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Die Ehe- bzw. eingetragenen Lebenspartner beerben sich gegenseitig. Schlusserben wie z. B. Kinder werden im ersten Erbgang von der Erbfolge ausgeschlossen. Das Pflichtteilsrecht bleibt in beiden Erbfällen bestehen. Wenn die Schlusserbenfolge wechselbezüglich vereinbart wurde, kann der Überlebende nicht mehr frei testieren. Der letztlebende Partner kann zu Lebzeiten ohne Einschränkungen über den Nachlass frei verfügen. Quelle: eigene Darstellung Abbildung 1: Berliner Testament – kurz und knapp Nacherbschaft. Hier wird zunächst der Vorerbe Rechtsnachfolger. Die Nacherbschaft tritt durch ein Ereig- nis ein, dass der Erblasser in sei- nem Testament bestimmt hat. Im Regelfall ist das der Tod des Vor- erben. Nach Eintritt des festgeleg- ten Ereignisses fällt diese Erbmas- se dann dem Nacherben zu, den der Erblasser – genau wie den Vor- erben – per Testament bestimmt hat. Der Vorerbe ist also nur „Erbe auf Zeit“. Die intensivere Bindungswir- kung gegenüber dem gemeinschaft- lichen Testament wird dahinge- hend erreicht, dass der Vorerbe nur eingeschränkte Verfügungsrechte am Nachlass hat. Der Vorerbe darf zwar alle Erträge aus dem zuge- wendeten Vermögen für sich nut- zen, aber Vermögensgegenstände grundsätzlich nicht veräußern oder verschenken. Die Anordnung einer Vor- und Nacherbschaft muss sich auch nicht auf den gesamten Nachlass erstrecken, sondern kann sich auch auf einzelne Vermögens- gegenstände beziehen. Besondere Bedeutung bei Immobilien Fällt im Rahmen der Erbschaft ein Mietobjekt an den Vorerben, hat dieser das Recht, die Mieterträge einzunehmen, aber nicht das Recht, das Objekt zu veräußern. Aller- Schlusserben. An dieser Stelle muss eine fachkundige Prüfung der vor- gelegten Urkunden in der Spar- kasse erfolgen, um die Frage der Rechtsnachfolge und damit des neuen Vertragspartners zu beant- worten. Aufgrund von Unsicher- heiten „die Reißleine zu ziehen“ und einen Erbschein zu beantra- gen, ist seit dem BGH-Urteil vom 8. Oktober 2013 kein probates Mit- tel mehr. Vor- und Nacherbschaft Eine weitere Möglichkeit, Erben in ihrer Verfügung zu beschränken, ist die Anordnung einer Vor- und Die lange Hand des Erblassers Vermögen vererben – und dabei noch Einfluss auf die Nachwelt nehmen: Was ist bei Testamenten zu berücksichtigen, die durch Bindungswirkungen Erben in ihrer Verfügungs- gewalt einschränken? Die daraus resultierenden steuerlichen Fragen und Lösungen werden in der Ausgabe 5/2017 vorgestellt. Berliner Testament Eine verbreitete Form der Testa- mentserstellung ist das sog. „Berli- ner Testament“. Es ist ein gemein- schaftliches Testament, das nur unter Eheleuten oder eingetrage- nen Lebenspartnern errichtet wer- den kann. Im Regelfall bestimmen die Erblasser, dass der überleben- de Partner Alleinerbe wird und z. B. Kinder zunächst nichts erben. Eine Bindung entfaltet sich dann, wenn eine Schlusserbenfolge nach dem Tode des Letztlebenden festgelegt wird und einer der beiden Erb- lasser verstorben ist. Wenn diese wechselbezüglich erfolgt, kann sie vom überlebenden Partner nicht mehr korrigiert werden. Worauf ist in der Sparkassenpraxis zu achten? Die Praxis zeigt allerdings, dass überlebende Partner aufgrund per- sönlicher Gründe oder auch aus Unwissenheit ein neues Testament errichten – ob privatschriftlich oder notariell. Dieses wird vom Nach- lassgericht ebenso eröffnet wie zum zweiten Mal das gemeinschaftliche Testament. Rechtsgültig ist zweifel- los das ältere gemeinschaftliche Testament mit z. B. den Kindern als Die Errichtung eines Testaments sollte durch Juristen erfolgen Foto: Michael Pospischil Autor Michael Pospischil, Sparkasse Bad Hersfeld-Rotenburg profi Praxis Privatkundengeschäft 8 geldprofi 02 | 2017

