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v. Graefes Archly fiir OphthMmologie, Bd. 154, S. 224--243 (1953). Aus der Universit/~ts-Augenklinik Heidelberg (Direktor : Prof. Dr. E. EI~-GELKI~X'G). Die Morphologie der phakogenetisehen Reaktion im Menschenauge. Von HORST ~II)LLER. Mit 7 Textabbildungen. Vorliegende Arbeit versueht die wesentliehen morphologischen Grundziige der phakogenetischen Reaktion im Menschenauge in knappster Form zu umreil3en, ohne auf die Einzelheiten und die vie]f~ltigen, versehiedenartigen Umst~nde einzugehen, unter denen es zu phako- genetisehen Reaktionen kommen kann. Da auch die beigefiigten Abbil- dungen nut das Wesentliche beispielhaft illustrieren, sollen die nStigsten klinisehen Angaben wom6glich den Legenden kurz angeliigt werden. Das histologiseh bearbeitete Enukleationsmaterial der Heidelberger Augenklinik aus den Jahren 1920---1950 wurde einer genauen Durehsicht unterzogen. Es fanden sich etwa 35 Augen bei denen zur Zeit der Enu- kleation eine gegen die kSrpereigene Linse gerichtete phakogenetisehe I~eaktion histologiseh auffgllig war, odor, in 25 Fgllen, im Mittelpunkt des morphologisehen Bildes stand. Bei solehen ganz iiberwiegend auf das aus der Kapsel befreite, mit dem Kammerwasser vermischte katarak- tSse Linsenmaterial konzentrierten Reaktionen diirfen wir wohl der Linse eine wesentliehe und ursgehliehe t%olle in dam j ewefligen krankhaften Gesehehen zuerkennen. Wit machen dabei ehfige Einsehrgnkungen und sollten yon ,,phakogenetiseher" Reaktion oder Ophthalmic nnr spreehen, wenn einige Vorbedingungen erfiillt sind: Linsenmaterial des betroffenen Auges mug die Kapsel verlassen haben und mit dem Kammerwasser in Kontakt getreten sein. Dies setzt Lfieken in der Linsen- kapsel voraus, seien sie spontan entstanden, oder operativer bzw. posttraumatiseher Natur. DaB Linsenmaterial des anderen Auges zuvor zur t~esorption gelangt sei, ist keine nnerI~filiehe Vorbedingung. Alle direkten, einfachen Infektionen, Mso alte infektiSs-eitrigen Linsen- prozesse sehalten aus. Eine solehe wesentlich und ursgehlieh dureh die kSrpereigene Linse hervorgerufene nnd gegen das KataraktmateriM geriehtete Reaktion nennen wir,,phakogenetiseh" ohne nns damit auf eine der wahrseheinlieh zaMreiehen nnd versehiedenen Atiologien und Patho- genesen festzulegen. Wh" folgen damit don Grundsatzen unserer friiher mitgeteilten tierexperimentellen Untersuehnngen zur Ophthalmia phako- genetiea [Mt~LLS~ (1)]. Dort wurde die einschlg~gige Literatnr mit- geteilt nnd einige grundlegende Fragen erSrtert. Dies soll hier nicht wiederholt werden.

Die Morphologie der phakogenetischen Reaktion im Menschenauge

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v. Graefes Archly fiir OphthMmologie, Bd. 154, S. 224--243 (1953).

Aus der Universit/~ts-Augenklinik Heidelberg (Direktor : Prof. Dr. E. EI~-GELKI~X'G).

Die Morphologie der phakogenetisehen Reaktion im Menschenauge.

Von HORST ~II)LLER.

Mit 7 Textabbildungen.

Vorliegende Arbeit versueht die wesentliehen morphologischen Grundziige der phakogenetischen Reaktion im Menschenauge in knappster Form zu umreil3en, ohne auf die Einzelheiten und die vie]f~ltigen, versehiedenartigen Umst~nde einzugehen, unter denen es zu phako- genetisehen Reaktionen kommen kann. Da auch die beigefiigten Abbil- dungen nut das Wesentliche beispielhaft illustrieren, sollen die nStigsten klinisehen Angaben wom6glich den Legenden kurz angeliigt werden. Das histologiseh bearbeitete Enukleationsmaterial der Heidelberger Augenklinik aus den Jahren 1920---1950 wurde einer genauen Durehsicht unterzogen. Es fanden sich etwa 35 Augen bei denen zur Zeit der Enu- kleation eine gegen die kSrpereigene Linse gerichtete phakogenetisehe I~eaktion histologiseh auffgllig war, odor, in 25 Fgllen, im Mittelpunkt des morphologisehen Bildes stand. Bei solehen ganz iiberwiegend auf das aus der Kapsel befreite, mit dem Kammerwasser vermischte katarak- tSse Linsenmaterial konzentrierten Reaktionen diirfen wir wohl der Linse eine wesentliehe und ursgehliehe t%olle in dam j ewefligen krankhaften Gesehehen zuerkennen. Wit machen dabei ehfige Einsehrgnkungen und sollten yon ,,phakogenetiseher" Reaktion oder Ophthalmic nnr spreehen, wenn einige Vorbedingungen erfiillt sind: Linsenmaterial des betroffenen Auges mug die Kapsel verlassen haben und mi t dem Kammerwasser in Kontak t getreten sein. Dies setzt Lfieken in der Linsen- kapsel voraus, seien sie spontan entstanden, oder operativer bzw. posttraumatiseher Natur. DaB Linsenmaterial des anderen Auges zuvor zur t~esorption gelangt sei, ist keine nnerI~filiehe Vorbedingung. Alle direkten, einfachen Infektionen, Mso alte infektiSs-eitrigen Linsen- prozesse sehalten aus. Eine solehe wesentlich und ursgehlieh dureh die kSrpereigene Linse hervorgerufene nnd gegen das Kataraktmater iM geriehtete Reaktion nennen wir,,phakogenetiseh" ohne nns damit auf eine der wahrseheinlieh zaMreiehen nnd versehiedenen Atiologien und Patho- genesen festzulegen. Wh" folgen damit don Grundsatzen unserer friiher mitgeteilten tierexperimentellen Untersuehnngen zur Ophthalmia phako- genetiea [Mt~LLS~ (1)]. Dort wurde die einschlg~gige Literatnr mit- geteilt nnd einige grundlegende Fragen erSrtert. Dies soll hier nicht wiederholt werden.

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Die an fiber 100 Augenpaaren im Tierexperiment gemachten Beob- achtungen dienten Ms VergleichsmateriM ffir die im Menschenauge Ms ,,phakogenetisch" beurteilten t~eaktionen. Als ,,Kontrollen" ffir die phakogenetischen Reaktionen im Menschenauge diente ein zahlenmg6ig weitaus grSBeres Material verschiedenster Linsenaffektionen in Angen yore Menschen: Linsenluxationen (einschlief31ich subconjunctivMer Lin- senluxation nach SklerMruptur durch ContusJo bulbi), posttraumatische oder postoperative Infektionen, die Linse vorwiegend oder nur nebenbei betreffend, Fglle sympathischer OphthMmie, Katarak te verschiedenster Genese und unterschiedlicher Reife u. a. m.

Trotz Mler Verschiedenheit der Herkunft und des Grades der beobach- teten phakogenetischen Reaktionen im Menschenauge ergaben sich doch einige in einzelnen Grundziigen immer wiederkehrende morphologische Bilder. Diese sollen im folgenden kurz umrissen werden, doch weisen wir ansdrficklich darauf bin, da6 es sich um eine 8chematisierung han- delt. Die n6tige Erganzung und den Beleg kann erst die vollstandige Mitteilung des zugrunde gelegten MateriMs bringen, die im l~ahmen des technisch M6glichen folgen soil.

,,An sich" ist kSrpereigenes LinsenmateriM, wenn iiberhaupt, dann sehr wenig antigen; d .h . such wenn es wiederholt oder durch l~tngere Zeit hindurch in Kontak t mit dem Kammerwasser steht, wird dadurch keine wesentliche Reaktion des Auges hervorgerufen und las t sich keine ,,direk~ toxische" die ortsstgndigen Zellen schadigende Wirkung lest- stellen. Das aus der Kapsel beireite, dem Kammerwasser ausgesetzte Linsenmaterial wird kataraktSs umgewandelt, bis zur ,,Verfli~ssigung" zu amorphem Detritus abgebaut und nun resorbiert, teilweise aber schon vorher auf eine Zwischenstnfe des katarakt6sen ZerfMls phago- cyfiert. Gro6e Mengen solehen freien katarakt6sen LinsenmateriMs werden nicht nur yon im fibrigen gesunden Augen anstandslos vertragen, sondern werden such in schwer gesch~digten, entziindeten oder infi- zierten Augen als anscheinend vSllig harmlos toleriert, wenn beziiglieh des befreiten LinsenmateriMs eine entsprechende ,,normergische" Reak- tionslage vorliegt.

