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XXIII. Besprechungen. Die niederenPilze in ihren Beziehungen zu den Infections- krankheiten und derGesundheitspflege. Von C.v.~ae- geli. Mfinchen. Oldenbourg's Verlag. Die umfassende Theilung der • hervorgerufen durch die be- sonders auf dem Gebiete naturwissenschaftlicher Forschung stets sich h~iu- fenden Beobachtungen und durch alas Bewusstsein der Erreichung des grSsstmSglichen Erfolges durch Concentrirung aller Kraft auf ein einziges Feld der Th~ttigkeit~ hat doch gewisse Uebels~nde im Gefolg% die sieh besonders darin aussern~ dass sieh leieht einzelne der so entstehenden und entstandenen Disciplinen mehr weniger yon den iibrigen absehliessen und ihres genetisehen Zusammeuhangs seheinbar vergessend, es verschma- hen, die Briicken~ die zwisehen den einzelnen Gebieten der Gesammter- kenntniss der Mensehheit bestehen, der weitern Ausbildung der Wissen- schaft anzupassen~ und zu verbreitern~ und so den weehselseitlgen wissen- sehaftlichen Verkehr zu erhalten. Man kann deshalb das hier zu be- sprechende Bueh yon ~trztlieher Seite nur freudig begrfissen; tritt es doch gewissen f~lr die Wissenschaft~ wie ffir das Leben so wichtigen Fragen yon einer Seite nahe, die sieh -- mit sehr wenigen Ausnahmen- denselben gegenfiber vollst~ndig indifferent wenn nicht gar ablehnend verhal~en~ und gibt es durch sein Erscheinen sehon einen treffliehen Beleg daffir~ dass die Mediein als Wissenschaft~ als ein Theil der Naturwissenschaften auf- gefasst werden muss~ eine Thatsache~ die sowohl yon Vertretern anderer Diseiplinen als auch leider yon elnzelnen Aerzten selbst nicht vollst~indig anerkannt und gew~irdigt wird. Vielleieht ist der Verfasser selbst noeh nieht vollstiindig dieser Anschauung~ wenigstens in Betreff einzelner Fiieher der medieinisehen Wissensehaften; eine solche Vermuthung kiinnten n~m- lieh seine in der Einleitung angeftihrten Worte zulassen~ dort wo er es ausspricht~ er sei ,an das Gebiet der Infeetionskrankheiten aussehliess- lieh vom naturwissenschaftliehen Standpunkte herangetreten. Auf physio- logiseher und chemisch-physikalischer Seite liege aber die Entscheidung der allgemeinel~ nnd Aussehlag gebenden Fragen." Wenn man bedenkt~ dass die neuere Riehtung in der Pathologie doeh nur auf physiologisehen Prineipien, die mit den chemiseh-physikalischen zusammenfallen~ aufgebaut ist~ dass das ganze Gebiet "tier experimentellen Pathologie in der Method% zum Theil auch in den Objecten mit der experimentellen Physiologie

Die niederen Pilze in ihren Bezichungen zu den Infections-Krankheiten und der Gesundheitspftege

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XXIII.

Besprechungen.

Die n i e d e r e n P i l z e in i h ren B e z i e h u n g e n zu den I n f e c t i o n s - k r a n k h e i t e n und d e r G e s u n d h e i t s p f l e g e . Von C . v . ~ a e - geli . Mfinchen. Oldenbourg's Verlag.

Die umfassende Theilung der • hervorgerufen durch die be- sonders auf dem Gebiete naturwissenschaftlicher Forschung stets sich h~iu- fenden Beobachtungen und durch alas Bewusstsein der Erreichung des grSsstmSglichen Erfolges durch Concentrirung aller Kraft auf ein einziges Feld der Th~ttigkeit~ hat doch gewisse Uebels~nde im Gefolg% die sieh besonders darin aussern~ dass sieh leieht einzelne der so entstehenden und entstandenen Disciplinen mehr weniger yon den iibrigen absehliessen und ihres genetisehen Zusammeuhangs seheinbar vergessend, es verschma- hen, die Briicken~ die zwisehen den einzelnen Gebieten der Gesammter- kenntniss der Mensehheit bestehen, der weitern Ausbildung der Wissen- schaft anzupassen~ und zu verbreitern~ und so den weehselseitlgen wissen- sehaftlichen Verkehr zu erhalten. Man kann deshalb das hier zu be- sprechende Bueh yon ~trztlieher Seite nur freudig begrfissen; tritt es doch gewissen f~lr die Wissenschaft~ wie ffir das Leben so wichtigen Fragen yon einer Seite nahe, die sieh - - mit sehr wenigen A u s n a h m e n - denselben gegenfiber vollst~ndig indifferent wenn nicht gar ablehnend verhal~en~ und gibt es durch sein Erscheinen sehon einen treffliehen Beleg daffir~ dass die Mediein als Wissenschaft~ als ein Theil der Naturwissenschaften auf- gefasst werden muss~ eine Thatsache~ die sowohl yon Vertretern anderer Diseiplinen als auch leider yon elnzelnen Aerzten selbst nicht vollst~indig anerkannt und gew~irdigt wird. Vielleieht ist der Verfasser selbst noeh nieht vollstiindig dieser Anschauung~ wenigstens in Betreff einzelner Fiieher der medieinisehen Wissensehaften; eine solche Vermuthung kiinnten n~m- lieh seine in der Einleitung angeftihrten Worte zulassen~ dort wo er es ausspricht~ er sei ,an das Gebiet der Infeetionskrankheiten aussehliess- lieh vom naturwissenschaftliehen Standpunkte herangetreten. Auf physio- logiseher und chemisch-physikalischer Seite liege aber die Entscheidung der allgemeinel~ nnd Aussehlag gebenden Fragen." Wenn man bedenkt~ dass die neuere Riehtung in der Pathologie doeh nur auf physiologisehen Prineipien, die mit den chemiseh-physikalischen zusammenfallen~ aufgebaut ist~ dass das ganze Gebiet "tier experimentellen Pathologie in der Method% zum Theil auch in den Objecten mit der experimentellen Physiologie

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iibereinstimmt~ und sich nur bin und wieder durch die Art der Frage- stelhmg unterscheidet; so kann man ein derartiges Aberkennen~ eine f6rmliche Entziehung eines Forschungsobjectes, unmegiich f~ir gerecht- fertigt erklii, ren, zudem ja doch die ersten Forschungen auf diesem Ge- biete von der Medicln ausgingen, und bei der endgiltigen Entscheidung dieser Fragc wieder die Pathologic ihren Richterspruch zu fallen haben wird, die hierbei gewiss nieht einseitig vorgehen wird; sind ja zwischen den einzelnen medieinischen Disciplinen, bei aller ziemlich gliiGklich durchgeftihrten Theilung der Arbeit~ die verbindenden Briicken noeh viel zahlreicher als auf anderen Gebieten. Am allerwenigsten aber kann man aus dem Widerspruch, der zwischen den einzelnen Pathologen tiber die Bedeutung der niederen Pilze als Krankheitserreger herrseht~ folgern~ ,,dass die Beurtheilung nieht den pathologisehen Disciplinen angehere." Was wilrde wohl der Verfasser zu der Behauptung sagen, die Beurthei- lung der Richtigkeit der Darwin'schen Theorie geh6re nicht den natur- wissenschaftliehen Diseiplinen an, well die Einen in tier Wiirdigung und Anwendung derselben zu welt gehen~ die Anderen dagegen sie gar nicht anerkennen~ und um bei unserem Gegenstande zu bleiben~ wenn man den Botanikern die Beurtheihmg der im Buche er(irterten Fragen ganzlich eniziehen wollte~ da die Einen die pflanzliehe Natur dieter in Frage kommenden Gebilde nieht anerkennen wollen oder wollten~ die Anderen dagegen in vieler Beziehung zu weir zu gehen seheinen.

Die Behandlung dieser Fragen streift eben so viele Gebiete~ night blos das botanische oder physiologisehe~ dass fiir sie allein schon eine Diseiplin geschaffen werden sollte, wenn sie nieht bereits vorhanden w/ir% eine Disciplin~ die sigh aus dem Bedtirfniss heraus entwiekelt hat~ die aneinandel" grenzenden~ mit einander in Beziehung tretenden Theite der versebiedenariigen naturwissenschaftlichen Diseiplinen, so welt sie bei der Feststellung der Beziehungen des mensehlichen Organismus zur Anssen- welt in Betraeht kommen~ zu einem grossen Ganzen zusammenzufassen. P e t t e n k o f e r , der Begrtinder dieser Disciplin~ der wissenschaftlichen Hygiene, fiihrt als ein Beispiel~ dureh das er die Nothwendigkeit dieser Theilung der Arbeit rechtfertigt~ gerade das Auftreten gewisser epidemi- seher Krankheiten an~ wo ,~meteoroiogisch% geognostiseh% botanische, zoo- logisch% physikalisehe~ chemisehe Thatsaehen" in Beriicksiehtignng gezogen werden miissen~ ohne dass man jedoch diese Aufgabe etwa einer einzigen der bier genannten Disciplinen zuweisen wolite. Diese Wissensehaft nun, die Gesundheitslehre, kann wohl iN. niche; im Sinne gehabt haben, als er die Lehren der Hygiene elner so seharfen Kritik unterzog und yon derselben sagte, ,sie waren wesentiich Meinungen~ die naeh dem Stande der Wissensehaft allerdings nieht als unberechtigt gelten k(innten~ denen aber doeh eine klare Einsicht mangelte~ und die sich weder auf Erfah- rung und Beobaehtung noch viel weniger auf Versuche zu berufen ver- m(ichten" - - oder aber er hat vollstandig vergessen~ dass ein grosser Theil der im Buehe niedergelegten Ansehauungen seine Stfitze~ undo' wie mit grosser Wahrseheinlichkeit angenommen werden kann~ seine Anregung in den unantastbaren Beobaehtungen und Lehren v. P e t t e n k o f e r ' s fiber den Einfluss der Vorgiinge im Boden auf die Entwicklung gewisser epidemischer Krankheiten gefunden hat. Eiu Ausspruch wie der eben

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citirte kann also nur als ein Verkennen des ,thatsliehlieh Geleisteten an- gesehen werden~ ebenso~ wie beziiglich der Forsehungen auf pathologisch- anatomischem und experimentell-pathologischem Gebiete der Inhalt dieses Arehivs aliein geniigende Unterlage bietet~ um den Vorwurf zu entkr$iften~ es wiiren ,keine oder sehr mangelhafte wissenschaftliche Versuehe und eine ganz ungeniigende Kenntniss der niederen Pilz% ihrer Wirksamkeit und ihrer Lebensbedingungen zu Gebote" gestanden~ oder es sei dies , die erste mit Ausdauer und Methode gefiihrte experimentell-wissenschaftliehe, Untersuehung."

