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DIE REPRASENTATION VON GEMEINNAMEN UND EIGENNAMEN IM MENTALEN LEXIKON: NEUROLINGUISTISCHE EVIDENZ 1 JosefBayer Heinrich-Heine-UniversWit, Diisseldorf O. Einleitung Eigennamen und Gemeinnamen unterscheiden sich ganz offensichtlich dadurch, daB sich Eigennamen auf Unika beziehen, wie etwa Aristoteles oder die Schweiz, wiihrend si ch Gemeinnamen auf Mengen von Individuen oder auf Eigenschaften beziehen, wie etwa Schaf oder Wut. Nichts ist einfacher als diese Unterscheidung zu treffen. Wenn es aber darum geht, die Bedeutung von Eigennamen und Gemeinnamen wissenschaftlich zu erforschen, so entdeckt man gravierende Unterschiede, in dem, was die Sprachphilosophie dazu geauBert hat. Grob vereinfachend m6chte ich fUr die Zwecke dieses Vortrags zwei Richtungen gegeneinanderstelIen: Die Deskriptionstheorie, wie sie von Frege, RusselI bis hin zu Searle vertreten wurde, und die Theorie der reinen Referentialitat, wie sie von Mill, Putnam und Kripke vertreten wurde. Die Frage ist dabei, was es heiBt, einen Eigennamen (im Gegensatz zu einem Gemeinnamen) richtig zu gebrauchen. Die Deskriptionstheorie schlagt vor, daB der Referent eines Eigennamens entweder durch eine Zeigehandlung oder durch eine irgendwie erfolgreiche verbale Demonstration festgelegt ist, z.B. Aristoteles ist "der Lehrer Alexanders des GroBen" etc. Searle (1971) erkennt an, daB Eigennamen im Gegensatz zu Kennzeichnungen nicht dazu dienen konnen, einen Referenten zu beschreiben bzw. bekannt zu machen. Nach Searle haben Eigennamen aber dennoch einen Sinn (im Sinne von Frege) insofem als sie mit den Charakteristika (Eigenschaften) ihres Referenten "logisch verbunden" sind. Es wird anerkannt, daB Charakterisierungen unzutreffend sein konnen. Alexander konnte z.B. nicht der Lehrer Alexanders gewesen sein. Wiirde sich dies herausstelIen, wiirde man dennoch nicht auf den SchIuB verfalIen, daB bislang nicht von Aristoteles die Rede war. Der Referent bleibt auch dann individuiert, wenn eine Kennzeichnung falsch ist. Searle schlagt deshalb vor, daB auch wenn einzelne identifizierende Kennzeichnung eines Referenten unzutreffend sein m6gen, zumindest eine Kennzeichnung notwendigerweise wahr sein muB, und natiirlich zusatzlich dazu in der Lage sein muB, den Referenten zu identifizieren. 2 Urn also den Namen Aristoteles IDieser Aufsatz liegt einem Vortrag zugrunde, den ich im Rahmen meines Habilitationsverfahrens am 9. Januar 1991 vor der Philosophischen Fakultat der Universitat Konstanz gehalten habe. Ich mochte mich bei Ria de Bleser, Urs Egli, Friedrich Kambartel und Arnim von Stechow fur Kommentare und Diskussion bedanken. Publiziert wurde er 1991 in niederlandischer Sprache, s. Bayer (1991). 2Searle sagt, die (inklusive) Disjunktion der Menge dieser Kennzeichnung analytisch wahr sein muE. Siehe S.138 und S.140. 1

Die Repräsentation von Gemeinnamen und Eigennamen im

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DIE REPRASENTATION VON GEMEINNAMEN UND EIGENNAMENIM MENTALEN LEXIKON: NEUROLINGUISTISCHE EVIDENZ1

