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1908. J%i 9. ANNALEN DER PHYSIK. VIERTE FOLGE. BAND 26. 1. D6e Schau#nstmbtur des SchwefeZR und derm E#njlup auf Doppelbrechung, D4chrodemu8, eZektPi8che E4yenechaften und EPistallhdldzcng; von G. Qu4nnobe. (Elerm Tar. 11-V.) 8 18 7. Allotrope Modifihationen deo Schwefels. Geschicht- liches. E. Mitscherlich l) unterscheidet drei allotrope Modi- fikationen a /I y-Schwefel. a-Schwefel kristallisiert aus Lasungen in Schwefelkohlenstoff in hellgelben rhombischen Oktaedern, @-Schwefelaus langsam erkaltetem geschmolzenen Schwefel in braunen Prismen. y-Schwefel ist amorph, weich oder plastisch, spilter fest, ist in Schwefelkohlenstoff fast unlijslich und wird durch schnelle Abkiihlung des Ilngere Zeit uber 300° erhitzten geschmolzenen Schwefels erhalten. Nach Mitscherlich werden beim Ubergange von prismatischem in oktaedrischen Schwefel 2,27 Kalorien frei. Bei Uberfuhrung des unlbslichen Schwefels in rhombischen findet keine Wihmeentwicklung oder Wilrme absorption statt. a/? y-Schwefel haben nach Marchand und S c he er er a) verschiedenes spezifisches Gewicht, a- und @-Schwefel nach Brodie 9 und Gernez ' ) verschiedenen Schmelzpunkt. Spring&)fand Schwefel, der aus Eisenchloriirlbsung mit einem Strom Schwefelwasserstoff erhalten war, in Schwefelkohlenstoff zum Teil loslich, zum Teil unltislich. Das spezifische Gewicht des erateren betrug 2,005 bei loo, des letzteren 1,785 bei 184 Der geschmolzene Schwefel zeigt beim Abknhlen ein Minimum der Abktihlungsgeschwindigkeit bei 260 O nach 1) E. Mitechcrlich, Lehrbuch der Chemie I. p. 52. 1844; Pogg. 2) R. F. Marchand und Th. Scheerer, Erdmanne Journ. 24. 9) B. Brodie, Proc. Roy. SOL 7. p. 24. 1856. 4) D. Gernee, Compt. rend. 83. p. 217. 1876. 5) W. S p r i n g , Bull. d. Brux. 1907. p. 696. Ann. 88. p. 881. 1853. p. 166. 1841. Annalen der Phjsik. IV. Folge. 26. 41

Die Schaumstruktur des Schwefels und deren Einfluß auf Doppelbrechung, Dichroismus, elektrische Eigenschaften und Kristallbildung

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1908. J%i 9.

ANNALEN DER PHYSIK. VIERTE FOLGE. BAND 26.

1. D6e Schau#nstmbtur d e s SchwefeZR und derm E#njlup auf Doppelbrechung, D4chrodemu8,

eZektPi8che E4yenechaften und EPistallhdldzcng; von G. Qu4nnobe.

(Elerm Tar. 11-V.)

8 18 7 . Allotrope Modifihationen deo Schwefels. Geschicht- liches. E. Mitscher l ich l) unterscheidet drei allotrope Modi- fikationen a /I y-Schwefel. a-Schwefel kristallisiert aus Lasungen in Schwefelkohlenstoff in hellgelben rhombischen Oktaedern, @-Schwefel aus langsam erkaltetem geschmolzenen Schwefel in braunen Prismen. y-Schwefel ist amorph, weich oder plastisch, spilter fest, ist in Schwefelkohlenstoff fast unlijslich und wird durch schnelle Abkiihlung des Ilngere Zeit uber 300° erhitzten geschmolzenen Schwefels erhalten. Nach Mi tscher l ich werden beim Ubergange von prismatischem in oktaedrischen Schwefel 2,27 Kalorien frei. Bei Uberfuhrung des unlbslichen Schwefels in rhombischen findet keine Wihmeentwicklung oder Wilrme absorption statt. a/? y-Schwefel haben nach Marchand und S c he er e r a) verschiedenes spezifisches Gewicht, a- und @-Schwefel nach Brod ie 9 und Gernez ') verschiedenen Schmelzpunkt. Spring&) fand Schwefel, der aus Eisenchloriirlbsung mit einem Strom Schwefelwasserstoff erhalten war, in Schwefelkohlenstoff zum Teil loslich, zum Teil unltislich. Das spezifische Gewicht des erateren betrug 2,005 bei loo, des letzteren 1,785 bei 184

Der geschmolzene Schwefel zeigt beim Abknhlen ein Minimum der Abktihlungsgeschwindigkeit bei 260 O nach

1) E. Mitechcrl ich, Lehrbuch der Chemie I. p. 52. 1844; Pogg.

2) R. F. Marchand und Th. Scheerer , Erdmanne Journ. 24.

9) B. Brodie , Proc. Roy. SOL 7. p. 24. 1856. 4) D. Gernee , Compt. rend. 83. p. 217. 1876. 5) W. S p r i n g , Bull. d. Brux. 1907. p. 696.

Ann. 88. p. 881. 1853.

p. 166. 1841.

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Frankenhe im? und bei 155 und 145O nach Ch. St Claire- Devi l le 7 , ein Maximum der Bbkiihlungsgeschwindigkeit bei 170° nach Berthe1ot.B) Beim Erwarmen zeigt der Schwefel in der Nahe von 168O eine plotzliche Temperaturabnahme nach S c h a ~ m . ~ )

Fr. Hoffmann und R. Rothelo) fanden beim Erwilrmen Haltepunkte bei 96, 116 und 160,6O; beim Abkuhlen bei 116O und 159,5O, Zickendraht l l ) beim Erwilrmen Haltepunkte bei 145 bis 166O und 326 bis 329O.

Nach Ber the lo te ) enthalt geschmolzener Schwefel, welcher schnell abgekiihlt worden ist, urn so mehr in Schwefelkohlen- etoff unlbslichen Schwefel, j e hoher die Temperatur des ge- schmolzenen Schwefele war. Nach Schmelztemperaturen von 163, 170 und 230° enthielt der schnell erstarrte Schwefel eine sehr kleine Menge, 25 und 30 Proz. unloslichen Schwefel. Die Sohwefelkohlenstoff lbsung lie8 nach dem Verdampfen ein wenig unloslich gewordenen Schwefel zuriick.

(3, Magnuals) fand 1854 eine weiche Schwefelart, welche in Schwefelkohlenstoff loslich iet, wahrend des Abdampfens aber unloslich wird. B e r t h e l o t hat einen amorphen liislichen Schwefel beschrieben, welcher aus unlbslichem schlauchartigen Schwefel bei Beriihrung mit Schwefelwasseretoff entsteht, weiB lich flockig ist uud unter Absorption von 2,6 Kalorien in oktaedriechen Schwefel iibergeht. Schwefel bei Temperaturen unter 130° geschmolzen und langsam im Sonnenlicht erstarrt, war nach der Kristallisation mit einer Haut von unloslichem Schwefel bedeckt.

8- und y-Schwefel gehen bei gewohnlicher Temperatur allmahlich in gelben oktaedriechen crc-Schwefel iiber.

Der Schwefel iet nach dem Schmelzen bei steigender Temperatur zuerst hellgelb und diinnflussig, dann dunkelbraun

6) M. L. Frankenhe in , Erdmsnns Journ. 18. p. 8. 1839. 7) Ch. St . C l a i r e - D e v i l l e , Compt. rend. 34. p. 563. 1852. 8) M. B e r t h e l o t , Ann. d. chim. (3) 49. p. 479-481. 1857. 9) K. Bchaum, Sitzungsber. d. Ges. zur Bemrd. d. gee. Naturw.

10) Fr. Hof fmann und R. Rothe , Zeitachr. f. physik. Chem. 06.

11) H. Zickendraht, Ann. d. Phye. 21. p. 149. 1906. 12) a. Magnus, Pogg. Ann. WZ. p. 311. 1854.

Marburg 1899. p. 38.

p. 116. 1906.

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Schaumstruktur des Schwefels usw. 627

und ziihfltissig und spiiter wieder diinnfliissig. Nach E. Mi techer - l i ch fhngt er bei 160° an dickfliissig zu werden und sich dunkler zu arben. Bei 200° ist er zlihfliissig, braun und zieht Faden. Frankenheiml*) sah an Schwefel, weloher auf Glas unter dem Mikroskop erstarrte, die Erstarrung (von Uber- schmolzenem @-Schwefel) aufhoren an der Grenzlinie mit einem anders gehlrbten Teile (iiberechmolzenem az-Schwefel), der l h g e r fliissig blieb. E'ing die Nrstarrung zufhllig in dem anderen Teile an, so ging sie in den ersten Teil iiber und der ganze Schwefeltropfen erstarrte gleichzeitig. F rankenhe im fand in stark erhitztem Schwefel immer einige dunkelbmune, unter dem Mikroskop echwarz erscheinende Korner, die mitten in dem Ubrigen Schwefel starr blieben. In beiden Piillen liegen nach F r a n kenheim verschiedene isomere (allotrope) Modifika- tionen des Schwefels nebeneinander. Im ersten Falle a- und 8-Schwefel. Im zweiten Falle tritt eine dritte, feuerfestere Schwefelart auf, welche sich erst in h6herer Temperatur bildet, dann aber auch in einer niedrigeren Temperatur nicht zerstdrt wird und durch ihre Verlnengung mit dem flUssig gebliebenen Schwefel die fiir einen bestimmten Temperaturabechnitt auf- tretende Klebrigkeit verureacht.

Nach C h. S s i n t e Clai re - D evil1 e '3 hat geschmolzener Schwefel bei 200 bis 220° die groSte Viskositiit. Nach P i s a t i '6)

hat geschmolzener oktaedrischer Schwefel bei 157 O ein Minimum, bei 195O ein Maximum der ViskositM, bei 160 bis 170° ein Minimum der Zunahme dee spezifischen Volumens; bei 166O ein Minimum, bei 170,6O ein Maximum der kapillaren Steig- hohe in Glas. Diese Angaben von P i s a t i beziehen sich auf , , jungfriiulichen SchwefeP, natiirliche klare oktaedrieche Kristalle aus Sizilien. Wurde dieser jungfriiuliche Schwefel durch zwei- stiindiges Erhitzen auf 300 O in ,,modifizierten Schwefel" ver- wandelt, so lagen die Maxima der Viskositit und kapillaren Steighohe bei anderen Temperaturen. Fur den modifizierten Schwefel war das Minimum der Zunahme des spezifischen Volumens bei 164O, das Maximum der Viskositilt war kleiner

13) M. L. F rankenhe im, Pogg. Ann. 39. p. 379. 1836. 14) Ch. Sa in te Claire-Deville, Ann. d. chim. (3) 47. p. 95. 1856. 15) G. P i s s t i , Cimento (3) 2. p. 154. 1877; Bed. Ber. 1877. p. 266.

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und das Maximum der kapillaren SteighBhe gr8Ber, ah bei jungfrilulichem Schwefel. Ersteres lag jetzt bei 200 O, letzteres bei 175,6 O. Vielleicht ist dieser modifizierte Schwefel von P i sa t i alkalihaltig gewesen (vgl. unten 8 102).

Nach Gernez le) entstehen aus langsam abgekiihltem iiber- schmolzenen fliissigen Schwefel durch Beriihrung rnit einem kalten Kbrper oder durch Reibung von zwei feeten K6rpern im Innern der Flhssigkeit oder durch Berhhrung mit prisma- tischen Krishllen bei Temperaturen zwischen 60 und 11 7 O

(dem Schmelzpunkt) schnell prismatische Kristalle. Bei Be- ruhrung mit oktaedrischem Schwefel entstehen in dersclben Fliissigkeit fiir denselben Temperaturabschnitt oktaedrieche Kristalle, aber langsamer, weil bei dem Ausscheiden dieser Kristalle mehr Warme frei wird, als bei der Bildung der prismatischea Kristalle. Bei Beruhrung rnit oktaedrischen Kristallen werden die prismatischen Kristalle triibe, indem sich die Prismen in oktaedrische Kristalle verwandeln. Diese Triibnng oder Umwandlung der Prismen in Oktaeder pflanzt sich von der Impfstelle mit konstanter Geschwindigkeit fort, bei 44 bis 55O am schnellsten. Bei haherer und niederer Temperatur als 55 O, schritt die Umwandlung allmllhlich lang- samer fort. Bei - 2 3 O und 94,6O mit gleicher Geschwin- digkeit.

Kristalle von oktaedrischem Schwefel wurden bei Tempe- raturen haher als etwa 97,6 O durch BerIihrung . rnit prisma- tischen Kristallen in prismatische Elemente nmgewandelt. Die Umwandlungstemperatur wechselte ebenfalls mit dem Vorleben der oktaedrischen Kristalle. Die Geschwindigkeit der Um- wandlung hing von der Temperatur ab, bei der sich die pris- matischen Kristalle gebildet hatten, ferner von der Abkuhlungs- geschwindigkeit und der Endtemperatur der gebildeten p i s - matischen Kristalle. Die Geschwindigkeit der Umwandlung wechselte aber auch mit den Operationen, welchen der ge- schmolzene Schwefel vor der Bildung der Kristalle unterworfen war; der Temperatur, bis zu der er erhitzt, und der Geschwin- digkeit, mit der er abgekuhlt war.

16) D. Gernez, Compt. rend. 83. p. 217. 1876; Journ, d. phye. (1) 6. p. 212. 1876; Ann. d. chim. (6) 7. p. 241. 1886.

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Nach Foussereaul ' ) und Duter le) leitet geschmolzener Schwefel den elektrischen Strom. Nach F o n s s e r e a u nimmt der elektrische Widerstand von 114 bis 150° ab im Verbltnis von 9 : 1 und beim Erhitzen iiber 160° wieder zu. Wieder abgekiihlt hat Schwefel unter 1550 einen vie1 gr06eren Wider- stand, als vorher. Der Unterschied ist nm so graSer, je hbber der Schwefel erhitzt und je schneller er abgektihlt wird. Es scheint nicht ausgeschlossen , da0 das Leitungsvermogen des geschmolzenen Schwefels von einem Qehalt an Frerndstoffen herriihrte, etwa von Schwefelsilure, welche in dern Schwefel aufgelast war.

Schon Gernez und Duhem'O) nahmen an, daS der flUssige Schwefel ein Qemisch von zwei verschiedenen Schwefelarten ist. Bei Beriihrung mit einer Spur festen Schwefels wird die iiberkaltete Fliissigkeit fest und besteht wie vorher &us zweierlei festen Schwefelarten, von denen S in Schwefelkohlenstoff 16s- lich, die andere 8, unliislich ist. Je nach der Modifikation, durch welche der fliissige Schwefel zur Erstarrung gebracht war, ist S rhombisch (oktaedrisch) oder monoklin (priematisch). Die Umwandlung dea Schwefels S in S, ist von einer be- deutenden Wtbrmeentwickelung begleitet. Der Umwandlungs- punkt liegt um so niedriger, j e mehr unlaslicher Schwefel in dem Gemisch vorhanden ist.

Wenn man eben aus Schmelzfln6 entstandenen rhombischen Schwefel in Schwefelkohlenstoff' last, so bleibt nach B r a u n s eine ditnne Haut von amorphem einfach brechendem Schwefel mit den Umrissen des verschwundenen zuriick, ein Verhalten, das die Praparate des rhombiscben Schwefels mit denen der anderen Modifikationen teilen, und das diese euch dann zeigen, wenn der geschmolzene Schwefel nicht haher als auf 125O erhitzt war, ein Beweis, da6 schon bei dieser niederen Tempe ratur die Bildung der ziihen Modifikation beginnt. Selbst- verstlndlich wurde der Schmelzpunkt durch diem Beimengnng heruntesgedriickt.

In diesem anfiinglich immer einfach brechenden Hilntchen

17) (3. Fouaaereau, Compt. rend. 97. p. 996. 1883. 18) E. D u t e r , Compt. rend. 106. p. 836. 1888. 19) P. Duhem, Zeitechr. f. phyeik. Chem. 23. p.238. 1897. 20) R. Brsuns , N. Jahrb. f. Mineral.13. p. 6 4 8 % Taf. III-IX. 1900.

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entsteht, nachdem er in Canadabalsam eingelegt ist, manchmal sekundiire Doppelbrechung, besonders um die beim Schmelzen entstandenen Blilschen. Im polarisierten Licht erscheint das Hautchen ringsherum aufgehellt und durchschnitten von einem schwarzen g r e w , dessen Arme mit den Schwingungsrichtungen der Nicole zusammenfallen. Zweifellos sei die Doppelbrechung eine Folge innerer Spannung.

Blasen in dem Hilutchen von smorphem Schwefel ver- halten sich also wie Luftblasen in schrumpfender Leim- gallerte.'l) Amorpher Schwefel ist meines Erachtens eine Gallerte.

B r a u n s hat 1900 die Kristallisation des Schwefels aus seinem Schmelzfluf3 untersucht und in schanen Photographien abgebildet. Er unterscheidet acht kristallisierte Schwefel- modifikationen:

1. Rhombischer oktaedrischer Schwefel. 2. Monokliner prismatischer Schwefel, von M i t s c h e r 1 i c h

entdeckt. 3. Kryptoradialfasriger , konzentrisch schaliger (mono-

kliner?) Schwefel, gleich der ,,dritten" Modifikation Nuthmanns .

4. Radialfasriger , monokliner Schwefel = soufre nacre Oernez.

5. Radialfasriger rhombischer Schwefel. 6. Trichitischer Schwefel. 7. Monokliner Schwefel, sechsseitige Tifelchen, von Mut h -

mann entdeckt. 8. Hexagonal rhomboedrischer Sch wefel , von E n g e 1

entdeckt. Bei geheuzten Nicolschen Prismen mit vertikaler und

horizontaler Polarisationsebene zeigten Sphiirokristalle des konzentrisch schaligen Schwefels Nr. 3 und des radialfasrigen Schwefel~ Nr. 6 ein aufrechtes dunkles Kreuz, des radialfasrigen monoklinen Schwefels Nr. 4 ein liegendes dunkles Kreuz. Hierzu kommen noch der dilnnflilssige und der ziihfltissige mit dem amorphen Schwefel, und zwei oder drei durch ihre Dampfdichte unterschiedene Arten des Schwefeldampfes S, S, Sa, -

21) G. Qnincke, Ann. d. Php. 14. p. 877. Fig. 201. 1904.

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so daB nach B r a u n s der Schwefel etwa 12 durch ihren Energieinhalt verschiedene Zustllnde annehmen kann.

Meines Erachtens darf man den Schwefel mit optischer Doppelbrechung ohne ebene Begrenzungsflachen, wie den trichi- tischen Schwefel und einige der radialfasrigen Modifikationen, nicht als kristallisierten Schwefel auffassen (vgl. unten $9 195 bis 201).

Maluss3 hat die Untersuchungen von Gernez tiber die Kristallisationsgeschwindigkeit des Schwefels fortgesetzt. Eine konzentrierte Losung von Schwefelblumen in Schwefelkohlen- stoff .von 40° wurde warm filtriert, in einer Kflltemiachung von Kochsalz und Schnee unter Umrlihren abgekiihlt, daa niedergeachlagene feine Schwefelpulver einige Monate zwischen FlieSpapier gepreSt, 48 Stunden in einem Dampfbad auf 70 bis 80° erwarmt. Dieser Schwefel, welcher ganz frei von Schwefelkohlenstoff gewesen sein sol1 (ii), wurde zerrieben, durch feine Leinwand gesiebt und in unten geschlossene Glasrohren von 2 mm Durchmesser und 0,2 mm Wanddicke gebrscht, welche mit einem Papierhlltchen bedeckt und im Dunklen aufgehoben wurden. Dieses Pulver von oktaedrischem Schwefel wurde in den Glasrbhren geschmolzen und 15 Minuten oder 3 bis 12 Stunden in einem ,,Schmelzbad", dem Dttmpf von kochendem Quecksilber erhitzt. Hierdurch erhielt M a lu s zwei verschiedene Schwefelarten S, und S,, welche bei 357 O

eine schwarze Fliissigkeit bildeten. In einem ,,H&rtungsbad" von 15O verwandelt sich S, in weichen, S, in harten SchwefeL Der weiche Schwefel ging in einigen Tagen in harten Schwefel iiber.

Der Schwefel S, aus dem Schmelzbad von 357O in ein ,,fherschmelzungsbad'l von looo getsucht, entfilrbte sich in wenigen Sekunden unter Volumenabnahme von 1/1, des Volumens zu einer rotlichen, spflter zu einer honiggelben, sehr klebrigen Fltissigkeit, in welcher sich zahlreiche Qasblaschen entwickelten. Die Fliissigkeitskuppe bildete eine langgestreckte Rbhre, welche langsam in Blasen zerfiel. Die Gasblasen konnten durch leichte Stolle oder mit einem Glasstilbchen entfernt werden. Wurde 5 Minuten nach dem Eintauchen die Oberflllche mit

22) Ch. Malus, Ann. d. cbim. (7) 24. p. 491. 1901.

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prismatischem Schwefel geimpft und dadurch die Kristallbildung eingeleitet, so riickte die Grenze zwischen erstarrtem und noch fliissigem Schwefel in einer Flbsigkeitssilule ohne Gasblasen mit zunehmender Geschwindigkeit vor. Die Erstarrungsdauer fiir Strecken yon 1 cm betrug fur das erste Zentimeter 120 Sek. und nahm allmahlich ab bis 60 Sek. und weniger. Klebriger Schwefel 8, von looo, in ein Hiirtebad von 15O getaucht, gab Luftblasen rnit feinen Nadeln von hartem Schwefel an der Oberflache oder milchigen Schwefel.

Der Schwefel S,, in ein Uberschmelzungsbad von looo gebracht , entfbrbte sich ohne Gasentwickelung in einigen Sekunden zu einer fast farblosen, wenig klebrigen Fliissigkeit rnit beinahe ebener Fliissigkeitskuppe. Mit Kristallsplittern von oktaedrischem, prismatischem oder Perlmutterschwefel bei 100 O geimpft, hatte er konstante Erstarrungsdauer far Strecken von 1 cm, namlich

5,25 Sek. f i r prismatiachen Schwefel, 10,50 ,, fir oktaedrischen Schwefel, 40 ,, ftir Perlmutterschwefel.

Beim Eintauchen in das Uberschmelzungsbad entwickelten sich gar keine oder wenig Luftblasen, die in der wenig klebrigen Fliissigkeit emporstiegen. Der obere Teil der Fliissigkeit blieb gew6hnlich stiirker gefarbt und zeigte dementsprechend gr6Bere Erstarrungedauer. Die Kristallisationsgeschwindigkeit nahm mit abnehmender Temperatur t des Uberschmelzungsbadee bei Impfung mit prismatischen Kristallen zu. Es betrug fur

t = 100 95 92,3 81,5 70° die Eretarrungedauer von 1 cm 6,35 2,66 1,80 0,8 0,7 Sek.

Prismatischer Schwefel wurde erhalten am unteren Ende einee Glasfadens durch Eintauchen in oktaedrischen Schwefel, der bei 126 O geschmolzen war. Perlmutterschwefel kristallisierte in seidengliinzenden Nadeln, wenn man die AuSenseite der Glas- r6hre mit iiberschmolzenem Schwefel von looo mit einer kalten Pinzette beriihrte. Der Perlmutterschwefel schmolz bei 106,6 Durch Impfen mit prismatischem Schwdel verwandelte sich der Perlmutterschwefel von looo unter Ausdehnung in prismatischen Schwefel mit einer Umwandlungsgeschwindigkeit von 1 cm in 60 Sek.

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Der Schwefel 8, verwandelte sich allmahlich in S, durch

Scbmelsblider von 18 Stunden bei 8000 $ 9 1) 3 $9 ,, 3570 9 9 19 II. 9 , ,, 440°.

Lilngeres Erhitzen auf Temperaturen liber SOOO gab Schwefel a,, sehr langes Erhitzen auf looo gab Schwefel Si, der dieselben eben beschriebenen Eigenschaften wie Schwefel S, hatte. Beim Aufwiirmen auf 185 O oder haher wurde A!?,’ wieder klebrig, S, nicht.

Leitete man 10 bis 25 Min. einen Strom von Kohlensilure- blasen durch Schwefel in einem Schmelzbad von 357O, ‘so wurde er, statt in 3 Stunden, schon in 10 bis 25 Min. in A!?, verwandelt. Dasselbe geschah in 5 Mia, wenn in das Schwefel- pulver vor dem Schmelzen oder in den geschmolzenen Schwefel ein Qlasstab eingeschoben war. Der Schwefel verwandelte sich bei 357O niemals in S,, wenq er mit Qas von schwefliger Saure gesiittigt war. Schwefel 8, in einem Schmelzbad hoher Temperatur geht bei Qegenwart von schwefliger Silure niemals in 8, uber. Ychwefel S, enthiilt SO, aufgelast oder chemisch gebunden. Sobald SO, fehlt, ist 8, in S, iibergegangen. Eine Atmosphke von Kohlensawe oder das Einschieben eines Olas- stabchens in den geschmolzenen Schwefel beglinstigte das Ent- weichen der SO,, die Bildung von S,.

Schwefel bei 120° im Vakunm geschmolzen, nach Ent- weichen der Gasblasen im Vakuum erst& und wieder ge- schmolzen, gab stets Gaeblasen, auch nachdem diese Operation 80 ma1 wiederholt war. Fester Schwefel enthiilt immer Gase.

A. S m i thag leitete verschiedene Qase durch geschmolzenen Schwefel bei 448O, ktihlte den Schwefel platzlich in Eis ab und bestimmte die Menge des amorphen unlaslichen Schwefels in der erkalteten Masse. Mit Luft, SO,, ClE wurden 34,5, 36,6 und 38,5 Proz. amorpher Schwefel gefunden. Mit N, CO,, SH und NH, 4,7, 4,5, 0,8 und 0 Proz. Der Verf. schlie0t daraus, da0 absolut reiner Schwefel keinen amorphen Schwefel bildet.

Aus einem Gemisch von oktaedrischem und amorphem

23) A. Smith, Proc. Roy. SOC. Edinb. 24. p. 344. 1902.

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Schwefel last nach A. Smith und W. B. Holmesa4) kalter Schwefelkohlenstoff um' so mehr amorphen Schwefel auf, je grijBer der Prozentgehalt des Oemisches an amorphem Schwefel ist. Bei reinem amorphen Schwefel wurden 4,7 Proz., bei 2 Proz. amorphen Schwefels im Gemisch wurden 13 Proz. des vorhandenen amorphen Schwefels gel6st. Der Gefrierpunkt von reinem geschmolzenen Schwefel hing von der Menge des darin enthaltenen amorphen Schwefels ab. Die unter 1 19,25 O

beobachteten Erniedrigungen des Schmelzpunktes waren dieser Menge proportional, in Ubereinstimmung mit dem Raonltschen Gesetz. Das Molekulargewicht des amorphen Schwefels sol1 8, und der amorphe Schwefel mit dem loslichen isomer sein. A. Smith und W. B. Holmesa6) fanden in Schwefel, der durch Einwirknng der Luft, Spuren von Schwefeldioxyd oder Schwefelsllure aufgenommen hat

bei 130 140 150 160 170 180 200 220 240 310 448" Prozent unliislichen Schwefel

4,2 5,6 8,7 11,0 18,7 22,5 27 29,4 83 82,8 S4,l

Nach A. Smiths? tritt i n geschmolzenem Schwefel leicht erkennbare ViskositZit zuerst bei 159,5O auf. Bei 160° ist die Viskositat schon sehr groB. Wenn Schwefel bei 162,5O oder einer hoheren Temperatur erhalteii wird, so tritt plotzlich Wlirmeabsorption und gleichzeitig eine VergrOSerung der Vis- kositit auf, und die Temperatur sinkt auf 1629 Dies zeigte sich fb Schwefel sowohl bei Gegenwart von schwefliger Silnre - welche die Bildung von amorphem Schwefel in schnell gektihltem Schwefel beglinstigt - als auch nach Behandlung mii Ammoniak, welches die Bildung von amorphem Schwefel vollstindig hindert. A. Smi th unterscheidet 1906 zwei fltissige Znstinde des Schwefels, welche nur teilweise mischbar sind. Gelben leicht beweglichen Schwefel S,, welcher in geschmolzenem Schwefel fUr den Temperatnrabschnitt von seinem Schmelz- punkt 119,26 bis 160° tiberwiegt, und braunen klebrigen

24) A. Smith und W. B. Holmes, Zeitachr. f. physik. Chem. 42.

25) A. Smith und W. B. Holrnee, Zeitachr. f. physik. Chem. 64.

28) A. Smith, Proc. Roy. SOC. Edinb. 26. I. p. 588. 1905.

p. 480. 1903.

p. 267. 1906.

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Schaumstruktur des Schwefels usw. 635

Schwefel SI4, welcher oberhalb 160° liberwiegt. Bei steigender Temperatur silttige sich S, mit S,, und die neue Phase scheide sich aus, und umgekehrt bei sinkender Temperatur. Die Aus- dehnung von gelbem beweglichen Schwefel S, nahm schnell ab von 154 bis 160O; die von braunem klebrigen Schwefel Sp nahm schnell zu von 160° aufwilrts.