Abb. 1 illustriert den Fall einer fast fehlenden, jedenfMls sehr geringen, sieher ,,normergisohen" Reaktion bezi~glich des durch weitgehende traumatische Kapsel- zerstSrung freiliegenden LinsenmateriMs. In gro6en Brocken (Abb. 1), oder schon weitgehend abgebau~, finder sich massenhaft KataraktmateriM in der vorderen und hinteren Augenkammer, jedoch eine nur ganz geringe zellige t~eaktion, trotz FremdkSrperabscesses um einen Steckspli~ter in unmittelbarer Xachbarschaf~ der luxierten katarakt6sen Linse.

Die Geringffigigkeit der zelligen Reaktion, die sich gegen das frei- liegende kataraktSse LinsenmateriM richter, ist zwar zuweilen anf- f~llig, jedoch nicht kennzeichnend ffir die ,,normergische" phako- genetische Reaktion. Bei ihr finden wir Mle reaktiven, histiocyt~ren

226 HoRsT Mt)LLER :

Elemente, die wir spi~ter bei der gesteigerten, hyperergischen Reaktion wiedertreCfen, wobei sieh allerdings Masse nnd relative Verteilung der versehiedenen Zellformen verschieben. Fiir den Fall einer normergischen

phakogenetisehen Reek- tion bleibt entscheidend, dal~ Reparation und Re- generation die Oberhand behalten fiber die Be- gleiterscheinungen der Resorption und Phago- cytose und die eventuelle Schgdigung ortsstgn- diger Zellen. Fibropla- stische Reparation ver- sueht, den jeweiligen Kapseldefekt zu sehlie- Ben und die freiliegenden Kataraktmassen abzu- kapseln. Wieder ist eine solche normergische, vorwiegend reparatori- sehe phakogenetische Reaktion nicht nur in Augen anzutreffen, die im iibrigen gesund sind, sondern auch in gesehg- digten oder infizierten,

Abb. 1. I m Falls einer ,,normergische~'" :Reaktion wird das/reiliegendemiidsmKammerwasseri~Kontaktstel~ende wie auch des Beispiet Linsenmaterial harmlos verlragen, ru% nu r eine gering, d f f r AbD. 2 zeigt. Der ftigige ~nonocyt~ire Reak t ion hervor , wird kata.raktSs veri indert , abgebau t , sehliei~lieh verfli issigt und resor- Grad einer phakogeneti- biert . Dies ist in Augen ohne sonst igen wesentI iehen 8chert Realction va~'iiert Befund zu beobachten, aber auah in schwer gesch~digten, antziindeten oder infizierten, wie vorliegender Fall weit~eheng~ %nabh~i(~ zeigt: 10j~hriger Junge. Vor 8 ~lonaten perforierender yonder ~c[~wer~ de~']ewe~ - Steckspl i t ter (SprengkapseI) . \Viederhol t hartn~ckig-e entziindliche Reizungen, 4ahar Enucleat ion. Zweites ligen Gesamtschiidigunff Auge i m m e r o . B . Histologiseh: Subluxier te K a t a r a k t m i t wei tgehender Kapselzers tSrung, v e r s c h w a r t e t mib oder-erlcran[cung des be- entztindlieh-zellig inf i l t r ier tem Bindegewebe, das do~ troffenen Auges. Gerade unmi t t e l ba r benaehba r t en FremdkSrperabsee2 abzu- kapseln versueht . Der Steckspl i t ter m i t umgebender , dies spricht ffir die, heft iger entzfindlich-zelliger Reak t ion liegt zwisehen w e n n auch bedingte.

Ci]iark(irper u n d d e m P o l d e r luxier ten K a t a r a k t . Eigenst~ndigkeit der

phakogenetischen Reaktion. Dies sehliel]t die MSglichkeit nicht aus, dai~ vorl~ufig noch verborgene Beziehungen (Kopplungen) bestehen. Es liegen Griinde vor, solche zu vermuten. Es sei nut an die Not- wendigkeit erinnert, im Tierexperiment ein ,Adjuvant" zuzuffigen, um sine hyperergische phakogenetisehe Reaktion erzeugen zu kSnnen.

Morphologie der phakogenetischen Reaktion im Mensehenauge. 227

Die/ibroplastische Ablcapselung der normergisehen Reparation bietet nur einen relativen Schutz. Es bleibt die ]atente Gefahr des plStzliehen Aufflammens einer heftigen, hyperergisehen phakogenetischen l~eak- tion zu einem sp~teren Zeitpunkt, nach Wochen, Monaten oder Jahren. Unter tierexperimentellen Bedingungen am Kaninchenauge wird dies nur gelegentlieh beobaehtet. Dabei ist zu bedenken, daG die fibroplastisehe Aktivit~t im Kaninchenauge wesentlich ausgepr~gter ist als beiIn

Abb. 2. I m Falle der ,,normergisehen" phakogenet i sehen Beakt ion beha l ten Reparation m~d Regeneration im Ablauf des Gesehehens die Oberhand. Die bindegewebige Abkagselung der frei l iegenden Linsenmassen geHngt wei tgehend, Dies ist in ansonsten gesunden wie auch in sehwer geseh~digten Augen zu beobaehten , wie vorl iegendes t~eispiel zeigt : 40jah- r iger Pa t ien t . u 3 XVochen perfor ierende Eisenspl i t t e rver le tzung rnit ansehlieGender Magne tex t rak t ion du tch die zentra le t I o r n h a u t w u n d e , T rauma t i s ehe r ]g:atarakt, An- ha l tende Reizung. Enuelea t ion wegen Sympath iegefahr . t t is tologiseh: Keine sympa th i - sehe Ophtha lmie (zweites Auge i m m e r o, tl,). GlaskSrperabseeG. \Veitgehende Zer t r i imme- rung der Linse nnfl weir for tgesehr i t tene Resorpt ion der freien t~a ta rak tmassen . Vergleiehs- weise sehr m~gige eitrig-zellige Reak t ion an dem rest l iehen freien L insemnate r ia l i m Pupil largebiet . Linsenkapsel zerstSrt , nu r tasehenlSrmige l~este der ehemal igen Aquator ia l - gegend. Hier jedoeh binflegewebige Abkapse lung nnd Organisat ion des verbl iebenen ]~:ataraktm~terials. Beispiel einer normerg i sehen phakogenet i sehen Reakt ion bei gleieh-

zeitiger Infek t ion des Auges mi~ GlaskSrperabseelL

Mensehen. Auch grSBere Kapseldefekte werden innerhalb weniger Tage gesehlossen (daher muB tierexperilnentell auf griindliehe ZerstSrung der Linsenkapsel sorgf~ltig geachtet werden).

Die I)berg~nge yon der normergisehen zur hyperergisehen phako- genetisehen Reaktion sind flieGend. Es besteht kein prinzipieller, nur ein gradueller Untersehied. Bei den verschiedenen Verlaufsformen der floriden, hyperergischen phakogenetisehen Reaktion linden sich die gleiehen, vorwiegend histioeytgren Elemente wie bei der normergisehen I~eaktion. Es imdert sieh ihre relative Beteiligung. Erst bei den heftig- sten, akutesten Reaktionen tritt eine zunehmende Beteiligung weii3er

228 Ho~s~ MVL~:

Blu~zellen auf, ja unter Umstanden kSnnen sic des Bild vSllig beherr- schen. Je mehr sich eine normergische phakogenetische Reaktion zur hyperergischen Seite hin verschiebt, desto starker wird die gegen des KataraktmateriM gerichtete ze]lige, iiberwiegend monocyt~re Reak~ion. Die Versuche fibroplastischer tteparation geratea ins Hintertrefien nnd bleiben unter Umsts vSllig unzureichend. Mehr oder minder deut-

• 3. I n zahlreicheIl F~llen gesteigerter , hyperergischer phakogenet i scher l~eaktionen l inden sich 3 I~eaktionszonen m e h r oder minder deutl ich ausgepr~gt . J e hef t iger die Reakt ion, desto raassenhaf ter l inden sieh Kerntri~mmer (a) in der Zone des unmittelbaren Kontaktes tier Monooyten mi t der Oberfliiehe der freil iegende~ (bier n ich t m e h r abgebi ldeten) I4:ataraktmassen. Ein S y n c y t i u m blasser Zellen mi t groflen ovalen Kernen gibt der um- gebenden , , g e m ~ i g t e r e n " Zone (b) im Falle der A~sbi ldung ein charakter is t isches Aus- sehen. Zwischen beiden Zonen k o m m t es un t e r Ums t~nden n ieh t m e h r zur Zerst61~ng der Reaktionsze]len, wobei die gemhBigtere Sehhdigung in der E n t s t e h u n g einzelner oder zahh'eieher l~iesenzellen ihren Ansdruek f indet bei gleiehzeitiger 2dlwesenheit f lberlebender, je4enfalls , ,noeh bes tehender" Monoeyten ~nd Makrophagen. A n der Peripherie der zweiten Zone syncylialen jugendlichen Mesenchyms (b) l inden sieh unter Umstdnden Fibroplaslen und Fibrocylen in z~nehmender Zahl, nn t e r Umst~tnden in loekeres (c) oder aueh dichteres Bindegewebe (Versneh der Abkapselung) i ibergehend. Ansbi ldung und Verhdltnis der ,,Reaktionszone~" zueina~der hgingt yon der jeweiligvn t teft igkeit ei~e phakogenelischen

Reaktion ab.