JosefBayerHeinrich-Heine-UniversWit, Diisseldorf

O. Einleitung

Eigennamen und Gemeinnamen unterscheiden sich ganz offensichtlich dadurch, daB sichEigennamen auf Unika beziehen, wie etwa Aristoteles oder die Schweiz, wiihrend sichGemeinnamen auf Mengen von Individuen oder auf Eigenschaften beziehen, wie etwa Schafoder Wut. Nichts ist einfacher als diese Unterscheidung zu treffen. Wenn es aber darum geht,die Bedeutung von Eigennamen und Gemeinnamen wissenschaftlich zu erforschen, so entdecktman gravierende Unterschiede, in dem, was die Sprachphilosophie dazu geauBert hat. Grobvereinfachend m6chte ich fUr die Zwecke dieses Vortrags zwei RichtungengegeneinanderstelIen: Die Deskriptionstheorie, wie sie von Frege, RusselI bis hin zu Searlevertreten wurde, und die Theorie der reinen Referentialitat, wie sie von Mill, Putnam undKripke vertreten wurde. Die Frage ist dabei, was es heiBt, einen Eigennamen (im Gegensatz zueinem Gemeinnamen) richtig zu gebrauchen. Die Deskriptionstheorie schlagt vor, daB derReferent eines Eigennamens entweder durch eine Zeigehandlung oder durch eine irgendwieerfolgreiche verbale Demonstration festgelegt ist, z.B. Aristoteles ist "der Lehrer Alexanders desGroBen" etc. Searle (1971) erkennt an, daB Eigennamen im Gegensatz zu Kennzeichnungennicht dazu dienen konnen, einen Referenten zu beschreiben bzw. bekannt zu machen. NachSearle haben Eigennamen aber dennoch einen Sinn (im Sinne von Frege) insofem als sie mitden Charakteristika (Eigenschaften) ihres Referenten "logisch verbunden" sind. Es wirdanerkannt, daB Charakterisierungen unzutreffend sein konnen. Alexander konnte z.B. nicht derLehrer Alexanders gewesen sein. Wiirde sich dies herausstelIen, wiirde man dennoch nicht aufden SchIuB verfalIen, daB bislang nicht von Aristoteles die Rede war. Der Referent bleibt auchdann individuiert, wenn eine Kennzeichnung falsch ist. Searle schlagt deshalb vor, daB auchwenn einzelne identifizierende Kennzeichnung eines Referenten unzutreffend sein m6gen,zumindest eine Kennzeichnung notwendigerweise wahr sein muB, und natiirlich zusatzlich dazuin der Lage sein muB, den Referenten zu identifizieren. 2 Urn also den Namen Aristoteles

IDieser Aufsatz liegt einem Vortrag zugrunde, den ich imRahmen meines Habilitationsverfahrens am 9. Januar 1991 vor derPhilosophischen Fakultat der Universitat Konstanz gehaltenhabe. Ich mochte mich bei Ria de Bleser, Urs Egli, FriedrichKambartel und Arnim von Stechow fur Kommentare und Diskussionbedanken. Publiziert wurde er 1991 in niederlandischer Sprache,s. Bayer (1991).

2Searle sagt, die (inklusive) Disjunktion der Menge dieserKennzeichnung analytisch wahr sein muE. Siehe S.138 und S.140.

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sinnvoll gebrauchen zu konnen, mu13 es zurnindest eine Kennzeichnung geben, die himeicht, umdie Extension des Namens zu bestimmen. Kripke (1980) nennt das die 'cluster-of-descriptions'­Theorie. Er weist diese Theorie u.a. deshalb zuriick, weil es so gut wie keine identifizierendenKennzeichnungen gibt, die man emsthaft fur notwendig wahr halten wiirde. Nach Kripkebezieht man sich mit dem Gebrauch eines Eigennamens unwillkarlich auf seinen Referenten,auch wenn man aber keinerlei (nicht-triviale) Kennzeichnungen verfugt. Ein Sprecher beziehtsich also auch dann auf Aristoteles, wenn er nichts aber ihn wei13. Der Grund ist nachKripkelMill, daB Eigennamen keinen Sinnhaben und ihre Referenten ohne Umweg aberIntensionen festlegen. Das hei13t natfulich auf keinen Fall, daB Eigennarnen nicht jederzeit inden Idiolekten der Sprecher mit (moglicherweise stark divergierenden) Kennzeichnungen inVerbindung stehen konnen. Diese Verbindung ist allerdings weitestgehend akzidentiell, alsonicht durch eine Festlegung der Intension durch die Sprachgemeinschaft geregelt.

!ch mochte mich in den folgenden Ausfuhrungen aber Eigennahmen und Gemeinnamen inden Bereich zwischen Semantik und kognitiver Neuropsychologie begeben und zeigen, daB esneuartige und bislang von der Sprachphilosophie unbeachtete empirische Evidenz gibt, die indie Auseinandersetzung aber den semantischen Status von Gemein- und Eigennarnen (wie auchweiter Kategorien) eingreifen konnte. Publizierte Untersuchungen zu diesem Thema sind u.a.Saffran, Schwartz und Marin (1976), McKenna und Warrington (1978), McKenna undWarrillgton (1980), Stachowiak (1982), Semenza und Zettin (1988), Poeck und Luzzatti (1989).Aus Platzgrtinden kann auf eine Diskussion dieser Arbeiten hier nicht eingegangen werden. EinUberblick wird in de Bleser und Luzzatti (1987) gegeben.

AIs Vorwamung sei gesagt, daB es sich bei alIen entsprechenden neuropsychologischenDaten grundsatzlich urn das Verarbeitung und den Abruf von Narnen aus dem mentalenLexikon handelt, also urn Aspekte der Sprach-Verarbeitung. Die sprachphilosophische undlinguistische Forschung blendet diese Aspekte normalerweise aus und beschrankt sich auf eineTheorie der Reprasentation. Ob und auf welche Weise Verarbeitungsdaten Einflu13 auf dieReprasentationstheorie nehmen konnen, hangt entscheidend davon ab, wie abstraktelexikalische Reprasentationen in einem multi-modalen Verarbeitungsmodell implementiert sind,d.h. in den Prozessen, die dem Menschen beim auditivenlvisuellen Verstehen und beimverbalenlschriftlichen Produzieren von Sprache zur Verfugung stehen. Obwohl es bislang keineverbindliche formale Theorie dazu gibt,3 sollte man meiner Meinung nach aus methodischenGrtinden von einer moglichst engen Beziehung ausgehen. Die folgenden Uberlegungen seienmit diesem caveat versehen.