Nach den neuesten Untersuchungen von A. S m i t h und W. B. H o 1 me s ") sind S, und Sp bei dem Ubergangspunkt ( I 60 von Sp in S, einander gleich. Amorpher Schwefel ist unter- kiihlter und 8, die fiber l8O0 stabile Form des Schwefels. Die unlbsliche Form finde sich in allen Proben geschmolzenen Schwefels nnd in Mengenverhiiltnissen , die einzig und allein von der Temperatur abhingen, gleichgtiltig, ob dieeelben durch Behandlung mit Ammoniak oder anderweitig ihre Fhhigkeit, unloslichen Schwefel zu bilden, verloren haben, oder nicht.

Bei Anwendung von reinem Schwefel, welcher durch Um- kristallisieren oder durch Behandlung mit Kohlendioxyd ober- halb 310° oder mit Ammoniak oder Schwefelwasserstoff in ge- schmolzenem Zustande von schwef liger s tu re befreit wurde, verwandelt sich Sp so rasch in die losliche Form, da6 er nicht uiiterklihlt werden kann. Bei Anwesenheit von Spuren von Schwefeldioxyd , Jod und anderen Substanzen wird Sp mehr oder weniger vollstandig unterklihlt und gibt amorphen Schwefel.

In der folgenden Zusammenstellung gebe ich eine Uber- sicht der Eigenschaften von up y-Schwefel. . Die kleinen Zahlen beziehen sich auf die vorstehend aufgefilhrten Untersuchungen und entsprechen den unter dem Text angefiihrten Literatur- angaben.

u-Sc h w e f e l !-Soh w e f e l r -Sc h w e f e 1 Kristallform oktaedriach oder prismatiech oder amorph, plaatisch

rhombiech monoklin oder weich, epgter inSchwefelkoblen- l6elich 1681ich feet, (faet) unlbelich

Eratarruugspunkt 114,5O 111O l) 119,2OS4) Perlmutterscbw. stoff

beim Abkiihlen

Schmelzpunkt beim Erwbmen 1 13,4 ') 1 l7,4O ') 113,4 O l6)

Spez. Gewicbt 2,066 bia 2,045 1,982') 1,957 bie 1,917

I 112,4019 120O') [ 106,6O") 117,4 *)

1,785 27) A. Smith und W. B. H o l m e s , Zeibchr. f. phyeik. Chem. 64.

p. 292. 1906.

Page 12: Die Schaumstruktur des Schwefels und deren Einfluß auf Doppelbrechung, Dichroismus, elektrische Eigenschaften und Kristallbildung

636 G. Quincke.

AbkUhlunga- geachwindigkeit

Erwbrmunge- geachwindigkeit

Viskositllt Oberflllchen-

apannung Dichteiindernng

Minimum bei Maximum bei

115O 159,5010) 145 u. 155O') 170° 260°

96O 11 5 O 160°L0) 162°98) 16S0@) 145-166' 326")

157O la) 195' 'I) 2O0-22Oo1')

156O 16) 1i'Ol6' la)

160-1'70' 16) 154-160°p')

Ich schlieSe aus den im Vorstehenden aufgeftihrten Beob- achtnngen , daS fliissiger Schwefel in gewohnlichem und in uberschmolzenem (unterkiihltem) Zustande eine Mischung oder Legierung von drei oder mehr allotropen Modifikationen des Schwefele Q @ 6 . . . y-Schwefel ist; daS diese Mischung bei derselhen Temperatur verschiedene Mengen jeder Schwefelart enthalten kann, die mit Hohe, Dauer und Wiederholung der ErwLmung, sowie der Abkiihlungsgeschwindigkeit und Uber- killtungsdauer wechseln ; die allotropen Modifikationen der Zwischenglieder @ 6 . . . - Schwefel konnen chemische Verbin- dungen der Endglieder von Q nnd y-Schwefel sein.

Ich werde im folgenden zeigen, wie geschmolzener Schwefel beim AbkUhlen Erstarren und Schmelzen ahnliche Erschei- nungen zeigt, wie Wasser und Eis (vgl. Ann. d. Phys. 18. p. 1 bis 88. 0 170-186. 1905.).

8 188. Olartiye Schaumwande mit Oberflachenspannung im fliissiyen Schwefel. Haitepunkte beim Abkiihlen und Erwarmen Die braune, klebrige fadenziehende Fllissigkeit , welche der Schwefel fir einen bestimmten Temperaturahschnitt (160-200") bildet, ist nicht homogen (vgl. Ann. d. Phys. 10. p. 480. 8 85. 1903). Ich halte sie far eine Gallerte mit sichtbaren oder unsichtbaren Schaumkammern und flussigen blartigen Schaum- wanden.

Auch bei anderen tieferen Temperaturen treteii, wie ich unten (fjQ 189-200) nachweisen werde, Schaumwihde aus ol- artiger Fllissigkeit A in einer heterogenen Fliissigkeit B auf.

Mischungen mehrerer allotroper Modifiationen verschie- dener Zusammensetzung oder Konzentration kiinnen gleich- zeitig vorhanden und dlartig sein, Oberfliichenspannung an

Page 13: Die Schaumstruktur des Schwefels und deren Einfluß auf Doppelbrechung, Dichroismus, elektrische Eigenschaften und Kristallbildung

Schaumstrukbr des Schwefels usw. 637

ihrer gemeinsamen Orenze zeigen. Schmelzpunkt, Klebrigkeit und 0 berfiachenepannung dieser alartigen Mischungen hbgen wieder von der Zusammensetzung oder dem Vorleben dee fliissigen Schwefels ab.

Bei der Umwandlung einer allotropen Modifikation in eine hBher etehende und bei der Bildung von kapillaren OberflPchen oder olartigen Schaumwlnden wird Wiirme gebunden. l) Bei der umgekehrten Umwandlung oder beim Verschwinden deP kapillaren ObedPche oder Olartigen Schaumwande wird diese W k m e wieder frei. Diese gebundene Wllrme verzbgert den Tempernturanstieg beim Erwilrmen und den Temperaturabfall beim Erkalten und bedingt die Umwandlungstemperatur oder die sogenannten Haltepunkte beim Erwiirmen und deren Dauer.

Die Haltepunkte oder Minima der Abktihlungsgeschwindig- keit , welche man am geschmolzenen Schwefel beim Erkalten beobachtet hat, erklPren sich zum Teil durch die Wllrme- entwickelung beim Ubergang von Sy in $8 bei 260°(?), von Sa in S, bei 160°, von S, in 8, bei 95,6O. Da die Schaum- w b d e sich aus iibersiittigtsr Losung ansscheiden, so erfolgt ihre Ausscheidung wllhrend dee Ertoarmms bei hbherer Tem- peratur (168 ale ihre Auflbsung whhhrend dee Abktihlens. Die wiihrend der Abktihlung verechwindenden Schaumwilnde der olartigen FlUssigkeit A verzagern die Abkiihlungsgeschwin- digkeit entsprechend dem Haltepunkt 155-146 O.

Mit dem Verschwinden der Schaumwande aus Fliissig- keit A tritt das Minimum der Viskositiit und der kapillaren Steighohe ein.

Bei gleicher Menge ausgeschiedener alartiger Flussigkeit A muS je nach der GroSe der Oberflache oder der Anzahl und Dicke der entstandenen und verechwundenen Schsumwande rlnr ~ a ~ ~ ~ ~ ~ ~ i . . ~ + ,.ann WA,,~,,,...,,L, -Aronxnar- ..A A 1.

Page 14: Die Schaumstruktur des Schwefels und deren Einfluß auf Doppelbrechung, Dichroismus, elektrische Eigenschaften und Kristallbildung

638 G. Qumcke.

Ubrigens hilngt die Umwandlung einer isomeren Modifi- kation in die andere nicht allein von einer bestimmten Tem- peratur, der Umwandlungstemperatur, ab , sondern auch von der Geschwindigkeit, mit welcher die Umwandlungstemperatur auftritt oder iiberschritten wird, und von den Substanzen, die mit einer ilberkalteten oder uberhitzteu isomeren Modifikation in Berilhrung kommen , auch wenn dime Substanzen nur in 8ehr geringer Menge vorhanden sind. Mit der Qeschwindig- keit der Temperaturanderung wechseln also auch die Zu- sammensetzung, Viekositat und Oberfhhenspannung der Flussig- keiten A nnd B, der Schaumwande und des Inhnlts der Schaumkammern. AuBerdem modifizieren sehr kleine Meugen Fremdstoffe erheblich die Ausscheidung und Liisung der Schaumwbde und deren Gehalt an So, Sa, Sat 8,. Dies er- klilrt dann die schwankenden Angaben der verschiedenen Beob- achter bei den Temperaturen far Schmelzpnnkt , Maximum und Minimum der Viskositilt, Laslichkeit der verschiedenen Schwefelarten (vgl. 5 187).

Wahrecheinlich lassen sich alle Fltissigkeiten urn so leichter und um so tiefer unter ihren Schmelzpunkt abktihlen, ohne zu erstarren, j e gr6Ser ihre Oberflache im Vergleich zu ihrer Masse ist, wie dies durch die Versuche von Sorbya) und Dufourg bei Wasser nechgewiesen wurde (vgl. unten $0 197, 199). Mit der Oeschwindigkeit der Abkiihlung wachst die Meinheit der Schaumkammern und die Anzahl oder die Ober- fiilche der Schaumwande aus periodisch abgeschiedener olartiger Fliissigkeit, wie ich4) dies bei gefrierendem Eis und Eisen nanhpctwieactn hahct. lnhalt iind Wiinrlc! dnr Snhniimknmmctrn

Page 15: Die Schaumstruktur des Schwefels und deren Einfluß auf Doppelbrechung, Dichroismus, elektrische Eigenschaften und Kristallbildung

Schaumstruktur des Schwefels urn. 639

des iiber 300° erhitzten y - Schwefels entsteht der weiche, klebrige zllbfliissige amorphe (unlbsliche) SchwefeL

8 189. Die OberfEirchenspannuriy des yeschmolzenen Schwefels. Die Oberflilchenspannung von braunem dickfliissigen Schwefel ist gri33er ale die Oberflllchenepannung von gelbem diinn- fliissigen Schwefel.

Mit Glss bildet dickfllissiger brauner Schwefel Bandwinkel von 90 O, dtinnfillssiger gelber Schwefel bei einer Temperatur von 1200 Randwinkel von 45--90°.

Qeechmolzener brauaer Schwefel von h6herer Temperatur als 160° breitet sich auf reinen Quecksilberfiiichen nicht aus und bildet flache Tropfen von ilhnlicher Form, wie Qnecksilber auf Mas. DunnflUssiger hellgelber Schwefel von 120 O breitet sich dagegen auf einer reinen Queckeilberflikhe aus und er- starrt zu einer Haut mit Falten und koniechen Vertiefungen (vgl. unten 4 191).

Aus der H6he flacher Schwefeltropfen, welche auf Glimmer erstarrt waren, fand ich die spezifische Kohiision dee braunen geschmolzenen Schwefels

as = 8,70 bis 8,12mma,

des leichter fliissigen Schwefels aa = 4,07 mma.

Aus dem Gewicht von Schwefeltropfen, die vom unteren Ende einer Glasrahre abfielen

aa = 11,61 mms.

Aus der kapillaren Steigh6he von gelbem leichtflhigen Schwefel in einer kapillaren Qlmr8hre mit dem nnbekannten Bandwinkel w

as COB w a 6,76 mms.

F r a n k e n h e i m l) fand mit kapillaren SteighBhen in Qlas- rohren

bei 1000 a4coaw 3 4,61 mms ,I 111 4928 9 ,

?, 125 8985 19

___ v 150 3340 99

1) M. L. Frankenheim, Pogg. Ann. 72. p. 210. 1847.

Page 16: Die Schaumstruktur des Schwefels und deren Einfluß auf Doppelbrechung, Dichroismus, elektrische Eigenschaften und Kristallbildung

640 G. Quinche.

Pisat ia) mit derselben Methode filr jungfrilulichen Schwefel bei 155,6O a* COB w = 2,95 mm*

99 17096 4974 9*

fiir modifizierten Schwefel bei 175,6O ar COB w = 4,96 mm*.

Da der Randwinkel w unbekannt ist, lM3t sich aus diesen Versuchen von Pisati der Verlauf der Oberflbhen- spannung f i r verschiedene Temperaturen nicht mit Sicherheit bestimmen.

Bus einer diinnwandigen, wharf abgeschnittenen vertikalen Qlasrahre am unteren Ende einer Pipette lie0 ich langsam Schwefel abtropfen, wahrend der Schwefel sich von einer Tem- peratur liber 300° bis zum Schmelzpunkt abkahlte. Die Tropfen fielen nebeneinander auf eine reine Qlimmerplatte, welche auf einem Holzbrett lag, wurden nach dem Erkalten gewogen nnd dann von der Seite und gleichzeitig von oben mit einem dariiber gestellten rechtwinkligen Glasprisma photographiert (Fig. 230, Taf. 111, Photographie).

Die vorletzte Spalte der folgenden Zusammenstellung der Messungen gibt die mit der Gleichung

berechneten rohen Werte der Oberfilchenspannung. Diese sind nur angenahert richtig, da auoh an der auBeren Ober- flilche des Olasrohres sehr klebriger fliissiger Schwefel herab- flo0 und ein Teil des Tropfens beim Abfallen am Glasrohr hiingen blieb. Die letzte Spalte gibt die mit Beracksichtigung dee hlingengebliebenen berechneten We* der Oberfltichen- spannung a mit der von K o h 1 r aus c h a) gegebenen Korrektion. Die Zahlen fur oc geben auch angeniihert die spezifische Ko- hileion aa, da das spezifische Gewicht des fliissigen Schwefels nahezn 2 ist.

2) G. Pieati , Cimento (5) 2. p. 154. 1877. 3) F. Rohlraneeh, Ann. d. Phye. 20. p. 804. 1906.

Page 17: Die Schaumstruktur des Schwefels und deren Einfluß auf Doppelbrechung, Dichroismus, elektrische Eigenschaften und Kristallbildung

Schaumstruhtur des Schwefels usw. 641

Abgefallene Schwefeltropfen mit Glasrohr von 1,45 mm = 2 r.

I Durch- 1 H6he 1 Gewicht Nr. meeser

3,54 3,57

9,98 3,16

3,68 3,68 4,27 5,02

2,41 2,42 1,93 1,94 1,50 194 190 039

32,5

24,l 26,O 19,o 17,4 19,7

35,o

22,l

Oberilgiebenepannung

mR 7904 7,68 5,22 5,63 4,11 3,77 4 , a ~ 4,79

mg 9777

10,45

5,40 6,77

Mit sinkender Temperatur nehmen hiernach Gewicht und 0 berflllchenspannung der Tropfen bis zu einem Maximum zu, dann erheblich ab bis zu einem Minimum und dann wieder zu.

Die Oberflllche der emtarrten Tropfen Nr. 1 und 2 zeigte wellenfdrmige und gefiederte Rippen, von Nr. 5 parallele pris- matische Kristallnadeln, von Nr. 7 gewundene Fasern und zickzackfermige Linien mit Neigungswinkeln von 1 20°, Nr. 8 parallele Fasern rnit Qnerrippen. Die Tropfen Nr. 3 und 4 hatten eine glatte Oberflgche mit feinen Querrippen. Dies deotet auf diinne olartige Schaumwllnde in den emtarrenden Schwefeltropfen, wie ich sie ilhnlich bei Eis beobachtet habe.

Moglichst kalter gelber diinnfliissiger Schwefel oder brauner klebriger Schwefel erstarrten auf reinen Qneckeilberflilchen zu flachen Tropfen, deren Hllhe zwischen Knppe und Bauch rnit einem horizontalen Mikroskop und Okularmikrometer gemessen wurde. Daraus e g a b sich

fiir gelben fnr braunen Schwefel die spea. KohPeion as = 8,70 mms = ?,73 mm'

Ein zuf&llig auf den FuSboden gefallener Schwefeltropfen zeigte erkaltet dieselbe Form, wie ein erstarrter flaoher Silber- tropfen von gleichem Durchmesser, oder

a* = 17 mm3 Oberfliichenspannung und spezifische KohBsion des Schwefels

wechseln nicht nur mit der Temperatur in ungewllhnlicher Weise, anders wie bei anderen Flfissigkeiten, sondern auch

Annalem der Phpik. IV. Folge. 96. 42

Page 18: Die Schaumstruktur des Schwefels und deren Einfluß auf Doppelbrechung, Dichroismus, elektrische Eigenschaften und Kristallbildung

642 G. Quincke.

mit der Geschwindigkeit, mit welcher der fliissige Schwefel erkaltet wird.

Die Messungen von Hm. Dr. Z i c k e n d r a h t im Heidel- berger physikalischen Institut iiber den Kapillardruck von Qasblasen in geschmolzenem Schwefel von verschiedener Tem- peratur ergaben llhnliche Resultate. Die Oberfliichenspannung des geschmolzenen Schwefels wurde mit ammoniakhaltigen Luftblasen gefunden 3

bei 144 150 248 304 243 174O u = 5,65 5,63 12,05 9,70 10,56 6,05 mg/mm.

Im Mittel wurde gefunden bei 120 160 2b0 300 445O o a >6 6 12 6 4,5 mg/mm.

Durch lllngeres Kochen stieg das Maximum von ac und sank dann wieder. Die Temperatur, bei welcher das Maximum auftrrtt, war ebenfalls recht betrichtlichen Schwankungen nnter- worfen. Maximum und Minimum von ac und die zugehbrigen Temperaturen witren beim Erwiirmen und Abktihlen ver- schieden.

Da im allgemeinen die Oberflilchenspannung einer Fltissig- keit mit sinkender Temperatur zunimmt, so weist das anormale Verhalten des fliissigen Schwefels zwischen 260 und 160° auf die Bildung einer besonderen allotropen Modifikation des Schwefele - 6- Schwefel - hin, mit gr6Serer OberflLchen- spannung als p- oder y-Schwefel.

Hr. A lexande r S m i t h hat mir nach dem Erscheinen der Arbeit von Dr. Z ickendrah t hrieflich Bedenken gegen die Anuahme dieses Sd ausgesprochen. Nach seiner Meinung sind zwei allotrope Modifikationen des Schwefels anzunehmen, gelber leicht beweglicher Schwefel 8, mit kleiner Oberflilchen- spannnng und brauner klebriger Schwefel Sp mit grofier Ober- flllchenspannung. Wenn in geschmolzenem Schwefel, Gemischen von S, und Sp, lnit steigender Temperatur der Prozentgehalt von S,, zunimmt, so wiirde dadurch die OberHachenspannung (10s Qemisches such zunehmen. Diese Zuixthme iibertriife fiir einen bestimmten Temperaturabschnitt die von der Temperatur- -- .~

4) H. Z i c k e n d r a h t , Ann. d. Phye. 21. p. 146. 1906.

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Schaumskuhr des Schwefels usw. 643

steigerung herrtihrende Abnahme der Oberfllchenspannung, bis das Maximum der Oberflkchenspannung bei 250° erreicht sei.

Diese Erklikung kann richtig Bein, steht aber in Wider. spruch mit der Tatsache, da0 unterktihlter fitissiger Schwefel mit vie1 amorphem Schwefel eine kleinere Oberfliichenspannung hat, ale unterktihlter fltlssiger Schwefel rnit wenig amorphem Schwefel (vgl unten OQ 196, 197). Die vielen verschiedenen Itistallformen, in welchen der Schwefel kristallieieren kann, sprechen ebenfalls ftir mehr als zwei allotrope Modifikationen. Ich kann aber wohl zugeben, da0 zwei bei hoher nnd bei niederer Temperatur stabile allotrope Yodifdcationen des Schwefels mit kleinem und goBern Molekulargewicht S, und So existieren - die dem Smithschen S,, und S, entsprechen wftrden -, und da6 diese f ir Zwischentemperaturen unter- einander eine chemische Verbindung und dadurch new allo- trope Modifikationen Sp, S, . . . bilden kdnnen, welche far Zwischentemperaturen (mehr oder weniger) stabil waren.

Frtiher (# 42, Ann. d. Phys. 7. p. 131, Figg. 62, 63. 1902) habe ich die runden Gebilde Spharohristalle genannt, welche zwischen gekreuzten Nicolschen Prismen ein schwarzes Kreuz zeigen, parallel den Hauptschnitten derselben im Azimut Oo und 90°.

Bei den Spbilrokristallen I. Klasse liegen eine Reihe &hn- licher Kristallnadeln radial angeordnet, ahnlich wie bei einer Kristalldruse. &ben die Sphkokristalle den optischen Haupt- schnitt parallel dem Radius, so zeigen sie zwischen gekreuzten Nicolechen Prismen ein aufrechtes dunkles Kreuz. Die Sphtrokristalle siud positiv oder negatir, wenn das parallel dem Radius polarisierte Licht die gr6Bere oder kleinere Fort- pflanzungsgeschwindigkeit in den Kristallnadeln hat. Dsnn zeigen die ungeraden oder geraden Quadranten mit einer gleich- zeitig eingeschalteten Gipsplatte von 1 Additionsfarbe, die

. geraden oder ungeraden Quadranten Subtraktionsfarbe. Mit einer gleichzeitig eingeschalteten Qipsplatte kann man also an der verschiedenen Farbenanderung der ungeraden und geraden Quadranten negative und positive Sphilrokristalle, d. h. Sphiiro- kristalle mit optisch negativen und positiven Kristallnadeln unterscheiden.

Bei monoklinen radial angeordneten Kristallen kann der

9 190. Spharohristalle I., II., III. K h s e .

42'

Page 20: Die Schaumstruktur des Schwefels und deren Einfluß auf Doppelbrechung, Dichroismus, elektrische Eigenschaften und Kristallbildung

G. Quincke.

optische Hauptschnitt gegen den Radius geneigt sein und einen Sphilrokristall bilden, der mit gekreuzten Nicolschen Prismen ein liegendes dunkles Krenz zeigt.

Spharokristalle II. Klasse entstehen aus einfrrch brechenden Kugeln oder Linsen bei radialer Dehnung oder Kompression. Die Kugeln kiinnen durch ilu6erliche Erwarmung oder Quellung in Wasser in radialer Richtung gedehnt oder durch iluberliche Abkuung oder Schrumpfung radial komprimiert werden. Sie zeigen zwischen gekreuzten Ni c o 1 schen Prismen mit einer gleichzeitig eingeschalteten Qipsplatte von A in den ungeraden und geraden Quadranten verschiedene Farbung, wie ein posi- tiver oder negativer Spharokristall I. Klasse mit positiven oder negativen Kristallnadeln.

Liegen radiale Fasern mit positiver und negativer Dila- tation oder entgegengesetzter Doppelbrechung neben- und uber- einander, so zeigen die Spharokristalle zwischen gekreuzten Nicolschen Prismen noch ein dunklee Kreuz, aber nicht ver- schieden gefiirbte Quadranten rnit einer gleichzeitig ein- geschalteten Gipsplatte. Ich werde solche Sphhokristalle 11. Klasse mit indifferenter oder neutraler Doppelbrechung in der Folge als Spharokristalle 111. Klasse bezeichnen.

8 191. Geschmolzencr Schwefel, auf Queckrilbc7 schiiell er- statrt. Bei den folgenden Versuchen wurden stets durchsich tige Kristalle von reinem oktaedrischen Schwefel benutzt.

Eine gr6Sere Menge von gelbem dlinnflussigen Schwefel erRtarrt auf Qnecksilber zu einer gelben Scheibe. Die obere gelbe Seite dieser Scheibe isoliert. Die untere Seite ist grtin- lich, entladet ein Qoldblattelektroskop augenblicklich , zeigt einen eigentiimlichen Glanz und flache konische Vertiefungen von 5 mm Uurchmesser mit feinen radialen Streifen. In Schwefelkohlenstoff last sich von der Unterseite eine unlasliche grlinlichgraue Haut ab.

Bei dickflirssigem braunen Schwefel, der auf Quecksilber erstarrt ist, fehlt der Glanz und die elektrische Leitftihigkeit der Unterseite.

Die leitende Haut, wahrscheinlich ein Quecksilbersulfid, fehlt auch, wenn man bei 120° geschmolzenen Schwefel auf einer 0,Ol mm dicken Glimmerplatte erstarren la&, welche auf Quecksilber schwimmt. Die Abkiihlungsgeschwindigkeit

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Schaumsiruktur des Schwefels usw. 645

ist dabei nahezu dieselbe, wie ohne Glimmer. Quecksilber verbindet sich also rnit hellgelbem Schwefel von 120°, aber nicht rnit braunem Schwefel von 300 oder 4009

Ein Tropfen von eben geschmolzenem leichtfliissigen Schwefel von 120° breitet sich auf reinem Quecksilber schnell zu einer diinnen Lamelle von 0,0001 bis 0,0002 mm Dicke mit blauer oder brauner Newtonscher Interferenzfarbe und 0,Ol mm breiten Falten aus, unter der sich das Quecksilber abgieben oder die sich mit einem Objekttrilger abheben l i t . Mit dem Mikroskop erkennt man in der ditnnen Lamelle Spinnennetze oder Sterne von 5,2 mm Dnrchmesser mit 20 bis 80 radialen Sektoren und vielen Falten, parallel dem Um- fang und parallel dem Radius (Fig. 231, Taf. II), in den Sek- toren viele feine radiale Fasern von 0,001 mm Dicke. Die Sektoren sind doppeltbrechend, haben den Bsnptscbnitt parallel dem Radius und bilden einen Sphhrokristall III. Klasee rnit indifferenter Doppelbrechung. Zwischen gekrenzten Nicolschen Prismen zeigt ein Stern ein aufrechtes dunkles Krenz und mit gleichzeitig eingeschalteter Gipsplatte oderQuarzkeilen(Ba bine t- schem Kompensator) keine Polarisationsfarben.

Zuweilen zeigen die Lamellen parallele Falten von 0,006 mm Abstand und geben Qitterfarben im refiektierten Licht, wie Perlmutter.

Diem Faltenbildung beweist, dad der erkaltende Schwefel von 120° keine homogene Fliilssigkeit ist, da6 sich in ihm un- sichtbare blartige Schanmwilnde normal zur Obedilche ab- geschieden, die obere und untere F l k h e gegeneinander ge- zogen und dadurch die Lamelle verlingert oder gefaltet haben.

Bei .dickeren Schichten bildet der dllnnflUasige Schwefel auf Quecksilber kegelfdrmige Vertiefungen von 1 bis 3 mm Durchmesser mit radialen Falten von 0,Ol a m and radialen Fasern von 0,001 mm Breite. Die Falten liegen normal ZP einer runden Lime im Mittelpunkt der Vertiefang von er- starrtem undurchsichtigen Schwefel mit Schaumkammern von 0,001 mm oder kleiner. Nach AbgieSen des Quecksilbers sieht man auf der Glasschale statt der kegelformigen Vertiefungen Spinnennetze mit braunen radialen Linien nnd konzentriechen Kreisen, oder Sphilrokristalle 111. Klasse, welche zwischen ge- kreuzten Nicolschen Prismen kein schwarzes Krenz oder ein

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646 G. QuincRe.

aufrechtes schwarzes Kreuz und indifferente Doppelbrechung zeigen. Die brannen Radien und Kreislinien sind nicht ein- fache Schaumwbnde, sondern eratarrte dtinne aus Schaum- kammern bestehende Lamellen.

Daneben liegen positive Sphhokrietalle 11. Klaese von 2,4 mm Durchmesser rnit 120 bis 160 radialen FPchern.

Einmal erhielt ich einen prachtigen positiven Spharo- kristall mit drei dnnklen Ringen von 0,3, 0,48 und 0,66 mm Durchmesser. Die Durchmesser verhielten sich also nahezu wie fi : v: fi . Nach einigen Tagen war dieser positive Sphbro- kristall verschwunden.

Bei Berilhrung mit einem Kristallsplitter von oktaedrischem Schwefel verwandeln sich die Sphiirokristalle 111. Klasse in eine Masse breitblhttriger gleich orientierter Kristalle von a-Schwefel, welche in einer bestimmten Lage zwischen den gekrenzten N i c o 1 schen Prismen gleichzeitig dunkel erscheinen.

Die Sphirrokristalle IIL Klasse verwandeln sich auch frei- willig ohne Impfung, oft schon nach wenigen 'Minuten, unter dem Polarisationsmikroskop in doppeltbrechende Kristalle von gewahnlichem a-Schwefel mit schonen Polmieationsfarben, die alle in demselben Stern gleich orientiert eein k6nnen. Oft tritt diem Kristallisation erst nach l'ingerer Zeit ein nnd man eieht die Kristalle langsam von der Mitte nach auBen wachsen.

SpLter traten an den Stellen der sichtbaren nnd unsicht- baren Schaumwhde Spriingo auf, die unter 90°, 45O u. 8. zusammenstollen.

