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Die Loslichkeit von Scandiumchlorid in Salzsaure bei 0°C Von WERNER FISCHER uiid GERHARD BUHLER Professor Rudolf Scholder zum 60. Geburtstage gewidmet Mit 1 Abbildung Inhdtsiibcrsieht Die Loslichkeitsisotherme yon Scandiumchlorid in Salzsaure bei 0" C durchlauft mit steigender HCl-Konzentration ein Minimum bei 28 Gew.-% HC1 und wird nach Er- reichen einer maximalen HCI-Konzentration von 30 Gew.-% HCl riicklaufig. Wahrend die Zahlenwerte fur die Loslichkeit der Metallchloride in Wasser bei 0" C - yon einigen Ausnahmen abgesehen - nicht stark voneinander abweichen, treten sehr ausgepragte, individuelle Unter- schiede zutage, wenn man ihre Loslichkeit in starker Salzsaure ver- gleichtl). Ein extremer Fall dieser Art liegt bei den Chloriden der drei- wertigen Erdmetalle vor. Wahrend die Loslichkeit der Chloride von Aluminium, Yttrium und den Lanthaniden bei 0" C in gesattigter Salz- saure urn mehrere Zehnerpotenzen kleiner ist als in Wasser, fanden wir, daS das Scandiumchlorid in starker Salzsaure sehr leicht Ioslich ist 2, 3). Diese Beobachtung fuhrte zu einem Verfahren2) zur Scheidung des Scandiums vornehmlich von solchen Elemen ten; die auf anderen Wegen schwierig abzutrennen sind. In Erganzung dieser Untersuchungen haben wir die Loslichkeit des Scandiumchlorids in Salzsaure bei 0 O C in Abhangigkeit von der HC1- Konzentration bestimmt. Als Ausgangsmaterial stand ein etwa 60proz. Scandiumoxyd aus sachsischen Wolframitruckstanden zur Verfugung. Nach H,S- und NH,-Fallung lie13 man aus 25% 1) Vgl. z. B. W. FISCHER, Z. anorg. allg. Chem. 245, 384 (1941). 2) W. FISCHER u. J. WERNET, DRP 752866, K1. 12 m, v. 17. 5. 41.; W. FISCHER u. M. ZUMBUSCH, DRP-Anmeldg. F 93582, IVbjl2 m v. 25. 3. 43 und F 93701 IVb/l2 m v. 19. 4. 43; W. FISCHER, J. WERNET u. M. ZUMBUSCH in: Naturforschg. u. Medizin in Deutschland 1939-46 (FIAT-Rev.) 23, 26ff. (1949). 3, W. FISCHER, J. WERNET u. M. ZUMBUSCH, Z. anorg. Chem. 258, 157 (1949).

Die Löslichkeit von Scandiumchlorid in Salzsäure bei 0°C

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Page 1: Die Löslichkeit von Scandiumchlorid in Salzsäure bei 0°C

Die Loslichkeit von Scandiumchlorid in Salzsaure bei 0°C

Von WERNER FISCHER uiid GERHARD BUHLER

Professor Rudolf Scholder z u m 60. Geburtstage gewidmet

Mit 1 Abbildung

Inhdtsiibcrsieht Die Loslichkeitsisotherme yon Scandiumchlorid in Salzsaure bei 0" C durchlauft

mit steigender HCl-Konzentration ein Minimum bei 28 Gew.-% HC1 und wird nach Er- reichen einer maximalen HCI-Konzentration von 30 Gew.-% HCl riicklaufig.

Wahrend die Zahlenwerte fur die Loslichkeit der Metallchloride in Wasser bei 0" C - yon einigen Ausnahmen abgesehen - nicht stark voneinander abweichen, treten sehr ausgepragte, individuelle Unter- schiede zutage, wenn man ihre Loslichkeit in starker Salzsaure ver- gleichtl). Ein extremer Fall dieser Art liegt bei den Chloriden der drei- wertigen Erdmetalle vor. Wahrend die Loslichkeit der Chloride von Aluminium, Yttrium und den Lanthaniden bei 0" C in gesattigter Salz- saure urn mehrere Zehnerpotenzen kleiner ist als in Wasser, fanden wir, daS das Scandiumchlorid in starker Salzsaure sehr leicht Ioslich ist 2, 3).

Diese Beobachtung fuhrte zu einem Verfahren2) zur Scheidung des Scandiums vornehmlich von solchen Elemen ten; die auf anderen Wegen schwierig abzutrennen sind.

In Erganzung dieser Untersuchungen haben wir die Loslichkeit des Scandiumchlorids in Salzsaure bei 0 O C in Abhangigkeit von der HC1- Konzentration bestimmt.

