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Die thermodynamischen und verfahrenstechnischen Abläufe der in-situ-Oberflächenmodifizierung beim Spritzgießen Von der Fakultät für Maschinenbau der Technischen Universität Chemnitz genehmigte Dissertation zur Erlangung des akademischen Grades Doktor-Ingenieur (Dr.-Ing.) vorgelegt von Dipl.-Ing. René Brunotte geboren am 03.12.1977 in Erfurt Gutachter: Prof. Dr.-Ing. Günter Mennig Prof. Dr.-Ing. Ernst Schmachtenberg Prof. Dr.-Ing. habil. Bernd Platzer Tag der Einreichung: 23.11.2005 Tag der Verteidigung: 12.04.2006 URL: http://archiv.tu-chemnitz.de/pub/2006/0069 ISBN: 3-939382-01-9 (978-3-939382-01-0)

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Die thermodynamischen und verfahrenstechnischen Abläufe der in-situ-Oberflächenmodifizierung beim Spritzgießen

Von der Fakultät für Maschinenbau der Technischen Universität Chemnitz

genehmigte

Dissertation

zur Erlangung des akademischen Grades

Doktor-Ingenieur

(Dr.-Ing.)

vorgelegt

von Dipl.-Ing. René Brunotte

geboren am 03.12.1977 in Erfurt

Gutachter: Prof. Dr.-Ing. Günter Mennig Prof. Dr.-Ing. Ernst Schmachtenberg Prof. Dr.-Ing. habil. Bernd Platzer

Tag der Einreichung: 23.11.2005 Tag der Verteidigung: 12.04.2006

URL: http://archiv.tu-chemnitz.de/pub/2006/0069

ISBN: 3-939382-01-9 (978-3-939382-01-0)

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Herausgeber: Fördergemeinschaft für den Lehrstuhl Kunststofftechnik An der TU Chemnitz e.V. (FKTU) c/o Prof. Dr.-Ing. G. Mennig Carl-von-Ossietzky-Str. 217 09127 Chemnitz Verfasser: R. Brunotte TU Chemnitz, Reichenhainer Str. 70, D015 09126 Chemnitz E-Mail: [email protected]

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Bibliographische Beschreibung Brunotte, René Die thermodynamischen und verfahrenstechnischen Abläufe der in-situ-Oberflächen-

modifizierung beim Spritzgießen

Dissertation an der Fakultät für Maschinenbau der Technischen Universität Chemnitz, Institut

für Allgemeinen Maschinenbau und Kunststofftechnik, Chemnitz, 2005

107 Seiten, 61 Abbildungen, 5 Tabellen, 60 Literaturzitate Referat

Gegenstand der Arbeit ist die Analyse eines neu entwickelten Verfahrens zur

Oberflächenmodifizierung, das bereits während des Spritzgießens die Haftungs- und

Benetzungseigenschaften einer Formteiloberfläche verbessert. Damit kann die teilweise

kosten- und anlagenintensive Oberflächenbehandlung nach dem Formgebungsprozess, wie

z. B. durch Beflammen, Korona- oder Plasmabehandlung, eingespart werden. Die in dieser

Arbeit betrachtete chemische Oberflächenmodifizierung von Polycarbonatformteilen hängt

vor allem von den beim Spritzgießen sich einstellenden thermischen Verhältnissen ab. Daher

werden im ersten Teil der Arbeit mittels Simulationsrechnungen die Temperaturen in dem

Bereich ermittelt, in dem die Reaktion stattfindet. Auf der Basis der Temperaturberechnungen

lässt sich die Reaktionsgeschwindigkeit der Modifizierung abschätzen. Zudem sind die

Temperaturen an der Formteiloberfläche experimentell gemessen, mit den Berechnungser-

gebnissen verglichen und bewertet worden. Randwinkelmessungen sowie Untersuchungen der

Verbundfestigkeit von verklebten Probekörpern stellen einen Zusammenhang zwischen den

beim Spritzgießen gewählten Prozessparametern und dem Modifizierungsergebnis her. Im

letzten Teil der Arbeit wird gezeigt, dass sich das in-situ-Modifizierungsverfahren nicht nur

bei Polykondensaten wie dem Polycarbonat, sondern auch für Polyolefine (z. B.

Polypropylen) anwenden lässt, wobei die verfahrenstechnischen Unterschiede und

Einschränkungen aufgezeigt werden.

Schlagworte

Spritzgießen, Oberflächenmodifizierung, Oberflächenaktivierung, Druckscherfestigkeit,

Wärmeübergangskoeffizient, Temperaturmessung, Formfüllsimulation, Polycarbonat,

Polypropylen

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Vorwort Die vorliegende Arbeit entstand während meiner Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter

am Institut für Allgemeinen Maschinenbau und Kunststofftechnik an der Technischen

Universität Chemnitz in den Jahren 2003 bis 2005.

Mein besonderer Dank gilt Herrn Prof. Dr.-Ing. Günter Mennig, dem Leiter der Professur für

Kunststoffverarbeitungstechnik, für die Anregung zu dieser Arbeit, seine stete Unterstützung

und Diskussionsbereitschaft sowie für die fachkundige Betreuung.

Herrn Dr.-Ing. Tham Nguyen-Chung danke ich für die Tipps und Ratschläge bei den

Simulationen. Für die konstruktiven Gespräche und die Unterstützung bei den chemischen

Betrachtungen danke ich recht herzlich Dr. rer. nat. Jürgen Nagel vom Institut für

Polymerforschung in Dresden (IPF).

Ich möchte ebenso allen Mitarbeitern der Professur Kunststoffverarbeitung und allen am

Gelingen der Arbeit beteiligten Personen vom Institut für Polymerforschung in Dresden sowie

dem Forschungsinstitut für Leder und Kunststoffbahnen in Freiberg (FILK) recht herzlich

danken. Allen Studenten, die in Form von Projekt- oder Diplomarbeiten einen Beitrag zum

Gelingen der Arbeit geleistet haben, sei an dieser Stelle ebenfalls gedankt.

Bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) bedanke ich mich für die finanzielle

Unterstützung der Arbeit. Den Firmen Bayer MaterialScience und SABIC danke ich für die

kostenlose Bereitstellung der Versuchsmaterialien.

Chemnitz, im November 2005 René Brunotte

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I

Inhaltsverzeichnis Formelzeichen und Abkürzungen 1 Problemstellung und Zielsetzung ............................................................................................ 1

2 Stand des Wissens ................................................................................................................... 5

2.1 Der Spritzgießprozess ...................................................................................................... 5

2.2 Grundlagen der in-situ-Oberflächenmodifizierung.......................................................... 7

2.3 Spritzgießsimulation....................................................................................................... 10

2.3.1 Allgemeine Betrachtungen...................................................................................... 10

2.3.2 Berechnungsgrundlagen .......................................................................................... 12

2.3.3 Grundlagen für die Temperaturfeldberechnung...................................................... 13

2.4 Analysemethoden ........................................................................................................... 15

2.4.1 Differential Scanning Calorimetrie (DSC).............................................................. 15

2.4.2 Druckscherfestigkeitsmessung................................................................................ 16

2.4.3 Statische Randwinkelmessung ................................................................................ 18

2.4.4 Röntgenphotoelektronenspektroskopie (XPS) ........................................................ 20

3 Simulation der thermischen Verhältnisse bei der Oberflächenmodifizierung von

Polycarbonat............................................................................................................................. 23

3.1 Versuchsplanung ............................................................................................................ 23

3.2 Stoffwerte ....................................................................................................................... 25

3.2.1 Einfluss der Stoffwerte............................................................................................ 25

3.2.2 Spezifisches Volumen ............................................................................................. 25

3.2.3 Wärmeleitfähigkeit.................................................................................................. 27

3.2.4 Spezifische Wärmekapazität ................................................................................... 29

3.2.5 Kontaktwärmeübergangskoeffizient ....................................................................... 31

3.3 Simulationsergebnisse .................................................................................................... 38

3.3.1 Temperatur an der Schmelzefront ........................................................................... 38

3.3.2 Temperaturverlauf in der Grenzschicht zwischen Formteil und Werkzeug ........... 39

3.3.3 Einfluss der Prozessparameter auf das Temperaturregime und die

Reaktionsgeschwindigkeitskonstante bei der Oberflächenmodifizierung ....................... 43

4 IR-Temperaturmessung......................................................................................................... 47

4.1 Versuchsaufbau .............................................................................................................. 47

4.2 Einfluss der Eindringtiefe............................................................................................... 48

4.3 Vergleich der IR-Messergebnisse mit den Simulationsergebnissen .............................. 52

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II

5 Ergebnisse der in-situ-Oberflächenmodifizierung von Polycarbonatformteilen .................. 55

5.1 Versuchsplan .................................................................................................................. 55

5.1.1 Eingesetzte Materialien ........................................................................................... 55

5.1.2 Aufbau der Versuchseinrichtung............................................................................. 55

5.1.3 Versuchsmatrix........................................................................................................ 58

5.2 Untersuchung des Einflusses der Prozessparameter an modifizierten

Polycarbonatoberflächen...................................................................................................... 60

5.2.1 Druckscherfestigkeitsmessung................................................................................ 60

5.2.2 Statische Randwinkelmessung ................................................................................ 66

5.2.3 Röntgenphotoelektronenspektroskopie XPS........................................................... 69

5.2.4 Betrachtung der Schmelzebewegung im Zusammenhang mit dem applizierten

Modifikator....................................................................................................................... 71

5.3 Diskussion der Ergebnisse ............................................................................................. 74

6 Übertragbarkeit des Verfahrens auf andere Materialien am Beispiel von Polypropylen...... 77

6.1 Mechanismus der in-situ-Oberflächenmodifizierung bei Polyolefinen ......................... 77

6.2 DSC-Untersuchungen geeigneter Modifikatoren und Initiatoren .................................. 79

6.3 Untersuchung des Einflusses der Prozessparameter an modifizierten

Polypropylenoberflächen ..................................................................................................... 83

6.3.2 Druckscherfestigkeitsmessung................................................................................ 84

6.3.3 Statische Randwinkelmessungen ............................................................................ 87

6.4 Verfahrenstechnische Unterschiede zwischen einer Polycarbonat- und einer

Polypropylenmodifizierung.................................................................................................. 91

7 Zusammenfassung................................................................................................................. 95

Anhang

Lebenslauf

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III

Formelzeichen und Abkürzungen Lateinische Buchstaben A Fläche

A(ω) Absorptionsgrad in Abhängigkeit von der Wellenlänge

aeff effektive Temperaturleitfähigkeit

B(T) Parameter der Tait-Gleichung

b Wärmeeindringfähigkeit

c Konzentration

C Konstante

cp spezifische Wärmekapazität

D Tensor der Deformationsgeschwindigkeit

d Durchmesser

dE Eindringtiefe

E Strahlungsenergie

EA Aktivierungsenergie

F Kraft

H Enthalpie

k Geschwindigkeitskonstante

m Masse

n Potenzindex

p Druck

Q& Wärmefluss

q& Wärmestromdichte

S(ω) Streukoeffizient in Abhängigkeit von der Wellenlänge

T Temperatur

TM Massetemperatur

TW Wandtemperatur

t Zeit

T(ω) Transmissionsgrad in Abhängigkeit von der Wellenlänge

vr Geschwindigkeitsvektor

V Volumen

x, y, z Koordinaten

Z präexponentieller Faktor

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IV

Griechische Buchstaben

α Wärmeübergangskoeffizient

αT Temperaturverschiebungsfaktor

γ& Schergeschwindigkeit

Γ Menge

ε Emissionsgrad η Viskosität

η 0 Viskosität

θ Randwinkel

λ Wärmeleitfähigkeit ρ Dichte

σ Bolzmannkonstante

σV Druckscherfestigkeit

τ Spannungstensor

*τ Zeitkonstante

υ spezifisches Volumen

ω Wellenlänge

Technische Abkürzungen

2,5D „2,5-dimensional“

3D dreidimensional

Bi Biot Zahl

BPO Benzoylperoxid

CAD Computer Aided Design

DKI Deutsches Kunststoff Institut

DSC Differential Scanning Calorimetrie

FDM Finite-Differenzen-Methode

FEM Finite-Elemente-Methode

FTIR Fourier-Transformations-Infrarot-Spektrometer

IPF Institut für Polymerforschung

IR Infrarot

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V

KPS Kaliumperoxid

KVB Institut für Konstruktion und Verbundbauweisen

PC Polycarbonat

PE Polyethylen

PEI Polyethylenimin

PEOx Poly(2-ethyl-2-oxazolin)

PP Polypropylen

XPS Röntgenphotoelektronenspektroskopie

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1 Problemstellung und Zielsetzung

Kunststoffe besitzen ein breites Anwendungsspektrum. Die gute Verarbeitbarkeit und vor

allem das gute Preis-Leistungs-Verhältnis sind Gründe für das stetige Wachsen der

Einsatzgebiete. Durch neue Herstellungsverfahren, Zusätze von Additiven sowie durch die

Zugabe von Füll- und Verstärkungsstoffen (z. B. Fasern) lassen sich bestimmte Eigenschaften

gezielt auf den späteren Anwendungsfall abstimmen. Diese ständigen Verbesserungen

ermöglichen den Einsatz von Kunststoffen auch für Anwendungen, die bisher von anderen

Materialien dominiert wurden. In der Automobilindustrie werden z. B. derzeit viele

Anstrengungen unternommen, um Verscheibungen aus Glas durch Polycarbonatscheiben zu

ersetzen. Die Beweggründe sind dabei Vorteile, wie z. B. Gewichtsreduzierung,

Funktionsintegration bei der Montage sowie größere Designfreiheit. Auch Blechteile am

Automobil werden sukzessiv durch Kunststoffteile ersetzt und dies mit steigender Tendenz.

Stoßfänger oder Zierleisten aus PP/EPDM-Mischungen sind bereits Stand der Technik. Aber

auch Kotflügel, Motorhauben und Heckklappen aus Kunststoff (z. B. beim Smart) lassen sich,

trotz der größeren Wärmeausdehnung gegenüber Blech, durch geschickte konstruktive

Lösungen mittlerweile realisieren.

Für bestimmte Anwendungen sind nach dem Urformprozess (z. B. Spritzgießen) weitere

Verarbeitungsverfahren wie Kleben, Bedrucken oder Beschichten zur Veredelung notwendig.

Die eben erwähnten Polycarbonatscheiben werden z. B. bei der Montage mit der Karosserie

verklebt, und die Scheibenoberfläche wird mit einem kratzfesten UV-absorbierenden

Schutzlack lackiert. Je nach Kunststofftyp können allerdings bei einer Verklebung oder

Lackierung in unterschiedlichem Maße Probleme bei der Haftung auftreten. So ist z. B. ein

Lackieren der Fahrzeugaußenteile aus PP/EPDM nicht ohne eine entsprechende

Vorbehandlung der Oberfläche möglich, da Polyolefine aufgrund fehlender reaktiver Gruppen

unpolar sind und daher schlechte Adhäsionseigenschaften aufweisen. Polycarbonat hingegen

lässt sich im Vergleich zu Polypropylen relativ gut kleben und lackieren, allerdings können

für spezielle Anwendungsfälle, bei denen sehr hohe Haftfestigkeiten gefordert werden,

ebenfalls Oberflächenvorbehandlungen notwendig sein.

Es werden derzeit verschiedene Verfahren zur Vorbehandlung von Oberflächen eingesetzt,

wie z. B. Beflammen, Koronaentladung, Niederdruckplasmamodifizierung oder auch

Gasphasenfluorierung [Bro98, Dor95, Ger94, Hen92, Lie89]. Bei allen derzeit genutzten

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physikalischen Verfahren ist das Grundprinzip identisch. Es werden funktionelle Gruppen

unter Ausnutzung eines Energiefeldes auf der Oberfläche gebunden. Dies kann mit hohen

Energiekosten verbunden sein. Die Verfahren sind zudem zum Teil anlagentechnisch sehr

aufwendig. So muss bei der Plasmamodifizierung zunächst ein Vakuum erzeugt werden, das

bei großen Formteilen eine entsprechende Anlagengröße voraussetzt. Weitere Probleme sind

z. B. die schlechte Spaltgängigkeit (Beflammen und Koronaverfahren), was bedeutet, dass

bestimmte unzugängliche Bereiche (z. B. Hinterschneidungen) bei der Vorbehandlung nicht

erreicht und damit nicht aktiviert werden können. Auch ist die Langzeitstabilität ein wichtiges

Kriterium, da der Behandlungseffekt bei einigen Verfahren mit der Zeit deutlich nachlässt

(Plasma- und Koronaverfahren). Ist dies der Fall, sollte ein Verkleben oder Lackieren

möglichst direkt im Anschluss an die Vorbehandlung erfolgen, was aus anlagentechnischer

oder wirtschaftlicher Sicht nicht immer möglich ist.

Aus den genannten Nachteilen ergab sich der Bedarf zur Entwicklung einer neuen Methode

zur Modifizierung von Polymeroberflächen. Das Institut für Polymerforschung in Dresden hat

daraufhin in Zusammenarbeit mit der Technischen Universität Chemnitz ein Verfahren

entwickelt, das die Oberfläche des Formteiles bereits während des Spritzgießprozesses

(in-situ) modifiziert. Die Grundidee dieses Verfahrens basiert darauf, dass die vorhandene

hohe Temperatur der Schmelze beim Spritzgießen genutzt wird, um eine chemische Reaktion

zu starten, durch die ein vorher im Werkzeug applizierter Modifikator an der

Formteiloberfläche angekoppelt wird. Die Modifizierung erfolgt also im Gegensatz zu den

oben genannten Verfahren nicht im Anschluss, sondern bereits während des Spritzgießens,

weshalb nicht nachträglich Energie aufgebracht werden muss, vor allem aber der

nachfolgende Behandlungsschritt entfallen kann. Verfahrenstechnisch lässt sich der Ablauf

der in-situ-Oberflächenmodifizierung in drei Schritte unterteilen: die Applizierung der

Modifikatorsubstanz, den Einspritzvorgang und die chemische Reaktion. Die Vorteile des

Verfahrens sind neben der Wirtschaftlichkeit vor allem die gut handhabbare Verfahrenstech-

nik verbunden mit geringen Investitionskosten.

Da es sich um ein neues Verfahren zur Oberflächevorbehandlung handelt, ist es bisher noch

nicht eingehend untersucht worden. In ersten Untersuchungen von [Kol02] konnte allerdings

gezeigt werden, dass sich mit dem in-situ-Oberflächenmodifizierungsverfahren die

Festigkeiten von Klebeverbunden aus Polycarbonatformteilen reproduzierbar steigern lassen.

Aufbauend auf den in diesen Untersuchungen gewonnenen Erkenntnissen sollen im Rahmen

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3

dieser Arbeit die wesentlichen Einflussgrößen des Verfahrens zur Modifizierung von

Polycarbonat wissenschaftlich betrachtet und die bestehenden Gesetzmäßigkeiten

praxisgerecht beschrieben werden.

Von zentraler Bedeutung für die in-situ-Oberflächenmodifizierungsreaktion sind vor allem

die Höhe der Schmelzetemperatur und deren Einwirkdauer, da sie die Geschwindigkeit der

ablaufenden chemischen Reaktion bestimmen. Eine exakte Kenntnis des Temperatur-Zeit-

Verlaufes in der Grenzschicht zwischen Formteil und Modifkator während des

Spritzgießprozesses ist daher eine Grundvoraussetzung, um Aussagen zur Reaktionsge-

schwindigkeit und somit zur Anzahl der an der Oberfläche gekoppelten Modifikatorketten zu

treffen.

Eine messtechnische Erfassung der während der Formgebung ablaufenden thermodynami-

schen Vorgänge ist zwar möglich, allerdings sind vor allem in der Einspritzphase die

ermittelten Messwerte recht ungenau. Dies liegt zum einen an der teilweise zu geringen

Ortsauflösung und zum anderen an dem recht langsamen Ansprechverhalten der Messgeräte

[Amb03]. Gerade die Ansprechzeit ist von großer Bedeutung, da die Einspritzzeiten beim

Spritzgießen meist unterhalb einer Sekunde liegen und Abkühlgeschwindigkeiten von bis zu

3 K/ms mit Temperaturgradienten von 1 K/µm auftreten können. Da diese drastischen

Abkühlverhältnisse in der Einspritzphase messtechnisch nicht erfasst werden können, sollen

in dieser Arbeit zur Temperaturermittlung die Möglichkeiten der Spritzgießsimulation genutzt

werden.

Die Rechengenauigkeit der verwendeten Simulationsprogramme hängt von den bei der

Berechnung getroffenen Annahmen und von den in die Rechnung eingehenden Materialdaten

ab. Daher sollen zunächst die für die Temperaturberechnung relevanten Stoffwerte ermittelt

und gegebenenfalls deren Druck- bzw. Temperaturabhängigkeit bei der Implementierung in

die Berechnungsprogramme berücksichtigt werden. Die Annahme bei der Simulation mit dem

Programm Moldflow, dass in der Grenzschicht zwischen Werkzeug und Formteil ein idealer

Wärmetransport stattfindet, soll überprüft und gegebenenfalls ein Koeffizient für den

vorhandenen Wärmeübergang ermittelt werden. Die anschließend auf numerischem Wege

berechneten Temperaturverläufe geben Aufschluss, ob die beim Spritzgießen vorhandenen

Temperaturen ausreichend sind, damit die Modifizierungsreaktion ablaufen kann. Zudem

kann mit Hilfe der Simulationsrechnungen der Einfluss von Prozessparametern, wie Masse-

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4

und Werkzeugtemperatur, auf die thermische Situation beim Spritzgießen abgeschätzt

werden.

Eine experimentelle Überprüfung der berechneten Temperaturen während der Einspritzphase

ist aufgrund der bereits erwähnten drastischen Abkühlverhältnisse und der derzeit

unzulänglichen Messtechnik nur bedingt möglich. In der Nachdruckphase ist der

Abkühlgradient allerdings niedriger und ein Vergleich der berechneten mit den gemessenen

Temperaturverläufen sinnvoll. Daher sollen unterstützend zu den Simulationen

experimentelle Temperaturmessungen an der Formteiloberfläche im Spritzgießwerkzeug mit

einem Infrarotsensor durchgeführt werden. Die Abkühlung während der Nachdruckphase

wird bei diesem Sensortyp durch die relativ kurzen Ansprechzeiten des Sensors (15 ms) gut

wiedergegeben.

Neben der allgemeinen thermodynamischen Betrachtung der Modifizierungsreaktion soll in

dieser Arbeit untersucht werden, wie sich Änderungen der thermischen Verhältnisse, wie z. B.

unterschiedliche Massetemperaturen, auf das Modifizierungsergebnis an der

Formteiloberfläche auswirken. Durch die Analyse modifizierter Oberflächen können

Veränderungen des Adhäsionsverhaltens deutlich gemacht werden. So lässt sich mittels

Randwinkelmessung aufzeigen, inwieweit sich die Oberflächenspannung durch die

Modifizierung ändert. Die Messung der Druckscherfestigkeit von Klebeverbindungen soll

zudem praxisnah einen Zusammenhang zwischen den beim Spritzgießen gewählten

Prozessparametern und deren Auswirkungen auf die Haftfestigkeit von Verklebungen

herstellen. Als Nachweis, dass der Modifikator auf der Oberfläche gebunden wurde, kann die

Röntgenphotoelektronenspektroskopie (kurz XPS) eingesetzt werden. Mit dieser

Messmethode lassen sich die in den ersten Nanometern befindlichen chemischen Gruppen auf

der Oberfläche bestimmen.

Abschließend soll die Verallgemeinerung der gewonnenen Erkenntnisse bei der

Vorbehandlung von Polycarbonatoberflächen auf andere Materialien übertragen werden. Dies

wird beispielhaft an der Modifizierung von Polypropylen dargestellt. Der Einfluss der

Prozessparameter auf das Modifizierungsergebnis soll hier ebenfalls durch Randwinkel- und

Druckscherfestigkeitsmessungen untersucht werden. Die verfahrenstechnischen Unterschiede

bei der Modifizierung von Polycarbonat und Polypropylen werden anschließend differenziert

betrachtet.

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5

2 Stand des Wissens

2.1 Der Spritzgießprozess

Zum Verständnis der Vorgänge bei der in-situ-Modifizierung von Formteiloberflächen ist

zunächst eine Betrachtung der beim konventionellen Spritzgießen ablaufenden Prozessschritte

sinnvoll. Das Spritzgießverfahren ist innerhalb der Kunststoffverarbeitungstechnik das am

häufigsten eingesetzte diskontinuierliche Urformverfahren zur vollautomatischen Herstellung

von Kunststoffteilen aus Thermoplasten. Die Abb. 2.1 zeigt die drei Phasen des

Prozesszyklusses, und zwar das Plastifizieren, die Formgebung und das Entformen.