Diese Bemerkungen~ die bier vorausgesehiekt wurden~ haben indessen nur den Zweck~ den speeiellen~ fachwissensehaftlichen Standpunkt zu wahren~ und sollen keineswegs die Absicht verrathen~ die Bedeutung des vorliegenden Werkes in irgend einer Weise zu schmiilern. Der :Name des Verfassers~ der auf dem Gebiete der Botanik~ speciell dem der mikro- skopisehen Untersuehungsmethode Autoriti~t ist~ ja~ dem die in Frage kommenden Pilze (Schizomyceten) ihren :Namen verdanken, ist allein sehon Btirgsehaft genug~ dass wit in dlesem Werke vielen neuen~ ge- sieherten Thatsachen begegnen, und verdient auch die Consequenz~ mit welcher die an die angeftihrten Versuehe und Thatsachen gekniipften Schlussfolgertingen durchgeftihrt und dem Leben angepasst sind~ Aner- kennung. Es ist ersichtlieh~ dass der Verfasser mit seinem Werke be- strebt war~ nieht blos die Wissenschaft zu fSrdern, sondern auch tier Menschheit zu ntitzen, und wenn auch seine praktischen Ausfiihrungen nieht allgemein aeceptirt werden k~nnen~ da hierzu die im Buehe ange- ftihrten thats~tchlichen Grundlagen nieht beweiskr~ftig genug sind~ so seheint dem Ref. doch sicher~ dass hiemit Anregung und Aufforderung zu zahlreichen neuen Versuchen gegeben ist~ aueh auf nicht speciell

�9 medieinisehen Gebieten und dass dieses Werk mit daztl beitragen wird~ manche eingewurzelte ebenso unberechtigte als unbegrtindete Ansehauun- gen und Vorurtheile zum Schwinden zu bringen.

:N. gibt zuviirderst eine kurze Darlegung tier eharakteristisehen Eigenschaften der drei Klassen yon Pilzen, welehe die Zersetzungen ver- anlassen - - Sehimmel- Spross- und Spaltpilze - - , in weleher wir be- sonders auf die Beweiso aufmerksam machen~ die ftir die belebte Natur~ die Existenz der Spaltpilze als Organismen geltend gemaeht werden~ und die dieselben sind~ die aueh seit llingerer Z eit yon pathologischer Seite zur Entseheidung dieser Frage herbeigezogen wurden; es ist die selbst- standige Bewegung: die Fortpflanzung und die gleiehmiissige Grfsse~ verbunden mit regelmitssiger Gestalt. Er geht sodann zur Schilderung der einzelnen Gruppen freiwilliger Zersetzung tiber ~ die dureh die ge- nannten Organismen verursacht werden~ unter welehen die Fiiulniss be- kanntlich der Zersetzung durch Spaltpilze oder Faulnisshefe entsprieht and uns am meisten interessirt~ wenn auch die Spaltpilze noch andere Zersetzungen bewirken; so den Zucker in Milchsitur% die Milehsaure in Buttersiiure umwandeln, oder auch den Zucker in eine Art Schleim u. s. w. Hierbei wird nattirlieh betont~ dass die Pilze wirklich die U r s a c h e dieser Zersetzungen sind~ (lass G~thrung und Faulniss nur da eintreten k~innen~ wo die betreffenden Pilze leben~ und die Griisse der Zersetzung dureh die M e n g e der Pilze bedingt wird. Der scheinbare Widerspruch

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hierbei, dass die ttefepilze nur da in g r S s s e r e r Menge und in recht lebhafler Vermehrung vorkommen, wo sic Zersetzungen bewirken~ ein Umstaljd der dazu verleiten kSnnte~ sic als Folge der Zersetzung zu be- trachten~ wird ganz richtig darauf zur~iekgefiihrt, einmal~ dass die Stoffe~ welche zersetzt wcrden~ gerade die besten Nithrstoffe sind~ und ferner darauf, dass der Zersetzungsprocess selbst auf die Erni~hrung der betref- fenden Hefe einwirkt.

Die Frag% ob die angeftihrten Pilzformen versehiedene Species sind~ oder ineinander tibergehen, wird dahin beantwortet~ dass die Verwand- lung yon Spross- und Schimmelpilzen in Spaltpilze inncrhalb der zur Entscheidung dieser Frage anwendbaren relativ kurzen Zeitraume n i e h t stattfindet~ dass die Spaitpilze mit keiner der beiden anderen Gruppen in genetischem Zusammenhang stehen; dagegen wird die Frage, ob die verschiedenen Zersetzungen durch verschiedm~e P il z s p e cie s bewirkt werden oder nieht~ besonders ftir die Spaltpilze verneint~ indem naeh Na e- ge l i ' s Untersuchungen bei der namliehen Zersetzung oft ein ziemlieh welter Formenkreis, andererscits bei ganz vcrschicdenen Zersctzungen dem knsehein nach durchans die g]eiehen Spaltpilze gefunden werden; hicrbei sei nnr bemerkt, dass gerade pathologisehe Untersuchungcn auf die Unterseheidung einzelner, auch morphologisch verschiedener Pilz- species hinfiihren. Die Constanz der Befunde gewisser Formen (Mikro- sporon septicum und diphtheriticum~ sodann die Nonadinen K l e bs~ die Bakterien F. C ohn ) , die besonders dort~ wo sie geh/iuft vorkommen~ immer wiederkehrendc, ganz charakteristische Gruppen bilden~ die yon dem geiibten Auge kaum je mit anderen verweehselt werden k~innen, sprechen hierftir.

Dass aueh Verbindungen dutch Spaltpilze zersetzt werden~ welche in der Natur entweder nicht oder doeh nur in der Art vorkommen~ dass eine Zerlegung durch Spaltpilze dort nicht stattfindet~ z. B. Glycerin, ist noch kein geniigender Einwand, da doch nicht gesagt ist, dass mit der Annahme verschiedener Species yon Spaltpilzen auch fiir jedcn zu zer- setzenden Kiirper eine besondere Spaltpilzspecies n6thig w~tre; tin an- deres ist es aber wcnn in demselben KSrper dm'eh verschiedene Spalt- pilze verschiedenartige Zersctzungen hervorgerufen werden und zwar dm'eh dieselbe Species immer dieselbe. Anch aus Glycerin will ja F i t z jetzt durch eine Spaltpilzform Aethylalkohol~ durch die andere normalen Butylalkohol bilden. N. fiihrt ferner als Grund gegen die Annahme dcr Specificiti~t die Thatsaehe der Umwandlung der bestimmten Hefenatur eines Pilzes in eine andere an~ wie dies durch verschiedene Behandlung (Erwli.rmen, Austrocknen~ Zttchten in schleehterer Niihrl6snng) mSglich ist~ glaubt aber selbst, die Frage nicht entscheidend beantworten zu diirfen; ja~ wenn er aueh mit der bisherigen huffassung der vielen Arten gar nieht einverstanden ist~ so ist es ihm andererseits doch auch nnwahr- seheinlicl b dass nile Spaltpilze eine einzlge naturhistorische Art darstellen, er vermuthet vielmehr~ ,dass cs einige wcnige Arten gibt, die aber mit den jetzigen Gattungen und Arten wenig gemein haben, und yon denen jede einen bestimmten, aber ziemlieh weiten Formenkreis durchliiuft, wobei versehiedene Arten in analogen Formen und mit glcicher Wirkungs- welse auftreten k(innen~" so dass ,jede der wirklichen Spaltpilzspecies

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nlcbt blos als Mikrococcus und als Bacterium, als Vlbrio und als Spi- rillum auftreten, sondern auch Milchsiiurebildung~ F/tulniss und verschie- dene Formen der Erkrankung bewirken kSnnte. Jede Species h/itte das VermSgen, sich unglcichen itusseren Verbiiltnissen anzupassen, und dem- gemiiss in verschiedenen morphologisch und physiologiseh eigenthfimlichen Formen aufzutreten "; diese mehr weniger vollkommene~ mehr weniger dauerhafte Acclimatisation wiirde bcwirken, dass sic morphologisch irgend eine bestimmte Form (Mikroeocens, Bacterium etc.) bevorzugen und dass sic auch physiologisch fiir die eine oder andere Zersetzung taugiicher werden. An diese Theorie kniipft lq. seine weiterhin zu erwah~enden praktischen Consequenzen; doeh forscht er zuvor auf experimentellem Wege naeh den Lebensbedingungen der niederen Pilze und findet~ dass die versehiedenen Aeusserungen des Lebens (Wachsthum und Vermehrung durch Zellbildung, Involution~ Sporenbildung~ latentes Leben und Hefen- wirkung), durch besondere Umstiindc erhalten, durch besondere vernichtet werden; ein nachtheiliger, allmahlieh sich steigernder Einfluss nnterbricht zucrst die Giihrung~ dann bei stiirkerer Einwirkung die Erniihrung~ bei noeh stiirkerer die riickg~tngige Lebensthittigkeit und richter erst sp~iter auch die Lebensfiihigkeit selbst zu Grunde. Als Beispiel, das praktisch wichtig ist, und gleichzeitig den Unterschied zwischen den niedern Pilzen und hSbern Pflanzen demonstrirt~ sei erwabnt, class Entziehung des Wassers~ Austrocknung (an der Luft) nicht dcletiir~ sondern im Gegentheil con- servirend auf die niederen Pilze wirkt, die Lebensfnnctionen stehen im trockenen Zustand blos still, beginnen aber wieder, sobald die Zellen das n~ithige Wasser finden~ zuweiten wird dadurch die Bildung yon Ruhe- sporen veranlasst.

Von Wichtigkeit erschcint ferner der Umstand~ dass die Pilze~ denen Hefewirkung zukommt~ dutch die sieh anhaufenden Zersetzangsproducte nach und nach vernichtet werden, und dass selbst die :Niihrstoffe, wenn fiber cine gewisse Concentration hinaus vorhanden, schiidlieh wirken. Der Sauerstoff kann yon den Spross- und Spaltpilzen ohne erheblichen Nach- theil entbehrt werden, insofern dieselben eine gute Nahrung finden und Hefenwirkung ausiiben. Der Einfluss der Temperatur ist insoweit ein miichtiger, als mit Erh6hung derselben bis zu einem unter gleichcn Um- stiinden fiir jeden Pilz und jede Functi()n versehiedenen Maximum die Lebensvorgiinge sich steigern, beim Ueberschreiten desselben plStzlich anfldiran; dagegen wird durch Frost zwar das thatige Leben, wohl aber nie das Leben der niederen Pilze tibarhaupt vernichtet. Diese~ auf ex- perimentelI botanisch-chemischem Wege gewonnenen Thatsachan lassen sich sehr gut mit den auf dam Felde der Pathologic gewonnenen Erfah- rungen vercinbaren~ ja bestiitigen oft nur das bereits Bekannte, wobai

allerdings bcrvorgehoben werden muss, dass alas so gewonnene :Material in pri~cisere Form gebrachi und systematisch geordnei ist.