3 Siehe Levelt (1989) fur einen Uberblick uber Arbeiten zurverbalen Sprachproduktion. Untersuchungen uber das Produzierenvon Eigennamen kommen darin nicht vor.

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1. Der Fall H.J.

Ich mochte hier einen neuropsychologischen Fall vorstellen, den ich zusammen mit Ria deBleser (Aachen) seit einigen Jahren studiert habe.4 Die Patientin, H.J., ist eine noch junge Fraumit relativ einfacher Bildung, die mit ca. 20 Jahren aufgrund eines Himinfarkts aphasisch wurdeund initial das Bild einer Broca-Aphasie mit deutlichem Agrammatismus zeigte. Dieseaphasische Storung hat sich aber rasch zuriickgebildet, so daB H.J. heute spracWich beinaheunauffallig ist. Bis heute erhalten hat sich allerdings eine gravierende LesestOrung, und zwarvon der Art einer sog. Tieftndyslexie, wie in den Beitdigen in Coltheart, Patterson und Marshall(1980) ausfiihrlich beschrieben. Patienten dieser Art konnen Geschriebenes ausschlieJ3lich aufeiner semantischen Bahn (im Sinne von J. Morton's Logogen-Modell) wahmehmen, nicht aberliber eine Zuordnung von Graphemen zu Phonemen. Dies hat zur Folge, daB es u.a. (a)regelmaJ3ig zu semantischen Paralexien kommt, daB (b) graphemisch legale Nicht-Worter (wieim Deutschen etwa Nichtworter wie Funst oder Kunger, im Vergleich zu existierenden Wartemwie Kunst oder Hunger) liberhaupt nicht gelesen werden kannen, und daB (c) Warter mitabstrakter Bedeutung und grammatische Morpheme der geschlossenen Klasse("Funktionselementelt

) viel schlechter identifiziert werden kannen als Warter mit konkreterBedeutung.

2. Gemeinnamen

HJ. wurde in verschiedenen Leseexperimenten mit unterschiedlichem linguistischen Materialuntersucht, wovon hier nur ein Bruchteil berichtet werden kann. In Tab.1 und in (1) kann manHJ.s Leistungsprofil sowie Beispiele fur Paralexien sehen:

Tab.1 :HJ.s Lesen von monomorphemischen Wortem (aus Bayer und de Bleser, 1989)

Zahl der Stimuli korrekt in %Wafter 80 64Nicht-Warter 20 --Konkreta 40 88Abstracta 40 38Inhaltswarter 60 87Kunktionswarter 60 47

4 Siehe de Bleser, Bayer und Luzzatti (1987), Bayer und deBleser (1989) und de Bleser und Bayer (1990).

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(l) zu lesendes Zielwort

BeilGrundEisenMengeDunst

tapfertriibeledigrettensaufenstechensinken

HJ.s Reaktion

HammerBodenStahlGruppeQualm

mutigdas Wetter ... bewalktnicht verheiratethelfentrinkenMesser ... irgendwas schneidenkentern

Was hier geschieht ist ziemlich klar: Die Patientin analysiert das Wort visuell und kommt vondieser Stufe der Verarbeitung direkt in ihr semantisches Lexikon.5 Zurnindest fur diejenigeWarter, zu denen sie dann eine korrekte Reaktion gibt bzw. eine sinnvolle semantischeParalexie oder eine adaquate Umschreibung, ist es klar, daB sie eine semantische Adresse findet.Da aber H.J. jeglicher Zugang zu einer graphematischen Analyse feWt, d.h. da sie die Warterund Morpheme ihrer Sprache holistisch - etwa so wie chinesische Schriftzeichen - erfaBt, kannsie ihre Reaktion phonologisch nicht mit der graphematischen Struktur abstimmen und eskommt zu Paralexien wie in (l).