Abb. 2.1 Drei Phasen des Spritzgießens [Ngu01]

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6

Der Spritzgießprozess läuft im Einzelnen folgendermaßen ab [Joh01]: Aus einem

Vorratsbehälter wird über einen Trichter eine rieselfähige, thermoplastische Formmasse

(Granulat oder Pulver) einem beheizten Zylinder zugeführt. Das Material gelangt dabei in die

Gänge der sich drehenden Schnecke. Aufgrund der Schneckenrotation wird das Material

durch die beheizten Zylinderzonen (Heizbänder) in Richtung Düse transportiert. Die

Formmasse wird dabei infolge des Wärmeüberganges von der Zylinderwand (Konduktion)

und durch die Scherwärme (Friktion) in einen schmelzflüssigen Zustand überführt. Bis zum

Erreichen der Schneckenspitze muss das Material vollständig aufgeschmolzen und

homogenisiert sein. Durch den Fördervorgang in Düsenrichtung baut sich vor der

Schneckenspitze ein Druck auf, der die Schnecke zurückbewegt. Dieser Schneckenbewegung

wirkt ein hydraulisch aufgebrachter Gegendruck entgegen, der so genannte Staudruck.

Nachdem ausreichend Schmelze in den Bereich des Schneckenvorraumes gefördert worden

ist, wird das Spritzgießwerkzeug geschlossen und mit hoher Kraft zugehalten. Das Material

wird anschließend eingespritzt, indem die Schnecke durch einen hydraulischen Druck nach

vorne geschoben wird. Der Einspritzvorgang erfolgt mit hoher Geschwindigkeit und unter

hohem Druck, um ein zügiges Einspritzen zu ermöglichen. Über Angusskanäle strömt die

Kunststoffschmelze in die eigentliche Kavität, welche die negative Abbildung des späteren

Formteiles darstellt. Bei der Berührung mit der kalten Werkzeugwand erstarrt die Schmelze,

und es bildet sich eine so genannte „erstarrte Randschicht“ an den Kavitätswänden aus. Diese

Schichten wirken isolierend und ermöglichen einen weiteren Schmelzetransport in der Mitte

des Kavitätsquerschnittes, bis die Werkzeugform vollständig gefüllt ist.

Ist der Werkzeughohlraum gefüllt, setzt die Nachdruckphase ein. Die Schmelze wird dabei

weiterhin mit einem Druck beaufschlagt, um eine einsetzende Schwindung aufgrund der

Volumenkontraktion auszugleichen. Da der hohe Einspritzdruck aus ökonomischer Sicht

nicht so lange aufrechterhalten werden sollte, beträgt die Höhe des Nachdruckes in der Regel

30 bis 50 % des Einspritzdruckes. Die Nachdruckphase endet, wenn kein Druck mehr in die

Kavität übertragen werden kann. Dies ist der Fall, wenn der Anschnitt, der die Kavität mit den

Angusskanälen verbindet, aufgrund seines meist eng dimensionierten Querschnittes

zugefroren ist. Das Formteil kühlt während der anschließenden Restkühlzeit solange im

Werkzeug weiter ab, bis es endgültig erstarrt ist. Zeitgleich wird von der Schnecke neues

Material für einen neuen Spritzgießzyklus dosiert und plastifiziert. Ist die Restkühlzeit

beendet, öffnet sich das Werkzeug, und das Formteil wird mit Hilfe eines Auswerfersystems

entformt.

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2.2 Grundlagen der in-situ-Oberflächenmodifizierung

Die in-situ-Oberflächenmodifizierung ist ein neu entwickeltes Verfahren, das von [Kol02] in

empirischen Versuchen erstmals näher betrachtet wurde. Es ist ein eleganter und

wirtschaftlicher Weg zur Modifizierung von Polymeroberflächen. Die Grundidee ist die

Nutzung der thermischen Energie beim Spritzgießen, um durch eine chemische Reaktion

funktionelle Gruppen auf der Formteiloberfläche zu binden. Der verfahrenstechnische Ablauf

stellt sich wie folgt dar. Zunächst wird eine Modifikatorlösung bei geöffnetem Werkzeug auf

der Werkzeugoberfläche appliziert (Abb. 2.2 a). Damit der Modifikator gleichmäßig auf der

Oberfläche verteilt wird, ist eine Vorrichtung zum Aufsprühen zweckmäßig. Im nächsten

Schritt fährt das Werkzeug zu und heiße Polymerschmelze wird in die Kavität eingespritzt

(Abb. 2.2 b). Die Temperatur, mit der die Schmelze auf die Werkzeugwand trifft, liegt im

Bereich der gewählten Massetemperatur (280 °C bis 310 °C). Diese Temperatur ist

ausreichend, um zwischen Modifikatorsubstanz und der Schmelze eine chemische Reaktion

zu starten, durch die der Modifikator mit der Polymeroberfläche verbunden wird (Abb. 2.2 c).

Nach erfolgter Abkühlung besitzt das Formteil eine modifizierte Oberfläche (Abb. 2.2 d).

Abb. 2.2 Schematische Darstellung des verfahrenstechnischen Ablaufes der in-situ-Oberflächenmodifizierung

Prinzipiell lässt sich jeder Kunststoff nach diesem Verfahrensablauf modifizieren, allerdings

muss für jedes Material im Zusammenhang mit dem nachfolgenden Veredelungsverfahren

(z. B. Kleben oder Lackieren) zunächst ein geeigneter Modifikator gefunden werden. Je nach

Material und gewähltem Modifikator muss dann die ablaufende chemische Reaktion zur

Ankopplung der Modifikatorketten speziell betrachtet und analysiert werden.

a) b) c) d)

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8

Die Untersuchungen in der vorliegenden Arbeit konzentrieren sich zunächst auf die

Modifizierung von Polycarbonatoberflächen. Dabei stehen vor allem die thermodynamischen

Abläufe bei der Modifizierungsreaktion im Vordergrund. Die chemischen Grundlagenunter-

suchungen zur Modifizierung von Polycarbonat sowie die Auswahl eines geeigneten

Modifikators erfolgten am Institut für Polymerforschung in Dresden (IPF) und sind in

[Leh04] ausführlich beschrieben. Die dort durchgeführten Untersuchungen ermittelten

Polyethylenimin (kurz PEI) als eine geeignete Modifikatorsubstanz, die bereits von [Kol02]

erfolgreich eingesetzt wurde. Die später in dieser Arbeit dargestellten praktischen

Untersuchungen sind daher ebenfalls mit PEI als Modifikator durchgeführt worden.

Der Modifizierung von Polycarbonatoberflächen liegt die in Abb. 2.3 dargestellte chemische

Reaktion zugrunde. Der PEI-Modifikator wird über eine so genannte „Einspaltungsreaktion“

an das Polycarbonat gekoppelt. Die Reaktion erfolgt in einem Schritt. Damit der

Reaktionsablauf, wie er in Abb. 2.3 dargestellt ist, stattfindet, sind Temperaturen oberhalb

von 150 °C notwendig. Der Einfluss der thermischen Verhältnisse beim Spritzgießen auf die

Modifizierungsreaktion wird daher im Folgenden näher betrachtet.

Abb. 2.3 Darstellung des Reaktionsablaufes bei der Modifizierung von Polycarbonat mit PEI als Modifikator

Bei der Modifizierung von Polycarbonat verdampft das für die PEI-Aufbringung notwendige

Lösungsmittel, nachdem es auf die Werkzeugoberfläche appliziert wurde, aufgrund der hohen

Werkzeugtemperatur relativ schnell. Die Schichtdicke der zurückgebliebenen

Modifikatorsubstanz liegt im Nanometerbereich. Diese geringe Modifikatorschicht wirkt sich

nicht auf die thermischen Verhältnisse aus und kann somit bei den nachfolgenden

substituiertes Urethan

(Phenol)

R=PC

Carbonatbindungen

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thermodynamischen Betrachtungen vernachlässigt werden. Entscheidend für den Ablauf der

Modifizierungsreaktion ist somit die Temperatur in der Grenzschicht zwischen Formteil und

Werkzeug.

Beim Einspritzen der Schmelze trifft eine heiße Schmelzefront (280 °C bis 310 °C) auf eine

deutlich kältere Werkzeugwand (80 °C bis 110 °C) und kühlt dadurch in kurzer Zeit stark ab.

Üblicherweise werden beim Spritzgießen die Masse- und Werkzeugtemperaturen so gewählt,

dass im Sinne der Wirtschaftlichkeit kurze Zykluszeiten durch eine schnelle Abkühlung

erreicht werden. Die für die chemische Modifizierungsreaktion notwendigen hohen

Temperaturen in der Grenzschicht zwischen Formteil und Werkzeug stehen daher nur kurze

Zeit zur Verfügung. Ist der Temperaturverlauf in diesem Grenzschichtbereich bekannt, kann

daraus die temperaturabhängige Reaktionsgeschwindigkeitskonstante k berechnet werden

(Abb. 2.4). Eine hohe Geschwindigkeitskonstante hat einen hohen Umsatz bei der

Modifizierungsreaktion zur Folge, was bedeutet, dass viele Modifikatorgruppen auf der

Oberfläche gebunden werden. Die Bestimmung der Reaktionsgeschwindigkeitskonstanten k

kann durch einen Arrhenius-Ansatz erfolgen [Leh04].

Abb. 2.4 Schematische Darstellung der Reaktionsgeschwindigkeit k in Abhängigkeit vom Temperaturverlauf

in der Grenzschicht zwischen Werkzeug und Formteil. Der unterlegte Bereich kennzeichnet den

erreichbaren Umsatz bei der Reaktion [Leh04]

Aus Abb. 2.4 ist ersichtlich, dass die Reaktionszeit der Modifizierung auf eine sehr kurze

Zeitspanne direkt nach dem Füllen des Werkzeuges begrenzt ist. Es sind daher nur

Modifikatoren mit einer ausreichend hohen Reaktivität für das Verfahren geeignet. Der

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dargestellte Zusammenhang zeigt die zentrale Bedeutung der Temperatur auf das

Modifizierungsergebnis, weshalb ein Schwerpunkt der in dieser Arbeit durchgeführten

Untersuchungen die Temperaturbestimmung in der Grenzschicht zwischen Formteil und

Werkzeug ist. Da dies messtechnisch beim derzeitigen Stand der Technik nur bedingt möglich

ist, stellt die Spritzgießsimulation eine gute Möglichkeit dar, die thermischen Verhältnisse

beim Spritzgießen zu bestimmen.

2.3 Spritzgießsimulation

2.3.1 Allgemeine Betrachtungen

Die Simulation des Spritzgießprozesses ist heutzutage aufgrund der zunehmenden Leistung

der Rechentechnik ein fester Bestandteil bei der Bauteilentwicklung, der Werkzeugauslegung

sowie der Prozessoptimierung [Men91]. Neben der Berechnung des Füllvorganges mit den

dazugehörigen Prozessparametern sind z. B. auch Aussagen über die strömungsinduzierte

Faserorientierung oder über den Bauteilverzug während der Abkühlphase möglich.

In dieser Arbeit soll die Simulation genutzt werden, um die thermischen Verhältnisse beim

Spritzgießen näher zu betrachten. Besonders die Abkühlung der einströmenden Schmelze an

der Werkzeugwand beim Formfüllvorgang ist dabei von Interesse. Aufgrund der hohen

Temperaturunterschiede zwischen der einströmenden Schmelze und der Wand läuft dieser

Vorgang in Sekundenbruchteilen ab. Die Simulation ermöglicht es, diese in äußerst kurzer

Zeit ablaufenden Abkühlprozesse zu berechnen. Die daraus ermittelten Temperaturverläufe

können dann als Grundlage genutzt werden, um Aussagen über die beim Spritzgießen

ablaufenden Modifizierungsprozesse zu treffen.

Es werden derzeit von verschiedenen Anbietern Softwareprogramme zur Spritzgießsimulation

(z. B. Moldflow, Cadmould und andere) angeboten. Der prinzipielle Verfahrensablauf ist

allerdings bei allen Programmen gleich und in Abb. 2.5 dargestellt.

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Abb. 2.5 Abfolgeschritte bei einer Simulationsberechnung [NN04]

Eine Spritzgießsimulation läuft im Einzelnen wie folgt ab [z. B. NN04, Web00, Ngu01,

Mic97, Rot01, Mic00]: Ausgangspunkt der Berechnung ist im Allgemeinen ein

Flächenmodell mit dreidimensionaler Geometrie. Die anschließende Erstellung des Finite-

Elemente-Netzes kann z. B. mit Schalen- oder mit Volumenelementen erfolgen. Bei der auf

Schalenelementen (z. B. Dreiecke) basierenden Prozesssimulation werden spezielle

Annahmen getroffen, um den Rechenaufwand zu verkürzen. So wird vor allem die Strömung

in Dickenrichtung vernachlässigt. Die Ergebnisse sind für dünnwandige Bauteile hinreichend

genau. Bei Berechnungen auf der Grundlage von Volumenelementen (z. B. Tetraeder) werden

diese Vereinfachungen nicht getroffen, wodurch die Informationstiefe der Berechnung

zunimmt. Allerdings ist dies mit höherem Rechenaufwand verbunden [NN04]. Da der

Quellfluss bei der Anlagerung der Schmelze an die Werkzeugwand im Zusammenhang mit

der in-situ-Oberflächenmodifizierung mit berücksichtigt werden muss, basieren die in dieser

Arbeit durchgeführten Berechnungen mit der kommerziellen Software Moldflow

ausschließlich auf Netzen aus Tetraederelementen.

Nach der Generierung des Finite-Elemente-Netzes und anschließender Modellierung des

Angusssystems erfolgt die Materialauswahl. Bei den meisten Simulationsprogrammen (z. B.

Moldflow) sind in Datenbanken die Materialkennwerte (Viskositätsverhalten, pvT-Daten und

weitere Kennwerte) für viele handelsübliche Materialien hinterlegt. Ist dies nicht der Fall

(z. B. Fidap), müssen die Kennwerte zusätzlich implementiert werden. Die bei der

nachfolgenden Prozesssimulation zugrunde liegenden Annahmen und Berechnungsgrundla-

gen werden im nächsten Kapitel erläutert.

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2.3.2 Berechnungsgrundlagen

Für die Strömung in der Formfüllphase wird von folgenden Annahmen ausgegangen:

• die Strömung ist laminar;

• die Schmelze ist inkompressibel;

• die Trägheits-, Gravitations- und Oberflächenkräfte werden vernachlässigt.

Dementsprechend lauten die Kontinuitäts-, Impuls- und Energiegleichung wie folgt:

0=⋅∇ vr (2.1)

0=⋅∇+∇− τp (2.2)

( ) vTTvtTc p

rr∇+∇⋅∇=

∇⋅+∂∂ :τλρ (2.3)

wobei t, vr , T, p , τ , D , ρ , pc und λ jeweils die Zeit, den Geschwindigkeitsvektor, die

Temperatur, den hydrostatischen Druck, den Spannungstensor, den Tensor der

Deformationsgeschwindigkeiten, die Dichte, die spezifische Wärme und die

Wärmeleitfähigkeit bezeichnen.

Das Materialgesetz für eine rein viskose Schmelze lautet:

( )DT γητ &,2= (2.4)

Der Tensor der Deformationsgeschwindigkeit D wird wie folgt definiert:

( )[ ]TvvD rr∇+∇=

21 (2.5)

Die Schergeschwindigkeit berechnet sich aus dem Tensor der Deformationsgeschwindigkeit

zu:

DD :2=γ& (2.6)

Die Viskosität ( )γη &,T kann durch das Cross-WLF-Modell beschrieben werden. Die Zunahme

der Viskosität bei abnehmender Temperatur für Kunststoffschmelzen ist allgemeingültig. Bei

Strömungen mit überlagerten Abkühlungs- und Erstarrungsvorgängen, wie es beim

Spritzgießen der Fall ist, muss diese Temperaturabhängigkeit daher mit in die Berechnung

eingehen. Dies erfolgt mit Hilfe des Temperaturverschiebungsfaktors αT, der mittels des Zeit-

Temperatur-Superpositionsprinzips abgeleitet wird. Dadurch kann die Viskositätsfunktion bei

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einer beliebigen Temperatur anhand der Viskositätsfunktion bei einer Bezugstemperatur

berechnet werden:

( )nT

T−

⋅⋅

+

⋅= 1

*0

0

αγηαηη&

(2.7)

( )

−+−

=)(

A-exp *

2

*1

TTATT

Tα (2.8)

mit der Nullviskosität 0η , dem Potenzindex n , der Zeitkonstante *τ sowie den

Modellkonstanten 1A , 2A und der Referenztemperatur *T .

Da in dieser Arbeit speziell die Simulation der thermischen Verhältnisse von Interesse ist,

werden die Grundlagen der Temperaturfeldberechnung im folgenden Kapitel kurz dargestellt.

2.3.3 Grundlagen für die Temperaturfeldberechnung

Als Randbedingungen für das Temperaturfeld wird zunächst angenommen, dass am Anguss

die Temperatur vorgegeben ist (Dirichlet-Randbedingungen).

( ) ( )xTxT anguß= für angußx Γ∈ (2.9)

Für den restlichen Randbereich ist der Wärmefluss vorgegeben (Neumann-Randbedingungen)

[Web00].

( )TTnT

wand −=∂∂⋅ αλ für wandx Γ∈ (2.10)

Es wird in Gleichung 2.10 davon ausgegangen, dass der Wärmefluss an der Werkzeugwand

proportional zur Differenz der Schmelzetemperatur und der Wandtemperatur ist. Den

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14

Proportionalitätsfaktor bildet der Wärmeübergangskoeffizient α. Bei dem kommerziellen

Simulationsprogramm Moldflow wird allerdings die Annahme getroffen, dass ein idealer

Wärmeübergang zwischen Werkzeugwand und Schmelze (bzw. Formteil) stattfindet. Bei der

Berechnung wird daher für α ein sehr hoher Wert von 25000 W/(m2K) festgelegt. Für viele

Anwendungen sind die mit dieser Vereinfachung berechneten Ergebnisse hinreichend genau.

Im Rahmen dieser Arbeit sind allerdings gerade die Temperaturen in der Grenzschicht

zwischen Formteil und Werkzeug von Interesse, weshalb diese Annahme sich entscheidend

auf die Ergebnisse auswirkt. Arbeiten von [Kle98, Blu96, Web00] ermittelten zudem deutlich

niedrigere Werte für α und zwar im Bereich von 200-10000 W/(m2K). Aufgrund der in der

Literatur stark abweichenden Werte für den Wärmeübergangskoeffizienten soll im Kapitel

3.2.5 experimentell der Koeffizient ermittelt und der gewonnene Wert bei den

Simulationsrechnungen berücksichtigt werden.

Weitere für die Temperaturberechnung relevante Stoffwerte sind das spezifische Volumen,

die Wärmeleitfähigkeit und die spezifische Wärmekapazität. Die teilweise Temperatur- und

Druckabhängigkeit dieser Werte wird bei vielen kommerziellen Simulationsprogrammen

(z. B. Moldflow) nicht berücksichtigt. Die Stoffwerte gehen als Konstante in die Berechnung

ein. Da aber gerade beim Spritzgießen drastische Temperatur- und Druckunterschiede

auftreten, soll im Kapitel 3.2 zunächst untersucht werden, wie sich die Stoffwerte aufgrund

der wechselnden Druck- und Temperaturverhältnisse ändern. Die Abhängigkeit der

Stoffwerte soll daraufhin in den Berechnungsprogrammen implementiert werden.

An der Fließfront wird davon ausgegangen, dass an dieser Stelle kein Wärmeaustausch mit

der Umgebung stattfindet. Diese Annahme wird damit begründet, dass die Wärmeleitfähigkeit

und die Wärmekapazität von der Luft im Vergleich zu der von Polymeren gering ist.

0=∂∂

nT , für frontx Γ∈ (2.11)

Die Zulässigkeit dieser Annahme und deren Einfluss auf die Temperaturberechnung in der

Grenzschicht wird im Kapitel 3.3.1 näher betrachtet.

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2.4 Analysemethoden

2.4.1 Differential Scanning Calorimetrie (DSC)

Die DSC-Messung ist ein Thermoanalyseverfahren, mit dem physikalische und chemische

Eigenschaften eines Polymers als Funktion der Zeit oder der Temperatur gemessen werden

können. Das Grundprinzip des Messverfahrens besteht darin, dass zwei thermisch

voneinander isolierte Probenbehälter einem geregelten Temperaturprogramm unterworfen

werden. In einem der Behälter befindet sich das zu untersuchende Material, in dem anderen

eine Vergleichssubstanz (Referenzprobe), von der die Eigenschaften bekannt sind. Die DSC-

Messung basiert auf der Ermittlung des differenziellen Wärmeflusses zwischen den beiden

Proben. Zwei verschiedene Messprinzipien können dazu genutzt werden. Bei dem

Wärmestromprinzip wird beiden Proben die gleiche Energie zugeführt, und die

Temperaturdifferenz zwischen dem zu untersuchenden Material und der Referenzsubstanz

wird gemessen. Daraus lässt sich der differenzielle Wärmefluss berechnen. Beim

Leistungskompensationsprinzip hingegen wird die Temperaturdifferenz zwischen der Probe

und der Vergleichsprobe zu Null geregelt. Die dazu erforderliche elektrische Energie wird

gemessen und ist identisch mit dem Wärmefluss. Da der Wärmestrom einer übertragenen

Leistung entspricht, wird er in Watt (W) oder Milliwatt (mW) angegeben [Kae96, Sch04.1].

Aus den aufgenommenen Messkurven können verschiedene Informationen über das

untersuchte Material entnommen werden, wie z. B. die Umwandlungswärme bei

Phasenübergängen oder, ob Vernetzungs- bzw. Abbaureaktionen stattfinden (siehe Abb. 2.6).

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Temperatur

Schmelzbereich

Abbau Verarbeitungseinfluss Schmelzewärme

Vernetzung Eigenspannung

Erweichungstemperatur exot

herm

∆H

e

ndot

herm

Abb. 2.6 DSC-Messung einer Polyethylenterephthalatprobe [nach Sch04.2]

Im Zusammenhang mit der in-situ-Oberflächenmodifizierung soll die Differential Scanning

Calometrie zum einen dazu genutzt werden, um für die Simulation der thermischen

Verhältnisse die notwendigen Stoffdaten, speziell die spezifische Wärmekapazität, zu

ermitteln. Zum anderen lassen sich mit diesem Analyseverfahren auch Zerfallsreaktionen, wie

z. B. bei der Radikalbildung, in Abhängigkeit von der Temperatur nachweisen. Ob die

gebildeten Radikale die Polymerstruktur verändern (Vernetzungs- bzw. Abbaureaktionen),

wenn diese Radikalbildner Polymeren zugesetzt werden, lässt sich anhand von

Verschiebungen des Schmelzepeaks beurteilen. Die Betrachtung von Radikalreaktionen ist

bei der Oberflächenmodifizierung von Polyolefinen von Bedeutung. DSC-Untersuchungen

werden daher in dieser Arbeit auch genutzt, um in Vorversuchen Aussagen über die Eignung

der eingesetzten Substanzen für den Modifizierungsprozess von Polypropylen zu treffen.

2.4.2 Druckscherfestigkeitsmessung

Durch die in-situ-Oberflächenmodifizierung können gezielt die Adhäsionseigenschaften der

Formteiloberfläche verändert werden. Dies hat zur Folge, dass sich auch die Haftfestigkeiten

bei einer anschließenden Oberflächenveredelung durch Lackieren, Bedrucken oder Verkleben

der Formteile ändern. Untersuchungen von [Kol02] zeigten bereits, dass sich die Festigkeit

von Klebeverbunden durch die in-situ-Modifizierung signifikant erhöhen lässt. In dieser

Arbeit soll ebenfalls die Festigkeit von Klebungen modifizierter Formteile betrachtet werden.

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Es soll dabei aufgezeigt werden, wie sich durch unterschiedliche Prozessparameter induzierte

Änderungen der thermischen Verhältnisse auf den in-situ-Modifizierungsprozess und somit

auf die Haftfestigkeit auswirken.

Zur Quantifizierung von Verbundfestigkeiten sind eine Reihe von Prüfverfahren entwickelt

worden. Das Grundprinzip ist bei allen Verfahren identisch und zwar wird die Festigkeit

ermittelt, indem eine Kraft F wirkt, die zum mechanischen Versagen des Verbundes führt.