Eine sahr wesentliche Rolle spiett in den Labenserseheinungen dar niaderen Pilze dla Mitwirkung yon Pilzen aus anderen Gruppen~ die auf analogc Labensbedingungen angcwiesan sind, die Concurrenz:, der Kampf urns Dasein; bei welchem as darauf ankommt, ob die Gesammtheit der ausseren Umst/~nde der einen odor anderen Pilzform giinstlger ist, und wo die Individuenmeng% in der die concurrirenden Gattungan vorhanden

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sind~ yon wesentlichem Einflusse ist. ]~s set bierbei darauf hingewiesen, dass s~mmtliche hier angefiihrte Experimente~ die sich auf die Coneurrena der Pilze beziehen~ nur zwischen den Gruppen der SchimmeI-~ Spross- und Spaltpilze angestellt stud, nieht aber zwischen den verschiedenen Spaltpilzspecies sdbst~ nach N. den verschieden angepassten Modifieationen der Spaltpilze.

I~. geht nun zur gesundheitssehlidlichen Wirkung der niederen Pilze fiber~ einer~ wie er sieh ausdrtiekt, ,noeh ganz jungen Wissenschaft, der his jetzt weder ausreichende Erfahrungen noeh gentigende wissenschaftliche Einsieht zu Gebote standen. Es ist in dieser Lehre noch beinahe AUes zweifelhaft~ da weder die Physiologic der Pilze~ noeh pathologiseh fest- gestelite Thatsaehen siehere Anhaltspunkte botch." Es dfirfte wohl ganz iiberfifissig sein~ das Unberechtigte dieses Ausspruehes bet dem jetzigen Stande der Fragen zuritckzuweisen, we die Summe tier pathologisch fest- gestellten Thatsachen derart angewachsen, dass aneh bisherige Gegner die Bedeutung derselben zugestehen mtissen, and we seit 1/~ngerer Zeit bereits eben auf Grnndlage dieser Thatsachen praktisehe Maassregeln mit bestem Erfolg durehgefiihrt worden stud. Der Vorwurf, dass wegen der versehiedenartigen Ansehauungen and Deutungen der Pathologen die Entseheidung dieser Frage yon dieser Seite nicht m6glieh sei~ wiirde uns einfach zu einem bedenkliehen Stillstehen verurtheilen~ da wir es abwarten mtissten, bis die anderen naturwissensehaftliehen Gebiete die ftir die Patho- logic wichtigen Fragen gel0st haben; and dass die kntworten, die uns diese geben~ nieht immer ohne , Anpassung" aufgenommen werden k~innen~ beweist uns der Aussprueh lq.'s 7 class man die Sehimmelpilze als dureh- aus uQgefithrlich bezeichnen kiinne; trotzdem nun alle Voraussetzungen~ yon denen hier ansgegangen wird, richtig sind~ zeigen doch unwider- legliehe Beobachtungen - - und iN. gibt nns bier selbst die Beruhigung, dass die Pilzf/iden so charakteristiseh sind~ dass man sie unm~iglich fiber- sehen kSnne - - dass sie StSrungen hervorrufen k6nnen~ die selbst den Ted nach sich ziehen (vgl. Zenker~ embolische Pilzherde im Gehirn; ferner die Fiille schwerer~ tiidtlicher Lungenaffectionen yon L e y d e n ~ Jaffd~ C o h n h e i m , F t i r b r i n g e r u. h , dann die Aetinomyeose B e l - l i n g e r 's nnd noch viele andere Beobachtungen). Doch gehen wir gleieh zu den Spaltpilzen iiber~ ,die einzigen unter den niederen Pilzen - - ab- gcsehen yon den allenfaiis in letzteren enthaltenen Giftstoffen - - , die als gesundheitsscbiidliehe Wesen betrachtet werden kiinnen~ da sic dureh ihre verschiedenen Eigenschaften vollkommen zu der verderblichen Function beftthigt sind~ den thierischen und mensch|iehen Organismus krank zu machen"7 sclbst zu tiidten. N. folgert nun auf theoretischem Wege mit grosset Sch~l'fe and Griindlichkeit~ class die Infectionss~offe nut Organismen sein k6nuen~ und ~dass unter alien bekannten lebenden Wesen blos die Spaltpilze dafiir in Anspruch genommen werden kSnnen; dass bet diesem Gedankengange die bisherigen positiven Thatsaehen thetis ignorirt, theils unterschatzt werden~ wird uns nicht mehr in Erstaunen setzen, demnaeh heisst es auch~ ,fiber die Beschaffenheit der Ansteckungsstoffe ski man noeh vollstandig im Dunkeln"~ und, man sei~ ,da die Erfahrung niehts Sicheres fiber die Betheiligung der Pilze bet den menschliehen Krank- heiten an die Hand gibt~ zur Orientirung vorerst lediglich an die Folge-

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rung der wissenschaftlichen Theorie angewiesen% Und doch ist gerade zur selben Zeit~ als :N.'s Buch erschien, der Ausspruch gethan Worden~ ~dass in Wahrheit die (auf medieinischen Gebioten) gewonnenen Erfah- rungen berelts niithigen~ die Ursache zahlreicher und wichtiger Krank- heiten ausserhalb des Kiirpers aufzusuchen und dass diese Krankheits- ursacben parasitiirer bTatur sind" (Klebs~ fiber die Umgestaltung der medicinischen Ansehauungen, u. s. w.) und gezeigt worden~ in welchen Organismen wir die Infectionstriiger zu suchen haben~ sowie auf welehem Wege man zu diesel" Erkenntniss gekommon~ ja dass neue yon der Theorie postulirte Thatsachen~ die gleichsam als Prtifstein fiir dieselbe aufgestellt werden kSnnen~ auf diesem Wege- aufgedeckt wurden~ und so eine er- freuliche Bekriiftigung der Theorie gegeben haben.

:N. geht bei der Entscheidung dieser Frage vom Darwinischen Stand- punkte aus~ er sagt: ,Wenn niedere Pilze in den menschlichen Kiirper gelangen~ so treten sie in Concurrenz mit den 'lebenden Zellen~ es beginnt ein Kampf urns Dasein~ in ganz ahnlicher Weise wie er in einer Nahr-

idsung zwischen zwei vcrschiedenen Pilzgattungen geftihrt wird und es kommt nun darauf an, ob die Lebenskrlif~e im Organismus oder die Kriifte des eingedrungenen Pilzes die Fltissigkeit beherrsehen~ aus ihnen :Nah- rungsstoffe zu entnehmen~ und in ihnen die entsprechenden Umsetzungen zu bewirken verm~igen. Im Allgemeinen wird der mensehliehe Organismus obsiegen, wenn in demselben die VerhMtnisse normal sind, well er zu diesem Zweck angepasst ist. Wenn aber zeit- und stellenweise St6rungen entstehen und dis Lebenskrafte herabgestimmt werden~ so kann ein Grad der Sehwliehung erfolgen~ be! dem die Pilze die 0berherrsehaft gewinnen und mehr oder weniger bedeutende krankhafte Affeetionen verursaehen~ welehe ohno die Pilze nicht eingetreten w~iren". Diese Erwiigung wird an Stelle der angeblich unzureiehenden Erfahrung als siehere Thatsaehe, yon der auszugehen sei, hingestellt. Sie enth~ilt aber bei ihrer Anwendung zur E r k l a r u n g der Erscheinungen die grosse Gefahr~ dass man vergisst, sie sei doch eigentlich nur elne U m s c h r e i b u n g ~ und dass man auf diesem Wege leieht S c h l a g w o r t e in die Wissensehaft einf(ihrt~ die nun bei allen miigliehen Gelegenheiten angewendet we~rden~ ohne dass hiermit das W e s e n der Vorgiinge erlautert wird; sie hat jedoeh in diesem Falle eine gewisse Bedeutung~ als sie zur Annahme fiihrt 7 dass die Menge der eindringenden Spaltpilze nieht gleiehgiltig ist~ dass dureh fortgesetzte Ein- wirkung, in gr6sserer Menge dieselben wirkungsf~hig werden ; was jedoeh aueh far nichtorganisirte Giftstoffe gilt: Wie die Concurrenz der Spalt- pilze mit den Zellen aufzufassen, das diirfte wohl sehwiorig zu entscheiden sein; dass iibrigens auch hier die auf pilzphysiologischem Gebiete ge- wonnenen Thatsaehen und Sehlussfolgerungen sieh. nieht o:hne Weiteres auf den Organismus ttbertragen lassen, muss hervorgehoben werden ; auch wir glauben nicht, ,der mensehliche Organismus sei ein Heiligthum, in welehem andere Kri~fte wirkten 7 andere Gesetze herrsehten", ~ber anderer- seits dtirfen wit uns in den Naturwissensehaften nieht zu sehr veto Grund- satz der Analogien beherrsehen lassen. Wohl ,verlangen immer gleiche Ursaehen gleiehe Wirkungen", dass aber ,ira Organismus die gleiehen KrMte auehLgleiahe ehemisehe Proeesse verursaehen wie im Laboratorium~ - - dass wenn z. B. sin Ferment in einem Glasgefiiss eine ehemisehe Ver-

A r c h l y fiir experime~.t. Pathologie u. Pharmakologio. VIII . Bd. 30

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bindung spaltet, die n~tmllchc Spaltung aueh im Organismus erfolgen mtisse"~ dies ist nur bedingt riehtig~ wie ja !q'. selbst hinzusetzt, ,inso- fern nieht besondere hindernde Umst~inde dazwisehen treten". Ja hier eben liegt der Grund~ der uns zwingt, diesen Vorg~tngen im O r g a n i s m u s von Sehritt zu Sehritt naehzugehen nnd uns nicht auf Analogieschltisse zu verlassen; haben wir ja zahlreiche Belege hierfiir~ dass das~ ,was wir im Glasgef~tss im Laboratorium zu Stande bringen"~ unter dem Einflusse der Organisation ganz anders ablaufen kann, und class umgekehrt chemisehe Vorg~tng% die im Organismus sieher ablaufen (Bildung yon Harnstoff aus Eiweiss~ yon Fett aus Eiweiss)~ im Laboratorium bisher nieht nachgemaeht werden k~nnen. Wie demnaeh aueh hier noeh manche WidersprLtehe zwisehen dem theoretisehen Resultat nnd den Erseheinungen im menseh- lichen Organismus sieh ergeben~ zeigt die Entsehe~dung der Frage beztig- lieh des Sehieksals yon Spaltpilzen~ die in die Harnblase gelangen. N. findet~ es werde dies durehaus ohne Folgen sein[ denn der Harn sei eine so nn- g~instige ~ahrung ftir die Spaltpilze~ dass dieselben nur bei Zutritt yea Sauerstoff sieh darin vermehren k~nnen, in der Hzrnblase finde daher unter normalen Verh~tltnissen weder Pilzbildung, noeh irgend welehe Zer- setzung dureh Pilze statt. Die so zahlreiehen Falle nun yon myeotisehem Blasenkatarrh~ mit den daran sieh ansehliessenden Pyelitiden und Pyelo- nephritiden~ widerspreehen dem vtillig~ w~thrend andererseits die Behaup- tung~ eine bemerkbare Menge yon Zucker maehe die Spaltpilze aueh ohne freien Sauerstoff waehsthums- und wirkungsf~thig~ was den Diabetes an- belangt~ keine wesentliche Stiitzc gewinnt.