Es gibt einige Evidenz dafiir, daB HJ. auch diejenigen Warter und Morphemesemantisch erfaBt, die sie sehr viel scWechter lesen kann oder zu denen sie haufig tiberhauptkeine Reaktionen bringt. So werden z.B. Derivationsmorpheme wie -chen, -lein, -in, -bar wie inTtir-chen, Mann-Iein, Student-in, abwasch-bar beim Lesen nicht artikuliert, wohl aber alsbedeutungstragende Segmente erfaBt und semantisch paraphasiert, z.B. als kleine' Till,Mann...aber klein, Student...ne Frau...Studentin, das kann man abwaschen. Ein Extremfall sindz.B. Modal- und Hilfsverben. H.J. hat hierbei nur etwa 13% Treffer. Dennoch lagen ihreLeistungen bei einer Satz-Bild-Verifikationsaufgabe, in der Beispiel wie Der lunge muB in dieSchule gehen versus Der lunge darf in die Schule gehen korrespondierenden Situationsbildernzugeordnet werden muBten, deutlich tiber dem Zufallsniveau. Es spricht also einiges dafiir, daBes sich bei dem Versagen der Patientin urn ein Output-Problem handelt, das durch die Absenzder Graphem-zu-Phonem Konversion beim Lesen verscharft wird. Bedeutungen kannen beimLesen nicht mit phonologischen Gestalten verkntipft werden, sondern mtissen nackt aus derSemantik heraus generiert werden. Was sich dann einsteIlt, ist offenbar ein Dejinitionsproblem,wonach bildhafte Referenten und klar urngrenzten Eigenschaften leichter mit entsprechendenWortformen verbunden werden bzw. leichter definitorische Umschreibungen gefunden werden

SEs sei darauf hingewiesen, daB die Patientin keinevisuellen Probleme hat und daB ihre starung ausschlieBlich mithoheren kognitiven Funktionen zu tun hat.

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konnen, als Abstrakta. Dies erklfut, warum Abstrakta viel schlechter als Konkreta ge1esenwerden und warum entsprechende lexikalische AmbiguWiten immer zugunsten der konkretenBedeutung aufgelost werden (Boden fur Grund, Gruppe fur Menge, zahlen fur kosten). FurFunktionsworter ist es haufig unmoglich, eine referenzsemantische Deutung, die noch dazu voneinem Laien zu formulieren ware, zu geben. Daher verwundert es nicht, daB sie ohne einegraphematische Kontrolle kaum artikuliert werden konnen.6

3. Eigennamen

Wir kommen nun zu den Eigennamen. HJ. kann Eigennamen prinzipiell nicht laut lesen, wederPersonenvomamen, noch SHidtenamen noch Uindemamen noch Nachnamen beriihmterPersonen etc. Es gibt weiterhin so gut wie keine semantischen Paralexien. Tab. 2 zeigt dieLeistungen an einer Batterie von 90 im Deutschen gangigen Vomamen. Da mannlicheVomamen gewohnlich konsonantisch (Egon, Hermann, Fritz), weibliche aber vokalisch (Helga,Claudia, Beate) auslauten, wurde dafur gesorgt, daB auch Gegenbeispiele wie Bruno, Bodo,Helge einerseits und Iris, Gertrud, Hedwig andererseits in der Batterie erscheinen. Somit konntekontrolliert werden, ob sich die Patientin an der graphemischen Struktur der Worter orientiert,also wider Erwarten doch eine graphematisch-phonologische Strategie benutzt. Die Ergebnissezeigen sehr deutlich, daB eine solche Strategie keine RoUe spielt, da diese Gegenbeispieledasselbe Verhaltensmuster elizitieren wie die regelma13igen Beispiele. Weiterhin wurdenMinimalpaare verwendet wie etwa RuthlKnuth oder PaulaIPaul.

Tab.2: HJ.s Lesen von Vomamen (Rohwerte)

korrekt Null-Reaktion anderer Name korrektesGeschlecht

regelma13ig 2 18 -- 20He1galEgon(k=20)unregelma13ig 3 17 -- 19IrisIBruno(k=20)Minimalpaare I 2 18 -- 17RuthlKnuth(k=20)Minimalpaare II 1 27 2 26PaulaIPaul(k=30)Summe 8 80 2 82(k=90)

6Bei gebundenen Morphemen eriibrigt sich die Frage, da siequa ihres Status eigentlich nicht separat ausgesprochen werdenkonnen.

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Nachname

Uberwiegend sind hier ganz klar die Null-Reaktionen. Die Patientin erkennt jedoch (a) daB essich urn einen Vomamen handelt und (b) welches Geschlecht die jeweiligen Trager des Namenshaben. Sie ist hingegen fast immer hilflos bei der Zuordnung des Gelesenen zu einemartikulierbaren Output. Es gibt rein theoretisch zwei Moglichkeiten, wie es in ihrem Fall zueinem Output kommen konnte: Erstens konnte sich die Patientin bei Namen, von denen ihr einTrager bekannt ist, durch eine Deskription auf diese Person beziehen, z.B. bei Willy konnte sieden ihr sicherlich bekannten sozialdemokratischen Politiker Willy Brandt nennen. So etwas trittjedoch nie auf. Zweitens konnte es zu paradigmatischen Verwechslungen kommen. IhreFehlreaktionen zu Gemeinnamen zeigen liberwiegend (ca. 30%) paradigmatische Paralexien,z.B. HerdlOfen, EisenlStahl, Beil/Hammer. Bei den Eigennamen konnten also ebenfallsparadigmatische Verwechslungen auftreten. Wie Tab. 2 zeigt, sind so1che Reaktionen auBerstmarginal und nicht zu vergleichen mit der Haufigkeit der paradigmatischen Verwechslungen beiGemeinnamen. Das dem Namen inharente Merkmal fur das GescWecht scheint demnach zuschwach zu sein, urn eine Klasse zu selegieren, innerhalb derer dann Substitutionen erfolgenkonnten.