Als A u s g a n g s m a t e r i a l stand ein etwa 60proz. Scandiumoxyd aus sachsischen Wolframitruckstanden zur Verfugung. Nach H,S- und NH,-Fallung lie13 man aus 25%

1) Vgl. z. B. W. FISCHER, Z . anorg. allg. Chem. 245, 384 (1941). 2) W. FISCHER u. J. WERNET, DRP 752866, K1. 1 2 m, v. 17. 5. 41.; W. FISCHER u.

M. ZUMBUSCH, DRP-Anmeldg. F 93582, IVbjl2 m v. 25. 3. 43 und F 93701 IVb/l2 m v. 19. 4. 43; W. FISCHER, J. WERNET u. M. ZUMBUSCH in: Naturforschg. u. Medizin in Deutschland 1939-46 (FIAT-Rev.) 23, 26ff. (1949).

3, W. FISCHER, J. WERNET u. M. ZUMBUSCH, Z . anorg. Chem. 258, 157 (1949).

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FISCHER u. BUHLER, Loslichkeit von Scandiumchlorid in Salzsaure bei 0" C 157

HCI enthaltender Losung bei 0" C die Hauptmenge von Zr und Hf als Oxychlorid aus- kr i~tal l is ieren~) , extrahierte dann das Eisen mit k h e r nach ROTHE und schied das Alu- minium und die Hauptmenge der Y ttererden aus atherisch-wabriger Salzsaure durch Sattigen mit HC1-Gas bei 0" C ab3)5). Die restlichen Verunreinigungen wurden durch ,4usathern des Scandiums als Rhodanid6) abgetrennt. Das Sc,O,-Endprodukt enthielt von dem a m schwierigsten abzutrennenden Zirkoniumoxyd O , l % .

Die A r b e i t s w e i s e lehnte sich eng an unsere friiheren U n t e r s ~ c h u n g e n ~ ) ~ ) ~ ) an. Die Bodenkorper wnrden mit der Losung in einem Schliffkolben von 50 oder 100ml nach Einstellen der HC1-Konzentration 1 bis 3 Tage bei 0" C geriihrt; der Riihrer war in einem KPG-Rohr von SCHOTT gelagert. Bei hohen HCl- und ScC1,-Gehalten erfordert,e die Probenahme der viskosen Losungen von hohem HC1-Partialdruck besondere Vorsicht : Nach dem Absitzen des Bodenkorpers druckte man durch einen vorgekiihlten kleinen Heber, der mit einern Sehliff an Stelle des Riihraufsatzes auf den KoIben aufgesetzt worden war und der an seinem Einlauf etwas Glaswolle enthielt, die Losung langsam aus dcm Kolben; der erste Anteil der abgeheberten Losung wurde verworfen, ein weiterer Anteil in einer groneren gewogenen Menge Wasser aufgefangen und zur Analgse eingewogen. Den Chloridgehalt titrierte man potentiometrisch und errechnete den Gehalt an HCI aus der Differenz. - Nach der Probenahme der Losung wurde der Bodenkorper auf einer im Eis- schrank vorgekuhlten Glasfritte rasch abgesaugt, ohne dab Luft durch den feuchten Kristallbrei drang, und sogleich ein Anteil davon in eine gewogene Menge Wasser einge- tragen und wie oben analysiert.

Zur Einstellung der Gleichgewichte von oben fiihrte man einer auf 0" C gekuhlten, bodenkorperfreien ScC1,-Losung HC1-Gas bis zur Abscheidung einer ausreichenden Kri- stallmenge zu. Zur Einstellung von unten trug man in auf 0" C gekiihlte Salzsaure der gewunschten Konzentration eine geniigende Menge eines von einem vorausgegangenem Versuch stammenden Bodenkorpers ein, nachdem dieser zuvor auch auf 0" C gekiihlt worden war. Bei den letzten Versuchen der Tab. 1 ist es nicht ganz sicher, in welcher Richtung die Einstellung erfolgte, wahrscheinlich yon unten.

Die Zusammensetzung der Bodenkorper wurde nach der Rest- methode von SCHREINEMAKERS~) ermittelt. Die Mehrzahl aller Kon- jugationsgeraden schnitten sich nahe dem Punkt fur das Hexahydrat, die Geraden von 3 Versuchen hingegen nahe dem fur das Enneahydrat. In keinem Fall lag also eine Chlorosaure als Bodenkorper vor. Deshalb wurde fur jeden Versuch der Schnittpunkt der Konjugationsgeraden mit der Geraden, die im Diagramm die Punkte fur ScC1, und H,O ver- bindet, rechnerisch ermittelt. Die so erhaltenen Werte n fur die Mole Wasser, die im Bodenkorper auf 1 Mol ScC1, entfallen, sind in Tab. 1 in der letzten Spalte angegeben.

