim Erlass von wirtschaftlich signifikanten Verordnungen in den meisten Fällen erfüllt; das Gleiche gilt für wesentliche Verordnungen unabhängiger Regulierungsbehörden. Bei lediglich als signifikant eingestuften Verordnungen wurden die ausgewählten Kernbestandteile von den Behörden der Exekutive seltener verwendet. Das GAO empfiehlt, dass die Behörden und das OIRA das Gesetzgebungsverfahren transparenter machen, indem sie erklären, warum bestimmte Verordnungen in Kategorien fallen, die eine Kosten-Nutzen-Analyse erforderlich machen. Dadurch würde die Bedeutung künftiger Verordnungen für den Kongress, die Öffentlichkeit und andere Behörden besser verständlich und die Planung künftiger Regelungen für die Behörden erleichtert. Nach Auffassung des GAO sollte das OIRA/OMB es insbesondere begründen, wenn es die ursprüngliche Bewertung einer Verordnung durch eine Behörde als nicht signifikant ändert.82

80 Aussage vor dem Unterausschuss für regulatorische Angelegenheiten und Bundesverwaltung

(Regulatory Affairs and Federal Management) des Senatsausschusses für Innere Sicherheit und die Exekutive („Committee on Homeland Security and Governmental Affairs“), John D. Graham, Indiana School of Public and Environmental Affairs, 19. März 2015.

81 Regulatory Analysis: A Primer, OIRA, abgerufen am 19. August 2016. 82 Federal Rulemaking: Agencies Included Key Elements of Cost-Benefit Analysis, but Explanations of

Regulations' Significance Could Be More Transparent [Reissued on September 12, 2014], GAO, siehe Tabelle auf S. 12.

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RIA-Entwürfe können von der Öffentlichkeit eingesehen und kommentiert werden. In ihrer Stellungnahme zur Überarbeitung der Leitlinien der Kommission für Folgenabschätzungen aus dem Jahr 201483 argumentiert die US-Regierung, dass ihr Vorgehen einer OECD-Empfehlung84 folge und den Vorteil biete, dass „Regulierer ihre Analyse überarbeiten können, bevor sie endgültige Entscheidungen treffen“.85 Verordnungsentwürfen, die der Öffentlichkeit zur Konsultation vorgelegt werden, ist eine RIA beigefügt, die aktualisiert wird, sobald die Vorschrift rechtskräftig wird.

Beschränkungen und Kritik

Das RIA-Verfahren ist nicht allumfassend, da es nur die Behörden betrifft, die einem Ministerium unterstellt sind: Unabhängige Regulierungsbehörden unterstehen bislang nicht der Kontrolle durch das OMB und fallen nicht unter die Hauptbestimmungen der Verfügung 12866. Präsident Obamas Verfügung 13579 und die Senatsvorlage (Senate Bill) S1607 zielen darauf ab, unabhängige Regulierungsbehörden in das Verfahren zur Vorlage von Folgenabschätzungen einzubeziehen.86 Gemäß Congressional Review Act (CRA, 1996) müssen diese Behörden jedoch nach wie vor Kosten und Nutzen von wesentlichen (als „major“ eingestuften) Rechtsvorschriften bewerten.

Außerdem beschäftigt das OIRA nur 42 Vollzeitmitarbeiter. Angesichts eines solch niedrigen Personalbestands, der alle Politikbereiche abdecken muss, ist es kaum verwunderlich, dass häufig Beschwerden von Unternehmen, Bürgern und dem Kongress über fehlende Kohärenz der Rechtsvorschriften vorgebracht werden.

Kosten-Nutzen-Analysen als Bestandteil von Folgenabschätzungen sind umfassender als rein haushaltsmäßige Bewertungen der Kosten und werden seit zwei Jahrzehnten zunehmend häufig verwendet.87 Trotzdem attestierte die Juristin Pamela Gilbert der Kosten-Nutzen-Analyse bei ihrer Aussage vor dem Kongress wesentliche inhärente Schwächen, darunter eine beschränkte Eignung, den potenziellen Nutzen von Rechtsvorschriften zu quantifizieren und zu bewerten, die Tendenz zur Überschätzung zukünftiger Befolgungskosten auf Grundlage von Branchenschätzungen, bei denen Kostenschätzungen hochgetrieben und mögliche Kosteneinsparungen durch Innovation außer Acht gelassen werden, und die Praxis, den Wert des zukünftigen Nutzens für aktuelle Maßnahmen, die tatsächlich den Schutz der Öffentlichkeit in kommenden Jahrzehnten erhöhen könnten, herabzusetzen. Sie erklärte, dass vernünftige Rechtsvorschriften im Bereich Gesundheit und Sicherheit, die den Schutz der Öffentlichkeit gewährleisten, oft nicht sinnvoll im Rahmen von Kosten-Nutzen-Analysen quantifiziert werden könnten und daher letztlich nicht verabschiedet würden. 88

Der Wirtschaftswissenschaftler Frank Ackerman weist in einer Studie für die Umweltschutz-NGO Friends of the Earth darauf hin, dass Kosten-Nutzen-Analysen die

83 Öffentliche Konsultation zur Überarbeitung der Kommissionsleitlinien für Folgenabschätzungen, 2014. 84 Empfehlung des OECD-Rates zu Regulierungspolitik und Governance, 2012, Empfehlung 4. 85 Comments of the United States Government on the 2014 Revision of the European Commission Impact

Assessment Guidelines, Public Consultation Document, 30. September. 2014. 86 Executive Order 13579; Senate Bill S1607. 87 Executive Orders 12866 (58 FR 51735, 4.10.1993), 13353 (76 FR 3821, 21.1.2011) und 13579 (76 FR

41587, 14.7.2011). 88 Aussage vor dem Unterausschuss für regulatorische Angelegenheiten und Bundesverwaltung

(Regulatory Affairs and Federal Management) des Senatsausschusses für Innere Sicherheit und die Exekutive („Committee on Homeland Security and Governmental Affairs“), Pamela Gilbert, Cuneo Gilbert und LaDuca, LLP, 19. März 2015.

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Tendenz hätten, Kosten überzubewerten, die Zukunft zu bagatellisieren und klare politische Debatten durch undurchsichtige technische Streitigkeiten zu ersetzen.89

5.4. Rolle des US-Kongresses bei der Regulierung

Auch wenn der Kongress bei Folgenabschätzungen keine offizielle Rolle spielt, versuchen Senatoren und Repräsentanten sehr wohl, den Regulierungsprozess zu beeinflussen. In einer öffentlichen Anhörung betonten Senatoren kürzlich, dass gute Rechtsetzung wichtig für öffentliche politische Ziele wie Lebensmittelsicherheit und die Verhinderung von Betrug sei. Sie solle US-Durchschnittsbürgern zugutekommen, ohne unverhältnismäßig zu sein, und Unternehmen größere Sicherheit ermöglichen. Die Senatorin Joni Ernst kritisierte, dass einige Behörden die Meinungen der Öffentlichkeit bei der Regulierung nicht berücksichtigen würden. Der Vorsitzende James Lankford und das ranghöchste Mitglied Heidi Heitkamp stimmten der Aussage zu, dass der Kongress bei der Kontrolle der Regulierung noch am Anfang stehe und dass noch ein weiter Weg zurückzulegen sei, um den Prozess zu verbessern. Die beiden Senatoren räumten ebenfalls mangelnde Kontrolle des Kongresses über das OIRA ein.90 Darüber hinaus erklärten Kongressmitarbeiter, dass die Kongressabgeordneten keine systematische Übersicht oder Kontrolle darüber hätten, ob die Regierung bei dem Erlass von Verordnungen zur Umsetzung von Gesetzen die „Absicht des Kongresses“ erfüllt.