Urn zu prlifen, ob die Bekanntheit des Referenten von Nutzen ist, wurden HJ. 90Namen (Vor- und Nachnamen) bekannter Personen angeboten. Von 45 deutschen Nachnamenwaren 15 mit einem Gemeinnamen homographisch, z.B. Helmut Kohl, Franz-Josef StrauB,Romy Schneider. Das Ergebnis der Untersuchung erscheint in Tab. 3.

Tab.3: H.J.s Lesen von Namen bekannter Personen (Rohwerte)(*8/13 homographisch mit Gemeinnamen)

I IV2

°r+Nachname IV2

0mame I-k-=-9-0---+.. ---------+.. ---------1-3-*--------

H.J.s Reaktionen sind in (2) vollstandig aufgelistet, wobei auch noch angegeben ist, ob derbetreffende Namenstrager der Patientin bekannt (+) oder unbekannt ist (-). Die Form hinter demSchragstrich gibt den entsprechende Gemeinnamen an.

(2) zu lesender EigennameMaria CallasRock HudsonJoschka FischerKurt BiedenkopjGlinter GrassHe1mut SchmidtRomy SchneiderRudolfSchockRainer-Wemer FassbinderCharlie ChaplinKonrad Adenauer

HJs ReaktionMariaRock HudsonFischerKopjGrass/GrasBrandtSchneiderSchockbindenCharlie ChaplinAdenauer

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bekannt++++

+

+

+

Franz-JosefStraufJWolfgang-Amadeus MozartJohannes RauWilly BrandtHelmutKohlCatharina ValenteJohannes von Thurn u. TaxisLady DianaFranz Beckenbauer

StraufJ +Mozart +Rau/rauh +Brandt/Brand oder? +Kohl +Valente +TaxiDiana +Beckenbauer +

Es ist unzweifelhaft, daB viele der Nachnamen nur deshalb gelesen werden konnen, weil sie miteinem Gemeinnamen homographisch sind. Dies ist besonders klar zu sehen an Fallen wie RomySchneider, bei denen der Nachname gelesen wird, wamend H.J. angibt, die Namenstragerinnicht zu kennen. Bezeichnend ist auch, daB Wortteile mit Gemeinnamenbedeutungherausgegriffen werden wie Kopfund Taxi.

Tab. 4 zeigt die Ergebnisse beim Lesen von 20 deutschen Stadtenamen.

Tab.4: H.ls Lesen von Namen deutscher Stadte (Rohwerte)

I=k===2=O=========1=:=o=rr=e=kt===================1=~=U=b=st=itu==ti=o=n=====================Ahnliches wurde im Bezug aufLandemamen tiberpriift. Alles, was die Patientin spontan

hervorbringt, wenn sie nicht - was selten ist - die phonetische Form erreicht, ist, ob es sich urnein Land oder urn eine Stadt handelt.

Diese Ergebnisse bestatigen in etwa das, was schon durch das Versagen beim Lesen vonVomamen deutlich geworden ist: Entweder es kommt zu einer korrekten Reaktion, was wohlimmer dann vorliegt, wenn die Patientin ein hochfrequentes Wort gestalthaft reprasentiert undals solches mit der phonologischen Form fest vemetzt hat, oder es kommt - wie in den meistenFallen - zu einer Null-Reaktion. Dies ist dann erklarbar, - und das ist der zentrale Punkt - wennman annimmt, daB das semantische Lexikon keine oder nur eine sehr rudimentare Anweisunggibt, wie der Eintrag verbaIisiert werden konnte.

4. Benennen mit Eigennamen und Gemeinnamen

Bis zu diesem Punkt zeigt sich recht deutlich, daB die Patientin auf Eigennamen nicht aufdieselbe Weise zugreifen kann wie auf Gemeinnamen. Wenn also Verarbeitungsdatentiberhaupt etwas tiber Reprasentationen auszusagen vermogen, so gibt der Fall HJ. eher derKripke'schen als der Searle'schen Theorie der Eigennamen recht. Das semantische Systemscheint beztiglich der Eigennamen leer zu sein bzw. nur elementare Merkmale zu spezifizierenwie "ist mannlich", "ist weiblich", "ist eine Stadt", "ist ein Land" etc. Dennoch wurden bei derUntersuchung des Lesens auch die folgenden Beobachtungen gemacht, die in (3) aufgelistetsind.