Die Schlussfolgerung nun~ zu der N. gelangt~ ist: ,es mtisse krank- hafte St~rungen geben~ welche durch die Spaltpilze verursaeht werden~ solche~ far welche ein einziger Pilz ausreicht (Contagienpilze)~ und solch% ftir die es einer grossen Zahl von Pilzen bedarf (Miasmenpilze und in noeh gr~sserer 1Kenge die Pilze ftir die septisehe Infection); soleh% welehe die Pilze allein nnd solehe~ welche die Pilze unter Mitwirkung einer mehr oder weniger giftigen Verbindung bewirken ~.

Den nachtheiligen Einfluss, welehen die Spaltpilze auf die Gewebe des lebenden KSrpers ausiiben~ finder IN. in der Entziehung wiehtiger 1S~ihrstoffe, sc~wie des Sauerstoffs, in der Zerlegung des Zuekers in Milch- s~ture and ih der Zersttirung versehiedener anderer leieht zersetzbarer Verbindungen, vielleieht aueh in der Ausseheidung eines 16sliehen Stoffes~ Fermentes. Eine ~thnliehe Theorie der Wirkungsweise der Spaltpilze ist sehon wiederholt yon Pathologen ausgesprochen worden (K 1 e b s ~ R e c k- l i n g h a u s e n u. A.), yon einzelnen sodann aueh noch auf eventuelle mechanisehe Wirkung~ die besonders bei gewissen pathologischen Vor- g~ngen im K~irper (H~tmorrhagien~ Thrombosen u. s.w.) zur Geltung k~tm% hingewiesen women.

Eine Specifieit~tt der Krankheitspilze will hi. nicht anerkennen~ ,sic komme dem niichternen physiologischen Bewusstsein nahezu phantastiseh naiv vor, erinnere an die Personificationen, mit denen ursprtingliehe Vi~lker grosse Erseheinungen in der 1~atur und im V6!kerleben zum Verst~tndniss braehtena; �9 ,die physiologische Seite der Frage lasse es fast unmeglieh erscheinen, dass Eigensehaften der Function in dieser Weiso speeifisehe Constanz erlangen" und glaubt ~. in' dem Verhalten und der Gesehiehte

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der Infeetlonskrankheiten die Unhaltbarkeit dieser Ansehauung zu finden; allein seine Auffassung, , die Krankheiten nehmen a!lmahlieh einen anderen Charakter an und gehen in andere iiber", steht im directen Widerspruehe mit den pathologischen Ansehauungen, den ,pathologisehen Thatsachen, welehe die Specifieitat jencr (der Infections-) Krankheiten~ den Mangel an Uebergangsfahigkeit zwisehen den einzelnen entschieden lehren" (K 1 e b s 1. e.). Aueh die Behauptung, die Krankhei~ kilnne aueh in j ede r einzelnen Epidemic ihren Charakter umbilden und zu anderen Krankheitsformen werden, beruht entsehieden auf einer missverstandenen Ansehauung von der Versehiedenheit des Krankheitsbildes und dass die Gesehichte der Medicin uns keinen siehern Anhaltspunkt geben kann, wo doeh die friiheren Schilderungen nur zu sehr beeinflusst sind yon der jeweiligen Theorie und wo wit so vielfach eine o bj e e t i v e Darstellung des Krankheitsbildes vermissen, ist klar; und doeh, bei dieser mangelhaften Besehreibung ist es mifglieh geworden~ zu zeigen, dass, soweit iirztliche gesehichtliehe Ueber- lieferung geht, die Krankheitsbilder im Grossen und Ganzen sich nieht w e s e n t 1 i e h gei~ndert haben, und wenn dies vielleicht in irgendweleher Art gesehehen wiire~ ist denn der Mensch, der seit jener Zeit in Kleidung, :Nahrung~ in seiner ganzen Lebensweise so wesentlich versehieden ist von dem frliherer Jahrhunderte, in Bezug auf seine Constitution, seine Em- pfiingliehkeit fiir gewisse Pilze ganz derselbe geblieben ? werden die Pilze in ihm dieselben Bedingungen vorfinden wie vor vielen hundert, ja tausend Jahren ? Wir sehen iibrigens zum Theil noch jetzt wie eine Krankheit, die Lepra~ allmi~hlich in ihrem Verbreitungsbezirke sieh besehriinkt und dabei einen iihnliehen Weg (zum Theil naeh I%rden hin) einsehliigt, wie manehe im Aussterben begriffene Thierspecies, ohne dass wir jedoeh sagen kSnnten, sic wandle sieh in eine andere Krankheit urn.

b~ a e g e l i ' s u yon der ungleichen Wirkung der Infections- keime ist folgende: , Die gleiehe Species nimmt im Laufe der Generationen abweehselnd versehiedene, morphologiseh und physiologiseh ungleiche For- men an~ welehe im Laufe von Jahren und Jahrzehnten bald die S~iuerung der Milch, bald die Buttersiiurebildung im Sauerkraut, bald alas Lang- werden des Weins, bald die F~iulniss der Eiweissstoffe~ bald die Zersetzung des Harnstoffs~ bald d~e Rothfarbung starkemehlhaltiger :Nahrungsmittel bewirken, und bald Diphtheric, bald Typhus~ bald recurrirendes Fieber~ bald Cholera, bald Weehselfieber erzeugen. Wenn eine Form dieser Pilz- species in ein neues Medium kommt~ so passt sic sieh nach und nach den neuen Verhitltnissen an; sic wird um so charakteristiseher und um sO wirksamer~ je langer sie in dem niimliehen Medium gelebt hat. Ein In- fectionspilz ist also im Allgemeinen ftir sein Gesehitft um so tauglieher, je hiiher sein ununterbroehener Stammbaum in der niiml~ehen Krank- heitsform hinaufreieht. Er wird mehr oder weniger geschwiieht, verliert aueh wohl giinzlich seine besonderen Eigensehaften~ wenn er yon dem Kranken nicht unmittelbar wieder in einen KSrper gelangt~ den er in- ficirt, sondern wenn er eine Zeit lang in anderen Medien sieh fort- pflanzen und erniihren muss." Die specifisehe Wirkung wird aber ausser durch die Anpassung noch dadureh erklltrt, dass die Spaltpilze auch die Zersetzungsstoffe ihrer lqithrl(isung aufnehmen milssen~ und dass also diejenigen~ die aus einem kranken Organismus kommen~ die eigenthtim-

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:lichen Zersetzungsstoffe dor Krankheit oder die Krankheitsstoffe mit sich bringen mtissen.

N. geht sodann anf das Verhalten der Infectionsstofte bei den ver- schiedenen Gruppen der Infectionskrankheiten ein~ dss wir schon zum Theil angedeutet haben, und wollen wir bier nur auf die Behandlung der miasmatiseh contagi6sen Krankheiten aufmerksam machen~ besonders da hler offenbar die zu Grtmde liegenden epidemiologisehen Thatsachen am griindtichsten gewiirdigt sind. Im Gegensatz zu v. P e t t e n k o fe r ' s Theori% die iN. die monoblastisehe nennt und die bekanntlich einen veto Kranken kommenden Keim (ein x)~ sowie einen yon tier Localit~tt herstammeaden Einfluss (ein y) verlangt, weiche beide sich erst zu dem eigentiiehen, wirk- samen Infeefionsstoffe (einem z) vereinigen~ wobei often gelassen wird, we diese Vereinigung erfolgt, stellt er eine ,diblastische" Theorie anf. Ei" h!iit eine sehr naheliegende HeterSeie (Generationsweehsel) der SpaltpiIze aus Grtinden der Analogie und wegen des gewissen bis zur infieirenden Fahigkeit der Infectionspiize verfliessenden Zeitraums ftir nieht wahrsehein- lieh, sondern nimmt an~ dass es sich bier um zweierlei Pilze, K r a n k - h e i t s p i l z e und B o d e n p i t z e , handle~ yon denen die Bodenpilze die chemische Besehaffenheit einer Fltissigkeit im K6rper in der Weise ver- ~tndern~ dass dieselbe jetzt hinreiehend gtinstige Bedingungen fflr das Ge- deihen tier Krankheitspilze besitzt, l~atiirlieh, und es wird dies veto Verf. selbst eingestanden, ist an eine E n t s e h e i d u n g dieser Frage auf diesem Wege nieht zu denken; und es wird also doeh wohl die Forschnng auf dem Gebiote der Pathologie sehliesslieh dieselbe 16sen mtissen. Wie iibrigens aueh bier die ganz allgemeln% theoretisehe Betraehtung dieser Fragen zu Widerspriiehen mit den Thatsaehen ftihrt~ erhellt bei Gelegen- heir der Bespreehung tier Mengenverh!~.ltnisse~ in donen die einzelnen Pi|ze eindringen mtissen~ um wirksam zu werden. Es heisst daselbst ,die sep- tischen Pilze sind nut schitdlich~ wenn sie massenhaft geimpft werden oder yon gr6sseren Wunden eindringen"~ wogegen die t~tgliehe Erfahrung reich- liehe Beispiele des Gegentheils bietet.

Von principielier Bedeutung wird das Verhalten~ das sleh N. zwischen den einzelnen Spaltpilzen untereinander denkt; er sagt dartiber: ,Die Spaltpilzformen verwandeln sich ineinander. Die Miasmenpilze entstehen unter den gtinstigen Bedingungen aus den Fiiulnisspilzen oder anderen allgemein verbreiteten Spaltpilzen und gehen unter entgegengesetzten Be- dingungen wieder in diese tiber. Die Contagienpilze, deren Wohnstatte der Organismus ist~ und die regelmiisslg aus dem Kranken in .den Ge- sunden tibertreten~ werden~ sowie sie dauernd in ausseren Medien leben und sich fortpflanzen, zu gew6hniiehen Spaltpitzen. Es muss auch alas Umgekehrte vorkommen ; die Contagienpitze mtissen aus den letzteren ent- stehen kSnnen." Einen directen Beweis ftir diese tlypothese finden wir nieht. Das Belspiel' von dem verschiedenarfigen~ in gewissen Bezirken endemisehen~ in anderen epidemisehen Auffreten einiger miasmatiseh con- tagi6ser Krankheiten spricht noeh nicht fi|r die ,spontano" Entwiek- lung der betreffenden Infectionspilze~ aueh wenn diese Krankheiten an diesen Orten naeh einer bestimmten Zeit wieder ,spontan" entstehen. Wir k(innen annehmen~ dass hier der Pilz keineswegs ausgestorben ist 7 son- dern in einem Zustande oder unter Bedingungen sieh befindet, dass er

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weniger leicht in den Verkehr gelangt, weniger leicht an den Mensehen herantreten kann. Ein, zwar nicht g a n z zutreffendes Beispiel bietea nns die Trichinenepidemien. Aueh hier liegt die Ursache ausserhalb des 0rganismus, in Parasiten~ deren spontane Entstehung zwar nicht ange- nommen werden kann~ we aber die Einschleppung diese Rolle vertritt. Es ist nun ganz gut m6glieh~ dass eine derartige Epidemie ausbrieht~ ohne dass eine n eue Einschleppung von einem andern 0rte eingetreten~ einfach auf dem Wege, dass die in vielen anderen~ nieht zur :Nahrung dienenden Thieren fortgepflanzten Triehinen wieder zufallig !in solche yon uns zu verspeisende Thiere gelangen.