Fall 24. 38j~thriger Pa t . Vor 4 I~om'tten links Contusio bulb[, H o r n h a u t p l a t z w u n d e . Vorgefallene Ir is- u n 4 Linsenteile v~lrde~ abge t ragen . Naeh 2 VVochen t r a t e n feinste Prec ip i ta te auf. I - Iornhautwlmde war g l a t t verhei l t . Naeh 7 Woehen wa r Pr~eipi t ierung versehwu~lden; Ent lassung m i t noeh ger inger ciliarer In jekt ion , die 3 W o e h e n sparer wieder zunahm. Vor 1 Tag" plStzlieh HYpopyon. Enucleat ion. Das andere Ange w a r i m m e r o . B . It istologiseh: Reizlos ve rna rb t e Hol-ahautp la tzwunde. Grol~er t r a u m a t i s e h e r I (apseldefekt , jedoeh bereits for tgeschri t tene bindegewebige l%eparation und Abkapse lung der freiliegenden t~a ta rak tmassen . Anscheinen4 plStzliehes, heftiges A n f f l a m m e n e iner gesteigerten ohakogenet i sehen Reakt ion. I m Z e n t r u m der aku ten zelligen Reakt ion s tehen die freiliegenden l~at~raktbroeken. Die IV[itreaktion des hinteren Angenabsehnittes tritt

vSllig zuriick.

Morphologie der phakogenetischen Reaktion im Menschenauge. 229

lich ausgebildet lassen sieh oft drei hauptsgchliche Reaktionszonen unter- scheiden. Ihr Verhgltnis zuein~nder wird wesentlich dutch den Grad der hyperergischen ]%eaktion bestimmt. Je he/tiger sie ist, desto massiver die Schgdigung der Monocyten, die in unmittelbarem Kontakt mit dem katarakt5sen LinsenmateriM stehen, deato breiter die Zone der Zellne]crosen und Kerntriimmer (Abb. 3, a). Die Real~tionszellen bleiben vorwiegend an der Ober/liiehe der Kataraktbrocken (Abb. 4). Als ,,Oberflgchen" gelten

Abb. ~. Die, Zcllen tier phakogenetische,rb Reaktion bleiben vorwiegend an der Oberfldche der Kataraktbrocken. I n diesem Z u s ~ m m e n h a n g gel ten als , ,Oberf lgchen" anch die Grenz- f lgchen v0n Spal ten innerhalb tier IKata.r~kt, die durch AuflSsung des Linsenmater ia ls en t s t anden sind. Zellige , ,Infiltrationsstrai~eW', wie sie /fir infekti{Jse Linsenprozesse

typisch sind, fehlen. 36j~ihriger Pa t . Ve t 15 Std rechts perfor ierende Eisenspl i t terver le tzung. J e t z t t Iypo- pyoniritis, iKag'netextraktion, l~asch fortschrei tende, ba ld totale Linsentr i ibung. Nach 2 XVochen I-Iornhaut~mnde verheil t , freie Ka ta rak t f locken in Resorption, noch uusgeprggte Iritis. Diese kl ingt l angsam ab, n i m m t aber 2 Monate nach der Ver le tzuag wieder zu. Enuklea t ion reehts. Histologiseh: Subakute EadophthMmit i s . T raumat i sche !q:at.arakt m i t ausgedehn tem I4:apseldefekt. Die phakogenet ische Reakt ion ist als noch normergisch &nzusehen, d~ sioh die exponier ten ]g:agaraktmassen abgekapse l t f inden durch eia junges, tcilweise entziindlich-zellig infiltriertes Bindegewebe (a). Grol~e ~ionoeyten beherrschen

das Bild der geg'er~ die K a t a r a k t m a s s e n ger iehte ten P~eaktion (b).

in diesem Zusammenhang auch Grenzflgchen von Spalten, die innerhMb der Katarakt durch AuflSsung des Linsenma{eriMs entstanden sind. Zel- lige ,,In/iltrationsstra[3en", wie ale/i~r postin/elctiSse Linsenprozesse typisch Bind,/ehlen. Diese ,,Zel]stral~en" entstehen durch Eindringen yon Leuko- cytea zwischen die Linsenl~mellen. Bei heftigen ph~kogenetischen Reaktio~en kSnnen die m~ssenhaft ~nfM]enden Kerntriimmer bei ober- flgeh]icher Betr~chtung AnlM~ zur Verweehslung mit polymorphkernigen

230 HORST MCLL~R-

Leukocyten geben. Mit wachsendem Abstand yon der Zone des unmittel- baren Kontaktes zwischen Katarakt und Reaktionszellen nimmt das Ausma$ der Zellnekrosen ab. In diesem etwas gemdfligteren Milieu kSnnen sich reichlich, manchmal massenhaft grofle Monocyten und Makro- phagen finden. Fehlt eine Zone heftigster l%aktion, so bedecken diese Zellen schichtartig die meist aufgefaserte Oberfl~che der Katarakt- brocken (Abb. 4). Sch~digung der Zellen und St5rung ihrer Kern- Plasmarelation kann zur Entstehung einzelner oder zahlreicher Riesen-

Abb. 5. An der ]?eripherie tier Kontak tzone , oder bei insgesamt g e m ~ i g t e r e m ]~eaktions- ablauf (wie in vor l iegen4em Falle) f indet die Sch~digung der Zellen in ihrer Kern -P la sma- relat ion in der E n t s t e h u n g yon Riesenzellen ihren Ausdruck. I~eichlich phagocyt ie r tes ka taraktSses L insemnate r ia l ist in dem aafge t r iebcnen Plasmaleib deutl ich e rkennbar . Die Riesenzelle s i tzt an der Oberfl~che eines freil iegenden K a t a r a k t k e r n e s zwischen den in typischer Weise aufgefaser ten Lamel len. a grofier lYIonocyt, b Monocyt m i t phago-

cy t i e r t en PigmnetkSrnchen, c Zetlkernsch~digung. Fall 9: 62j~hrige Pa t . Beiderseits angeborene Linsenluxat ion (Linsen im GlaskSrper n icht sichtbar) . Mit Starglas seit 15. Lebens jahr i m m e r gu t gesehen. Nie augenkrank . J e t z t rechts plStzlich F l immern ; 65 m m Hg ; Cyclodialyse, dann Trepanat ion , da~ach Tensio mollis, einige l~r~tcipitate. 7 Wochen nach Er s tun t e r suchung wa r ers tmal ig die getr i ibte Linse im GlaskSrper erkennbar . Nach insgesamt 5 ]~Ionaten Enuclea t ion rechts. Links stets unver~tndert und reizlos. I t istologiseh f inder sich die einst unwei t der Ora angeschwar te te Linse aus dem Ber t gelOst, die ICapsel gesprengt , Rindenschichten weit- gehend katarakt6s abgebaut nnd teilweise resorbiert. Um die restliehen Kataraktmassen konzentriert sich eine gesteigerte phakogenetisehe Reaktion, vorwiegend histiocyt~r, monocyt~tr mit reichlich groBen Makrophagen und aueh l~iesenzellen. ]Kammerwinkel often. In seinem Trabekelwerk wie auah in und i~ber dem Maschenwerk vor dem SCIILEM~I- schen Kanalsystem linden sich Massen aufgeblasener oder auch zerfallender Phagocyten,

sowie reichlich freies l~ataraktmaterial.

Morphologie der phakogenetischen Reaktion im Mensehenauge. 231

zellen fiihren (Abb. 5). Diese erste Reaktionszone kann yon einer zweiten sehalenartig umgeben sein, die aus einem Syncytium blasse~ ~, plasmareicher Zellen mit grol3en, bla[3blauen, ovalen Kernen besteht (Abb. 3, b). Dieser syncytiale Verband ,,jugendlicher Mesenchymzellen" gibt der zweiten Zone ein charakteristisches Aussehen. Fails sie in ausgepr~gter Form vorhanden ist, erscheint sie in der iiblichen Hs hell-blal~. Die Situation bringt es gelegent]ieh mit sich, dab das Ze]L syncytium im Pupillargebiet liegt und sieh in den Raum der Vorder- kammer hinein ausdehnt. Es wird dann unter Umst/inden ldinisch als ,,Fibrinnetz" besehrieben, ist yon einem solchen histologisch jedoeh verschieden. Einigen Beobachtern fiel sehon kliniseh dieses eigenartige~ yon Fibrin verschiedene Netz auf. In wenigen Fgl]en (dabei in einem Fall ganz auffiillig ausgepr~gt) fanden sigh sehr ~hnliehe Zellen mit reiehlichem blassem Plasma, aber kleineren, mehr rundliehen, chromatin- diehteren Kernen in Nestern zwischen dem mesenehymalen Masehen- werk des Kammerwinkels. Nach Aasieht der franzSsisehen Autoren (KALT, LAGt~ANCE und GOUSESQUE, VERREY) finden sieh dort die Zellen des retieuloendothelialen Systems hauptss lokalisiert. Eigene Untersuehungen am Kaninehenauge ergaben ein etwas komplizierteres Bild~; wit mSehten daher auf die fragtiehe ZugehSrigkeit des besehrie- benen Zellsyneytiums zum retieuioendothelialen Systems nut als MSg- ]iehkei~ himveisen.