Diese Kraft wird gemessen und ergibt bezogen auf die Klebefläche A die Verbundfestig-

keit σV. Die verschiedenen Messverfahren unterscheiden sich hauptsächlich in der Art und

Weise, wie die Belastung aufgebracht wird. In der Industrie wird am häufigsten der

Zugversuch nach DIN 53286 durchgeführt. Dabei werden die Prüfkörper überlappend

verklebt und anschließend auf Zug belastet. Die Verklebung kann einseitig überlappend (siehe

Abb. 2.7 links) oder beidseitig überlappend (Abb. 2.7 rechts) erfolgen. Die wirkenden Kräfte

führen in der Klebeschicht zu einer Scherbeanspruchung, welche für Klebeverbindungen die

günstigste und daher anzustrebende Beanspruchungsart darstellt. Das Prüfverfahren ist bei

einer einseitiger Überlappung der Proben allerdings nur bei steifen Materialien oder bei

Prüfkörpern mit einer ausreichenden Dicke geeignet, da es sonst wegen der außermittigen

Krafteinleitung zum Auftreten eines Biegemomentes kommen kann. Diese eingebrachte

Biegebeanspruchung wirkt sich negativ aus, da sich aufgrund der ungünstigen

Spannungsverteilung eine zusätzliche Schälbeanspruchung ergibt. Die beidseitig

überlappende Verklebung hat den Nachteil, dass die Proben beidseitig modifiziert werden

müssen, wodurch sich die Streuung der Messwerte durch zufällige Fehler bei der

Applizierung des Modifikators erhöhen würde. Weitere mögliche Prüfverfahren und deren

Vor- und Nachteile werden z. B. in [Hab97] näher beschrieben.

F F

FF

M M

Abb. 2.7 Schematische Darstellung einer einseitig überlappenden (l.) und einer beidseitig überlappenden

Verklebung (r.)

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1 Fixierter Probekörper 2 Niederhalter 3 Halterung 4 Klebefuge 5 Stempel 6 Seitliche Führung

Für die in dieser Arbeit untersuchten Formteile ist als geeignetes Prüfverfahren zur Messung

der Verbundfestigkeit die Druckscherfestigkeitsprüfung gewählt worden. Das Grundprinzip

dieses Verfahrens besteht darin, dass eine Hälfte der Klebeverbindung fixiert und die andere

Seite mittels eines Stempels abgeschert wird (siehe Abb. 2.8 links). Damit sich nicht wie bei

der Zugprüfung ein Biegemoment einstellen kann, wird durch den Versuchsaufbau (siehe

Abb. 2.8 rechts) die nicht fixierte Prüfkörperseite in der Bewegungsrichtung eingeschränkt.

Bewegt sich der in Abb. 2.8 rechts dargestellte Stempel (5) nach unten, wird die nicht fixierte

Probenseite der Verklebung abgeschert und kann sich aufgrund der Geometrie der

Prüfvorrichtung nur nach unten und nicht zur Seite bewegen. Die in Abb. 2.8 dargestellte

Prüfvorrichtung ist in Anlehnung an die ISO 15509 von [Kol02] entworfen und an der

Technischen Universität Chemnitz gebaut worden.

Abb. 2.8 Darstellung des Prüfprinzips der Druckscherfestigkeitsmessung (l.) und der entsprechenden

Prüfvorrichtung (r.)

2.4.3 Statische Randwinkelmessung

Bei der praktischen Anwendung des in-situ-Modifizierungsverfahrens ist vor allem das im

vorhergehenden Abschnitt behandelte Druckscherprüfverfahren von Bedeutung. Es ist ein

geeignetes Verfahren zum Nachweis, wie durch die Modifizierung die Haftfestigkeit

beeinflusst wird. Um weitergehende Aussagen über die bei der Oberflächenmodifizierung

ablaufenden Mechanismen zu erhalten, können Randwinkeluntersuchungen durchgeführt

werden. Dabei handelt es sich um ein zerstörungsfreies Prüfverfahren, das eingesetzt wird,

um Angaben über die Oberflächenenergie, die Polarität und damit über die Benetzungsfähig-

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keit des untersuchten Materials zu erhalten. Die ermittelten Werte können Aufschluss geben,

wodurch die bei der Druckscherprüfung gemessen Unterschiede der Haftfestigkeiten zustande

kommen. So lässt sich bei der Modifizierung von Polycarbonatoberflächen mit Hilfe der

Randwinkelmessung abschätzen, wie hoch der Anteil der Kopplungsstellen zwischen

Modifikator und Formteiloberfläche ist. Dies ist möglich, da bei der im Kapitel 2.2 in

Abb. 2.3 dargestellten Modifizierungsreaktion die im Modifikator enthaltenen polaren

Aminogruppen (-NH2) bei der Ankopplung an das Polycarbonat in weniger polare

Amidgruppen (-CO-HN-) umgewandelt werden. Dies ermöglicht, dass bei gleich bleibender

Modifikatorkonzentration Änderungen der Oberflächenenergie bzw. des polaren Anteiles im

Zusammenhang mit der Ankopplungsreaktion betrachtet werden können.

Die Messung des Randwinkels läuft im Einzelnen folgendermaßen ab. Zunächst werden

Flüssigkeitstropfen, mit definierten Volumina, deren Oberflächenenergien und Polaritäten

bekannt sind, auf die zu untersuchende Substratoberfläche appliziert. Der Winkel einer an

diesen Flüssigkeitstropfen angelegten Tangente mit der Oberfläche des Substrates wird als

Randwinkel, Kontakt- oder auch Benetzungswinkel bezeichnet (siehe Abb. 2.9 links). Die

Benetzung ist umso besser, je kleiner der Winkel ist (Abb. 2.9 rechts). Bei videogestützten

Kontaktwinkelmessgeräten wird die Tropfenform zunächst über ein Okular aufgenommen.

Anschließend wird mit Hilfe einer entsprechenden Software die Tangente angelegt und der

Randwinkel berechnet. Werden verschiedene Flüssigkeiten appliziert und vermessen, können

daraus die Oberflächenenergie sowie deren polarer und disperser Anteil berechnet werden. In

der Literatur [z. B. Hab97, Jan98, Kru80, Pot04] werden eine Reihe von Auswertverfahren

beschrieben, die auf verschiedenen Berechnungsmethoden basieren (z. B. geometrisches oder

harmonisches Mittel), die hier allerdings nicht näher erläutert werden sollen.

Problematisch bei der statischen Messung des Randwinkels ist, dass sich mit der Zeit

Konzentrationsänderungen im Flüssigkeitstropfen aufgrund von Lösungseffekten einstellen

können. Auch eine Flüssigkeitsaufnahme des Feststoffes kann eine Änderung der

Konzentration bewirken. Diese Effekte können binnen Sekunden eintreten und das

Messergebnis beeinflussen. Die Messung sollte daher unmittelbar nach dem Aufsetzen des

Tropfens und mit äußerster Sorgfalt erfolgen, um reproduzierbare Ergebnisse zu erhalten.

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θ

fester Körper

Flüssigkeit

Θ=180° keine BenetzungOberflächenenergie der Flüssigkeit deutlichhöher als die des Feststoffes

0°<Θ<180° ungenügende Benetzung

0°<Θ<90° ungenügende Benetzung

Θ nahezu 0° vollständige BenetzungOberflächenenergie des Feststoffes deutlichhöher als die der Flüssigkeit

180°-θ

180°-θ

Abb. 2.9 Randwinkel zwischen festem Körper und Flüssigkeit (l.) und verschiedene Benetzungszustände (r.)

[nach Her05]

2.4.4 Röntgenphotoelektronenspektroskopie (XPS)

Zur physikalischen Analyse der chemischen Zusammensetzung von Festkörpern bzw. von

Festkörperoberflächen stehen verschiedene Messverfahren zur Verfügung. Ziel des Einsatzes

der nachfolgend beschriebenen Methoden ist es nachzuweisen, dass die Modifikatorketten mit

der Formteiloberfläche verbunden sind. Bei der Auswahl eines geeigneten Verfahrens ist die

Eindringtiefe der Messmethode von zentraler Bedeutung. Bei der in-situ-

Oberflächenmodifizierung wird angenommen, dass lediglich in den äußeren Atomlagen

Ankopplungen von Modifikatorgruppen und damit einhergehende Veränderungen der

chemischen Strukturen stattfinden. In Abb. 2.10 sind schematisch die Informationstiefen

zweier häufig eingesetzter Analyseverfahren dargestellt. Die Dreiecke symbolisieren die

wahrscheinliche Lage des durch das in-situ-Verfahren eingebrachten Modifikators.

ATR ist das Akronym für „attenuated total reflection“, das sich mit abgeschwächter

Totalreflexion übersetzen lässt. Das Grundprinzip dieses Messverfahrens basiert auf der

Analyse der von elektromagnetischer Strahlung (im Infrarotbereich) angeregten molekularen

Schwingungsübergängen. Das heißt, wenn eine Probe mit Infrarotlicht bestrahlt wird, kommt

es zu einer Änderung des Dipolmoments, wodurch die entsprechende eingestrahlte

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Wellenlänge im Spektrum fehlt. Die Informationstiefe des IR-Strahls ist von der Wellenlänge

sowie von dem Brechungsindex der Probe und des ATR-Kristalls abhängig und liegt im

Bereich von 440 bis 2500 nm [Kae96, Hir00, Nit95].

In ATR-Voruntersuchungen an modifizierten Proben konnte allerdings kein Hinweis auf eine

Veränderung der chemischen Struktur gefunden werden. Dies bestätigt, dass die

Modifikatorgruppen nur in den äußeren Atomlagen der Oberfläche vorzufinden sind. Das

ATR-Verfahren kann offensichtlich aufgrund seiner hohen Eindringtiefe zur Lokalisierung

des Modifikators an der Formteiloberfläche nicht genutzt werden.

XPS ATR

10 nm

1 nm

440 nm

2500 nm= funktionelle Modifikatorgruppen

Abb. 2.10 Schematische Darstellung der Informationstiefen (gestrichelte Pfeile) des XPS- und des ATR –

Verfahrens (Längenverhältnisse nicht realistisch) [nach Hir00]

Zur Charakterisierung der obersten Atomlagen ist das Verfahren der Röntgenphotoelektro-

nenspektroskopie (XPS) deutlich besser geeignet (Abb. 2.10) [Hir00, Bro89]. Die maximale

Informationstiefe, die vom Matrixwerkstoff und dem Elektronenaustrittswinkel abhängig ist,

liegt zwischen 1 bis 10 nm. Das Grundprinzip des Verfahrens besteht darin, dass die zu

untersuchende Oberfläche mit Röntgenlicht beleuchtet wird und es zu Wechselwirkungen der

energiereichen Strahlung mit den Elektronen der Atome an der Oberfläche kommt. Durch die

Bestrahlung mit einem Röntgenphoton mit bekannter Energie, können in kernnahen Schalen

Elektronen aus den Oberflächenatomen abgelöst werden, was auch unter dem Begriff

Photoeffekt bekannt ist. Durch die Ablösung des Elektrons entsteht ein Loch, welches durch

ein Elektron aus einer energetisch höher liegenden Schale ausgeglichen wird. Dabei wird

Energie frei, die entweder in der für jedes Element charakteristischen Wellenlänge als

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Röntgenstrahlung emittiert wird (Röntgenfloureszensanalyse), oder die Energie wird

strahlungslos übertragen, indem ein weiteres Elektron aus einer höheren Schale emittiert wird,

das dann die verbleibende Energie als kinetische Energie aufnimmt (Auger-Effekt). Beide

Prozesse können gleichzeitig oder in Konkurrenz zueinander auftreten. Allerdings neigen

Elemente mit niedriger Ordnungszahl verstärkt zur „Auger-Elektronenemission“ und

Elemente mit höheren Ordnungszahlen zur Emittierung von Röntgenstrahlung. Die abgelösten

Photoelektronen werden in einem Elektronenspektrometer mit hoher Energieauflösung

detektiert. Anschließend können aus den unterschiedlichen kinetischen Energien der

Photoelektronen Informationen über die auf der Oberfläche befindlichen Elemente und deren

Bindungszustand gewonnen werden. Der chemische Bindungszustand ist anhand der Energie

kernnaher Elektronen messbar und wird als chemische Verschiebung bezeichnet. Dieser

Effekt wird hervorgerufen durch unterschiedliche Elektronegativitäten der Bindungspartner,

die einen Ladungstransfer hin (oder weg) zum Bindungspartner erzeugen mit der Folge, dass

sich die Elektronendichte ändert. Dies führt zu einer geringen Änderung der Bindungsenergie

der Photoelektronen und kann mit der Aufnahme eines hoch aufgelösten Spektrums

nachgewiesen werden.

Das XPS-Messverfahren wird in dieser Arbeit genutzt, um die an modifizierten

Formteiloberflächen angekoppelten Modifikatorketten nachzuweisen.

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23

3 Simulation der thermischen Verhältnisse bei der Oberflächen-

modifizierung von Polycarbonat

3.1 Versuchsplanung

Zur Berechnung der thermischen Situation während des Spritzgießprozesses sind die

kommerziellen Softwareprogramme Moldflow (Version 4.1) und Fidap (Version 8.7.2)

ausgewählt worden. Mit dem Programm Moldflow wurden 3D-Spritzgießsimulationen zur

Berechnung der Temperaturen an Formteiloberflächen durchgeführt. Ein Vorteil dieses

Programms ist die integrierte Materialdatenbank, in der die für eine Simulation notwendigen

Kennwerte für viele Materialien hinterlegt sind. Eine Einschränkung hinsichtlich der

Temperaturberechnung bei Moldflow ist, dass einige dieser Stoffwerte wie z. B. die

Wärmeleitfähigkeit oder die spezifische Wärmekapazität nicht als Funktion in Abhängigkeit

von der Temperatur implementiert werden können. Allerdings besteht die Möglichkeit, in frei

wählbaren Temperaturschritten die entsprechenden Werte einzugeben, was bei geringen

Schrittweiten eine gute Annäherung darstellt. Die Vernetzung der 3D-CAD-Modelle erfolgte

mit Tetraederelementen, wobei die Anzahl der Schichten, die über den Kavitätsquerschnitt

generiert werden können, bei Moldflow begrenzt ist. Um ein feineres Netz in Dickenrichtung

der Kavität erstellen und somit die Situation an der Fließfront besser auflösen zu können, sind

zusätzlich Berechnungen mit dem Programm Fidap durchgeführt worden. Die

Netzgenerierung erfolgte hierbei mit Rechteckelementen. Um den Rechenaufwand aufgrund

der hohen Netzdichte in einem vertretbaren Rahmen zu halten, ist eine zweidimensionale

Betrachtung der Fließfrontsituation sinnvoll. Die Kavität wird dabei als halbunendlicher

Körper betrachtet, wodurch der Einfluss der Ränder in Breitenrichtung vernachlässigt wird.

Die für die Simulation genutzten Geometrien sind in Abb. 3.1 dargestellt. Die Anspritzpunkte

sind an den bereits vernetzten Modellen durch Pfeile markiert. Die Untersuchungen zum

Einfluss der Prozessparameter auf das Temperaturregime wurden an einer Stapelbox

durchgeführt, da die Formteilgeometrie ausreichend breit ist, und Einflüsse beim

Abkühlprozess durch die Kavitätsränder (wie z. B. beim Zugstab) ausgeschlossen werden

können. Die Tab. 3.1 zeigt, in welchem Bereich die Parameter variiert worden sind, wobei die

Standardparameter durch Fettdruck markiert sind. Die Erkenntnisse aus den Berechnungser-

gebnissen konnten als Basis für die im Kapitel 5 beschriebenen Spritzgießversuche genutzt

werden.

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24

Im Kapitel 4 wird die experimentelle Ermittlung der Oberflächentemperatur in einem

Zugstabwerkzeug beschrieben. Um die ermittelten Temperaturen mit den Ergebnissen der

Simulation vergleichen zu können, sind ebenfalls Temperaturberechnungen an dem in

Abb. 3.1 (rechts) dargestellten Zugstab durchgeführt worden.

Abb. 3.1 Stapelbox- (l.) und Zugstabmodell (r.) mit markierter Lage des Anspritzpunktes Tab. 3.1 Prozessparameter

Berechnungsmodell: Stapelbox

Simulationsprogramm: Moldflow (Version 4.1)

Material: PC Makrolon® 2805 (Bayer MaterialScience)

Variierte Prozessparameter Wert

Massetemperatur [°C]: 260, 280, 300, 320

Werkzeugtemperatur [°C]: 60, 70, 80, 90, 100

Nachdruck [bar]: 400, 600, 800, 1000

Einspritzgeschwindigkeit [mm/s] 160, 360, 560

Die in die Simulationsrechnungen eingehenden Stoffwerte spielen für die Genauigkeit der

Berechnungsergebnisse eine wichtige Rolle. Daher werden die für die Temperaturberechnung

relevanten Werte im folgenden Kapitel näher betrachtet.

Anspritzpunkt Anspritzpunkt

Berechnungsmodell: Stapelbox Formteildicke: 2 mm Netz: 63172 Tetraederelemente

Berechnungsmodell: Zugstab Formteildicke: 4 mm Netz: 52885 Tetraederelemente

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25

3.2 Stoffwerte

3.2.1 Einfluss der Stoffwerte

Um möglichst genaue Berechnungsergebnisse bei den Simulationen mit den in dieser Arbeit

genutzten kommerziellen Programmen Moldflow und Fidap zu erhalten, ist es zuvor

notwendig, die bei den Berechnungen getroffenen Annahmen sowie die in die

Simulationsrechnung eingehenden Materialkennwerte näher zu betrachten. Gegenstand der

nachfolgenden Kapitel ist daher zunächst die Bestimmung der für die Temperaturberechnung

relevanten Stoffwerte, möglichst in Abhängigkeit von den beim Spritzgießen typischen

Umgebungsbedingungen, und deren anschließende Implementierung in die Berechnungspro-

gramme.

Wie bereits im Kapitel 2.3.3 „Grundlagen der Temperaturfeldberechnung“ beschrieben, sind

für die Berechnung des Temperaturfeldes vor allem das spezifische Volumen υ, die

Wärmeleitfähigkeit λ, die spezifische Wärmekapazität cp sowie der Kontaktwärmeübergangs-

koeffizient α von Bedeutung. Bis auf das spezifische Volumen gehen alle Stoffwerte bei den

meisten Simulationsprogrammen als Konstante in die Berechnung ein. In den folgenden

Kapiteln soll daher zunächst die Temperatur- und gegebenenfalls die Druckabhängigkeit der

Kennwerte näher betrachtet werden. Inwieweit sich die Annahme von konstanten Stoffwerten

auf das Berechnungsergebnis auswirkt, soll anschließend anhand von

Moldflow-Beispielrechnungen aufgezeigt werden.

3.2.2 Spezifisches Volumen

Das spezifische Volumen ist als der Kehrwert der Dichte definiert. Die Messwertermittlung

erfolgt in so genannten pvT-Geräten. Bei der Messung werden die Temperatur T sowie der

Druck p variiert, und die Volumenänderung der Probe wird gemessen. Es ist möglich, Drücke

von bis zu 2000 bar und Temperaturen von über 400 °C zu realisieren [NN00].

Abb. 3.2 zeigt die pvT-Daten des für die Simulation ausgewählten Polycarbonats (Makrolon®

2805). Die Werte sind der Moldflowdatenbank entnommen und zeigen die Temperaturabhän-

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gigkeit des spezifischen Volumens bei verschiedenen Drücken. Die Stoffwerte im

Übergangsbereich und im Glaszustand sind außerdem von der bei der Messung eingestellten

Abkühlgeschwindigkeit abhängig. So verschiebt sich das spezifische Volumen bei einer

schnellen Abkühlung (in Abb. 3.2 rot dargestellt) zu höheren Werten. Die Einfriertemperatur

ist dann ebenfalls höher. Darin liegt auch die Einschränkung der derzeit eingesetzten

Messgeräte. Es lassen sich zwar die Geschwindigkeiten variieren, allerdings können die

hohen Abkühlgeschwindigkeiten (bis 3 K/ms), die beim Spritzgießen auftreten, nicht realisiert

werden.

0 50 100 150 200 250 300

0,80

0,82

0,84

0,86

0,88

0,90

0,92

0,94

0,96

langsamere Abkühlungschnelle Abkühlung

Übergangs- bereich

Glas-zustand

Schmelzezustand

1 bar 1000 bar 2000 bar

spez

ifisc

hes

Vol

umen

[cm

3 /g]

Temperatur [°C] Abb. 3.2 pvT-Daten für Polycarbonat (Makrolon® 2805) aus Moldflow Datenbank

Die Berechnung des spezifischen Volumens ),( pTυ bei bekannten Temperatur- und

Druckverhältnissen ist nach folgender Tait-Gleichung [Mon01] möglich:

),()))(

1ln(1()(),( 0 pTTBpCTpT tυυυ ++⋅−⋅= (3.1)

mit

)()( 5210 bTbbT ii −⋅+=υ (3.2)

und

))(exp()( 543 bTbbTB ii −⋅−⋅= (3.3)

Im Schmelzebereich wird in Gleichung 3.2 i=m (für melt) gesetzt und im Glaszustand ist i=s

(für solid).

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Für amorphe Materialien ist:

0),( =pTtυ (3.4)

und für teilkristalline Materialien ergibt sich:

))()(exp((),( 8576 pbbTbbpTt ⋅−−⋅⋅=υ (3.5)

Dabei ist 0υ das spezifische Volumen bei Umgebungsdruck, T die Temperatur und p der

Druck. Die Konstante C hat den Wert C=0,0894. Weiterhin sind b1i…b4i Koeffizienten für

den Schmelze- bzw. Feststoffbereich. Die Koeffizienten b5, b6, b7, b8 werden bei einem

teilkristallinen Material benötigt. Die Druck- und Temperaturabhängigkeit des spezifischen

Volumens wird bei Moldflow berücksichtigt. In der Moldflow-Datenbank sind die

entsprechenden Gleichungen und Koeffizientenwerte für viele Materialien diverser Hersteller

hinterlegt.

3.2.3 Wärmeleitfähigkeit

Die Wärmeleitung ist ein physikalischer Effekt, der die Wärmeübertragung durch ruhende

Materie beschreibt und im Allgemeinen im Inneren oder an sich direkt berührenden

Oberflächen stattfindet. Die Wärmeleitfähigkeit beschreibt die Geschwindigkeit, mit der beim

Erwärmen eines Stoffes die Wärmeenergie von einem Teilchen auf das Nächste

weitergegeben wird. Der Übertragungsmechanismus beruht dabei auf der Weiterleitung von

Schwingungsenergien durch Zusammenstöße benachbarter Moleküle.

Abb. 3.3 zeigt die Wärmeleitfähigkeit von Polycarbonat in Abhängigkeit von der Temperatur.

Mit fortschreitender Abkühlung nimmt die Wärmeleitfähigkeit immer weiter ab. Dies ist

darauf zurückzuführen, dass beim Abkühlen die Molekülbeweglichkeit immer weiter

eingeschränkt wird. Daher ist auch im Übergangsbereich, bei der Erstarrung der Schmelze,

die Abnahme der Leitfähigkeit am größten.

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Ein Temperaturabfall im Schmelzebereich um 100 °C bewirkt eine Abnahme der

Wärmeleitfähigkeit um 13 %. Wird der gesamte Abkühlverlauf betrachtet, fällt der Wert um

über 40 % ab.

50 100 150 200 250 3000,14

0,15

0,16

0,17

0,18

0,19

0,20

0,21

0,22 0 bar

Wär

mel

eitfä

higk

eit [

W/m

K]

Temperatur [°C] Abb. 3.3 Wärmeleitfähigkeit von Polycarbonat in Abhängigkeit von der Temperatur bei Umgebungsdruck

Die Wärmeleitfähigkeit geht in den meisten Simulationsprogrammen als Konstante ein. Es sei

an dieser Stelle erwähnt, dass es sich dabei nicht um einen arithmetisch gemittelten Stoffwert

handelt. Dies wäre nicht sinnvoll, da beim Spritzgießprozess der hohe Temperaturbereich

(Schmelzebereich) deutlich länger vorhanden ist, vor allem im Inneren des Formteils. Daher

wird bei den Berechnungsprogrammen meist ein Wert aus dem Schmelzebereich als

Wärmeleitfähigkeitskonstante festgelegt.