Hier liesse sich aueh zeigen - - was bei den niederen Parasiten so schwer ist - - dass aueh gewisse Aenderungen in der Lebensweise, wie sehon S. 457 angedeutet~ yon Einfluss auf die Entstehung yon Epidemien sein und das Ausbrechen der Epidemie veranlassen k6nnen, ist ja sehou die Bereitungsweise~der Nahrungsmittel, zum Theil aueh die Wahl der- selben, yon Einfluss und man sieht wie durch diese Verh~ltnlsse sieh z. B. Norddeutschland mit seinen relativ h/iufigen Trichinenepidemien ganz anders verhalt als ein grosser TheiI von Saddeutsehland und 0esterreich~ trotzdem aueh da in gewissen Thieren Trichinen fast stets vorhanden sind. Daraus~ (lass eine Krankheit einmal angefangen haben und zu jener Zeit die ihr eigenthamliche Pilzform aus einer anderen Pilzform hervorgegangen sein muss~ mtissen wir noeh nieht das folgern~ was N. daraus deducirt; er sagt: ,und wie jede Krankheit einmal entstanden ist, so muss sie~ wenn die gleiehen Verh~ltnisse gegeben sind~ immer wieder entstehen, und die ihr zukommende Pilzform muss gerade so~ wie sie im Anfang aus eine~ andern sich herausgebildet hat~ unter den n~mliehen Umst~nden zu jeder Zeit wieder sieh herausbilden." N. vergisst~ dass er nieht den Be- weis ftihren kann~ dass die ,gleichen Verh~ltnisse", die ,namliehen Um- stande" ffegeben sind; sowie aber dieses Glied in der Kette der Sehluss- folgerungen fehlt~ so fehlt auGh ihre volle Berechtigung und man braueht night ,an Stelle der :Naturgesetze das Wunder oder den Zufall heri'sehen zu lassen"~ um si% resp. deren Gonsequenzen~ zu bestreiten~ besonders da Versuehe~ die dies erh~rten k6nnten und die dahin zielen miissten~ dass man aus einem Pilze durch versehiedenartige Cultur ~u. s. w. versehiedene Infeetionskrankheiten erzeugen kSnnte~ noeh vollst~ndig mangeln.

Dass sich die Frage gun z anders gestaltet, wenn wir verschiedene P i l z spec ie s~ ja vielleicht nur ,gut ausgepragte Varietaten" ( D a r w i n ) annehmen~ ist nattirlich; dann ist es nieht mehr nSthig~ dass der Pilz einer jeden einzelnen Infeetionskrankheit seinen urspr~inglichen, ersten phylo- genetisehen Entwieklungsgang yon Neuem durchmaehe, dig ursprtingliche Form, aus der er entstanden~ existirt tiberhaupt wohl nieht mehr, ,das Erl6sehen alter Formen ist ja die fast unvermeidliche Folge veto Eat- stehen neuer" ( D a r w i n 7 Entstehung der Arten 2. s. w.) und dutch Ver- erbung" tier Eigenschaften und Lebens~h~tigkeiten werden diese Formen immer an,~gepr~.igter.

Wir hubert es eben bez~glieh dieser Untersuchung naeh den ersten Anf~ngen und dem Entstehen der Krankheiten noch zu sehr mit ttypo- thesen zu thun und es ist fraglieh~ ob es :N. m6glich geworden~an seinem Grundsatze festzuhalten~ durch Combinationen yon einzelnen Thatsaehen~

460 XXIII. Bespreehungen.

die entweder ganz sicher oder ffir die eine grosse Wahrscheinlicbkeit spricht, die M6glichkeiten immer mehr einzuengen. Der folgende Passus h~uft wenigstens die ttypothesen und M~glichkeiten in bedenklicher Welsc~ er lautet: , In dieser Weise~ n~tmlich b[os durch Infection mit-Boden- pilzcn~ erfolgt ohne Zweifel jede spontano Entstehung einer miasmatisch contagiSsen Krankheit~ wobei sich einzelne dieser Miasmenpilze in Con- tagienpilze verwandeln. Die Pilzc des Dodcns nehmen die sch/idliehen Eigenschaften an~ welehe sonst nur die in den Auswurfsstoffen befindliehen, der Krankheit angepass~en Pilze besitzen. Dies mug vielleicht in der Weise vor sich gehen~ dass in einem besonders gef~hr!ichen Boden r artige Zersetzungen statthaben (vielieicht vcranlasst dul"ch Pflauz~n aus besonderen Gruppen)~ und dass eigenartige Zersetzungsprodukte entstehen~ so dass die Spaltpilze eine andere Anpassung annehmen und durch die sic begleitenden giftigen Stoffe eine specifische Wirkung im lebenden K6rper erlangen. Dieser Process h~ttte stattgefunden bei der ersten Entstehung der Infectionskrankheit unde r wtirde in dem endemischen Verbreitungs- bezirk derseiben sich fortw~hrend wiederholen."

Was die einzelnen Infectionskrankheiten betrifft~ so wird angenommen~ dass bei der spontanen Entstehung der miasmatisch contagiSsen Krank- heiten die Contagienpilze derselben aus Miasmenpilzen oder aus F~tulnlss- pilzen - - wahrscheinlich aus ersteren - - hervorgeben. Far die contagi6sen Krankbeiten sei kS zweifelhaft, ob ihre Contagienpilze aus Boden- und F~tulnisspilzen oder aus den Contagienpilzen verwandter Krankheitcn sich umgebildet hubert.

Unter den verschiedenen ~iusseren Einfliissen ver~tndern sich nun die Infectionspilze und verlieren die Contagienpilze bei den Krankheiten mit e n d e m i's c h e m Verbreitungsbezirk aUm~thlich mit der Entfernung yon dem gtinstigsten Centrum ihren eigenartigen Charakter; ihr VermSgen zu inficiren wird also schw~tcher nnd h6rt friihcr oder sp~ter g~tnzlich auf. , Der Cholerapilz stirbt in Europa nicht ganz aus~ aber er geht zuletzt in gewShnliche Spaltpilzformen tiber." Dass, auch hier gar wichtige Ein- w~tnde gemacht warden ktinnen~ braucht nicht erst betont zu werden. Die r ~ tum l i c he Entfernung scheint keinen Einfluss zu haben~ wenn nur der Pilz im lebensf~higen Zustande anlangt und einen geeigneten Boden zu seiner Entwicklung findet~ die Umwandlung in gewt~hnliche Spaltpilze ist nieht erwiesen. Far die unversehrte Erhaltung der C o n t a g i e n pilzc sei as tibrigens gtinstiger~ wenn dieselben verh~ltnissm~tssig troeken sind~ da sic in diesem Ruhestadium ihre Natur unver~tndert behalten.

Far die Incubation werden zwei Hauptursachen angefiihrt~ einmat dass der Infectionspilz in sehr geringer~ racist winziger Menge in den KSrper eintritt und. sieh bier vermehren muss~ bis er bemerkenswerthe Wirkung austiben kann, ferner dass der sehr complicirte menschliche Orga- nismus auf den Reiz durch eine Reihe yon Reactionen und Ver~tnderungen antwortet~ welche schliesslich zum eigenflichen Ausbruch der Krankheit fiihren. Wahrseheinlich spiele aber auch die Ver~tnderung, welche der Infectionspilz naeh seinem Eintritt i n den Organismus durchmacht~ eine nieht unwichtige RoUe.

Die Immunit~tt der einmal Befallenen wird dutch eine Art chemiseher Umstimmung des Organismus erkl~rt~ welche die Infectionspilzc concurrenz-

XXIII. Be~prechungen. 46t

unfahig macbt~ eine ErkI~rung~ die~ wean auch hin and wieder mit an- derem Namen~ von den jeweiligen medicinischen Sehulen schon gegeben wurde, ohnc dass mit derselben das W e s e n des Vorganges in irgend einer Weise erlautert worden ware.

Bei der ErSrterung der Vcrbreitung der Infectionsstoffe und des Ein- tritts in den K~rper geht ~. yon der Annahme aus, dass Contagienpilze bei der Verbreitung auf nassem Wege~ sofern sic nicht in ihrem eigenen, nnveranderten Nahrboden verharren~ bei gewShnlicher Temperatur nur wenige Tage nnver~ndert bleiben~ sich bald in gewShnliebe Pilze um- wandeln mtissen~ dass die Infeetionsstoffe sich vorz~iglieh auf trockenem Wege durch die Luft~ an trockencn Gegenst~tnden verbreiten~ da sie~ aller- dings bei einem gewissen Feuchtigkeitsgrad% in dicsem Zustande viel l~nger unver~tndert bleiben. In die Lnft gelangcn die Infectionsstoffe aber erst nach dem Austrockncn~ da sie durch blosses Verdnnsten aus einer Flt~sslg- keit 0der einer feuchten Substanz keineswegs entweichen k~nnen. N. zeigt durch Experiment% class Luft~ die durch mit Faulnissstoffen und zahllosen Spaltpilzen verunreinigten~ benetzten Kies oder Sand strSmt~ keine Faul- nisskeime aus demselben entftihrt~ sondern sogar darin filtrirt wird~ und scbliesst daraus~ (lass tiberbaupt von einer Flfissigkeit oder benetzten Substanz nur dann Ansteckungsstoffe in die Luft entweichen kSnnen~ wenn eine besondere mechanische Einwirkung mithilft, wodurch das Wasser in Tropfen zertheilt wird und wirkliches Spritzen entsteht.