Die 2. Zone kann yon einer 3. umgeben sein, einem naeh der Peri- pherie lain dichter werdendem Netz junger Fibroplasten, unter Umst~nden in eine bindegewebige Abkapselung iibergehend (e in Abb. 3). Die be- sehriebenen Reaktionszonen erhalten ihr untersehiedliehes Aussehen dureh die jeweils vorherrschenden Zell/ormen: Diese sind in gewissem Umfange ein A usdruclc der He]tigkeit uncl der A blau/sgeschwindig~eit einer jeweiligen phakogenetisehen Reaktion. Fibroeyten gehSren zur stillen, ehroni- schen Reaktion der Reparation und Abkapselung. Je mehr sieh die Ver- ]aufsform zur subehronisehen, subakuten Seite bin versehiebt, desto zahl- reieher werden jiingere Zellformen, Fibroplasten und einkernige Wander- zellen, vorwiegend freigewordene histioeyt/ire Elemente, potentielle Makro- phagen. Dementspreehend nimmt die histioeyt/ire Mobilisation m der vorderen Urea zu. Zuweilen beteiligt sieh das Cfliark6rperepithel in ausgepr~gter Weise. Im Kaninehenauge nimmt in geringerem Umfange aueh das subkapsulare Linsenepithel tell und das Hornhautendothel, das dabei allerdings Sehaden leidet und zugrunde geht. Bei manehen subakuten, aber deutlieh floriden, magig starken hyperergisehen Reak- tionen beherrsehen im Tier- und Mensehenauge Makrophagen vSllig

i ,,Phagoeytose intraven6s injizierter chinesischer Tusche im Xaninehenauge"~ noch nicht ver6ffentlicht.

v. Graefes Archiv fiir Ophthalmologie, Bd. 154. ]6

232 HORST MIJ~LLER"

das Bild (vgl. Abb. 1 der Arbeit M1JLLER). Dabei zeigt das Menschen- auge unter Umst~nden nur m~Bige oder geringe ,,Injektion". Auger eventue]len Beschl~gen an der Jiornhautriickf]~tehe seheinen die Zeiehen der Uveitis zuweilen unerheblieh gegeniiber einer Drueksteigerung (40--70 mm Jig). Finder sieh dabei der Kammerwinkel nieht eng und eine mature, oder gar geschrumpfte Katarakt, so so]lte man die M5g- lichkeit eine Ophthalmia phakogenetiea erwggen, ehe Sehmerzen und ,,defekte Liehtprojektion" die Enukleation veranlassen. Eine Verschlam- mung der AbfluBwege des Kammerwassers dutch Massen vollgefressener Makrophagen, zum Teil untergehend und Ms eosinophile verquollene Masse erscheinend, sowie reiehlieh freies KataraktmateriM, erk]~trt zuweflen das klinische Bild der Drueksteigerung.

Nimmt der I~eaktionsablauf an GesehwindigkMt zu, so findet die akute geakt ion ihren morphologisehen Ausdruek in den jeweils ver- schieden stark ausgebildeten Reaktionszonen, vor allem in der inneren Kontaktzone mit den Tri~mmerjeld der nelcrobiotischen und nekrotischen Monocyten. Beim Menschen friiher Ms beim Kaninchen beteiligen sieh bei weiterer Steigerung der Realction sehr bald wei[3e Blutzellen, kleine Monocyten, Lymphocyten und segmentkernige Leukoeyten. Nur bei foudroyanten Reaktionen beherrschen grebe Massen po]ymorphkerniger Leukocyten das Bild der zuweilen auffi~llig hi~morrhagischen Reaktion. W~hrend die Leukocyten am 0rte ihrer Ausschwemmung - - etwa Ms dicke Schicht die CiliarkSrperzotten bedeekend - - noch gute Struktur und ,,gesundes" Aussehen zeigen, iiberwiegen in der Kontaktzone n i t d e n meist rapide zerfallenden Kataraktmaterial Sch~digung und Zer- fall der Reaktionsze]len. Seit 1922, zuletzt 1950 (i~ der Diskussion zu I~VlNE und II~u hat VEI~I~O~FF die Ansieht vertreten, dab die starke oder iiberwiegende Beteiligung der weiBen Blutzellen eharak- teristiseh sei fiir die gegen die Linse geriehtete ,,anaphylaktisehe" Reaktion. Aueh in unserem Enukleationsmaterial linden sieh F/~lle, deren morphologisehes Bild in seiner eelluli~ren Zusammensetzung dem ent- sprieht, was VEI~HOEFF (1922) als typiseh fiir die ,,Endoph~hMmitis phakoanaphylaetiea" herausgestellt hat. Unsere eigenen tierexperi- mentellen Untersuehungen erlauben keine zureiehend begriindete Stel- lungnahme zu der speziellen Frage der dominierenden l~olle polymorl0h- kerniger Leukoeyten in der gesteigerten lohakogenetisehen t~eaktion. Sie sind mit den seinerzeitigen Versuehen VEI~I~OEFrs und LE~OINES, die vorwiegend mit hoeh anaphylaxieempf/ingliehen Meersehweinehen arbeiteten, nieht ohne weiteres vergleiehbar.

Im FMle einer normergisehen Reaktion 1/~13t sieh keine wesentliehe Schi~digung ortsstiindiger Zellen dureh das freigewordene Katarakt- material erkennen. Bei der gesteigerten, hyperergischen Reaktion dagegen kommt es nicht nur zur Seh~digung und Nekrose der freiem

Morphologie der phakogenetischen Reaktion im Menschenauge. 233

Reaktionszellen, sondern auch zur Sch~digung, eventuell Zerst5rung orts- st~ndiger Zellen, insbesondere der Hornhautendothelzellen. Diese zeigen in Augert yon Kaninchen, die zuvor gegen autologes oder heterologes Linsenmaterial sensibilisiert wurden, eine auff~llig gesteigerte Realctivitiit. Sie neigen verst~rkt zur Proliferation, versuchen frei gn der Hornhaut- r/iekflgehe liegendes Kataraktmater ia l zu phagoeytieren oder abzu- kapseln, wobei es zur ~Bildung "con Bindegewebe kommen kann, dessert Zellen sieh schliel~lich in keiner Weise yon Fibrocyten anderer I-Ierkunft unterscheiden. Dort, wo das katarakt6se Lhlsenmaterial in ausgiebigem Kontak t mit der I-Iornhantriiekfl~ehe steht, kommt es im l~alle einer gesteigerten, hyperergisehen, phakogenetisehen Reaktion zu einer Schiidigung der Endothelzellen. Oft kann das an sich gute Regenerations- verm5gen des Hornhautendothels mit der ZellzerstSrung nieht Sehritt halten. Am Orte des Endotheldefektes kommt es zur 5dematSsen Triibung des dariiberliegenden Hornhautparenehyms und eventuell zur Xeratopathi~ bullosa. Oft bleibt es nieht bei dieser StSrung des physiologischen, relativ entw/isserten Zustandes der Hornhaut . Es kann zur Sch~digung und ZerstSrung der Stromazellen und zur Ver- quellung der Lamellen kommen, ja in sehwersten Fgllen zu umsehrie- bener Hornhautnekrose und zum Uleus corneae internum mit Des- eemetdefekt (Abb. 6). Genaue Beobaehtung im Tierexperiment zeigte, dal] soleh umsehriebene, unter Umstgnden his zur Nekrose fiihrende Hornhautsehgdigung sieh ausschlieBlieh dort ausbildete, wo Katarak t - material in geniigend ausgiebigem Kontak t mit dem entsprechenden Bezirk der ttornhautriiekflgche stand. Klinisch sehr ~hnlich aussehende seheibenfSrmige Nekrobiosen oder Nekrosen der Hornhaulb k6nnen - - zumindesten im Tierexperimeilt - - guf ganz anderer Basis entstehen, etwa Ausdruek ehles A~TI~us-Phgnomens auf dem Boden eiuer hoch- getriebenen EiweiBan aphylaxie sein. ~r berichtet, ls sieh dabei aueh LinseneiweiB unter bestimmten Bedingungen als Antigen verwenden. Beide kliniseh ghnliehen Bilder unterscheiden sich morphologiseh in einem entscheidend wichtigen Punkt : dem A~Tg~ys-Ph/~nomen liegt eine vasculgre l~eaktion zugrunde, dementsprechend finder sich die I-Iom- h~utnekrose yon einem Gef/~13wMI umgeben und ist ~Is Folge tier Gef/iB- reaktion anzusehen (~rgl. Abb. 6 und 7 in Ni]LLXI~). Die Hornhaut- seh~digung, die bei gesteigerter phakogenetiseher l~eaktion an der umschriebenen Kontaktstelle mit dem Kataraktmater ia] entsteht, hat anscheinend nichts mit Gefs zu tun (vgl. Abb. 4 und 5 in M O L L E I ~ ) .