Schwefel bei 160° geschmolzen, auf Quecksilber zu dtinnen Lamellen ausgebreitet und schnell erstarrt, gab Sphiirokristalle IIL K b s e von 0,8 mm Durchmesser mit radialen Fasern von 0,Ol mm Abstand; positive Spharokrista~ie II. Xkasse von 2,4 mm Durchmesser mit 120 bis 160 aullen breiter werdenden FBchern, wie Fig. 231, a, Taf. 11, oder von 1,s mm Durchmesser rnit radialen Fasern von 0,04 mm Breite, welche nach sullen spitz zuliefen (Fig. 231, b , Taf. 11); endlich negative SpharoAristaUc IL Kkasse von 0,36 mm.

Da ich ilhnliche Spharokristalle aus dbnnfltlssigem und dickfiilsagem Schwefel bei schneller AbWlnng auf QlasflBchen erhalten habe (8. 199), hat die leitende Haut auf der Unter- seite des Schwefele deren Bildung nicht beeinflullt.

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Schaumstruhtur des Schwet’els usm. 647

Ich mochte daran erinnern, daB ich auch bei wSchwefe1- losung (8 79, Ann. d. Phys. 9. p. 994. 1902) die Bildung von positiven und negativen 8phArokristallen beobachtet habe.

Bei Beriihrung mit Kristallsplittern von a- Schwefel ver- wandeln sich die Spharokristalle 111. Klasse in eine Masee gleich orientierter Kristalle.

0 192. Schwefel in Robisrrohrchen geschmolzeu und ge- Rocht, langsam und schnell erhaltet. Schwefel, in einem Probier- rohr bei 120° geschmolzen und langram erhaltat, sprengte bei langsamem Wiederanwlrmen die Glashiille. Der gelbe Schwefel- zylinder zeigte normal zur Oberfllbche feine wellenf6rmige Spriinge mit Neiguqgswinkeln von 120°, 90° u. a,, an der Stelle der unsichtbaren Schaumwiinde, welche sich in ihm ab- geschieden hatten (Fig. 232, Taf. 11). Eine Bruchflache normal zur Zylinderfllbche lie0 auf einer 0,8 mm dicken AuSenschicht feine Fasern erkenuen, normal xur Obediiche. Daneben weiter nach dem Innern breitere Fasern von 1 mm Breite und 6 mm Lange, mit Anschwellnngen. Im Innern Kugelflichen von 0,l bis 2 mm Durchmesser.

Derselbe Schwefel von 120 O mit dem Probierrohr in Queck- silber von O o rcIineU abgekiihlt, ist ebenfalls gelb, wie der langsam erkaltete. Mit einer Stahlspitze gedrrickt und ge- spalten, zeigte die l mm dicke AuSenschicht der BruchfliSche radiale Fasern von 0,05 mm mit Anschwellungen. Die Fasern wwen um so dtinner, j e schneller der Schwefel abgekUhlt wurde. Auf der AuBenseite des Zylinders erkannte man durch die. grUnliche Fllrbung eineelner Stellen Schaumwlbnde, welche einen sechsstrahligen Stern bildeten, lhnlich den Tyndall- schen Eisblumen, und kugelfdrmige Rbhren rnit Anschwellungen (Fig. 235, Taf. 11).

Oktaedrische Schwefelkrietalle wurden in einem frisch ge- gliihten Probierrohr geschmolzen und l/, Stunde lang gekocht. Dabei war ein unten zugeschmolzener Qlastrichter 81s loses Ventil auf das Probierrohr anfgesetzt, urn die atmosph&rische Luft abzuhalten (Fig. 235, Taf. 11). Bei langsamem Bbhiihlen und Bestrnhlen mit elektrischem Bogenlicht emchienen in der braunen Fliissigkeit wPhrend 10 Minuten kleine Blaeen, welche in der Fltissigkeit aufstiegen und nahe der Fltiesigkeitskuppe von der warmen belichteten naoh der killteren nicht belichteten

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648 G. QuincAc.

Yeite wanderten, wohl iafolge der Oberflbhenspannung, welche im khlteren Teile der Kuppe grafier war, als im wilrmeren Teile. Im Innern der tiefer gelegenen Fliissigkeit zeigten die Blasen keine Photodromie. Dabei setzten sich in der schein- bar klaren Flussigkeit, welche nahe der Oberflilche dunkler geftirbt war, am unteren Teile der vertikalen Glaswand kleine runde Trapfchen und dariiber zusammenhilngende braune Schaumwande an, noivlal zur Glaswand, in welchen das Mikroskop wieder unzahlige kleine Schaumkammern erkennen lieS. I m reflektierten Licht erschienen Beugungefarben an der Stelle der Trapfchen, die mit der Hiihe uber dem Boden wechselten und auf faltige Schaumwande im Innern der Fliissig- keit hindeuteten. AllmZihlich sohritt die Bildung der Trbpfchen nach oben fort. Die Flussigkeit erstarrte zuerst unten zu griingelben Kristallen, dann im oberen Drittel platzlich zu gelben Kristallen. Zuletzt erstarrte der mittlere Teil der Flilssigkeit. Am unteren Teile, wo die blaue Bunsenfiamme das Glas getroffen hatte, wurden braune Flecke von 0,7 mm Durchmesser sichtbar (Fig. 234, Taf. 11).

Nach dem Erstarren zeigte der gelbe Schwefelzylinder gerade oder wellenformige Sprltnge , normal zur Oberflache, welche unter 120 O zusammenstiefien. Griinlich gelbe Stellen auf der gelben Oberflache lieBen Schaumkammern, konische Rahren mit Anschwellungen und abgeruadeten Kopfen von 1 bis 3 mm Durchmesser erkennen. Eine hellgriine Bruch- fllche normal zur Zylinderachse zeigte in einer 1,05 mm dicken AuSenschicht 0,Ol mm dicke Fssern, normal zur Oberflache; im Innern muschligen Bruch mit KugelfliLchen oder Linsen von 0,2 bis 1 mm, welche auf geraden Linien oder Kreisbogen mit Neigungswinkeln von 120° verteilt waren. Zuweilen lagen die Linsen in einer Reihe nebeneinander, wenn sie durch Zerfallen einer zylindrischen oder kegelfbrmigen RBhre e n t standen waren, ahnlich wie bei tauenden Eisblacken.

Die Eracheinungen waren dieselben, wenn Schwefel stab 'I4 Stunde 2, 6 oder 9 Stunden gekocht hatte, oder wenn ein friech gezogenes Qlasstibchen 2 Stunden lang in den kochenden Schwefel eingeschoben war. Die braunen Flecke entstanden um so reichlicher, j e lilnger der Schwefel gekocht hatte. Nach Ablosen vom Glase entluden die braunen Flecke ein Elektroskop

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Sehaumstruktur des Schwefels usw. 649

sehr schnell, wahrend die gelbe OberflZlche isolierte. Unter dem Mikroskop emchienen die braunen Flecke wie Schaum- flocken, als ob sich unter dem Einflu0 des violetten Lichtes der BGsenflamme eine spezifisch schwerere Flussigkeit ge- bildet, an der Glaswand festgesetzt und zu Blasen oder Kugeln vereinigt hiltte and in Tropfen zerfallen w&re (Fig. 234, Taf. 11).

Beim Aufliiaen in. Schwefelkohlenstoff sah man an der Stelle der braunen Flecke aneinanderhilngende Qasblasen und braune nnloslicbe FiLden entstehen.

Nach 6 sttiindigem Kochen hafteten am oberen Rande des Probierrbhrchens in der Nilhe des Glaeventils ilberkaltete ffussige und erstarrte Tropfen, die bei der Siedetemperatur von 445 O nicht herabgeflossen waren, also sehr klebrige Fliissig- keit gewesen waren. Dieser Schwefel mochte Spuren schwefliger SLure enthalten, wenn das Glasventil nicbt ganz dicht ge- schlossen hatte. Die braunen Flecke am Boden konnten aber keine schweflige Silure enthalten. Vielleicht enthielten sie Schwefelleber und waren durch Einwirkung des Glases auf den siedenden Schwefel entetanden.

Kochender Schwefel mit dem ProbiexTohr in eine KUtlte- mischung von -20° gebracht und echnell erst&, war dunkler gefilrbt als der langsam erkaltete. Eine H6hlnng in der Mitte des oberen Teiles w a r mit kleinen prismatischen Kristallen bedeckt. Auf der Oberflilche lagen Dendriten und helle Stern- blumen (Fig. 235, a, b, T a t 11) von 3-8 mm Durchmesser auf granlichem oder braunem Grnnde, an l i ch den Ty ndallschen Schmelznngsfiguren im Eis mit 6- 18 radial gestellten Blilttern. Die Blatter hatten abgerundete Enden und hliufig Anschwellungen. Die verschiedetie Filrbung zeigte daneben Schaumkammern von 2 mm mit ebenen, wellenfarmigen oder kugelfdrmigen Wilnden. Diese Wiinde schienen oft unter anderen Winkeln, als 90°, gegen die Oberfliiche des Schwefelzylinders geneigt.

Die Bruchflilche normal znr Zylinderfliiche lief3 kon- zentrische Schichten mit abwechselnd klarerem und undnrch- sichtigerem Schwefel erkennen, ilhnlioh wie bei dem schnell erstarrten Eise (8 177, Ann. d. Phys. 18. p. 45, Fig. 229, b. 1905). In einer 2 mm dicken AuEenschicht lagen Fasern von 0,001 mm, normal zur Oberflilche, welche nach Innen in 10 ma1 dickere Fasern iibergingen.

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660 G. Quincke.

Brauner dickfliissiger Schwefel von 200 O rnit Probierrohr in eine KiLltemischung gebracht, zeigte ilhnliche Schichten und Fasern, wie der kochende schnell gekuhlte Schwefel. Aber die Faserschicht war dltnner ale bei letzterem, nur 0,8 mm dick.

Due sy I) hat ahnliche Erscheinungen bei Schwefel beob- achtet, welcher bei 166O gegossen war. Der Schwefel erstarrte zu Fasern mit glasigem Bruch. Schwefel von 2269 in kaltes Wasser gestellt, gab drei konzentrische Schichten von weichem, glasigem und piismatischem Schwefel.

Stangmchwefel wurde in einem Probierrohre rnit lose auf- gesetztem Korke gekocht und in einer Kaltemischung von -200 schnell abgekiihlt. Mit dem Mikroskop sah man an der Oberfllche des griingelben Schwefelzylindere sechsseitige Prismen von 0,8 mm Breite, lhnlich den Gletscherkihern des Eises, mit Seitenflhchen normal zur Zylinderflache, welche Wiiikel von 120 und 190° miteinander bildeten. M i t dem Spitzbohrer zerbrochen, zeigten die Bruchflachen feinfaserigen Bruch, rnit Fasern parallel dem Zylinderradius, wie in Zylindern er- starrtes Eis.

Uber der festen Schwefelmasse war die Glaswand rnit einer sehr klebrigen braunen Fltissigkeit bedeckt , welche erst nach einer Stunde erstarrte zu vielen parallelen Streifen von 0,024 bis 0,012 mm Abstand, zwischen denen Schnilre runder Blasen oder Kugeln von 0,008 bis 0,0002 mm Durchmesser lagen. Einzelne mit dunner Schwefelschicht bedeckte Stellen des Glarses zeigten zwischen gekreuzten Nicolscheii Prismen GletscherkBrner und Eisblumen, Schaumkammerii rnit Spharo- kristallen oder Schwefelkristallen, welche in benachbarten Schaumkammern verschieden orientiert waren. Die Schaum- kammern waren begrenzt von unsichtbaren Schaumwiinden rnit Neigungswinkeln von 90 und 120O. Es hatten sich also aus diesem fltissigen Schwefel, der etwas schweflige Siure enthielt, die Blartigen Scheumwhde bei ihrer Entstehung an schon eretsrrte oder an noch fltissige Schaumwilnde mit gleicher Obedachenspannung angesetzt und den Kontakt des schon erstarrten Krietrtlles rnit dem iiberkalteten Inhalt der Nach- barkammer verhindert, ahnlich wie bei der Kristallbildung von

1) J. Dussy, Compt. rend. 128. p. 307. 1896.

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SchaumstriiAtur des Schwefels usw. 65 1

Kupfersulfat usw. aus wilsserigen Losungen bei Ein wirkung von Alkohol (# 47 u. flg., Ann. d. Phys. 9. p. 5. 1902).

Hoffmann und Rothe? fanden bei gleichmil6iger Ab- kuhlung von geschmolzenem Schwefel in einem Probierrohr zwei dnrcb einen nach oben gewalbten feinen Meniskus ge- echiedene Schichten, welcher langsam nach oben riickte. Bei schnellerem Abkiihlen in freier Luft war der Meniskus nach unten konvex. Mit einem empfindlichen Thermoelement wurde ein schnelleres Sinken der Temperatur beobachtet , wenn der Meniskus die Liitstelle des Thermoelementes berilhrte. Bei schnellem Abkllhleu erstarrte nur der untere Teil bis zur Grenze beider Schichten. Bei sehr langsamem Abkuhlen fehlte der Meniskus und die Beschleunigung der Abklihlungs- geschwindigkeit.

Da kleine im Schwefel suspendierte Partikelchen sich auch in der dlinnfliissigen Schicht langeamer bewegten, als der Meniskus fortschritt, so waren m. E. auch in dieser Schicht schon unsichtbare olartige Schaumwilnde vorhanden , welche die Bewegung hemmten.

Ans der Tatsache, da6 Randwinkel und Kriimmung des Meniskus mit Temperatur und AbkWngsgeschwindigkeit wechseiten, folgt eine gleichzeitige h d e r u n g der Oberflachen- spannung an der gemeinsamen Grenze beider Schichten.

Icb selbat habe diesen Meniskus bei dem Abkilhlen von geschmolzenem Ychwefel in einem Probierrohr niemals deutlich wahrgenommen. Ich beobachtete daftir viele zueammenhiingende SchaumwPnde, welche sich im Innern an die Qlaswand an- setzten und es erscheint mir nicht ausgeschlossen, da6 Spuren von Fremdstoffen zu seiner deutlichen Ausbildung notig sind.

5 193. Geschmolzmm Scirwefel auf Cflas und Glimmer lang- sam und schnell erkaltet. Bruchf i i i ch . Schwefelplatten , &us fliissigem Schwefel von 200-300 O, auf diinnen Glimmerplatten mit einer Unterlage von Quecksilber schnell erstarrt, werfen sich tmd zeigen nach dem Ablbsen vom Glimmer unten konvexe Fliichen, von Furchen oder Linien von 1-25 mm LZlnge be- grenzt. Auf diesen konvexen Flilchen, die den eletecher-

8) Fr. Hoffmann u. R. Rothe, Zeitechr. f. physik. Chem. 66. p. 119, 183. 1906.

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652 G. QuincL.

kornern des Eises entsprechen, sind wieder kleinere Schaum- kammern von 0,2 bis 0,l mm zn erkennen. Die Linien oder Schaumwiinde zwischen den gro0en und kleinen Gletscher- k6mern hatten 0,Ol mm Breite, bildeten Kreise, Kreisbogen, Sechsecke, Sternblumen mit einer zentralen Blase (Fig. 236, Taf. II), konische Rohren rnit Querwitnden und Anschwellungen und trsfen sich unter Winkeln von 120°, 90°, 45O u. a., iihn- lich, wie ich es bei Eis beobachtet habe. Mit dem Mikroskop lie6en sich bei normaler Beleuchtung in reflektiertem Licht die Schaumkammern gut erkennen.

Lag die Glimmetplatte auf Holz, so blieb die untere Seite des langsam erkalteten nnd erstarrten Schwefels von 120° eben, zeigte sber Zihnliche Schqumwande, wie der schnell erkaltete Schwefel.

Schnell gekiihlter Schwefel zieht sich beim Erstarren weniger zusammen , als langsam gekiihlter , und die Schaum- wiinde kontrahieren sich s t i k e r , als der Inhalt der Schaum- kammern. In schnell gekbhltem Schwefel ist mehr y-Schwefel von kleinerem spezifischen Gewicht enthalten , als in dem langsam gekiihlten, und in dem Inhalt der Schaumksmmern wieder mehr y-Schwefel, als in den Schaumwlnden. Die schnell erstarrte Unterseite der Schwefelplatten wird daher konvex. Die langsam erstarrte bleibt eben, weil sie weniger y-Schwefel enthiilt.

Zum Kochen erhitzter Schwefel zeigte, wenn er auf Glimmer rnit Qnecksilberunterlage schnell oder mit Holzunterlage lang- Sam erkaltete, ahnliche E’urchen und Bchaumwlinde wie Schwefel bei 12OO.C. geschmolzen. Man sieht dann auf den gelben Schwefeltropfen gelbe undurchsichtige und griingelbe durch- sichtige Stellen, welche durch Schaumwilnde mit abgerundeten Kapfen. voneinander getrennt sind.

Beim Elektrisieren dieser Schwefelplitten mit negativer Elektrizitiit nnd Bestiiuben mit Mennige und Schwefelpnlver durch ein Leinentuch sammelt sich das positiv elektrische rote Mennigepulver auf einem Teil der Furchen nnd Schanm- wilnde an, nnd la0t sie als rote Linien hervortreten. Bei Wiederholung des Versuches auf derselben Schwefelfliiche er- scheint ein Teil der roten Linien wieder, ein anderer Teil fehlt und ist durch andere rote Linien ersetzt.

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Sckaumstruhtur des Schwefels usw. 653

Ein Teil der roten Linien auf den Furchen zwischen den grof3en Schaumkammern erschien sowohl mit + - wie - -Elek- trizitiit.

Ich werde auf diese elektrischen Staubfiguren an einer anderen Stelle (§ 194) niiher eingehen.

Wurden die Schwefelplatten vom elektrischen Funken einer Leidener Flasche durchbohrt, so trafen an der durchbohrten Stelle drei BruchflLchen mit 120 O Neigung zusammen.

Flache, auf Quecksilber erstarrte Schwefeltropfen , mit einer Stahlspitze gespalten , zeigten auf den Spaltungsflachen normal zur Tropfenoberflache Fasern von 0,007 bis 0,001 mm Dnrchmesser, die nach dem Innern breiter waren, a l s nahe der Oberfliche, rnit Anschwellungen und Astlikhern. Zuweilen lagen im Innern wieder feinere Fasern parallel der Tropfen- oberflache, wie Wellen oder Furchen. Zwischen diesen parallelen Fasern waren ruude kugelfdrmige Linsen von 0,004 mm oder kleinere Linsen von 0,0002 mm auf Kreisbogen verteilt. Linsen und Fasern wurden also nach dem Innern des Schwefeltropfens grdSer, wie bei ilhnlichen Formen in tauendem Eise.

8 194. Elehtrische StaubJgutcn auf Schtoefsl. BinfiuUp von ficmdstoffen. Reiner, bei 157 O geschmolzener Schwefel wurde auf eine Glimmerplatte mit Holzunterlage getropft und er- starrte langsam zu 2 mm dicken Platten mit einer ebenen glanzenden gelben Unterflache, welche sich leicht vom Glimmer ldste. Die Schwefelplatten wurden umgekehrt auf eine grof3e geerdete Zinkplatte gelegt, auf die ebene FlLche eine Metall- rahre von 25 mm H6he und 7,2 mm Durchmesser gesetzt, und diese mit dem Knopf einer negativ oder positiv geladenen Leidener Plasche beruhrt , deren ZiuSere Belegung zur Erde abgeleitet war. Die Metallrbhre wurde rnit der Hand ab- gehoben und die Schwefelplatte durch Leinwand rnit einem Gemenge von Mennige und Schwefelpulver bestilubt.

Die negative Staubfigur zeigte den roten Beriihrungskreis von zwei roten Kreisen umgeben. Die Durchmesser der Kreise verhielten sich nahezu wie 1 : 2 : 3 (Fig. 237, a, Taf. 111, Photo- graphie, Vergr. 0,96). Zwischen den roten Kreisen waren radiale Schaumkammern sichtbar.

Die positive Staubfigur zeigte den gelben Beriihrungs- kreis der Metallrohre von einem gelben Kreise von doppeltem

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654 G. Quincke.

Durchmesser umgeben. Die gelben Kreise erschienen mit radialen gelben Biischeln besetzt (Fig. 237,b, Taf. III, Photo- graphie, Vergr. 0,95).

Bei Wiederholung des Versuches mit anderen Schwefel- platten erschienen in der negativen Staubfigur neben roten Kreisen die Wilnde von Schaumkammern rot, welche sich auch sonst schon in passend reflektiertem Licht erkennen lieben. Die Staubfigur verlief stetig, wenn ein Teil der Schwefelplatte %us gelbem Sa, der andere Teil aus griinem durchsichtigen S8 bestand, der eich noch nicht in 8, umgewandelt hatte. S, und S8 haben nahezu gleiche clektrische Eigenschaften und lassen sich nicht darch elektrische Staubfiguren unterscheiden.

Wnrde die elektrische Staubfigur mit einer Messingkappe (Fernrohrdeckel) von 36 mm Durchmesser und 24 mm Hobe anf einer runden Schwefelplatte von 120 mm Durchmesser und 5 mm Dicke erzeugt, welche vor Jahren aus Stangenschwefel gegoesen war, so zeigte die negative St,aubfigur rote Kreise von 18, 36 und 60 mm Durchmesser, die positive Staubfigur gelbe Kreise yon 36, 60 und 90 mm Durchmesser. Zwischen den beiden ilufieren roten Kreisen der negativen Staubfigur lagen kreiaformige Ineeln, rot auf gelbem Qrunde und gelb auf rotem Grunde. Zu beiden' Seiten des roten Beriihrungs- kreises waren an einzelnen Stellen radiale gelbe Aste, Riihren mit Anschwellungen, xu erkennen.

Es werden also durch die elektrischen Staubfiguren sicht- bare und unsichtbare Schaumwlnde oder Schaumkammern sichtbar, deren Wilnde oder Inbalt andere elektrische Eigen . schaften als die Umgebung haben.

Eine konzentrierte Losuug von reinstem kristallisierten a-Schwefel in reinstem Schwefelkohlenstoff, welche vor 22 Jahren zur Bestimmung der elektrischen Doppelbrechung gedient hatte, war in einer nicht ganz fest verkorkten Flasche im Dunkeln aufbewahrt worden. Ein Ted des Schwefelkohlenstoffs war langaam verdampft und am Boden der Glasflasche war eine 2 cm dicke Schicht von klaren Schwefelkristallen entstanden, welche durch vertikale ebene und gekrummte Schaumwlnde mit Neigungswinkeln von 120°, seltener von 900, in Schaum- kammern von 1 cm Breite geteilt war (Fig. 237, c, Taf. 111, Photogaphie). Die horizontalen oberen Fllchen der Schaum-

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Schaumstruktur des Schwefels usw. 665

kammern zeigten viele halbkugelformige Vertiefungen von 1 bis 2 mm Durchmesser und tiber den vertikalen Schaumwllnden ein Furchennetz. Die Schaumkammern entsprechen den Uletacher- kornern des Eises. Der Schwefelkohlenetoff hatte zwei ver- schiedene Losungen gebildet mit Oberflilchenspannung an der gemeinsamen Grenze.

Wahrscheinlich enthielten die SchaumwBnde etwas amorphen y-Schwefel, der sich in der L6sung von a-Schwefel unter der E i n w i r h g der starken elektrischen Kr&fte oder freiwillig wilhrend der langen Jahre gebildet hatte. Fur letztere Ver- mutung epricht, daS A. Lallemand') eine konzentrierte Lbaung von Schwefel in Schwefelkohlenstoff eich durch violettes und tiberviolettes Sonnenlicht triiben sah, indem sich unlbelicher Schwefel ausschied. Nach Berthelo t4 hindert Qegenwart von Schwefelwasserstoff diese Lichtwirkung.

Das elektrische Verhalten der Kristallmasse l&St ebenfalls in den Wiinden nnd dem Inhalt der Schaumkammern Schwefel mit verschiedenen elektrischen Eigenschaften, verschiedener Leitfilhigkeit oder verschiedener Dielektrizititskonstante er- kennen.

Wurde auf dieser Schwefelplatte von 8,5 cm Durchmeseer und 2 cm Dicke mit einer Messingkappe von 3 cm Durch- meseer und 1,2 cm Hohe eine negative elektrische Staubfigur erzeugt, so erschien ein Teil der geradlinigen Schaumwilnde oder Furchen rot oder negativ elektrisch, starker rot ale dae gelbe oder rote Innere der Schaumkammern. Znweilen lagen zu beiden Seiten dieser feinen roten Linien zwei breitere helle blanke oder staubfieie Streifen. AuSerdem war die Elektrizitilt von der elektrisierten Zylinderflache aue in schmalen W-irbeln nach au6en und innen gegangen, wie bei einer positiven Stanb- figur. Nahe am Rande sah man anch kleine rote Kreise und Ellipsen, den Inseln anderer Platten von aus SchmelzfluS er- starrtem Schwefel entsprechend.

Kleine Mengen fremder Substanz lasen sich in geschmolzenem Schwefel und bilden in dem eretarrenden Schwefel Kngeln, Blasen und Schaumkammern, deren Inhalt und Wande ver-

1) A. Lul lemand, Compt. rend. 70. p. 182. 1870. 2) M. Berthelot , Compt. rend. 70. p. 941. 1870.

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666 (3. Quincks.

schiedene elektrische Eigenschaften haben und dadurch in der elektrischen Staubfigur sichtbar werden.

Auf diinnfiiissigem gelben Schwefel bleibt ein Tropfen Schwefelkohlenstoff einen Augenblick liegen und lbst sich dann schnell in einem Bruchteil einer Sekunde in dem geschmolzenen Schwefel auf. Auf braunem geschmolzenen Schwefel breitet sich ein Tropfen Schwefelkohlenstoff aue und lbst sich dann langsamer, als in diinnfltissigem Schwefel. Der braune Schwefel enthillt eben mehr unlbslichen y-Schwefel, als der dtinnfltissige gelbe Schwefel.

30 g reiner kristtrllisierter tz - Schwefel wurden in einer halbkugelfiirmigen Porzellanschale geschmolzen, ein Tropfen Schwefelkohlenstoff darin aufgelbat, auf der erkalteten Schwefel- masse mit einem Metdlzylinder von 24 mm Hbhe und 7,2 mm Durchmesser eine negative Staubfigur erzeugt. Einzelne Stellen zeigten rote Inseln auf gelbem Grund, andere gelbe Inseln auf rotem Grund. In Fig. 237, d, Taf. III [Photographie] erkennt man durch verschiedene Farbung Schaumkammern, welche von Kreisbogen oder geraden und gewundenen Rahren mit Anschwellungen und runden Kbpfen begrenzt sind.

Wurden in geachmolzenem Schwefel Spuren Mennige auf- gelast , so zeigten die negativen elektrischen Staubfiguren auf der erstarrten Oberflilche Wande oder Inhalt der Schaum- kammern anders gefilrbt, als die Umgebung; rote Kreisbogen, Kreise und Sechsecke , radiale Rohren mit Anschwellungen oder in einzelne Tropfen zerfallen, welche sich von der gelben Masee abhoben.

Stangenschwefel wurde in einer eiaernen Pfanne ge- schmolzen und einige Kornchen Mennige eingeriihrt. Aus der geschmolzenen Masse stiegen Fliissigkeitstrapfchen auf, welche aich an der Oberflilche ausbreiteten und schbne Newtoneche Farbenringe bildeten. Wurde der Schwefel in einen vier- eckigen Papierkasten von 100 x 50 x 18 mm gegossen, welcher auf einer dicken Kupferplatte stand, so erstarrte der braune klebrige Schwefel zu einer dunkelgriinen Masse, auf der nach 5 Stunden gelbe Flecke in Form von Ereisen und regularen Sechsecken von 3-5 mm Durchmesser erschienen. Nach 12 Stunden war die Umwandlung des grunen @-Schwefels weiter fortgeschritten. Die gelben Flecke waren zahlreicher

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Schaumstruktur des Schwefels U S E . 657

nnd grb6er , VOD aneinander hilngenden Kreisbogen begrenzt. Die Umwandlung erfolgte langsamer als in mennigefieiem Schwefel unter gleichen Bedingungen. Die kleine Menge Mennige hatte unsichtbare blartige Schaumwilnde gebildet, welche in der erstarrten hfaese die Umwandlung von Sp und Sa verzbgerten.

fibrigens wird Schwefel, rnit sehr geringen -Mengen Fett zusammengeschmolzen, brann oder schwarz, wie E. Mi tscher- l ichg gezeigt hat.

Frichiten mit Tunnenbatcmen, Gpinnennetxe, Sphiirohristalle und polarisierende (dichroitische) Qitter. Dlinne Filden von 0,06 bis 0,25 mm Durchmeeser, welche man mit einer Glasspitze aus sehr klebrigem braunen Schwefel zieht , bleiben in freier Luft stundenlang klar und einfach brechend. Spilter bilden sich in diesem Zylinder von iiberkalteter Fliiesigkeit Querwilnde normal zur Zylinderachse, die aus verschieden orientierten doppeltbrechen- den Kristallen beetehen, aus dem kristallisierten Inhalt von Schaumkammern , welche wilhrend des Kristallisierens durch Alissige Schaumwlnde voneinander getrennt waren. Der iiber- schmolzene flussige Schwefel bestand also aus zwei alartigen Gemischen mit verschiedenem Gehalt an y- und 8-Schwefel, viel- leicht anch an o- und p-Schwefel (vgl. Q 189).