Der ehemalige OIRA-Vorsitzende Professor John Graham sagte bei einer Kongressanhörung, dass der Kongress zwar im Allgemeinen den Bundesministerien und -behörden gesetzliche Befugnis zur Regulierung erteilt, dass aber die vom Kongress angenommenen Gesetze manchmal zu detailliert seien und zu starke Ähnlichkeit mit Regulierung hätten. Eine sehr detaillierte Gesetzgebung ist dem GAO zufolge auch einer der Gründe, warum Behörden in Folgenabschätzungen manchmal keine alternativen regulatorischen Ansätze erörtern, da nämlich die vom Kongress verabschiedeten Gesetze nur eine Option möglich machen würden.91 In anderen Fällen wie beispielsweise nach einer nationalen Katastrophe ist der Kongress dafür bekannt, Gesetze zur Problembehebung ungeachtet der Kosten zu verabschieden. In solchen Fällen der Verabschiedung regulatorischer Gesetzgebung durch den Kongress wird keine Folgenabschätzung durchgeführt – der Öffentlichkeit können dadurch unverhältnismäßig hohe Kosten entstehen, weil weder die Kosten der vorgeschlagenen Gesetzgebung noch mögliche Alternativen systematisch untersucht wurden. 92

Dadurch, dass die Regierung Verordnungsentwürfe und Folgenabschätzungen öffentlich macht, hat der Kongress zumindest theoretisch die Möglichkeit, Einfluss auf die Regulierung zu nehmen. In der Praxis kommt es jedoch selten vor, dass Kongressabgeordnete in dieser Phase des politischen Entscheidungsprozesses

89 Critique of Cost-Benefit Analysis, and Alternative Approaches to Decision-Making, Frank Ackerman,

Tufts University, 2008. 90 Unterausschuss für regulatorische Angelegenheiten und Bundesverwaltung (Regulatory Affairs and

Federal Management) des Senatsausschusses für Innere Sicherheit und die Exekutive („Committee on Homeland Security and Governmental Affairs“), Examining the Federal Rulemaking Challenges and Areas of Improvement within the Existing Regulatory Process, Anhörung, 19. März 2015.

91 Federal Rulemaking, GAO. 92 Unterausschuss für regulatorische Angelegenheiten und Bundesverwaltung (Regulatory Affairs and

Federal Management) des Senatsausschusses für Innere Sicherheit und die Exekutive („Committee on Homeland Security and Governmental Affairs“), 19. März 2015.

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eingreifen. Eine nennenswerte Ausnahme war eine Verordnung der US-Umweltschutzbehörde EPA in jüngerer Vergangenheit (siehe Abschnitt 6.1).

Nach Auffassung von John Graham sollte der Kongress seine eigenen Fähigkeiten und Anforderungen im Hinblick auf Folgenabschätzungen stärken. Susan Dudley, die Leiterin des Regulatory Studies Center der George Washington University, erläutert die bisherigen Bemühungen des Kongresses zur Verbesserung der Rechtsetzung wie folgt: Seit 1995 sei die republikanische Mehrheit im Kongress bestrebt gewesen, Verordnungen im Sozial- und Umweltbereich weniger belastend und kostengünstiger zu machen. Es seien verschiedene Gesetze verabschiedet worden, um die Verwaltungslasten für lokale, regionale und Stammesregierungen sowie kleine Unternehmen zu reduzieren. Außerdem hat der Kongress das OIRA neu bevollmächtigt und die Anforderung eingeführt, dass das OMB dem Kongress jährlich berichten muss. Durch den Congressional Review Act wurden die Behörden verpflichtet, dem Kongress endgültige Verordnungen mit Begleitunterlagen vorzulegen, und es wurden beschleunigte Verfahren eingeführt, mit denen der Kongress Rechtsetzung durch einen Missbilligungsbeschluss aufheben kann. Auch wenn diese Möglichkeit bisher erst einmal genutzt wurde, habe die drohende Anwendung möglicherweise Behörden gezwungen, regulatorische Maßnahmen zu ändern, so Dudley.93

5.5. Vergleich mit Ex-ante-Analysen der EU/des EP

Professor Claudio Radaelli zufolge können Folgenabschätzungen als Mittel zur Ausübung politischer Kontrolle über Bürokratien oder zur regulatorischen Legitimierung verwendet werden. Er stellt fest, dass Folgenabschätzungen in Europa, das heißt den Mitgliedstaaten und Institutionen der EU, hauptsächlich von Wirtschaftsstellen, Ministerien für Industrie und supranationalen Wirtschaftsregulierern wie der Kommission verwendet würden. In den USA würden es Folgenabschätzungen dem Präsidenten ermöglichen, Behörden, die wie die US-Umweltschutzbehörde EPA für Fragen der Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit zuständig sind, zu disziplinieren (siehe Abschnitt 6.1). In Europa wird der Begriff „impact assessment (IA)“ ohne den Zusatz „regulatory“ verwendet (im Gegensatz zum amerikanischen Sprachgebrauch „Regulatory Impact Analysis“), weil Folgenabschätzungen von der Kommission nicht ausschließlich im Zusammenhang mit Regulierung durchgeführt werden.94

Das Europäische Parlament hat eine etablierte Rolle bei Ex-ante-Bewertungen: Die Abgeordneten haben die Möglichkeit, Folgenabschätzungen der Kommission gemeinsam mit dem Gesetzgebungsvorschlag zu prüfen, nachdem der Vorschlag vom Kollegium der Kommission förmlich angenommen wurde. Dieser Unterschied erklärt sich dadurch, dass Folgenabschätzungen und Verordnungen („rules“) in den Vereinigten Staaten in den Aufgabenbereich der Exekutive fallen und erst erstellt werden, nachdem der Kongress die Gesetzgebung beendet hat. Ein hoher GAO-Beamter vertrat beim Vergleich des Kontrollsystems der USA mit dem der EU die Auffassung, dass ein ähnlich

93 Improving Regulatory Accountability: Lessons from the Past and Prospects for the Future, Susan E.

Dudley, George Washington University Regulatory Studies Center, in: Case Western Reserve Law Review, Bd. 65, Ausgabe. 4.

94 The political consequences of regulatory impact assessment, Claudio M. Radaelli, paper for the conference 'Governing the Regulatory State? Comparing Strategies and Instruments', British Academy, London, 15 Januar 2009, S. 5 und 9.

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diszipliniertes oder förmliches Instrument wie die europäische Ex-ante-Folgenabschätzung in den USA nicht vorhanden sei.95

Das US-System hat jedoch den Vorteil, dass die Regierung Verordnungsentwürfe und Folgenabschätzungen zur öffentlichen Stellungnahme bereitstellt und ihre Folgenabschätzungen beim Erlass einer endgültigen Verordnung aktualisiert. In ihrer Antwort auf eine öffentliche Konsultation zur Überarbeitung der Kommissionsleitlinien für Folgenabschätzungen erklärte die US-Regierung, dass die Kommission in Erwägung ziehen sollte, Entwürfe von Folgenabschätzungen der Öffentlichkeit zur Stellungnahme bereitzustellen. Dadurch könnte die Evidenzbasis einer gründlicheren Prüfung unterzogen werden und die Folgenabschätzung insgesamt würde solider.96 Die Kommission stellt keine Entwürfe von Folgenabschätzungen zur Verfügung; in den Leitlinien zur besseren Rechtsetzung aus dem Jahr 2015 wurde jedoch eine neue Art der Bewertung eingeführt, die Folgenabschätzung in der Anfangsphase (Inception Impact Assessment), und festgelegt, dass diese zur öffentliche Stellungnahme zur Verfügung gestellt werden sollte. In Folgenabschätzungen dieser Art werden unter anderem die Problemstellung, für die der vorgeschlagene Rechtsakt eine Lösung bieten kann, die Gründe für das Ergreifen von Maßnahmen, die vorhandenen Optionen und die absehbaren Auswirkungen erläutert.97

Die Kommission führt Folgenabschätzungen für ihre wichtigsten Initiativen und für die Initiativen mit den am weitesten reichenden Auswirkungen durch: „Die Kommission wird ihre Gesetzgebungsinitiativen und Initiativen ohne Gesetzgebungscharakter, delegierten Rechtsakte und Durchführungsmaßnahmen, bei denen mit erheblichen wirtschaftlichen, ökologischen oder sozialen Auswirkungen zu rechnen ist, einer Folgenabschätzung unterziehen. Die im Arbeitsprogramm der Kommission oder in der gemeinsamen Erklärung aufgeführten Initiativen werden generell von einer Folgenabschätzung begleitet.“98

Alle Entwürfe von Folgenabschätzungen müssen eine positive Stellungnahme des Ausschusses für Regulierungskontrolle erhalten, der 2016 als Ersatz für den Ausschuss für Folgenabschätzung neu eingerichtet wurde. Der neue Ausschuss für Regulierungskontrolle prüft auch Entwürfe von Folgenabschätzungen und hat damit einen größeren Zuständigkeitsbereich als der ehemalige Ausschuss für Folgenabschätzung.99

Schließlich vertritt die US-Regierung die Auffassung, dass die Generaldirektionen der Kommission für ihre Folgenabschätzung verbesserte Orientierungshilfen zur Erstellung und Verwendung einer wissenschaftlichen Datenbasis benötigen, um die evidenzbasierte politische Entscheidungsfindung zu verbessern.100

Das Europäische Parlament verfügt mit dem zum EPRS gehörenden Referat Ex-ante-Folgenabschätzungen über ein eigenes Referat, das Unterstützung bei der Beurteilung

95 Interview: GAO-Führungskraft 1. 96 Comments of the United States Government on the 2014 Revision of the European Commission Impact

Assessment Guidelines, Public Consultation Document, 30. September 2014. 97 Better Regulation Guidelines COM(2015) 215 final, 19.5.2015, Kapitel III: Guidelines on Impact

Assessment. 98 Interinstitutionelle Vereinbarung über bessere Rechtsetzung, Art. 13. 99 Better Regulation Guidelines, Kapitel VI: Guidelines on Evaluation and Fitness Checks. 100 Comments of the United States Government on the 2014 Revision of the European Commission Impact

Assessment Guidelines, Public Consultation Document, 30. September 2014.