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(3) zu lesender Namelosef

PoeckTirolVietnamAustralien

HJ.s Reaktionso heiBt mein Vater(Untersucher: Wie heiBt Ihr Vaterdenn? Patientin: Ab... ?)Professorda warn wir schon mal aufUrlaubich glaube viel Kriegweit weg .., Kanguruhs

Es mul3 also eine episodische Verknilpfung der Eigennamen mit Namenstragem so m6glichsein, daB es zu einer Reizung dieser episodisch angelegten Reprasentation selbst beim Lesenliber die innere "semantische" Bahn kommt. Das Entscheidende ist demnach nicht, daBEigennamen im Vergleich mit Gemeinnamen so viel weniger Reaktionen hervorzubringenverm6gen, sondern, daB es hierbei nie zu Paralexien kommt. Wenn liberhaupt eine Reaktionerfolgt, dann ist sie sicherlich gezielt und leitet direkt zu einem Namenstrager. Wieso kann aberder korrekte Name nicht "extern" abgerufen werden, also liber die Identifikation des Referentenselbst? Am ehesten ware das beim Namen des eigenen Vaters zu erwarten. Der Grund fur dasweitgehende Versagen ist, daB H.l. eine zusatzliche St6rung hat, die ihr nicht nur das Lesen vonEigennamen unm6glich macht, sondern auch das Benennen mit Eigennamen erschwert.

HJ. benennt Bilder perfekt mit Gemeinnamen und Verben, wahrend sie beim Benennenvon 30 Bildern mit Eigennamen nur 13, also weniger als 50% Treffer hat (4/6 Stadte, 3/6Unterhaltungsstars, 1/6 Politiker, 1/6 Lander, 4/6 Automarken.7 HJ. scheint also beimBenennen mehr als ein sprachgesunder Sprecher auf ihr semantisches Lexikon zurlickgreifen zumlissen. Das semantische Lexikon stellt offensichtlich nicht genligend Struktur bereit, urn dielautliche Reprasentation des Namens aufrufen zu konnen. Wir kommen auf diese Frage inKlirze zurlick.

Ein ahnliches Bild zeigt der Fall des nicht aphasischen oder dyslektischen italienischen P .c.,der von Semenza und Zettin (1988) vorgestellt wurde. Die wichtigsten Daten aus dieser Studiesind in Tab. 5 reproduziert.

Bei letzterem ist Vorsicht geboten, weil hier einSpezialfall vorliegt, bei dem ein ursprunglicher Eigennamen zueinem Gattungsnamen umgedeutet ist. So ist etwa Porscheursprunglich ein Nachname, Mercedes ein Vorname, wahrend dieseNamen jetzt als Namen fur eine bestimmte Sorte von Autosempfunden werden.

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Tab.4: P.c.s Benennen (aus Semenza & Zettin, 1988) (Rohwerte), (*nach Eintdigen auf sog."blinden" Landkarten)

Gemtise 15/15 beriihmte Personen 0/20Obst 15/15 bekannte SHidte* 0/15Korperteile 18/18 Lander* 0/10Farben 15/15 Fltisse* 0/8Buchstaben 23/23 Berge* 0/8Transportmittel 15/15Pastasorten 6/6Sitzmobel 6/6

Bei P.c. liegt eine beinahe totale Diskrepanz von erhaltenem Objektbenennen (mitGemeinnamen) und gestortem Benennen von Personen, Stadten, Landem, Bergen (mitEigennamen) vor.

Ein interessantes Datum beziiglich der Patientin HJ. ist weiterbin, daB sie beimNachsprechen von Wortem und Nicht-Wortem dieselbe Dissoziation offenbart wie beim Lesen.Wamend sie beim Nachsprechen von existierenden und ihr bekannten Wortem unauffaIlig ist,ist es ihr unmoglich, Nichtworter nachzusprechen.

De Bleser (personliche Mitteilung) hat in einer nochunveroffentlichten Untersuchungfestgestellt, daB eine niederlandische nicht-aphasische Split-Brain-Patientin mit einem auf dreiElemente reduzierten Kurzzeitgedachtnis ebenfaU nicht nur keine Nicht-Worter nachsprechenkann, sondem auch so gut wie unfahig ist, neue Eigennamen nachzusprechen bzw. zu lemen.Aussagen zu diesen Befunden mtissen im Moment spekulativ bleiben, aber es deutet sich an,daB Wortformen nur unter, einer Bedingung problemlos aufgerufen werden konnen, namlichwenn sie durch das semantische Lexikon "gestlitzt" werden. Bei Nichtwortem ist das klar nichtder Fall, denn sie haben keinen Eintrag im mentalen Lexikon. Hier ist das System einzig undallein auf eine segmentale phonologische Analyse und einen intakten linguistischenArbeitsspeicher (Kurzzeitgedachtnis) angewiesen. H.J. erfiiUt diese Anforderung nicht, weil sieohne Referenz auf ihr semantisches Lexikon eine segmentale phonologische Analyse wohlebensowenig durchfuhren kann wie eine graphematische. Die Patientin mit der eingeschranktenMerkspanne des linguistischen Kurzzeitgedachtnisses erfiiUt diese Anforderung nicht, weildurch Pseudoworter aus arbitriiren Sequenzen von vier Phonemen ihr Speicher bereits tiberlastetist. Hier von zentralem Interesse ist jedoch, warum sich bei diesen StOrungen Eigennamenanders als Gemeinnamen verhalten soUten. Diesem Punkt ist die abschlieBende Diskussiongewidmet, die auch weiter zu kliiren versucht, inwiefem bier die Theorien der Semantik derNamen bertihrt werden.