Z wei kalte iibereinander gelegte Spiegelglasscheiben wurden in kochenden Schwefel getaucht und schnell herausgezogen. Zwischen beiden Streifen blieb eine diinne durchsichtige Schicht von y-dchwefel hangen, die eine Stunde oder lilnger flUssig blieb, sich splter als weicher y-Schwefel rnit dem Messer vom Qlase rtblosen und auf einem Objekttrilger unter dem Polari- sationsmikroskop untersuchen lie6. In der klaren Flilssigkeit, lagen viele braune Kugeln von 0,Ol bis 0,02 mm Durchmesser mit groBerer Lichtbrechung als die Umgebung. Daneben ent- standen in der klaren klebrigen Fliissigkeit gerade und schrauben- firrnig gewundene spitze braune Bilnder (Trichiten), die nach der Spitze und den Seiten gleichzeitig wuchsen, aus erstarrten tannenbaumformigen Gebilden beatanden, mit Astwinkeln von

Q 195. Schnell gekiihltet fEiisszger SchwcfeL

3) E. Mi t scher l i ch , Gee. Schriften p. 637. 1896; Erdm. Journ. 67. p . 369. 1856.

Annalen der Phyalk. IV, Folge. 26. 43

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658 G. Quinche.

90 O und doppeltbrechenden (erstarrten ?) Schaumwauden an der AuSenseite der Tannennadeln (Fig. 238, a, b, Taf. II).

Die diinne schnell erstarrte Schwefelschicht zwischen den Spiegelglasplatten zeigte such Sphiirokristalle 111. Klasse mit einem Spinnennetz von braunen Kreislinien und feinen rndialen Fasern von 0,001 bis 0,0015 mm Breite. Den normalen und anormalen Dichroismus dieeer Fasern werde ich nnten 8 202 bes prechen.

5 196. Schwefeldampf auf Glas und Quarz Rondemiert bildet uberschmolzenen $uss@en Schwefel, Schaummassen, Gallerie und Spharokristalle. J. F r i t r s c h e l ) hat 1837 den Dampf von kochendem Schwefel auf Qlasplatten kondensiert zu fliissigen iiberschmolzenen Kugeln , welche sich auf der Glasplatte ails- breiteten und mehr oder weniger regelmabige Halbkugeln bildeten, Bus deren Oberflache kleine Spitzen hervorragten. Diese Spitzen nahmen allmahlich an Umfang und Lange zu und bildeten nach einigen Tagen einen durchsichtigen Ring von kleinen Kristallen um den dunklen durch die kristallinische Struktur der Oberflache marmoriert erscheinenden Kern, welcher noch langere Zeit in seinem zahen Zustande zu verharren schien. Nicht selten sind dann aus ihnen such feine piisma- tische blatterartige Kristalle herausgewachsen. Durch Striche wit einer Nadelspitze oder unmittelbar durch die allmahliche Einwirkung des Lichtes bildeten sich Rhombenoktaeder aus Kugeln , welche durch ZusammenflieSen von kleineren Kugeln gebildet waren.

Ich bedeckte kochenden Schwefel in einem Uhrglas, der sich an der Luft entzkndet hatte, mit einem kalten Objekt- trager und unterbrach dadurch die Bildung der schwefligen SLure. Die Schwefeldampfe kondensierten sich in einzelnen Tropfchen von y-Schwefel auf dem Glase und blieben tagelang in iiberschmolzenem (unterkiihltem) Zustande fliissig.

Auf dem Objekttriiger zeigten sich schon wenige Minuten nach der Kondensation des Schwefeldampfes an einzeloen Stellen negative Spharokristalle mit vielen diinnen braunen doppeltbrechenden Nadeln, die strahlenformig von einer Xern- Ihsc ausgingen (Fig. 239, (I, Taf. 11). Daneben lagen 8 braun-

1) J. Fritzache, Pogg. Ann. 42. p. 464. 1837.

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liche fliissige Linsen von 0,Ol mm auf der oberen Flache einer dunklen Leiste. Die Leiste war schwach gekrtimmt und zeigte negative Doppelbrechung rnit optiecher Achse normal zur Llingsrichtung, wie ein Stuck eines negativen Yphilrokrietalles 11. Klasse (Fig. 239, b , Taf. 11). Nach 4 bis 24 Stunden er- etarrten die einzelnen Linsen mit geringer Formanderung zu einfach brechenden Massen. Ihre ursprlioglich glatte Ober- fliiche war von vielen kleinen Linsen von 0,0003 mm iibersiiet, wie eine Brombeere.

Nach 24 Stunden fa.nd ich auf dem Objekttriiger neben- einander positive Spharokristalle 11. Klasse von 0 , O S bis 0,25 mm, negative Sphlrokristalle 11. Klasse von 0,2 bis 1,2 mm Durch- messer (Fig. 239, c, Taf. 11), Sphiirokristalle 111. Klasse von 0,05 bis 0,2 mm mit schwarzem Kreuz ohne Polarisations- farben.

Nach 2 Tagen sah man bei starker VergraSerung kleine runde Linsen von 0,0006 bis 0,006 mm, welche wie Fettaugen auf den groberen Linsen oder Fliissigkeitstropfen von 0,05 bis 0,2 mm schwammen (Fig. 239, d, e, Taf. 11). Hliufig er- schienen statt dieeer runden Linsen die KBpfe von runden Ilohren, welche den groBeren Tropfen durchsetzen und von dessen Basis bis iiber dessen Oberfliche reichten. Die W h d e dieser Rbhren mit runden Kapfen sind oft doppelbrechend. Der Rand einzelner Linsen zeigt Auswiichse rnit kugelmrmigen Kopfen und viele groSe Schaumkammern rnit Wilnden normal zur Oberflilche, an welche sich nach Innen kleinere Schaum- kammern anreihen (Fig. 239, f, 9, h, i, Taf. lI), ah ob sich die Schrtumkammern durch Aufquellen vergrofhrt hatten. Die Auswiichse und die Schaumkammern 'enthalten oft verschieden orientierte doppeltbrechende Kristalle. Znweilen lag die Aus- loschungsrichng der kristallisierten Mdessen in diesen groben Schaumkammern, die am Rande der Tropfen sich nebeneinander reihen, parallel dem Tropfenradius, es war ein Spharokristall I. Klasse (Fig. 239,h, i, m, Taf. 11).

Belegentlich sah man eine Reihe flacher Tropfen aus ein- fach brechender Fliissigkeit nebeneinander , welche mit par- allelem natllrlichen Licht Randfalten, mit konvergentem Licht klare runde Linsen zeigten. Es aind zusammengedrilngte Schaumkammern (Fig. 239, w , Taf. 11) , zusammengedrlingte

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660 G. Quincke.

koniscbe Rohren rnit runden K6pfen; an einzelnen Tropfen von gleicher Breite, an nnderen Tropfen von verschiedener Breite, 0,006 mm und mehr. An anderen Tropfen waren diese Schsumkammern schon un ter Deformation eratarrt und hatten doppeltbrechende Kristslle gebildet. Die groSen Schaum- kammern am Rande enthielten grooe, die kleinen Schaum- kammern in der Mitte kleine Kristalle, oder eigentlich doppelt- brechende Massen ohne ebene Kristallflachen. Die diinnen Schsumwande erschienen in konvergentem Licht zwischen ge- krenzten Ni colschen Prismen doppeltbrecbend, oder mit kleinen doppeltbrechenden Kugeln von 0,0003 mm besetzt und bildeten Kreise oder Sechsecke, oder Kreise, welche in Sechsecke fiber- gingen. Daneben lagen Linsen rnit faltiger Oberflilche (Fig. 239,n, Taf. 11) oder Sternblumen, iihnlich den Tyndallschen Eis- blumen, rnit 3 bis 6 Armen, radialen Rohren, welche kugel- f6rmige Anschwellungen haben und strahlenfdrmig eine kleine Kernblase umgeben, radial in die Hohe wachsen und aus ein- fach brechender Substanz bestehen (Fig. 239, s, t, Taf. 11).

GroSere gelbliche Tropfen von 0,003 bis 0,03 mm waren von einer dlinnen breiten Randschicht aus klarer, weniger ge- farbten Flitssigkeit umgeben (Fig. 239, r, t , n, Taf. 11). Die Randschichten der einzelnen Tropfen waren zum Teil ineinander geflossen (Fig. 239, e , Taf. 111. Einzelne Fliissigkeitstropfen waren mit vielen kleinen Linsen bedeckt, wie eine Brombeere (Fig. 239, d, e, f, 9, i, I, Taf. 11) und zu doppeltbrechenden Massen erstarrt (Fig. 239, e-m, Taf. XI), oder aus ihrer Oberflache wuchsen lange Rohrchen mit kugelformigen Kopfen und 3 bis 4 kugelfiirmigen Anschwellungen heraus (Fig. 239, 1, s, Taf. 11) oder gewundene braune Bander (Fig. 239,g, Taf. 11) (Trichiten)3 oder sternfiirmige Dendriten (Figg. 240, z, y und 244, a, 6, c, Taf. 111) [Photographie, Vergr. 821 mit in den Asten ein- gclagerten doppeltbrechenden Kristallen oder kleinen tafel-

2) Anm. Die braunen gewundenen Bgnder (Trichiten), welche aue der Oberfllche dee Schwefels herauswacheen in die angrenzende Fliiesig keit oder in die freie Luft (Figg. 238, b, 239, g, i, 1, 8, 240, z, Taf. 11) haben ahnliche Form und entatehen in tihnlicher Weise, wie die HBmer, welche aus dem Rande von Leimtannat unter Wasser hervorschieEen (Ann. d. Phys. 11. p.67. 1903) oder die spitzen gemundenen Eisnadeln auf dcr gefrorenen Wasaerflttche einee Kryophors (Ann. d. Phye. 18. p. 43. Fig. 220, b. 1906).

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Schaumstruktur des Scliwefels usw. 66 1

fdrmigen Kristallen an den Astspitzen (Fig. 244, c, Taf. 111). Diese Dendriten mit Kristallen sind ahnlich denjenigen, welche ich bei Leimchromat beobachtet habe, welches auf Glas ein- getrocknet war. (8 133, Fig. 181, b, Ann. d. Phys. 18. p. 85. 1904.) In einzelnen graSeren Tropfen sieht man unter den auf der Tropfenoberflilche schwimmenden Linsen doppelt- brechende Kristalle entstehen mit ebenen Oktaederfltchen. Zuweilen entstehen in demsel hen Tropfen mehrere Krietalk oder es liegen in den Dendriten mehrere Kristalle nebeneinander, welche verschieden orientiert sind, also bei ihrer Aussoheidung durch unsichtbare olartige Scheidewande in der Mutterlauge voneinander getrennt waren.

Die grirSeren Tropfen und die helleren Randschichten be- stehen anhnglich aus einfach brechender Flussigkeit.

In Fig. 239, u , Taf. 11, liegen in einem Sphiirokristall 111. Klasee normal zum gekriimmten Rande einer Linse hohle Kugeln mit anhilngendem spitzen Hohlkegel , oder hohle zylin- drische Rohren oder Reihen runder Blasen. Diinne Lamellon von braunem klebrigen Schwefel haben sich normal zur 0 ber- flache ausgeschieden und unter dem EinfluS der Oberfliichen- spannuug zu hohlen Kugeln oder Zylindern zusammengerollt, welche spater an Stelien mit kleinster Klebrigkeit in eine Reihe kugelfiirmiger Blasen zerfallen eind. Die runden Lnft- blasen mit anhiingendem Hohlkegel sind an l i ch gestaltet und ilbnlich entstanden, wie die Hohlrilume 8 199, Fig. 246, a, b, Taf. 11, in dickeren Schichten von erkaltender Schwefelfliissig- keit, bei welchen aber zuerst die Blase und dann der an- bilngende Zylinder auftritt; Die unsichtbaren radialen Fasern des Sphllrokristalles Fig. 239, 8, Taf. 11, sind doppeltbrechend mit optischer Achse parallel dem Radius. An der Kuppe zeigten zwischen gekreuzten Nicolschen Prismen gleichdicke Ytellen auf einer geschlossenen Kurve gleiche Interferenzfarbe.

Nach einiger Zeit schien ein Teil der Fltissigkeitstropfen erstarrt und zeigte zwischen gekreuzten Nicolschen Prismen ein schwarzes Kreuz nnd am Rande farbige Interferenzstreifen. Fig. 239,0, p, q, r, Taf. I1 und Fig. 243, a, 6, c, Taf.IV [Photo- graphie, Vergr. 751.

Haufig bestehen diese flachon. Tropfen aua einer Reihe radialer Fasern oder Riihren, welche strahlenf6rmig von einer

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662 G. Quinche.

kleinen Eernblase ausgehen. Die Rohren sind auch wohl in eine Reihe Tropfen oder Blasen zerfallen. Die Arme des auf- rechten schwarzen Kreuzes schneiden sich in der Kernblase, welche in der Mitte oder nahe dem Rande des grii6eren Tropfens liegen kann (Fig. 244, a, b, c, Taf. 111).

In einzelnen groleren Tropfen liegen die runden Linsen und langgestreckten Bohrenstiickchen von 0,005 bis 0,0005 mm Durchmesser nicht strahlenfdrmig oder radial, sondern auf konzentrischen Streifen oder auf parallelen Kurven, parallel .

dem Tropfenrand Fig. 243, a, b, c, Taf. IV, zeigen denselben aus Schwefel-

dampf kondensierten und in einer Ammoniakatmosphilre auf- bewahrten Schwefeltropfen in verschiedenen Lagen zwischen gekreuzten Nicolschen Prismen. I n Fig. 243, b, c, Taf. IV, ist der Objekttrager mit dem Tropfen aus der Lage 243a um 45O gedreht. Fig. 243, c, Taf. IV, stellt den Tropfen in derselbeii Lage wie Fig. 243,b, Taf. IV, dar, aber mit einer gleichzeitig im Azimut 45O eingeschalteten Gipsplatte von 1. Beim Drehen des Objektes dreht sich das aufrechte schwarze Kreuz Iiber den Tropfen fort. Beim Einschieben der Gipsplatte verscbieben sich mit zunehmender Gipsdicke die farbigen Ringe im 1. und 3. Quadranten nach innen, im 2. und 4. Quadranten nach aulen. Bei anderen Tropfen gerade in umgekehrter Richtung, im 1. und 3. Quadranten nach auSen, im 2. und 4. Quadranten nach innen. Es liegen also SphZirokristalle mit positiver uni negativer Doppelbrechung und optischer Achse parallel dem Radius nebeneinander. Zuweilen ist eine fliissige Linse von einem ringformigen Sphbrokrietall mit schwarzem Kreuz oder es ist ein positiver Sphilrokristall von einem ringfidrmigen negativen Sphiirokristall umgeben , wie eine gequollene Leim- kugel, deren auBere Schale geschrumpft ist. Es ist nicht an- zunehmen, da6 diese in iihnlicher Weise dicht nebeneinander entatandenen positiven und negativen Sphgrokrietalle am radial angeordneten Schwefelkristallen verschiedener Kristallform be- stehen. Sie verhalten sich wie aufgequollene und geschrumpfte Kugeln am Leimgallerte (0 149, Ann. d. Phys. 16. p. 863. Fig. 194. 1904).

Der mittlere dickste Teil der Tropfen zeigte oft mit ge- kreuzten Nicolschen Prismen dlts schwarze Kreuz, aber keine

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Schaumshuktur des Scfrwefels usw. 663

Polarisationsfarben und verschob auch nicht die Interferenz- streifen von Qucrrzkeilen. Es ist ein Spharokristall 111. Klasse. fch habe solche Spharokristalle schon frfiher oft beobachtet, damals (in 5 42) als Sphkokristalle der Klasse I1 b bezeichnet, und ihr Verhalten gegen polarisiertes Licht durch die Drehung der Polarisationsehene bei Reflexion von radial gestellten Kugeln oder Rahren erkliirt. Zu dieser Erklilrung paBt aber nicht, da0 die diinnsten Stellen der linsenfiirmigen Schwefel- tropfen farbige Interferenzkurven parallel dem Rande reigen. Es macht den Eindruck, als ob hier radiale Fasern mit posi- tiver uud negativer Doppelbrechung (oder positiver und nega- tiver Dilatation) und optischer Achse parallel der Faserrichtung nebeneinander lagen.

Bei anderen elliptischen Linsen zwischen gekreuzten Ni colschen Prismen verschoben sich die farbigen Ringe beim Einschieben einee Gipskeiles im Azimut 45O in allen Qua- clranten nach innen. Eine solche Linse bestand also aus einem einzigen Kristall. Aber iiber den Farbenringen lag ein aufrechtes schwarzes Kreuz mit den Armen im Azimut 00 und 90°, oder eine schwarze Linie parallel der gro0en Achse der Ellipse. In letzterem Fall lag bei einigen Linsen die gro0e Achse der Ellipse im Azimut O o oder 90°, bei anderen im Azimut + 45O oder - 45O.

Haufig lagen in den Spharokristallen zahlreiche Linsen yon 0,Ol bis 0,0003 mm Durchmesser verteilt.

Dieselben Erscheinungen mit denselben Formen von Linsen, positiven und negativen Sphilrokristallen, Schaumflocken und Dendriten mit eingelagerten Kristallen habe ich bei der Flockung und dem Eintrocknen wilsseriger Schwefellasungen beobachtet und schon damals darauf hingewiesen, daS diese doppelt- brechenden Linsen aus Schaumkammern kompliriert aufgebaut waren (0 79, Figg. 113, 114. Ann. d. Phys. 9. p. 994. 1902).

Wahrend die Glasflilche gleichmlbig mit den grb0eren flachen Flussigkeitstropfen iibersilet ist , fehlen die'selben in der NBhe der braunen Dendriten. Die Fliissigkeit ist iiber die Qlasfiache nach einzelnen Stellen zusammengekrochen und hat hier die Dendriten gebildet. . Um die Dendriten liegt ein Hof mit kleineren klaren Fliissigkeitslinsen und darin gelagerten noch kleineren Linsen

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664 Q. Quinche.

mit Ringen oder Resten von Ringen aus einfachbrechender klarer Flhsigkeit, die zuweilen einen klaren Fliissigkeitstropfen einschlie6en (Figg. 240, 241, Taf. 11). Daneben liegen sehr schmale Kreise, auf denen braune Piinktchen verteilt sind (Fig. 241, e, f , 9, h, Taf. 11).

Bei normaler Beleuchtung mit dem Opakilluminator er- kennt man im reflektierteu Licht in der Niihe der braunen Dendriten glanzende weiSe Scheibchen von 0,02 bis 0,Ol mm oder flache Linsen mit schanen New t o n schen Farbenringen parallel dem Rande. Diese glilnzenden Stellen werden bei durchgehendem Lichte nicht wahrgenommen , liegen oft im Innern der fiachen l’ropfen oder der Ringe mit braunen Piinktchen , auch wohl in der Peripherie der Dendritenspitzen und sind einfach brechend.

GrBtlere glanzende Stellen zeigen runde Lijcher oder auf- gelagerte Fliissigkeitslinsen. Die gliinzenden Stellen in Figg. 240 und 241, Taf. 11, sind schriig schraffiert.

Fur Schwefeldampf ,. welcher auf einem diinnen Deckglas kondensiert, also weniger schnell abgekiihlt wurde, ale auf einem dicken Objekttriiger, zeigt Fig. 244, a, c, Taf. 111, die Photographie eines Dendriten und seiner Umgebung im durch- gehenden Licht ohne und rnit gekreuzten Nicolschen Prismen, Fig. 244, b, Taf. 111, dasselbe in normal reflektiertem Licht. Die Photographie von schneller abgekiihltem Schwefeldampf auf einem dicken Objekttrilger kondensiert, bei normal reflektiertem Licht (Fig. 244, d, Taf. III), la6t deutlich die runden Liicher von 0,003 mm. Durchmesser in den gliinzenden Schichten er- kennen.

Mit der Zeit nimmt die Anzahl der glilnzenden Stellen ab, dieselben ilndern sich und verschwinden teilweise ganz. Die stark lichtbrechende Masse, aus der sie bestehen (pSchwefel?), wandelt sich urn. Auf Olasfliichen mit frischen Diamantstrichen waren in der Niihe dieser Striche die glanzend reflektierenden Stellen besonders zahlreich.

Die weiSen gliinzenden Stellen riihren jedoch nicht von Verunreinigungen des unterkuhlten fltissigen Schwefels durch das Glas der Unterlage her, da auch Schwefeldampf auf Qaarz oder Quarzglea kondensiert, dieselben Erscheinungen zeigt, wie auf Qlas kondensierter SchwefeL

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Schaumstruktur des Schwefels usto. 6G5

Eine am Rand gezackte klare Linse von 0,02mm auf Quarzglas erschien im normal reflektierten Licht von einem 0.015 mm breiten glanzenden Ringe und dieser wieder von einem Kranz kleinerer Fliissigkeitslinsen umgeben (Fig. 244, e, Taf. II). Der glilnzende Ring war au6en lichtschwilcher und dtidner als auf der Innenseite. Auf einer im reflektierten Licht glanzen- den Leiste rnit muschligem Bruch lagen parallele Schniire sehr kleiner weiSer Linsen und schwarze Piinktchen einfach brechen- der Substanz. Vide braune Dendriten mit eingelagerten doppelt- brechenden Kristallen schwammen auf einem Fliissigkeitstropfen von 0,08 mm. Andere iihnliche Dendriten waren von trbpfchen- freien HBfen umgeben. An einzelnen Stellen lagen braune flinfbllttrige Sternblumen von 0,02 mm oder braune gewundene Kegel.

Bei Beriihrung rnit Schwefelkohlenstoff blieben diese wei6en Scheibchen , die gr6Beren Fliissigkeitstropfen, die 5reise mit den braunen Piinktchen und hiiufig auch die Ringe mit klarer Fliissigkeit nngeandert, wahrend die Sphllrokristalle, die braunen Dendriten und die daran hangenden doppeltbrechenden Kristalle schnell gelbst wurden und verschwanden. Die in Schwefel- kohlenstoff unloslichen Fliissigkeitstr6pfchen (von S,,?) erstarrten bei Beriihrung mit Kristallsplittern von oktaedrischem ~Schwefe l zu doppeltbrechenden Massen. An den Stellen der in Schwefel- kohlenstoff gelbsten Sphilrokristalle lagen feine braune Kreise mit braunen Piinktchen von 0,002 bis 0,0003 mm, welche uu- regelmaSig begrenzte Fliissigkeitstropfen oder weiSe Scheibchen oder ein Netzwerk weit3er oder brauner Linien von 0,002 bis 0,0002 mm Breite umgaben. In den weiSen Scheibchen 1ieSen 'runde Lbcher die Stellen erkennen, in welchen die Rbhren oder zu Kugeln zerfallenen Rbhren im Innern der gr6Seren Flilssigkeitstropfen und Sphlrokristalle die Unterlage beriihrt hatten. Fig. 244, d, Ta€ I11 [Photographie].

Zuweilen blieben nach der Behandlung mit Schwefel- kohlenstoff noch negative Sphllrokristalle LI. Klasse sichtbar, oder es fehlten die klaren Fliissigkeitstropfen und es waren nur die glanzenden Scheibchen und Linsen und die braunen Kreisbogen mit eingelagerten Linsen sichtbar zurtickgeblieben.

Bringt man auf die flachen unterkiihlten SchwefeltrBpfchen, welche sich aus Schwefeldampf hoher oder niederer Temperatur

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666 G. Quinche.

auf einem Objekttrilger eben kondensiert haben, ein Trgpfchen Schwefelkohlenstoff, so sieht man rnit dem Mikroskop an der Kuppe des verdsmpfenden Schwefelkohlenstoffs sich eine Reihe Luftblasen (atmospharische Luft oder schweflige Siiure?) an- sammeln neben diinnen Flocken von unliislichem Schwefel. Nach der vollstilndigen Verdampfung des Schwefelkohlenstoffs blieben dllnne Sohichten von doppeltbrechendem kristallisierten a-Schwefel und braune Kugeln oder Rippen von amorphem einfach brechendem Schwefel zuriick.

Alle nicht in Schwefelkohlenstoff gelaste Substanz halte ich fUr fllissigen und festen y-Schwefel, welcher Spuren schwef- liger Silure ,enthalten kann.

Auf den in Schwefelkohlenstoff unloslichen flachen Tropfen liegen wieder von Kreisbogen begrenzte kleinere Tropfen rnit grb6erer Lichtbrechung als die Umgebung. Gelegentlich war auch eine runde braune Linse in Schwefelkohlenstoff unldslich, welche mit gekreuzten Nicolschen Prismen ein dunkles Kreuz zeigte. Dieser Sphiirokristall ID. Klasse war sehr wenig durch- sichtig.

Sphllrokristalle LI. und 111. Klasee bestehen also ganz aus unlaslichem y-Schwefel oder sind mit einer Haut von un- Idslichem y-Schwefel bekleidet.

Periodische Busbreitung. Zwischen den Armen der braunen Dendriten, welche oft am Ende und in der Mitte kugelfdrmige Anschwellungen zeigen, liegt in der ersten Zeit nach der Kon- densation des Schwefeldampfes klare einfach brechende Fliissig- keit B, die sich in Perioden von 2-5 Sek. bis zum Rande der Dendriten ausbreitet und dann wieder nach der Yitte zuriickzieht (Fig. 240, x, y, Taf. 11). Diese Pulsationen konnen tagelang dauern und riihren von periodischer Ausbreitung einer Fliissigheit C her, die sich an der Oberfliiche der Fltissig- keit B bildet und zwischen den Dendritenarmen ausbreitet. Vermutlich ist diese Fliissigkeit B dadurch leicht beweglich, da6 sie auf eine diinne Schicht ijlartiger Fliissigkeit A auf- gelagert und dadurch von der festen Glasfliiche getrennt ist.

Nach 2 Jahren waren auf dem Objekttriger mit konden- siertem Schwefeldampf nur noch wenige kleine weiSe Scheib- chen von amorphem S, im reaektierten Licht sichtbar. Die braunen Dendriten waren in Rohren mit Anschwellungen, Ein-

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Srhaumstrubtcr des Sclrwefela usw. 667

schniirungen, runden Kopfen und gro6en Schaumkammern um- gewandelt, welche gewiihnlich mit gleich orientierten, seltener mit verschieden orientierten Kristallen von S, gefdllt waren. Tafelfirmige Kristalle an den Astspitzen waren nicht mehr sichtbar. Ebenso hatten sich die Sphilrokristalie mit schwarzem Kreuz gr80tenteils in runde konvexe Linsen verwandelt, deren Oberfliiche am Rande rnit groSen, in der Mitte mit kleinen kngelfarmigen Schaumkammern besetzt war. Die Schaum- kammern an der Oberfliiche und im Innern waren mit doppelt- brechenden Kristallen von geftillt. Erschienen die Hand- schichten benachbarter Linsen ineinander geflossen, so waren alle Kristalle im Innern dieser Linsen mit rauher OberAacho gleich orientiert. Zwischen den Linsen mit rauher Obefliche lagen Linsen mit glatter Oberflllche, welche aus einem mono- klinen doppeltbrechenden Kristall bestanden, und viele kleine Linsen aus einfach brechender (flbssiger?) Substanz.

Die beschriebenen Erscheinungen sind im wesentlichen dieselben, mbgen die Schwefeldikmpfe sich auf dicken oder diinnen kalten Glasplatten schneller oder langsamer konden- siert haben, bei Gegenwart von schwefliger Silure oder ohne diese, in gewiihnlicher Luft oder in ammoniakhaltiger Luft ge- legen haben.

Die Form der in fliissigem Iiberschmolzenen Schwefel ab- geschiedenen iilartigen Schaumwande nnd sternfirmigen Den- driten mit Asten, in welchen wieder Anschwellungen, runde Kbpfe und doppeltbrechende Kristalle entstehen, wechselte rnit der Dicke der flilssigen Schwefelschicht und der Dicke der Triipfchen, welche sich auf der Glasplatte abgesetzt hatten, wie bei den ilhnlichen Gebilden aus verschieden dicken Schichten von Leimchromat, welches anf Qlas oder Qneck- silber eintrocknet (Ann. d. Phys. 13. p. 71. Fig. 176, a, b, c. 8 130. 1904).

Die diinne Schwefelschicht , welche sich am dem Dampf von brennendem Schwefel auf einer dicken Glasplatte konden- siert hatte, zeigte nach 9 Monaten no& dunkelbraune Den- driten wie Fig. 2 4 0 , ~ ~ Taf. 11, umgeben von einem Ringe mit N e w t o nschen Interferenzfarben und einem Kranz gro6er brauner Flecke. Der farbige Ring hatte innen 0,l mm, auBen 0,15 mm Durchmesser, innen 0,00007, au6en 0,0003 mm Dicke.

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668 B. Quincke.

Die braunen Flecke entluden ein Elektroskop, lasten sich in einem Tropfen Schwefelkohlenstoff unter Entwickelung vieler kleiner Gasblasen und unter periodischer Abscheidung zarter brauner Fiiden, die ein Liniennetz von scharfen Kreisbogen bildeten, das zehnmal hintereinander erschien nnd wieder ver- schwand.