Die Temperaturabhängigkeit der Wärmeleitfähigkeit lässt sich sowohl in Moldflow als auch

in Fidap integrieren. In Moldflow werden dazu in selbstwählbaren Temperaturstufen die

entsprechenden Werte zugeordnet. Bei Fidap kann die Abhängigkeit von der Temperatur über

eine Funktion beschrieben werden. Wie sich das Ergebnis einer Temperaturberechnung mit

konstanter Wärmeleitfähigkeit von dem mit einer berücksichtigten Temperaturabhängigkeit

unterscheidet, zeigt die Abb. 3.4. Es sind die Temperaturen an der Oberfläche eines Formteils

dargestellt. Die Abweichung der Temperaturverläufe beträgt maximal 4°C. Dieser geringe

Unterschied der Verläufe ist darin begründet, dass Kunststoffe im Vergleich zum Stahl eine

um einen Faktor von rund 200 geringere Wärmeleitfähigkeit besitzen und somit die

Abkühlung durch das Werkzeug in hohem Maße die Oberflächentemperatur des Formteils

Schmelzebereich

Übergangs- bereich

Feststoffbereich

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bestimmt. Simulationsrechnungen mit konstanten Wärmeleitfähigkeitswerten liefern somit für

die normale Praxis hinreichend genaue Berechnungskurven für die Temperaturen an der

Formteiloberfläche. Allerdings soll für die vorliegende Problematik bei den Berechnungen in

dieser Arbeit die Temperaturabhängigkeit mit berücksichtigt werden.

0 5 10 15 20 25 30 35

100

150

200

250

300 konstante Wärmeleitfähigkeit temperaturabhängige Wärmeleitfähigkeit

Tem

pera

tur [

°C]

Zeit [s]

Abb. 3.4 Berechnete Oberflächentemperaturen mit und ohne Berücksichtigung der Temperaturabhängigkeit der

Wärmeleitfähigkeit (Material: PC; Massetemperatur: 280 °C; Werkzeugtemperatur: 80 °C)

3.2.4 Spezifische Wärmekapazität

Die spezifische Wärmekapazität c ist eine Materialkonstante, die sich aus dem Quotienten

einer zugeführten Wärmemenge (∆Q) und der daraus resultierenden Temperaturänderung

(∆T) eines Körpers der Masse m ergibt. Die zugeführte Wärmemenge wird nicht

ausschließlich in eine Temperaturerhöhung, sondern auch teilweise in eine Volumenausdeh-

nung des Körpers umgesetzt. Daher wird zwischen der spezifischen Wärmekapazität eines

Stoffes bei konstantem Druck cp und bei konstantem Volumen cv unterschieden.

Die Messung der spezifischen Wärmekapazität cp erfolgt nach der im Kapitel 2.4.1

vorgestellten Methode der Differential Scanning Calorimetry (DSC). In Abb. 3.5 sind zwei

Aufheizkurven für das untersuchte Polycarbonatmaterial Makrolon® 2805 dargestellt. Beim

ersten Aufheizen ist ein leichter endothermer Peak bei einer Temperatur von 70 °C zu

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erkennen, der beim zweiten Heizen nicht mehr vorhanden und somit auf Verarbeitungsein-

flüsse zurückzuführen ist. Der bei beiden Aufheizkurven bei einer Temperatur von 150 °C

auftretende endotherme Peak markiert die Glasübergangstemperatur. Mit steigender

Temperatur erhöht sich sowohl im Feststoff- als auch im Schmelzebereich die

Wärmekapazität. Eine Temperaturerhöhung der Schmelze von 100 °C bewirkt eine Erhöhung

des Stoffwertes um 15 %.

50 100 150 200 250 3001,5

2,0

2,5

3,0

3,5MDSC-Messung von PC(Amplitude +/- 0,5 K, Periode 20 sHeizrate 5K/min)

1. Aufheizen (danach freie Abkühlung)

2. Aufheizen

spez

ifisc

he W

ärm

ekap

azitä

t [J/

(gK

)]

Temperature [°C]

Abb. 3.5 Temperaturabhängigkeit der spezifischen Wärmekapazität von Polycarbonat (IPF Dresden)

Wie die Wärmeleitfähigkeit geht auch die spezifische Wärmekapazität bei vielen

Simulationsprogrammen als Konstante in die Berechnungen ein. Soll hier ebenfalls die

Temperaturabhängigkeit bei der Berechnung mit berücksichtigt werden, kann dies wiederum

durch die Eingabe der Stoffwerte bei verschiedenen Temperaturstufen (Moldflow) oder durch

die Implementierung einer Funktionsgleichung (Fidap) erfolgen. Die Abb. 3.6 zeigt, wie sich

der berechnete Temperaturverlauf an einer Formteiloberfläche durch die Integration der

Temperaturabhängigkeit von cp gegenüber einer Rechnung mit einem konstanten Stoffwert

unterscheidet. Es ergibt sich eine maximale Differenz von rund 8 °C. Für die weiteren

Berechnungen soll daher die Abhängigkeit der Wärmekapazität von der Temperatur mit

berücksichtigt werden.

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0 5 10 15 20 25 30 35

100

150

200

250

300

konstante spezifische Wärmekapazität temperaturabhängige spez. Wärmekapazität

Tem

pera

tur [

°C]

Zeit [s]

Abb. 3.6 Berechnete Oberflächentemperaturen mit und ohne Berücksichtigung der Temperaturabhängigkeit der

spezifischen Wärmekapazität (Material: PC; Massetemperatur: 280 °C; Werkzeugtemperatur: 80 °C)

3.2.5 Kontaktwärmeübergangskoeffizient

Beim Formfüllvorgang wird heiße Kunststoffschmelze in ein deutlich kälteres Werkzeug

eingespritzt. Durch Wärmeleitung wird die Wärme im Werkzeugstahl vom Formteil weg zu

den Kühlkanälen transportiert. Zur vollständigen Betrachtung der Wärmetransportvorgänge

beim Spritzgießen muss der Wärmeübergang vom Kunststoff an das Werkzeug definiert

werden. Die Grenzschicht zwischen Formteil- und Werkzeugoberfläche kann als Kontakt

zwischen zwei festen Körpern betrachtet werden. Dies ist zulässig, da sich die einströmende

Schmelze beim Auftreffen auf die Werkzeugwand stark abkühlt und sofort eine dünne

erstarrte Randschicht ausbildet, die während der Abkühlphase immer dicker wird, bis das

Formteil vollständig erstarrt ist.

Wird zwischen zwei Körpern ein idealer Kontakt vorausgesetzt (kein Kontaktwiderstand), gilt

in der Grenzschicht für den stationären Fall die folgende Formel:

)()( 22

11 n

TnT

∂∂

⋅=∂∂

⋅ λλ und 21 TT = (3.6)

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Dabei sind 1λ und 2λ die Wärmeleitfähigkeiten der Körper 1 und 2 und nT ∂∂ / ist die

jeweilige Ableitung der Temperatur in Richtung der Flächennormalen [Bae94]. Diese Formel

gilt nur, wenn die Körper wirklich idealen Kontakt haben, also fest miteinander verbunden

sind. Dies ist beim Spritzgießen in der Grenzschicht zwischen Kunststoff und Werkzeug nicht

der Fall, es tritt ein Kontaktwiderstand auf. Der Wärmeübergang zwischen den beiden

Materialien kann durch den Kontaktwärmeübergangskoeffizienten α beschrieben werden. Es

ergibt sich in der Grenzschicht die Formel:

)()( 211

1 TTnT

−⋅=∂∂

⋅− αλ (3.7)

Der beim Spritzgießen zwischen Formteil und Werkzeug vorhandene Kontaktwiderstand

kann zum einen auf das Materialverhalten der Kunststoffe und zum anderen auf die

Oberflächenrauheit der Werkzeugwand zurückgeführt werden. Aufgrund von Unebenheiten

der Werkzeugoberfläche kann es partiell zu Lufteinschlüssen zwischen der erstarrten

Schmelze und der Werkzeugoberfläche (Abb. 3.7 links) kommen. Wie gut die Vertiefungen

durch das Schmelzematerial ausgefüllt werden können, hängt dabei von der Viskosität des

Materials und von der Höhe des wirkenden Druckes ab [Thr99]. Durch den Kontaktwärme-

übergangskoeffizienten α wird der durch die Isolierwirkung der Luft verschlechterte

Wärmeübergang mit berücksichtigt. Für einen perfekten Kontakt gilt α ∞. Beim

Wärmetransport in der Grenzschicht zwischen zwei Körpern entsteht durch den Widerstand

ein Temperatursprung, wie er in Abb. 3.7 rechts dargestellt ist.

Schmelze

Werkzeug

LufteinschlüsseKörper 1 Körper 2

Grenzschicht

Idealer KontaktT1

T2

T

x

Abb. 3.7 Schematische Darstellung des durch Lufteinschlüsse bedingten Kontaktwiderstandes (l.) [nach Thr99]

und des daraus resultierenden Temperatursprunges in der Grenzschicht (r.) [nach Yu90]

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Erste Messungen zur Ermittlung des Kontaktwärmeübergangskoeffizienten wurden zunächst

unter stationären Bedingungen an einem Extrusionswerkzeug z. B. von [Hab81 und Sch85]

durchgeführt. Dabei sind die Temperaturen der Schmelze und des Werkzeuges gemessen

worden. Der Wärmeübergangskoeffizient ist anschließend iterativ bei der Berechnung der

Abkühlverhältnisse bestimmt worden. Das heißt, der Koeffizient wurde solange variiert, bis

die gemessenen mit den berechneten Temperaturen übereinstimmten.

Experimente zur Ermittlung des Wärmeübergangskoeffizienten während der Nachdruckphase

beim Spritzgießen sind z. B. von [Blu96] durchgeführt worden. Es zeigte sich, dass die

höchsten Werte (ca. 3000 W/(m2K)) zu Beginn der Nachdruckphase vorhanden waren. Der

Koeffizient sank im weiteren Abkühlverlauf rasch auf 1500 bis 1000 W/(m2K) ab. War der

Werkzeuginnendruck bis auf nahezu Umgebungsdruck abgefallen, ergaben sich Werte von

rund 500 W/(m2K). Dieses Verhalten wurde auf die hohen Drücke am Anfang der

Nachdruckphase und dem dadurch verbesserten Kontakt zwischen Formteil und Werkzeug

zurückgeführt. Der Wärmeübergangskoeffizient wäre somit nicht konstant, sondern vom

wirkenden Nachdruck abhängig.

Der Standardwert für den Wärmeübergangskoeffizienten bei dem Simulationsprogramm

Moldflow ist 25000 W/(m2K) und geht als Konstante in die Berechnung ein. Dieser hohe

Wert wird damit begründet, dass der Wärmeübergang beim Spritzgießen aufgrund der hohen

Drücke nahezu ideal sei und somit keine Relevanz für die Berechnung hat.

Ob der Einfluss des Wärmeübergangskoeffizienten auf die Berechnung unberücksichtigt

bleiben kann, lässt sich mit Hilfe der Biot-Zahl nach folgender Formel abschätzen:

λ

α2d

Bi⋅

= (3.8)

Um den Wärmeübergangskoeffizienten vernachlässigen zu können, muss die Biot-Zahl (Bi)

möglichst große Werte annehmen. Dies bedeutet, dass der Kontaktwiderstand in der

Grenzfläche klein im Vergleich zum Wärmeleitwiderstand ist [Blu96]. Als Grenze wird von

[Kal90] Bi>100 angegeben. Dies trifft für den von Moldflow angenommenen Standardwert zu

(Bi=125 bei α=25000 W/(m2K)). Die von [Blu96] ermittelten Werte hingegen liegen

zwischen Bi=2,5 (α=500 W/(m2K)) und Bi=15 (α=3000 W/(m2K)), was der Annahme, dass

der Wärmeübergangskoeffizient vernachlässigt werden kann, widerspricht.

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Wie stark die Ergebnisse einer Temperaturberechnung bei unterschiedlich angenommenem α

abweichen können, verdeutlicht Abb. 3.8. Es sind die berechneten Temperatur-Zeit-Verläufe

für α=25000 W/(m2K) (Standardwert bei Moldflow), α=3000 W/(m2K) (Maximalwert der

Messungen von [Blu96]) und α=500 W/(m2K) dargestellt. Die Ergebnisse der dargestellten

Formteiloberflächentemperaturen weichen bis zu über 100 °C voneinander ab. Dies

verdeutlicht, wie wichtig die Kenntnis des Wärmeübergangskoeffizienten für die Berechnung

ist.

-5 0 5 10 15 20 25 30 35 406080

100120140160180200220240260280300320

α=25000 W/(m2K) α=3000 W/(m2K) α=500 W/(m2K)

Tem

pera

tur [

°C]

Zeit [s]

Abb. 3.8 Mit verschiedenen Wärmeübergangskoeffizienten berechnete Formteiloberflächentemperaturen

Zur Messung des Kontaktwärmeübergangskoeffizienten während des Spritzgießens ist es

nötig, den Temperaturverlauf an der Formteil- und an der Werkzeugoberfläche zu bestimmen.

Ebenso muss die Wärmestromdichte q& ermittelt werden. Der Wärmeübergangskoeffizient

ergibt sich dann als Quotient des Wärmestroms und der gemessenen Temperaturdifferenz.

Im Rahmen dieser Arbeit ist für die experimentelle Ermittlung des Wärmeübergangskoeffi-

zienten beim Spritzgießen an der Technischen Universität Chemnitz ein Werkzeugeinsatz mit

entsprechender Messtechnik konstruiert und gefertigt worden. Die Anordnung der

Messsensoren zeigt schematisch die Abb. 3.9. Die Messung der Oberflächentemperaturen

erfolgte mit Thermoelementen. Zur Ermittlung des Wärmestromes wurde eine so genannte

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„Wärmeflussmessplatte“ eingesetzt. Diese Platte mit einer Dicke von 0,8 mm besteht aus

einem Mäander vieler gegeneinander geschalteter Thermoelemente, die sich in einem

Trägermaterial (hier PTFE) befinden [Kos03]. Die Messplatte gibt den Wärmestrom über der

Zeit aus, wodurch sich der Wärmeübergangskoeffizient während des Spritzgießens direkt

berechnen und anzeigen lässt. Die Isolierwirkung des 0,8 mm starken Trägermaterials aus

PTFE verzögert zwar die Wärmeabfuhr, was aber aufgrund der relativ langsamen

Ansprechzeiten der Thermoelemente eher als vorteilhaft einzustufen ist. Die prinzipiellen

Verläufe der Messkurven werden durch die Verzögerung nicht beeinflusst. Damit sich in der

Kavität über dem Querschnitt eine symmetrische Temperaturverteilung einstellt, ist auf der

gegenüberliegenden Seite der Messplatte ebenfalls eine Isolierschicht auf der

Werkzeugoberfläche angebracht worden.

Aufgrund der kurzen Einspritzzeiten und der im Vergleich dazu langsamen Ansprechzeiten

der eingesetzten Thermoelemente ist eine Auswertung der Messwerte in der Einspritzphase

nicht sinnvoll. Anhand der Ergebnisse aus Nachdruck- und Restkühlphase können allerdings

Rückschlüsse über das Verhalten des Koeffizienten in der Einspritzphase gezogen werden.

Dies ist möglich, da die Schmelze beim Einspritzen beim Kontakt mit der Werkzeugwand

sofort erstarrt und somit der Unterschied zwischen Einspritz- und Nachdruckphase in der

Grenzschicht vor allem in der Höhe des wirkenden Druckes liegt. Es ist daher zunächst der

Einfluss des wirkenden Druckes auf den Wärmeübergangskoeffizienten untersucht worden.

Wärmeflussmessplatte

IsolierschichtThermoelement an der Formteil-oberflächeThermoelement

an der Messplatten-oberfläche

WerkzeugplatteAngussseite

WerkzeugplatteAuswerferseite

Schmelze

Fließfront

Bahnlinien

Geschwindigkeitsprofil

Abb. 3.9 Schematische Darstellung der Anordnung der Messsensoren

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Mit dem gefertigten Werkzeugeinsatz sind die Wärmeübergangskoeffizienten eines

Polycarbonats (Makrolon® 2805) und eines Polypropylens (Stamylan) gemessen worden. Da

Polycarbonatformteile im Vergleich zu Formteilen aus Polypropylen beim Entformen deutlich

steifer sind, kann es, nachdem das Material im Werkzeug auf die vorhandenen Messsensoren

aufgeschrumpft ist, zu einem Abreißen des Thermoelementsensors kommen. Die Versuche

zur Ermittlung des Druckeinflusses auf den Wärmeübergangskoeffizienten erfolgten daher

ausschließlich mit Polypropylen, da hier die Gefahr des Abreißens eines Sensors geringer ist.

Die Messergebnisse ergaben, dass der Wärmeübergangskoeffizient während der Nachdruck-

und der Restkühlphase nahezu konstant ist. Die leichten Schwankungen des Koeffizienten

während der Abkühlung sind auf die eingesetzten Temperaturmessfühler zurückzuführen. Ein

über den gesamten Abkühlverlauf gemittelter Wert ergab α=550 W(/m2K). Ein Abfall des

Koeffizienten bei sinkendem Nachdruck, wie es von [Blu96] beobachtet wurde, konnte in

dieser Arbeit nicht festgestellt werden. Der Grund für diesen Unterschied liegt in den

verschieden gewählten Messmitteln und wird ausführlich in [Men05] beschrieben. Der

Nachdruck ist bei den durchgeführten Versuchsreihen im Bereich von 200 bis 800 bar variiert

worden. Es zeigte sich, dass die Höhe des gewählten Druckes ebenfalls keinen Einfluss auf

den Wärmeübergangskoeffizienten hat.

Es ist allerdings ein gewisser Mindestdruck während der Nachdruckphase nötig, um einen

ausreichenden Kontakt zwischen dem Polymer und dem Werkzeug zu gewährleisten. Wird

kein Nachdruck aufgebracht und somit der einsetzenden Schrumpfung nicht entgegengewirkt

(Abb. 3.10), löst sich das Formteil allmählich von der Werkzeugoberfläche ab, und der

Wärmübergangskoeffizient sinkt bis auf α=260 W/(m2K). Ist der Nachdruck ausreichend, um

guten Kontakt zwischen Werkzeugwand und Formteil zu bewirken, ist der Koeffizient, wie

die Abb. 3.10 (rote Kurve) zeigt, konstant. Da beim herkömmlichen Spritzgießprozess sowohl

in der Einspritz- als auch in der Nachdruckphase, aufgrund der wirkenden Drücke, ein

ausreichender Kontakt zwischen Werkzeug und Formteil vorhanden ist, können in die

Simulationsrechnungen die gewonnenen Werte als Konstante, unabhängig von der

Druckhöhe, implementiert werden.

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20 40 60 80 1000

200

400

600

800

1000

TM 190 °C, TW 20 °C (0 bar Nachdruck) TM 190 °C, TW 20 °C (800 bar Nachdruck)

Wär

meü

berg

angs

koef

fizie

nt [W

/(m²K

)]

Zeit [s]

Abb. 3.10 Gemessener Wärmeübergangskoeffizient für Polypropylen

Den Verlauf des gemessenen Wärmeübergangskoeffizienten während der Abkühlphase für

Polycarbonat zeigt Abb. 3.11. Als Mittelwert wurde α=615 W/(m2K) gemessen.

20 40 60 80

0

500

1000

1500

2000

2500

3000 TM=300 °C, TW=80 °C (600 bar Nachdruck)

Wär

meü

berg

angs

koef

fizie

nt α

[W/(m

2 K)]

Zeit [s]

Abb. 3.11 Gemessener Wärmeübergangskoeffizient für Polycarbonat

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3.3 Simulationsergebnisse

3.3.1 Temperatur an der Schmelzefront

Im Kapitel 2.3.3 „Grundlagen für die Temperaturfeldberechnung“ wird bei der Simulation die

Annahme getroffen, dass an der Fließfront kein Wärmeaustausch mit der umgebenden Luft

stattfindet. Dies wird damit begründet, dass sowohl die Wärmeleitung als auch die

Wärmekapazität der Luft im Vergleich zu der des Polymers gering ist. Bei dem in dieser

Arbeit untersuchten Oberflächenmodifizierungsprozess ist die Temperatur in der

Grenzschicht unmittelbar beim Auftreffen der Schmelze auf das Werkzeug von Interesse.

Eine Abkühlung an der Schmelzefront durch die in der Kavität vorhandene Luft vor dem

Kontakt mit der Werkzeugoberfläche würde die sich einstellende Temperatur in der

Grenzfläche beeinflussen. Daher soll die getroffene Annahme der Vernachlässigung des

Wärmeaustausches mit der Luft durch eine Berechnung der Verhältnisse im Fließfrontbereich

mit Hilfe des Simulationsprogramms Fidap überprüft werden. Der Wärmeübergangskoeffi-

zient zwischen Luft und Schmelze von 30 W/(m2K) sowie alle weiteren relevanten Stoffdaten

wurden in eine Beispielrechnung integriert. Das Ergebnis zeigt Abb. 3.12. Die Darstellung ist

eine Momentaufnahme der vorschreitenden Schmelze und gibt die Temperaturen in der

Symmetrieebene der Kavität wieder. Die dargestellte schematische Zeichnung der

Schmelzefront dient zur Orientierung, um die Position (x-Richtung) der angegebenen

Temperaturwerte innerhalb der Schmelze zu verdeutlichen. Die Temperatur, in Richtung

Fließfront betrachtet, zeigt zunächst eine leichte Temperaturerhöhung, die in der Dehnung der

Schmelze beim Umlenken in Richtung Werkzeugwand begründet ist. Anschließend fällt die

Temperatur an der Spitze des Schmelzestroms ab. Der maximale Temperaturunterschied

beträgt rund 0,1 °C. Die Abkühlung der Schmelzefront durch die in der Kavität befindliche

Luft ist also sehr gering und die Annahme der Vernachlässigung des Wärmeaustausches mit

der Schmelze ist damit gerechtfertigt.

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39

0,002 0,003 0,004 0,005 0,006 0,007 0,008 0,009 0,010299,8

300,0

300,2

Temperatur

Tem

pera

tur [

°C]

Position in x-Richtung [mm]

Abb. 3.12 Mit Fidap berechnete Temperatur in der Kavitätsmitte (Material: PC; Massetemperatur: 280 °C;

Werkzeugtemperatur: 80 °C)

3.3.2 Temperaturverlauf in der Grenzschicht zwischen Formteil und Werkzeug

Die Grenzschicht zwischen Werkzeugwand und Formteil wird bei der Simulation wie folgt

abgebildet. Die Geometrie des Werkzeuges und der Kavität wird durch ein Netz repräsentiert

(siehe Abb. 3.13). Den zum Werkzeug zählenden Knoten wird bei der Berechnung als

Anfangsbedingung die Werkzeugtemperatur zugewiesen und der einströmenden Schmelze

eine Massetemperatur. Nach der Simulation des Füllvorganges lassen sich die berechneten

Temperaturverläufe an den Knoten ausgeben. Für die Betrachtung des in-situ-

Modifizierungsprozesses ist speziell die Temperatur in der Grenzschicht zwischen Werkzeug

und Kavität von Interesse. Diese Grenzschicht liegt bei der Simulation zwischen den in

Abb. 3.13 zur besseren Unterscheidung blau dargestellten Werkzeugknoten und den gelb

unterlegten Knoten der Kavität. Die Grenze wird umso genauer aufgelöst, umso geringer die

Abstände der Knoten sind, was durch eine Verfeinerung des Netzes (höhere Netzdichte)

erreicht werden kann. Um die „tatsächliche“ Temperatur in der Grenzschicht ermitteln zu

können, müssten die Abstände der Knoten zwischen Werkzeug und Kavität gegen null gehen,

was nur durch eine Approximation der Werte möglich ist.

Schmelze Luft

Wärmeübergangs-koeffizient zur Luft 30 W/(m2K)

Symmetrie-ebene

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40

Da die in-situ-Modifizierungsreaktion an der Formteiloberfläche stattfindet, werden die

Knoten am Rand der Kavität als die für den Ablauf der chemischen Reaktion relevanten

Temperaturen betrachtet.

Knoten Werkzeug

Knoten Kavität

Grenze zw. Kavität und Werkzeug

Abb. 3.13 Schematische Darstellung eines zweidimensionalen Finite-Elemente-Netzes

In Abb. 3.14 sind die mit Fidap berechneten Temperaturen an der Grenze zwischen Formteil

und Werkzeug zu verschiedenen Zeitpunkten dargestellt. Die dargestellten Temperaturverläu-

fe zeigen im Randbereich der Schmelze (bzw. des Formteils) bei den Zeitschritten

0,1 s bis 0,4 s eine leichte Temperaturerhöhung um 3 °C, die durch die Scherung in Randnähe

und der damit verbundenen Wärmedissipation verursacht wird.

Im unmittelbaren Randbereich der Kavität fallen die Temperaturen sehr schnell auf nahezu

Werkzeugtemperatur ab. In etwas Abstand zur Werkzeugwand erfolgt die Abkühlung

dagegen deutlich langsamer. Dies liegt an der im Vergleich zum Stahl viel niedrigeren

Wärmeeindringfähigkeit ( cb ⋅⋅= ρλ ), was vor allem auf die um den Faktor 200 niedrigere

Temperaturleitfähigkeit λ zurückzuführen ist.