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5. Diskussion

Der Fall H.J. zeigt, wie auch andere Einzelfalle, daB Eigennamen im mentalen Lexikon nichtdenselben Status wie Gemeinnamen haben. Dieser Befund ist sicherlich mit jederemstzunehmenden semantischen Theorie der Namen kompatibel. Wenden wir uns deshalb derinteressanteren Frage zu, wie die mentalen Reprasentationen aussehen, die die beobachtetenVerhaltensdissoziationen ermoglichen. Wie schon oben betont, wird keine (auch nicht dieKripke'sche) Theorie der Eigennamen bestreiten, daB im Idiolekt der Sprecher eine finite Zablvon Eigennamen mit Deskriptionen faktischer Art verkntipft sind. Ein Kenner der modemenMusik verkntipft etwa mit dem Namen Aribert Reiman den Komponisten der Oper "Lear",einen Pianisten, der Schonbergs Klavierwerke auf Schallplatte eingespielt hat und dermanchmal den Bariton Dietrich Fischer-Dieskau begleitet. Jemand anders verkniipft damitlediglich, daB es sich bei dem Referenten hOchstwahrscheinlich urn ein mannliches Wesendeutscher Abkunft handelt. Die Frage ist dann, ob das Lexikon des Musikkenners einen Clustervon Deskriptionen zu der phonemischen bzw. graphemischen Form /aribert reiman/ enthalt,Seite an Seite mit analytisch wahren und kontingenten, stereotypischen Aussagen zu einembeliebigen Gattungsbegriff. Das konnte der Fall sein. In der Psychologie ist dies jedoch nichtunumstritten. Es mull nicht so sein, daB wir alles, was wir iiber die Welt wissen, in einemeinzigen riesigen Speicher bewahren. So unterscheidet Tulving (1972) in einem etwas anderenZusammenhang zwischen einem semantischen und einem episodischen Gedachtnis. NachTulving ist das semantische Gedachtnis ein mentaler Thesaurus, in dem Bedeutungen und ihreBeziehungen untereinander relativ zeitlos festgelegt sind, und zwar nach bestimmtenalgorithmischen Prozeduren, die der Symbolmanipulation dienen.8 Das episodische Gedachtnisspeichert dagegen zeitlich gebundene Ereignisse und ihre raumzeitliche Relation untereinander,z.B. daB man vor einiger Zeit einen Lichtblitz gesehen hat, der von einem Gerausch geforltwurde, daB man im letzten Urlaub einen pensionierten Kapitan getroffen hat, der gute WitzewuBte, daB man morgen urn 9 Uhr 30 eine Verabredung hat, daB in einem Experiment das Wortdax zusammen mit dem Wort frigid auftrat usw.9 Mit etwas Anstrengung konnte man dieseCharakterisierung des episodischen Gedachtnisses erweitem und annehmen, daB darinakzidentieIles Wissen iiber dieses und jenes festgehalten ist, z.B. eine Charakterisierung vonAribert Reiman. Wahrend man fur das semantische Gedachtnis einige Homogenitat bei denSprechem einer Sprache voraussetzen darf, sind die Voraussetzungen beztiglich desepisodischen Gedachtnisses von Sprecher zu Sprecher radikal verschieden. Wenn ein beliebigerSprecher des Deutschen nichts tiber Aribert Reiman weiB, wird man sich nicht wundem, wohlaber wenn er nicht weiB daB ein Schaf ein Tier ist oder daB Steme bei Dunkelheit zu sehen sind.

Kommen wir nun zum Aufbau des mentalen Lexikons. Das Lexikon mull sicherlich furjeden Eintrag tiber die Trichotomie von syntaktischer, semantischer und phonologischerInformation verfiigen. Es ist aus der Psycholinguistik bekannt, daB bei Kontakt mit einerWortform sofort die dazugehorige semantische Information tangiert wird, selbst wenn sie - im

8Diese Prozeduren sind z.B. mengentheoretisch definierbar.Sie kommen in den semantischen Netzwerken, die in derI artificial intelligence I bem1tzt werden, oft als die 11 IS A"­Relation vor.

9Beispiele aus Tulving (1972:386f.)