Im Allgemeinen sollen also die Infectionsstoffe erst nach dem Aus- trocknen und zwar in Staubform in die Luft gelangen. Diese Behaup- tung, sowie die, dass aus jauchigen Fltissigkeiten~ aus faulenden nassen Substanzen~ aus nassem Sumpfboden sich keine schadlichen Keime er- heben~ ist jedoch nur mit gewissen Einschr~tnkungen anzunehmen~ gibt ja N. selbst die MSgliehkeit bei heftigen Bewegungen der Flassigkeit zu und ist doch auch die spontane Entwicklung von Gasen nach den Unter- suchungen F r a n k l a n d ' s yon gewisser Bedeutung hierftir.

iN. halt es nun aus pilzphysiologischen Grfinden ftir sehr wahrschein- lieb~ dass~ abgesehen yon Wunden~ die Lungenalveolen die einzigen Stellen des menschlichen KSrpers sind~ wo die Infeetionsstoffe aufgenommen wet- den. Auf die naheren Details und etwaige Widerlegungen maneher der mit pathologisehen Thatsachen unvereinbaren Anschauungen soll hier nicht eingegangen werden~ da Ref. an anderem Orte diese Frage eingehender zu behandeln gedenkt. Auf Grund seiner Anschauung yon der Menge der Pilze, die zur Infection nSthig sind~ gelangt N. zu tier Annahm% class die septische Infeetion~ f~ir welche die F~tulnisspilze in grSsster Zahl ein- treten m~tssten, nicbt durch die Lungen und dureh kleine Wunden~ son- dern nut durch grSsserc Wunden oder dutch Einspritzen, die miasmatisehe Infection durch die Lungen~ allenfalls durch grSssere Wunden~ nicht aber dureh kleine Vcrletzungen~ die contagiSse Infection dureh grSssere Wunden~ durch die Lunge, und~ was ihr allein mSglich ist~ durch die kleinen Ver- letzungen~ namentlieh der Sehleimhaute, erfolgen kSnne; eine im Grossen ~md Ganzen doch ziemlich willktirliche Annahme.

Die Wanderung der Infectionsstoffe lasst N. im Allgemeinen inner- halb der Blutgefasse geschehen~ indem sie yon dem Blute for~gefahrt werden~ und s cb l i e s s t - f~ir viele F~tlle wenigstens ganz r i c h t i g - dass

462 XXIII. Besprechungen.

es ihnen besonders in den Capillaren leicht gelingt, sich an die Wandung ai1zulegen und dem schwachen Strome zi1 widerstehei1; wenn er abel- sagt~ ,dass dieser Sitz der Infection mit eli1 Grund daftir sein miichte~ warum man his jetzt bet den allerwenigsten Krankheiten die Infectionspilze kennt"~ uad ,die Thatsache~ dass die Spaltpilze nur selten in grSsserer Menge im Blute gefunden werden, beweist uns daher nur~ dass sie gewShi11ieh nicht durch das Capiliarnetz hindurchgehen, sondern ~arin zur~iekble~ben"7 so liegt hierin, sowie in den Aushthrungen auf Seite 60--61~ nut der Be- weis~ dass er den anatomischen Forschungei1 auf diesem Gebiete gar keine Beachtung zugewandt~ ja es verleitet zu der Vermuthung~ N. dei1ke sich die Untersuchung bet Infectionskrankheiteu ungefahr in der Weise~ dass man einen TropfGn Blur oder soi1stige Fliissigkeit auf die eventuelle An- wesenheit der Infectionstriiger I1ntersucht und sich mit dem gefundenen Resultate begnfigt. Ein Blick auf irgend eine Zeichnui1g veil pathologisch- anatomisehen Befunden bet Infectlonskrankheiten h~tte ihm sagen kOnnen~ dass er uns mit der Mittheilung~ dass die II1feetionsstoffG in den Capillaren sich finden~ nights sage, was nicht sehon lange constatirL wiir% aber da- mit andererseits lange nieht alles das auch nur andeute~ was hieriiber bereits erforscht ist~ trotzdem die Erfahrung angeblich ,niehts Sieheres iiber die Be~heiligung der Pilze bet den menschlichei1 Kra~kheiten an die Hand gebe."

Auch die Frage des A u s t r i t t s der Spaltpilze wird auf theoretischem Wege entschieden. Die yon uns ausgeathmete Li1ft enthalte niemals In- fectionsstoffe~ noeh auch Pilzsporen~ well die Sehleimhiiute, an denen sie vorbeistreicht, benetzt sind"~ Fortspritzen durch heftige Erschtitterungen ausgenommen; die Infectionsstoffe k6nnen also nur mit den Auswurfs- und Abschuppungsstoffen den KSrper verlassen.

E in Ausgehen der Infection von der Leiehe halt N. nar in ausserst beschriinkter Weise fiir miiglich~ ,, die Pilze ktinnten nur dureh Ergiessungen oder Faulniss fret werden und sie miissten dann noeh vorher eii1troeknen~ nm in die Luft zu gelai1gen; dariiber wtirde in den meisten Fallen s(> viel Zeit vergehen~ dass dig Infeetionspilze ihre wirksamen ]~igenschaften verloren hiittem

:N. kann sich schliesslich nicht versagen 7 einen Excurs auf das Ge- bier des praktischen Lebens zu machen und die gesammte Hygiene zu reformiren. Wir kiinnen dieses ganze Unternehmen mit N.'s eigenen Worten kritisiren: ,Bisher hat die Gesuildheitslehre ihre Meii1ungen~ start sie zaerst durch Versuche zu erproben~ gleieh in die That iibersetzt u. s. w." (Einleitung S. XI) und die Vorschl~tge~ die N. maeht~ treten nicht etwa mit bescheidener Reserve auf~ sondern werden fast mit apodictischer 8icher- heit als das Riehtigste hingestellt; und doch muss man bet der proteus- artigen Natur der Spaltpilz%-wie sie N. sehildert~ bet dem wunderbaren AnpassungsvermSgen~ bet dem oft ungeheuren Einfluss~ den eine zuf'allig beigemisehte Substanz auf die ganze Lebensthiitigkeit der PiIze hat~ be- kennen, dass es doeh der Griinde genug geben kiinnte, warum die Er- seheinungen im Freien ui1d Grossen anders verlaufen kiinnten a ls die ger- suche im Zimmer ui1d im Kleinen. ,Der Culturversueh im Topf ~' mag das Gleiche ergeben wie delijei1ige am Acker. Bet unserer Frage kommt aber noch ein wesenflieher~ zum gr~Jssten Theil unbekannter Factor hinz%

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der Inensehtiehe Organisinus~ den ~N. selbst aIs sehr complicirt bezeichnet. Ausserdein sagt er selbst bei Er(irterung der Frage~ wie die Spaltpilze iin Boden entstehen~ , m a n d a r f in d i e s e r B e z i e h u n g n i c h t e in- f a e h d i e E r f a h r u n g e n ~ die man b e t r e f f e n d P i l z b i l d u n g f iber de r 0 b e r f l i i e h e g e i n a c h t hat~ a u f die Vorg~tnge u n t e r de r Ober f l~ t che a n w e n d e n ~ we l l d ie V e r h i t l t n i s s e h i e r s i eh ge- w i s s e r i n a s s e n e i g e n t h t t i n l i e h ge s t a l t en"~ widerlegt sich demnach selber; und wenn er als% die bisherigen experiinentellen Untersuchungen auf dem Gebiete der Hygiene ignorirend oder nicht beachtend~ Versuche iin Grossen verlangt~ so muss das in noeh hSherein Masse bei seinen Vor- schlitgen berticksichtigt werden i sic sind bisher ,auch nur wesentlieh Mei- nungen~ nach dem Stande der Wissenschaft allerdings nicht unberechtigt" (Einl. X.).

Zuerst werden die hygienischen Eigensdhaften des W a s s e r s be -~ sprochen. Das Urtheil gipfelt in deIn Satze: ,Wenn aber aueh unreines Trinkwasser far die Gesundheit den gleichen Werth hat wie ein reines, so ist doch das Bessere der Feind des Guten und das reine Wasser is t dem unreinen entsehieden vorzuziehen~ - - abet wie nicht iibersehen werden darf, nur aus iisthetischen~ nicht aus hygienischen Grtinden. Ein klares Trinkwasser ist ein rtihinlicher Luxus u. s. w."

Begrtindet finder N. diese Ansicht~ die in ihrer Allgeineinheit wohI yon wenigen getheilt wird~ in dein Umstande~ dass die Spaltpilze unver- letzte Schleimh~iute nieht zu durchdringen veriniigen 7 dass sic iiberdein im Magen durch die Siiure~ weiterhin in/ Darin dureh die Galle in ihrer Lebensenergie geschw~icht werden und weil allfallige kleine Verletzungen der Schleimhiiute ihnen viel zu besehritnkte Eintrittsstellen darbieten~ kurz well yon Seiten der Pilzphysiologie es als unmSglieh erkliirt werden kann~ dass sic vom Speisekanal aus in sehr grosser Menge ins Blut gelangen. Wenn nun aber~Thatsachen vorliegen~ die mit aller Sicherheit erkennen lassen~ dass vom Darm aus Infection erfolgen kann~ wenn aueh nicht ge- rade iinmer durch Trinkwasser (Milzbrand oder Intestinalinycos% Tuber- culose~ Dysenterie~ abgesehen ferner yon den so hiiufigen .gewiss auch myeotischen Magen- und Darinkaearrhen~ ferner gewissen Leberaffectionen u, s. w.)~ so flillt dieser CardinaleinWand und wir k6nnen die Bestrebungen~ der BevSlkerung ein Iniiglichst reines Wasser zu geben~ nicht als eitlen Luxus bezeichnen. Doch ~q. selbst schriinkt seinen Ausspruch etwas ein. Gemiiss seinem Standpunkte~ yon der Verschiedenheit in de1- Menge~ in der die einzelnen Infectionsstoffe zur Wirkung koinmen k(innen~ erklitrt cr die Ansteckung durch das Trinkwasser (besonders durch die Contagien- pilze) nicht fiir unmi~glieh, glaubt aber~ sie Intisse so selten vorkoininen~ dass wir sic als nicht vorhanden betrachten und soinit unberficksichtigt lassen dilrfen. Dabei hat ~q. offenbar vorwiegend Cholera und Typhus im Aug%' wo freilich moist andere Moinente Inassgebend sind. Bezfiglich der cheiniseh constatirbaren Verunreinigungen des Wassers sei hier noch be-

' tont~ dass dieselben Ineist nicht an sieh als gesundheitsgef~thrlich ange- sehen werden (z. B. Chlor oder die Salpetersiture u. s. w.)~ abet sic sind uns ein Maassstab daftir~ wie sehr die Verunreinigung durch Inenschliche Auswurfsstoffe erfolgt ist~ je gr(isser nun diese ist~ desto griisser ist die MiJglichkeit~ dass Infectionstr~iger dein Wasser beigemengt sind; ausser-

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dam vergisst N.~ class das Verlangen naoh reinem Wasser nicht blos alas Trink-, sondern aueh das Nutzwasser in sieh begreift; bei diesem letzteren liegt vielleieht noeh gr~ssere Gefahr vor, da dieses eventuelle Infections- trttger tiber die gauze Stadt ausglesst (Besprengung der 8trassen u. s. w.) und nun naeh dem Austrocknen die Pilze in dem far ihre unveranderte ttaltbarkeit so gtinstigen Zustande tier Trockenheit in die Luft gelangen. Gern wolten wir dagegen dem Verlangen beistimmen~ das Wasser auf die Anwesenheit und die Nfenge der Infeetionstrager zu untersuehen, und ob dieselben fiberhaupt und in dieser Menge schadlich seien. Vielleicht lassen sich durch die im Buche enthaltenen Anregungen neue~ branch- bare Methoden auffinden.