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von Folgenabschätzungen der Kommission bietet und die MdEP und EP-Ausschüsse zur Ausübung der Kontrolle befähigt. Das Referat Ex-ante-Folgenabschätzungen kann ferner Folgenabschätzungen zu wesentlichen vom EP vorgeschlagenen Änderungen sowie ergänzende Folgenabschätzungen auf Ersuchen von Ausschüssen erstellen.

Das (ebenfalls zum EPRS gehörende) Referat Europäischer Mehrwert prüft in seinen Berichten über die Kosten des Nicht-Europa kontrafaktische Szenarien: Dazu schätzt es die möglichen wirtschaftlichen Kosten, die sich ergeben würden, wenn in einem bestimmten Politikbereich keine Maßnahmen auf EU-Ebene durchgeführt werden. Außerdem führt es Bewertungen des europäischen Mehrwerts für Ausschüsse durch, die legislative Initiativberichte erstellen. Diese Arbeiten können die Grundlage für spätere politische Maßnahmen oder Gesetzgebung der EU schaffen. In den Bewertungen des europäischen Mehrwerts wird erläutert, welche sozialen, wirtschaftlichen und politischen Kosten und Vorteile mit zukünftigen europäischen Maßnahmen verbunden sein können.101

Insgesamt ist es im Hinblick auf Ex-ante-Folgenabschätzungen schwierig zu bewerten, welches der beiden Systeme – das US-amerikanische oder das europäische – logischer und besser berechenbar ist, da keines von beiden umfassenden Folgenabschätzungen unterzogen wird. Der Kongress ist nicht verpflichtet, beim Erlass von Gesetzen Folgenabschätzungen durchzuführen, und auch die Kommission muss nicht für alle von ihr vorgeschlagenen oder angenommenen Maßnahmen Folgenabschätzungen vornehmen.

5.6. Ex-post: Nachträgliche Überprüfung

US-Ministerien und Behörden führen Nachträgliche Überprüfungen („Retrospective Review“) durch. Diese können vom Kongress angeordnet werden, falls in der ursprünglichen Gesetzgebung vorgeschrieben ist, dass die Exekutive regelmäßige Berichte vorlegen muss. Eine weitere Grundlage für Ex-post-Überprüfungen schaffen die Verfügungen (Executive Orders) 13563 und 13610 von Präsident Obama. Die Überprüfung wird in der Regel vier bis fünf Jahre nach der vollständigen Umsetzung einer Rechtsvorschrift durchgeführt.102

Der Kongress kann die ursprüngliche Gesetzgebung, denen eine Behörde unterliegt, neu fassen, wenn er eine Verordnung („rule“) für unbefriedigend hält. Er hat auch die Möglichkeit, eine bestimmte Verordnung direkt aufzuheben, was jedoch kaum jemals vorkommt. Dafür wendet der Kongress seine haushaltsmäßigen Einflussmöglichkeiten häufiger an. Für nachträgliche Überprüfungen gibt es keine regierungsweiten Standards. Manche Behörden gehen dabei systematischer vor als andere. Im US-Verkehrsministerium (Department of Transportation) gibt es beispielsweise einen internen Plan, nach dem sämtliche Ministeriumsverordnungen alle zehn Jahre einer nachträglichen Überprüfung zu unterziehen sind.103

Bis heute werden die Ergebnisse nachträglicher Überprüfungen nicht systematisch zurück in den Politikprozess geleitet, mit dem Ziel, den Erlass von Gesetzen oder Verordnungen zu verbessern. In einer Studie für die Administrative Conference of the United States (ACUS) untersuchte Associate Professor Joseph Aldy von der Harvard

101 Beispiel: An EU mechanism on democracy, the rule of law and fundamental rights: Interim European

Added Value Assessment, Tatjana Evas, Wouter Van Ballegooij, 27. Oktober 2016. 102 Gruppeninterview mit OIRA und anderen Verwaltungsmitarbeitern; EO 13563; EO 13610. 103 Interview: ACUS-Mitarbeiter.

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University die Entstehung einer Reihe von Verordnungen verschiedener Behörden: Es wurden 37 regulatorische Maßnahmen für die nachträgliche Überprüfung ermittelt. Seit dem 30. September 2014 hatten diese Behörden endgültige Verordnungen zu 25 der 37 ermittelten regulatorische Maßnahmen erlassen. [...] Zwar galten diese 25 Verordnungen für Maßnahmen, die in Behördenberichten über ihren Fortschritt bei der Durchführung von Ex-post-Bewertungen ermittelt wurden, aber nur bei 14 der 25 Verordnungen wurde beim Erlass explizit auf nachträgliche Überprüfungen verwiesen. Dies deutet darauf hin, dass einige der im Rahmen dieses Überprüfungsverfahrens veröffentlichten Verordnungen möglicherweise bereits in Arbeit waren, eventuell unter bestehenden gesetzlichen Prüfbefugnissen. Es deutet ferner auf eine mögliche Kommunikationslücke zwischen den für die Koordination der nachträglichen Überprüfungen zuständigen Behördenmitarbeitern und den mit der Erstellung neuer Verordnungen betrauten Mitarbeitern hin.“104

Michael Mandel vom Progressive Policy Institute räumt jedoch ein, dass eine solche Kohärenz schwer zu erreichen sei, da die ursprüngliche Gesetzgebung bereits das Ergebnis eines politischen Prozesses gewesen sei und keine Kosten-Nutzen-Analyse darüber, welche Regulierung am besten wäre. Er vertritt die Auffassung, dass bei nachträglichen Überprüfungen auch ein größerer Blickwinkel fehle, der die kumulative Wirkung der Tätigkeiten unterschiedlicher Ministerien berücksichtigen würde.105

Die Nachverfolgung der Kontrolle einschließlich nachträglicher Überprüfungen bleibe zu einem großen Teil der Exekutive überlassen.106 Der Repräsentant Jason Chaffetz, Vorsitzender des Committee on Oversight and Government Reform, stimmte dem zu und erklärte, dass dieser Ausschuss in seiner ersten Funktion – der „Oversight“ bzw. Kontrollfunktion – versiert sei, was die Offenlegung von Skandalen angehe; allerdings sei der Ausschuss weniger kompetent im Hinblick auf den zweiten Namensbestandteil, also die staatliche Reform, die eigentlich beständige Nachverfolgung mit dem Ziel, die Funktionsweise der Regierung zu verändern. Dazu müsse sich sein Ausschuss mit den entsprechenden Fachausschüssen zusammentun.107

Reformvorschläge

2010 wurde mit dem Government Performance Results Act (GRPA) Modernization Act ein Gesetz zur Modernisierung der Regierungsleistung verabschiedet, das einem GAO-Bericht zufolge aber nur teilweise umgesetzt wurde. Hierbei muss jedoch berücksichtigt werden, dass sich dieser Bericht nur auf die ersten zwei Jahre der möglichen Umsetzung

104 Learning from Experience: An Assessment of the Retrospective Reviews of Agency Rules and the

Evidence for Improving the Design and Implementation of Regulatory Policy, Joseph E. Aldy, Harvard University, 17. November 2014, S. 48; siehe auch: Retrospective Review of Agency Rules, ACUS, abgerufen am 8. August 2016.

105 Schriftliche Stellungnahme von Michael Mandel, Progressive Policy Institute, Anhörung des Senatsausschusses für Innere Sicherheit und die Exekutive („Committee on Homeland Security and Governmental Affairs“), „Toward a 21st Century Regulatory System“, 25. Februar 2015.