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Falle von lexikalischer AmbiguWit - in einem bestimmten Kontext gar nicht erwilnscht ist. lO

Eigennamen sind nun Wortformen, die wie andere Morpheme der Sprache eine phonologischeRepdisentation haben, die entweder fest im Lexikon verankert ist, oder aber durch dielexikalische Phonologie kompiliert werden mul3. Wie wir am Fall von RJ. gesehen haben, istdie semantische lexikalische Reprasentation fUr arbitrare Vomamen minimal. De facto ist sieauf das Merkmal SEXUS begrenzt. Liegt nun eine autobiographische semantische Besetzungeiner Wortform vor und ist das episodische Gedachtnis distinkt vom zentralen lexikalischenSystem, so mu13 bei der Benennung mit einem Eignennamen eine Verbindung zwischen demepisodischen Gedachtnis und dem Lexikon hergestellt werden. Man kann sich dann dasProduzieren eines Eigennamens wie in Abb. 1 vorstellen.

Abb.l: Abrufvon Eigennamen

episod.lautobiograph.Gedachtnis

KENNZEICHNUNGEN

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I.11

SEM PHON Ibuffer 1'1 Artikulation

ILexikon

Die phonologische Form ist mit einer semantischen Form im Lexikon verbunden, aber es mu13auch Verbindungen zwischen einer Eigennamensform und dem autobigraphischen Systemgeben. Solche Verbindungen konnen durch neurologische Erkrankungen gesWrt oderUllZuganglich sein. Nehmen wir an, daB die Route, die eine Wortform aufeine extralexikalische,episodische Kennzeichnung bezieht, gestort ist, wahrend die intralexikalischen Abbildungen derWortform auf semantische und syntaktische Reprasentationen intakt ist. In diesem Fall ist dieProduktion von Eigennamen gegenilber der Produktion von Gemeinnamen erschwert oderunmoglich gemacht. Wir wissen, daB H.J., ebenso wie P.C., Eigennamen versteht. Es mu13daher der Fall sein, daB Eigennamen nicht auf dieselbe Weise wie Gemeinnamen fur dieSprachproduktion bereitgestellt werden konnen. Wie kann das sein?Zumindest fur H.J. scheint klar zu sein, daB sie in ihrer Sprachproduktion und beim LesenausschlieBlich nach semantischen Strategien vorgehen kann. Wenn nun Eigennamen - wieSearles Theone nahelegt - auf dieselbe Weise wie Gemeinnamen ilber Intensionen verfiigen, sobleibt unerklarlich, wieso diese Bedeutungen, die ja zudem in all den hier betrachteten Fallen

lOSiehe etwa Swinney (1979).

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"konkret" sind, nicht mit einer vorhandenen Wortfonn verknlipft und artikuliert werden sollten.Andererseits aber gibt es in der aktuellen Welt keinen Grund, warum der Vater der PatientinJosefund der sie behandelnde Professor Poeck hei13en solI. Der Zusammenhang zwischen Fonnund Inhalt stlitzt sich allein auf den Zufall der Namensgebung. Das Zeichen wird nicht durcheine Merkmalsstruktur gestlitzt, die z.B. auch auf andere Entitaten anwendbar ware. Diekonzeptuelle Struktur des Eigennamens bleibt also vom semantischen System isoliert.Gemeinnamen verfiigen dagegen liber eine reiche semantische Struktur, die durch das mentaleLexikon und das darin gespeicherte fonnale Wissen gestlitzt ist. Obwohl die Zeichen natlirlichebenfall arbitrar sind, gibt es ein ganzes Arsenal von Moglichkeiten, das Zeichen liberKlassenmerkmale abzurufen. Der entscheidene Befund zur Semantik der Eigennamen undGemeinnamen scheint also zu sein, daB letztere ganzlich Teil des linguistischen Systems sind,wahrend erstere ihre volle konzeptuelle Struktur aus einer anderen Schublade des Geistesbeziehen und im Lexikon vennutlich nur fonnal verankert sind.

Die rein referentielle Theorie der Eigennamen ist in ihrer naiven Auslegung unhaltbar,da Sprecher bei Vertrautheit mit einem Namenstrager klar einen semantisch-konzeptuellenGehalt mit dem Namen verbinden. Die Theorie der Eigennamen mu13 weiterhin anerkennen, daBes so etwas wie eine minimale lexikalische Kategorisierung der Namen in Personennamen,Stadtenamen, Landemamen usw. gibt. Das wiirde auch der Intuition entgegenkommen, daB einName wie Adolf Hitler nicht ohne weiteres in einer vorstellbaren moglichen Welt auf einebestimmte Zitrone referieren kann, obwohl er natlirlich, wie Kripke sagt, auf eine Personreferieren konnte, die ihr ganzes Leben ruhig in Linz zugebracht hat. Sind dieseVoraussetzungen anerkannt, so ist die Theorie der direkten Referenz durchaus mit den hiervorgelegten neurolinguistischen Ergebnissen kompatibel. Sie wird dadurch bestatigt, daB beieiner episodischen Verbindung von Name und Namenstrager der Name in einem weitgehendarbitraren Verhaltnis zum Trager steht. Die Theorie der Eigennamen, die "nicht-deskriptive"Intensionen annimmt, hat, wenn nicht erheblich Zusatzannahmen gemacht werden, Probleme,die Daten zu erklaren.

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