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Die Rolle von Emotionsregulation bei Glücksspielverhalten und glücksspielbezogenen Problemen: Ergebnisse aus der MIGUEL-Studie
Svenja Orlowski, Anja Bischof, Bettina Besser, Gallus Bischof & Hans-Jürgen Rumpf
Arbeitsgruppe S:TEP, Universität zu Lübeck
Deutscher Suchtkongress 2017 in Lübeck
!
Interessenskonflikt
Svenja Orlowski, Universität zu Lübeck, Deutscher Suchtkongress 2017
Keine Interessenkonflikte Förderung durch das Ministerium für Soziales, Gesundheit, Wissenschaft und Gleichstellung des Landes Schleswig-Holstein
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Hintergrund & Forschungsstand Emotionsregulation
Svenja Orlowski, Universität zu Lübeck, Deutscher Suchtkongress 2017 3
} Emotionsregulation (ER) = Prozesse, mit denen eine Person beeinflusst, welche Emotionen sie hat, wann sie sie hat, und wie sie sie erlebt und ausdrückt (Gross,1998)
} Gross & Thomson (2007): Prozessmodell der Emotionsregulation
} Strategien können VOR oder NACH dem Aufkommen einer emotionalen Reaktion ansetzen
Hintergrund & Forschungsstand Emotionsregulation und Psychopathologie
} Hohe Bedeutung von Emotionsregulationsprozessen in der psychotherapeutischen Praxis und Forschung (Berking & Znoj, 2008; Gross & John, 2003).
} Mehr als 75% der diagnostischen Kategorien psychischer Störungen im DSM-IV sind durch Probleme im Umgang mit Emotionen charakterisiert (Gross & Werner, 2009)
} Assoziation von psychischen Störungen mit Defiziten in ER } Depression (Horn & Hautzinger, 2003)
} Borderline-Persönlichkeitsstörung (Linehan, 1996; Bohus, 2002)
Svenja Orlowski, Universität zu Lübeck, Deutscher Suchtkongress 2017
Hintergrund & Forschungsstand Emotionsregulation und Suchterkrankung
Svenja Orlowski, Universität zu Lübeck, Deutscher Suchtkongress 2017 5
} Viele Theorien über Rolle von Emotionen bei Substanzkonsum
à Substanzkonsum als Form der Emotionsregulation (Barnow, 2012)
} Wenig Forschung über Zusammenhang von spezifischen Defizite in ER bei Suchterkrankungen
} Alkohol- & Medikamente: Betroffene berichten Defizite in ER
} Mangel an Toleranz negativer Emotionen (Berking et al., 2011)
} Schlechtere Impulskontrolle (Fox et al., 2008)
Limitation: Forschung beschränkt sich auf substanzbezogene Süchte (Alkohol!)
Hintergrund & Forschungsstand Emotionsregulation und Glücksspiel
Svenja Orlowski, Universität zu Lübeck, Deutscher Suchtkongress 2017 6
Williams, Grisham, Erskine & Cassedy (2011): Erste Studie zum Einsatz von Emotionsregulationsstrategien bei pathologischen Spielern
} Stichprobe: Drei Gruppen } Pathologische Glücksspieler (PG) aus Klinik } Klinische KG mit verschiedenen Diagnosen } Gesunde KG
} Ergebnisse
} Pathologische Spieler (und klinische KG) berichteten geringeren Einsatz von effektiven ER-Strategien im Vergleich zur gesunden Kontrollgruppe
Fazit: Es gibt spezifische Defizite in der ER bei pathologischen Glücksspielern!
Hintergrund & Forschungsstand Emotionsregulation und Glücksspiel
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Williams, Grisham, Erskine & Cassedy (2011): Erste Studie zum Einsatz von Emotionsregulationsstrategien bei pathologischen Spielern
} Stichprobe: Drei Gruppen } Pathologische Glücksspieler (PG) aus Klinik } Klinische KG mit verschiedenen Diagnosen } Gesunde KG
} Ergebnisse
} Pathologische Spieler (und klinische KG) berichteten geringeren Einsatz von effektiven ER-Strategien im Vergleich zur gesunden Kontrollgruppe
Fazit: Es gibt spezifische Defizite in der ER bei pathologischen Glücksspielern!