Bei der Beurteilung dieser an sich nicht sehr genauen Werte ist zu beriicksichtigen, dab diejenigen, die zu gesattigten Losungen mit geringem HC1-Gehalt gehoren, mit dem

Scandium wurde mit NH,-Losung gefallt und als Oxyd gewogen.

4, W. FISCHER u. M. ZUMBUSCH, Z. anorg. Chem. 252, 249 (1944). 5 , W. FISCHER u. W. SEIDEL, Z. anorg. allg. Chem. 247, 333 (1941). 6 , W. FISCHER u. R. Bock, Z. anorg. allg. Chem. 249, 187 (1942). ?) W. SEIDEL u. W. FISCHER, Z. anorg. allg. Cheni. 247, 367 (1941).

F. A. H. SCHREINEMAKERS, Z. physik. Chem. 11, 76 (1893); 55, 73, 77 (1906).

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158 Zeitwhrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 285. 1956

Tabelle 1 I J i i s l i chke i t v o n S c a n d i u m c h l o r i d i n S a l z s i u r e bei 0" C

Vermch Nr.

122 121 129 119 146 138 118 126 117 139 I37 128 142 115 145 130 111 114 124 141 135

Versuchs dauer Tage

3 3 2 2 3 2 2 3 2 3 1 2 3 2 3 2 2 3 3 3 3

Einstellung von

o ben nnten iinten unten unten oben unten oben unten unten oben oben unten oben unten

Gesittigte Losung

Gew.-% HCI

0 0 3 2,l 4 3 83

12,2 14,2 18,2 19,7 22,5 23,4 24,6 24,9 25,5 28,3 30,2 28,s 28,3 28,O 27,6 25,s

Gew.-% SCCI,

43,2 41,3 39,9 32,1 32,7 28,3 23,2 22,o 18,9 18,O 17,2 16,l 16,4 15,7 14,s 18,5 23,s 24,3 24,3 24,7 27,7

Bodenkorper ScCI, nH,O

n =

griiSten Fehler behaftet sind, weil in diesen Fillen die beiden Geraden nur einen kleinen Winkel miteinander bildem. Bei HC1-Gehalten > 10% sind die Abweichungen der n-Werte von 6 bzw. 9 meist gering.

Die Zusammensetzung des Bodenkorpers von Versuch Nr. 122 wurde nach Waschen mit Ather und kurzer Trocknung im Exsikkator bei Raumtemperatur durch unmittelbare Analyse ermittelt.

Wie Abb. 1 und Tab. 1 zeigen, ist bei 0" C und HC1-Gehalten bis etwa 23% das Enneahydrat der stabilere Bodenkorper, der aber nur selten erhalten wurde. In den rneisten Fallen lag das Hexahydrat, das oberhalb 23% HCl stabiler ist, als Bodenkorper vor.

Die Zuordnung der einzelnen Loslichkeitswerte zu der ausgleichenden Kurve in Abb. 1 laBt keine systematischen Einflusse der Versuchsdauer und der Richtung der Gleichgewichtseinstellung erkennen.

Die Losl ichkei tskurve durchlauft bei 28% HC1 ein Minimum, wie es auch bei vielen anderen Metallchloriden auftritt l). Bei - 30 % HC1 erreicht die an Hexahydrat gesattigte Losung einen maximalen HC1-

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FISCAER u. BUIILER, Loslichkeit von Scandiumchlorid in Salzsaure bei 0’ c 159

Gehalt. Bei weiterer HC1-Zufuhr wird die Loslichkeitskurve r Uc k- lauf ig : Der HC1-Gehalt der Losung fallt nunmehr wieder, wahrend gleichzeitig weiteres Scandiumchloridhexahydrat aufgelost wird. Die Werte des Versuches Nr. 135 diirften etwa der Satti- gung mit HC1-Gas von 1 Atm entsprechen.

Eine solch ungewohn- liche, rucklaufige Kurve fur die Loslichkeit eines Chlo- rides in Salzsaure ist unseres Wissens bisher nur bei FeCI,. 6 H 2 0 und - allerdings nur andeutungs- weise - bei CoCl, . 6 H,O beobachtet wordens).

Wir danken der Deutschen Forschungsgemeinschaft und dem Verband der Cheniischen Industrie, Fonds der Chemie, fur Sach- bei hilfen.

0 10 20 10 Gew.% HCI -

Abb. 1. Loslichkeit von Scandiumchlorid in Salzsaure bei 0°C

Bodenkorper : 0 ScCI, a 6 H20 SCCI, * 9 H20

9, GMELINS Handb. d. anorg. Chem., Sgst. Kr. 59, Fe B, S. 310. Syst. Nr. 58, Co A, S. 296.

Hannover. Institut fur Anorganische Chemie der Technischen Hochschule.

Eei der Redaktion eingegangen am 19. Marz 1956.