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Die HV-Saison 2019 war sicherlich turbu- lenter als viele der vorangegangenen. Man kann hier schon von einer neuen Macht der Aktionäre sprechen: Die Rolle der institutionellen Investoren hat sich durch entsprechende Vorgaben der verschiede- nen Kodizes, Gesetze, aber auch ein gewisses Eigeninteresse verändert. Längst ziehen sie sich nicht mehr auf den Standpunkt zurück, ihren Einfluss nur im Schon wieder neigt sich eine lange HV-Saison dem Ende entgegen. Für viele Verantwort- liche ist die HV 2019 gar schon Schnee von gestern, während sie die HV 2020 bereits fest im Blick haben. Dennoch lohnt sich der Blick zurück, um zu analysieren und Lehren für die kommende Saison zu ziehen. Die neue Macht der Aktionäre Lehren aus der HV-Saison 2019 Hinterzimmer bei Gesprächen mit Vor- stand und Aufsichtsrat auszuüben, son- dern sie demonstrieren ihren Einfluss darüber hinaus zunehmend durch die Abgabe von Weisungen. Wenn es richtig kritisch wird, nutzen sie gar die Bühne der Generaldebatte auf einer Hauptversamm- lung und fordern eindringlich und eloquent Änderungen an Management, Strategie und/oder Geschäftsgebaren. Präsenzen steigen weiter Abzulesen ist das gestiegene Interesse auch an einer gestiegenen Präsenz: Mit knapp 65% ist die Präsenz der Aktio- näre in der HV-Saison 2019 so hoch wie in den vergangenen 15 Jahren nicht gewe- sen und bedeutete eine nochmalige Steigerung um knapp 4% im Vergleich zum letztjährigen Spitzenwert. Im MDAX liegt HV MAGAZIN 03/2019 10 TITELTHEMA 10 Foto: © dervish15 – stock.adobe.com

Die neue Macht der Aktionäre - Link Market Services Aufsichtsrat die Entlastung. Die bekann-testen Beispiele sind hier sicherlich die Bayer AG und die Schweizer UBS, wo den Vorständen

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Page 1: Die neue Macht der Aktionäre - Link Market Services Aufsichtsrat die Entlastung. Die bekann-testen Beispiele sind hier sicherlich die Bayer AG und die Schweizer UBS, wo den Vorständen

Die HV-Saison 2019 war sicherlich turbu-lenter als viele der vorangegangenen. Man kann hier schon von einer neuen Macht der Aktionäre sprechen: Die Rolle der institutionellen Investoren hat sich durch entsprechende Vorgaben der verschiede-nen Kodizes, Gesetze, aber auch ein gewisses Eigeninteresse verändert. Längst ziehen sie sich nicht mehr auf den Standpunkt zurück, ihren Einfluss nur im

Schon wieder neigt sich eine lange HV-Saison dem Ende entgegen. Für viele Verantwort-liche ist die HV 2019 gar schon Schnee von gestern, während sie die HV 2020 bereits fest im Blick haben. Dennoch lohnt sich der Blick zurück, um zu analysieren und Lehren für die kommende Saison zu ziehen.

Die neue Macht der AktionäreLehren aus der HV-Saison 2019

Hinterzimmer bei Gesprächen mit Vor-stand und Aufsichtsrat auszuüben, son-dern sie demonstrieren ihren Einfluss darüber hinaus zunehmend durch die Abgabe von Weisungen. Wenn es richtig kritisch wird, nutzen sie gar die Bühne der Generaldebatte auf einer Hauptversamm-lung und fordern eindringlich und eloquent Änderungen an Management, Strategie und/oder Geschäftsgebaren.

Präsenzen steigen weiter

Abzulesen ist das gestiegene Interesse auch an einer gestiegenen Präsenz: Mit knapp 65% ist die Präsenz der Aktio-näre in der HV-Saison 2019 so hoch wie in den vergangenen 15 Jahren nicht gewe-sen und bedeutete eine nochmalige Steigerung um knapp 4% im Vergleich zum letztjährigen Spitzenwert. Im MDAX liegt

HV MAGAZIN 03/2019

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sie mit 72,47% sogar noch höher. Dabei ist dieser Anstieg eindeutig auf die erhöhte Teilnahme institutioneller Investoren zurückzuführen: Die Zahl der HV-Teilneh-mer entwickelte sich nicht in gleichem Maße nach oben.