Z'heotetische Betmchtungen. Die Messungen der Ober- fllchenspannung (5 ,189) zeigen, daf3 geschmolzener Schwefel an der Grenze mit Luft bei 250° ein Maximum der Ober- filchenspannnng bat und daS zwei allotrope Modifikationen des fltissigen Schwefels, y- und 6-Schwefel, nebeneinander be- stehen. Uber die Oberflachenspannung des iiberschmolzenen Schwefels, der sich aua dem bei verschiedenen Temperaturen geschmolzenen Schwefel durch schnelle oder langsame Ab- ktihlung bildet, liegen aber keine Messungen vor.

Ich halte die Fliissigkeit B der hohen Tropfen und die Fhssigkeit B der flachen Zonen fur Losungen von cc- und p-Schwefel in tiberschmolzenem y- und b-Schwefel.

Die schneller geknhlten kleinen Tropfen blieben ranger in fliissigem iiberschmolzenen Znstande ah die langsamer ge- kiihlten groSen Tropfen, welche mehr cc- und ,d-Schwefel ent- halten, oder in welchen sich u- und 8-Schwefel eher abscheiden als in den kleinen Tropfen.

Bei der Kondensation des Schwefeldampfes wurde die Fliissigkeit A der flachen Zonen schneller gekiihlt als die Fliissigkeit B der hohen Tropfen. Die Fliissigkeit A enthillt also weniger u- und @.Schwefel gelost als die FlUssigkeit B. Da die Fltissigkeit A der flachen Zone den hohen Tropfen umgibt und in einem scharfen Rande mit einspringendem Winkel bertihrt, so hat die Fltissigkeit B eine andere gro6ere Oberfllchenspannung an der Grenze mit Luft a l s die Fliissig- keit A, d. h. die Oberflachenspannung der Lasungen von u- und p-Schwefel in tiberschmolzenem fltissigen y- nnd 6-Schwefel ist um so kleiner, j e weniger a- und ,%Schwefel sie enthalten.

Aber diese Losungen sind nicht bestilndig. Die Fliissig- keiten A und B hndern ihre Zusammensetzung, indem all- mahlich $,, in Sd, S8, S, tibergeht, allgemein die hiiher stehen- den allotropen Modifikationen in die niedriger stehenden iiber- gehen, mit graSerer Oberflachenspannung an der Qrenze mit Luft.

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Schaumsbuktur des Schwefels usw. 669

Die Qlasflache, auf welcher sich der Schwefel kondensiert hat, bekleidet sich mit einer unsichtbaren Schicht yon iiber- schmolzenem y- und Mchwefel. In nnd auf dieeer nnsicht- baren Fltissigkeiteschicht kriecht S, - reiche Fltlssigkeit A und U nach den Stellen mit 8,- ilrmerer Fliissigkeit.

An diesen Stellen mit konzentrierteren Lasungen von niedriger stehenden Schwefelmodifikationen scheidet sich all- mghlich neue Fltissigkeit C von anderer Zusammeneetzung als A und B aus.

Wie verdtinnte und konzentrierte wilsserige Lbsungen des- selben Salzes, haben auch verdtinnte and konzentrierte La- sungen A, B und C von S, nnd S8 in tiberschmolzenem $, und 8, eine Oberflachenspannung an der gemeinsamen Grenze. Konzentrierte Lasung C von 8 6 , S8, 8, in tiberschmolzenem Zu- stande scheidet sich in den Schwefeltropfen in diinnen klebrigen iilartigen Lamellen aus, welche unter dem EinfluB der Ober- fllichenspannung zu Rbhren zusammenrollen, aus denen offene Schaumkammern mit aneinanderhilngenden Schaumwilndeii (Fasern) entstehen. Spilter bilden diese Rahren tlllmilhlich Anschwellungen, zerfallen in eine Reihe Blasen oder aneinander- hangende Schaumwilnde, wolche geschlossene Schaumkammern umschlieben.

Die braunen in Schwefelkohlenstoff laslichen Dendriten sind Schaummassen mit offenen und geschlossenen Schaum- knmmern und aneinanderhgngenden alartigen braunen Schaum- wiinden, welche spilter in geschlossene Schaumkammern uber- gehen. Diese Schaumwiinde sind wahrscheinlich 86, S8, Sa. Lings der Oberflilche dieser zusammenhangenden Schaum- wande wandert infolge der Oberflilchenspannung die Schwefel- losung nach der Spitze der Dendritenilate und bildet hier dio tafelfarmigen monoklinen Schwefelkristalle aus $6.

Oxydation des uberschmolzenen Schwefels. Die saure Re- aktion von alten Schwefelfllchen beweist, ’ dab sich Schwefel bei gewbhnlicher Temperatur oxydiert. Dies zeigen auch m i n e alten Beobachtungen 9 iiber die Starke der elektrischen Diaphragmastriime, welche beim Stramen von Wrtsser durch

3) cf. Quincke, Pogg. Ann. 110. p.58-66. 1860.

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8 70 G. QuincRe.

Diaphragmen von frisch gepulvertem Schwefel mit der Zeit stetig abnehmen.

Ich habe auch mehrfach, wenn ich neben die auf Qlas kondensierten iiberschmolzenen Schwefeltropfchen verdnnnte Calciumchloridlosung brachte , die Bildung von Gipskrietallen beobachtet.

Amorpher S, scheint sich bei gewijhnlicher Temperatur an der Luft leichter zu schwefliger Sgure und Schwefelsaure zu oxydieren als S, oder S8, und Sa oder Ss um so leichter, je mehr S, ihm beigemischt oder in ihm aufgeliist ist.

Durch Belichtung wird die Oxydation des iiberschmolzenen 8, beechleunigt (vgl. Q 19i). Die gebildete schweflige Silure wird von dem iiberschmolzenen Schwefel absorbiert, verkleinert dessen Oberflilchenspaiinung an der Grenze mit Luft. SO,- haltiger iiberschmolzener Schwefel breitet sich au der Ober- fliiche von SO,-freiem Schwefel aus. Die oben (in 5 196) be- schriebene periodische Ausbreitung und das ZusammenflieSen der iiberschmolzenen Schwefeltropfen bei Belich!ung (vgL unten 8 197) rtihren von Bildung von SO, und dadurch herbei- gefiihrter Verkleinernng der Oberflachenspannung her.

Die Gegenwart von SO, scheint die Bildung von nnlos- lichem 8, zu befhdern. Hierfiir sprechen auch die Versuche von Ch. iadalus4) iiber den EinfluS der SO, auf die Viskositat des Schwefels.

Die bei normal reflektiertem Licht sichtbaren weiBen Scheibchen und Ringe aus einfach brechender Fliissigkeit mit starker Lichtbrechung und die braunen Linien , Kreisbogen und Kreise mit eingelagerten braunen Piinktchen halte ich fnr SO,-haltigen S,, da sie besonders am Rande der Fliissigkeits- tropfen auftreten , wo die atmosphiirische Luft kraftiger ein- wirkt.

Die geschlossenen Schaumkammern Ronnen quellen und schrumpfen ioie Leimgallerte. Durch die fliissigen olartigen Wlinde dieser Schaumkammern diffundiert die fliissige tiber- schmolzene S,-reichere Schwefellosung zu den Stellen mit kleinerem Gehalt an S,, und wird hier allmahlich in Sa ver- wandelt. Im allgemeinen werden diese Stellen im Innern der

4) Ch. M a l u ~ , Ann. de chim. (7) 24. p. 1573. 1901.

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Schaumstruktur des Schwefels usw. 67 1

geschlossenen Schaumkammern liegen und die Randkammern werden besonders schnell stark quellen, wie ich es auch ge- wohnlich beobachtet habe. Die Sy-reichere Fltissigkeit auber- halh der geschlossenen Schaumkammern scheidet stark licht- brechendeni in Schwefelkohlenstoff unlaslichen S,, als sichtbare und unsichtbaxe Tropfchen a m , setzt aich an der Glaswand feet und bildet die im reflektierten Licht glilnzend wei6en Scheiben. Die Schrumpfung wird auftreten , wenn au6erhalb der geschlossenen Schaumkammern die Fliissigkeit mehr 8, enthiilt ala innerhalb. Mit der Quellung und Schrnmpfung ist eine vortibergehende Dehnung und Kompression der Schaum- wiinde aus stark klebriger Flussigkeit verbnnden, oder voriiber- gehende positive und negative Doppelbrechung. Diese voriiber- gehende Doppelbrechnng wird eine dauernde, menn die Wilnde in dilatiertem Zustande erstarren, ganz wie ich es friiher bei Leimgallerte gefunden habe.

Uber die genauere Zusammensetzung der blartigen Fliissig- keiten d, B, C, der wei0en glanzenden Scheibchen und der braunen Dendriten miissen weitere Untersuchungen entscheiden, uud dabei beriicksichtigen, wie weit kleine Mengen Fremd- stoffe, Luft, SO, oder Alkali aua den Ritzen der Glasflache die Erscheinungen der Flockung, periodiachen Ausbreitung und Kristrtllbildung beeinflussen.

B ii t s c h l i 6) hat Schwefeldampf auf einem Deckgltts kondensiert und die Umwandlung der unterkithlten Triipfchen von fliissigem Schwefel in doppeltbrechende Sphiiro- kristalle und die Bildung von KristslltLfelchen beschrieben. Nach Salomon6) gehoren diese Tiifelchen der zweiten mono- klinen Modifikation des Schwefels an. Die Kristalle wuchsen dabei nber die Oberflache der Tropfen herans und leiteten durch Beriihrung der Nachbartropfchen in dieaen die Kristall- bildung ein. Nach Bii tschl i und Sa lomon verdampfen die iiberschmolzenen Schwefeltropfchen bei gewohnlicher Tem- peratur und rufen dadurch das kriatallinische Auswachsen der sclion erstarrten Tropfen hervor, wobei sich um letztere all- mahlich ein tropfchenfreier Raum bildet.

1898; Zeitschr. f. Kriatallogr. 31. p. 277. 1899.

Geschichtliehes.

5) 0. Biltschli, Untersuchungen tiher Strukturen p. 134. Leiprig

6) W. Salomon, Zeitschr. f. Kriatallogr. 30. p. 605. 1898.

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672 G. Quincke.

Ich kann dieser Auffassung nicht zustimmen. Die Dampf- spannung des iiberschmolzenen y - Schwefels ist freilich vie1 gr66er als die des festen Schwefels und nicht vie1 kleiner als die des Wassers bei Zimmertemperatur. Aber die von mir . beobachtete Bildung yon Rohren und Schaumwlnden in dem iiberschmolzenen Schwefel, sowie das Quellen und Schrumpfen der Schaumkammern , werden durch die Verdampfung nicht erklart. AuSerdem beweisen die klaren Randschichten, welche den uberschmolzenen Schwefel umgeben, und die periodischen Zuckungen oder Ausbreitungserscheinungen , welche ich an diesen Randschichten beobachtet habe, das Vorhandensein von unmerklich diinnen Schichten fliissigen Schwefels auf der Glas- flache, in welchen der fliissige Schwefel nach den Kristallen hinkriecht und diese vergro6ert. Die iihnliche Bildung von Schwefelkristallen, welche Bii techl i statt in Luft unter Wasser und Glyzerin an den unterktihlten fliissigen Schwefeltropfen beobachtet hat, wird auch durch das Kriechen des Schwefels in den unmerklich dicken Flhssigkeitsschichten auf der Glas- oberfliiche erklilrt.

9 197. Vhrschmolzene Schzoefeh-opfen bleiben twei Jahre flussig, fiiepen nach hurter Belichtung zusnmmen und hristallisieren. Ein hohler Glasfaden von 10 x 1 mm wurde mit wasseriger Lasung von Ammoniak geftillt und neben einen anderen ahn- lichen Glasfaden auf einen Objekttrilger gelegt, an welchem sich Schwefeldilmpfe bei niedriger Temperatur in vielen kleinen Trapfchen von 0,Ol bis 0,02 mm Durchmesser kondensiert hatten. Der Objekttrager hatte das Uhrglas mit dem ver- dampfenden Schwefel ganz bedeckt, so daf3 sich nur ein Mini- mum von schwefliger Sjlure gebildet hatte. Auf die beiden Glasfaden wurde ein Deckglas von 18 x 18 mm gelegt. Nacli einer Stunde waren vor der Offnung des Glasfadens mit Ammoniak die fllissigen Linsen zu doppeltbrechenden ver- schieden orientierten Kristallen erstarrt, welche aneinander hilngende Schaumkammern von 0,001 mm erftillten. Die ein- fach brechenden Flifssigkeitslinsen zeigten gelegentlich drei kon- zentrische dunkle Ringe, herriihrend von der lamellaren Beugung des Lichtes in konzentrischen Schichten verschiedener Licht- brechung. Die Fliissigkeitslinsen waren von einer niedrigen fltissigen Randschicht umgeben, losten sich in Schwefelkohlen-

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Schaumstruktur des Schiuefels usw. 673

stoff unter Entwickelung von Gasblasen. Nach dem Verdampfen des Schwefelkohlenstoffs blieben Kristalle von a-Schwefel und einfach brechende Linsen von amorphem Schwefel zuriick. Dcr Glasfaden rnit Ammoniak wurde nun entfernt und der Objekt- trlger in einem dunklen Pappkasten vor Staub geschiitzt auf- gehoben.

Nach 2 Jahren lagen im Mittelpunkt eines linsenfreien Hofes statt brauner Dendriten ein oder mehrere aneinander hlingende groBe Kristalle von oktaedrischem a- Schwefel mit schanen ebenen Kristallflachen, denen man noch ansah , daI3 sie aus Kugeln oder Blasen an der Spitze oder der Mitte radialer Rohren oder Dendritenliste (wie Figg. 239, s oder 240, E ,

Taf. 11) entetanden waren. Jede Blase hatte einen Kriatall gegeben. In der N&e der groBen Kristalle lagen wenige das Licht stark reflektierende weiSe Scheibchen von amorphem y-Schwefel, in denen einige winzige doppeltbrechende Kristalle eingelagert waren.

Zahlreiche flache Linsen von 0,02 bis 0,04 mm Dnrch- messer in der Umgebung der linsenfreien Hofe zeigten zwischen gekrenzten Nicolschen Prismen nicht das dunkle Kreuz der Spharokristalle, wie flussige oder erstarrte Gallerte. Die Ober- fliiche derselben war teils rauh und rnit kleinen Kugelfliichen bedeckt, teils glatt. Die Linsen mit rauher Oberflache be- standen aus vielen verschieden orientierten Kristallen von S,, die in aneinander hangenden Schaumkammern entstanden waren. Die Linsen mit glatter Oberflache bestanden zum Teil aus einem festen doppeltbrechenden monoklinen Kristall. Sie zeigten in konvergentem Licht zwischen gekreuzten Nico 1 schen Prismen farbige Kurven parallel dem Umfang, die bei einzelnen Linsen f i r bestimmte Lagen gegen den Polarisator von einem dunklen Streifen geschnitten wurden (Fig. 239, r, Taf. 11).

Ein anderer Teil der Linsen mit glatter Oberflache war einfach brechend und noch flllssig. Nach kurzer Belicbtnng durch die vom Mikroskopspiegel reflektierten Strahlen der Auerlampe zeigten rnehrere in einer Reihe nebeneinander liegende Liusen plotzlich eine heftige Bewegung, wie bei einer platzlichen Ausbreitung einer fremden Fliissigkeit an ihrer Oberflache. Zwei benachbarte Tropfen flossen zu einem gra6eren Tropfen zusammen und verwandelten sich in eine Masse ver-

Annnlen der Pbyslk IY. Folge. 26. 44

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874 G. Quincke.

schieden orientierter fester doppeltbrechender Kristalle, in eine Linse mit rauher Oberflilche.

tj 198. Dichsre Schwefebchichten auf Glas bis tum Siede- piinkt erhitzt, erstarren beim Erkalten mit wel1mformig.r Ober- $ache. Wirtel. Hr. Dr. Z i c k e n d r a h t hat im Heidelberger physikalischen Institut oktaedrische Schwefelkristalle in einem Porzellantiegel, der mit einem Uhrglas bedeckt war, ge- schmolzen und Yangere Zeit gekocht. Nacb langsamem Er- kalten zeigte der auf dem Uhrglas kondensierte Dampf eine diinne Schwefelschicht mit mehreren Systemen konzentrischer Ringe oder Furchen.

Wurde der Schwefel lilngere Zeit in einem Uhrglase ge- kocht, welches mit einem Objekttrilger bedeckt war, so konden- aierte sich der Schwefeldampf auf diesem zu einem grof3en zentralen Tropfen, der von kleineren Tropfchen umgeben war. Beim Erkalten unter dem Polarisationsmikroskop bildeten sich urn eine zentrale Stelle Ringe oder kreisfdrmige Furchen, wobei sich die Flussigkeit um eine horizontale kreisfdrmige Wirbellinie als Achse drehte. Jede Umdrehung bildete einen Furchenring. Der Furchenabstand betrug innen 0,3 mm, bei den iluBeren zuletzt entstandenen Furchen 0,024 mm (Fig. 245, Taf. ID, Photographie).

Die Fltissigkeitstropfen am Rande erstarrten zu kleinen Kugeln, mit mehreren verschieden orientierten Kristallen ip3 Innern, zu Sternen rnit radialen Kristallen auf der Oberflilche von fliissigem Schwefel, und zu doppel tbrechenden Schaum- massen mit eingeschlossenen Kristallen. Bei Beriihrung mit Kristallsplittern von cc-Schwefel erstarrten mttnche Tropfen plotzlich, andere nur teilweise. Die fliissigen Kugeln und Tropfen enthielten also noch unsichtbare Schaumwande, welche die orientierte Kristallisation hinderten.

Bei anderen Prilparaten lagen auf den Uhrglisern viele konzentrische Ringe urn zentrale Kugeln oder Ringe K von 1- 1,6 mm Durchmesser, rnit unzahligen doppeltbrechenden Kiigelchen und Schaumwanden irn Innern. Vom Zentrum der Ringe gingen radiale Fasern aus mit 0,03-0,3 mm Abstand. Zuweilen waren die radialen Fasern in eine Reihe Kugeln von 0,03-0,04 mm Durchmesser zerfallen. Mit linear polari- siertem Licht beleuchtet erschien ein Teil der Fasern dunkel

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Schaumstruktur des Schwefels usw. 675

ftir Fasern normal zur Polarisationsebepe, ein Teil dunkel fiir Fasern parallel der Polarisationsebene. Dieser normale und anormale Dichroismus verschwand aber bald wieder (vgl. unten 8 202).

Nach 12 Stunden war die ganze Schwefelschicht fest und undurchsichtig. An der Grenze benachbarter Ringsysteme lagen Furchen in Form von geraden Linien und Kreisbogen, welche unter Winkeln von l2Oo) seltener unter anderen Winkeln zusammentrafen und die Schwefelschicht in einzelnen Ab- teilungen oder Kammern mit einem zentralen Kern K teilten. Die Abteilungen haben oft die Gestalt eines Sechseckes, E'iinf- eckes oder Viereckes, ahnlich den von d e H e e n l ) und Rud. H. Web e r 9 beschriebenen elektrischen Staubfiguren. Ahnliche durch Furchen getrennte Abteilungen in dtinnen Fliissigkeits- schichten von Alkohol und Gummiguttiwasser, welcb durch Fliissigkeitswirbel entstanden waren, hat schon 1 835 E. H. Web e r 9 beschrieben. Ich habe dieselben durch periodische Ausbreitung von Alkohol rnit kleiner Obediilchenspannung an der Oberflgche von Gummiguttiwasser rnit graBerer Oberflilchen- spannung e~-kliirt.~)

Auch in den diinnen Schicliten von flilssigem Schwefel entstehen die Abteilungen mit konzentrischen Ringen durch Wirbel im Innern der heillen klebrigen Flussigkeit , welche m. E. durch periodisch wiederkehrende Ausbreitungen von warmerer Flussigkeit mit kleinerer Oberflichenspannung a auf der killteren Flussigkeitsoberflache mit grBBerer Oberfllicheii- spannung erzeugt werden. In 0 189 wurde gezeigt, daB die Oberflachenspannung a des geschmolzenen Schwefels sehr be- deutend von 4,5 bis zu einem Maximum 12 mg/mm zunimmt, wenn die Ternperatur vom Siedepunkt bis 250° sinkt.

Von einer zufallig (etwa durch Luftstramnngen) hei6eren Stelle K erfolgt eine Ausbreitung der Flussigkeit rnit kleinerem a radial nach allen Seiten. Die darunter liegende Schicht klebriger Flussigkeit wird nach auSen mitgerissen. Es ent-

1) P. d e H e e n , Bull. d. l'inst. d. Phys. de l'universitb de Liege (2)

2) Rud. H. Weber , Ann. d. Phys. 6. p. 96. 1901. 3) E. H. Weber, Pogg. Ann. 94. p. 455, Taf. VII, Figg.9-12. 1855. 4) G. Quincke , Wied. Ann. 36. p. 601. 1888.

Prem. feac. p. 589. 1900.

44 *

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676 G. Quicke .

steht eine kreisarmige Furche, umgeben von einein Wirbel mit horizontaler kreisfiirmiger Rotationsachse, welcher warmere Flussigkeit mit kleinerem a von unten nach oben reibt, nach der kalteren OberflBche mit grijBerem a, und einen kreis- fiirmjgen Htigel bildet. Es entsteht eine neue Ausbreitung, ein neuer Wirbel, eine neue Furche und angrenzender Huge1 und dies Spiel wiederholt sich viele Male. Bei gleicher Ab- ktihlungsgeechwindigkeit werden die Ausbreitungen um so schwacher, Furche und HUgel um eo schmaler, je langsamer tc mit sinkender Temperatur zunimmt, je mehr sich die Tem- peratur 250° nahert. I n der Tat zeigen die spater ent- standenen Ringe kleinere Breite und kleineren Abstand der Furchen , als die frUher entstandenen. Bei Temperaturen unter 250° mtiBte sich die kaltere Fliissigkeit auf der warmeren Fliissigkeit ausbreiten. Durch die starke Viskositiit des flhssigen Schwefels ist dttnn aber die Beweglichkeit und Wirbelbildung behindert.

Die kleinen schneller abgektihlten Schwefeltropfen am Rtlnde der Qlasplatten zeigten die schon in 0 196 beschriebenen Erscheinungen.

8 199. Schwefel zwischen rwei Glasplatien yeschmolzerc und abgekiihlt. LaBt man geechmolzenen braunen Schwefel zwischen einem Objekttrager und Deckglas unter einem Polarisations- mikroskop abkuhlen, so erstarrt er zu Sphilrokristallen 111. Klme, aus wenig durchsichtigem gelben Schwefel oder zu positiven oder negativen Spharokristallen 11. Klasse %us durchsichtigerem Schwefel. Beide verwandeln sich nach einiger Zeit in gelben oktaedrischen a-Schwefel.

An den zwischen Deckglas und Objekttrgger aus dtinn- Aiissigem gelben Schwefel erstarrten Schwefelschichten beob- achtet man zuweilen mit gekreuzten Nicolschen Prismen statt der Sphiirokristalle 111. Klasse mit aufrechtem dunklen Kreuz ein liegendendes dunkles Kreuz mit Armen im Azimut f 45O oder einen dunklen Streifen im Azimut f 45O. Ein Sphilro- kristall 111. Klasse mit liegendem Kreuz war in in einem Falle von einem positiven Sphiirokrietall 11. Klasse in Form eines schmalen Ringes umgeben.

An SchwefelschichteF, die bei 120° zwischen Deckglas uud Objekttrager geschmolzen waren, beobachtete ich mit ge-

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Scliaumstruhhrr des Schwefelv ILSW. 677

kreuzten Nicolschen Prismen ellipseniihnliche Ringe, die von einem .dunklen Kreuz oder dunklen hyperbelahnlichen Kurven geschnitten wurden, je nachdem die groSe Ellipsenachse im Azimut O o oder 45O stand, ahnlich wie bei einer dilnnen Platte aus Kalisalpeter.

Kristallisierter oktaedrischer Schwefel auf einem Objekt- trager bei hijherer Temperatur geschmolzen und mit einem warmen Deckglas bedeckt, zeigt unter dem Mikroskop stets Luftblasen oder Hohlraume am Deckglas. Bei langsamer Ab- ktihlung entstehen in der klaren Fliissigkeit zuweilen plijtzlich runde Blasen, an deren Oberflache sich eine dunkelbraune ijltrrtige Fliissigkeit ausscheidet, welche an einer Seite der runden Blase einen Schlauch rnit abgerundeten Enden bildet (Fig. 246, u, b, Taf. 11). Dieser Schlauch wiichst an dem der Blase abgewendeten Ende, kriimmt sich oder bildet Schranben- windungen. Zuwailen scheidet sich neben der klaren Blase in der klaren Fliissigkeit der braune Schlauch ab und krtimmt sich, wilhrend die Blase kleiner wird. Nach kurzer Zeit, etwa 20 Sek., verschwinden die Hohlraume der runden Blase und des Schlauches wieder ganz oder zum grij6ten Teile. Wahrend des Abkuhlens scheidet sich also in sehr kurzer Zeit aus der klaren Fliissigkeit eine braune dlartige Fllissigkeit aus , mit Oberflachenspannung an der Grenze mit Luft oder luftleerem Raum und an der Grenze mit der Mutterlauge. Die Viskositllt dieser braunen Fliissigkeit nimmt mit sinkender Temperatur sehr schnell zu, da die diinne braune Haut unter dem EinfluS der Oberflachenspannung zuerst eine runde Blase und spater, bei wenig niedrigerer Temperatur, einen zylindrischen Schlauch bildet. An der konkaven Seite des gekrtimmten oder schrauben- formigen Schlauches war die Oberflilchenspannung grafier ale an der konvexen Seite. Da die Schlauchwand verhiiltnismil6ig dick war, vie1 dicker als die doppelte Wirkungsweite der Molekularkrlfte, so mu8 der Grund der verschiedenen Ober- flhchenepannung nicht in der verschiedenen Dicke der Schlauch- wand , sondern in der verschiedenen Zusammensetzung der Schlauchwand liegen. Die braune Schlauchwand besteht wahr- scheinlich aus einer Lasung oder einem Gemisch von fliissigem bSchwefel in fliissigem y-, /3- und a-Schwefel mit verschiedenem Gehalt an amorphem y-Schwefel an den verschiedenen Stellen.

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678 G. Quincke.

Ubrigens ist die braune Schlauchwand haufig auch nicht homogen und enthalt wieder im Innern kleinere Schaumkammern mit lnhalt und Wiinden von verschiedenem S,-Gehalt. l)

Das Gesamtvolumen von Mutterlauge und brauner ijlartiger Flfissigkeit ist durch die Ausscheidung letzterer kleiner ge- worden. Es hat sich plotzlich braune Plilseigkeit mit gr60erem spezifischen Gewicht gebildet, welche eine neue allotrope Modi- fikation dea Schwefels S d enthiilt oder ist.

Ob die Hohlraume der Blasen und Schlauche im Augen- blick des Entstehens luftleer sind oder auch kleine Mengen Gas enthalten, clas spilter van Schwefel wieder aufgenommen wird, ist schwer zu entscheiden. Ftir die letztere Annahme sprechen die kleinen kugelfdrmigen Blasen, welche fortwahrend in ausgekochtem Schwefel 10 Min. lang aufsteigen, wenn dieser in einem Probierrohr langsam abkliblt (vgl. 0 192). Spuren schwefliger Silure, welche in geschmolzenem Schwefel loslich ist, sind bei den gegebenen Versuchsbedingungen nicht wahr- scheinlich. Auch halte ich es nicht fiir ausgeschlossen, daS sich aus dem bei hoher Temperatur geschmolzenen fliissigen Schwefel bei der Abkiihlung ein allotroper gasformiger Schwefel abscheidet, der in hei6em fltissigen Schmefel (8,+& + Sfl+ 83 wie ein heterogenes Gas aufgelost ist. Ftir diese Auffassurig epricht auch die Beobachtung von Malus, der in dem bei 120° im Vakuum geschmolzenen Schwefel und 80 maliger Wieder- holung des Versuches stets Gasblasen auftreten sah (5 187).

Die braune olartige Fllissigkeit scheidet sich haufig in kurzen Zwischenrlumen oder periodisch ab, ist scheinbar leichter als die umgebende Fliissigkeit, steigt in dieser auf und bildet braune konzentrische Kreislinien oder radiale Fasern oder R6hren (dem kontrahierten Schlauch der Fig. 246, Taf. 11, entsprechend) oder braune Netzwerke.

1) Anm. h d i c h e auf dieeelbe Weiee entstsndene Formen oder Schaumkammern, eine runde hohle Blase rnit daran hilngendem geraden oder gewundenen Hohlzylinder oder Hohlkegel babe ich d o n fruher beobachtet bei den Niederechlagmembrmen von OleHure und Alkrlien (Myelinformen), (Wied. Ann. b3. p. 612, Taf. VIII, Fig. 23-25. 1894); boi den Niederschlagmembranen von CoCI, und K,FeCy,, (0 28. Wied. Ann. 7. p. 659, Fig. 22, b. 1902); bei dem (fefrieren von ealzhaltigem Waeser (§ 176. Ann. d. Phys. 18. p. 36, Fig. 223, p. 42, Fig. 227, m. 1905).