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-0,002 -0,001 0,000 0,001 0,00250

100

150

200

250

300

0,012 s 0,100 s 0,134 s 0,400 s 1,885 s 4,885 s 9,885 s

Tem

pera

tur [

°C]

Position in y-Richtung [mm]

Abb. 3.14 Berechnung der Temperaturen an der Grenzschicht zwischen Formteil und Werkzeugwand

(Material: PC; Massetemperatur: 300 °C; Werkzeugtemperatur: 80 °C)

Auch die im Vergleich zur drastischen Abkühlung der Schmelze nur geringe

Temperaturerhöhung des Werkzeuges um 12 °C ist in der wesentlich besseren

Wärmeleitfähigkeit des Stahls begründet. Die Wärme wird sehr schnell von der

Werkzeugwand ins Materialinnere transportiert.

Eine weitere Möglichkeit, Temperaturverläufe darzustellen, zeigt Abb. 3.15. Hier wird der

Temperaturverlauf während der Füllzeit an ausgewählten Netzknoten dargestellt. Dies

ermöglicht eine Betrachtung der Abkühlverhältnisse, z. B. über dem Querschnitt der Kavität.

Aus Abb. 3.15 ist sehr gut ersichtlich, wie sich die Temperatur der Werkzeugoberfläche

(Knoten 1) während des Spritzgießprozesses um einige Grad erhöht. Der Knoten 2 spiegelt

die Abkühlverhältnisse der Formteiloberfläche wieder, dabei wird der drastische

Temperaturabfall der Schmelze unmittelbar nach dem Kontakt mit der Werkzeugwand gut

wieder gegeben. Nach dem die Temperatur am Knoten 2 in kurzer Zeit stark abgenommen

hat, kommt es im weiteren Verlauf zu einer leichten Temperaturerhöhung in der

Nachdruckphase. Es ist anzunehmen, dass diese minimale Erhöhung der Temperatur mit der

Wärmeabgabe aus der Kavitätsmitte (der Schmelzeseele) zusammenhängt.

Kavität Werkzeug

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Der Verlauf der Temperatur am Knoten 4 zeigt in der Füllphase eine leichte Temperaturerhö-

hung gegenüber der eingestellten Massetemperatur, was auf die in der Nähe der Randschicht

wirkenden Scherkräfte und der damit einhergehenden Wärmedissipation zurückzuführen ist.

Je weiter die betrachtete Position der Knoten in der Abb. 3.15 von der Werkzeugwand

entfernt liegt, umso langsamer verläuft der Abkühlprozess. In der Nähe der Kavitätsmitte

(Knoten 7) ist die hohe Massetemperatur über mehrere Sekunden vorhanden.

0 2 4 6 8 10 12

0

50

100

150

200

250

300

350

Knoten 8 (Kavitätsmitte) Knoten 7 (Abstand zum Wandknoten 1,6 mm) Knoten 6 (Abstand zum Wandknoten 1,3 mm) Knoten 5 (Abstand zum Wandknoten 1,0 mm) Knoten 4 (Abstand zum Wandknoten 0,7 mm) Knoten 3 (Abstand zum Wandknoten 0,4 mm) Knoten 2 (Abstand zum Wandknoten 0,1 mm) Knoten 1 (Knoten Werkzeugwand)

Tem

pera

tur [

°C]

Zeit [s]

Abb. 3.15 Temperaturverläufe verschiedener Positionen zwischen Werkzeug und Kavitätsmitte (Material: PC;

Massetemperatur: 300 °C; Werkzeugtemperatur: 80 °C)

Im Zusammenhang mit der Oberflächenmodifizierung sind vor allem die Temperaturverläufe

an der Formteiloberfläche von Interesse (Knoten 2 in Abb. 3.15), da die dort wirkenden

Temperaturen den Ablauf der chemischen Modifizierungsreaktion bestimmen. Daher sind bei

den nachfolgend dargestellten Temperaturverläufen zur Berechnung der Geschwindigkeits-

konstante der chemischen Reaktion die Temperaturwerte an dieser Position zugrunde gelegt

worden.

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43

3.3.3 Einfluss der Prozessparameter auf das Temperaturregime und die

Reaktionsgeschwindigkeitskonstante bei der Oberflächenmodifizierung

Entscheidend für die sich beim Spritzgießen einstellenden thermodynamischen Verhältnisse

sind vor allem die eingestellten Prozessparameter wie Masse- und Werkzeugtemperatur. In

diesem Kapitel soll dargestellt werden, inwieweit diese Parameter den Temperaturverlauf an

der Formteiloberfläche beeinflussen. Es sind die Prozessparameter in dem für das

Spritzgießen von Polycarbonat typischen Bereich variiert worden (siehe Tab. 3.1 aus

Kapitel 3.1). Die Temperaturverläufe an der Formteiloberfläche wurden mit Moldflow

berechnet.

Zum Abschätzen, wie sich die berechneten Temperaturen auf die chemische Reaktion bei der

Oberflächenmodifizierung auswirken, wurden auf der Grundlage der Temperaturkurven die

temperaturabhängigen Reaktionsgeschwindigkeitskonstanten k(T) nach dem Arrhenius-

Ansatz

TREA

eZTk ⋅−

⋅=)( (3.9)

ermittelt. Dabei sind Z der präexponentielle Faktor und EA die Aktivierungsenergie nach

Arrhenius. Die Werte für Z und EA sind vom Institut für Polymerforschung (IPF) in Dresden

bestimmt worden und im Anhang A dargestellt.

Den Einfluss der eingestellten Massetemperatur auf den Temperaturverlauf an der

Formteiloberfläche und somit auf die temperaturabhängige Reaktionsgeschwindigkeitskon-

stante k(T) zeigt die Abb. 3.16. Beim Vergleich der beiden in Abb. 3.16 dargestellten

Diagramme wird deutlich, dass eine um 40 °C höhere Temperatur der Schmelze (Abb. 3.16

rechts) eine deutliche Erhöhung der Geschwindigkeitskonstanten bewirkt, was einen größeren

Reaktionsumsatz bei der Modifizierungsreaktion zur Folge hat. Ebenso ist ersichtlich, dass

innerhalb der ersten Sekunde des Spritzgießprozesses die Werte für k(T) bei beiden Kurven

auf nahezu null absinken. Die Zeit, die der Modifzierungsreaktion zur Verfügung steht, ist

somit sehr kurz.

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0,2 0,4 0,6 0,8 1,00

50

100

150

200

250

k [l/

(mol

s)]

Temperaturverlauf Polycarbonat (TM=240 °C und TW=80 °C)

Tem

pera

tur [

°C]

Zeit [s]

0,0

0,5

1,0

1,5

2,0

2,5

3,0

3,5

4,0 Reaktionsgeschwindigkeit in

Abhängigkeit von der Temperatur

0,2 0,4 0,6 0,8 1,00

50

100

150

200

250

k [l/

(mol

s)]

Temperaturverlauf Polycarbonat (TM=280 °C und TW=80 °C)

Tem

pera

tur [

°C]

Zeit [s]

0,0

0,5

1,0

1,5

2,0

2,5

3,0

3,5

4,0 Reaktionsgeschwindigkeit in Abhängigkeit von der Temperatur

Abb. 3.16 Darstellung der Oberflächentemperaturen des Formteils und der daraus resultierenden Reaktions-

geschwindigkeit k bei unterschiedlich gewählten Massetemperaturen

Durch Integration der Verlaufskurven der temperaturabhängigen Reaktionsgeschwindigkeits-

konstanten (in Abb. 3.16 grau unterlegt) lässt sich ein Wert ermitteln, der einen Vergleich

zwischen den Kurven ermöglicht. In Abb. 3.17 sind die Ergebnisse der integrierten Flächen

bei verschiedenen Prozessparametern (siehe Tab. 3.1 Kapitel 3.1) dargestellt.

Den größten Einfluss auf die Geschwindigkeitskonstante hat die Massetemperatur. Eine

höhere Werkzeugtemperatur wirkt sich zwar auch vorteilhaft auf die Höhe der Konstante k(T)

bei der Reaktion aus, allerdings steigt der Wert bei einer Temperaturerhöhung nicht so stark

an wie bei einer Erhöhung der Massetemperatur. Unterschiedlich hohe Nachdrücke bewirken

erwartungsgemäß keine signifikante Änderung des Temperaturregimes. Eine kurze

Einspritzzeit hingegen hat eine hohe Scherung im Randbereich zur Folge, weshalb sich die

Massetemperatur aufgrund der Wärmedissipation erhöht.

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260 270 280 290 300 310 320 60 70 80 90 100 400 600 8001000 160 360 5600,00

0,05

0,10

0,15

0,20

0,25

0,30

0,35

[mm/s][bar][°C][°C]

Einspritz-geschwindigkeit

NachdruckWerkzeugtemperaturMassetemperaturIn

t k(T

(t))

Prozessparameter

Abb. 3.17 Zusammenhang zwischen den Prozessparametern und der integrierten Fläche der

Reaktionsgeschwindigkeitskonstanten

Auf der Basis einer Monte-Carlo-Simulation lassen sich Aussagen über den Reaktionsumsatz

in Abhängigkeit von der Temperatur gewinnen. Die Berechnung der in der Grenzfläche

ablaufenden chemischen Reaktion auf molekularer Ebene ist sehr komplex und wird explizit

in [Men04] beschrieben. Der im Rahmen dieser Arbeit dargestellte Zusammenhang zwischen

der Reaktionsgeschwindigkeitskonstanten und den gewählten Prozessparametern verdeutlicht

allerdings bereits, dass für das Ergebnis der Modifizierung die Wahl der Parameter von

zentraler Bedeutung ist und dass sich hohe Temperaturen vorteilhaft auf die Modifizierungs-

reaktion auswirken. Durch die im Kapitel 5 beschriebenen Untersuchungen wird dieser

Zusammenhang durch experimentelle Messungen weiter quantifiziert. Zuvor sollen im

folgenden Abschnitt die berechneten Temperaturverlaufskurven mit direkt im Werkzeug

gemessenen Temperaturen verglichen werden.

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4 IR-Temperaturmessung

4.1 Versuchsaufbau

Zur Messung der Oberflächentemperatur an einem Formteil ist der in Abb. 4.1 links

dargestellte Infrarotsensor eingesetzt worden. Der Sensor schließt im eingebauten Zustand

bündig mit der Kavitätsoberfläche ab. Die im Rahmen dieser Arbeit vorgestellten

IR-Temperaturmessungen wurden am Institut für Polymerforschung (IPF) in Dresden an

einem Zugstabwerkzeug durchgeführt. Die Position, an der die Oberflächentemperatur des

Formteiles gemessen wird, ist ebenfalls in Abb. 4.1 (rechts) ersichtlich. Durch ein

Saphirfenster, das den hohen Temperaturen (bis 400 °C) und den hohen mechanischen

Belastungen (Druck bis 2500 bar) standhält, gelangt die Wärmestrahlung der

Kunststoffschmelze direkt zur Auswerteeinheit, die sich unmittelbar hinter der Messstelle

befindet.

Eine Fehlerquelle dieser Messtechnik ist, dass der Sensor direkten Kontakt zur Schmelze hat

und somit ein Wärmeaustausch zwischen Sensor und Kunststoff stattfindet. Dem Formteil

wird üblicherweise Wärme über das Werkzeug entzogen. An der Messstelle erfolgt der

Wärmetransport allerdings über das zur Erfassung der Wärmestrahlung eingebaute

Saphirfenster, welches eine geringere Wärmeleitfähigkeit als das Werkzeug aufweist.

Aufgrund dessen, dass der IR-Sensor nicht die gleichen thermischen Eigenschaften wie das

Werkzeugmaterial besitzt, wird das Ergebnis der Temperaturmessung durch das verwendete

Messmittel beeinflusst.

Abb. 4.1 Infrarotsensor Typ MTS 408 [FOS Messtechnik] (l.) und Zugstab mit markierter Messstelle (r.)

Messpunkt

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4.2 Einfluss der Eindringtiefe

Ein Problem bei der Verwendung von Infrarotmessgeräten ist, dass vom Messfühler nicht nur

die Strahlung von der Oberfläche des Formteils, sondern auch teilweise Strahlung aus tiefer

liegenden Schichten mit gemessen wird, da Kunststoffe für elektromagnetische Strahlung im

Infrarotbereich teilweise durchlässig sind. Die gemessene Temperatur stellt somit einen

gewichteten Temperaturmittelwert über ein Messvolumen dar, das von den Transmissions-

bzw. den Absorptionseigenschaften des Kunststoffmaterials abhängig ist.

Der Absorptionsgrad eines Materials gibt an, wie viel von einer eingebrachten Lichtenergie

absorbiert wird (Umwandlung der Energie in eine andere Energieform, wie z. B. in Wärme).

Der Transmissionsgrad sagt aus, wie viel Lichtenergie durch die Probe durchgelassen wird.

Unter Vernachlässigung der Reflexion ergibt sich zwischen Absorptionsgrad A(ω) und

Transmissionsgrad T(ω) folgender Zusammenhang:

1)()( =+ ωω TA (4.1)

Der Transmissionsgrad und somit auch der Absorptionsgrad sind von der Wellenlänge ω der

Strahlung abhängig und lassen sich mittels FTIR-Spektroskopie bestimmen. In Abb. 4.2 sind

schematisch die Verhältnisse beim Durchgang von Strahlung durch einen Kunststoff

definierter Dicke dargestellt. In x-Richtung nimmt dabei die Strahlungsintensität E(x)

exponentiell mit zunehmender Dicke ab. Diese Gesetzmäßigkeit wird durch das Lambert-

Beersche Absorptionsgesetz beschrieben:

Edx

eExE−

⋅= 0)( (4.2)

Dabei ist E0 die Anfangsintensität der Strahlung. Die Schichtdicke x, bei der die

Strahlungsintensität auf 36,8 % (entspricht e-1) abgefallen ist, wird als Eindringtiefe dE

bezeichnet. Die sich ergebende Eindringtiefe ist je nach Kunststoff sehr verschieden und ist,

wie unter anderem die Arbeit von [Blu96] zeigt, nicht nur von der Wellenlänge, sondern auch

von der Temperatur abhängig.

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dE Transmissionsanteil

Absorptionsanteil1

0−⋅eE

0E

TE

0 d x

E

Weg

Stra

hlun

gsin

tens

ität Kunststoff

Abb. 4.2 Strahlungsintensität als Funktion der Probendicke [nach Blu96]

Die Eindringtiefe ist ein Wert, der sich aus dem Absorptions- bzw. Transmissionsverhalten

eines Kunststoffes ergibt. Im Zusammenhang mit der IR-Temperaturmessung bedeutet dies,

dass die Schichtdicke, über die der gewichtete Temperaturmittelwert ausgegeben wird, umso

kleiner ist, je geringer die Eindringtiefe ist. Zum Beschreiben der chemischen Reaktion, die

beim in-situ-Modifizieren in der Grenzschicht stattfindet, wird die Temperatur an der

Oberfläche des Formteils benötigt. Die Eindringtiefe sollte daher so gering wie möglich sein.

Für das in dieser Arbeit verwendete transparente Polycarbonat (Makrolon® 2805) ist eine

Eindringtiefe dE von 8,58 mm berechnet worden. Aufgrund des hohen Transmissionsgrades

des transparenten Materials wird somit eine gemittelte Temperatur über den gesamten

Querschnitt der 4 mm dicken Zugstabkavität gemessen. Aus der Literatur ist bekannt, dass

durch Zugabe von 0,5 bis 1 % Ruß die Eindringtiefe dE bis auf wenige hundertstel Millimeter

reduziert werden kann [Obe93, Blu96]. Die Zugabe von Ruß wirkt sich dabei kaum auf die

thermischen Eigenschaften aus, da der Anteil sehr gering ist. Die Transmissionseigenschaften

hingegen werden stark verändert. Aufgrund der hohen spezifischen Oberfläche hat reiner Ruß

nahezu die Eigenschaften eines realen schwarzen Strahlers [Mue02]. Er absorbiert die

Strahlung fast vollständig und unabhängig von der Wellenlänge. Die Messung des

Transmissionskoeffizienten mit Hilfe der FTIR-Spektroskopie zur Berechnung der

Eindringtiefe dE von rußgefüllten Polymeren stellt sich aufgrund der Pigmentanteile und

deren schwankenden Mischungsanteilen sowie den geringen Transmissionswerten als äußerst

schwierig dar [Blu96]. Eine genaue Eindringtiefe lässt sich zwar nicht ermitteln, die Werte

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liegen aber im Bereich von 0,01 bis 0,09 mm und sind deutlich geringer als bei ungefüllten

Materialien.

Abb. 4.3 zeigt verschiedene gemessene Temperaturverläufe bei unterschiedlichen Anteilen

von Ruß. Abb. 4.3 a stellt die Messwerte für das ungefüllte Material PC Makrolon® 2805 dar.

Zunächst ist festzustellen, dass die Temperatur sehr schnell ansteigt bis zu einem

Maximalwert. Die Maximaltemperatur für das ohne Rußzusatz verarbeitete Material ist

265°C. Durch die Zugabe von Ruß liegt die gemessene maximale Temperatur bei niedrigeren

Werten (z. B. bei 1 % Ruß bei 204 °C). Der Grund dafür ist, dass wie bereits erläutert durch

die Zugabe von Ruß die Transmissionseigenschaften verändert werden. Dadurch werden nicht

mehr die Temperaturen aus tiefer liegenden Schichten mit gemessen, deren Werte aufgrund

der schlechten Wärmeeindringfähigkeit des Kunststoffes im Formteilinneren höher sind als

unmittelbar am Rand.

Nach dem Erreichen des Maximums in Abb. 4.3 fallen die Temperaturen sehr schnell wieder

ab. Bei der Kurve ohne Ruß ist der Gradient der Abkühlung zunächst wesentlich niedriger als

bei den Kurven mit Rußanteilen. Der schnellere Temperaturabfall bei den rußgefüllten

Materialien ist ebenfalls auf die Messung in der dünnen Randschicht zurückzuführen, da hier

der Einfluss der kalten Werkzeugwand stärker ausgeprägt ist als im Formteilinneren.

Während die Temperatur bei der Kurve ohne Ruß zwar langsamer aber stetig abnimmt,

kommt es bei den gefüllten Materialien nach dem Durchlaufen eines Minimums zu einem

erneuten Ansteigen der Temperatur, bis ein zweites Temperaturmaximum erreicht ist. Nach

[Obe93] ist für diesen erneuten Temperaturanstieg der Nachdruck verantwortlich. Die

Temperaturerhöhung wird damit erklärt, dass die einsetzende Schwindung durch

Nachdrücken von heißer Schmelze ausgeglichen wird, was die Temperatur in der Kavität

ansteigen lässt.

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0 2 4 6 80

50

100

150

200

250

300Te

mpe

ratu

r [°C

]

0 2 4 6 80

50

100

150

200

250

300

Zeit [s]0 2 4 6 8

0

50

100

150

200

250

300

Abb. 4.3 Darstellung der Temperaturkurven bei verschiedenen Russgehalten (Massetemperatur: 280 °C;

Werkzeugtemperatur: 80 °C; Einspritzgeschwindigkeit: 75 mm/s)

Die Temperaturerhöhung kann aber auch nach [Blu96] auf die Druckänderung

(Kommpressionswärme) zurückzuführen sein, wodurch die Temperatur bei einer

Druckerhöhung ansteigt. Diese Erklärung scheint zunächst plausibel, da zudem in den hier

durchgeführten Messungen die Zeitpunkte, bei denen die Maximalwerte des

Werkzeuginnendruckes erreicht wurden, und die Zeitpunkte des erneuten Temperaturmaxi-

mums identisch waren. Durch den Zusammenhang von Druck p, spezifischem Volumen cp,

Temperatur T und mit Hilfe des volumetrischem Wärmeausdehnungskoeffizienten αv lässt

sich nach [Thi78] näherungsweise die Temperaturerhöhung bei adiabaten Verhältnissen nach

folgender Formel berechnen:

pcT

Tp

v ∆⋅⋅⋅

=∆ρα

(4.3)

Für das untersuchte Material wurde eine Temperaturerhöhung von 5 K berechnet. Bei der

IR-Temperaturmessung ergab sich eine Temperaturerhöhung bei 1 % Rußzusatz von 6,4 K.

Was der Annahme, dass die Erhöhung der Temperatur durch Kompressionswärme

hervorgerufen wird, widerspricht, ist die Tatsache, dass die Temperaturerhöhung während der

Nachdruckphase nur bei den Messungen an den rußgefüllten Materialien auftritt. Die

0% Ruß 0,5% Ruß 1% Ruß a) b) c)

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Temperaturmessung erfolgt dabei, bedingt durch den Ruß, in einer sehr dünnen und

schlagartig erstarrten Randschicht. Eine durch den Nachdruck induzierte Temperaturerhöhung

müsste somit erst an den Randbereich abgegeben werden, um vom Messgerät erfasst zu

werden. Beim Polycarbonat ohne Rußzusatz hingegen wird auch Wärmestrahlung aus tiefer

liegenden Bereichen mit gemessen. Eine Temperaturänderung durch Nachdrücken heißer

Schmelze oder durch abgegebene Kompressionswärme müsste bei diesen Messungen daher

deutlicher zu sehen sein, als bei den rußgefüllten Materialien. Dies ist wie Abb. 4.3 zeigt

allerdings nicht der Fall. Eine mögliche Erklärung für das Ansteigen der Temperatur während

der Nachdruckphase wird im folgenden Kapitel im Zusammenhang mit den Simulationser-

gebnissen aufgezeigt.

4.3 Vergleich der IR-Messergebnisse mit den Simulationsergebnissen

Die in den vorherigen Kapiteln beschriebenen Temperaturmessungen mittels IR-Sensor

können trotz der relativ schnellen Ansprechzeit des Sensors (15 ms) nicht die drastischen

Abkühlverhältnisse beim Einspritzen der Schmelze exakt erfassen. Da der Abkühlgradient

während der Nachdruckphase allerdings deutlich kleiner ist als in der Einspritzphase, können

die Temperaturen in der Nachdruck- und Restkühlphase sehr genau mittels IR-Messung

ermittelt werden. Es ist daher sinnvoll, die mit der Simulation berechneten Temperaturverläu-

fe mit den gemessenen Kurven zu vergleichen. Stimmen die Temperaturkurven in den

Bereichen, in denen der Sensor exakte Messwerte liefert, mit den Simulationsergebnissen gut

überein (Nachdruck- und Restkühlphase), lässt sich durch Extrapolation der Rückschluss

ziehen, dass die berechneten Temperaturen in der Einspritzphase ebenfalls die realen

thermischen Verhältnisse richtig wiedergeben.

Ein Vergleich der berechneten mit den experimentell ermittelten Temperaturverlaufskurven

an der Formteiloberfläche zeigt die Abb. 4.4. Die IR-Messung sowie die Berechnungen

erfolgten an einem Zugstab, wobei der Temperaturverlauf an einem bestimmten Punkt an der

Formteiloberfläche betrachtet wird. Zunächst steigen bei allen dargestellten Kurven der

Abb. 4.4 die Temperaturen sprunghaft auf einen Maximalwert an und zwar zu dem Zeitpunkt,

wenn die einströmende Schmelze mit der Werkzeugoberfläche in Kontakt kommt.

Anschließend fallen die Werte sofort sehr schnell ab. Die Höhe der Maximaltemperatur ist bei

den Berechnungsprogrammen von den gewählten Zeitschritten abhängig. Für die

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Berechnungen mit Fidap lässt sich die Größe der Zeitschritte beliebig vorgeben. Bei

Moldflow hingegen ist die Wahl der Schrittweite nur eingeschränkt möglich. Bei kleinen

Abständen erhöht sich die Genauigkeit. Die niedrige Maximaltemperatur bei der IR-Messung

(Abb. 4.4) ist auf den hohen Abkühlgradienten von rund 3 K/ms unmittelbar nach dem

Kontakt der Schmelze mit der Werkzeugwand zurückzuführen. Die Ansprechgeschwindigkeit

des IR-Sensors reicht nicht aus, um die schlagartige Abkühlung an der Oberfläche zu

erfassen. Im Gegensatz dazu wird von Moldflow und Fidap der drastische Temperaturabfall

unmittelbar nach dem Kontakt der Schmelzefront mit der Werkzeugoberfläche gut

wiedergegeben. Der Abkühlgradient ist allerdings bei der Moldflowrechnung nicht ganz so

hoch, wie bei der Fidaprechnung. Dies ist durch Unterschiede bei der Vernetzung begründet.