Forderungen der institutionellen Investoren

Der steigende Einfluss der Institutionellen spiegelt sich aber auch in den Hauptver-sammlungen wider, genauer gesagt in den Tagesordnungen, bei den Abstimmungen und auch bei den Ergebnissen: Investoren verweigern dem Vorstand und/oder dem Aufsichtsrat die Entlastung. Die bekann-testen Beispiele sind hier sicherlich die Bayer AG und die Schweizer UBS, wo den Vorständen die Entlastung vorenthalten wurde.

ENTWICKLUNG DER KAPITALPRÄSENZEN DAX30(1998–2019)

60,95

56,36

54,8553,03

51,23

49,14

47,29

44,58

49,88

56,50

58,60 58,3856,39

58,20

60,47

49,7255,25

54,81

59,81

60,48

62,5564,85

40

45

50

55

60

65

1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019

Quelle: Link Market Services

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Insbesondere Unternehmen, bei denen es kritischer zu Sache ging, haben sich dem Investorendruck gebeugt und statt der bislang üblichen Blockabstimmung über die Entlastung von Vorstand und/oder Aufsichtsrat eine Einzelentlastung auf die Tagesordnung gesetzt. So hatte sich auch der BVI Bundesverband Investment und Asset Management e.V. Ende 2018 bei der Überarbeitung seiner Analyse-Leitlinien für die HV-Saison 2019 für eine Einzel-entlastung eingesetzt: „In der Hauptver-sammlungssaison 2018 hat sich gezeigt, dass in einigen Fällen eine Einzelent-lastung wünschenswert ist. Wir würden es daher begrüßen, wenn der Vorstand bzw. der Aufsichtsrat vor Veröffentlichung der Tagesordnung für die Hauptversammlung mit den Investoren das Gespräch sucht, um etwa das Bedürfnis nach einer Einzel-entlastung der Vorstands- bzw. Aufsichts-ratsmitglieder abzufragen. Damit würde verhindert, dass aufgrund des Verhaltens eines einzigen Organmitglieds die Entlas-tung des Gesamtorgans abgelehnt wird. Bei geringen Zustimmungsquoten zur Entlastung (weniger als 75%) im Vorjahr könnte in einem derartigen Gespräch zudem eine Nachbesserung oder die Entscheidung gegen eine solche erläutert werden.“ (Quelle: Anschreiben zu den BVI-Analyse-Leitlinien für Hauptversammlun-gen 2019 vom 24. September 2018)

Auch große Fondsgesellschaften wie beispielsweise die DSW haben mit Vertre-

ENTLASTUNGSBESCHLÜSSE 2019 IM DAX30

97,27% – 97,60%

99,64%

98,41% – 99,02%

97,41%

96,38% – 96,73%

99,35%

97,00%

99,65%

99,25%

98,02%

99,93%

99,80% – 99,83%

98,49%

56,81%

99,76%

96,08%

99,63% – 99,80%

98,49%

99,78%

61,41% – 75,23%

93,89%

99,40%

99,81% – 99,82%

97,69%

99,86%

44,48%

99,49%

99,33%

99,67%

87,50% – 89,36%

97,39%

98,40% – 98,72%

94,99%

95,19% – 96,34%

99,13%

99,14%

99,13%

91,77%

92,27%

99,10%

99,68% – 99,83%

87,53%

52,32%

99,37%

90,55%

98,99%

97,11%

96,71%

71,63% – 73,62%

93,51%

99,52%

94,23% – 97,52%

92,34%

97,76%

66,38%

98,90%

98,26%

99,35%

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BMW

Beiersdorf

Bayer

BASF

Allianz

adidas

Entlastung Aufsichtsrat Entlastung Vorstand/persönlich haftende Gesellschafterin/Geschäftsleitung

* Die persönlich haftende Gesellschafterin wurde entlastet.** Die Geschäftsleitung wurde entlastet.Rot markiert: EinzelentlastungenQuelle: Link Market Services; D.F. King

tern wie Hendrik Schmidt auf Einzelent-lastungen gedrängt und dann gezielt einzelnen Mitgliedern des Vorstands oder Aufsichtsrats – Stichwort: OSRAM – die Entlastung verweigert. Gründe für die Nicht-Entlastung für Vorstände sind in der

Regel mangelnde Performance, unzu-reichendes Risikomanagement oder ungenügende Kommunikation. Beim Auf-sichtsrat hingegen bestehen potenzielle Gründe für die Nicht-Entlastung in mangelnder Transparenz der Arbeit, unan-

Gründe für die Nicht-Entlastung der Vorstände sind in der Regel man-gelnde Performance, unzu reichendes Risiko-management oder unge-nügende Kommunikation.