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Schaumstrukiur des Schruefels usw. ti79

Die feinen Kreislinien erscheinen bei den starksten Ver- gro6erungen als aneinander hangende braune Schaumwande oder a l s ein Astwerk verzweigter R6hren.von 0,003--0,006 mm Durchmesser mit braunen Wanden, hellerem Inhalt, kugel- formigen Anschwellungen und runden Kopfen oder Schrauben- windungen.

Oft bilden sich radiale Streifen und Fasern urn eine runde hohle Blase, welche von den braunen Kreislinien normal ge- schnitten werden. Bei geniigender Dicke der Schwefelschicht zwischen Deckglas und Objekttrilger sieht man diese radialen Fasern von innen nach a d e n wachsen. Die Fliiseigkeit bildet am iluI3eren Rande der Fasern ein Netzwerk, welches anfsteigt, sich nach innen aufrollt und als braune Kreislinie liegen bleibta) Braune radiale Streifen und Kreislinien , welche in gelbliche oder braunliche Schichten eingelagert sind , bilden gleichsam ein Spinnennetz von 1-3 mm Durchmesser (Fig. 247, u, b, Taf. II). Die Spinnennetze sind ahnlich den Spinnennetzen in Schwefellamellen, welche auf Quecksilber erstarrt sind (6 191 )I Wo die radialen Fasern zweier benachbarter Spinnennetze zusammenstofien , liegen braune Grenzlinien. Die Gretizlinien bilden meist Winkel von 120° miteinander und begrenzen sechseckige Spinnennetze. Jede Grenzlinie scheint von braunen Schaumwanden gebildet , welche aber nicht normal zur Glns- tlache stehen und durch Zusammentreffen zweier Wirbel mit horizontalen kreisfdrmigen Wirbellinien entstanden sind.

Die Spinnennetze oder radialfaserigen Gebilde sind haufig dichroitisch und erscheinen mit linear polarisiertem Licht Le- leuchtet oder durch ein analysierendes Nicol sches Prisma betrachtet dunkel an den Stellen, wo die radialen Fasern normal zur Polarisationsebene des Polarisators oder Analysators liegen. Bei Drehung urn 90° wurden die hellen Fasern un- deutlich, gelb oder braun oder verschwinden (vgl. unten 0 202).

In anderen Fallen fehlen die braunen konzentrischen Kreis- h i e n . Die nebeneinander liegenden radialen Fasern wachsen nach auSen mit halbkugelfihmigen Kspfen, ahnlich wie die Eisfasern in Rasser, welches in fliissiger Luft schnell erstarrt

2) Ein (ihnlichee Netrwerk habe ich bei Einwirkung V O I ~ N%Cr,O, und AgSO,, mit ,!?-Leirn beobachtet (S 107. Ann. d. Phya. 11. p. 450. 1903).

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6 80 G. Quincke.

(rgl. 0 177). An den Stellen, wo die Kopfe benachbarter Systenie radialer Fasern zusnmmenstieSen, entstanden braune gerade Linien oder Kreisbogen. Statt der Kreislinien konnen auch die braunen Radien des Spinnennetzes fehlen, oder die radialen Fasern konnen sehr dunn sein, 0,001-0,0002 mm Breite haben.

Die erstarrten Schwefelschichten zeigen hilufig Sprunge an den Stellen der braunen radialen Streifen oder Ere ish ien oder an den Stellen, wo sich sichtbare und unsichtbare Schaum- wande brauner iilartiger Fliissigkeit mit Neigungswinkeln von 90°, 45O u. a. abgeschieden haben. .Die olartige braune Flfissigkeit kontrahiert sich beim Abktihlen und Erstarren anders als die Umgebung.

Die radialen Fasern und braunen Kreislinien begrenzen Schwefelbrocken mit rechten Winkeln. Beim Dreheu des Objekttisches zwischen den gekreuzten Nicolschen Prismen erscheinen einzelne Brocken dunkel. Uan erkennt dann , da6 einzelne Fasern durch mehrere braune Kreislinien hindurch- laufen oder zwischen zwei Kreislinien abgebrochen und die Stiicke gegeneinander verschoben sind. Die radialen Fasern sind also friiher als die Kreislinien entstanden, iihnlich wie Fasern des Eises normal zur Oberfliiche dnrch mehrere Qletscherkorner hindurchlaufen und also vos den Scheidewlnden der Gletscherkorner entstanden sind.

Kristallisierter Schwefel wurde zwischen Deckglas und Objekttrager bei niedriger Temperatur geschmolzen und mit der Deckglasseite auf eine dicke kalte Kupferplatte gelegt. In dieser schnell erkalteten diinnen Schwefelschicht lageii neberi doppeltbrechenden Kristalllamellen breite Sphiirokristnlle 111. Klasse mit dunklem Kreuz oder federclrtigen dunklen Bilndern oder negative Spharokristalle 11. Klasse. Bei letzteren umgeben 10, 30 oder mehr radiale Facher oder breite Fasern eine braune Kugel oder braun geshmte Blase. Jedes Fach enthielt einen anders orientierten Schwefelkristall mit nahezu radialem Hauptschnitt (vgl. unten 5 202).

Beim Aufwarmen verwandeln sich diese diinnen durch- sichtigen Schwefelschichten , ohne zu einer klaren Fliissigkeit zu schmelzen, in eine undurchsichtige Schicht.

Bei leichtem Erwarmen schurren die zylindrischen und

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Schaumstruktur des Schiuefels 1 1 s ~ . 68 1

kegelfdrmigen Rohren zu kugelformigen Blasen und aneinander hangenden Schaumwilnden mit Neigungswixikeln von 120 O,

90° u. a. zusammen, indem mit steigender Temperatur die Fluidititt (und OberflPchenspannung ?) der braunen Fltissigkeit und des Inhalta der Schaumkammern zunimmt. Die Schaum- massen mit radialen Fasern und unsichtbaren Schaumwiinden gehen dnrch Kontraktion und Platzen der Schaumwande in gr6Sere Gletscherkbrner iiber, wie man es bei Eis fiir Tempe- raturen nahe bei O o beobachten kann. Fig. 248, a, Taf. I V [Photographie], zeigt links bei schwacher 10 facher Ver- grbI3erung die ursprnngliche Schwefelschicht mit breiten farbigen Fachern, rechts oben den in Gletscherkorner umgewandelten Schwefel. Fig. 248, b, c, Taf. I V [Photographie], geben diesen umgewandelten Teil bei starker 120 facher VergriiSerung zwiechen gekreuzten Nicolschen Prismen und bei Beleuchtung mit natiirlichem Licht. In den Schaumwlnden hilngen braune Voll- und Hohlkugeln oder Voll- und Hohllinsen , besonders an den Kanten , wo benachbarte Schaumwilnde zusammen- s toSen.

Bei leichtem Erwilrmen von kiirzerer Dauer lost sich ein Teil der brltunen Dendriten und man sieht an der Stelle der braunen Kreislinien und braunen radialen Fasern, welche im durchgehenden Licht klar hervortreten, mit normal reflektiertem Licht glanzende Kreislinien und glinzende radiale Faeern. Zuweilen verschwinden diese glanzenden Stellen nach einigen Tagen.

Nach starkem Erhitzen einer diinnen Schmefelschicht zwischen einer Konvexlinse von 80 cm Radius und einem Deck- glas zeigten sich in der erkalteten Schicht braune Dendriten und glinzende Stellen (aus einfach brechender Substanz) im normal reflektierten Licht , hanptsachlich in der Nahe der Rinder der Schwefelschicht an den Stellen, wohin die an der fieien Oberflache des Schwefels gebildete schweflige Siure leicht gelangen konnte. Es scheint also ein Gehalt an SO, das Auftreten der braunen olartigen Fliissigkeit, sowie der Dendriten und der stark lichtbrechenden und stark reflek- tierenden Sobstanz zu begiinstigen.

In den groI3en Luftblasen einer Schwefelschicht zwischen Deckglas und Objekttrager liegen hiinfig vide linseuformige

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682 G. Quincke.

Schwefeltrbpfchen, deren GroBe kontinuierlich von einer Seite der Luftblase nach der anderen abnimmt. Im Laufe der Zeit, nach Tagen und Monaten, erstarren zuerst die groBen, zuletzt die kleinsten Linsen zu oktaedrischen Kristallen von a-Schwefel. Bei einem Praparat waren in 14 Tagen die groBeren Tropfen von 0,035 mm Durchmesser erstarrt, die kleineren von 0,015 bis 0,006 mm Durchmesser noch fliissig.

0 200. Pergleichung der in $ 193-2198 bsschriebenen Er- scheinungn Schaummassen mit o f f i e n und geschlossenen Schaum- Rammern. Qudlen und Schrumpfen geschlosrener Schaumkammmn. Doppeltbrechende Schaumwande. J e hoher man geschmolzenen Schwefel erhitzt und je schneller man ihn abkuhlt, um so mehr S, enthiilt die unterkiihlte Fliissigkeit, welche im all- gemeinen ein Gemisch aller allotropen Modifikationen des Schwefels S,, S,, Ss, S, ist. Mit der Zeit verwandeln sich die bei hiiherer Temperatur stabilen Modifikationen in die bei niederer Temperatur stabilen Modifikationen, schliefilich also alle in Sa, aber um so langsamer, j e groBer die Oberfllche der untor- kuhlten Fliissigkeit im Vergleich zu ihrer Masse ist.

Der unterkiihlte fliissige Schwefel wird mit der Zeit eine ubersattigte Losung einzelner Schwefelmodifikationen, und diese Zeit wschst, je grbBer die Oberfiache und j e kleiner die Masse ist. Wahrscheiulich wechselt sie auch mit der Natur der Sub- stanzen, welche seine Oberflache beruhren. Ans tibersattigten Losungen einer Schwefelmodifikation lagert sich diese durch Kontakt an schon ausgeschiedene Massen derselben Modi- fikation an.

Die flachen aus Schwefeldampf auf Glae kondensierten Tropfen oder Linsen Bind zuerst S,- reiche Fliissigkeit. Dann trennen sich Sy-reiche FlUssigkeit A und S,,-arme Flussig- keit 3 mit Oberfllchenspannung an der gemeinsamen Grenze und bilden eine niedrige ringfdrmige Randschicht aus Flilssig- keit A um einen hoheren Tropfen in der Mitte aus Fliissig- lceit 3.

I n den ans Schwefeldampf nuf Glas kondensierten Flussig- keitslinsen konnen statt zwei auch drei Fliissigkeiten A B C luit verschiedenem Gehalt an S,, S,, Ss, So und Oberflachenspannung an der gemeinsamen Grenze entstehen. Die olartige klebrige Fliissigkeit C bildet, wenn sie in diinnen Schichten ausgeschieden

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Schaumstruktur des Schwefils usiu. 653

wird, Zylinder, Kegel, Kugelflachen, welche geschlossene, wit Fliissigkeit A oder B gefullte Schaumkammern begrenzen. Oder die Rohren aus FlUssigkeit C bilden Tannenbaume oder ein System zusammenhangender Rohren oder offene Schaum- kammern, durch welche Fliissigkeit A oder B hindurchstromen kann. Aus offenen und geschlossenen Schaumkammern mit Wllnden aus Fliissigkeit C bestehen die braunen Dendriten inmitten der linsenfreien Hofe (8 196).

Die relative Menge und die Zusammensetzung der Fliissig- keiten A B C und ihr Qehalt an den verschiedenen Schwefel- arten sind nicht konstant, sondern wechseln mit Hohe und Dauer der Erhitzung, Abktihlungsgeschwindigkeit, Dauer des iiberschmolzenen fliissigen Zustandes, mit der Masse, Ober- flnche und Umgebung der Teilchen aus Fliissigkeit B BC. Leider gibt es bis jetzt kein Mittel, die kleinen Teilchen der Flussigkeiten A B C voneinander zu trennen und ihren Gehalt von S,SdSbS. in jeder einzelnen zu bestimmen.

Schweben viele kleine Tropfchen von Sy-reicher Fliissig- keit A in der Sy-armen Fliissigkeit B, so hat man eine triibe Losung, a m der die schwereren Fliissigkeitstropfen A zu Boden sinken, zusammenfieEen, sich am Qlase festsetzen und die das Licht stark reflektierenden weiSen Scheiben oder Linsen (Figg. 240, a, b ; 241, a, b, c, d, e,fi R, Taf. 11; 244, a, Taf. 111) bilden, welche in Schwefelkohlenstoff unlbslich sind. Uberschmolzener fliissiger amorpher Schwefel Sy scheint ein grijSeres spezifisches Gewicht als der alnorphe feste Schwefel zu hahen, und beim Erstarren sich auszudehnen, wie Waeser. Dafiir spricht auch die konvexe Unterseite der Schwefeltropfen, welche bei hoher Temperatur geschmolzen und auf Quecksilber 6chqell erstarrt sind (8 191).

Beim Abkiihlen des zu hoher Temperatur erhitzten Schwefels erscheinen zwei Arten braunen Schwefels, von denen die eine in Schwefelkohlenstoff unloslich, die andere loslich is&

Aus der . ersten in Schwefelkohlenstoff unlaslichen braunen Art bestehen die dunkelbraunen mit Tropfchen besetzten geraden Linien, Kreisbogen und Kreise (Figg. 240, e, 241, e, f , 9, h, Taf. 11). Sie sind erstarrter amorpher Schwefel 8, und ent- hrtlten wahrscheinlich SO,, da sie sich am Rande der fliissigen Tropfen von unloslichem SY bilden. Die von F r a n k e n h e i m

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684 G. Quincke.

beobachteten schwarzen Korner (0 187) bestanden wahrschein- lich aus derselben Substanz.

Zu der zweiten in Schwefelkohlenstoff loslichen braunen Sd-reichen Schwefelart rechne ich die braunen runden Blasen und Hohlzylinder, welche sich in dem bei hoher Temperatur zwischen zwei Qlasplatten geschmolzenen Schwefel bei der Abkiihlung unter Kontraktion plotzlich abscheiden (Fig. 246, a, b, Taf. II); die braunen gewundenen Bander (Trichiten) mit Tannen- baumen in dem zwiechen Glasplatten schnell erkalteten kochen- den Schwefel (Fig. 238, a, b, Taf. 11); die braunen Leisten mit negativer Doppelbrechung (Fig. 239, h , Taf. 11); die braunen BBnder, welche aus den auf Glas aus Schwefeldampf konden- sierten fliissigen Schwefeltropfen herauswachsen (Fig. 239,g, Taf. 11) und die braunen Dendriten mit 5 bis 6 von einer Kern- blase ausgehenden Asten. Ich habe freilich bis jetzt nur bei diesen letzteren die Loslichkeit in Schwefelkohlenstoff direkt nachweisen konnen. Diese Dendriten gleichen den Biladern rnit Tannenbiiumen, deren Seitengste runde Kuppen haben nnd normal zum Hauptstamm stehen. Die Dendriten sind steife Gallerte mit offenen und geschlossenen Schaumkarnmern, deren Wande ganz oder gro0tenteils aus festem oder sehr klebrigem in Schwefelkohlenstoff loslichen 8, bestehen. Die Schaum- kammern sind mit Fliissigkeit gefiillt, welche alle in Schwefel- kohlenstoff loslichen Schwefelmodifikationen enthalten kann. In den offenen Schaumkammern - kann die Fliissigkeit bis zur Spitze der Dendritenaste aufsteigen, und hier die tafelfarmigen monoklinen Kristalle zweiter Art (aus S,?) bilden. Die hoheren allotropen Schwefelmodifikationen gehen im Laufe der Zeit in niedrigere iiber, die Schaumwiinde platzen und wandeln sich um, es entstehen geschlossene Schaumkttmniern, ilhnlich den 6 armigen Sternen (Fig. 239, s, Taf. 111, in welchen die Flnssigkeit schliefilich zu verschieden orientierten Kristallen von 8, erstarrt.

Da die in Schwefelkohlenstoff unloslichen olartigen Trapfchen groSerer Lichtbrechung, melche an der Oberfliiche des fliissigen iiberschmolzeiien Schwefels schwimmen, aus IS, bestehen nnd am Rande Zacken und eine feste Haut bilden, so mu6 man annehmen, da0 der uberschmolzene 8, dnrch Oxydation an der Luft SO, bildet und dieee SO, das Erstarren dea fliiesigen uberschmolzenen Schwefels beganstigt.

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Schuumstruktur des Schwefels usw. 685

Belichtung beschleunigt die Bildung von SO,. Der SO,- haltige Schwefel hat eine kleinere Oberflilchenspannung an der Grenze mit Luft, als der SO,-freie und breitet sich auf der SO,- freien Fliissigkeit aus. Diese Bildung und Ausbreitung von SO,- haltigem fiiissigen Schwefel kann in kurzen Zwischen- raumen oder periodisch erfolgen, die darnnter liegende Fliissig. keitsschicht mitreiBen oder vom Glase abrollen nnd nach den SO,- freien Stellen hinftihren, ahnlich wie ein Tropfen Alkohol eine diinne Wasserschicht von einer Qlasflache abrollt und nach au6en treibt.

Besteht die Flussigkeitsschicht auf dem Glase aus einer am Glase haftenden klebrigen FlUssigkeit B und einer dariiber liegenden wenig klebrigen Fliissigkeit B, so wird letztere allein durch die Ausbreitung fortgefiihrt, und es bleiben schlie6lieh nur Tropfen von unloslichem amorphen S als stark Licht reflektierende wei6e Scheibchon zuriick. biese werden all- mahlich kleiner , indem sie in niedriger stehende Schwefel- modifikationen abergehen und zu den 8,- ilrmeren Schwefel- tropfen fortgefiihrt werden.

Sind zwei Fliissigkeiten A und B von verschiedener Zu- sammensetzung durch eine dunne Lamelle aus Blartiger Flussig- keit C voneinander getrennt, so wird ein Teil der Fliissigkeit A, welcher in Fliissigkeit C laslich ist, nach B diffundieren und um so schneller diffundieren, je dunner die Lamelle C, und je verschiedener die Zusammensetzung der Flussigkeiten A und B ist. Geschlossene Schaumkammern mit Wilnden aus Fliissig- keit C konneen quellen oder schrumpfen, je nachdem eie mit Fliissigkeit B oder A gefallt sind. Die Versuche zeigen, da6 A S7-reiche, B 8/arme Fliissigkeit ist, und die Fliissig- keit C 8, enthalten kann. Liegen in einer Linse aus fliiesigem Schwefel viele mit Fliissigkeit B geftillte geschlossene Schaum- kammern nebeneinander in Fliissigkeit A , so quellen die Schaumkammern am ilu6eren Rande schneller als im Innern.

I n dem diffundierten Teile der FlIissigkeit A echeinen nach dem Durchgang durch die Schaumwand aus Fliissigkeit C durch Beriihrung mit S,,- armer Fltissigkeit B hoherstehende Schwefelmodifikationen in niedriger stehende iimgewandelt zu werden.

Die Flilssigkeit C der Schaumwilnde braucht nicht homogen

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zu bleiben, sondern kann in ihrem Innern wieder heterogene olartige Fliissigkeit abscheiden und neue Schaumkammern bilden.

Beim Quellen und Schrumpfen der Schaumkammern werden die W h d e aus sehr klebriger Flussigkeit C gedehnt und kom- primiert und dabei vortibergehend positiv und negativ doppelt- brechend.

Der Inhalt der Schaumkammern kann sich in feste okta- edrische Kristalle und eine Mutterlauge scheiden, die ein Ge- misch mehrerer allotroper Schwefelmodifikationen ist und nach lilngerer Zeit auch in S, Ubergeht. 1st der fliissige S, im Augenblick des Kristallieierens von dem benachbarten alten schon festen S,- Kristallen durch eine heterogene iilartige Fliissigkeitshaut oder Fremdschicht getrennt - welche sehr diinn und unsichtbar sein kann -, so konnen die neuen Kristalle beliebig orientiert sein. Wird die klebrige Fremd- schicht C oder die Wand der Schaumkammer bei der mit dem Erstarren verbundenen Formandernng durchbrochen, so wird dadurch die Kristallisation des fliissigen Inhalts der Nachbar- kammer eingeleitet, der neue Kristall ist ebenso orientiert, wie der alte.

Sehr interessant sind die 6 armigen Sterne (Fig: 239, d, Taf. 11), Rohren mit kugelformigen Anschwellungen und runden Kiipfen, welche strahlenfdrmig eine kleine Kernblase umgeben, radial in der Luft in die Hohe wachsen, und aus einfach brechender Substanz bestehen. Die Schaumkammern, Kern- blase und h e , milssen eine Hiille von sehr klebriger olartiger Fliissigkeit haben, welche sich dehnt ohne zu brechen, wghrend am FuBe der Aste in einer dunnen unsichtbaren, das Glas be- deckenden Fliissigkeitsschicht neue Fliissigkeit zustromt und das Volumen der riihrenfdrmigen Schaumkammer vergroBert. I n der Rohrenwand konnen wieder kleinere Schanmkammern liegen oder ein Gerlist von Schaumwanden aus sehr klebriger oder erstarrter Fliissigkeit.

Da die diinne Lamelle aus olartiger Flilssigkeit , welche die Aste bekleidet, sich normal an die Oberfliiche der Kern- blase angesetzt hat, so mul3 die Kernblase gleichzeitig eiiie Haut aus erstarrter oder wenigstens sehr klebriger Fliissig- keit gehabt haben. 1st die HUlle der Kernblase starr ge-

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Sciiaumstruktur des Schwefels wu: . 687

blieben, so miissen Risse in der festen Haut der Kernblase der zustramenden Fliissigkeit den Eintritt in den FuS der langen Schaumkammer gestatten und wie ein Ventil wirken, das sich nach dem Innern der langen Schanmkammer offnet. Besteht die HUlle der Kernblase aus einer diinnen Haut 61- artiger Flnssigkeit , so wiirde durch diese Haut ein Bestand- teil von S,,-heltiger Schwefellijsung A in das Innere der langen Schaumkammer diffundieren konnen. Die Aiissige Halle der Kernblase wird durch die Volumenzunahme im Innern der langen Schanmkammer nltch auf3en gegen die Glasflache ge- drtickt, die Kernblase selbst verschwindet nnd am fliissigen Umfang dee FuSes der Schaumkammer dauert der Diffusions- strom fort. Die Aste werden nicht mehr wachsen, wenn die &&ere Hiille erstarrt, vielleicht durch Bildung und Absorption von SO,, , oder wenn die unsichtbare Fliissigkeitsschicht auf der Glasflache erschijpft ist. Die ijlartige Haut der langen Schaumkammer kann kugelfdrmige Anschwellungen bilden und der Inhalt zu oktaedrischen Kristallen von S, erstarren. Die in 0 191 beschriebenen, wie Zweige aneinander hlngenden oktaedrischen Schwefelkristalle, von ahnlicher Form wie die braunen Dendriten in Q 196, sind auf diese Weise entstanden.

Scheiden sich durch Kontakt mit schon vorhandenen Kristallen oktaedrische Kristalle im Mittelpunkt K der linsen- freien Hafe oder Kristalle von Sd an der Spitze der braunen Dendriten mit offenen Schaumkammen aus, so kann in der nnsichtbaren Fliissigkeitsschicht auf der Glasflache neue Fliissig- keit nachstromen und neue Kristalle bilden. Es ist ahnlich wie bei dem Eriechen einer Salzlasung von einem zentralen Tropfen auf einer Glasflilche zu einem Kreise schon gebildeter Kristalle. I)

Statt der Sterne mit wenigen Armen entstehen in diinnen Schichten von iiberschmolzenem Schwefel Spharokristalle oder Sterne mit vielen Armen, vielen radialen Schaumkammern, ahnlich wie dicke Schichten Leimlasnng auf Quecksilber zu Lamellen mit wenig Falten , dUnne Schichten Leimliisung zu Lamellen mit vielen Falten eintrocknen. Die radialen Schaum- kammern kannen quellen oder schrumpfen, ihre Wande aus

1) G. Quincke, Wid. Ann. 2. p. 176. 1877.

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sehr klebriger Fltissigkeit C werden dilatiert und voriiber- gehend doppeltbrechend rnit optischer Achse parallel dem Radius. Diese Sphiirokristalle kbnnen in Schwefelkohlenstoff unlbslich sein, wenn die Schaumwiinde aus Fliissigkeit C mit unlBslichem 8, bedeckt sind, oder daraus bestehen, und der in Schwefelkohlenstoff losliche Inhalt der Schaumkammer durch die Htille vor Auflosung geschiitzt ist.

8 201. Entstehung der Spharokristalle I., II. und IIL Klasse. Bei der Abkiihlung dicker Schwefelschichten hoher Temperatur auf gewohnliche Temperatur scheidet sich braune olartige klebrige Fltissigkeit, 8,- haltige Schwefellaeung in Hohlzylindern oder Hohlkugeln aus (Fig. 246, a, 6, Taf. 11), welche einen luftleeren oder luftverdunnten Raum umschlieSen, der in kurzer Zeit, etwa in 20 Sek., verschwindet oder kleiner wird. Die klebrige Fliissigkeit wird also radial von anBen nach innen gedrtickt und vortibergehend negativ doppeltbrechend werden, mit optischer Achse + dem Radius, wenn die braune Fllissig- keit sich verhiilt wie Cilas, Leimgallerte nnd die Mehrzahl der Stoffe. Geht die Ausscheidung der braunen Fliissigkeit von einer Stelle K aus, ao entstehen viele radiale braune Hohl- und Vollzylinder oder radiale Fasern nebeneinander und es bildet sich ein positiver Sphiirokristall 11. Klasse mit optischer Achse + der Faserrichtung. Die Fasern sind um so zahl- reicher und feiner, je schneller sich die braune alartige Flusdg- keit ausscheidet und je dunner die Schwefelschicht ist. Die Fasern konnen noch eben sichtbar oder unsichtbar sein. Der Druck, welcher auf die AuSenseite der Fasern voriibergehend in radialer Richtung ausgetibt wird und die GroSe der Doppel- brechnng sind um so kleiner, und das Abklingen der Doppel- brechung um so langsamer, je dtinner die Schwefelschicht, je niiher die feete Glaswand und je klebriger die Fliissigkeit in der N&he der ausgeschiedenen Fasern ist.

Die Ausscheidnng der braunen Fasern von olartiger klebriger Fliissigkeit erfolgt au8 der mit 88 iibersattigten Schwc3fell6sung in kurzen Zwischenrhmen oder periodisch. Dabei treten in knrzen Zwischenrllumen Wirbel rnit einem borizontalen Kreise als Wirbellinie oder Rotationsachse auf. Der durch Oberflachenspannung verdickte Kopf der braunen Fasern iibt auf die hinter ibm liegenden Teile der klebrigen

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Schaumstruktur des Schwefels usw. 689

Faser bei der Rotation bald eine Zugkraft, bald eine Druck- kraft aus und erzeugt dadurch eine voriibergehende negative oder positive Doppelbrechung mit optischer Achse + dem Zylinderradius der Faser.

Bei dem Wachsen der braunen Fasern abu t eich die Fliissigkeit vor den Ftlserkbpfen , hindert das Fortschreiten, iibt einen Druck auf die wachsenden Fasern in ihrer Langs- richtung aus und erzeugt in der klebrigen Fliissigkeit der Fasern voriibergehend eine negative Doppelbrechnng rnit optischer Achse parallel der Faserrichtung. Dieser Druck wird besonders stark, wenn die von verschiedenen Kernen K ausgehenden Fasern aufeinander treffen.

Endlich kiinnen bei der Abkiihlung durch die verschie- denen Dichtigkeitshderungen der verschiedenen nebeneinander liegenden Schwefellasungen Spannnngen oder Drnckkriifte und dadurch vortibergehende positive oder negative Doppelbrechnng in den klebrigen Fliissigkeiten auftreten.

AnSerdem kann sich klebrige olartige Fliissigkeit C in dem iiberschmolzenen Schwefel (normal zur Oberflilche oder normal zur Oberflbhe einer znerst entstandenen Kernblase) in sehr d h n e n Lamellen ausscheiden, welche zu Zylindern oder Kegeln zusammenrollen, zu geschlossenen langgestreckten Schanmkammern oder Fasern, welche nit iiberschmolzenein Schwefel gefult sind, quellen oder schrumpfen , die klebrigen Schaumwilnde dehnen oder quetschen, und voriibergehend positiv oder negativ doppeltbrechend machen kiinnen , mit optischer ilchse + der Faserrichtung.

Es entstehen also neben-, iiber- und hintereinander (massive und hohle) Fasern mit positiver und negativer Doppelbrechnng und optischer Achse parallel der Faserrichtung. J e nachdem die Doppelbrechung der ersten oder letzten iiberwiegt, ent- steht ein positiver oder negativer Sphllrokristall 11. Klasse rnit optischer Achse + der Faserrichtung. Sind gleich vial Fasern mit positiver und negativer Doppelbrechung vorhanden, so entsteht ein Spharokristall 111. Klasse mit indifferenter Doppelbrechung, dessen Fasern alle zwischen gekreuzten Nicol- schen Prismen im Azimut O o und 90° dunkel erscheinen, aber die Interferenzfarbe einer gleichzeitig eingeschalteten Kristsll- plette teils erhohen, teils erniedrigen und ausloschen.