Drucksteigerung ist ein hgufiges Begleitsymptom der Ophthalmia phakogenetica. Zur Aufklgrung des Wesens dieser Drucksteigerung gewinnt man aus der histologischen Untersuchung nut einige Hinweise auf mitwirkende t~aktoren. Diese sind an sich unspezifiseh und wir finden sie auch bei Drucksteigerungen ganz anderen Ursprungs. I m Fa]le

v. Graefes A r c h l y ffir Oph tha lmolog ie . Bd . 15~. 1 6 a

234 ~Io~sT ~r :

der gesteigerten phakogenetischen geaktion scheinen diese Faktoren jedoch hgufig in besonders ungiinstiger Weise zusammenzuwirken. Inwieweit in einer begleitenden Drucksteigerung der hyperergische Charakter einer phakogenetischen ReakLioil selbst zum Ausdruck kommt, 1EBt sich beim Menschen ia einem konkreten Fall nicht feststellen. Es sei daran erinnert, dab im Tierexperiment Drucksteigerung (am Buph- thalmus erkemlbar) bei hyperergischer l~eaktion sehr hgufig war, bei normergischer Reaktion d~gegen hSchst selten beobachtet wurde. Einige morphologische Ver~inderungen, die bei dem Zustandekommen der Drucksteigerung im Menschenauge mitwirken mSgen, seien aufgez~hlt :

Abb. 6. I m Falle der gesteigerten, hyperergischen phakogenet i sehen Reak t ion k a n n es alert, we das katarakt6se LinsenmateriaL in ausgiebigem Kontak t mi t der Hornhautri~ek]ldchc steht, zu einer Schgdigung oder Zerst6rung des Endothels kommen, ]a in besonders sehweren Fi~llell zu Sehhdigung und T e d der an]iegenden l=~ornhautstromazellen, 1inter Ums t~nden Verquel lung der iiberliegendeii HOl~nha~ltlamellen, eventllell zu Defekten in der DESCE~clET - sehell Membran nnd zu d e m Bild eines Ulcus corneae internum. Vorliegeiide A u f n a h m e aus e inem Mensehenange en tspr ieh t ill allen wesentl iehen Eilizelheiten tier Abb. 4 der Ver5ffentl iehung (1), die ein entsprechendes, abe t un te r t ierexperimentel lel i Bedingungen ents tandenes Bfld zeigt. Es gentige der Fiinweis, dab Seh~digulig, n n t e r U m s t a n d e n schwere SehAdigung u n d ZerstSrung des Endothels m i t den folgenden oft augenfAlligen Hornhau t - ver~nderungen zu den h~ufigen Befunden bei gesteigerten, hyperergischen phakogenet isehen Reakt ionen gehSrt (weitere Paral lelen lassen sich n ieht ohlie weiteres ziehen), a Hornhau t - epithel, b nekrotisehes l=[ornhautstroma ]]lit beginnender f ibroplastischer Vernarbung, c l i iekenhafte DESCEMETSehe Membran , d Membral i des regener ier ten Endothels . Zwischen r uiid d ein serSser Ergufi m i t K l u m p e n teilweise nekrot ischer Zellen, gesehar t Uln IIekro- tisebes Material , (e infolge der P rapa ra t i on k a m es zur Eindellulig der ]{ornhau t und dadttrch zu eilier scheilibaren Naehba r scha f t der Lil~senkapsel und l=]:ornhautrtickfli~ehe.

V o r d e r k a m m e r wa r kliniseh n ieh t abgeflaeht) . Fall 4: 42j~hriger Glasbl~Lser. Linkes Ange i m m e r gesund, 5/4. Reehts vo r 13 J a h r e n Irit is nodulosa, damals seholi begiliiiende K a t a r a k t . Zwisehenzeitl ieh insgesamt ruhig. Seit einiger Zeit Reizulig rechts, Sehmerzen, aus Wunseh Enueleatiol i des bliliden Auges. tiistologiseh: Hyalil i isierte N a r b e n IIach Iriti~ nodnlosa. Sehwere, floride ]?erivaseulitis und P. nodosa der Netzhautges H y p e r m a t u r e K a t a r a k t , Multiple, degenerat ive , wohl

spoli tan en ts tandene Kapseldefekte , heftige, aku te phakogenet isehe Reakt ion.

Morphologie der phakogenetischen Reaktion im Mensehenauge. 235

1. Verschlammung des Ultra/ilters, dadurch Hemmung des Abflusses des Kam- merwassers und Drucksteigerung. Wohl ein wesentlieher Yaktor, wenn grolle Mengen yon Makrophagen, Zelltriimmern und Linsendetritus das dem SCI-ILE~IM- sehen Kanal vorgelagerte Masehenwerk und das des Kammerwinkels verstopfen.

2. Zirkulationsst6rungen : a) VenSse Stauung im intra- und episkleralen Ab/lu]3- gebiet ist in Menschenaugen ein nicht seltener, in Tieraugen ein auff/illig im Vorder- grund stehender Befund bei hyperergischen phakogenetisehen Reaktionen mit Drueksteigerung. Zuweilen findet sieh das SCHLEMMSehe Kanalsystem teihveise mit Blut angefiillt. Die Ursaehe der Dilatation und Anstauung der episklerMen Venen ist histologiseh nicht aufzufinden, wenn es sieh um das unkomplizierte Bfld der venSsen Stauung handelt; eineln selten fehlenden Befund, wenn frfihzeitig nach Beginn der hyperergischen l%aktion enukleiert wird. Dies geschieht fast nur im Tierexl0eriment. Beim Menschen vergehen Woehen, oft Monate oder Jahre, ehe es zur Enuk]eation kommt. Angitis und Periangitis der intra- und episkleralen Gef~tl~e und damit auch endophlebitisehe l~rozesse linden sich h/iufig in diesen Augen und tragen gegebenenfMls das ihre zur Behinderung des venSsen Abflusses bei. b) ZirkulationsstSrungen im Inneren des vorderen Bulbusabschniltes begleiten die phakogenetische l%aktion ebenso wie Reaktionen ganz anderer Art: Wieder sind sie an sich nieht spezifisch. Ihre jeweilige Rolle fiir das Zustandekommen einer etwaigen Drueksteigerung ]~Bt sich aus dem histologischen Befund nieht ab]esen. Unter den tierexPerimentellen Bedingungen hochgetriebener Sensibi]isierung gegen Linse mit serologiseh naehgewiesener anaphylaktischer Komponente wurden im Bereich der vorderen Uvea umsehriebene Gef/iBentziindungen beobaehtet, even- tuell mit 1qekrosen und Obliteration. Es fanden sich aaeh spastische Gef/~l]- verschliisse bis zur Blutleere, unter Umst~nden l~ekrobiose des zugehSrigen Ver- sorgungsgebietes (vgl. Abb. 8 und 9 in M/)LLER). In einem Mensehenauge mit akuter Ophthalmia lohakogenitica land sich eine streekenweise spastische Verengung des Cireu]. art. irid. maj. mit streekenweiser Aufhebung des arteriellen Gef/~lumens an der Irisbasis und dem Bild der Pritstase im Gebiet der zugehSrigen terminalen Strombahn (Gef/tfidilatation, serSse Gewebsdurchtr/~nkung, reichlich freie Blu- tungen). Gelegentlieh ist im t~ereieh der vorderen Urea ein allgemeines Gewebs- 5dem zu beobaehten, eine Folge erhShter Gef~Bpermeabflit~t, eventue]l Ausdruck einer Peristase; unter Umst/~nden ein Hinweis auf die vaseul/~ren Faktoren die bei der Entwieklung einer Drucksteigerung eine l~olle spielen mSgen.

3. Rasehe und erhebliehe ErhShung des kolloidosmotischen Druckes des Kammer- wassers ist immer anzunehmen, wenn es zu sehnellem und ausgiebigem Abbau der mit dem Kalnmerwasser vermisehten Linsenmassen kommt. Diese Situation ffihrt aber keineswegs immer zu einer Drueksteigerung.

4. Kammerwinkelblock dutch Anlegen der Irisbasis an die Hornhautrfiekfl/iehe mit eventueller Syneehisierung ist im Gegensatz zum Anfallsglaukom ftir die, unter Umst/inden aueh anfallsweise auftretende Drucksteigerung auf dem Boden einer lohakogenetisehen l%aktion weder typiseh noeh h/iufig. Auf die in typischen F/illen meist fehlende Abflachung der Vorderkammer sei hingewiesen. In auffMlig zahlreiehen F~llen fand sieh trotz akuter oder ehroniseher Drueksteigerung der Kammerwinkel zumindest streekenweise welt.