HV MAGAZIN 03/2019

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gemessener Vorstandsvergütung, fehlen-der Unabhängigkeit, der Nicht-Einhaltung von Governance-Standards und inakzep-tablem Umgang mit Aufklärung, wie Hendrik Schmidt in diesem Jahr plastisch auf der DIRK-Jahreskonferenz aufzählte: „Der Aufsichtsrat ist der Interessenwahrer der Aktionäre, das ist seine Aufgabe“, sagte er. Ziel einer Nicht-Entlastung sei vielmehr ein Ausdruck der Nicht-Zufrieden-heit der Aktionäre, und Unternehmen sollten das Votum als Steilvorlage nutzen, auf die Investoren zuzugehen, ein gutes Miteinander zu pflegen sowie die Erwar-tungen letztlich der Eigentümer bei Entscheidungen einfließen zu lassen.

Trends 2020 – die große Unbekannte

Angesichts des immer stärker werdenden Einflusses der institutionellen Investoren erwarten wir auch in der kommenden HV-Saison, dass mehr Unternehmen eine Einzelentlastung statt einer Gesamtent-lastung der Gremien auf die Tagesordnung setzen – analog der Entwicklung bei den Aufsichtsratswahlen, wo die Einzelwahl bereits flächendeckend umgesetzt wurde.

Was jedoch ansonsten auf die Gesellschaf-ten im kommenden Jahr zukommen wird, ist schwer vorauszusagen: Nachdem ARUG II noch immer nicht verabschiedet ist und auch bislang kein konkreter Abstimmungstermin bekannt ist, herrscht derzeit eine gewisse Verunsicherung. Klar ist, dass die Regelungen des ARUG erst Anwendung finden auf die erste ordent-liche HV, die auf den letzten Tag des fünf-ten auf das Inkrafttreten folgenden Kalen-dermonats stattfindet. Das gilt für bei-spielsweise für die Vergütungsberichte und -systeme. Es ist davon auszugehen,

dass 2020 daher diese kein großes Thema auf der HV werden. Proxy Advisors und wichtige Investoren haben schon ange-kündigt, dass sie Verständnis haben, wenn Unternehmen in 2020 unter Verweis auf ARUG II darauf verzichten, das Vergü-tungssystem auf die Tagesordnung zu setzen. Hierauf würde man keine negative Empfehlung für die Entlastungsbeschlüs-se begründen.

Auch das Prinzip „Know your sharehol-ders“ wird zur HV-Saison 2020 noch nicht die durchschlagende Relevanz haben: Erst für Hauptversammlungen, die nach dem 3. September 2020 einberufen werden, findet die Offenlegung der Verwahrketten und damit eine Pflicht der Aktionärs-information durch die Intermediäre und der Informationsanspruch der Gesellschaften gegenüber den Intermediären Anwendung.

Fazit

Die Hauptversammlungssaison 2019 war geprägt von einigen spannenden Ergeb-nissen, insbesondere in Sachen Vor-stands- und Aufsichtsratsentlastung. In-vestoren lassen sich eben nicht mehr alles gefallen. Gesellschaften sollten darauf reagieren und frühzeitig den Dialog mit den wichtigsten Anteilseignern suchen und deren Wünsche schon bei der Erstel-lung der Tagesordnung berücksichtigen. Aufgrund der Verzögerungen bei ARUG II wird es in der kommenden Saison nur bedingt Neuerungen geben, sodass man sich auf einen derartigen Dialog auch konzentrieren kann. Zudem können sich Unternehmen weiterhin mit der fortschrei-tenden Digitalisierung der Hauptversamm-lung auseinandersetzen.

Beim Aufsichtsrat hingegen bestehen poten-zielle Gründe für die Nicht-Entlastung in mangelnder Transparenz der Arbeit, unange-messener Vorstandsvergütung, fehlender Unabhängigkeit, der Nicht-Einhaltung von Governance-Standards.

BERNHARD ORLIK

Geschäftsführer, Link Market Services GmbH

[email protected]

DANIELA GEBAUER

Senior-Beraterin, Link Market Services GmbH

[email protected]

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