Studienziel
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Untersuchung der Assoziation zwischen Glücksspielproblematik und Emotionsregulation
} Unbehandelte Probanden
} Große Stichprobe, junge Altersgruppe
} Auch Betrachtung einer subklinischen Kategorie
} Identifikation spezifischer Defizite
} Instrument: Erfassung ER-Strategien angelehnt an Gross (1998)
Übersicht - Das MIGUEL-Projekt
Screening
} Proaktives Screening
} 11 Berufsschulen in Schleswig-Holstein
} Probandenrekrutierung } Glücksspiel } Migrationshintergrund
Vertiefendes Interview
} Telefoninterview (1h) } Follow-Up nach 12 und 24
Monaten
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} Zusammenhang von Glücksspielsucht und Migration (N. Petry et al., 2003)
} Hauptziele von MIGUEL: } Ermittlung von Querschnittsdaten: Risiko- oder Schutzfaktoren } Ermittlung von Längsschnittdaten: Prospektive Faktoren
Methode Instrumente im Screening
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} Glücksspielverhalten, Glücksspielbezogene Probleme
} Emotionsregulation
} Soziodemografische Daten
} Depressive Symptome
} Alkoholkonsum
} Drogenkonsum, Rauchen
} Gesundheitsverhalten
} Lebenszufriedenheit
} Kohärenzgefühl
} Selbstwirksamkeitserwartung
} Internetnutzung
} Religiosität
Methode Messinstrumente
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Unterdrückung 9 Items
Neubewertung 5 Items
Akzeptanz 6 Items
ASQ 20 Items
Emotionsregulation: Affective Style Questionnaire (ASQ; Hofmann & Kashdan, 2009) à Deutschen Validierung und Adaption von Graser et al. (2012)
Glücksspiel-Diagnostik: Fragebogen nach Stinchfield (2002) à anhand der DSM-IV Kriterien entwickelt und für aktuelle Studie an DSM-5 Kriterien angepasst
Methode Messinstrumente
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Unterdrückung
Anpassung/ Neubewerbung
Akzeptanz
Ergebnisse Screening Soziodemografie der Berufsschüler (N=6718)
Svenja Orlowski, Universität zu Lübeck, Deutscher Suchtkongress 2017
} Geschlecht: M: 61,6%, W: 37,6%
} Alter: M=19,7 (SD = 3,65)
} Häufigste Wohnsituation: Bei den Eltern (72,0%)
} Höchster Bildungsabschluss: Mittlere Reife (50,7%)
} Migrationshintergrund/-erfahrung: 26,9 %
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Ergebnisse Analysen
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} Multinominale logistische Regressionsanalysen
} Drei Gruppen: } Unproblematische Spieler: 0-1 Kriterium nach DSM-5 } Problematische Spieler: 2-3 Kriterien nach DSM-5 } Pathologische Spieler: ≥ 4 Kriterien nach DSM-5
} Kontrolle auf mögliche Einflussfaktoren } Geschlecht } Migrationshintergrund (MH) } Alkoholkonsum (AUDIT-C) } Depressive Symptome (MHI-5)
Ergebnisse Subskala „Unterdrückung“
Svenja Orlowski, Universität zu Lübeck, Deutscher Suchtkongress 2017 16
problematisch vs. unauffällig1
pathologisch vs. unauffällig1
pathologisch vs. problematisch1
Exp(B) (95%-CI) p Exp(B) (95%-CI) p Exp(B) (95%-CI) p
Unter-drückung 1.02 (0.98-1.02) .872 1.02 (1.00-1.05) .084 1.02 (0.99-1.05) .200
Geschlecht 5.71 (3.72-8.76) <.001 13.04 (6.57-25.8) <.001 2.28 (1.03-5.08) .043
MH 2.10 (0.97-1.05) <.001 2.74 (2.02-3.73) <.001 1.31 (.89-1.91) .169
AUDIT-C 1.23 (1.17-1.29) <.001 1.33 (1.25-1.41) <.001 1.09 (1.01-1.17) .029