Beziiglich der Luft~ die N. far gef~ihrlieher h~It als das Wasser~ well sic uns vorzugsweise die Contagien und wohl ausschliesslieh die Miasmen zuftihrt, worin ihm yon pathologiseher Seite wohI zugestimmt werden kann~ macht er vor Allem auf das Vorurtheil aufmerksam~ nach welehem eine iibelrieehende Luft als gefKhrlich betraehtet wird. Auch bier ist eine ganz allgemeine Entseheiclung dieser Frage nieht gut mSg- lich; wenn wir auch gern zugeben~ dass Faulnissgas e nicht zu Infections- krankheiten ftlhren~ so ist die Annahme, dass sich die Ansteckungsstoffe yon der nassen Substanz oder yon der Fltissigkeit erst losmaehen, naeh- dem dieselbe ausgetroeknet~ doch nicht in der Weise aufzufassen~ dass hierzu die g a n z e faulend% sieh zersetzende Substanz v o l l s t ~ n d i g aus- getroeknet sein muss. Meist sind die Verhaltnisse ganz anders als beim Experiment im Laboratorium~ es finden sieh tiberall kleine Mengen ver- spritzt~ die viel frtiher und vollst~ndig austrocknen, lange bevor noch die gauze Menge dasselbe Sehieksal erreieht und wo also fortw~hrend - - bel noeh (tbelriechender L u f t - - Pilze in die Luft iiberg'eftihrt werden kSnne% und der Satz~ dass die iibelrieehende Luft weniger gef~hrlieh ist als die geruehlose, welche an derselben Stelle in der nachsten ZeSt auf jene folgt~ kOnnen wit also nieht als experimentell gesichert~ gesehweige denn als ,Regel ~ ansehen. Wir haben dabei ganz abgesehen von den zuffilligen gewaltsamen Bewegungen tier Fliissigkeiten, der spontanen Entwieklung und dem Platzen yon Gasblasen, tturch die ebenfalls Spaltpilze in die Luft gelangen k~nnen. Aehnliche Gesichtspunkte kommen gewiss auch bei (ibelriechender Luft in Krankens~len zur Geltung. Durch alle diese Um- st~nde seheint die 8cheu vor tibelriechender Luft doeh etwas berechtigt~ abgesehen davon~ ob nieht durch eine langdauernde Einathmung dieser Gase eine Art Intoxication (nieht Infection) entstehen k~nne~ die den K~rper disponirter maeht far das Eindringen und die Ansiedlung und Vermehrung der~ wie wir wohl zugeben~ racist geruehlosen Infeetionstrfiger. Wie geist- reich auch der Versueh gcnannt werden muss~ den Widerspruch zwisehen nnserer Aversion gegen iibelriechende Luft und zwisehen der angeblichen Harmlosigkeit derselben durch die Darwinische Theorie zu erklaren 7 so is ter nattirlich nichts weniger als beweisend~ es liesse sieh auf demselben Wege alas vollst~indige Gegentheil deduciren.

Am eingehendsten werden wieder die hygienisehen Eigeuschaften des B o d e n s besproehen. Man sieht hier den Einfluss tier bahnbreehenden

�9 Untersuchungen v. P e t t e n k o f e r ' s fiber den Zusammenhang zwisehen den Vorgangen im Boden und gewissen Infectionskrankheiten und hat sieh

XXIII. Bespreshungen. 465

~N. bestrebt, seine theoretlschen Sehlussfolgerungen mit den auf hygioni- sehem Gebiete gewonnenen Thatsaehen~ die ohne Zweifel vielfach bo- fruchtend gewirkt haben~ wie er solbst anftihrt~ in Einklang zu bringen. Zuerst wird die Pilzbildung an und far sick ins Auge gefasst. Hierftir hiilt :N. don kiesig-sandigen Boden ftir nicht geelgnet~ da or, blos als solcher keine organisehen Kohlenstoffvorbindungen enthii, lt, somit keine Pilze er- nlihron kann, dagegen wird er dureh Vorunreinlgung viol geflihrlieher als der humiis% well in letzterem~ so lange ein gewisser mittlerer Wassorgehalt nioht iibersohritten wird~ die Ersehiipfung der Pilzo wegen des auf sie einwirkendon verdiehteten Sauerstoffs viel rasoher erfolgt. Die Gefiihrlieh- keit des Bodens boginnt aber erst mit dem Anstrocknen, da erst dana die Ansteckungskeime in die atmosphiirisehe Luft gelangen k/innen. Es wird damit versucht, eine Erkli~rung far das Auftreten yon Epidemien bei Grund- wasserschwankungen zu geben; wir wollen jedoch auf d~o Details der Ausftihrungen nieht naher elngohen~ sagt ja doch N., es seien selbst far die einzelne Erseheinung mehrfaoho Erklarungen miiglieh ; w i r kSnnen nicht umhin~ ftir viele Fiille anzunehmen~ dass in der nasstrocknen Boden- beschaffonhoit nieht allein die Bedingungen ftir das Gelangen der Keimo in die Atmosphere, sondern aueh ganz besonders ftir die - - eigenartige E n t Wi e k 1 u n g dersolben geboten sind~ dass ein gewisser mittlerer Feueh- tigkeitsgehalt eines bestimmten Bodens die grtisste Begiinstigung far die Entwicklung der Krankheit - - d e r Krankheitserreger - - biete~ und zwar dann~ wenn diesem Feuchtigksitsgehalt entweder eine grosse 5;itss% odor dort~ we wenigor Regen f~llt~ sine grSssere Troekenhoit vorangegangen. DieBeobashtungen beztiglich der Choleraopidemien in Indien maehen gerade diese Annahmo s ehr wahrssheinlich und lassen es wenigstens unentschieden~ ob gerade in diesen Gegenden das von 5:. ausgesproehene Postulat erftillt ist~ dass , far sine zur Spaltpilzbildung ausreichende Benetzung das Wasser im Boden stagniren miisse~ dass Regen~ welshe nur far karzere Zeit bo- netzen~ unsshiidlioh seien, dass also ein wirkliches Grundwasser vorhandeu sein miisse% Beachtenswsrth srscheint jedenfalls der Gedanke~ das Ent- weiehen der Infeetionskeime in die Atmosphltre dadursh zu verhindern~ (lass man die aufsteigende Luft dursh staubdichte .Sehishten (Lagen yon Lehm~ Humus~ bepflanzto Stellen) filtrirt~ ferner der Vorsehlag~ dursh be- stltndiges Benetzthalton sowohl das Entweiehen zu verhindern~ als aueh die Krankheitspilzs in indifferente Spaltpilze ,, umzuwandeln ". Vielleieht siud aush die gttnstigen Resultato der Wasserversorgung bei Typhus und Cholera darauf zurtickzuftihren, dass diojenigen Stellen dauernd benetzt bleiben~ die sonst Sshwankungen in der Durehfeuchtung ausgesetzt waren ; in iihnlisher Weiso kaun aueh die gtinstige Wirkung der Aufhebung yon Versitzgruben erkliirt werdon; in solehen Fallen wtirde die nur unbe- deutende Senkunff des Niveaus bei bestehenden Versitzgrubon dureh liingere Dauer dem sonst meist viel bedeutenderen Absinken des Grundwassers an Wirkung gleish kommen.

Die eventuelle V e r u n r e i n i g u n g des B o d e n s wird in ihrer Be- ziehung zu ihrer Sshiidlishkeit in ganz eigenthiimlisher Weisd aufgefasst, die uns allerdings nieht mehr in Erstaunen versetzen kann~ da sie eine Consequsnz der friiheren Ansshauungen ist. bL sagt: ,Wenn man die Bodenverunreinigung ftir schiidlich erklart, so denkt man sieh~ dass durch

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diesclbe die Faulnissproeesse begtinstigt werden und dass die letzteren es sind~ welche den Boden ungesund maehen." Dies ist nicht ganz richtig; man nimmt vielmehr an~ class durch die Verunreinigung die Krankheits- keime in den Boden gelangen, dass ferner sodann dutch erstere Gelegen- heit zur Vermehrung der specifischen Krankheitskeime geboten wlrd. Die Einw~nde~ dass die Verunreinigung in gr~sserer Menge durch erh~hte Concentration der lqahrlSsung die Spaltpilzbildung besehr~nken kSnne und durch Absorption yon Sauerstoff die Pilzbildung benachtheilige~ sind nicht stichhaltig~ eben well gerade F a n l n i s s p i l z e nicht das Schlimmste im Boden sind. Wir k~nnen uns ganz gut den Fall denken~ dass eine I~ahr- 10sung far die Fi~ulnisspilze bereits ungtinstig ist~ dagegen den Contagien- pilzen Bin gtinstiges Material zu ihrer Vermehrung darbietet; tibrigens werden auch im Boden die Verunreinignngen yon ihrer Ursprungsstelle in allen m~glichen Graden der Concentration sich welter verbreiten~ dabei aber schliesslich Stoffe aus dem Boden anfnehmen~ dercn Einflnss anf die Vegetation tier Pilze nns unbekannt ist. Und wenn es welter heisst: , Nach der jetzigen Einsicht in die Physiologic der niederen Pilze ist es sehr wohl mSglich~ aber doch nicht sieher~ dass eine geringcre Verunreinigung eines nasstrocknen Bodens sch~dlich wirkt, aber es ist sehr wahrschein- lich~ class eine starke Verunreinigung eher gtinstige Folgen hat", so blieb% anch dieses zugegeben~ abzuwagen, wclcher 'Einfluss ins Spiel kommt, eine jede ,, s t a r k e r 8" Verunreinigung an einem Orte hat bet den gcw6hn- lichen Bodenverb~Itnissen einc in weitcm Umkreise sich erstreckende , g c r i n g e r e" Verunreinigung zur Folge ; wo ist da die Grenze zu ziehen ? :Nehmen wir als Beispiel die yon Iq. ftir den porSsen Boden so empfohlenen Versitzgruben. Am Rande finden wir da die grSsste Concentration~ so gross viellcicht, dass in diesen Stoffen die Spaltpilze gar nicht leben kSnnen; aber die Verunreinigung zieht sieh welter, das Versitzende ver- dtinnt sieh allm~hlich mit tier Entfernung und wir bekommcn in cinem gewissen Umkreise alle m6gliehen Grade der Concentration~ sodass tier urspriinglich ungiinstige ~ahrboden um diese Unrathstelle herum recht wirksam werden kann.