Zusammenfassend lii[tt sich sagen, dab die Frage nach dem Wesen der die gestei.gerte lohakogenetische Reak t ion h~ufig beglei tenden I ) ruckste igerung auf Grund des histologischen Bildes al]efil n ieht beant - wortet werden kann . Die einzelnen Ver~nderungen Mnd unspez~fisch. Ob u n d inwieweit das Zusammenwirken der betei l igten F~k to ren Aus- druek der gesteigerten Reakt ion selbst ist, oder inwieweit die Druck-

236 Hoist MULLER :

steigerung bloBe Begleiterscheinung ist, lgBt sich aus der Morphologie nicht ersehen.

Die phakogenetische Reaktion betri//t ganz vorwiegend den vorderen Bulbusabschnitt. Hier konzentriert sie sich um das durch Kapsel- erOffnung freigewordene, dem Kammerwasser ausgesetzte oder mit dem Kammerwasser vermischte Linsenmaterial. Auch bei heftigen Abl~ufen bleibt die Mitreaktion des hinteren Augenabschnittes relativ gering. Oft finder sich eine feine bis mS/3ig-starke Transsudation mit

einigen Monoeyten in den vorderen Glaskdrperabsehnitt respektive in den retrolen- t&len Raum. Sie stammt yon der Pars plana des Ci]iar- kSrpers und dem Oratefl der Retina. H~ufig dr~ngt sie die vordere GlaskSrpergrenz- sehieht naeh hiuten, scheint sie aber im Mlgemeinen nicht zu durchbrechem Handelt es sich um Augen ohne ander- weitige Erkrankung, so ]ehlen entziindliche Verdnderungen

Abb. 7. Freigewordenes K ~ t a r a k t m a t e r i a l ver tef l t der Aderhaut /ast immer. sieh zuweilen fiber der Retinainnenfl~tche und gelangt Hiiu/ig ist eine Angitis und so in den h in teren Augenabschni t t . Die Abb. 7 Periangitis retinae, unter zeigt freie I~lataraktkfigelehen fiber der Papille. Sie s t a m m t yon d e m gleieben Fall wie Abb. 1. Bei Umst/inden rnit monocyt~r- bezfiglich der Linse normergisehen Reakt ion bleibt wie in diesem Fall die ret inale 1Reaktion unerheb_- exudativenAusschwitzungen lieh. I n &ugen, die eine gesteigerte phakogenet isehe uI l l se r and fiber die Lamina :Reaktion zeig'en, l~13t sieh eine Mobilisation grol~er Monocyten gegen das fiber tier Ret ina innenI laehe limitans interna. Zellanh/~u- ver te i l te K a t a r a k t m a t e r i a l beobaehten . Angit is fungen nach Art klumpiger uncl !Periangitis tier Netzhautg'ef~13e ist in solcbeu AugeI~ niehfi seltelL Dagegen wird eine erhebliehe Prgzipitate kSnnen sieh auf entzfindliche Reakt ion tier Aderhaufl fas t i m m e r

vermigt, de]- ]~etinailmenflgche fin- den, vor allem, wenn aieh das

/reigewordene Kataraktmaterial auf der Retinainnen/li~che im hinteren Augenabschnitt verteilt hat. Selbst fiber der Papille kSnnen sich Katarakt- kiigelchen oder Linsendetritus finden. Solche Kataraktkfigelehen brauehen in Fi~llen insgesamt normergischer Reaktion keine nen~enswerte geakt ion hervorzurufen (Abb. 7); zum Teil werden sie nieht einma] phagocytiert, sondern bis zur v611igen AuflSsung abgebaut. Bei ge- steigerter phakogenetischer Reaktion k6nnen Makrophagen beobachtet werden, die sich des pr~retinalen Kataraktmaterials bemi~ehtigen. Nieht in j edem Fall, der eine entzfindliehe Reaktion der Retinagef~13e zeigt, l~Ll3t sich in dem his~ologiseh fixierten Moment eine Verteilung yon Kata-

Morphologie der phakogelmtisehen Reaktion im Mensehenauge. 237

raktmaterial entlang der I~etinainnenfl~tche feststellen. In anderen F~llen l~Bt ein vorhandenes, yon hypermaturem Kataraktmater ia l nieht zu unterscheidendes Substrat nur die Vermutung zu, dab es sieh um Lh~senmaterial handelt. Insgesamt sind wit geneigt anzunehmen, dab fiber die Retinainnenil~Lehe verteiltes Kataraktmater ia l in einem Teil der Falle die Ursaehe der m~l~igen retinalen Zellaussehwitzung nnd der Angitis und Periangitis retinae ist. Eine/~tiologisehe Spezifitgt kommt letzterer unseres Erachtens nieht zu.

Das einzige grSgere, histologiseh untersuehte Materia] zur phakogenetisehen Reaktion im Mensehenauge wurde 1952 yon IRVINE verSffentlicht. In Ubereinstim- mung mit den oben Berichteten fiel aneh bei seinen 15 Fiillen auf: Ganz fiber- wiegende Xonzentration der phakogenetisehen l%eaktion auf den vorderen Bulbus- absehnitt bei relativ geringer Mitreaktion des rfiekw~rtigen Augenabsehnittes. Eine entztindliehe Mitreaktion der Aderhaut bleibt selten (in F/tllen ohne andelweeitige Komplik~tion). Eine m~Bige, diffuse zellige ]~etinitis und eine Angitis und Peri- angitis retinae ist reeht h&ufig. Aueh II~VI~E besehreibt die Verteilung kataraktSsen Linsenmgterials fiber der Retin~innenfl/iehe.

Das Gesagte gilt fiir Augen in denen sieh keine sonstigen, yon der Linse unabh~ngigen Prozesse abspielen. Solche linden sieh gar ilicht selten. Dabei ergab sieh bis jetzt keine erkennbare Beziehung zu der jeweiligen phakogenetisehen lZeaktion des betroffenen Anges. Fragliche Weehselwirkungen kgnnen in ehlem konkreten Fall nnr vermute t werden. Es wurde ausgeftihrt, dab sieh e~ne ,,normergisehe" phakogenetisehe Reaktion in einem aus anderer Ursaehe sehwer erkrankten Auge linden kann. Anderersei~s erlauben im gleichelt Auge ablaufende akut-eitrige oder ehroniseh-entziindiiehe Prozesse keine Voraussage beztigIieh des Charakters einer eventuellen phakogenetisehen l%aktion. VorlKufig ist unbekannt , welehe anderweitigen Vorgi~nge oder Bedingungen im gleichen Ange zu best immten Veriinderungen des exponierten Linsen- materials ftihren, entweder so, dab es ,,unmittelbar toxiseh" wird, oder so, dab es antigene Eigensehaften annimmt, zu einer Sensibilisierung und zu einer eventuellen hyperergisehen Reaktion fiihrt. Auf einige mSglieherweise wesentlieh mitwirkende Faktoren sei aufmerksam gemaeht: Augentuberkulose; iniektallergisehe endogene Uveitis tuber- kulSser und nieht-tuberkul6ser Natur; geringgradige, dutch Phago- eytose der Keime untersehwellig bleibende Infektion bei Gelegenheit einer Operation oder einer periorierenden Verletzung; sympathische Ophthalmie. Die fiir mSglieh gehaltenen Weehselwirkungen zwisehen den genannten und anderen Umst~nden und einer eventuellen phako- genetisehen l%aktion bleiben beim Mensehen im konkreten Fall hypo- thetiseh (vgl. z. ]3. die Krankengesehichte des Falles der Abb. 6). Die Frage naeh solehen Weehselwirkungen ist naheliegend. Wit erinnern uns daran, dab autologes Linsenmaterial ein sehr sehwaehes Antigen ist. Um im Tierexperiment gegen kSrpereigenes Linsenmaterial ein.e iiber-

v. Graefes Archly ftir OphthMmologie. Bd. 154. 16b

2 3 8 H o i s t MULLER :