Bei Moldflow ist bei der Erstellung des Netzes die Anzahl der Schichten über den Querschnitt

der Kavität begrenzt. Bei Fidap hingegen lässt sich die Netzdichte im Kavitätsquerschnitt

beliebig wählen. Daher ist bei den Fidaprechnungen ein deutlich feineres Netz generiert

worden, was zur Folge hat, dass die Abstände der Knoten geringer sind und die thermischen

Verhältnisse durch die Rechnung exakter wiedergegeben werden.

0 2 4 6 8 1050

100

150

200

250

300 Moldflow-Berechnung

Tem

pera

tur [

°C]

Zeit [s]

0 2 4 6 8 1050

100

150

200

250

300 Fidap-Berechnung

Tem

pera

tur [

°C]

Zeit [s]0 2 4 6 8 10

50

100

150

200

250

300 IR-MessungTe

mpe

ratu

r [°C

]

Zeit [s]

Abb. 4.4 Temperaturkurven der Moldflow- und Fidap-Rechnungen sowie der IR-Messung (Massetemperatur: 280 °C;

Werkzeugtemperatur: 80 °C; Einspritzgeschwindigkeit: 45 mm/s)

Der Formfüllvorgang in Abb. 4.4 ist nach 0,7 Sekunden beendet, und es wird auf Nachdruck

umgeschaltet. Nachdem die Temperaturwerte bei allen Kurven stark abgefallen sind, stellen

sich bei der Fidap-Rechnung und bei der IR-Messung in der Nachdruckphase bei einer

Temperatur von 150 °C kurzzeitig nahezu statische thermische Verhältnisse ein. Im weiteren

Verlauf steigen die Werte wieder leicht an. Wie bereits im vorherigen Kapitel erwähnt, wird

in der Literatur [Blu96 und Thi78] diese erneute Temperaturerhöhung bei der IR-Messung

durch die zum Ausgleich der Schwindung nachgedrückte heiße Schmelze bzw. mit

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freigesetzter Kompressionswärme aufgrund der Druckerhöhung in der Nachdruckphase

begründet. Bei der Fidaprechunung ist dieser zweite Temperaturanstieg allerdings ebenfalls

vorhanden, obwohl hier keine Schmelze nachgedrückt wird, da die Schwindung bei der

Berechnung nicht mit berücksichtigt wird. Bei der Rechnung wird zudem eine

Inkompressibilität der Schmelze angenommen, so dass sich der Anstieg auch nicht mit

freigesetzter Kompressionswärme begründen lässt.

Die erneute Temperaturerhöhung bei der Simulation und bei der IR-Messung lässt sich

folgendermaßen erklären. Bei der Abkühlung sinkt die Schmelzetemperatur TS stark ab und

die Werkzeugtemperatur TW steigt an. Trotz der starken Abkühlung in Randnähe ist, bedingt

durch die schlechte Wärmeleitfähigkeit von Kunststoffen, im Inneren des Formteiles eine

noch flüssige Schmelzeseele vorhanden, mit Temperaturen im Bereich der Massetemperatur.

Die im Formteilinneren existierende Wärme wird an den Randbereich abgegeben. Durch die

Erhöhung der Werkzeugtemperatur und den dadurch verringerten Wärmestrom kann diese

Wärme nicht schnell genug ins Werkzeuginnere abtransportiert werden. Es kommt zu einem

Wärmestau, weshalb die Temperatur im Randbereich ansteigt. Bei der Berechnung mit

Moldflow wird während des Spritzgießzyklus’ eine konstante Werkzeugtemperatur festgelegt.

Dies erklärt, warum es bei dem in Abb. 4.4 dargestelltem Temperaturverlauf kein

ausgeprägtes zweites Temperaturmaximum gibt. Im weiteren Verlauf fällt die Temperatur bei

allen drei in Abb. 4.4 ersichtlichen Kurven weiter ab.

Der Vergleich der berechneten Temperaturverläufe mit dem gemessenen zeigt, dass die

prinzipiellen Verläufe der Berechnungen gut mit dem experimentellen Messergebnis

übereinstimmen. Der entscheidende Vorteil der Simulation gegenüber der IR-Messung ist,

dass auch ein Temperaturverlauf in den ersten Millisekunden nach dem Kontakt der Schmelze

mit dem Werkzeug wiedergegeben werden kann. Für die ablaufenden chemischen Reaktionen

bei der Oberflächenmodifizierung sind vor allem diese kurzen Zeitbereiche von Bedeutung.

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55

5 Ergebnisse der in-situ-Oberflächenmodifizierung von

Polycarbonatformteilen

5.1 Versuchsplan

5.1.1 Eingesetzte Materialien

Die experimentellen Untersuchungen zur Modifizierung von Polycarbonatoberflächen sind

mit dem Material Makrolon® 2805 von Bayer MaterialScience durchgeführt worden.

Makrolon® 2805 ist ein mittelviskoser und farbloser Standardtyp, dem als einziger Zusatz in

geringen Mengen eine Entformungshilfe beigegeben wird. Außer, dass dadurch eine

problemlose Verarbeitung des Materials ermöglicht wird, werden keine anderen

Eigenschaften im messbaren Bereich beeinflusst. Es wurde bewusst dieser Standardtyp

ausgewählt, um auszuschließen, dass durch diverse Zusatzstoffe die Ergebnisse der

Untersuchungen in irgendeiner Form beeinträchtigt werden. Ausgewählte rheologische,

mechanische und thermische Eigenschaften sind im Anhang A tabellarisch zusammengestellt.

In Vorversuchen am Institut für Polymerforschung in Dresden (IPF) wurde als geeigneter

Modifikator zur Oberflächenmodifizierung von Polycarbonat Polyethylenimin (PEI)

bestimmt. Verzweigte Polyethylenimintypen enthalten primäre, sekundäre und tertiäre

Aminogruppen, was bei der chemischen Modifizierungsreaktion und bei einer

Oberflächenanalyse mitberücksichtigt werden muss. Bei den in dieser Arbeit durchgeführten

Untersuchungen ist daher ein lineares Polyethylenimin eingesetzt worden, das ausschließlich

sekundäre Aminogruppen enthält. Weitere Eigenschaften sind ebenfalls im Anhang A

dargestellt.

5.1.2 Aufbau der Versuchseinrichtung

Im Kapitel 2.2 „Grundlagen der in-situ-Oberflächenmodifizierung“ ist der Ablauf des

Modifizierungsverfahrens bereits erläutert worden. Entscheidend für die verfahrenstechnische

Umsetzung ist vor allem die Art der Applizierung der Modifikatorlösung auf der

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Werkzeugoberfläche. Dabei ist zu beachten, dass die Oberfläche gleichmäßig benetzt wird.

Der reine Modifikator (hier PEI) wird in Mengen von maximal einem Gewichtsprozent in

Wasser gelöst. Es entsteht eine niederviskose Lösung, weshalb sich das Aufsprühen als

geeignete Auftragsmethode anbietet. Bei der Auswahl eines Sprühsystems zur Applizierung

niederviskoser Substanzen auf eine Oberfläche kann auf Erfahrungswerte aus der

Lackiertechnik zurückgegriffen werden. Für die durchgeführten Versuche ist eine

Zweistoffdüse mit Außenmischung ausgewählt worden. Das technische Grundprinzip stellt

sich wie folgt dar. Eine unter Druck stehende Zerstäuberluft strömt aus einer konzentrischen

Düse. Durch die beschleunigte Luft entsteht an der Düsenöffnung ein Unterdruckgebiet,

wodurch die zu applizierende Flüssigkeit aus dem mit der Luftdüse verbundenen Kanal

herausgesaugt wird. Durch den wirksamen Staudruck im Beschleunigungsgebiet der Luft

werden die Flüssigkeitspartikel in kleine feine Tropfen umgewandelt und beschleunigt. Um

einen gleichmäßigen Flüssigkeitsfilm auf der zu besprühenden Oberfläche zu erhalten, spielt

die Größe der Tropfen eine wichtige Rolle. Ist die Geschwindigkeit der Zerstäuberluft zu

hoch, werden zu kleine Tropfen gebildet und es kommt vermehrt zum so genannten

„Overspray“ (Teil des Sprühnebels, der nicht auf dem zu besprühenden Objekt landet).

Werden umgekehrt die Flüssigkeitstropfen zu groß (zu niedrige Geschwindigkeit der Luft),

kann es zu einem Verlaufen der Tropfen kommen. Ein weiteres wichtiges Kriterium für das

Sprühbild ist der Abstand der Düse zur Oberfläche. Ist ein zu weiter Abstand eingestellt,

bildet sich ein breiter Sprühstrahl mit geringer Intensität. Ist dagegen der Düsenabstand zu

gering, entsteht ein zu schmaler, dafür aber intensiver Strahl [Gol02]. In Abb. 5.1 sind die in

den Versuchen eingesetzte Zweitstoffrundstrahldüse sowie das für diese Düse typische

Sprühbild dargestellt. Die aus Vorversuchen ermittelten optimalen Einstellparameter sind

ebenfalls in Abb. 5.1 ersichtlich.

Einstellparameter und Kennwerte

der Sprühvorrichtung

Druck: 4 bar

Düsenabstand: 25 mm

Austragsmenge: 4 g/min

Sprühstrahlbreite: 10 mm

Abb. 5.1 Düsensatz SUF 1 von Spraying System (l.), Sprühbild (m.) und Einstellparameter bzw. Kennwerte (r.)

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Zusätzlich zu dem Sprühsystem ist eine Vorrichtung notwendig, um die Düse so zu

positionieren, dass die entsprechenden Bereiche im Werkzeug mit der Modifikatorlösung

besprüht werden können. Beim Besprühen großer Flächen sind entsprechende

Bewegungsabläufe nötig, damit die gesamte Fläche vom Sprühstrahl erreicht wird. Bei

geometrisch komplexen Formteilen ergeben sich folgende allgemeine Anforderungen an die

Positioniervorrichtung für die Düse:

• Ein- und Ausfahrmöglichkeit in das geöffnete Werkzeug;

• Ausrichtung des Sprühstrahles (bzw. der Düse) in jede beliebige Richtung;

• gleichförmige und steuerbare Bewegungen;

• Einhaltung eines konstanten Abstandes der Düse zur Werkzeugoberfläche (auch bei

gekrümmten Oberflächen);

• geringe Abmaße der Vorrichtung, da der Platz im Werkzeug durch den Öffnungsweg

der Maschine begrenzt wird.

Im Rahmen dieser Arbeit konnte ein Sechsachsroboter vom Institut für Konstruktion und

Verbundbauweisen Chemnitz (kurz KVB) genutzt werden, der die oben stehenden

Anforderungen erfüllt. Abb. 5.2 (links) zeigt die möglichen Bewegungsrichtungen der

Achsen. An dem in der Abbildung mit einem gestrichelten Pfeil markierten Befestigungs-

flansch ist das Sprühsystem angebracht worden. Abb. 5.2 (rechts) zeigt die komplette

Sprühvorrichtung vor dem geöffneten Spritzgießwerkzeug.

Abb. 5.2 Darstellung des eingesetzten Sechsachsroboters zur Positionierung des Sprühsystems

Befestigungs-flansch

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In Vorversuchen wurden zunächst oberflächenmodifizierte Zugstäbe spritzgegossen. Die

Formteile sind allerdings ungeeignet für die nachfolgenden Untersuchungen, da aufgrund der

schmalen Geometrie in der Mitte des Stabes eine größere Schwindung auftritt als im

Randbereich und sich somit keine ebene, sondern eine leicht konkave Oberflächenform

ergibt. Sowohl bei den Randwinkeluntersuchungen, als auch bei der Druckscherfestigkeits-

messung von Klebeverbunden können exakte Messergebnisse nur an vollkommen ebenen

Formteiloberflächen ermittelt werden. Für die nachfolgenden Untersuchungen ist daher die in

Abb. 5.3 dargestellte quadratische Stapelbox ausgewählt worden. Modifiziert wurde hier die

komplette Innenseite des Formteils. Zum Nachweis, dass der Modifizierungseffekt

unabhängig von der Sprührichtung des Auftragssystems ist, sind Prüfkörper sowohl am

Boden als auch am Rand der Box entnommen worden. Abb. 5.3 (rechts) zeigt die

entsprechenden Entnahmepositionen.

55 mm

140 mm

Entnahmeposition 2

Entnahmeposition 1

Abb. 5.3 Stapelbox mit Kennzeichnung der wichtigsten Abmaße sowie der Entnahmepositionen der Prüfkörper

5.1.3 Versuchsmatrix

Ziel der experimentellen Untersuchungen ist es, den Einfluss unterschiedlicher

Prozessparameter auf die Modifizierungsreaktion zu quantifizieren. Die zu variierenden

Parameter wurden auf der Grundlage der im Kapitel 2 dargestellten Simulationsergebnisse

und auf der Basis von Vorversuchen ausgewählt. Die Tab. 5.1 zeigt die entsprechende

Versuchsmatrix. Um das Versuchsprogramm überschaubar zu halten, wurde je

Formteildicke 2 mm

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Prozessparameter ein bestimmter Standardwert festgelegt (fettgedruckter Parameter). Das

heißt, wenn ein Einstellungsparameter verändert wird (z. B. TW=70 °C), gelten für die

anderen Prozessparameter die Standardwerte (hier c=0,05 %, TM=300 °C und v=40 mm/s).

Tab. 5.1 Versuchsmatrix

Prozessparameter Einstellwert

Modifikatorkonzentration c in % 0,001; 0,005; 0,01; 0,05; 0,1; 1

Werkzeugtemperatur TW in °C 40, 50, 60, 70, 80

Massetemperatur TM in °C 280, 290, 300, 310, 320

Einspritzgeschwindigkeit v in mm/s 160, 320, 480, 640

Weitere wichtige Einstellparameter, die für alle Versuche konstant gehalten wurden, zeigt

Tab. 5.2.

Tab. 5.2 Maschinenparameter

Parameter Einstellwert

Einspritzdruck [bar] 800

Umschaltdruck [bar] 1000

Nachdruck [bar] 500

Nachdruckzeit [s] 10

Restkühlzeit [s] 20

Als Vergleichsproben sind Proben ohne Modifikator (unmodifizierte Nullprobe)

spitzgegossen und untersucht worden. Die Messergebnisse an diesen Proben dienen als

Referenzwert und zeigen, inwieweit sich durch die Modifizierung die Eigenschaften

gegenüber einer unbehandelten Probe ändern. Zur Analyse der Eigenschaftsänderungen sind

Druckscherfestigkeit-, Randwinkel- und Spektroskopiemessungen durchgeführt worden.

Das in-situ-Oberflächenmodifizierungsverfahren soll außerdem mit einem konventionellen

Vorbehandlungsverfahren verglichen werden. Hierzu wurden unmodifizierte Proben

plasmavorbehandelt und anschließend ebenfalls analysiert.

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5.2 Untersuchung des Einflusses der Prozessparameter an modifizierten

Polycarbonatoberflächen

5.2.1 Druckscherfestigkeitsmessung

Die Abb. 5.4 zeigt die Ergebnisse der Druckscherfestigkeitsmessung in Abhängigkeit von der

Konzentration des aufgesprühten Modifikators. Die abgebildeten Kurven sind zur besseren

Übersicht ohne die relativ hohen Standardabweichungen (2,8 N/mm2 bis 10,9 N/mm2)

dargestellt. Die beiden Entnahmepositionen verdeutlichen, dass außer bei sehr niedrigen

Konzentrationen die Abweichungen der beiden Kurven relativ gering sind. Ein Unterschied

bei der Modifizierung aufgrund unterschiedlicher Sprührichtungen konnte daher nicht

festgestellt werden. Die bei der Konzentration von 0,001 % PEI auftretende Schwankung der

Werte ist eher auf eine ungleichmäßige Verteilung der sehr geringen Modifikatormengen

zurückzuführen.

Bei einer Konzentration im Bereich zwischen 0,001 % und 0,1 % PEI liegen alle

Festigkeitswerte der modifizierten Proben oberhalb des Wertes der unmodifizierten Probe.

Dieser Bereich kann als Arbeitsbereich angesehen werden, in dem die Modifizierung

gleichmäßig und reproduzierbar erfolgt. Eine Erklärung, warum in diesem Arbeitsbereich die

Werte bei 0,01 % etwas niedriger liegen, konnte nicht gefunden werden. Es sind aber

Schwankungen der Sprühapparatur bei der Verarbeitung nicht auszuschließen. Oberhalb einer

Konzentration von 0,1 % PEI ist ein deutlicher Abfall der Festigkeit zu erkennen. Ursache ist

die vollständige Benetzung der Oberfläche mit Modifikator ab einer bestimmten

Konzentration. Untersuchungen in [Leh04] zeigten bei einer Konzentration von 0,3 %

Modifikator eine vollständig benetzte Oberfläche. Allerdings wurde ein anderes

Auftragssystem verwendet. Wird mehr Modifikator aufgetragen, als auf der Oberfläche

gebunden werden kann, ist es wahrscheinlich, dass zu viele freie Aminogruppen des

Modifikators vorhanden sind und dadurch der Polymerisationsprozess des verwendeten

Cyanacrylatklebstoffes ungünstig beeinflusst wird.

Als Vergleichsprobe sind auch die Werte einer plasmabehandelten Polycarbonatprobe

dargestellt. Die Behandlung bewirkt hier, dass die Festigkeit unter die der unmodifizierten

Probe fällt.

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0,001 0,01 0,1 10

5

10

15

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30

35

40

45

in-situ-Modifizierung (Entnahmestelle 1) in-situ-Modifizierung (Entnahmestelle 2) unmodifizierte Vergleichsprobe plasmabehandelte VergleichsprobeD

ruck

sche

rfest

igke

it [N

/mm

2 ]

Modifikatorkonzentration [%]

Abb. 5.4 Abhängigkeit der Druckscherfestigkeit von der Modifikatorkonzentration (Massetemperatur: 300 °C;

Werkzeugtemperatur: 80 °C; Material: Makrolon® 2805; Prüfgeschwindigkeit: 10 mm/s)

Die Abb. 5.5 zeigt die gemessenen Druckscherfestigkeiten bei unterschiedlich eingestellten

Werkzeugtemperaturen. Es wird deutlich, dass die Druckscherfestigkeitswerte bei höheren

Temperaturen ansteigen. Bei einer Werkzeugtemperatur unter 60 °C sind die Festigkeitswerte

geringer als bei der unmodifizierten Vergleichsprobe. Hier wird der Einfluss der Temperatur

auf die bei der Modifizierung ablaufenden chemischen Prozesse deutlich. Die Temperaturen

unterhalb 60 °C genügen nicht für eine ausreichende Modifizierung. Der aufgesprühte

Modifikator liegt dann nur teilweise gebunden auf der Oberfläche auf und bewirkt eine

Verschlechterung der Klebefestigkeit. Bei einer ausreichend hohen Temperatur (>70 °C)

werden die Modifikatorgruppen nahezu vollständig auf der Oberfläche gebunden und die

Festigkeit steigt über die der Vergleichsprobe.

Arbeitsbereich

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40 50 60 70 800

5

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30

35

40

45

in-situ-Modifizierung unmodifizierte Vergleichsprobe plasmabehandelte Vergleichsprobe

Dru

cksc

herfe

stig

keit

[N/m

m2 ]

Werkzeugtemperatur [°C]

Abb. 5.5 Abhängigkeit der Druckscherfestigkeit von der Werkzeugtemperatur (Massetemperatur: 300 °C;

Modifikatorkonzentration: 0,05 % PEI; Material: Makrolon® 2805; Prüfgeschwindigkeit: 10 mm/s)

Um die für die chemische Reaktion benötigte Temperatur zu gewährleisten, ist, wie Abb. 5.6

zeigt, insbesondere eine hohe Massetemperatur vorteilhaft. Liegt die Temperatur bei 300 °C,

steigt die Festigkeit der Klebeverbindung über die der unmodifizierten Vergleichsprobe. Eine

weitere Erhöhung lässt die Festigkeit allerdings wieder etwas sinken. Zu hohe

Massetemperaturen können zu einem zunehmenden Kettenabbau der Polymerketten während

der Reaktion zwischen Modifikator und Formteil führen und dadurch die Klebefestigkeit

reduzieren.

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280 290 300 310 3200

5

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15

20

25

30

35

40

45

in-situ-Modifizierung unmodifizierte Vergleichsprobe plasmabehandelte VergleichsprobeD

ruck

sche

rfest

igke

it [N

/mm

2 ]

Massetemperatur [°C]

Abb. 5.6 Abhängigkeit der Druckscherfestigkeit von der Massetemperatur (Werkzeugtemperatur: 80 °C;

Modifikatorkonzentration: 0,05 % PEI; Material: Makrolon® 2805; Prüfgeschwindigkeit: 10 mm/s)

Den Einfluss der Einspritzgeschwindigkeit auf die Druckscherfestigkeit zeigt Abb. 5.7. In

Anbetracht der Streuung der Messwerte bei der Druckscherfestigkeitsmessung lässt sich eine

Abhängigkeit der Festigkeitswerte von der Geschwindigkeit beim Einspritzen nicht eindeutig

feststellen. Es ist zwar tendenziell eine leichte Erhöhung der Festigkeit bei niedrigen

Geschwindigkeiten zu erkennen, deren Ursache sich allerdings nicht eindeutig klären lässt.

Wie die Simulationsergebnisse im Kapitel 2 zeigen, steigen die Temperaturen im Randbereich

bei höheren Geschwindigkeiten durch die von der Scherung verursachte Wärmedissipation.

Höhere Temperaturen begünstigen die bei der Modifizierung ablaufende chemische Reaktion,

und die Druckscherfestigkeit müsste dementsprechend bei höheren Einspritzgeschwindigkei-

ten zu statt abnehmen.

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200 300 400 500 6000

5

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20

25

30

35

40

45

in-situ-Modifizierung unmodifizierte Vergleichsprobe plasmamodifizierte VergleichsprobeD

ruck

sche

rfest

igke

it [N

/mm

2 ]

Einspritzgeschwindigkeit [mm/s]

Abb. 5.7 Abhängigkeit der Druckscherfestigkeit von der Einspritzgeschwindigkeit (Massetemperatur: 300 °C;

Werkzeugtemperatur: 80 °C; Modifikatorkonzentration: 0,05 % PEI; Material: Makrolon® 2805;

Prüfgeschwindigkeit: 10 mm/s)

Dass der erzielte Modifizierungsprozess im Gegensatz zu einigen anderen Vorbehandlungs-

verfahren dauerhaft ist, wurde bereits in [Kol02] nachgewiesen. Modifizierte Formteile

wurden über 6 Monate lang ausgelagert und anschließend verklebt. Die Ergebnisse der

Druckscherprüfung zeigten im Vergleich mit den sofort nach dem Spritzgießen verklebten

Proben keinen Abfall der Festigkeit. Der Grund für diese Langzeitstabilität liegt darin, dass

bei der in-situ-Oberflächenmodifizierung nicht wie bei konventionellen Verfahren

niedermolekulare Gruppen, sondern lange Modifikatorketten gebunden werden. Bei der

Bindung von niedermolekularen Gruppen kann es zu einer Absättigung der funktionellen

Gruppen bzw. zu einem Hineinwandern der Gruppen unter die Oberfläche kommen, wodurch

sich die Adhäsionseigenschaften verschlechtern. Bei den gebundenen Modifikatorketten tritt

dieser Effekt nicht auf. Diese permanente Modifizierung ist ein entscheidender Vorteil des

in-situ-Verfahrens gegenüber z. B. der Koronabehandlung, da die Oberflächenmodifizierung

zeit- und somit auch ortsunabhängig von den weiteren Verarbeitungsprozessen wie Kleben

oder Lackieren ist.

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Zum Verkleben der Probekörper ist ein Cyanacrylat-Klebstoff (Loctite 406) eingesetzt

worden. Die Aushärtung (Polymerisation der Cyanacrylatester) wird durch radikalische oder

basische Substanzen ausgelöst. Der zur Oberflächenmodifizierung eingesetzte Modifikator

(Polyethylenimin) besitzt Aminogruppen, deren basischer Charakter die Aushärtungsreaktion

startet. Die Kopplungsreaktion der Modifikatorketten auf der Formteiloberfläche erfolgt aber,

indem diese Aminogruppen unter Bildung einer Hydroxylgruppe in Amide umgewandelt

werden. Amide wirken im Gegensatz zu den Aminogruppen kaum basisch und tragen somit

kaum zum Start der Aushärtung des Klebstoffes bei. Zur Bindung der Modifkatorketten auf

der Formteiloberfläche sind wenige Kopplungsstellen ausreichend. Für eine optimale

Modifizierung ist daher das Verhältnis von Amiden (Kopplung des Modifikators) und

Aminogruppen (Start der Klebstoffaushärtung) von großer Bedeutung. Die nachfolgend

erläuterte nähere Betrachtung der Bruchflächen bei den untersuchten Klebeproben bestätigt

diese Feststellung.