Die lange Hand des Erblassers - svn.de · • Die Ehe- bzw. eingetragenen Lebenspartner beerben sich gegenseitig. Schlusserben wie z. B. Kinder werden im ersten Erbgang von der Erbfolge

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Page 1: Die lange Hand des Erblassers - svn.de · • Die Ehe- bzw. eingetragenen Lebenspartner beerben sich gegenseitig. Schlusserben wie z. B. Kinder werden im ersten Erbgang von der Erbfolge

• Die Ehe- bzw. eingetragenen Lebenspartner beerben sich gegenseitig.

Schlusserben wie z. B. Kinder werden im ersten Erbgang von der

Erbfolge ausgeschlossen.

• Das Pflichtteilsrecht bleibt in beiden Erbfällen bestehen.

• Wenn die Schlusserbenfolge wechselbezüglich vereinbart wurde,

kann der Überlebende nicht mehr frei testieren.

• Der letztlebende Partner kann zu Lebzeiten ohne Einschränkungen

über den Nachlass frei verfügen.Quelle: eigene Darstellung

Abbildung 1: Berliner Testament – kurz und knapp

Nacherbschaft. Hier wird zunächst der Vorerbe Rechtsnachfolger. Die Nacherbschaft tritt durch ein Ereig-nis ein, dass der Erblasser in sei-nem Testament bestimmt hat. Im Regelfall ist das der Tod des Vor-erben. Nach Eintritt des festgeleg-ten Ereignisses fällt diese Erbmas-se dann dem Nacherben zu, den der Erblasser – genau wie den Vor-erben – per Testament bestimmt hat. Der Vorerbe ist also nur „Erbe auf Zeit“.

Die intensivere Bindungswir-kung gegenüber dem gemeinschaft-lichen Testament wird dahinge-hend erreicht, dass der Vorerbe nur eingeschränkte Verfügungsrechte am Nachlass hat. Der Vorerbe darf zwar alle Erträge aus dem zuge-wendeten Vermögen für sich nut-zen, aber Vermögensgegenstände grundsätzlich nicht veräußern oder verschenken. Die Anordnung einer Vor- und Nacherbschaft muss sich auch nicht auf den gesamten Nachlass erstrecken, sondern kann sich auch auf einzelne Vermögens-gegenstände beziehen.

Besondere Bedeutung bei ImmobilienFällt im Rahmen der Erbschaft ein Mietobjekt an den Vorerben, hat dieser das Recht, die Mieterträge einzunehmen, aber nicht das Recht, das Objekt zu veräußern. Aller-

Schlusserben. An dieser Stelle muss eine fachkundige Prüfung der vor-gelegten Urkunden in der Spar-kasse erfolgen, um die Frage der Rechtsnachfolge und damit des neuen Vertragspartners zu beant-worten. Aufgrund von Unsicher-heiten „die Reißleine zu ziehen“ und einen Erbschein zu beantra-gen, ist seit dem BGH-Urteil vom 8. Oktober 2013 kein probates Mit-tel mehr.

Vor- und NacherbschaftEine weitere Möglichkeit, Erben in ihrer Verfügung zu beschränken, ist die Anordnung einer Vor- und

Die lange Hand des ErblassersVermögen vererben – und dabei noch Einfluss auf die Nachwelt nehmen: Was ist bei Testamenten zu berücksichtigen, die durch Bindungswirkungen Erben in ihrer Verfügungs-gewalt einschränken? Die daraus resultierenden steuerlichen Fragen und Lösungen werden in der Ausgabe 5/2017 vorgestellt.