106 Interview: Repräsentantenhausmitarbeiter 1. 107 Interview im National Journal, Washington, D.C., 2. Juni 2015.

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bezieht.108 Zu den wichtigen Bestandteilen des Gesetzes gehört die Ernennung von „Performance Officers“, die die Wirksamkeit von Programmen evaluieren sollen.109

Verschiedene Gesetzentwürfe, die im Kongress eingebracht wurden, enthalten wesentliche Änderungen des nachträglichen Überprüfungssystems: So sieht der Regulatory Improvement Act die Einrichtung einer neuen Kommission mit Zuständigkeit für die Koordinierung von nachträglichen Überprüfungen vor. Von den 2015 im Umlauf befindlichen Gesetzentwürfen zu diesem Thema war dies der einzige Entwurf, zu dem Präsident Obama nach eigener Aussage kein Veto einlegen würde.110

Die ACUS dagegen schlägt Änderungen vor, die sich innerhalb des bestehenden Systems der Selbstbewertung einfügen würden, aber stärkere Anreize für Behörden setzen würden, Veränderungen durchzuführen. Ein ACUS-Mitarbeiter erklärte, dass nachträgliche Überprüfungen durch die Einbindung des Privatsektors oder von NGO kostengünstiger werden müssten, damit die Behörden solche Überprüfungen verstärkt durchführen. Nach dem ACUS-Vorschlag sollten Behörden schon bei der Annahme neuer Gesetzgebung Bestimmungen vorsehen, in denen Art und Weise sowie Zeitpunkt von nachträglichen Überprüfungen geregelt wären.

Weitere Bestandteile des Vorschlags:

Ermittlung von Behörden, die besonderen Überprüfungsbedarf haben

Erwägung internationaler regulatorischer Zusammenarbeit

Festlegung einer Bestimmung, wonach bedeutende Änderungen der Marktkräfte die Durchführung einer nachträglichen Überprüfung rechtfertigen würden.111

Schließlich findet die Arbeit des GAO in der Regel nachträglich statt, allerdings hat das GAO im Hinblick auf Ex-post-Bewertungen keine formale Rolle, die den gesamten Tätigkeitsbereich einer Behörde abdecken würde.

5.7. Vergleich mit Ex-post-Analysen der EU/des EP

Der Europäische Rechnungshof (EuRH) ist wie das GAO eine oberste Rechnungskontrollbehörde. Allerdings ist der EuRH keine EP-Stelle, sondern ein unabhängiges EU-Organ. Im Vergleich zum GAO führt der EuRH relativ wenige Leistungsaudits, sondern überwiegend Prüfungen der Rechnungsführung (oder Compliance-Prüfungen) durch.112 Das GAO wird hauptsächlich auf Ersuchen des Kongresses tätig, der EuRH dagegen legt seine eigene Agenda fest. GAO-Empfehlungen sind im Gegensatz zu Empfehlungen des EuRH nicht nach Prioritäten geordnet.113 Dem EuRH gehören 900 Bedienstete für Prüfung, Übersetzung und Verwaltung an, im Vergleich zu 3.000 Mitarbeitern beim GAO.114

108 Government Performance Results Act (GRPA) Modernization Act, 5. Januar 2010; Managing for

Results: Implementation of GPRA Modernization Act Has Yielded Mixed Progress in Addressing Pressing Governance Challenges, GAO, September 2015.

109 Interview: Senatsmitarbeiter 1. 110 S.708 – Regulatory Improvement Act of 2015; Interview: ACUS-Mitarbeiter, siehe schriftliche

Stellungnahme von Michael Mandel. 111 Interview: ACUS-Mitarbeiter. 112 Compliance-Prüfung versus Wirtschaftlichkeitsprüfung aus der Perspektive des Europäischen

Rechnungshofs, Vitor Caldeira, EuRH-Präsident, 25. September 2013, S. 43–50. 113 Handbuch der Wirtschaftlichkeitsprüfung, Europäischer Rechnungshof, abgerufen am 8. August 2016. 114 Struktur, EuRH, abgerufen am 18. August 2016.

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Der EP-Ausschuss für Haushaltskontrolle (CONT) stützt sich bei der Kontrolle der Verwendung von EU-Geldern auf EuRH-Berichte. Mit der Entlastung der Kommission, die den überwiegenden Teil des EU-Haushalts ausführt, aber auch anderer Organe verfügt das EP über ein leistungsstarkes Instrument der demokratischen Ex-post-Kontrolle. Die meisten Konflikte in diesem Bereich hat das EP jedoch nicht mit der Kommission, sondern mit dem Rat: Seit 2011 (für das Haushaltsjahr 2009) hat das EP jährlich die Entlastung des Rates verweigert.115

Bei einer Anhörung des CONT-Ausschusses erklärte ein hoher GAO-Beamter die Herangehensweise des GAO in Bezug auf Leistungsaudits.116 Der EuRH-Präsident argumentierte, dass es nicht zweckmäßig sei, zwischen einem Leistungsaudit, einer Compliance-Prüfung und einer Prüfung der Rechnungsführung wählen zu müssen, da alle drei notwendig seien: Prüfungen der Rechnungsführung beträfen die Zuverlässigkeit der Rechnungslegung, während bei Compliance-Prüfungen die Ordnungsmäßigkeit betrachtet wird. All das falle in die rechtlichen Verantwortlichkeiten des EuRH. Anhand von Leistungsaudits wird untersucht, ob die Ausgaben von EU-Haushaltsmitteln den Grundsätzen der Sparsamkeit, der Wirtschaftlichkeit und der Wirksamkeit entsprechen. Am besten sei es, alle drei Arten von Prüfungen zusammen zu nutzen.117

Das Office of Inspector General (OIG) ist im weitesten Sinne mit dem Internen Auditdienst (IAS) der Kommission vergleichbar, wenngleich der Aufgabenbereich des IAS enger gefasst ist als der des OIG: Der IAS ist mit der Verbesserung der Wirksamkeit des Risikomanagements sowie der Kontroll- und Verwaltungsverfahren befasst.118

Im EP steht den MdEP bei der Durchführung von Evaluierungen auch der EPRS zur Seite: Das zum EPRS gehörende Referat Ex-post-Folgenabschätzungen unterstützt Ausschüsse bei ihren Arbeiten zur Umsetzung von Rechtsvorschriften; insbesondere erstellt es immer dann, wenn ein Ausschuss (wie es immer häufiger vorkommt) einen formalen Umsetzungsbericht erarbeitet, eine „Evaluierung der Europäischen Umsetzung“.

Das Referat Politikzyklus innerhalb des EPRS nimmt systematisch Umsetzungsbewertungen geltender Rechtsvorschriften vor, wenn deren Aktualisierung im jährlichen Arbeitsprogramm der Kommission vorgesehen ist. Diese Arbeiten erfolgen in Reaktion auf das jährliche Arbeitsprogramm und werden vom EP daher nicht als Teil der Kontrollphase, sondern als Teil der Konsultationsphase des Gesetzgebungszyklus behandelt. Das Referat hat ferner eine rollierende Checkliste („Rolling Check-List“) neuerer Ergebnisse der EuRH-Sonderberichte erstellt, die regelmäßig aktualisiert wird, um das EP im Entlastungsverfahren zu unterstützen,119 und beabsichtigt die Abstimmung ausgewählter Arbeiten zur Leistungsbewertung von Politik mit dem EuRH.

So wie der Kongress die Befugnis hat, ursprüngliche Gesetzgebung neu zu fassen oder einzelne Verordnungen aufzuheben, kann auch das EP delegierte Rechtsakte aufheben. Diese Rechtsakte ohne Gesetzgebungscharakter dienen der Ergänzung oder Änderung

115 Discharge for 2014 budget – EU institutions other than the European Commission, Alessandro

D'Alfonso, EPRS, 25. April 2016. 116 Performance Auditing – The Experience of the United States Government Accountability Office,

Christopher Mihm, 25. September 2013. 117 Compliance-Prüfung versus Wirtschaftlichkeitsprüfung, siehe oben. 118 Charta der Aufgaben, Rechte und Pflichten des Internen Auditdienstes der Europäischen Kommission,

C(2015) 2451 final, 20.4.2015. 119 Special Reports of the European Court of Auditors: A Rolling Check-List of recent findings, Biliana

Tzarnoretchka, Gabriella Zana-Szabo, EPRS-Studie, 14. April 2016.