MHI-5 1.01 (0.97-1.05) .673 1.10 (1.06-1.15) <.001 1.09 (1.04-1.15) .001
Keine signifikanten Gruppenunterschiede bei ER-Strategie „Unterdrückung“
1Letzte Kategorie ist immer Referenzkategorie
Ergebnisse Subskala „Neubewertung“
Svenja Orlowski, Universität zu Lübeck, Deutscher Suchtkongress 2017 17
problematisch vs. unauffällig1
pathologisch vs. unauffällig1
pathologisch vs. problematisch1
Exp(B) (95%-CI) p Exp(B) (95%-CI) p Exp(B) (95%-CI) p
Neube-wertung 0.97 (0.94-1.00) .079 0.95 (0.91-0.99) .011* 0.98 (0.93-1.03) .400
Geschlecht 5.95 (3.87-9.15) <.001 14.29 (7.19-28.40) <.001 2.40 (1.08-5.35) .032
MH 2.12 (1.62-2.77) <.001 2.79 (2.05-3.79) <.001 1.31 (0.90-1.92) .158
AUDIT-C 1.22 (1.17-1.29) <.001 1.33 (1.25-1.41) <.001 1.09 (1.01-1.17) .026
MHI-5 0.99 (0.95-1.04) .730 1.08 (1.03-1.13) .002 1.08 (1.02-1.15) .008
Pathologische Spieler sind schlechter darin, ihre Emotionen kognitiv neu zu bewerten als unauffällige Spieler
1Letzte Kategorie ist immer Referenzkategorie
Ergebnisse Subskala „Akzeptanz“
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problematisch vs. unauffällig1
pathologisch vs. unauffällig1
pathologisch vs. problematisch1
Exp(B) (95%-CI) p Exp(B) (95%-CI) p Exp(B) (95%-CI) p
Akzeptanz 0.96 (0.93-0.99) .005** 0.95 (0.92-99) .010* 1.00 (0.95-1.04) .876
Geschlecht 5.69 (3.71-8.73) <.001 13.32 (6.71-26.43) <.001 2.34 (1.05-5.20) .037
MH 2.06 (1.58-2.70) <.001 2.71 (2.00-3.68) <.001 1.31 (0.90-1.92) .159
AUDIT-C 1.22 (1.16-1.28) <.001 1.33 (1.25-1.41) <.001 1.09 (1.01-1.17) .027
MHI-5 1.00 (0.96-1.04) .847 1.09 (1.04-1.14) <.001 1.09 (1.04-1.15) .001
Pathologische und problematische Spieler sind schlechter darin, negative Emotionen zu akzeptieren als unauffällige Spieler
1Letzte Kategorie ist immer Referenzkategorie
Fazit
Svenja Orlowski, Universität zu Lübeck, Deutscher Suchtkongress 2017
} Es besteht ein Zusammenhang zwischen einer defizitären Emotionsregulation und glücksspielbezogenen Problemen
} Eine gute ER stellt einen protektiven Faktor für pathologisches Glücksspiel
dar } Relevante ER-Strategien für pathologisches Spielen: Neubewertung &
Akzeptanz } Akzeptanz von Emotionen auch ein wichtiger Faktor im subklinischen
Bereich } Implikation für die Praxis: Berücksichtigung von Skills zur ER in
Prävention und Therapie } DBT-Sucht } Acceptance and Commitment Therapy
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Stärken & Limitationen
Svenja Orlowski, Universität zu Lübeck, Deutscher Suchtkongress 2017
Stärken � Sehr große Stichprobengröße � Unbehandelte Probanden � Kontrolle möglicher Einflussfaktoren Limitationen � Aussagen beschränken sich auf Berufsschüler/innen in Schleswig-
Holstein � ASQ erfasst nur die Regulation von negativen Emotionen
� Positive Emotionen auch wichtig vor allem für die Entstehung von Süchten (Cheetham et al., 2010)
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Danke für Ihre Aufmerksamkeit!
Kontakt:
Svenja Orlowski
Arbeitsgruppe S:TEP
Universität zu Lübeck
Tel.: 0451/500-98759
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Literaturverzeichnis
Svenja Orlowski, Universität zu Lübeck, Deutscher Suchtkongress 2017
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