Berliner Testament

Eine verbreitete Form der Testa-mentserstellung ist das sog. „Berli-ner Testament“. Es ist ein gemein-schaftliches Testament, das nur unter Eheleuten oder eingetrage-nen Lebenspartnern errichtet wer-den kann. Im Regelfall bestimmen die Erblasser, dass der überleben-de Partner Alleinerbe wird und z. B. Kinder zunächst nichts erben. Eine Bindung entfaltet sich dann, wenn eine Schlusserbenfolge nach dem Tode des Letztlebenden festgelegt wird und einer der beiden Erb-lasser verstorben ist. Wenn diese wechselbezüglich erfolgt, kann sie vom überlebenden Partner nicht mehr korrigiert werden.

Worauf ist in der Sparkassenpraxis zu achten?Die Praxis zeigt allerdings, dass überlebende Partner aufgrund per-sönlicher Gründe oder auch aus Unwissenheit ein neues Testament errichten – ob privatschriftlich oder notariell. Dieses wird vom Nach-lassgericht ebenso eröffnet wie zum zweiten Mal das gemeinschaftliche Testament. Rechtsgültig ist zweifel-los das ältere gemeinschaftliche Testament mit z. B. den Kindern als

Die Errichtung eines Testaments sollte durch Juristen erfolgen

Foto: Michael Pospischil

AutorMichael Pospischil,Sparkasse Bad Hersfeld-Rotenburg

profi Praxis Privatkundengeschäft8

geldprofi 02 | 2017

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Page 2: Die lange Hand des Erblassers - svn.de · • Die Ehe- bzw. eingetragenen Lebenspartner beerben sich gegenseitig. Schlusserben wie z. B. Kinder werden im ersten Erbgang von der Erbfolge

Quelle: eigene Darstellung

Abbildung 2: Vor- und Nacherbschaft – kurz und knapp

• Mit einer Vor- und Nacherbschaft kann der Erblasser Vermögen unter

mehreren Erben weitergeben und somit maßgeblichen Einfluss über

den Zeitpunkt der Erbzuwendungen nehmen.

• Der Vorerbe wird in seiner Verfügungsbefugnis über den Nachlass beschränkt

und unterliegt Sicherungs- und Kontrollrechten des Nacherben sowie

dem Schenkungsverbot und dem Surrogationsprinzip (Ersatz von Vermögens-

gegenständen), der Schadensersatzpflicht und der Pflicht zur Erstellung

eines Erbverzeichnisses.

• Falls Vorerben zum Personenkreis der Pflichtteilsberechtigten gehören,

können diese ebenfalls das Erbe ausschlagen und den Pflichtteil einfordern.

• Gegenüber der Sparkasse kann der Vorerbe unbeschränkt handeln.

des Testamentsvollstreckers be-ginnt erst mit der Annahme gegen-über dem Nachlassgericht. Die Testamentsvollstreckung schließt das Verfügungsrecht der Erben auch gegenüber der Sparkasse aus! Das Ende der Testamentsvollstre-ckung ist gesetzlich nicht präzise definiert: Sie endet, wenn die über-tragene Aufgabe erfüllt und der Nachlass an die Berechtigten über-geben wurde.

Fazit

Unseren Kunden ist aufgrund der geschilderten Möglichkeiten ausschließlich eine individuelle Rechtsberatung zu empfehlen. Die Bindungskonstellationen lassen er-kennen, wie sorgsam der Erblasser mit Fachbegriffen wie „Vor- und Nacherbe“ oder „Schlusserbe“ um-gehen sollte. Für unsere Sparkas-senpraxis ist es von Bedeutung, von falschen Äußerungen wie z. B. „das neueste Testament ist immer das gültige“ ebenso Abstand zu nehmen wie von der voreiligen Ein-forderung eines Erbscheins. In dem vielschichtigen Themengebiet der Erbfallabwicklung können die Sparkassen – auch aufgrund der demografischen Entwicklung und der damit verbundenen Vermö-gensübertragungen – eine umfas-sende Kompetenz beweisen und so eine Beziehungsbindung zu der Er-bengeneration herstellen und aus-bauen. Dies kann auch – sofern ge-schäftspolitisch gewünscht – mit der Durchführung von Testaments-vollstreckungen durch die Spar-kasse umgesetzt werden. g