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nicht wesentlicher Bestandteile von EU-Gesetzgebungsakten und werden mittels Befugnissen, die ihr vom EP und dem Rat übertragen wurden, von der Kommission angenommen. Das EP (oder der Rat als Mitgesetzgeber) kann die in einem Rechtsetzungsakt festgeschriebene Übertragung der Befugnisse einseitig widerrufen, wenn es mit dem delegierten Rechtsakt der Kommission nicht einverstanden ist.120

Etwas schwächere Befugnisse hat das EP in Bezug auf Durchführungsrechtsakte. Ihre Verabschiedung erfolgt durch die Kommission oder, „in entsprechend begründeten Sonderfällen“, den Rat, wenn für die verbindlichen EU-Rechtsakte einheitliche Durchführungsbedingungen erforderlich sind. Das EP beschließt jedoch gemeinsam mit dem Rat gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren allgemeine Regeln und Grundsätze, nach denen die Mitgliedstaaten die Wahrnehmung der Durchführungsbefugnisse durch die Kommission kontrollieren („Komitologie“).121

Das EP-Sekretariat verbesserte kürzlich die Kontrolle von delegierten Rechtsakten und Durchführungsrechtsakten122 durch die Schaffung von zwölf zusätzlichen Stellen in verschiedenen Ausschusssekretariaten der DG IPOL, die mit dieser Art von Kontrolle befasst sind.

6. Fallstudien nach Politikbereichen

6.1. US-Umweltschutzbehörde (Environmental Protection Agency, EPA)

Exemplarisch für einen Politikbereich mit starker parlamentarischer Kontrolle wurde in dieser Arbeit die Umweltpolitik untersucht.

Dabei wurde der spezielle Fall des von der US-Umweltschutzbehörde (EPA) vorgeschlagenen Plans für saubere Energie (Clean Power Plan) ausführlicher untersucht (siehe Kasten unten).

Seit Beginn der Amtszeit von Präsident Obama im Jahr 2009 hat die EPA zahlreiche Verordnungen („rules“) zur Durchführung von Gesetzen („statutes“), die (zum Teil vor Jahrzehnten) vom Kongress verabschiedet worden waren, vorgeschlagen und erlassen. Andere Verordnungen der EPA gründeten sich auf nachträgliche Überprüfungen, die von der EPA aufgrund von – ebenfalls vom Kongress verabschiedeter –ursprünglicher Gesetzgebung durchgeführt werden mussten. Die EPA ist sehr aktiv im Bereich der nachträglichen Überprüfungen und veröffentlicht Jahresberichte, in denen sie ihre Fortschritte bei der Überarbeitung der in ihren Aufgabenbereich fallenden Verordnungen nachweist. Diese Berichte enthalten eine Tabelle mit Angaben über die bewertete Verordnung, über laufende oder beendete öffentliche Konsultationen, über vorgeschlagene Änderungen der Verordnung sowie über die erwarteten Kosteneinsparungen und/oder Hindernisse für die Erhebung von Informationen und den erwarteten Nutzen.123 Die Tabelle enthält bereits vorgeschlagene Änderungen der Verordnungen und geht damit über eine reine nachträgliche Überprüfung der aktuellen Politik hinaus.

120 Artikel 290 Absatz 2 AEUV. 121 Artikel 291 AEUV; The European Parliament, Richard Corbett, Francis Jacobs, Michael Shackleton,

London 2011, S. 330. 122 Strategic Planning for the Secretariat-General of the European Parliament, Klaus Welle, März 2015. 123 Final Plan for Periodic Retrospective Reviews of Existing Regulations, EO 13563 Progress Report,

Januar 2016.

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Von Kongressmitgliedern und dem Privatsektor kamen heftige Reaktionen auf die neuere Gesetzgebung der EPA. Sie kritisierten die Behörde unter anderem dafür, dass sie außerhalb ihrer vom Kongress verliehenen Befugnis tätig wäre, die Kosten der vorgeschlagenen Gesetze unterschätze oder die kumulativen Auswirkungen mehrerer Verordnungen außer Acht lasse. Ein Senatsmitarbeiter räumte jedoch Nachlässigkeit vonseiten des Kongresses ein, weil dieser im Gegensatz zur früheren Praxis keine Durchführungsrichtlinien gesetzlich verankert habe. Möglicherweise hat die Einstellung dieser Praxis zur Schaffung eines Graubereichs beigetragen, in den sich die Regierung über ein zulässiges Maß hineingewagt habe.124 Die EPA argumentiert, dass ihre Verordnungen lediglich der Durchführung von kodifizierten Gesetzen („statutes“) dienen würden.125 Dieser Konflikt zeigt, dass die Grenze zwischen Gesetzgebung und dem Erlass von Rechtsverordnungen nicht immer klar gezogen ist und oft politisch bestimmt wird: Derzeit vertritt der Kongress mit republikanischer Mehrheit die Auffassung, dass die EPA gesetzgeberisch tätig sei, anstatt sich an die Grenzen der Regulierung zu halten, das heißt lediglich Gesetze mit Leben zu füllen.

Ein neuerer CRS-Bericht126 liefert Hintergrundinformationen zur regulatorischen Tätigkeit der EPA während der Amtszeit von Präsident Obama. Dieser Bericht gibt einen Überblick über die umstrittensten regulatorischen Maßnahmen und legt die Kostenschätzungen der EPA dar (der Nutzen wird dargestellt, wenn Angaben vorhanden sind). In dem Bericht erläutert der CRS, dass das Repräsentantenhaus im 112. und 113. Kongress, in dem zu der Zeit eine republikanische Mehrheit vorhanden war, die EPA strenger Kontrolle unterzogen hatte. Seit im 114. Kongress in beiden Kammern eine republikanische Mehrheit besteht, wurde die Kontrolle noch verschärft. Gleichzeitig verweist der CRS darauf, dass die EPA nicht allein von Seiten der Republikaner wegen des Überschreitens ihrer Befugnis kritisiert worden war; entsprechende Kritik sei auch von Demokraten geäußert worden.

Zu den Kontrollinstrumenten gehören überparteiliche Schreiben und Anhörungen beispielsweise um Fragen zur Sauberkeit von Luft und Wasser. Die Gegner der EPA-Initiativen im Kongress versuchten auch, sogenannte „Riders“ (Zusätze ohne direkte Verbindung zu einem Gesetzgebungsvorschlag, in diesem Fall Zusätze ohne Budgetbezug) in Bewilligungsvorlagen, die die regulatorischen Bemühungen der Regierung vermindern würden, eigenständige Rechtsvorschriften und Missbilligungsbeschlüsse gemäß dem Congressional Review Act (siehe Abschnitt 5.4) einzuführen. Zeitweise hat der Kongress versucht, zugrunde liegende Umweltgesetze zu ändern und das Vetorecht der EPA bei Genehmigungen mit Auswirkungen auf die Wasserverschmutzung einzuschränken. Die meisten dieser Versuche wurden durch das Veto von Präsident Obama vereitelt. Einige der von gegnerischen Organisationen oder Bundesstaaten eingereichten Klagen (darunter der Clean Power Plan, siehe Kasten) gelangten bis zum Obersten Gerichtshof.127

124 Interview: Senatsmitarbeiter 2. 125 Senatsausschuss für Umweltfragen und öffentliche Bauvorhaben (Committee on the Environment and

Public Works), Kontrollanhörunge zu den vorgeschlagenen CO2-Emissionsvorschriften (Proposed Carbon Dioxide Emissions Rules) der EPA, 11. Februar 2015, Antwort des Acting Assistant Administrator for the Office of Air and Radiation der EPA, Janet McCabe.

126 EPA Regulations: Too Much, Too Little, or On Track?, James E. McCarthy, Claudia Copeland, CRS, 9. Februar 2016.

127 EPA Regulations: Too Much, Too Little, or On Track?, James E. McCarthy, Claudia Copeland, CRS, 9. Februar 2016.

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Clean Power Plan

Im Juni 2014 schlug die EPA eine Verordnung128 zur Reduzierung der CO2-Emissionen bestehender Kraftwerke um 30 % unter die Werte von 2005 bis zum Jahr 2030 vor. In ihrer Folgenabschätzung beschränkte die EPA ihre Bewertung des Klimanutzens nicht allein auf den Nutzen für die USA (oder ihre Bürger), sondern stützte sich vielmehr auf eine Schätzung des weltweiten Klimanutzens.129 Kurz darauf verfasste der Brookings-Think-Tank als Koautor einen Bericht130, in dem die Geschichte der Folgenabschätzung von Rechtsakten in den Vereinigten Staaten und ihre nahezu ausschließliche Beachtung von (geographisch oder durch die US-Staatsbürgerschaft bestimmten) nationalen Auswirkungen bei Schätzungen des Nutzens und der Kosten von Vorschriften vorgestellt wird. Die Autoren stellen fest, dass es zwar möglicherweise Gründe dafür gibt, bei einer Kosten-Nutzen-Analyse der US-Klimapolitik eine Schätzung des weltweiten Schadens anstelle des Schadens in den Vereinigten Staaten zu verwenden, dass aber bis vor kurzem in allen Folgenabschätzungen der letzten Jahrzehnte ausschließlich die Auswirkungen in den USA beachtet worden waren. Sie machen geltend, dass bei Verwendung nationaler Kostenprognosen auch der Nutzen national berechnet werden sollte.