zeugende Steigerung der Reaktivi tgt herbeizuffihren, scheint es stets eines im gleiehen Organismus anwesenden zusgtzliehen Faktors, eines ,,Adjuvant" zu bedfirfen. Verschiedene Stoffe und Mischungen lassen sich erfolgreich verwenden. IntramuskulEre Injektionen einer Mischung aus Mineralfl, Aquaphor ( ~ 0,5 cm s) und I m g hitzegetfteter Tuberkel- bacfllen geben gute Resultate. SRWARTZMAx-aktives Colitoxin lieB sich verwenden. Mit der m6gliehen Anwesenheit eines , ,Adjuvant" mfissen wir ira menschlichen Organismus wohl immer reehnen, wenn wir die Vie]zahl der ]ebenden nnd toten Mikroorganismen bedenken, die er beherbergt und mit denen er in vielf~ltigen Kontak t gergt. DaB es eines zusatzlichen Faktors bedarf, eines , ,Adjuvant", um eine Sensi- bilisierung gegen autologes Linsenmaterial herbeizuffihren, ist eine Erfahrung, die fibereinstimmt mit den Ergebnissen zahlreicher tier- experimente]ler Untersuchungen der letzten Jahrzehnte fiber das Antigenwerden kfrpereigenen Gewebes und fiber Organspezifit~t solcher hyperergischer Erkrankungen. Encephalomyelitis, N%phritis, Myokar- ditis usw. konnten durch organspezifisehe Sensibilisierung erzeugt werden, teilweiso mittels der AdjuvantmethodeL Wir wiesen schon darauf hin, dab unsere Kenntnisse fiber die Adjuvantwirkung im einzel- hen ganz ungenfigend sind. Wenn sich einerseits mit einigen (aber nicht allen) Toxinen sehr gute Adjuvantwirkungen erreichen lassen, so geht es auch ausgezeichnet ohne Toxine, z. B. mit getf te ten Tuberkelbacillen, aus denen alles Toxin eliminiert wurde. Vfllig unmfglich ist es vor- l~ufig, aus der Morphologie versehiedener phakogenetiseher Reaktionen auf die Natur des jewefls mitwirkenden Adjuvant einen Rficksehlul3 zu ziehen.

Die tierexperimentellen Beobachtungen zur Ophthalmia phako- genetiea veranlal3ten uns naeh fibereinstimmenden Befunden in Men- schenaugen zu suchen. Zungchst nahm die Bearbeitung unseres Enukleationsmaterials hiervon ihren Ausg~ng. Sie ffihrte zu F~tllen, die in allen wesentlichen Punkten mit den tierexperimentel]en Befunden fibereinstimmten. Letztere wurden unter ktinstlich eingeschr~nkten Bedingungen erhoben. Die Situationen, unter denen es beim Mensehen

i Ein ~Tachweis der zahllosen Einzelarbeiten ist hicr nioht angangig. Es sei jedoch auf einige wichtige Quellen hingewiesen: LA~DSTEINERS Buch ,,The speci- ficity of serological reactions" (Revised Edition, Havard Univ. Press, Cambridge, Mass., 1945) gibt Jn knappster Form einen ausgezeichneten Oberblick tiber die ge- samte Problematik. KALLOS ist der Herausgeber yon ,,Progress in Allergy" (Vol. I - - I I I , S. Karger, New York 1939, 1949 u. 1951). 0riginalbeitr~ge unterrichten tiber die neuere Entwiclflung verschiedener Teilgebiete. Grunds~tzliches finde~ sich in den beiden unersetzlichen Monographien yon L o ~ ,,The biological basis of individuality" (Thomas Ed., Springfield, Illin., 2nd print., 1947) und yon l~icH ,,The pathogenesis of tuberculosis" (Thomus Ed., Springfield, Illin., 2nd ed. 1951).

Morphologie der phakogenetischen Ileaktion im Mensehenauge. 239

zu einer phakogenetischen t~eaktion kommen kann, sind zahlreicher, vor Mlem undurchdringlich viel komplizierter. Eine Aufklgrung aus einem einzigen Gesiehtswinkel heraus zu versuchen geht nicht an. So gibt die histologische Untersuchung nur einen Aspek~. Sie zeigte uns neben zahllosen, vorl~tufig nicht systematisch auszuwertenden Unter- schiedlichkeiten einige in den verschiedenen Rea#tions/ormen immer wiederlsehrende morphologische Grundzi~ge. Es sei versucht diese schlag- wortartig zusammenzufassen :

1. E~~ der Linsenkapsel und Vermischung des [~'eiwerdenden Linsenmaterials mit dem Kammerwasser scheint jeder phakogenetischen t~eaktion zeitlich vorherzugehen.

2. Vorlgufig is~/~eine ]este Beziehung erkennbar zwischen dem Quan- turn des ]reiwerdenden Linsenmaterials und dem Stgr#egrad der nach- ]olgenden pha#ogenetischen Rea#tion. Wit beobachten, dab weitgehende Zertrtimmerung, kataraktSser Abbau bis zur Verfliissigung nnd Resorp- tion der Linse nur zu geringfiigiger Reaktion des Auges fiihrt. Anderer- seits kann es zu heftigen I~eaktionen kommen, obwohl nur mg6ige Mengen katarakt6sen Linsenmaterials lrei wurden oder als I~eststar noeh im Auge vorhanden waren.

3. Welehe I~olle den versehiedenert Stufen des kataraktSsen Abbaus zukommt, lgBt sieh morphologiseh nieht entseheiden. Diese Frage naeh der @talitiit muB zun~tehst offen bleiben. Sie spielt eine besondere Rolle im Falle der phakogenetisehen t~eaktion bei Cataracta hypermatura Morgagni. In den beiden yon uns mitgeteilten Fgllen [M/3LLE~ (2), (3)] kam es infolge degenerativer Kapseldefekte zum Freiwerden des Linsen- materials in den betroffenen Auge, w~hrend auf dem anderen Auge Jahre zuvor eine extrakapsulare Kataraktext rakt ion stattgeiunden hatte. Einige morphologisehe Besonderheiten waren auff~tlig: eine aus- gepr~gte Makrophagenreaktion richtete sieh gegen das mit dem Kammer- wasser vermisehte hypermature Linsenmaterial. Reaktionszellen fehlten an der Oberflgche des in der Xapsel verbliebenen Kataraktkernes, zwi- sehen dessen aufgefaserten Lamellen sie iiblieherweise in Menge zu linden sind. Eine eigentliehe , ,Kontaktzone" mit Kerntriimmern, Zellnekrosen, P~iesenzellen, usw. fehlte. Es bleibt vorerst fraglieh, ob wit es hier mit einer hyperergisehen t leaktion auf Grund !insenspezifiseher Sensibilisierung zu tun haben, oder ob die ausgepr~gte Makrophagen- reaktion als Folge einer besonderen Qualitgt, einer ,,primgren Toxi- cit~t" des hypermaturen Kataraktmater ia ls anzusehen ist.

4. Der Stiirkeg~'ad einer phakogenetischen Reaktion variiert weitgehend unabhi~ngig yon der Schwere der ~eweiligen Gesamter/cranlsung oder -sch~di- gung des betroffenen Auges. Sowohl in sonst gesunden wie auch in chronisch-entziindlich erkmnkten oder eitrig infizierten Augen kann die gegen das freiliegende Kataraktmater ia l gerichtete Reaktion eine

240 HoRsT 2~I~LLEt~ :

Steigerung vermissen lassen. In anderen Fiillen steht eine heftige phakogenetisehe Reaktion im Mittelpunkt des morphologisehen Bfldes and sonstige, yon der Linse unabhi~ngige, krankhafte Vergnderungen des Auges k6nnen fehlen.

5. Es gibt keine cellulite Spezi/itiit der phakogenetisehen l%eaktion, doeh ffihrea Anteil und ]eweilige Anordnung der beteiligten Zellen zu typi- schen morphologischen Bildern. In gewissem Umfange sind diese eharak- teristisch fiir phakogenetisehe Reaktionen versehiedener Ausdehnung, Heftigkeit, Ablau/sgesehwindigkeit usw. Flie/3ende Lrbergiinge verbinden nile Reaktionsgrade und -stadien. Jedem Einteilungsversueh haftet daher etwas Erzwungenes an. Diese Einschr/mkung gilt ffir die folgende Einteilung in besonderem Mal3e, da sie yon rein morphologisehen Ge- siehtspunktejl ausgeht und manehen klinisehen Bediirfnissen nieht gerecht werden kann.

6. Im Ablau/e der normergisehen phakogenetischen Reaktion behalten Reparation und Regeneration die Oberhand gegeniiber den Beg]eit- erseheinungen der Resorption und Phagoeytose und gegeniiber den Folgen eventueller Sch~digung ortsst~ndiger Zellen.

7. Die/ibroplastisehe Ab]capselung der normergischen Reaktion bietet nur einen relativen Schutz gegen das jederzeit mSg]iehe Aufflammen einer gesteigerten, unter Umstiinden heftigsten, ja abseegartigen phako- genetisehen Reaktion. Kein Bindegewebe seheint den Schntz der intakten Linsenkapsel ersetzen zu kSnnen.

8. Im Falle der hypere~yisehen phakogenetischen Reaktion geraten Reparation und Regeneration ins Hintertreffen, oder versagen vSllig. Zunehmende He/tiglceit der celluliiren Reaktion und die Folgen der Seh~idi- gung ortsst/tndiger Zellen beherrschen das histologisehe Bild. Dessen weehselnde Morphologie gibt in gewissem Umfange einen tIinweis auf die Heftigkeit des jeweiligen Reaktionsablaufes. Es ]~6t sich versuehen ,,floride, miigig sehwere" Reaktionen yon ,,sehr akuten, foudroyanten" Formen zu unterscheiden.