Annalea der Phyalk. IV. Folge. 26. 45

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Statt von einem Kerne K kann die Faserbildung von vielen am Rande nebeneinander liegenden Kernen K nach innen fortachreiten, und statt vieler radialer Fasern kbnnen viele parallele Fasern neben- und Ubereinander entstehen oder eine Schwefelschicht mit positiver oder negativer Doppel- brechung und optischer Achse normal zum Rande oder mit indifferenter Doppelbrechung.

Beim Quellen oder Schrumpfen von linsenfirmiger fliissiger Schwefelgallerte oder Schaummassen mit geschlossenen lang- gestreckten nebeneinander liegenden Schaumkammern und Wilnden aus sehr klebriger Flfissigkeit C werden diese Wande vorlibergehend gedehnt oder gequetscht, vorilbergehend positiv oder negativ doppeltbrechend werden mit optischer Achse + dem Linsenradius und dadurch ebenfalls einen positiven oder negativen Sphilrokristall 11. Klasse bilden. Wie bei Leim- gallerte muB die Geschwindigkeit des Quellens oder Schrumpfens die GraBe der gleichzeitig an verschiedenen Stellen der Gallerte auftretenden vorlibergehenden positiven und negativen Doppel- brechung bestimmen (vgl. 6 169, Ann. d. Phys. 16. p. 46ff. 1904).

J e nachdem der Schwefel vor seiner AbkUhlung zu hoher oder niederer Temperatur erhitzt war und schnell oder lang- Sam abgekiihlt wurde, haben die Fltiedgkeit C der Wilnde und die Fllissigkeit B im Innern der Schaumkammern ver- echiedene Zusammensetzung und enthalten im allgemeinen alle vier allotropen Schwefelmodifikationen, aber einzelne in tiber- wiegender, andere in sehr geringer Menge. So wird nach hoher Erhitzung die Flilssigkeit C Tiel 8, und 8, und die Fliissigkeit B viel S, und IS'=, nach geringer Erhitzung die Fllissigkeit C wenig Sa und S,, die Fllissigkeit B viel S, ent- halten.

Der S,-reiche Inhalt dieser Schaumkammern kann okta- edrische Kristalle in flflssiger Mutterlauge bilden. Bei ilhn- licher Gestalt kannen dime kleinen festen Kristalle der ver- schiedenen nebeneinander liegenden Schaumkammern an der Innenseite der blartigen Schaumwand anhingen , darauf fort- schwimmen und in ilhnlicher Lage haften bleiben, so daB sie in den verechiedenen Schaumkammern Slhnlich zum Linsen- radius orientiert sind. An diese kleinen Kristalle lagert sich

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Schaumstruktur des Schwefels usw. 69 1

spiiter neue Kristallmasse in orientierter Lage an und schlieB lich liegt in jeder Schaumkammer ein grbSerer Kristall mit Hanptschnitt + dem Linsenradius (Fig. 289, h , i , m, Taf. 11). Es ist ein Sph&rokristall I. Klasse entstanden. Es ist ilhnlich wie bei der Bildung des Seeeises, wo ein Schneestern anf die OberfiPche des tlberkalteten Wassers ftillt und durch Eontakt die Ausbildung gleich orientierter Eiskrietalle einleitet mit optischer Achse normal zur Waaseroberflkhe (8 181, Ann. d. Phys. 18. p. 66. 1906).

Enthalten die Schaumkammern bei hgherer Temperatur SB- reiche Schwefellosnng, so werden in llhnlicher Weise die znerst ansgeschiodenen kleinen prismatischen KrieMe von SB an den blartigen Schaumwhden fortschwimmen, in den neben- einander liegenden radialen Schaumkammern sich in Ilhnlicher Lage zum Linsenradius festsetzen und die zum Linsenradins ahnlich orientierte Kristallisation einleiten. Es entsteht ein Sphilrokristall I. Klasse mit prismatischen Schwefelkristallen.

202. BichroitiscRe Schwefeluchichten. Polariaierende Il’aser- gitter rnit normaler und anormalsr Absorption. W. Salomonl) und R. Branns’) haben Pleochroiemns und Dichroismus an den aus tiberschmolzenem fllissigen Schwefel gebildeten Kristall- tiifelchen beobachtet. Letzterer fmd auch den konzentrisch schaligen Schwefel in dickeren Schichten dichroitisch; farblos, wenn die Schwingnngsrichtnng des Polarisators der radialen Richtung parallel geht, gelbbraun senkrecht dszn.

Ich habe iiberschmolzene Schwefelechichten rnit feinen Fasern bei Beleuchtung mit linear polarisiertem Lichte (ohne Analysator) dunkel gesehen mit Fasern I oder + der Polari- sationsebene. Sie erachienen hell bei Drehnng um 909 Die Erscheinungen blieben dieselben , wenn das polarisierende Nicolsche Prisma statt vor die Schwefelschicht, zwischen Schwefelschicht und Auge gebracht wurde.

Die feinen radialen Fasern einee . dichroitischen Spbbro- kristlrlles ITI. Klasse oder die feinen parallelen Fasern am Rande einer dnnnen Schwefelschicht zwischen Deckglas und Objekttritger bilden neben- und tlbereinander liegende Bengnnp-

1) W. Salomon, Zeitechr. f. Kriet. 30. p. 606. 1899. 2) R.Brauns, N. Jahrb. f. Min. 13. p. 61, 69. 1900.

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gitter mit durchsichtigen Staben von verschiedener Dicke und verschiedenem Abstand. Nahe derselben Stelle einer Schwefel- schicht wird man von einer bestimmten mittleren Dicke, ghn- licher Beschdenheit und mittlerem Abstand der Fasern oder Gittersttibe sprechen kbnnen. Die Fasern k6nnen sehr diinn und selbst bei stiirkster VergraSerung unsichtbar sein. Diem Fasergitter k6nnen unter gewissen Bedingungen dnrchgehendes Licht, 1 oder =# zur Faserrichtung polarisiert, echwiichen oder absorbieren. Ich werde dies entgegengesetzte Verhalten der Ktirze wegen normale oder anormale Absorption des polari- sietten Jichtes nennen, ohne dadurch zu entscheiden, ob es sich um eine wirkliche Absorption des Lichtes handelt.

Die Absorption kann far verschiedene Farben verschieden stark sein. Ein Fasergitter in einer dIfnnen Schwefelschicht kann ilhnliche Erscheinungen zeigen wie eine Turmalinplatte oder andere dichroitische Kristalle, und kann wie eine Turmalin- platte als Polarieator fur linear polarisiertes Licht dienen.

Gitter mit notmaler odet anormaler Absorption odar polari- sierende Qitter mit normaler oder anormaler Polatisation er- scheinen dunkel fir Fasern I oder + der Polarisationsebene dee beleuchtenden Lichtes.

Die Schwefelschichten konnten bei 120°, 160° oder haheren Temperaturen bis 448 O geschmolzen , langsam oder schnell abgeknhlt sein, indem man das Deckglas iiber dem geschmolzenen Schwefel mit einer auf O o abgekithlten Kupferplatte in Be- riihrung brachte. Die Absorption des Lichtes dnrch die radialen Gitter war urn so vollkommener, je dicker die Schwefelschicht war. Sie w a r auch wahrzunehmen, wenn die dilnnen Fasern von 0,0006 bis 0,0002 mm Dicke teilweise schon in kleine runde Kngeln oder Blasen zerfallen waren. Rotes und blaues Licht wnrde hliufig in iihnlicher Weise von dem Fasergitter absorbiert; urn so mehr, je feiner die Fasern waren. Gelegent- lich war die Absorption fiir Blau stilrker als fir Rot. An einzelnen Stellen war normale Absorption im durchgehenden und im senkrecht reflektierten Licht wahrzunehmen, an anderen Schichten nur im durchgehenden Licht. Zuweilen blieben die Schwefelschichten monate- oder jahrelang dichroitisch. In anderen Fallen hatten sie schon nach wenigen Tagen diese Eigenschaft verloren und waren in a-Schwefel iibergegangen.

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Die aus kochendem Schwefel zwischen zwei Spiegelglas- streifen schnell abgekiihlte diinne Schicht zeigte Spinnennetze mit braunen I(reislinien und feinen radialen Fasern von 0,001 mm Breite (0 105). Die Fasern zeigten normale Ab- sorption dee polarisierten Lichtes. An anderen Stellen sah ich Fasern von 0,02 mm Dicke mit anormaler Absorption. Bei stllrkster VergrbSerung konnte ich dann gelegentlich ein zweitee feineres Fasernsystem normal zn den graberen Fasern erkennen.

In Fig. 249, a , b , Taf. V [Photographie] sind Sphirro- kristalle in 75 facher VergriSBerung mit radialen Fasern nnd normaler Absorption des polarisierten Lichtes in einer Schwefelschicht von 0,06 mm Dicke abgebildet far zwei zu- einander senkrechte Lagen des Polarieators, deseen Polari- sationsebene durch den Strich mit zwei Pnnkten bezeichnet ist. Die radialen F a w n hatten eine Dicke von 0,0005 mm oder waren uneichtbar. In der fltissigen braunen Schwefelschicht hatte sich bei der Abkiihlnng plbtzlich ein Loch, eine kleine runde Blase mit dunkelbrauner Oberflilche (analog der Fig. 246, Taf. I1 ohne den zylindrischen Ansatz) gebildet, die nach kurzer Zeit wieder verschwand.

Die Figg. 250, a-d, Taf. V [Photographie] zeigen Fasern mit normaler und anormaler Absorption nebeneinander. In einer bei 163 geschmolzenen Schwefelschicht von 0,l mm Dicke liegt ein Sphilrokristall 111. Klasse mit braunen Kreis- linien und vielen radialen Fasern von 0,001 mm Dicke, die an einzelnen Stellen gewunden oder in viele nebeneinander liegende Kugeln zerfallen sind. Die braunen Kreislinien bestehen aue Schaumkammern mit hellem Inhalt und braunen Wiinden, schief gegen die Glasflilche geneigt. Zwischen den Ringen erkennt man rnit normal reflektiertem Licht glLnzende Stellen. Neben dem SphilrokristaU liegen zwei durch einen echmalen Streifen getrennte Dreiecke mit Fasern von 0,0003 mm Dicke und 0,001 mm Abstand, senkrecht zu den llu6eren Dreiecksseiten. Die Fasern des Sphilrokriatalles und der beiden Dreiecke zeigen indifferente Doppelbrechung rnit optischer Achse + der Faserrichtung, und bei Beleuchtung mit linear polarisiertem Lichte normale Absorption (Fig. 250, a-c, Taf. V). Die Fasern erscheinen dunkel senkrecht zn

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der durch einen Strich mit zwei Punkten bezeichneten Polari- sationsebene.

Dagegen erkennt man in dem schmalen Streifen zwischen den Dreiecken Fasern von 0,004 mm Dicke mit anormaler Absorption.

Der SphZCrokristall zeigt zwiechen gekreuzten Nicolschen Prismen ein aufrechtes dunkles Kreuz (Fig. 250, d, Taf. V), welchee in der Mitte und am Rande des Sphlrokristalles 111. Klasse gleich dunkel erscheint. Wahrend also die gewiihn- liche Doppelbrechung in der Mitte und am Rande gleich grof3 ist, ist die Absorption des polarisierten Lichtee sehr verschieden.

In der Fig. 249, a u. b, Taf. V ist die Absorption des polarisierten Lichtes durch die radialen Fasern * am groBten in der Mitte des Spharokristalles und wird nacb auEen, wo die E'asern weiter auseinander stehen, schwilcher. In Fig. 250, b u. c , Taf. V geht die normale Absorption des polarisierten Lichtee in dem runden Sph&rokristall bis zur Mitte der Kreis- flache, oder iet nicht mehr wahrzunehmen, wenn der Abetand der radialen Fasern einen bestimmten Wert tiberschreitet. Dieselbe Erscheinung habe ich bei parallelen Fasern, am Rande von Schwefelschichten beobachtet (vgl. unten p. 695).

Eine Schwefelschicht mit normaler Absorption kann sich in ktirzerer oder llngerer Zeit in eine solche mit anormaler Absorption verwandeln.

Kristalle von 8, wurden in einem Luftbad bei wenig hoherer Temperatur als l l O o zwischen Deckglas und Objekt- trager geschmolzen. In der dilnnen abgektihlten Schwefel- schicht begrenzten braune konzentrische Kreislinien Ringe von 0,025 bis 0,05 mm Breite, in welchen sehr feine radiale Fasern von 0,0001 mm Dicke lagen,. die teilweise schon in Kugeln zerfallen schienen. Bei Beleuchtung mit weif3em oder rotem polarisierten Licht erschienen die Ringe dunkelbraun fUr Fasern senkrecht zur Polarisationsebene, und hell fur Fasern parallel der Polarisationsebene. Nach einigen Stunden verhderten eich die Ringe. Die normale Absorption ging in anormnle uber. Der umgewandelte Teil eines Ringes erschien dunkel, wenn die radialen Fasern parallel der Polarisationsebene lagen. Die daneben liegenden unveranderten Teile des Ringes er- schienen gleichzeitig hell. Die scharfe Greoze zwischen dem

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Schaumstruhtur des Schwefels usw. 696

unveranderten und verhderten Teile war ein Kreisbogen und riickte in den rerschiedenen Ringen verschieden schnell fort; in den ibderen Ringen langsamer als in den inneren Ringen, 0,12 bis 0,15 mm in der Stunde (Fig. 260, Taf. 11). Die anormale Absorption war noch 24 Stunden nach dem Ekkalten des Schwefels wahrzunehmen. In den umgewandelten Stellen konnte ich mit den stirksten VergraSerungen keine neu ge- bildeten Fasern parallel den Kreislinien erkennen. Die kreis- bogenfdrmige Grenze zwischen verilnderter und unverilnderter Schwefelschicht deutet auf einen fltissigen Zuatand beider.

Nach 2 Jahren zeigte dieselbe Schwefelsohicht an einer anderen Stelle normale Absorption des polarisierten Lichtes. Ebenso nach Umschmelzen bei hoher Temperatur am Rande des Deckglases fir eine Stelle mit Fasern von 0,0003 mm Dicke .und 0,0024 mm Abstand, normal zum Rande. Ein Teil der Fasern war schon in kleine nebeneinander liegende Kugeln zerfallen. Zwei parallele Streifen a und c, a am Rande und c im Innern, waren dunkelbraun oder hell fur weiSes Licht + oder 1 zum Rande polarisiert. Der helle Streifen b zwischen den dunklen Streifen a und c erschien durch ein rotes Glas gesehen breiter a l e durch ein blaues Glas. Nach 2 Tagen waren die Streifen a und c dunkelbraun fiir Licht J- zum Rande, hell fdr Licht =+ dem Rande polarisiert, und der helle Streifen b zwischen den dunklen Streifen a und c erschien wieder durch ein rotes Glas gesehen breiter ale durch ein blaues Glas. Bei scheinbar ungeiimderten Fasern war also wieder der normale Dichroismus in anormalen ubergegangen.

Mit dem Mikroskop lassen sich Dicke und Abstand der Fasern nicht gentigend genau messen. Da aber am Rande die Fasern stets diinner sind und ntiher aneinander stehen als im Innern (08 192 und 193), so ist das durch ein Gitter von parallelen Schwefelfasern hindurchgegsngene Licht fiir be- stimmte Faserdicken geschwiicht oder absorbiert , welche mit der Wellenlilnge wechseln. Fur andere Faserdicken fehlt die Absorption. Aber fur dieselbe Faserdicke und Wellenlange werden bald die Atherschwingungen parallel, bald die Ather- schwingungen senkrecht zu den Fasern absorbiert.

An anderen dilnnen Schwefelschichten zwischen Deckglas und Objekttrilger habe ich ebenfalls an Fasern von 0,0016

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696 G. Quincke.

bis 0,0003 mm Breite senkrecht zum Deckglasrand normale Absorption des polarisierten Lichtes gesehen auf einer Strecke von 0,18 mm Lange neben dem Rande. In griSI3erer Ent- fernung vom Rande wurde die Absorption schwacher, fehlte dam ganz auf einer Strecke b und trat erst auf einer kurzen Strecke c, etwa 0,3 mm vom Rande entfernt, wieder auf. Die Fasern am Rande bei a zeigten auch im reflektierten Licht normale Absorption des polarisierten Lichtes.

Dtinne Schwefelplatten mit unsichtbaren Fasern sind hlufig in einer Lage weib, nach Drehung um 90° gelb, indem fiir letztere Lage der blaue Teil des Spektrums absorbiert wird.

Oft sind nur viele parallele Stellen der Schwefelschicht dichroitisch. Auf hellem Grunde liegen viele parallele feine scharfe echwarze Linien oder breitere dunkle Leisten (bis 0,007 mm Breite und 0,021 mm Abstand) nebeneinander im Azimut 90 O, senkrecht zur Polarisationsebene des Polarisators und werden hell oder verschwinden bei Drehung nm 90°. Die dunklen Leisten zeigen mit den etilrksten VergraSerungen braune Scbaumwilnde oder nebeneinander liegende Halbkugeln in einer Ebene normal zur Glaswand. Die Halbkugeln haben einen helleren Kern, der von einer braunen Hiille umgeben ist. Die Schaumstruktur und die braune Fllrbung werden unsichtbar bei Drehung um 90”. Zwischen gekreuzten Nicol- schen Prismen erscbeint eine solche Schwefelplatte dnnkel fir Leisten im Azimut O o oder 90°, hell im Azimut 459 Ein gleichzeitig eingeschalteter B abin e tscher Kompensator zeigte keine Interferenzstreifen, wie bei einem Sphilrokristall III. Klasse. Zwei Tage nach dem Erkalten der Schmefelschicht war die brauue Filrbung der Leisten im Azimut 90° schwacher. Wurde das Mikroskop auf den hachsten Kamm der Leiste eingestellt, so erschienen - wohl infolge lamellarer Beugung - 4 bis 6 parallele feine Interferenzstreifen von O,OOO(i mm Abstand fur Iotes und wei6es Licht, die parallel dem Kamm lagen, bei blauem Licht fehlten und bei Drehung um 90° ver- schwanden. Nach drei Tagen waren die braune Farbung und die feinen Interferenzstreifen nicht mehr wahrzunehmen , der Dichroismus ganz verschwunden.

0 203. Fasergitter aus schwefelhohlenstoffhaltkpm Schwefel. Eine geringe Menge Schwefelkohlenstoff in dem geschmolzenen

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Schaumstruktur des Schwefels usw. 697

Schwefel lilSt die Absorption des polarisierten Lichtes durch Fasergitter besondere deutlich hervortreten.

Ein klarer Schwefelkristall worde auf einem ObjekttrQer geschmolzen, mit einer Kapillarpipette ein Trbpfchen Schwefel- kohlenstoff zugeeetzt und stark erhitzt. Der Schwefel blahte sich auf und schmolz zu einer braunen Fliiseigkeit. Mit einem Deckglas bedeckt, erhitzt und erkaltet gab ee eine Schwefel- schicht von 0,05 mm Dicke mit unzilhligen Lineen von 0,004 bis 0,016 mm Durchmesssr. Ein Sphkrokristall III. Klasse mit feinen Fasern von 0,0005 mm Dicke und 0,0025 mm Ab. stand. zeigte eehr starke normale Absorption des polarisierten Lichtes. Nach 20 Monaten zeigten einzelne Stellen desselben SphlLrokristalles anormale Absorption des polarisierten Lichtee f i r riihrenftirmige Fasern von 0,001 mm Breite mit braunen Wilnden von 0,0002 mm Dicke und hellem Inhalt, nnd zwar in iihnlicher Weise filr WeiS, Rot und Blau. Einzelne neben- einander liegende Rohren zeigten mehrere Anschwellungen. Dabei war es noch ein Sphkrokristall III. IUaase, dessen Fasern zwischen gekreuzten Nicolschen Prismen im Azimut O o und 90° dunkel, im Azimut 45O hell erschienen, und die Interferenz- streifen eines gleichzeitig eingesdhalteten Babine tschen Kom- pensatore auslbchten.

-Auch an anderen Stellen derselben Schwefelplatte lagen Fasern mit anormaler Absorption.

0 204. Pergleichung dichroitischer Kristalle und polarisierm- der Gitter. Ursache der normalen und anormalen Absorption. Die Absorption des polarisierten Lichtes durch die Fasern einer Schwefelschicht ist verschieden von der Absorption des polarisierten Lichtes durch dichroitische Kristalle oder dilatierte farbige Kbrper, dagegen Ilhnlicheder Schwilchnng oder Absorption des polarisierten Lichtes beim Durchgang durch enge Spalten oder Qitter.

W k e die Ursache der dichroitischen Eigenschaften einer iiberschmolzenen Schwefelschicht in der Doppelbrechung oder Dilatation des sehr klebrigen flfissigen braunen Schwefels zu suchen, so miiSte far positive und negative Dilatation + der Faserrichtung entgegengesetzte Absorption auftreten fir dieselbe Farbe. Dagegen zeigt der Versuch dieselbe normale Absorption in allen radialen Fasern eines Sphilrokristalles III. Klasse,

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608 G. Quincke.

welche mit positiver und negativer Doppelbrechung nebenein- ander liegen. Und die normale Absorption h6rt bei einem bestimmten Faserabetand auf, wlihrend die Doppelbrechung bestehen bleibt.

Wir kennen schon lange Tatsachen, welche ganz analog den Erscheinungen bei Fasergittern in iiberschmolzenen Schwefel- schichten sind , und bisher ebenfalls keine ausreichende Er- klilrung gefunden haben.

Fizeau') fand (wenn ich die in dieser Yitteilung benutzte Bezeichnung beibehalte), normale Absorption beim Durchgang des polarisierten Lichtes durch feine Spalten in dUnnen Silber- schichten, anormale Absorption beim Durchgang durch breitere Spalten.

H. Ambronnq bestiltigte die Beobachtungen von Elizeau. Viele' enge Spalten lieBen bei Parallelstellung der Polarisations- ebene Rot, Gelb , Griin , bei Senkrechtstellung BrUn, Blau, Violett durch.

Ich selbst Y) beobachtete bei dem Durchgang von polari- siertem Licht durch ein Gitter normale Absorption ftir einen Teil des Spektrums, anormale fUr den anderen. Sinn und GrbBe der Absorption wechselten, auSer mit der Farbe, mit Form, Abstand und Material der leitenden oder isolierenden, undurchsichtigen oder durchsichtigen Gitterstabe.

Bei ilhnlichen Versuchen mit feinen Drahtgittern erhielten H. d u Bois') anormale Absorption im Gebiet des sicht- baren Spektrums, H. d u Bois und H. Rubens3 normale Ab- sorption fir sehr lange ultrarote Wellen, anormale fir kiirzere Wellen.

F. B r au n '7 hat durch elektrische Zerstilubung von Silber- und Platindrilhten diinne hergestellt, welche normale zeigten..

1) H. L. Fizeau, Pogg. a) H. Ambronn, Wied.

Metallschichten mit Qjtteretruktur Absorption des polarisierten Lichtes

Ann. 116. p. 480. 1862. Ann. 48. p. 122. 1893.

3) 0. Quincke, GSttinger Nacbr. 1873. p. 4; Pogg. Ann. 149.

4) H. E. J. 0. du Bois, Wied. Ann. 46. p. 549. 1892. 5) H. du Bois u. H. R u b e n s , Berliner Sibungaber. 1893. p. 1138. 6) F. Braun, Ann. d. Phye. 16. p. 1. 1905.

p. 294. 1873.

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Schaumstruklur des Schiuefels usw. 699

Nachdem Bertz') 1888 gezeigt hatte, da6 Gitter aus Metalldriihten senkrecht auffallende , den Drllhten parallele elektrische Schwingungen reflektieren und dazu senkrechte elektrische Schwingungen durchlassen , haben H. du Bois, Rubens und B r a u n mit den eben erwllhnten Versuchen i m AnschluS an die elektromagnetische Lichttheorie auch fiir Lichtwellen ein lhnliches Verhalten nachzuweisen gesucht.

Meines Erachtens ist dieser Nachweis nicht erbracht, da j e nsch der Lichtwellenliinge bald die Schwingungen I, bald die Schwingungen + den Qitterstikben mit grbberer Intensitiit durchgelassen werden, wie ich schon 15 Jahre vor den Hertz- schen Untersuchungen gefunden hatte.

Man konnte iibrigene erwarten, daS Gitter aus isolieren- den Staben elektrische Schwingungen I und + den Staben in lhdicher Weise durchlassen und reflektieren , wie Gitter aus Metalldriihtan. Aber meine Versuche von 1873 haben ftlr beide Arten von Gittern mit leitenden und isolierenden Stlben, bald anormale, bald normale Absorption ergeben.

Nach den Versuchen mit den elektrischen Staubfignren auf Schwefol (6 194) kiinnen die Oberflache und der Inhslt oder die Umgebung der Fasern in der Schwefelschicht ver- schiedene elektrische Leitfllhigkeit und verschiedene Dielek- trizitiitskonstante baben. Fa6t man das polarisierte Licht ale elektrische Schwingungen auf, senkrecht zum Lichtstrahl und senkrecht zur Polarisationsebene , so wtirden in der Nllhe der Grenze zwischen braunem und gelbem Schwefel mit verschie- dener Leitf ahigkeit und Dielektrizitiltskonstante die elektrischen Schwingungen parallel den Fasern elektrische Verschiebonp- strSme erregen und dadurch gedllmpft, geschwllcht oder ab- sorbiert werden. Dies wiirde die normale ,Absorption dee polarisierten Lichtes durch die Schwefelfaaergitter erkliirep.

Aber hlufig beobachtet man auch anormale Absorption, f i r welche die eben gegebene Erkllrung versagt. Oder man m W e annehmen, daf3 die alten Fasern plbtdich oder all- mghlich in neue, dazu senkrechte Fasern umgewandelt werden. Eine solohe Umwandlang habe ich aber niemals wahr- genommen.

7) H. Hertz, Berliner Sitzungsber. 1888. p. 1305.

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7 00 (3. Quinche.

Die Erkliirung der Absorption des polarisierten Lichtes durch elektrische Verschiebungastrame ist also zu verwerfen.

Bei den Fasergittern in einer iibemchmolzenen Schwefel- schicht wechaeln (ilhnlich wie bei den gewahnlichen Bengungs- gittern) Sinn und Oriil3e der Absorption dee polarisierten Lichtes mit Form, Abstand und Zusammensetznng der Fasern am klebriger Fltissigkeit rnit verschiedenem Gehalt an S,,, S8, 8,) S,,. Bei denselben Fasern kann die Absorption fir ver- schiedene Farben verschieden min.

Nach meiner Aneicht geht die normale Absorption in anormale iiber oder verschwindet, wenn die Fasern in einzelne nebeneinmder liegende Blasen zerfallcu oder wenn die alartigen unsichtbaren Hilute einzelner Fasern platzen, Inhalt und Wllnde benachbarter Schaumkammern zusammenflieBen und Fasern von graflerer Dicke und anderem Abstand entstehen. .Dicke der Fasern und der blartigen Haut an ihrer Oberflllche sind von der Ordnung der Lichtwellen, oder noch vie1 kleiner, un- sichtbar und unmeSbar. Schwingungen =/= der Faserrichtung oder A zur Faserrichtnng werden abserbiert, wenn die Fasern oder die dtinne Haut an ihrer Oberflkche durch Resonanz zum Mitschwingen gebracht werden , wenn die longitudinalen oder transversalen Eigenschwingungen der olartigen Haut oder der Fasern synchron mit den auffallenden Lichtschwingungen sind. Der Zerfall der Fasern in einzelnen Blasen und das Zusammen- flieBen benachbarter Schaumkammern kann durch diese Reso- nanz beschleunigt oder eingeleitet werden.

Welchen EinfluS ein geringer Gehalt des Schwefels an schwefliger SBure, Schwefelshre oder anderen Fremdstoffen (Schwefelkohlenstoff) auf die normale und anormale Absorption des polarisierten Lichtes oder die dichroitischen Eigenschaften haben, mussen weitere Untersuchungen lehren.

8 205. Die sogenannte KristallisationsgeschwindigReit (K G.) des fri;esigen Schwefeb. Die blartige Fliissigkeit, welche sich nach den vorstehend beschriebenen Versuchen in dem ge- mhmolzenen Schwefel bei schuellem nnd langsamem Abkfthlen ausscheidet und geschlossene Schaumkammern mit aneinander hilngenden Schaumwiinden bildet, beeinflu& nun die Geschwin- digkeit, mit welcher die Kristallbildung in dem fliissigen Schwefel fortschreitet. Durch Impfung oder Berithrung mit einem Kristall-

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Schaumstruktur des Schwefels uaw. 701

splitter wird in dem fliissigen tiberschmolzenen Inhalt einer Schaumkammer die Kristallbildung eingeleitet. Der Inhalt der Schaumkammer verwandelt sich in einen einzigen Kristall, der von der Flilssigkeit der Nachbarkammer durch die beiden gemeinsame blartige Schaumwand getrennt ist. Wird die trennende Schaumwand von dem Kristall durchbohrt und die iiberschmolzene Fliissigkeit der Nachbarltammer berUhrt, so entsteht in dieser ein neuer gleich orientierter Krietall, wie ich dies bei der Kristallisation getrennter Blasen von wiisseriger Kupfersnlfatlosnng in Alkohol ausfnhrlich (§ 49, Ann. d. Phys. 9. p. 14. 1902) beschrieben habe. Die Kristallbildung in der Nachbarkammer erfolgt um 80 schneller, j e leichter jede iilartige Schaumwand durchbohrt wird , je dunner und leicht- flussiger jede einzelne Schaumwand ist. Je gri)Ser die Schaum- kammern sind, je weniger Schaumwlnde llhnlicher Art vor- handen sind, um so schneller muS die Kristallbildung in der fliissigen Masse fortschreiten.