Bei sehr hohen Modifikatorkonzentrationen bzw. bei sehr niedrig gewählten

Werkzeugtemperaturen wurden vergleichsweise niedrige Druckscherfestigkeiten gemessen.

Allerdings traten bei den Proben hauptsächlich Kohäsionsbrüche im Klebstoff auf. Dies

könnte daran liegen, dass durch die hohe Konzentration bzw. zu niedrige Temperatur nur

wenige Aminogruppen in Amide (Kopplungsreaktion) umgewandelt wurden. Die vielen

vorhandenen Amine können an mehren Stellen gleichzeitig die Polymerisation des

Klebstoffes starten. Aufgrund dieser häufigen Startreaktionen werden aber nur kurze Ketten

gebildet, was eine geringe Eigenfestigkeit des Klebstoffes bewirkt.

Bei hohen Masse- und Werkzeugtemperaturen trat häufig ein Verformungsbruch auf. Dabei

kam es weder zu einem plötzlichen Versagen des Polycarbonatmaterials noch zu einem

Kohäsionsbruch in der Klebeschicht, vielmehr wurde die Zerstörung durch Materialfließen

ausgelöst. Die Festigkeit der Klebeverbindung war hier am höchsten. Offensichtlich lag ein

optimales Verhältnis von Amino- und Amidgruppen vor, so dass ausreichend Amide die

Verbindung zwischen Polycarbonat und Modifikator ermöglichten und genügend

Aminogruppen die Polymerisation des Klebstoffes auslösten.

Da Amine und Amide unterschiedlich polar sind, lassen sich durch die statische

Randwinkelmessung die oben getroffen Aussagen weiter quantifizieren.

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5.2.2 Statische Randwinkelmessung

Die Abb. 5.8 zeigt die Oberflächenenergien sowie deren polare Anteile bei Proben, die mit

verschiedenen Modifikatorkonzentrationen modifiziert wurden. Wie bereits im

vorangegangenen Kapitel bei den Druckscherfestigkeitsuntersuchungen beschrieben, werden

bei einer Konzentration über 0,1 % PEI offensichtlich nur vergleichsweise wenig Amine des

aufgebrachten Modifikators in Amide umgewandelt. Diese Umwandlungsreaktion koppelt

den Modifikator an das Polycarbonat, wobei aufgrund der langen Modifikatorketten wenige

Verbindungsstellen ausreichen, um den Modifikator dauerhaft auf der Oberfläche zu binden.

Bei den hohen Konzentrationen an Modifikator verbleiben viele Amine auf der Oberfläche.

Amine besitzen im Vergleich zu Amiden eine höhere Polarität. Dies wird bei einer

Konzentration ≥ 0,1 % PEI durch den starken Anstieg des polaren Anteils und damit auch der

Oberflächenenergie in Abb. 5.8 deutlich. Unterhalb von 0,1 % PEI schwankt der gemessene

polare Anteil minimal um die Werte der unmodifizierten Vergleichsprobe. Dies bedeutet, dass

hier ein Großteil der durch den Modifikator eingebrachten Amine in Amide umgewandelt

wurde und sich diese Amidgruppen aufgrund ihrer geringen Polarität bei der

Randwinkelmessung kaum bemerkbar machen. Eine Auswertung der minimal höheren bzw.

niedrigeren Werte bei den Konzentrationen unterhalb 0,1 % PEI ist nicht sinnvoll, da die

Ergebnisse des Randwinkelmessverfahrens, wie in Kapitel 2.4.3 bereits erläutert, sehr leicht

durch Messfehler beeinflusst werden und außerdem die in diesem Konzentrationsbereich

festgestellten Veränderungen des polaren Anteils eher gering sind.

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1E-3 0,01 0,1 10

5

10

15

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25

30

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50

55

60

in-situ-Modifizierung unmodifizierte Vergleichsprobe plasmabehandelte Vergleichsprobe in-situ-Modif. (polarer Anteil) unmodifizert (polarer Anteil) plasmamodifiziert (polarer Anteil)

Obe

rfläc

hene

nerg

ie n

ach

Wu

[mN

/m]

Modifikatorkonzentration [%]

Abb. 5.8 Abhängigkeit der Oberflächenenergie und des polaren Anteiles von der Modifikatorkonzentration

(Massetemperatur: 300 °C; Werkzeugtemperatur: 80 °C; Material: Makrolon® 2805)

Auch die in Abb. 5.9 dargestellten Ergebnisse bestätigen die bei den Druckscherfestigkeits-

messungen getroffenen Aussagen. Die chemische Reaktion der Ankopplung des Modifikators

wird stark von der Temperatur beeinflusst. Niedrige Temperaturen haben wenig

Kopplungsstellen zur Folge. Dies bedeutet bei gleicher aufgesprühter Modifikatormenge, dass

weniger Amine bei der chemischen Reaktion in Amide umgewandelt werden. Die hohe

Polarität der vorhandenen freien Amine bei niedrigen Werkzeugtemperaturen wird im

gemessenen polaren Anteil der Abb. 5.9 deutlich.

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40 50 60 70 800

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in-situ-Modifizierung unmodifizierte Vergleichsprobe plasmabehandelte Vergleichsprobe in-situ-Modif. (polarer Anteil) unmodifizert (polarer Anteil) plasmamodifiziert (polarer Anteil)

Obe

rfläc

hene

nerg

ie n

ach

Wu

[mN

/m]

Werkzeugtemperatur [°C] Abb. 5.9 Abhängigkeit der Oberflächenenergie und des polaren Anteiles von der Werkzeugtemperatur

(Massetemperatur: 300 °C; Modifikatorkonzentration: 0,05 % PEI; Material: Makrolon® 2805)

Niedrig eingestellte Massetemperaturen (Abb. 5.10) zeigen den gleichen Effekt wie niedrige

Werkzeugtemperaturen. Auch hier nimmt der polare Anteil bei Temperaturen unter 300°C

deutlich zu.

280 290 300 310 3200

5

10

15

20

25

30

35

40

45

50

55

60

in situ Modifizierung unmodifizierte Vergleichsprobe plasmabehandelte Vergleichsprobe in situ Modif. (polarer Anteil) unmodifizert (polarer Anteil) plasmamodifiziert (polarer Anteil)

Obe

rfläc

hene

nerg

ie n

ach

Wu

[mN

/m]

Massetemperatur [°C] Abb. 5.10 Abhängigkeit der Oberflächenenergie und des polaren Anteiles von der Massetemperatur

(Werkzeugtemperatur: 80 °C; Modifikatorkonzentration: 0,05 % PEI; Material: Makrolon® 2805)

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Sowohl bei hohen Konzentrationen als auch bei niedrigen Verarbeitungstemperaturen sind

viele freie Amine auf der Oberfläche vorhanden, und der polare Anteil ist dementsprechend

hoch. Damit ein Klebstoff die zu verklebende Oberfläche besser benetzt, ist normalerweise

ein hoher polarer Anteil und somit eine hohe Oberflächenenergie der zu benetzenden

Oberfläche erwünscht. Bei den im Rahmen dieser Arbeit durchgeführten Untersuchungen, bei

denen die Verklebung mit einem Cyanacrylatklebstoff erfolgte, ist ein zu hoher polarer Anteil

für die Festigkeit der Klebeverbindung aber eher nachteilig, da die Startreaktion zur

Polymerisation des Klebstoffes an zu vielen Stellen gleichzeitig erfolgt und sich nur kurze

Ketten im Klebstoff bilden können. Unter optimalen Bedingungen (Konzentration und

Temperatur) ist der Anteil der eingebrachten Amine gering, was dadurch sichtbar wird, dass

es keine signifikante Änderung beim polaren Anteil der Oberflächenenergie gibt. Allerdings

reichen diese wenigen vorhandenen freien Amine aus, um die Verbundfestigkeit von

modifizierten Proben teilweise deutlich gegenüber unmodifizierten zu erhöhen.

5.2.3 Röntgenphotoelektronenspektroskopie XPS

Mittels Röntgenphotoelektronenspektroskopie ist die Zusammensetzung in den ersten fünf

Nanometern von in-situ spritzgegossenen Formteiloberflächen charakterisiert worden.

Untersucht wurden Formteile, die mit unterschiedlichen Modifikatorkonzentrationen

modifiziert wurden. Die Messungen erfolgten am Forschungsinstitut für Leder und

Kunststoffbahnen (FILK) in Freiberg. Die methodisch bedingte Peakverschiebung

(Verschiebung nach links) bei der Messung wurde nicht zu korrigieren versucht. Wegen der

geringen Empfindlichkeit der Methode gegenüber Stickstoff im Vergleich zum Kohlenstoff

und Sauerstoff wurde jeweils für Stickstoff ein Detailscan durchgeführt. Bei den

modifizierten Proben wurden zudem Detailspektren des C(1s)-Peaks aufgenommen und mit

der unmodifizierten Nullprobe verglichen.

In Abb. 5.11 ist das Übersichtsspektrum der Nullprobe dargestellt. Die Peaks beim

Kohlenstoff sowie bei Sauerstoff sind charakteristisch für Polycarbonat.

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Abb. 5.11 Übersichtssprektren einer unmodifizierten Polycarbonatoberfläche

Der bei der Modifizierung an der Oberfläche angekoppelte PEI-Modifikator lässt sich durch

den im PEI enthaltenen Stickstoff detektieren. Abb. 5.12 zeigt das Übersichtsspektrum einer

mit 0,1% PEI modifizierten Oberfläche. Neben dem deutlich ausgeprägten N(1s) Peak ist im

Vergleich zur unmodifizierten Probe eine Abnahme sowohl des Sauerstoffes als auch des

Kohlenstoffes zu erkennen. Ein Detailscan des C(1s) Peaks zeigte zudem eine

unsystematische Verbreiterung des Kohlenstoffpeaks.

Abb. 5.12 Übersichtssprektren einer mit 0,1% PEI modifizierten Polycarbonatoberfläche

Detailscan (N)

Detailscan (N)

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Mit Hilfe der XPS-Messungen lässt sich der Modifikator auf der Formteiloberfläche

nachweisen, allerdings erst bei höheren Konzentrationen. Tab. 5.3 zeigt die Zusammenset-

zung der Oberfläche bei unterschiedlichen Modifikatorkonzentrationen. Eine Erklärung für

die Herkunft des Na-Peaks bei 1 % PEI ließ sich nicht finden.

Tab. 5.3 Zusammensetzung der Oberflächen (in Atomprozent)

Probe C(1s) N(1s) O(1s) Na (KLL)

Nullprobe

(unmodifiziert)

84,3 - 15,7 -

0,001 % PEI 84,3 - 15,7 -

0,010 % PEI 83,1 - 16,9 -

0,100 % PEI 72,9 15,6 11,5 -

1,000 % PEI 77,3 12,6 8,4 1,7

5.2.4 Betrachtung der Schmelzebewegung im Zusammenhang mit dem applizierten

Modifikator

In diesem Kapitel soll untersucht werden, ob bei der in-situ-Oberflächemodifizierung der im

Werkzeug applizierte Modifikator sich durch die einströmende Schmelzefront beim

Spritzgießen örtlich verschiebt bzw. ob die Modifikatorsubstanz die Fließeigenschaft der

Schmelze beeinflusst.

Abb. 5.13 zeigt schematisch die Schmelzebewegung in der Kavität. Die Schmelze ist eine

hochviskose Flüssigkeit und bildet das durch Pfeile dargestellte Geschwindigkeitsprofil aus.

An der Werkzeugwand sowie in der Grenzschicht zwischen der eingefrorenen Randschicht

und der Schmelze geht die Geschwindigkeit gegen null. Schmelzeteilchen in der Mitte der

Kavität haben eine höhere Fließgeschwindigkeit als Teilchen in Randnähe. An der Fließfront

werden diese Teilchen daher aus der Kavitätsmitte in Richtung Werkzeugwand umgelenkt.

Gelangt ein Schmelzeteilchen in die Nähe der Werkzeugwand, verringert sich dessen

Geschwindigkeit und geht beim Auftreffen auf die Wand gegen null. Dem Strömungsvorgang

ist aufgrund der deutlich niedrigeren Werkzeugtemperatur im Vergleich zur Schmelzetempe-

ratur ein Abkühlprozess überlagert, und die Schmelze erstarrt augenblicklich beim Kontakt

mit der Werkzeugoberfläche. Es bildet sich eine eingefrorene Randschicht aus. Aufgrund der

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schlechten Wärmeleitung von Kunststoffen wirkt diese Schicht isolierend, und zwischen den

eingefrorenen Schichten fließt weiter Schmelze in Richtung Fließfront (Spitze des

Schmelzestromes). Die Bewegung einzelner Schmelzeteilchen wurde ausführlich z. B. von

[Ngu01] untersucht.

Abb. 5.13 Schematische Darstellung der Schmelzebewegung zwischen zwei unendlich ausgedehnten gekühlten

Platten [Ngu01]

Diese rheologische Betrachtung verdeutlicht, dass ein Transport des Modifikators durch die

Schmelzebewegung nicht zu erwarten ist, da beim Kontakt der Schmelze mit der

Werkzeugwand/Modifikator die Geschwindigkeit der Schmelze null wird und die Schmelze

schlagartig erstarrt.

Um diese Erkenntnis experimentell zu bestätigen, wurde eine Abdeckung gefertigt, die beim

Besprühen der Werkzeugoberfläche Teilbereiche der Kavität eines Biegestabes verdeckt

(siehe Abb. 5.14 links). Beim Aufsprühen des Modifikators bildet sich somit ein

Streifenmuster auf der Oberfläche des Werkzeuges aus. Nachdem das Formteil spritzgegossen

wurde, erfolgt der Nachweis, an welchen Stellen sich Modifkikator auf dem Formteil

befindet, durch den Indikator Eosin. Beim Kontakt der Oberfläche mit Eosin werden durch

Rotfärbung die reaktiven Modifikatorgruppen angezeigt (Abb. 5.14 Mitte). Messungen

ergaben im Rahmen des Fehlers des Messmittels, dass die Breite der rot gefärbten, also

modifizierten Flächen, exakt den Abmessungen der freien Flächen der Abdeckung beim

Besprühen entspricht. Die theoretische Annahme, dass kein Transport des Modifikators beim

Einspritzen stattfindet, konnte bestätigt werden.

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Abb. 5.14 Abdeckung (links), Streifenmuster auf dem Formteil (Mitte), Abdeckung über Streifenmuster gelegt (rechts)

Um zusätzlich auszuschließen, dass durch den Modifikator das Fließen der Schmelze

beeinflusst wird, sind Untersuchungen der Fließweglänge durchgeführt worden.

Konventionell wird zur Bestimmung der Fließweglänge ein Spiralwerkzeug eingesetzt. Dabei

wird in einer schmalen spiralförmig verlaufenden Kavität ermittelt, wie weit die Schmelze in

Abhängigkeit von den eingestellten Prozessparametern und von den Materialeigenschaften

fließt. Die Ermittlung eines Einflusses des aufgesprühten Modifikators auf den Fließweg der

Schmelze ist aber mit diesem Werkzeug nur bedingt möglich, da nicht sichergestellt werden

kann, ob die gemessenen minimalen Weglängenänderung durch den Modifikator oder durch

Druckschwankungen der Spritzgießmaschine induziert wurden. Um den Maschineneinfluss

ausschließen zu können, sind die Untersuchungen daher an einem Biegestabwerkzeug

durchgeführt worden.

Bei dem in Abb. 5.15 dargestellten Biegestabformteil wurde im Werkzeug nur die rechte

Seite mit Modifikator besprüht und die linke abgedeckt. Dies ermöglicht einen direkten

Vergleich zwischen den Fließwegen der Schmelze auf einer modifizierten und einer

unmodifizierten Werkzeugoberfläche. Die Formteilkavitäten wurden beim Spritzgießen nur

teilweise gefüllt (siehe Abb. 5.15). Die Einstellungen der Spritzgießmaschine sind dabei so

gewählt worden, dass sich drei verschiedene Stufen der Füllung unterscheiden lassen. Die

Fließwege auf der unmodifizierten (linken) und auf der modifizierten (rechten) Seite lassen

sich messen und miteinander vergleichen. Untersucht wurden Modifikatorkonzentrationen

von 0,1 % bis 1 %.

freie Stellen in der Abdeckung

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Abb. 5.15 Schematische Darstellung des Biegestabes (ganz links) und Teilfüllungen mit verschiedenen Füllgraden

Die Unterschiede der gemessenen Fließweglängen auf beiden Seiten waren sehr gering und

lagen im Bereich von 0,1 bis 0,5 mm. Messungen an Nullproben, bei denen beide Seiten

unmodifiziert waren, wiesen ebenfalls Schwankungen in diesem Bereich zwischen der rechten

und der linken Seite auf. Ein Einfluss des Modifikators auf die Fließweglänge konnte daher

nicht festgestellt werden.

5.3 Diskussion der Ergebnisse

Das in-situ-Modifizierungsverfahren kann eingesetzt werden, um Formteile herzustellen,

deren Oberflächen ohne weitere Vorbehandlung verklebt, bedruckt oder lackiert werden

können. In dieser Arbeit ist daher zunächst zum Nachweis, dass die Haftung bei

Klebeverbunden durch die Modifizierung verbessert wird, die Druckscherfestigkeitsmessung

eingesetzt worden. Mit diesem für die praktische Anwendung bedeutendsten Messverfahren

konnte zudem gezeigt werden, dass für das Modifizierungsergebnis die eingestellten

Prozessparameter eine wichtige Rolle spielen. Da hohe Temperaturen den Reaktionsablauf bei

der Modifizierung begünstigen, sind erwartungsgemäß die höchsten Festigkeitswerte bei

hohen Masse- bzw. Werkzeugtemperaturen ermittelt worden. Es ließ sich außerdem für die

praktische Anwendung des in-situ-Verfahrens ein relativ breiter Bereich für die

Modifikatorkonzentration eingrenzen, in dem eine deutliche Erhöhung der Festigkeit ermittelt

unmodifiziert modifiziert

Anguss

80 mm

Teilfüllung 1 Teilfüllung 2 Teilfüllung 3

Werkzeug: Campuswerkzeug (Biegestabeinsatz) Material: Makrolon 2805 Modifikatorkonzentrationen: 0,1 %; 0,5 % und 1 % Massetemperatur: 300 °C Werkzeugtemperatur: 80 °C

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werden konnte. Die Untersuchungen zeigten allerdings auch, dass die Modifikatorkonzentra-

tion nicht zu niedrig (kleiner als 0,005 %) gewählt werden sollte, da es sonst zu

Konzentrationsschwankungen beim Aufsprühen des Modifikators kommt und die Oberfläche

nicht gleichmäßig modifiziert wird. Bei einer zu hohen Konzentration hingegen (größer

0,1 %) sinken die Festigkeitswerte sogar unter die gemessenen Werte der unmodifizierten

Vergleichsprobe.

Mit Hilfe eines weiteren Messverfahrens, der statischen Randwinkelmessung, ließ sich der

Einfluss der Prozessparameter auf die Adhäsionseigenschaften weiter quantifizieren. Die

Messungen ergaben, dass im Gegensatz zu den Druckscherfestigkeitsmessungen für eine

Erhöhung der Oberflächenspannung und deren polarer Anteil niedrige Masse- bzw.

Werkzeugtemperaturen vorteilhaft sind. Ebenso konnte bei hohen Modifikatorkonzentratio-

nen eine deutliche Zunahme der Oberflächenenergie und des Polaranteils festgestellt werden.

Zu erwarten gewesen wäre, das durch die in-situ-Modifizierung bei optimalen

Prozessbedingungen sich sowohl die Haftfestigkeit, als auch die Benetzungsfähigkeit der

Oberfläche erhöht. Diese zunächst widersprüchlich erscheinenden Ergebnisse werden

verständlich, wenn zusätzlich die bei der Modifizierung ablaufende chemische Reaktion

betrachtet wird. An einer Modifikatorkette befinden sich vor der Modifizierungsreaktion viele

polare Aminogruppen. Bei der Ankopplungsreaktion, deren Reaktionsumsatz durch hohe

Temperaturen begünstigt wird, werden diese polaren Aminogruppen umgewandelt in Amide,

deren Polarität geringer ist. Niedrige Temperaturen bei der in-situ-Modifizierung bewirken,

dass zwar durch einige wenige Kopplungstellen (Umwandlung der Amine in Amide) die

Ketten mit dem Polycarbonat verbunden sind, aber viele freie polare Aminogruppen nicht

umgewandelt wurden. Der polare Anteil ist dann dementsprechend hoch. Die Frage, warum

trotz des hohen Polaranteils die Haftfestigkeit bei der Druckscherfestigkeitsuntersuchung bei

niedrigen Temperaturen so gering ist, lässt sich durch eine Betrachtung des Aushärtungsvor-

ganges des verwendeten Klebstoffes erklären. Die vielen vorhandenen polaren Amine bei

Formteilen, die mit niedrigen Masse- bzw. Werkzeugtemperaturen modifiziert wurden, starten

an vielen Stellen die Aushärtungsreaktion des Klebstoffes. Finden zu viele Startreaktionen

statt, hat das zur Folge, dass nur kurze Ketten im Klebstoff gebildet (polymerisiert) werden

können. Diese kurzen Ketten bewirken eine geringe Eigenfestigkeit des Klebstoffes, und es

kommt bei der Druckscherfestigkeitsmessung bereits bei niedrigen Werten zu einem

Kohäsionsbruch im Klebstoff. Liegt hingegen ein optimales Verhältnis von Amino- und

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Amidgruppen vor, was bei hohen Masse- bzw. Werkzeugtemperaturen der Fall ist, erhöht sich

die Festigkeit im Vergleich zur unmodifizierten Probe deutlich.

Durch weitere Untersuchungen mittels der Röntgenphotoelektronenspektroskopie konnten die

in-situ modifizierten Formteiloberflächen hinsichtlich ihrer chemischen Zusammensetzung

charakterisiert und die Modifikatorketten nachgewiesen werden. Da in dieser Arbeit durch

praxisnahe Messmethoden gezeigt werden konnte, dass das in-situ-Modifizierungsverfahren

geeignet ist, um die Verbundfestigkeit von Verklebungen zu erhöhen, sind abschließend

Untersuchungen durchgeführt worden, die für die praktische Anwendung relevant sind. So

konnte nachgewiesen werden, dass durch die Schmelzebewegung beim Einspritzen der

Modifikator nicht verschoben wird, sondern die Modifizierung dort stattfindet, wo die

Modifikatorsubstanz appliziert wurde. Auch eine Beeinflussung der Fließbewegung der

Schmelze beim Einspritzvorgang konnte nicht festgestellt werden. Der Spritzgießprozess wird

somit, abgesehen von einer eventuell längeren Öffnungsphase des Werkzeuges zur

Modifikatorapplizierung, durch die in-situ-Modifizierung nicht beeinflusst.

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6 Übertragbarkeit des Verfahrens auf andere Materialien am

Beispiel von Polypropylen

6.1 Mechanismus der in-situ-Oberflächenmodifizierung bei Polyolefinen

Nachdem die grundsätzliche Eignung der in-situ-Oberflächenmodifizierung bei Polycarbonat

nachgewiesen wurde, soll in den folgenden Kapiteln die Übertragbarkeit der Erkenntnisse auf

andere Thermoplaste beispielhaft überprüft werden.

Die Einsatzgebiete der konventionellen Oberflächenvorbehandlungsverfahren sind vor allem

wirtschaftlich interessante Materialien wie die Polyolefine [Gru92, Oec97, Ulm96, Wah93].

In Zusammenarbeit mit dem Institut für Polymerforschung in Dresen (IPF) sind daher

aufbauend auf den bisherigen Erkenntnissen Untersuchungen durchgeführt worden, um eine

Anwendung des in-situ-Verfahrens auch zur Modifizierung eines Polypropylens zu

ermöglichen.

Das Grundprinzip, dass die hohe Temperatur der Schmelze ausgenutzt wird, um eine

chemische Reaktion zur Ankopplung eines Modifikators an der Polymeroberfläche zu starten,

wird auch zur Modifizierung von Polyolefinen genutzt. Der Ablauf der Modifizierungsreakti-

on und der Ankopplungsmechanismus unterscheiden sich allerdings deutlich von denen bei

der Polycarbonatmodifizierung.