Die endgültige Clean Power Plan Final Rule wurde am 23. Oktober 2015131 nach großen Kontroversen, unter anderem auch während Kongressanhörungen, veröffentlicht.132 Die endgültige Vorschrift enthielt eine aktualisierte Folgenabschätzung.

Im März 2016 beendete der Oberste Gerichtshof vorübergehend die Meinungsverschiedenheiten im Kongress durch die Aussetzung der vollständigen Durchsetzung bis zur Beilegung aller Rechtsstreitigkeiten. Die EPA führt die Arbeiten am Clean Power Plan jedoch entsprechend ihrer bisherigen Praxis mit dem Ziel fort, Modellpläne zum Emissionshandel zur Nutzung durch einzelne Bundesstaaten zu veröffentlichen.133

6.2. Auswärtige Angelegenheiten

Auswärtige Angelegenheiten wurden hier als Beispiel für einen Bereich der „Hohen Politik“ gewählt, der geopolitische Positionen und nationale Interessen der Vereinigten Staaten und in diesem Zusammenhang zahlreiche Verschlusssachen betrifft. Mitarbeiter des Kongresses erläuterten, vor welchen besonderen Herausforderungen die Kontrolle in diesem Politikbereich steht, und die befragten Bediensteten des US-Außenministeriums gaben Einblicke in die Vorgehensweise ihres Ministeriums im Hinblick auf Kontrolle sowie die Beziehungen zum Kongress und das Generalinspektorverfahren.

Im Kongress liegt die Hauptzuständigkeit für auswärtige Angelegenheiten beim Repräsentantenhaus-Ausschuss für Auswärtige Angelegenheiten (House Committee on Foreign Affairs, HFAC) und beim Senatsausschuss für Außenbeziehungen (SFRC, Senate Committee on Foreign Relation). Kay King vom Rat für Außenbeziehungen (Council on Foreign Relations) vertritt die Auffassung, dass diese Ausschüsse versiert darin seien, öffentliche Anhörungen zu Angelegenheiten ihres Zuständigkeitsbereichs zu

128 Carbon Pollution Emission Guidelines for Existing Stationary Sources: Electric Utility Generating Units;

Proposed Rule, EPA, 18. Juni 2014. 129 Regulatory Impact Analysis for the Clean Power Plan Final Rule, EPA, aktualisiert am 23. Oktober 2015,

S. ES-14. 130 Determining the Proper Scope of Climate Change Benefits, Gayer, Ted; W. Kip Viscusi, 4. Juni 2014. 131 Carbon Pollution Emission Guidelines for Existing Stationary Sources: Electric Utility Generating Units;

Final Rule, EPA, 23. Oktober 2015. 132 EPA's clean power plan is wrong for states, Scott Pruitt, Jonathan Small, The Hill, 16. Dezember 2014. 133 Supreme Court ruling on Clean Power Plan doesn't halt EPA action or change timeline, The Hill,

16. März 2016.

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veranstalten, dass jedoch die Ausschuss-Struktur in beiden Kammern wenig geeignet sei, internationale Fragen im Zusammenhang mit Außenpolitik, Verteidigung und Geheimdiensten zu behandeln, die Zuständigkeitsgrenzen überschreiten. Diese mangelnde Kohärenz wirke sich insbesondere auf Arbeiten im Zusammenhang mit Post-Konflikt-Gebieten aus. Außerdem seien weitere übergreifende Politikbereiche, wie Einwanderung, Energie und Handel, Ausschüssen zugeordnet, deren Schwerpunkt auf der innenpolitischen Ebene liegt. Sie erläutert ferner, dass die Mitarbeit im HFAC und im SFRC für Kongressmitglieder nicht sonderlich attraktiv sei, da sie wenig Gelegenheit biete, dem eigenen Wahlbezirk nützlich zu sein. Die Tätigkeiten des Außenministeriums würden, zum Teil aufgrund des eng getakteten Sitzungsplans des Senats, nicht regelmäßig durch genehmigende Gesetzentwürfe („authorisations“) gesteuert. Paradoxerweise sei die Exekutive mit diesem Umstand zufrieden gewesen, da sie den Erlass von Kongressgesetzen fürchte, die das Handeln der Exekutive sehr streng kontrollieren und detaillierte Berichtspflichten umfassen würden. Im Ergebnis sei die Auslandshilfe stark fragmentiert und werde derzeit von vielen verschiedenen Behörden durchgeführt.134

Zwei Mitarbeiter des Repräsentantenhauses gaben an, das Außenministerium würde dem Kongress nur widerwillig Kontrolle über und Einflussnahme auf seine Tätigkeiten einräumen.135 Wie einer der beiden erläuterte, könnten Konflikte dann entstehen, wenn Bedienstete ihre Befugnisse überschreiten, oder wenn der Kongress hin und wieder einschreitet, um die Meinung der Bevölkerung darzustellen. Weiterhin ergäben sich Konflikte aus der Diskrepanz zwischen verschiedenen Perspektiven: Die von Kongressmitgliedern vertretene Sichtweise der Wahlbezirksebene sei für die Ministeriumsbediensteten nicht immer offensichtlich. Einer der befragten Mitarbeiter des Repräsentantenhauses erklärte, dass die überparteiliche Zusammenarbeit im Repräsentantenhaus-Ausschuss für Auswärtige Angelegenheiten relativ gut sei. Dies liege an der überschaubaren Mitgliederzahl des Ausschusses und dem guten Verhältnis zwischen Vorsitzendem und ranghöchstem Mitglied; der Vorsitzende erlaube es dem ranghöchsten Mitglied auch, Anhörungen einzuberufen. In anderen Ausschüssen würde die Mehrheit oft die Arbeit der Minderheit blockieren. Auch die Art der erörterten Fragestellungen spielt möglicherweise eine Rolle: Dem befragten Mitarbeiter zufolge sei es einfacher, Sanktionen gegen ein anderes Land zu beschließen, als Umweltschutzmaßnahmen, die mit erheblichen Kosten für die US-Industrie verbunden sind.136

Zwei Mitarbeiter des Senats vertraten übereinstimmend die Auffassung, dass auswärtige Angelegenheiten ein Politikbereich mit gutem überparteilichen Konsens zwischen Ausschussmitgliedern sei.137 Einer der Befragten bedauerte jedoch, dass die Außenpolitik in jüngerer Zeit stärker verschlossen geworden sei: Die Regierung habe vermehrt Informationsgespräche hinter verschlossenen Türen abgehalten, selbst wenn tatsächlich keine als geheim eingestuften Informationen zur Sprache kamen. Der oben genannte Senatsmitarbeiter sieht darin einen Versuch der Regierung, den Zugang zu Unterlagen und Informationsgesprächen zu beschränken.138 Bestätigt wird diese Tendenz von einem

134 Congress and National Security, Kay King, Council on Foreign Relations, 2010, abgerufen am

25. Juli 2016. 135 Interview: Repräsentantenhausmitarbeiter 2, 3. 136 Interview: Repräsentantenhausmitarbeiter 3. 137 Interviews: Senatsmitarbeiter 2, Mitarbeiter des Center for Transatlantic Relations Mike Haltzel. 138 Interview: Senatsmitarbeiter 2.

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anderen Kongressmitarbeiter, der betonte, dass dies für alle Politikbereiche gelte, und darauf verwies, dass die Regierung in jüngerer Vergangenheit bestimmte Informationskategorien als „strafverfolgungsrelevant“ („law enforcement sensitive“, LES) ausgewiesen hat. Diese Informationen werden, obwohl es sich nicht um Verschlusssachen handelt, nur eingeschränkt verbreitet, da sie möglicherweise für kriminelle Zwecke missbraucht werden könnten. Nach Aussage des Mitarbeiters habe sich der Kongress oft mit der Regierung über die Aushändigung dieser Informationen streiten und erläutern müssen, dass er sie zur Ausübung seiner Kontrollfunktion benötige und nicht öffentlich machen würde.