Die aue den einzelnen Schaumkammern entstehenden Kristalle kannen sich durch die mit der Kristallisation ver- bundene Gestaltslnderung der Schaumkammer drehen und gegeneinander verschieben. Dann erscheinen die einzelnen Kristalle nicht mehr gleich orientiert.

Die Krietallisationsgeschwindigkeit (K.G.) wird gern in dunnen Glasflden von 1-2 mm Durchmesser gemessen, in welchen die olartige Fliissigkeit QuerwOnde normal zur Rahren- wand bildet.

Je gr6Ser die Gestaltsknderung des Inhaltes einer Schaum- kammer bei der Kristallisation ist, um so leichter wird die Scheidewand durchbohrt, um so groSer ist die K.G. Fur dieselbe iiberschmolzene Schwefelfltissigkeit wechselt also die K.G. mit dem Kristallsystem des impfenden Kristalles, wie Malus gefunden hat.

Da die Kristallisationsgeechwindigkeit nach den Versuchen von Gernez und Malus von der Vorgeschichte des uber- schmolzenen Schwefels abhbngt (vgl. § 187), und schon durch kleine Spuren von SO, bedeutend verzbgert wird, so hat man anzunehmen, dab Menge oder Klebrigkeit der olartigen Schaum- w h d e im tiberschmolzenen Schwefel durch kleine Spuren SO, bedeutend vergr6Sert werden. In der Tat habe ich ebenfalls

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702 G. Quincke.

eine reichlichere Bildung von blartiger FlUssigkeit in ilber- schmolzenem Schwefel an den Stellen beobachtet, an welchen sich unter dem Einfln6 der atmosphilriachen Luft SO, bilden konnte.

Vermutlich speichern blartige Wiinde von y.Schwefe1 SO, auf und werden dadurch weniger 16slich in dem flilssigen Inhalt der Schaumkammern oder sehr klebrig. Die Wirkung ist ilhnlich, wie bei den blartigen Schaumwilnden vofi Leim- tannat, welche aus Wasser mit sehr geringen Mengen (Milliontel) Methylenblau den Farbstoff speichern und dadurch schwer beweglich oder fest werden (85 98 und 104. Ann. d. Phys. 11. p. 64 u. 87. 1903).

Ich glaube, da6 auch bei anderen unterkllhlten Flltssig- keiten Fremdstoffe blartige , zum Teil unsichtbare Schaum- wa.nde bilden, welche in iihnlicher Weise, wie die alartigen Schanmwiinde RUB allottopem Schwefel bei den Versuchen von Qernez und Malus mit unterkiihltem fliissigen Schwefel, die Kristallisationsgeschwindigkeit bestimmen, bzw. modifizieren. Nach (3. Tammann I) wird durch Zusatz von Fremdstoffen die K.Q. bedeutend verkleinert, m. E. weil die Anzahl und Dicke der blartigen Bcheidewlnde dadurch vermehrt wird. Da6 i n jedem Kristall, auch dem klarsten, unsichtbare Schaum- wilnde von Fremdstoffen enthalten sind, folgt schon aus der Tatsache, da6 alle Kristallflilchen nicht eben, sondern Japanische Spiegel8) sind.

Mit ainkender Temperatur nimmt die Klebrigkeit dieser Schaumwilnde zu und verzbgert die K.Q., wahrend gleichzeitig die Fllissigkeit im Innern der Schaumkammern stirker unter- kiihlt und damit die durch Impfen bewirkte Kristallbildung beschleunigt wird. Andert sich die Klebrigkeit der Schaum- wiinde schneller als die Kristallbildnng in unterknhlter Flltesig- keit durch Impfen, so mu6 die K.Q. filr eine bestimmte Unter- knhlung unter den normalen Schmelzpunkt eine msximale K.Q. zeigen, wie es in der Tat von Gernez fUr Schwefel (g 187), von J. Friedll lnder und (3. Tammanns), und Bogojaw-

1) Q. Temmann, Zeitechr. f. php. Chem. 23. p.827. 1897; 26.

2) Q. Quincke, Verh. d. Deutsch. Phyeik. Gee. 6. p. 104. 1903. 3) J. Friedlander u. 0. Tsmmann, Zeitechr. f. phye. Chem. 24.

p. 814. 1898.

p. i5a. 1897.

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Schaumstruktur des Schwefels usio. 703

lenaky 4) ftir Benzophenon und eine Reihe organischer Sub- stanzen beobachtet worden ist.

Im allgemeinen erfolgt wegen der latenten Schmelzwarme bei kontinuierlichem Wihmeverluet die Krietnllbildung aus iibersiittigter Lbsung oder unterknhlter Fliissigkeit in kurzen Zwischenriiumen oder periodisch, wie ich bei schnell erstarren- dem Wassers) und Schwefel (oben 8 192) gezeigt habe. Jeder Flillung geht ein Ubersiittigungszustand voraus (Faraday 9, K ti s t e r 3, Qu in c k e 7) .

E. von Pickardte) hat die K.G. bei einer Reihe organischer Substanzen ohne und mit Zusatz von Fremdstoffen gemessen. Die Verminderung der K.G. war proportional der Quadrat- wurzel der Konzentration dee Fremdstoffes. ffqnimolekulare Mengen vemchiedener E’remdstoffe bewirkten gleiche Vermin- derung der K.G. An den Enden der kristallisierten Btrecken von Benzophenon und Benzoesiiureanhydrit schieden sich hhufig Flilssigkeitstropfen aus, etwa 5-10 Minuten nach Beendignng der Kriatallisation. Letztere Erscheinung beweiet, da6 die dilnnen FlUfasigkeiteechichtn zwischen den einzelnen Kristallen zueammenhingen und die klebrige Fliiasigkeit ausgepre6t wurde, wenn bei der Kristallisation eine Volumenvermehrung auftrat.

Durch ilquimolekulare Mengen Fremdstoff wird der Ge- frierpunkt der Grundfltissigkeit um dieselbe Anzahl Qrade herabgesetzt. Die Kristallausscheidung im Innern einer Schaumkammer erfolgte also bei derselben Temperatur mit gleicher Qeschwindigkeit , und die K.G. mu6 bei Hquimole- knlaren Mengen Fremdstoff dieselbe sein, sobald Anzahl und Klebrigkeit der Schaumwknde durch den zugesetzten Fremd- stoff nur wenig oder in llhnlicher Weise geiindert werden.

ijbrigens werden im allgemeinen die Fremdstoffe , welche der unterkiihlten Fliissigkeit zugesetzt worden sind, verschieden wirken, je nachdem sie in den blartigen Wilnden oder dein Inhalt der Schaumkammern stiirker lbslich sind, und je nach-

4) A. Bogojewlensky, Zeihhr. f. phye. Chem. 27. p. 691. 1898. 6) Q. Quineke, Ann. d. Phye. 18. p.4b. 1906. 6) M. Faraday, Phil. Tram. 1858. p. 238. 7) F. W. Kileter, Zeitecbr. f. phye. Chem. 26. p. 480. 1898. 8) GI. Quincke, Ann. d. Phye. 7. p. 640. 1902. 9) E. von P i c k e r d t , Zeiteahr. f. phyn. Chem. ’42. p. 49. 1909.

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7 04 (f. Q fcinchu.

dem sie die Klebrigkeit der alartigen Schaumwiinde verminderrt oder vermehren.

Q 206. Resultate. 1. Die braune klebrige fadenziehende Flbsigkeit , welche

geschmolzener Schwefel bei Temperatnren zwischen 160 und 260° bildet, ist eine fliissige Gallerte rnit sichtbaren und un- sichtbaren Schaumwilnden.

2. Die Oberfltichenspannung des geechmolzenen Schwefels an der Grenze mit Luft betrtigt etwa

bei 120 bis 160° 250

6 bis 5,5 mg/rnm 12 r9

448 O 495 9,

Bei einem eben erstaxrenden, besonders schnell gekiihlten Schwefel fand ich 1 7 mg/mm.

3. Bei dem AbkUhlen dicker Schwefelschichten auf Glas breitet sich he ih Fliissigkeit rnit kleiner Oberflachenspannung auf kiilterer Fliissigkeit mit groSer Oberfllichenspannung periodisch aus. Die Ausbreitungswirbel, welche dabei in der sehr klebrigen Fliissigkeit auftreten , erklgren die Wellenringe an der erstarrten OberfliLche inmitten von Sechsecken , Fhf- ecken usw. .

4. Schwefel hat vier allotrope Modifikationen S,, S,, SB, S,, welche etwa bei 448-300°, 300-160°, 160--96O, 96-0° stabil sind.

6. Dilnnfliissiger gelber Schwefel breitet sich auf Queck- silber aus zu einer diinnen Haut rnit Palten und unsichtbaren Schaumwilnden, oder bildet einen diinnen flachen Tropfen, dessen untere gliinzende Seite ein Elektroskop entladet.

Dickflussiger brauner Schwefel breitet sich nicht auf Quecksilber aus und erstarrt zu dicken flachen Tropfen mit isolierender Unterseite.

6. Geschmolzener Schwefel gibt, auf Glimmer eretarrt, flache Tropfen mit konvexer oder ebener Basis, j e nachdem er an der Glimmerseite schnell oder langsam abgekiihlt wurde. Schnell gektihlter Schwefel dehnt sich beim Erstarren au8 oder zieht sich beim Erstarren weniger rusammen, als langsam gekiihlter.

7. Geschmolzener Schwefel, auch der unter den Schmelz- punkt abgekiihlte iiberschmolzene Schwefel, kann aus mehreren

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Schaiimztruktur des Schicefels usw. 705

Mischungen oder Losungen A B C.. . von S,,, S,J, S8, S, bestehen, aus olartigen Fliissigkeiten mit .Oberflhchenspannung an der gemeinsamen Grenze von d und B, B und C, C und A. Der Gehalt jeder einzelnen Losung d B C (und also anch der ganzen Schwefelfltissigkeit) an jeder der vier allotropen Modifikationen, sowie die Oberflachenspannnog der ganzen Fltissigkeit und der einzelnen Lbsungen A B C wechseln mit der Temperatur und dem Vorleben des Schwefels, mit Hohe und Dauer der Erhitzung, rnit Erwhrmungs- und Abkiihlungsgeschwindigkeit, rnit Oberfliiche, Masse und Umgebung des Schwefels.

J e haher man geschmolzenen Schwefel erhitzt und je schneller man ihn .abkuhlt, um so mehr S, enthalt die unter- kuhlte Flussigkeit.

Mit der Zeit verwandeln sich die bei hoherer Temperatur stabilen Modifikationen in die bei niedrigerer Temperatur stabilen Modifikationen, schlieJ3lich alle in S,.

8. In geschmolzenem Schwefel, welcher in Probierrbhrchen oder in flachen Tropfen erstarrt, scheidet sich alartige sehr klebrige S,- oder &-haltige Flussigkeit C in dlinnen eichtbaren und unsichtbaren Lamellen Bus, welche sich zu zylindrischen oder kegelfdrmigen Rohren zusammenrollen, Fasern senkrecht zur Oberflilche, offene nnd geschloesene Schaumkammern bilden.

9. Nach dem Erstarren spaltet der Schwefel an den Stellen der sichtbaren oder unsichtbaren W hnde der Schaumkammern, die sich anders kontrahiert haben, als der Inhalt.

10. Die olartigen Lamellen aus Fltissigkeit C sind urn so zahlreicher, die Fasern normal zur Oberflache um so feiner, je schneller der fllissige Schwefel abgektihlt wird, wie bei Eis. Schwefel von 448O oder von 1204 zeigte nach dem Erstarren auf den Bruchflachen in der AuSenschicht Fasern von 0,001 oder 0,Ol mm Dicke, welche nach dem Innern zehnmal dicker wurden, und in runde Blasen zerfallen waren. Im Innern der BruchflBche lagen Kugelflachen auf geraden Linien oder Kreisbogen mit Neigungswinkeln von 120° verteilt.

11. Schwefel in einem Probierrohr bei hoher Temperatur geschmolzen nnd in einer Kaltemischung von - 20° abgekiihlt, zeigte an der Oberflache Dendriten nnd helle Sternblumen, und a d grtinlichem Grunde Schaumksmmern rnit wellen- und kegelformigen Wanden. Die Bruchflache normal zur Zylinder-

Aooalep der Phgslk. IV. Folge. 26. 46

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706 0. Quinche.

flache lie6 konzentrische Schichten mit abwechselnd klarerem und undurchsichtigerem Schwefel erkennen, wie schnell ge- frorenes Eis.

Jeder Filllung iu einer Fliissigkeit geht ein Ubersattigungs- zustand voraus. Bei kontinuierlichem Wiirmeverlust erfolgt wegen der latenten Schmelzwarme die Kristallbildung aus iiber- sattigter Lbsung oder unterkiihlter Fliissigkeit in kurzen Zwischenraumen oder periodisch.

12. Sichtbare und unsichtbare Schaumwinde in kristalli- siertem oder aus Schmelzflu6 erstarrtem Schwefel lassen sich durch elektrische Staubfiguren auf der positiv oder negativ elektrieierten Oberflache crkennen. Spuren von Schwefelkohlen- stoff und anderen Fremdstoffen beeinflussen Bildung nnd Form dieser Schaumwande.

13. Schwefeldampf schlagt sich auf kalten Olas- oder Qurtrzplatten in vielen einzelnen linsenformigen Tropfen nieder, welche tage- monate- und jahrelang in iiberschmolzenem (unterkuhltem) Zustande fltiesig bleiben. Um so lilnger, j e kleiner sie sind.

Der iiberschmolzene Schwefel Ondert sich allmahlich durch Ausscheidung olartiger Fltissigkeiten A $ C und Oxydation. Die Fliissigkeiten A B C werden mit der Zeit ubersilttigte Losungen einzelner Schwefelmodifikationen. Diese Zeit wachst, je gr66er die Oberfliiche und je kleiner die Masse der Lasung.

Aus iibersattigten LBsungen einer Schwefelmodifikation lagert sich diese durch Kontakt an schon ausgeschiedene Massen derselben Modifikation an.

14. Die Linsen von iiberschmolzenem Schwefel sind von dunnen breiten Randschichten aus hellerer Flussigkeit um- geben, welche allmahlich oder plotzlich ineinanderflieben.

S,-reicher uberschmolzeiier Schwefel hat an der Qrenze mit Luft eine kleinere Oberflachenspannung als S,- ilrmerer Schwefel, bildet an der Luft schweflige Saure, welche sich in dem iiberschmolzenen Schwefel auflost und seine Oberflachen- spannung verkleinert. Der SO,-haltige fltissige Schwefel breitet sich auf dem SO,- freien aus, erzeugt Ausbreitungswirbel una lO6t benachbarte Schwefeltropfen zusammenflie6en.

Die Ausbreitung kann in kurzen Zwischenraumen oder periodisch erfolgen und tagelang dauern.

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Schaumslrukkr der ScAwefels USUI . 707

15. Flache Linsen von uberschmolzenem fliissigen Schwefel auf Glasfllchen flieI3en bei Belichtung pliitzlich zusammen und kristallisieren. Belichtung befirdert die Oxydation und die Ausbreitung.

16. Von den aus Schwefeldampf a d Qlas oder Quarzglas kondensierten Fllissigkeitstropfen kriecht iiberschmolzener S,- reicher (und SO,-haltiger) Schwefel in unmerklich dicken Schichten tiber die feste Oberfiilche nach S,,-ilrmeren Schichten hin und bildet hier inmitten tropfenfreier HBfe braune Den- driten mit 6-6 in die freie Luft ragenden h e n , Sd-haltige Qallerte mit offenen und geschlossenen Schaumkammern. Durch die offenen Schaumkammern stromt fliissiger Schwefel zur Spitze der Dendritenaste und kristallisiert hier in Kristalltilfelchen der zweiten monoklinen Modifikation des Schwefele (ad?).

Zwischen und in den Schwefeltropfen, welche allmiihlich kleiner werden und welche in einem Kranz einen aufquellenden Tropfen oder Dendriten umgebttn, treten in normal reflektiertem Lichte vorubergehend glanzende Scheibchen und Ringe rnit Newt on schen Interferenzfarben auf, die wahrscheinlich aus SO,- haltigem fltissigen S,, bestehen.

Spiiter entstehen sus den Dendriten Sternblumen. Die Dendritenilste verwandeln sich in Rbhren rnit Anschwellungen und runden Kopfen, melche wieder mit grbSeren oder kleineren Schaumkammern gefiillt sind. Der Inhalt jeder Schaumkammer verwandelt sich spiiter in einen rhombischen Kristall von S,, der in verschiedenen Kammern verschieden oder gleich orientiert ist.

Sternblumen mit 3-6 Asten kannen auch statt der Den- driten oder neben diesen auftreten, indem aus einer kleinen Kernblase 3-6 radiale Rohren mit Anschwellungen und runden K6pfen in die Hohe wachsen.

17. In den suf Glas aus Schwefeldampf kondensierten Linsen von iiberschmolzenem Schwefel scheidet sich allmaihlich olsrtige, sehr klebrige S,- oder Sd-haltige Fliissigkeit C aus als suspendierte unsichtbare Trapfchen; als sichtbare runde Triipfchen mit groberer Lichtbrechung, auf der Oberfiache ; oder als diinne sichtbare und nnsichtbare Lamellen. Die Lamellen rollen sich xu zylindrischen und kegelfhmigen Rohren zusammen, bilden Riihren oder Fasern senkrecht zum Rsnde

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i 08 G. Quincke.

oder senkrecht zur Obeifiliche runder Kernblasen, und ge- schlossene Schaumkammern.

Die Schaumkammern sind um so kleiner, die Fasern urn so dllnner, je dllnner die uberschmolzene Schwefelschicht ist.

18. Die geschlossenen Schaumkammern sind mit Schwefel- losung B oder d gefiillt, und von Schwefellosung A oder B umgeben, kiinnen quellen oder schrumpfen. Ihre Wiinde aus sehr klebriger Fliissigkeit werden dadurch gedehnt oder kom- primiert. Die Wilnde der Rahren und Fasern sind dadurch voriibergehand positiv oder negativ doppeltbrechend, mit optischer Achse + dem Rbhrenradius oder + der Faserrichtung. Die Doppelbrechung bleibt bestehen, wenn die Fliissigkeit in dila- tiertem Zustande erstarrt.

Rohren mit einfach oder doppeltbrechenden Wanden ent- stehen am Boden der Flllssigkeitstropfen und wachsen iiber die Oberflllche hinaus. Oder der Tropfen verwandelt sich in eine Mtlsse von geschlossenen Schaumkammern, welche an der AuSenseite des Tropfens starker aufquellen, als im Innern.

Der Inhalt der Schanmkammern kann spilter in einen Kristall von Ss oder S, iibergehen, der in den verschiedenen Schaumkammern gleich oder verschieden orientiert ist, je nach- dem bei der Kristallisation der neu entstehende Kristall die Wand der Nachbarkammer durchbohrt und deren Inhalt ge- impft hat, oder durch eine Olhaut von deren Inhalt getrennt geblieben ist.

Statt der Rohren konnen auch gewundene braune Bander (Trichiten) aus der Oberflliche der flachen Tropfen heraus- wachsen oder Dendriten mit braunen Asten.

Bei Beruhrung mit Schwefelkohlenstoff lost sich ein Teil der Schaummassen unter Gasentwickelung. Die unloslichen einfach brechenden Schwefelschichten am Boden der Tropfen zeigen in normal reflektiertem Licht runde Locher auf glanzendem weiSen Grunde, die Ansatzstellen der Rahrchen, welche die Tropfen durchsetzten. Die in dem uberschmolzenen Schwefel suspen- dierten Trapfchen von 6lartiger Fliissigkeit C haben sich gesenkt und sind an der Glaswand zusammengeflossen xu der gliinzen- den Schicht von SO,- haltigem fliissigen S,- reichen Schwefel.

Auf dem in Schwefelkohlenstoff unloslichen flachen Tropfen lagen wieder kleinere Trapfchen mit groSerer Lichtbrechuag.

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Sciiau rnstru ktu r des Scli roe fels us w . 709

19. In diinnen Schichten von iiberschmolzenem Schwefel laufen feine radiale Fasern von mehreren nebeneinander liegen- den Kernblasen aus, neue olartige Fliissigkeit C scheidet sich in kurzen Zwischenraumen wirbelnd in braunen konzentrischen Kreisen aus, die Fasern benachbarter Kernblasen treffen auf- einander und es entstehen sechseckige Spinnennetze. Die radialen Fasern dieser Spinnennetze haben positive oder nega- tive Doppelbrechung mit optischer Achse + der Faserrichtung, bilden einen positiveu oder negativen Spharoktistall I1 Klasse.

20. Setzen sich in nebeneinander liegenden ilhnlichen Schaumkammern , welche facherfdrmig oder radial eine Kern- blase umgeben, kleine Kristallkerne in iihnlicher Lage an der olartigen Schaumwand fest, so entsteht in jeder Schanmkammer ein Kristall, der Phnlich zum Radius der Kernblase orientiert ist. Bus dem Spharokristall 11. Klasse ist ein Sphiirokristull I. Klasse entstanden.

21. Liegen gequollene und geschrumpfte Fasern mit ge- dehnten und komprimierten Wiinden aus olartiger sehr klebriger Fllissigkeit neben- und ubereinander um eine Kernblase herum, so bilden sie einen Spharokristall I .I . Xlasse.

22. Treffen die radialen Fasern von benachbarten Kern- blasen nicht zusammen, so sind die Sphilrokristalle statt von geraden Linien, von Kreisen begrenzt.

In den diinnen Schichten von iiberschmolzenem Sohwefel liegen haufig Spharokristalle 111. Klasse neben positiven und negativen Sphiirokristallen 11. Klasse, oder ein positiver Sphiiro- kristall 11. Klasse ist von einem ringfdrmigen negativen Sphko- kristall 11. Klasse nmgeben, wie bei einer gequollenen Leim- kugel, deren %&ere Hulle geschrumpft ist.

23. Bei der AbkUhlung von Schwefel, welcher zwischen Objekttriiger und Deckglas bei 300° geschmoleen ist, entstehen und verschwinden kugel- und zylinderfirmige Hohlriume, von brauner olartiger S, - reicher Fliissigkeit bekleidet. Man sieht wieder positive und negative Sphkokristalle II. Klasse oder Spharokristalle 111. Klasse, Spinnennetze mit radialen Streifen nnd braunen konzentrischen Kreisen, wie in den auf Queck- sil ber oder Glas erstarrenden Schwefelschichten. Glliilnzende Stellen im normal reflektierten Lichte lagen nahe den Rlindern

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710 G. Quincke.

der Schwefelschicht, wo die Luft leichter einwirken und SO, bilden konnte.

Bei leichtem Erwtirmen werden die dilnnen durchsichtigen Schwefelschichten undurchsichtig, indem die zylindrischen und kugelfiirmigen Rohren zu ebenen und kugelfbrmigen Schaum- wknden mit Neigungswinkeln von 120°, 90° u. a. zusammen- schnrren und geschlossene Schaumkammern (Gletscherk8rner) umschlieben. Jedo dieser Schaumkammern ist mit einem doppeltbrechenden Kristall erfullt , der in den verschiedenen -

Schaumkammern verschieden orientiert ist. 24. Schwefelschichten und Sphilrokristalle mit feinen

radialen Faseru (von der Dicke einer oder weniger Licht- aellen) kbnnen wie ein polarisierendes Gitter oder wie ein dichroitischer Kristall wirken. Sie zeigen nomale oder anormale dbsorpiion, indem sie das Licht schwachen, welches I oder + den Fasern polarisiert ist. Stellen mit normaler Absorption kbnnen sich plotzlich oder langsam umwandeln in Stellen mit anormaler Absorption.

Ein Sphfrokristall 111. Klasse, welcher bis zum Rande zwischen gekreuzten Nicolschen Prismen ein dunkles Kreuz zeigte, gab normale Absorption des polarisierten Lichtes nur bis zur Mitte.

Die Absorptioii des polarisierten Lichtes durch Gitter aus Schwefelfasern ist iihnlich der Schwachung des polari- sierten Lichtes durch Gitter aus leitenden oder isolierenden Stllben, dagegen verschieden von dem Dichroismus gefgrbter doppeltbrechender Substanzen.

Die normale und anormale Absorption des polarisierten Lichtes durch Gitter aus Schwefelfasern ist nicht zu erklllren durc.h Absorption elektrischer Schwingungen oder elektriecher Verschiebnogsstrome in der Hiille der Schwefelfasern.

Die normale und anormale Absorption des polarisierten Lichtes hilngeri von Dicke und Abstand der Schwefelfasern, und von der Farbe des polarisierten Lichtes ab. Mit wachsen- der Faserdicke verschwindet die normale oder anormale Ab- sorption und tritt bei noch gro6erer Dicke wieder euf.

Die normale Absorption verwandelt sich wahrscheinlich in anormale, wenn die Schaumwllnde der Fasern platzen und dickere Schaumwande entstehen.

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SchaumstTuAtur dcs Schwefels usw. 711

Ich hnbe versucht, die normale und anormale Absorption des polarisierten Lichtes durch Resonanz von longitudinalen und transversalen Schwingungen der Faserhiillen (von geringerer Dicke als eine Lichtwelle) zu erklilren.

25. Die sogenannte KrttuUisationsgeschw~ndigReit (K.G.) von Faden aus uberschmolzenem Schwefel - und allgemein aus iibersilttigten Flussigkeiten - hilngt von der Dicke und Klebrigkeit der sichtbaren und unsichtbaren iilartigen Scheide- wtlnde ab, welche die geschlossenen Schaumkammern im Innern der Fliissigkeit begrenzen. Ein alter Kristall durchbohrt bei seiner Entstehung die ZIlartige Scheidewand und impft den noch tliissigen Inhalt der benachbarten Schaumkammer, und leitet darin die Bildung eines neuen gleich orientierten Kri- stalls ein.

J e goEer die Gestaltsgnderung des Inhaltes einer Schaum- kammer bei der Kristallisation ist, um so leichter wird die olartige Scheidewand durchbohrt, um so griiEer ist die K.G. Fiir dieselbe iiberschmolzene Schwefelfliissigkeit wechselt also die K.G. mit dem Gistallsystem des impfenden Kristalls, wie Malus gefunden hat.

Da mit sinkender Temperatur die Klebrigkeit der olartigen Scheidewande und die Geschwindigkeit der Kristallbildung im Innern der Schaumkammern zunehmen, so muS die K.0. fur eine bestimmte Unterkuhlung uriter den normslen Schmelz- punkt ein Maximum zeigen, wie es tatsilchlich G e r n e z , (3. Tammann., J. F r i e d l a n d e r und Bogojawlenski beob- achtet haben..

Den Herren Professor Dr. Rud. Weber und Dr. E r n s t Miiller epreche ich fir die Reundliche Hilfe bei Herstellung der Photographien meinen besten Dank aus.

Der Druck der Arbeit, welche schon vor einem Jahre nahezu fertig niedergeschrieben war, id leider durch meinen Ubertritt in den Ruhestand und lgngere Erankheit verzagert worden.

Heide lberg , Bergstrabe 41, den 8. Mai 1908. (Eingegangen Mai 1908.)

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Annals der Physik, IV. Folge, Band 26. Tafel III.

Fig. 245. Schwefeldarnpf auf Uhr- glas kondenriert , lang-

Sam erkaltet. Fig. 244a. Fig. 244c.

Durchgehendes Licht. I Nicolsche Priamen. Vergr. S.

Fig. 237 a. Negative Staubfigur.

Fig. 244 b. Fig. 244d. Reflektiertes Licht. Reflektiertes Licht.

Fig. 244a, b, c, d Schwefeldarnpf auf Glas kondensiert.

Fig. 237 b. Positive Staubfigur.

Fig. 237c. Fig. 237d. Fig. 230. Schwefel in 22 Jahren aus Negative Staubfigur. Schwefeltropfen hei abnehmender

Temperatur aus demselben GI-- LSsurig in Schwefelkohlenstofl' kristallisiert. rohr getropft.

GI. Qninclie.

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Annalen der PhystX, IV. Folge, Bd. 26.

Dichroitisclie Spharokristalle von Schwefel.

Tlyel V.

Fig. 249r. Polarisator j

Vergr. ‘is.

Fig. 249 b. Polarisator -.

Anormaler und normaler Dichroisnius von Schwefel bei 163 geschmolzen.

Fig. 250a. Polarisator I

Fig. 250c. Polarisator i

F i g 250 b. Polarisator i

Fig. 250d. I Nicolsche Prismen.

0. Quincke.