9. Das Zellbild der /loriden, mii/3ig schweren hyperergischen Realction zeigt gegeniiber der normergischen phakogenetisehen Reaktion zun~chst nur gradue]le, keine prinzipiellen Unterschiede. Die Gesamtzah] der geaktionszellen nimmt zu. Das relative zahlenmSA~ige Verh~ltnis der einzelnen Zellformen zueinander versehiebt sieh, ebenso ihre Anordnung. In typisehen Fi~llen linden sieh 3 hauptsgehliehe Reaktionszonen mehr oder minder deutlieh ausgebildet: a) Der Kontakt mit dem Linsen- material schgodigt die t~eaktionszellen oder zerstSrt sie. Je heftiger die Reaktion, desto grSl3er die Masse der Kerntrgmmer und Zellnelcrosen in dieser Kontalctzone an den freiliegenden Oberflgehen des Katarakt- materials. Bei mMtigerem Grad der Zellseh/~digung lassen sieh einzelne Zellformen erkennen: gro[3e Monocyten, Makrophagen, eventnell Riesen-

Morphologie der phakogenetischen Reaktion im Menschenauge. 241

zellen. Histiocytiire Elemente iiberwiegen, die Beteiligung weiBer Blut- zellen bleibt mgBig, b) Ein ZeIlsyncytium kann diese erste Zone schMen- artig nmgeben. Bei kr/~ftiger Ausbildung dieses Netzwerks ]ngendlichen Mesenchyms entsteht eine helle Zone von ch~rakteristisch ,,blassem" Aussehen. c) In der Peripherie nimmt die Zghl der Fibropl~sten zu; ein loekeres fibroeyt~res M~schenwerk kann sich unter Umst~tnden zur [ibroplastischen Abkapselung verdichten. Oft ist eine solche Bindegewebs- kapsel ~lter, u n d e s is~ innerhalb dieser zum ~kuten Aufflummen einer ph~kogenetisehen I{eaktion gekommen.

10. Bei sehr at~uten, foudroyccnten l~eaktions~bl~ufen isg die Zer- triimmerung der ~eaktionszetlen in der Kontaktzone ausgepr~gt. Neben histiocyt~ren Zellen belbei]igen sieh potymo~'ph~ernige und ande~'e Leu#o- cyten in steigendem MaBe und k6nnen unter Umst~nden das Bild vSllig beherrschen. Die Unterscheidung gegeniiber postinfektiSsen Linsen- prozessen kann schwierig werden; solche zweife]haften F~lle wurden aus dem Material zur Ophthalmi~ phakogenetica vorl~ufig ausgesehieden.

11. Die ZeIlen der phalcogenetischen Realction bleiben ganz iiberwiegend an der Obe~'/l~iehe des freiliegenden Kataraktmaterials. Die ]iir postin/e]c- ti6se Linsenprozesse zuweilen typischen ,,In/iltrationsstra/3eu" ]ehlen.

12. Bei eitrig-in/elctiSsen Affektionen steht die Schwere des Linsen- prozesses meist in einem angemessenen Verhiiltnis zur Sehwere der Erkran- ]tung der tie/eren Augenteile (Glask6rperabsceB usw.). Diese Beobachtung stimmt mit dem Ergebnis tierexperimenteller Untersuehungen fiberein. Die zu quantitativ abgestuften intraocularen Infektionen benutzten Bakterienkulturen stammten yon der Lid- und Bindehaut des Menschen. Sie wurden jeweils durch Abstrieh unmittelbar nach Beendigung einer Kataraktextrakt ion gewonnen. Ubersehritt die Infektion eine gewisse Dosis, so kam es zur kliniseh iiberschwelligen Erkrankung, ansteigend his zur Panophth~lmie. Wurden keine besonderen Bediagungen geschaffen, so entspraeh die Linsenbeteilignng der Sehwere der jeweiligen Gesam~- infektion ~.

13. Die pha~ogenetische ReMction spielt sich ganz iiberwiegend im vorderen Bulbusabsehnitt ab. Die Mitreaktion der tieferen Augen- abschnitte bleibt relativ geringfiigig.

14. Zu den wiehtigsten ,Folgen und Begleiterseheinungen einer ge- steigerten phakogenetischen l~e~ktion gehSren: a) Schdidigung oder Zer- st6rung des Hornhautendothel,% eventuell mit folgender Verquellung des dar~berliegenden Parenchyms und Sehiidigung der Stroma,zel]en. Die Endothelsch~digung folgt dem Kontsok~ mit den katarakt6sen Linsen- massen, b) 1Kakrolohagen und Linsendetritus kSnnen zur Verschlammung des meist weiten Kammerwinlcels fiihren. AbfluBstauung im Gebiet der

Unver5ffentlichte Versuche.

2 4 2 HOlCST MULLER :

intra- und episkleralen Venen und andere Faktoren tragen weiter zu der kliniseh oft im Vordergrund stehenden Drueksteigerung bei.

15. Trotz ausgeprggter eellularer phakogenetiseher Reaktion sind kliniseh die entziindliehen, nveitisehen Zeiehen oft weniger eindrucksvoll. Dies ist teilweise auf den histioeyt~Lren Charakter der betreffenden I~eak- tionen zuriiekzuffihren.

Betraehten wir abschlieBend, was sieh aus der Morphologie [iir das Problem der Ophthalmia phakogenetica als Ganze.s gewinnen liifit, so soll bier nur eine, allerdings grundlegende Frage erSrtert werden: ist es begriindet, die Reihe der phalcogenetischen Realctionen yon anderen krank- haften Vorg~ngen im Auge abzutrennen, als besondere Gruppe zu behandeln, und falls es auf dieser Grundlage zu einer Erkrankung des Auges kommt, yon einer Ophthalmia phakogenetJea zu spreehen? t Iandel t es sieh nieht vielmehr nm eine einfaehe Mitbeteiligung der Linse im Rahmen einer jeweiligen Gesamterkrankung des Auges ? W~re letzteres der Fall, so diirften wit erwarten, dag die Sehwere des Linsem prozesses in einem angemessenen Verh~ltnis zu den iibrigen Ver~nde- rungen des jeweils betroffenen Auges stiinde, wie dies z. B. in der Mehr- zahl der inlektiSsen Linsenprozesse aueh der Fall ist. Fiir dig phako- genetisehen Reaktionen aller St~rkegrade ist es jedoch besonders typiseh, dab die Sehwere und I-Ieftigkeit der phakogenetisehen Reak- tion in lceinem festen Verh~ltnis zu der Art und Ausdehnung der sonstigen Sehiidigung oder Erkrankung des betroffenen Auges steht. Normergisehe phakogenetische Reaktionen linden sieh in Augen, in denen sieh yon der Linse unabhiingige, sehwerste Prozesse, unter Umst~nden aueh infek- tiSser Natur, absloielen. Andererseits fiihren aueh heftigste phakogeneti- sehe Reaktionen an sieh nieht zur Endophthalmitis oder Panophthalmie. Die phakogenetische Reaktion, gleichgiiltig weleher St~rke, besehriinkt. sieh ganz iiberwiegend auf den vorderen Bulbusabsehnitt , t t inter- und Vorderkammer, vordere Urea , t tornhaut und perilimbale, sowie intra- und episklerale Gef~Be. Die celluli~re Reaktion konzentriert sich um die freigewordenen Linsenmassen. Um diese scharen sieh dig Reaktions- zellen, und dort linden sich bei heftigen I~eaktionen massenhaft Kern- tr t immer mad Zellnekrosen. Mit zunehmender Entferming yon der Kontaktzone nimmt die Seh~digung der Reaktionszellen ab. Am Orte des des Nachsehubs, Iris und vor allem CiliarkSrperepithel, iiberwiegen jugendliehe, unverbrauehte Zellen.

])as typisehe Bild einer Linseninfektion unterscheidet sieh deutlieh yon dem einer phakogenetisehen t{eaktion. Bei dieser bleiben die Reaktionszellen iiberwiegend an der Oberfl~ehe des freiliegenden Linsen- materials, w~hrend fiir jene , ,Infiltrationsstragen", die zwisehen die Lamellen eindringen, eharakteristiseh sind. Zu dem Versueh, die lohako - genetisehen Reaktionen als besondere Gruppe innerhalb der Pathologie

~orphologie der phakogenetisehen Reaktion im Menschenauge. 243

des Auges zu betrachten, e rmut ig t schlieNich, dug die Menge des frei- werdenden Linsenmater ia ls in /ceinem festen Verhglgnis zu der Stgrke der nachfolgenden phakogenet ischen l~eaktion s~eht. Der Gedanke liegt nahe, dag einer ver i inder ten Reak t iv i t a t hierbei eine entseheidende ]~olle zukommen kSnnte, und, wie naehgewiesen, aueh tats~tehlieh

zukommen kann .

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Privatdozent I)r. HORST Mi)LLER, Heidelberg, Universit~its-Augenklinik.