Der frühere Stabsleiter (Staff Director) des Unterausschusses für Europäische Angelegenheiten im SFRC, Mike Haltzel, vertritt die Auffassung, dass Kontrolle im Bereich der auswärtigen Angelegenheiten immer mit Konflikten um Zeit und Personal verbunden gewesen sei. Da die Vereinigten Staaten als weltweiter Problemlöser gefragt seien, sei die Agenda des Ausschusses krisenbedingt gesetzt und regelmäßige Kontrollaktivitäten häufig „in die zweite Reihe“ verbannt worden. Bei seinen Kontrollaufgaben habe er US-Botschaften besucht und Informationen vom Botschafter, seinem Stellvertreter und anderen wichtigen Mitarbeitern wie den Beauftragten für politische Angelegenheiten und den Öffentlichkeitsbeauftragten, dem Stationschef (Station Chief) der CIA sowie politischen und wirtschaftlichen Beratern erhalten. Manchmal hätte ihn der Botschafter auch gebeten, eine Nachricht nach Washington mitzunehmen, etwa Beschwerden über die Arbeitsbedingungen in der Botschaft. In diesen Fällen hätten die Diplomaten gewünscht, dass Haltzel möglichst umfassende Kontrolltätigkeiten ausübt.139

Ein Beamter des Außenministeriums, der im Bereich der Zusammenarbeit mit dem Kongress tätig ist, hält Kontrolle für wichtig und ist der Ansicht, dass sie nicht so sehr als feindlich im Sinne von „Kongress versus State Department“ wahrgenommen werden sollte, sondern vielmehr als kooperative Funktion, die dazu beitragen kann, Politik und Programmverwaltung zu verbessern. Der Beamte berichtete von falschen Vorstellungen über den Kongress innerhalb der Beamtenschaft: So seien viele Beamte in verschiedenen Ministerien beispielsweise besorgt, dass sie einen Fehler gemacht hätten, wenn sie zur Aussage geladen werden. Solche Befürchtungen im Vorfeld von Anhörungen bestätigte ein Kongressmitarbeiter, demzufolge das Außenministerium bekannt dafür sei, sich vorab zu erkundigen, welche Fragen in einer Anhörung gestellt würden.140

Der Bedienstete des Außenministeriums sagte dagegen, dass es zu den Aufgaben des Kongresses gehöre zu wissen, was Behörden tun und ob ihre Programme wirksam durchgeführt werden; daher wird es von dieser Person als normal angesehen, über Politik und Programme auszusagen. Es zahle sich aus, wenn Bedienstete den Kongress vorab darüber informieren, welche Schritte ein Ministerium zur Steigerung der Effizienz unternehmen wolle. Das Außenministerium bietet dem Kongress öffentliche und nicht-öffentliche Briefings an. Nicht-öffentliche Briefings enthielten trotz ihrer Einstufung nicht immer geheime Informationen.141 Dem Bediensteten des Außenministeriums zufolge interessiere sich der Kongress vor allem für die Wirtschaftlichkeit und die Wirksamkeit der Programme. Das Interesse sei im Allgemeinen proportional zur Höhe der ausgegebenen Bundesmittel und steige während Haushaltsverhandlungen. Als nicht regulatorische Behörde hat das Außenministerium nichts mit dem OIRA zu tun.

139 Interview: Mitarbeiter des Center for Transatlantic Relations Mike Haltzel. 140 Repräsentantenhausmitarbeiter 2. 141 Interview: Senatsmitarbeiter 2.

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Viele Bedienstete glauben, dass die Verbindungen zwischen Verteidigungsministerium und Kongress enger sind als zwischen Außenministerium und Kongress, weil Militärstützpunkte auf das ganze Land verteilt und daher in vielen Kongresswahlbezirken vorhanden seien. Das Außenministerium versuche deutlich zu machen, dass seine Tätigkeiten allen US-Bürgern zugutekommen und dass es seine Berichterstattung nach dem Vorbild des Quadrennial Defense Review entwickelt habe, der im Kongress gut aufgenommen wurde.142 Im Quadrennial Diplomacy and Development Review (QDDR)143 werden Programmprioritäten festgelegt und es wird erläutert, wie der Außenminister (Secretary of State) versucht, die Organisationsstruktur zu verbessern. Der QDDR aus dem Jahr 2015 baut auf dem ersten QDDR von 2009 auf, durch den eine Reihe von Reformen eingeleitet wurden, und enthält Überlegungen zum Gemeinsamen Strategischen Plan (Joint Strategic Plan) von US-Außenministerium und der US-Entwicklungshilfebehörde (US Agency for International Development, USAID) aus dem Jahr 2014. Viele außenpolitische Stakeholder, unter anderem auch aus dem Kongress, waren konsultiert worden.144 Anlässlich der Veröffentlichung wurden Bedienstete des Außenministeriums in den Kongress abgesandt, um den Bericht zu erläutern.

Der QDDR umfasst einen thematischen Teil mit Erläuterungen zu vier strategischen politischen Prioritäten:

Bekämpfung des gewalttätigen Extremismus offene und demokratische Gesellschaften sozialverträgliches Wirtschaftswachstum und Klimawandel.

Es schließt mit einem verwaltungs- bzw. führungsbezogenen Teil:

Aufbau dynamischer Organisationen und Investitionen in bewegliche, qualifizierte Arbeitskräfte.

Hinsichtlich der Beziehungen mit den Kongressstellen hat das Außenministerium ein GAO-Verbindungsbüro und versucht, die GAO-Empfehlungen so weit wie möglich zu befolgen; darüber unterrichtet es den Kongress. Falls es dem Außenministerium nicht gelingt, Empfehlungen zu befolgen oder Fristen im Zusammenhang mit dem GAO einzuhalten, würden seine Beziehungen zum Kongress dadurch beeinträchtigt. Wenn das GAO die Erstellung eines Berichts über diplomatische Tätigkeiten plant, versucht das Außenministerium unter Umständen, den Rahmen des Berichts enger zu stecken, würde aber dennoch versuchen, eine gute Zusammenarbeit an dem Bericht zu ermöglichen.

Plant das Außenministerium die Aushandlung eines internationalen Vertrags, dem der Senat zustimmen muss, bezieht es den Kongress häufig zu Anfang mit ein, um Unterstützung zu erlangen. Daher informiert es den Kongress systematisch darüber, wenn Vertragsverhandlungen bevorstehen.145 Dieses allgemeine Vorgehen kann sich später in Form von dringend benötigter Finanzierung oder entscheidender Unterstützung auszahlen.

142 Interview: Diplomat 2. 143 Quadrennial Diplomatic and Development Review – explanations, abgerufen am 15. Juli 2016. 144 Quadrennial Diplomatic and Development Review, State Department, abgerufen am 8. August 2016. 145 Interview: Diplomat 2.

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Wie die meisten Behörden der Exekutive kontrolliert das Außenministerium seine eigenen Tätigkeiten mit Unterstützung eines Office of the Inspector General (OIG), einer Generalinspektorstelle, die folgende Tätigkeiten ausführt:

Inspektionen (Bewertung von Verwaltung und Betrieb von Botschaften und Abteilungen)

Audits (Prüfung der Rechnungsführung von Botschaften und Abteilungen) und

Untersuchungen (zur Aufdeckung eines bestimmten Bereichs von Betrug).