zung individueller Wünsche kann der Erblasser einen Testamentsvoll-strecker als „verlängerten Arm“ ein-setzen (§§ 2197 ff. BGB). Gründe für die Anordnung einer Testaments-vollstreckung können z. B. die Absi-cherung des Willens des Erblassers im Hinblick auf ein Vermächtnis oder eine Auflage, der Schutz der Erben (z. B. bei Kindern) oder auch die Vereinfachung der Verwaltung und Teilung der Erbschaft (ins-besondere bei mehreren Erben) sein. Durch eine Testamentsvoll-streckung kann der Erbe auch vor dem Zugriff seiner eigenen Gläubi-ger geschützt werden. Das Aufga-bengebiet des Testamentsvollstre-ckers kann auf Dauer angelegt sein (Dauer- oder Verwaltungsvoll-streckung, wenn z. B. ein Unterneh-men oder umfangreiches Immobi-lienvermögen an Minderjährige vererbt wird) oder sich auf die zeit nahe Umsetzung des Letzten Willens beziehen (Abwicklungs-vollstreckung). Eine wesentliche Beschränkung wird dadurch er-reicht, dass während der Dauer der Testamentsvollstreckung der Erbe nicht über den Nachlass verfügen kann.

Legitimation des TestamentsvollstreckersLegitimation ist das Testaments-vollstreckerzeugnis. Es genießt öf-fentlichen Glauben. Auch die be-glaubigte Abschrift des Testaments in Verbindung mit der Annahme-erklärung der Testamentsvollstre-ckung gegenüber dem Nachlass-gericht kann als Legitimation akzeptiert werden, denn das Amt

dings kann in diesem Fall schon der Nacherbe in die Pflicht genom-men werden: Wenn der Wert der Immobilie durch Investitionen ge-steigert werden soll, hat der Nach-erbe grundsätzlich hierfür die Kosten zu tragen. Nach Eintritt des Vorerbfalles wird in Abteilung 2 des Grundbuchs ein Nacherben-vermerk eingetragen.

Pflichten des VorerbenWeitere Beschränkungen charakte-risieren die intensive Bindungs-wirkung: • Der Vorerbe darf zulasten des

Nacherben grundsätzlich keine Schenkungen machen und den Nachlass nicht absichtlich mindern (§ 2113 ff. BGB).

• Der Nacherbe kann den Vor-erben zur Erstellung eines Nach-lass- bzw. Vermögensverzeich-nisses verpflichten (§§ 2121, 2122 BGB).

• Erfolgt aus dem Vermögen der Vorerbschaft der Verkauf eines Hauses und wird für den Ge-genwert z. B. eine Eigentums-wohnung und Wertpapiere erworben, dann sind diese Er-satzgegenstände („Surrogate“) Bestandteile der Vorerbschaft (§ 2111 BGB).

Legitimation in der KundenberatungDas Konto des Erblassers muss auf Weisung des Vorerben auf ihn um-geschrieben werden. Ebenso kann der Vorerbe – unabhängig ob eine befreite oder nicht befreite Vor-erbschaft angeordnet wurde – die kompletten Guthaben verfügen. Eine Bank wurde vom Landgericht Lüneburg verurteilt, die der Auffor-derung des Vorerben nicht nach-kam, Nachlasskonten aufzulösen (LG Lüneburg WM 2002, 2242). Ebenso ist die Sparkasse weder verpflichtet noch berechtigt, ent-sprechende Sperrvermerke von sich aus im OSP zu erfassen, um somit Verfügungsbeschränkungen des Vorerben zu bewirken. Um die gesetzlichen Anforderungen zu er-füllen, ist es dem Vorerben zu emp-fehlen, entsprechende Geldvermö-gen zu trennen.

Testamentsvollstreckung

Bei Vererbung umfangreicherer Ver-mögenswerte oder bei der Umset-

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geldprofi 02 | 2017

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