Es wird ferner immer darauf hingewiesen~ dass die Krankheitspilze sich allmP~hlich in F~ulnisspilze umwandeln; der Beweis ist aber nirgends geliefert~ was wir wissen~ ist~ dass die Pilze in einer 5TahrlSsung schliess- lich ihre Wirksamkeit verlieren kfinnen~ und dass Faulnissvorgange auf- treten~ ob aber die specifischen Krankheitspilze sich in diese umgewandelt oder aber im Kampfe ums Dasein mit hen hinzugekommenen oder schon vorhandenen F ~u 1 his spilzen unterlegen nnd untergegangen sind~ ist durchaus nieht entschieden; und bet der Annahme, class im lebenden Organismus Pilze bereits circuliren~ ist die Entscheidnng dieser Frage nicht leicht. Wenn wir nun auch wissen~ dass die Faulnisspilze fiber ge- wisse Krankheitspilze die Uebermacht gewinnen~ wie ist dies nun in jenen F~llcn~ wo letztere in :NahrlSsungen gelangen~ die bereits keine F~ulniss- pilze zur Entwieklung kommen lassen, in :N~hrl6sungen ferner, die dureh Aufnahme yon Stoffen aus dem Boden in ihrer Zusammensetzung sich wesentlich ge~ndert haben? Die Pilzphysiologie muss doeh zugeben~ class eine l~.hrl~sung~ die ftir gewisse Spaltpilze nicht mehr tauglich ist~ es doeh ftir anderc noeh sein k~nne, wie kiime es itberhaupt zm" Vermehrung

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der speeifischen Krankheitspilze im Boden~ wenn die Fiiulnisspilze u n t e r a 11 e n B e d i n g u n g e n die starkeren, die begtinstigten wiiren. Es scheint, dass noeh manehe~ wichtige biologische Studien auf dem Gebiete der Pilz- lehre gemacht werden mtissen~ bevor wit yon dem ,Vorurtheile~' lassen~ , t ier Bodenverunreinigungsfrage nieht blos eine iisthetische und volks- wirthschaftliche 7 sondern auch eine wichtige hygienisehe Bedeutung bei- zulegen"; denn die 8ehlussfolgerungen~ zu denen :N. kommt~ haben~ wenn sie auch in letzter Linie auf Experimenten basirt sind~ doeh einen weiten verschhmgenen Weg dutch zahlreiche Hypothesen gemach~.

Wir haben es bisher absiehtlieh vermieden dureh lege artis geftihrte statistische Daten eine Widerlegung zu ftihren~ naeh den Ausftihrungen ~.'s sollte es sieh doeh erweisen lassen~ dass bei Epidemien jene Gegenden~ Stadttheile u. s. w. relativ gtinstiger sich verhalten~ in denen die grSsste dauernde Verunreinigung des Bodens (eeteris paribus) sich finder; dies naehzuweisen~ dtirfte doeh schwer fallen; nur bei einer Ste]ile sei schliess- lieh doeh auf die Statistik recurrirt. N. sagt: ,Es ist aueh gar nicht nndenkbar~ dass der tible Ruf~ in den das Mtinchener Klima neuerer Zeir gerathen ist~ zum Theil wenigstens yon der angeordneten Auflassung der Versitzgruben herstammt~ und dass die Besserung~ welche man in der letzten Zeit beobaehtet haben will~ nieht etwa dutch die cementirten Ab- trittsgruben und die Wassersiel% sondern einfach durch den Umstand zu erkliiren ist~ dass die sehlimme Wirkung der ausgetroekneten Versitz- gruben ihrem Ende entgegengeht." Die Erfahrung widerlegt diese Ver- muthung aufs Grttndliehste. Die Verordnung zur Raumung der Abtritt- und Dtingergruben erfolgte 1856, der Auftrag zum Entwurf eines Siel- systems 1857. Wenn man die beiden ftir Mtinchen eharakteristisehen Typhusperioden vor- und nachher vergleicht~ aueh mit Berticksichtigung~ dass bei noeh so rsseher Ausfiihruhg doch jedenfalls einige Jahre ver- gehen mussten~ bis die Anordnung in grSsserer Ausdehnung Platz greifen konnte~ so erhalt man in tier Periode 1852--1859 eine durchschnittliche Typhussterblichkeit - - und der Typhus kommt ja hierbei vorwiegend in Betraeht ~ yon 2.42 pro Mille~ in der folgenden Periode 1860--1867 1.66 pro Mille ~ eine Abnahme yon 31.5 pCt.~ die auch ferner bis in die ,letzte~Zeit" anhiilt (vgl. v. P e t t e n k o f e r ~ Abnahme der Typhus- sterbliehkeit in Miinchen. Deutsche Vierteljahrsehr, f. iiffentL Gesundheits- pfiege. VI.).

Wii" wollen in die Bespreehung der Capitel A bfnhr~ Bestattung tier Leichen und Gesunderhaltung der Wohnungen nun nicht welter eingehen~ wir begegnen auch hier vielfach Aussprtichen~ mit nahezu apodiktiseher Sicherheit hingestellt, die zum Theil doeh nur auf Hypothesen basirt sind~ obzwar wir andererseits betonen wollen~ dass vielfach neue, beherzigens- werthe Gesiehtspurikte darin zu finden sind; nur ein Capitel wollen wir noeh heransheben und Einzelnes aus demselben besprechen~ das tiber D e s i n f e c t i o n . N. fasst seine Ansiehten hieriiber in folgenden Satzen zusammen:

1. Die Ansteekungsstoffe kSnnen im lufttrocknen Zustande nicht mit Sieherheit zerst(irt werden.

2. Sie kiinnen im benetzten Zustande mit Sicherheit nur durch Sied- hitze getSdtet werden.

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3. Sie werden durch die bisherlgen Antlseptica nicht zerst(irt, son- dern nur in einen unthatigen Zustand versetzt~ somit conservirt.

4. Sic werden (lurch Fiiulniss durch den Aufenthalt im Wasser, so- wie dutch Hitze veri~ndert und zur Ansteekung untauglieb.

5. Sic sind unschi~dlich wenn man sic noch in nassem Zustande fort- sehafft.

Wir vermissen auch bier fiir manche Behauptung zwingende Beweise. Was besonders Punkt 3~ die , C o n s e r v i r u n g ~ der Infectionsstoffe dnrch Antiseptica betrifft, so ist eine solche Behauptung doeh etwas gewagt. Es liesse sieh durch vergleiehende Beobachtungen (und solche sind speciell anllisslieh tier letzten Choleraepidemie in Miinehen namentlich in Kasernen gemacht worden) kaum nachweisen~ dass iiberall dort~ wo desinficirt wurde, die Cholera vielleicht eine liingere Dauer gehabt hittte oder heftiger auf- getreten witre, wenn allerdings auch kein wesentlieher Vortheil bei der Desinfeetibn sieh eonstatiren liess. Wo finden wir tibrigens im Buche selbst einen halbswegs zwingenden Beweis hierfiir?

Wohl ist als Beispiel angeftihrt~ dass Sprosshefe dureh Sehwefeln nieht get(idtet~ sondern conservirt werde, und wird sodann behauptet~ dass Spaltpilzesich ebenso verhalten~ aber die einzige maassgebende Stell% die wit hierfiir citiren k(innen, ist doch nur folgende: ,,Wenn die Fliissig- keit oder die nasse Substanz, in welcher sich die Contagien befinden, durch schwache antiseptisehe Mittel'vor Veranderung geschiitzt wird~ so bleiben w ohl aueh die Contagien unveritndert und ansteekungstitchtig; dutch welche Mittel und dureh welche Zeit dies abet erreieht werden kann~ ist noeh nieht festgestellt." Dass wir diese tIypothese~ denn das ist sie doeh~ nicht als Beweis ansehen, wird uns doeh Niemand verdenken; wir finden im Gegenthei! in N.'s Bueh Anhaltspunkte genug, um ent- gegengesetzter Ansehauung zu sein~ so heisst es S. 94: ,eine Spaltpilz- form bleibt nut dann unverandert~ wenn sic bestandig unter den nam- lichen ausseren Verhiiltnissen lebt; sowie sieh disse veriindern~ ~indert sieh aueh mehr oder ~veniger die Natur der ersteren"~ ferner S. 96: ,,Die Infectionsstoffe behalten ihre Ansteekungsfahigkeit nnr wlthrend einer be- grenzten Dauer; gelangen sie innerhalb einer bestimmten Zeit nicht in einen KSrper~ so k~innen sic fiberhaupt nicht mehr inficiren".

Wenn wir auf bL's Anpassungstheorie eingehen~ so haben wir allen Grund zu vermuthen~ dass eine Conservirung schon deshalb sehr unwahr- scheinlich ist~ da wir dureh das Desinfieiens die NahrlSsung ~Zesentlich v e r a n d e r n; die Pilze brauehten also weder get/idtet~ noch vermehrungs- unfahig gemacht zu werden ~ um doeh ihre ursprtingliche :Natur zu ver- lieren; der Uebergang kann ja'doch night so sehwer sein~ da ja - - wieder naeh 57.'s Auffassung selbst --: Contagien- und Miasmenpilze sieh so leicht in Fiiulnisspilze umwandeln~ und as litge also keine Nothwendigkeit vor~ dass sic ihre ursprtingliche Gahrtiiehtigkeit wieder erlangen~ wenn die Wirkung des antiseptischen Mittels aufh(irt.

Wir hatten somit den Inhalt des Buches annahernd skizzirt; eine e r - schiipfendc Behandlung ist bei tier Fiille des gebotenen Materials und tier weithin sich ausdehnenden Anwendung nieht miiglich. Ref. glaubte sich vorziiglieh verpflichtet~ den (lurch die medieinisehen Wissenschaften ge- schaffenen Standpunkt im Gesicht zu behalten und sich~ soweit nOthig~

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gegen die all zueinseifige Behandlnngsv(eise des Stoffes zu wenden. Wie schon zu Anfang bemerkt~ lassen sich diese Fragen ohne pathologische Beobachtung M i m weitesten Sinne genommen - - nicht liisen; allcrdings aueh nicht ohne Berttcksichtigung der Pilzphysiologie~ aber dies haben die Pathologen~ die dieses Thema bearbeitet~ l~ngst beherzigt und es auf dem Wege der experimentellen Pathologie - - keineswegs ohne E r f o l g - durchzuftihren g'estrebt.

Bei dieser Art der Besprechung nun musste Ref. zu seinem Bedauern darauf verzichten~ die vielen liehtvollea Darsteilungen gewisser Fragen~ so z. B. die theoretisch deducirte ~Nothwendigkeit der parasitaren In- fectionstheorie~ die trotz mancher Unriohtigkeiten geistvoll durchgefiihrte Studie fiber die Verbreitung der Infecfionsstoffe und ihren Eintritt in den KCirper u. h. eingehender zu wfirdigen~ doch kann der Verfasser aus

dem Umfange der Besprechung~ der bei der grSssten Liberalitiit yon Seiten der Redaction wohl kaum vergr(issert werden durfte~ entnehmen~ dass der Versueh~ yon botanischer-Seite diese Frage m itzuentseheiden~ volle Be- aehtung finder, und sei demgemass auch die Lectiire des Buches jedem denkenden Naturf6rseher~ also aueh Arzte~ bestens empfohlen.

Dr. J. S o y k a .