Nach Angaben eines Diplomaten, der regelmäßig für das OIG arbeitet, sollten Botschaften alle fünf Jahre überprüft werden, aufgrund von Personalmangel fänden die Kontrollen in der Praxis jedoch seltener statt. Zur Vorbereitung der Überprüfung einer Botschaft wird unter anderem ein vertraulicher Fragebogen an die Mitarbeiter verschickt und es werden Interviews mit der Abteilung des Außenministeriums durchgeführt, der die Botschaft untersteht. Die insgesamt zwischen 15 und 20 Inspektoren verbringen einen Monat vor Ort mit der Befragung von Vorgesetzten und Mitarbeitern und stellen im darauffolgenden Monat ihren Bericht fertig. Ein erster Entwurf wird dem Botschafter vorgelegt, der Anmerkungen dazu macht. Da das OIG letztendlich rechenschaftspflichtig gegenüber dem Kongress ist, wird der fertige Bericht online veröffentlicht. Eine Compliance-Stelle überprüft, ob die Empfehlungen befolgt wurden. Zwar findet keine direkte Zusammenarbeit mit dem GAO statt, nach Aussage des Diplomaten sei das GAO jedoch grundsätzlich an OIG-Berichten interessiert. Zweimal jährlich erstellt das OIG einen Bericht für den Kongress.146

Ein Aspekt, der die Kontrolle der Außenpolitik erschwert hat, ist die zentrale Zusammenfassung der politischen Entscheidungsfindung im Weißen Haus, wobei der Nationale Sicherheitsrat der Vereinigten Staaten (National Security Council, NSC) eine zentrale Rolle spielt. Den Vorsitz des NSC hat der Präsident der Vereinigten Staaten, Kernmitglieder sind der Außenminister und der Verteidigungsminister. Die Aufgabe des Rates besteht darin, die US-Außenpolitik zu koordinieren sowie diplomatische und militärische Verpflichtungen und Anforderungen miteinander in Einklang zu bringen. In den letzten Jahren, insbesondere seit den Anschlägen vom 11. September 2011, haben sich die Befugnisse des NSC vergrößert und der Rat ist unabhängiger geworden.147 Ein Beamter gab an, dass zwar das GAO den NSC stärker kontrollieren sollte, dass sich dies aber als schwierig herausstelle.148 Wie Richard Best vom CRS erläutert, muss der Chefberater des NSC, der Nationale Sicherheitsberater (National Security Advisor) nicht vom Senat bestätigt werden. Allgemein haben der Kongress und seine Ausschüsse nicht die gleiche Art von Beziehung zum NSC wie zu den darin vertretenen Ministerien und Behörden. Zwar hat der Kongress Haushaltsaufsicht über den NSC, aber nur wenig Einfluss auf seine Rolle oder interne Organisation.149

6.3. Hängt die Intensität der Kontrolltätigkeiten vom Politikbereich ab?

Es lässt sich feststellen, dass der Kongress in einigen Politikbereichen leichter Kontrolle ausüben kann als in anderen, aber nicht immer aus den naheliegendsten Gründen. Zwar 146 Semiannual Report to the Congress, 1. Oktober 2015 bis 31. März 2016, Pressemitteilung, abgerufen

am 1. August 2016; Interview: Diplomat 1. 147 Restoring FOIA's reach to the National Security Council, CommLaw conspectus [1068-5871] Yingling,

Andrew, 2014, Bd. 22 Ausgabe. 2 S. 407-432, hier: S. 414, 417, 419. 148 Interview: Diplomat 1. 149 The National Security Council: An Organizational Assessment, Richard A. Best, CRS, 28. Dezember 2011,

abgerufen am 26. Juli 2015.

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machen es Verschlusssachen, die in der Außenpolitik häufiger vorkommen als in der Umweltpolitik, dem Kongress schwerer, seine Stärken auszuspielen und die Exekutive mithilfe der Öffentlichkeit zu kontrollieren, die Regierung hat jedoch zudem versucht, über die Verwendung von Verschlusssachen hinaus Beschränkungen für Sitzungen und Unterlagen einzuführen.150 Außerdem gelingt es den Kongressmitgliedern im Bereich der auswärtigen Angelegenheiten leichter, überparteilichen Konsens herzustellen als in der Umweltpolitik. Wenn Ausschüsse mit einer Stimme sprechen, ergibt sich daraus eine stärker faktenbasierte Kontrolle, die weniger zur Verfolgung parteilicher Interessen oder zu Wahlkampfzwecken eingesetzt wird.

7. Schlussfolgerungen zum Vergleich zwischen dem US-und EU-System der Kontrolle

Viele der Unterschiede zwischen der Ausführung der Kontrolle in den Vereinigten Staaten und in der EU sind auf das gegensätzliche Initiativrecht zurückzuführen. In den Vereinigten Staaten hat der Kongress das Recht zur Gesetzesinitiative und -änderung, wohingegen in der EU die Kommission nahezu das alleinige Initiativrecht hat. Das Europäische Parlament kann die Kommission mithilfe legislativer Initiativberichte zur Unterbreitung von Vorschlägen auffordern.

Wenn politische Maßnahmen nicht die von der Legislative beabsichtigte Wirkung haben, können sowohl der Kongress als auch das EP ihren Haushalt berichtigen. Bei der Berichtigung des Bundeshaushalts beschränken sich die Befugnisse des Kongresses jedoch ganz überwiegend auf den Teil der Ermessensausgaben („Discretionary Spending“, ein Drittel des Haushalts); in Bezug auf Pflichtausgaben („Mandatory Spending“) hat er lediglich die Möglichkeit, die zugrunde liegenden Gesetze zu ändern. Das Europäische Parlament bildet nur einen Zweig der Haushaltsgewalt, seine Befugnisse wurden jedoch theoretisch mit dem Vertrag von Lissabon, durch den die Unterscheidung zwischen obligatorischen und nicht-obligatorischen Ausgaben abgeschafft wird, erweitert.151

Sowohl der Kongress als auch das EP können während der Phasen der Agendasetzung und Konsultation sowie beim Erlass von Gesetzen und der Ausführung von Kontrolle auf unterstützendes Expertenwissen zurückgreifen. In der EU führen der Wissenschaftliche Dienst für die Mitglieder des EPRS, die Direktion Folgenabschätzungen und europäischer Mehrwert sowie die EP-Fachabteilungen ähnliche Tätigkeiten durch wie der Congressional Research Service (CRS) in den USA, allerdings hat der CRS deutlich mehr Personal (600) als die beiden europäischen Dienste zusammen. Ein europäisches Gegenstück zum Government Accountability Office (GAO) mit seinen 3.000 Bediensteten stellt der Europäische Rechnungshof (EuRH) dar, der keine EP-Stelle ist, sondern ein unabhängiges Organ der EU, und 900 Mitarbeiter beschäftigt. Den 235 Bediensteten des Congressional Budget Office (CBO) lässt sich keine konkrete Zahl an Mitarbeitern im EP zuordnen: Einige der Funktionen des CBO verteilen sich auf verschiedene GD und Dienststellen, darunter die Fachabteilung D für Haushaltsfragen oder das EPRS-Referat Haushaltspolitik (BPOL).

150 Siehe z.B. Do you have to keep the government’s secrets? Retroactively classified documents, the First

Amendment, and the power to make secrets out of the public record, Jonathan Abel, University of Pennsylvania Law Review, Bd. 163, S. 1037; Interviews: Senatsmitarbeiter 2, 4.

151 The European Parliament, Richard Corbett, Francis Jacobs, Michael Shackleton, London 2011, S. 274.

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Das Europäische Parlament erfüllt einige Funktionen, die in den Vereinigten Staaten in den Aufgabenbereich der Exekutive fallen (Folgenabschätzungen und Ex-post-Bewertungen). Das EP prüft Folgenabschätzungen parallel zu den Vorschlägen der Kommission und wird dabei vom Referat Ex-ante-Folgenabschätzungen des EPRS unterstützt. Es wurde auch gesagt, dass der Kongress seine Fähigkeiten, den Regulierungsprozess zu kontrollieren und zu beeinflussen, stärken sollte. Im Bereich der nachträglichen Überprüfung/ Ex-post-Evaluierung kontrolliert das EP mit Unterstützung des EPRS, ob und wie die Kommission ihre Politikbewertungen durchgeführt hat, und erstellt Umsetzungsberichte zu bestehenden Rechtsvorschriften. Zu den Generalinspektoren („Inspectors General“) gibt es in der Kommission keine direkte Entsprechung; der Aufgabenbereich des Internen Auditdienstes (IAS) ist enger gefasst.

Regulierung („rules“) in den Vereinigten Staaten und delegierte Rechtsakte in der EU können in beiden Systemen vom Parlament aufgehoben werden, oder es kann die zugrunde liegende Gesetzgebung geändert werden (gemäß dem relevanten Gesetzgebungsverfahren). Das EP verstärkt seit einiger Zeit die Kontrolle von delegierten Rechtsakten und Durchführungsrechtsakten.

8. Wichtige Quellen

An introduction to the U.S. Congress, Charles B. Cushman Jr., Armonk, New York/London 2006, S. 103–115.

Congressional Oversight Manual, Alissa M. Dolan, Elaine Halchin, Todd Garvey et al., Congressional Research Service, 19. Dezember 2014.

44 Interviews mit politischen Akteuren in den Vereinigten Staaten, durchgeführt im Zeitraum 2014–2015.

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PE 593.501 ISBN 978-92-823-9963-7 doi:10.2861/832253