Während die Modifizierung beim Polycarbonat in einem Reaktionsschritt erfolgt (siehe

Abb. 2.3 auf Seite 15), sind bei der Modifizierung von Polyolefinen mehrere

Reaktionsschritte zur Kopplung der Modifikatorketten auf der Polymeroberfläche nötig. Die

schematische Darstellung der einzelnen Schritte zur Polyolefinmodifizierung zeigt Abb. 6.1.

Zunächst werden bei einer ausreichend hohen Temperatur durch eine Zerfallsreaktion

Radikale gebildet (Abb. 6.1 Schritt 1). Diese Radikale werden im zweiten Schritt sowohl auf

die Polyolefinketten als auch auf die Modifikatorketten übertragen, indem ein

Wasserstoffatom abstrahiert wird (Abb. 6.1 Schritt 2). Auf der Polyolefinoberfläche und an

dem Modifikator sind nun jeweils Kohlenstoffradikale vorhanden, die in einem dritten Schritt

(im Idealfall) rekombinieren, wodurch sich eine radikalische Kopplung des Modifikators mit

der Polyolefinoberfläche ergibt (Abb. 6.1 Schritt 3). Es können allerdings auch

Nebenreaktionen eintreten, wie z. B. eine Kombination der Modifikatorradikale (bzw.

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Polyolefinradikale) untereinander. Auch eine Absättigung der Radikale durch Sauerstoff ist

eine weitere mögliche Reaktion mit der Folge, dass die Radikale inaktiv werden. Ebenso kann

es zum Abbau oder zu einer Vernetzung der Polymere kommen.

Wie bei der Modifizierung von Polycarbonat sind auch hier wenige Kopplungsstellen

ausreichend, um die langen Modifikatorketten am Polyolefin zu binden. Der Modifikator

enthält viele funktionelle Gruppen, die zum einen die Adhäsions- bzw. die Benetzungseigen-

schaften des Polymers verbessern, zum anderen die Möglichkeit bieten, über diese Gruppen

weitere Modifikatorketten anzubinden.

Abb. 6.1 Reaktionsschritte bei der Oberflächenmodifizierung [Sch04.1]

Wegen der radikalischen Kopplungsreaktion wird bei der Modifizierung von Polyolefinen

zusätzlich zum Modifikator ein Initiator zur Bildung der Radikale benötigt. Sind diese beiden

Substanzen in Lösung nicht mischbar, kann dies für die verfahrenstechnische Umsetzung

bedeuten, dass zwei Sprühsysteme zur Applizierung benötigt werden. Die Auswahl geeigneter

Initiator-Modifkator-Kombinationen erfolgte durch Vorversuche (DSC-Messungen) am

Institut für Polymerforschung (IPF) in Dresden und an der Technischen Universität Chemnitz.

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6.2 DSC-Untersuchungen geeigneter Modifikatoren und Initiatoren

In den Untersuchungen von [Sch04.1] sind verschiedene Modifikatoren und Initiatoren auf

die Einsetzbarkeit bei der Oberflächenmodifizierung von Polyolefinen analysiert worden. In

den nachfolgend dargestellten DSC-Messungen sind die als geeignet ermittelten Initiator- und

Modifikatorsubstanzen auf die Anwendbarkeit zur Modifizierung des im Rahmen der

vorliegenden Arbeit ausgewählten Polypropylentyps (PP Stamylan) näher untersucht worden.

Einige wichtige Materialkennwerte für das Polypropylen sind im Anhang A zusammenge-

stellt.

In der in Abb. 6.2 dargestellten Aufheizkurve ist sehr gut der Kristallitschmelzpunkt (Peak bei

169 °C) des teilkristallinen Polypropylens ersichtlich. Die integrale Fläche unter dem Peak

stellt die Schmelzwärme zum Auflösen der kristallinen Struktur dar.

0 50 100 150 200 250 300

-0,2

0,0

0,2

0,4

0,6

0,8

1,0

1,2

1,4

1,6 (169°C) PP

DSC

[W/g

]

Temperatur [°C]

Abb. 6.2 Aufheizkurven (10 K/min) von Polypropylen (PP Stamylan)

Als mögliche Initiatoren, die bei einer bestimmten Temperatur Radikale bilden, ist sowohl ein

Benzoylperoxid (kurz BPO) als auch ein Kaliumperoxid (KPS) geeignet. Die Abb. 6.3 zeigt

die Aufheizkurven für die beiden Initiatoren. Bei BPO ist nach einem kurzen endothermen

Anstieg (bei 108 °C) eine schnell ablaufende, stark exotherme Reaktion (bei 110 °C)

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ersichtlich, wobei das BPO zerfällt und Radikale bildet. Das KPS hingegen benötigt zum

Zerfall deutlich höhere Temperaturen (Maximum bei 289 °C). Zudem läuft die Reaktion nicht

so schnell wie beim BPO ab, da der exotherme Peak breiter ist. Es findet bei beiden

Initiatoren ein Masseverlust von nahezu 100 % statt.

50 100 150 200 250 300

-3

-2

-1

0

1

2

BPO (108°C)

KPS (289°C)

BPO (110°C)

BPO KPS

DS

C [W

/g]

Temperatur [°C]

Abb. 6.3 Aufheizkurven (10 K/min) verschiedener Initiatoren

Ob die vom Initiator gebildeten Radikale auch auf die Polypropylenketten übertragen werden

können, lässt sich ermitteln, indem Gemische aus PP und KPS (bzw. PP und BPO) untersucht

werden. Die erste Aufheizkurve einer PP/KPS-Probe zeigt Abb. 6.4. Es ist der für

Polypropylen typische Kristallitschmelzpunkt bei 168 °C zu erkennen. Der Peak des Zerfalls

von KPS liegt allerdings hier schon bei 220 °C.

Die Wirkung der gebildeten Radikale von KPS auf das PP wird nach einer Abkühlung der

Probe und einem nochmaligen Aufheizen deutlich. Die ebenfalls in Abb. 6.4 dargestellte

zweite Aufheizkurve zeigt eine Verschiebung des Kristallitschmelzpunktes zu niedrigeren

Temperaturen (von 168 °C zu 156 °C). Ebenso ist eine Aufweitung des Peaks ersichtlich.

Dies deutet darauf hin, dass beim zweiten Heizen Polypropylenketten mit geringerer

Molmasse bzw. mit Verzweigungen vorhanden sind. Es ist anzunehmen, dass dieser

Molmassenabbau durch die Zerfallsreaktion des KPS zustande gekommen ist.

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0 50 100 150 200 250 300-5

-4

-3

-2

-1

0

1

2

(200°C)(156°C)(168°C)

(220°C)

PP+KPS (1. Heizen) PP+KPS (2. Heizen)

DS

C [W

/g]

Temperatur [°C] Abb. 6.4 Aufheizkurven (10 K/min) von PP+KPS (Gemisch im Verhältnis von 80/20 Masseprozent)

Die Aufheizkurven für ein PP/BPO-Gemisch zeigt Abb. 6.5. Der exotherme Zerfallspeak des

BPO’s liegt bei 113 °C. Beim zweiten Aufheizen ist sowohl die Lage des Kristallitschmelz-

punktes als auch die Peakbreite vom PP mit dem beim ersten Aufheizen identisch, was darauf

schließen lässt, dass keine Reaktion der vom BPO gebildeten Radikale mit dem Polypropylen

stattgefunden hat. Das PP ist beim Zerfall des BPO noch nicht aufgeschmolzen, weshalb die

zur Radikalübertragung nötige Molekularbeweglichkeit der PP-Ketten offensichtlich nicht

ausreichend ist. Beim Spritzgießen liegen allerdings andere Verhältnisse vor als bei einer

DSC-Messung. So trifft bei der in-situ-Oberflächenmodifizierung eine einströmende

Schmelzefront auf den applizierten Initiator. Beim Zusammentreffen der Schmelze mit dem

BPO wird dann der Zerfall gestartet. Die Molekularbeweglichkeit der PP-Schmelze ist dann

deutlich besser als in den DSC-Messungen, und die Radikalübertragung kann stattfinden.

Dies wurde in entsprechenden Vorversuchen am IPF in Dresden durch Messungen an einem

Microcompounder bestätigt. BPO ist also, auch wenn dies aus den hier vorgestellten DSC-

Messungen nicht deutlich wird, gut zur Radikalübertragung an Polyolefinen geeignet.

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0 50 100 150 200 250 300-2,5

-2,0

-1,5

-1,0

-0,5

0,0

0,5

1,0 (156°C)(158°C)

(113°C)

PP+BPO (1. Heizen) PP+BPO (2. Heizen)

DS

C [W

/g]

Temperatur [°C]

Abb. 6.5 Aufheizkurven (10 K/min) von PP+BPO (Gemisch im Verhältnis von 90/10 Masseprozent)

Das BPO ist als Initiator besser geeignet als das KPS, da es bei deutlich niedrigeren

Temperaturen zerfällt. Vorversuche zeigten, dass die in der Grenzschicht beim Spritzgießen

sich einstellenden thermischen Verhältnisse nicht ausreichen, um den Zerfall des KPS zu

starten. Für die experimentellen Versuche ist daher nur BPO als Initiator eingesetzt worden.

Als Modifikator ist ein Poly(2-ethyl-2-oxazolin) kurz PEOx ausgewählt worden. Die

Aufheizkurven im DSC zeigt Abb. 6.6. Beim ersten Heizen ist ein kleiner Peak bei 37 °C

vorhanden, der auf Verarbeitungseinflüsse zurückgeführt werden kann. Bei einer Temperatur

um die 100 °C ist ein breiter Peak ersichtlich, was auf das Vorhandensein von Wasser

hindeutet. Bei der zweiten Aufheizkurve hat sich der Peak von 37 °C auf 61 °C verschoben.

Dieses Verhalten ist typisch für PEOx. Eine Untersuchung von Modifikator-Initiator-

Gemischen, um festzustellen, ob die vom Initiator gebildeten Radikale auch auf die

Modifikatorketten übertragen werden können, ist allerdings nicht möglich, da kein

Kristallisationspeak wie beim PP vorhanden ist. Veränderungen an den Ketten des

Modifikators durch die Radikale sind daher bei PEOx im DSC nicht ersichtlich. In

Vorversuchen beim Spritzgießen konnte aber gezeigt werden, dass die Initiator-Modifikator-

Kombination aus BPO und PEOx eine Modifizierung der Polypropylenoberfläche bewirkt.

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0 50 100 150 200 250 300-0,2

-0,1

0,0

0,1

0,2

0,3

0,4

0,5

0,6

(61°C)

(37°C)

(Wasser) PEOx (1. Heizen) PEOx (2. Heizen)

DS

C [W

/g]

Temperatur [°C]

Abb. 6.6 Aufheizkurven (10 K/min) von PEOx

6.3 Untersuchung des Einflusses der Prozessparameter an modifizierten

Polypropylenoberflächen

6.3.1 Versuchsprogramm

In Voruntersuchungen ist für den bei der Modifizierung von Polypropylen eingesetzten

Modifikator PEOx eine optimale Konzentration von 0,1 % (Masseprozent) ermittelt worden.

Als Lösungsmittel wird Wasser verwendet. Vom Initiator BPO sind 2 % (Masseprozent) für

eine erfolgreiche Modifikation notwendig. Gelöst wird das Peroxid in Ethyl-Methylketon. Da

sich die beiden Lösungsmittel nicht miteinander mischen lassen, sind zwei Sprühsysteme

notwendig, um den Modifikator und den Initiator getrennt zu versprühen. Mittels eines

pneumatisch betriebenen Hubzylinders fahren die zwei in Abb. 6.7 (links) dargestellten

Sprühsysteme in das geöffnete Werkzeug ein und sprühen während der Einfahrbewegung die

Flüssigkeiten auf die Werkzeugoberfläche. Die Herstellung oberflächenmodifizierter

Formteile erfolgte mit einem Testplattenwerkzeug. Abb. 6.7 (rechts) zeigt ein mit diesem

Werkzeug spritzgegossenes Formteil und dessen wichtigste Abmaße.

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Abb. 6.7 Sprühvorrichtung (l.) und Testplatte (r.)

Um den Einfluss der Prozessparameter auf das Modifizierungsergebnis zu untersuchen, sind

die in Tab. 6.1 dargestellten Parameter variiert worden. Die fettgedruckten Werte markieren

die Standardwerte. Die modifizierten Formteiloberflächen wurden mit den bereits beim

Polycarbonat angewendeten Methoden, der Druckscherprüfung und der Randwinkelmessung,

analysiert.

Tab. 6.1 Versuchsmatrix

Prozessparameter Einstellwert

Werkzeugtemperatur TW in °C 20, 40, 60, 80,

Massetemperatur TM in °C 220, 240, 260, 280,

Einspritzgeschwindigkeit v in mm/s 40, 160, 280, 400

6.3.2 Druckscherfestigkeitsmessung

In den nachfolgenden Diagrammen sind neben den Festigkeiten der modifizierten Proben

auch die Verbundfestigkeiten von unmodifizierten sowie von mit Primer vorbehandelten

Verklebungen dargestellt. In Abb. 6.8 sind die gemessenen Druckscherfestigkeiten bei

unterschiedlich gewählten Massetemperaturen ersichtlich. Die Festigkeiten der in-situ-

Modifizierungen liegen alle deutlich höher als die der unmodifizierten Probe. Die Werte der

primervorbehandelten Klebungen sind allerdings nahezu doppelt so hoch. Ein Einfluss der

150 mm

100 mm

Sprühdüsen

Modifizierte Oberfläche

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Massetemperatur auf die Verbundfestigkeit der modifizierten Proben lässt sich nicht

feststellen.

220 240 260 2800

2

4

6

8

10

12

14 in-situ-Modifizierung unmodifizierte Vergleichsprobe primerbehandelte Vergleichsprobe

Obe

rfläc

hene

rgie

nac

h W

u [m

N/m

]

Massetemperatur [°C]

Abb. 6.8 Abhängigkeit der Druckscherfestigkeit von der Massetemperatur (Material: PP Stamylan;

Werkzeugtemperatur: 20°C; Einspritzgeschwindigkeit 280 mm/s;

Modifikatorkonzentration: 2 % BPO, 0,1 % PEOx)

Wie aus Abb. 6.9 ersichtlich ist, wirken sich unterschiedliche Werkzeugtemperaturen auf das

Modifizierungsergebnis und damit auf die Verbundfestigkeit aus. Die höchsten

Festigkeitswerte ergeben sich bei einer Temperatur des Werkzeuges von 40 °C. Wird die

Temperatur zu hoch eingestellt (TW=80 °C), fallen, im Gegensatz zu den Erwartungen

aufgrund der Beobachtungen am Polycarbonat, die Druckscherfestigkeitswerte auf das Niveau

der unmodifizierten Proben ab.

Die gewählte Werkzeugtemperatur ist entscheidend für die Konsistenz des aufgesprühten

Modifikator/Initiator-Gemisches. Zu hohe Werkzeugtemperaturen beschleunigen den

Verdunstungsprozess der Lösungsmittel derart, dass beim Spritzgießen der Modifikator als

Feststoff vorliegt und eine Oberflächenmodifizierung nicht stattfinden kann. Offensichtlich ist

für eine erfolgreiche Ankopplung des Modifikators wichtig, dass dieser beim Einspritzen der

Schmelze in flüssiger Form auf der Werkzeugoberfläche vorliegt. Bei Werkzeugtemperaturen

im Bereich von 20 °C bis 60 °C sind diese Voraussetzungen gegeben.

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]

Werkzeugtemperatur [°C] Abb. 6.9 Abhängigkeit der Druckscherfestigkeit von der Werkzeugtemperatur (Material: PP Stamylan;

Massetemperatur: 240°C; Einspritzgeschwindigkeit 280 mm/s;

Modifikatorkonzentration: 2 % BPO, 0,1 % PEOx)

Abb. 6.10 zeigt die Ergebnisse der Druckscherfestigkeitsmessung für Formteile, die bei

unterschiedlichen Einspritzgeschwindigkeiten hergestellt worden sind. Es ist ersichtlich, dass

niedrigere Geschwindigkeiten beim Einspritzen höhere Festigkeiten der Verklebung ergeben.

Bei 40 mm/s liegen die Festigkeitswerte der modifizierten Probe sogar über dem Wert der

primervorbehandelten Vergleichsprobe. Die Ursache dafür lässt sich wie folgt erklären. Der

Modifikator liegt aufgrund der gewählten Masse- und Werkzeugtemperaturen als

Flüssigkeitsfilm beim Einspritzen der Schmelze auf der Werkzeugoberfläche auf. Die

chemische Reaktion bei der Modifizierung von Polypropylen findet dann, im Gegensatz zur

Polycarbonatmodifizierung, bereits an der Schmelzefront statt und nicht erst beim Auftreffen

der Schmelze auf die Werkzeugwand. Bei einer niedrigen Geschwindigkeit der Schmelzefront

steht somit mehr Zeit für die Modifizierungsreaktion zur Verfügung, da die Umlenkung der

Schmelze von der Schmelzefront in Richtung Werkzeugwand länger dauert. An der

Werkzeugwand erstarrt die Schmelze schlagartig, und die Reaktion endet. Es ist ersichtlich,

dass sich der Modifizierungsmechanismus bei der Polypropylenmodifizierung sowohl im

Ablauf als auch in den zur Modifizierung notwendigen verfahrenstechnischen

Voraussetzungen (Modifikatorkonsistens) deutlich von dem der Polycarbonatmodifizierung

unterscheidet. Gründe, warum die Modifizierung von Polypropylen nur bei einem flüssigen

Modifikatorfilm stattfindet, und wie sich dies bei der Applizierung des Modifikators in der

Praxis auswirken kann, werden im Kapitel 6.4 ausführlich betrachtet.

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Einspritzgeschwindigkeit [mm/s]

Abb. 6.10 Abhängigkeit der Druckscherfestigkeit von der Einspritzgeschwindigkeit (Material: PP Stamylan;

Massetemperatur: 240 °C; Werkzeugtemperatur: 20 °C; Modifikatorkonzentration: 2 % BPO;

0,1 % PEOx)

6.3.3 Statische Randwinkelmessungen

Zunächst sind in Abb. 6.11 die aus den gemessenen Randwinkeln berechneten

Oberflächenenergien und deren polarer Anteil von modifizierten Polypropylenoberflächen

dargestellt, die mit unterschiedlichen Massetemperaturen gespritzt worden sind. Alle Werte

liegen deutlich über dem Wert der unmodifizierten Nullprobe. Die Oberflächenenergien bei

den gewählten Massetemperaturen sind bei 240 °C und 260 °C am höchsten. Insgesamt zeigt

sich aber, dass eine Variation der Temperatur der Schmelze sich nur minimal auf die

Ergebnisse der Randwinkeluntersuchung auswirkt.

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in-situ-Modifizierung unmodifizierte Vergleichsprobe in-situ-Modif. (polarer Anteil) unmodifiziert (polarer Anteil)

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Massetemperatur [°C]

Abb. 6.11 Abhängigkeit der Oberflächenenergie und des polaren Anteiles von der Massetemperatur (Material:

PP Stamylan; Werkzeugtemperatur: 20°C; Einspritzgeschwindigkeit: 280 mm/s;

Modifikatorkonzentration: 2 % BPO; 0,1 % PEOx)

Abb. 6.12 zeigt die Oberflächenenergien für modifizierte Formteile bei verschiedenen

Werkzeugtemperaturen. Wie bereits bei den Druckscherfestigkeitsmessungen festgestellt,

wird auch hier deutlich, dass eine Variation der Werkzeugtemperatur einen größeren Einfluss

auf das Modifizierungsergebnis hat als bei der Massetemperatur. Bei sehr hohen

Temperaturen (TW=80 °C) ist die Oberflächenenergie der modifizierten Probe mit den Werten

der unmodifizierten Nullprobe identisch. Die Ursache liegt, wie im vorangegangenen Kapitel

bereits erläutert, darin, dass bei der Modifizierung von Polypropylen der Modifikator beim

Einspritzen der Schmelze als Flüssigkeitsfilm auf der Werkzeugoberfläche vorliegen muss.

Bei Werkzeugtemperaturen über 60 °C verdampft allerdings das Lösungsmittel zu schnell und

der Modifikator bleibt als Feststoff auf dem Werkzeug zurück. Es findet dann keine

Modifizierung mehr statt. Der Modifkator wird nicht auf der Formteiloberfläche gebunden.

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in-situ-Modifizierung unmodifizierte Vergleichsprobe in-situ-Modif. (polarer Anteil) unmodifiziert (polarer Anteil)

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]

Werkzeugtemperatur [°C]

Abb. 6.12 Abhängigkeit der Oberflächenenergie und des polaren Anteiles von der Werkzeugtemperatur

(Material: PP Stamylan; Massetemperatur: 240°C; Einspritzgeschwindigkeit 280 mm/s;

Modifikatorkonzentration: 2 % BPO; 0,1 % PEOx)

Bei Werkzeugtemperaturen von 20 °C bis 40 °C verdampft das Lösungsmittel langsam und

der Flüssigkeitsfilm bleibt bis zum Einspritzvorgang nahezu unverändert auf der Oberfläche.

Der bessere Wert bei 40 °C gegenüber 20 °C Werkzeugtemperatur könnte dadurch bedingt

sein, dass die Molekülbeweglichkeit der Modifikatorsubstanz von der Temperatur abhängig

ist und der Flüssigkeitsfilm nach dem Aufsprühen sehr schnell die Werkzeugtemperatur

annimmt. Eine höhere Temperatur der Modifikatorlösung hat eine bessere Beweglichkeit der

Moleküle zur Folge. Durch den Einsatz eines anderen Lösungsmittels ist es theoretisch

möglich, die Temperatur weiter zu erhöhen und gleichzeitig das Verdampfen des

Lösungsmittels zu verhindern. Allerdings wäre dann der Prozess unwirtschaftlich, da die

höhere Werkzeugtemperatur die Kühlzeit verlängern würde.

Dass die Werte bei einer Temperatur des Werkzeuges von 40 °C besser sind als bei 20 °C,

könnte allerdings neben der besseren Molekülbeweglichkeit auch darin begründet sein, dass

die Abkühlung der heißen Schmelzefront beim Zusammentreffen mit dem Modifikatorfilm

bei 20 °C schneller erfolgt als bei 40 °C. Der Wärmeübergangskoeffizient zwischen Schmelze

und Modifikatorflüssigkeit liegt im Bereich von 600 bis 2300 W/(m2K), was eine Abkühlung

der Schmelzefront bereits vor dem Auftreffen auf der Werkzeugoberfläche bewirkt. Je

schneller diese Abkühlung erfolgt, umso weniger Zeit steht der Modifizierungsreaktion zur

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Verfügung. Als geeignete und auch wirtschaftlich sinnvolle Prozessparameter sind

Massetemperaturen im Bereich von 240 °C bis 260 °C und Werkzeugtemperaturen von 20 °C

bis 40 °C zu wählen.

Abb. 6.13 zeigt die Ergebnisse der Randwinkeluntersuchungen von modifizierten Proben, die

mit unterschiedlichen Einspritzgeschwindigkeiten hergestellt wurden. Es ist ersichtlich, dass

sich geringe Geschwindigkeiten, ähnlich wie bei den Druckscherfestigkeitsmessungen, positiv

auf den Modifizierungsprozess auswirken. Die Modifizierungsreaktion beginnt, wenn der

Modifikator mit der Fließfront zusammentrifft. Sie ist beendet, wenn die Schmelze erstarrt,

das heißt, wenn die Schmelze auf die Werkzeugwand trifft. Durch die niedrige

Einspritzgeschwindigkeit verlängert sich die Reaktionszeit, da die Umlenkung der Schmelze

an der Fließfront zur Werkzeugwand hin länger dauert.

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in-situ-Modifizierung unmodifizierte Vergleichsprobe in-situ-Modif. (polarer Anteil) unmodifiziert (polarer Anteil)

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Einspritzgeschwindigkeit [mm/s]

Abb. 6.13 Abhängigkeit der Oberflächenenergie und des polaren Anteiles von der Einspritzgeschwindigkeit

(Material: PP Stamylan; Massetemperatur: 240 °C; Werkzeugtemperatur: 20 °C;

Modifikatorkonzentration: 2 % BPO; 0,1 % PEOx)

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6.4 Verfahrenstechnische Unterschiede zwischen einer Polycarbonat- und

einer Polypropylenmodifizierung

Bei der Modifizierung von Polycarbonat wird der Modifikator auf die Werkzeugoberfläche

aufgesprüht. Das vorhandene Lösungsmittel verdampft dabei sofort auf der rund 80 °C

warmen Werkzeugwand. Der Modifikator liegt somit als Feststoff auf der Werkzeugoberflä-

che auf. Wird die Schmelze in die Kavität eingespritzt, ist der Zeitpunkt, an dem die

Schmelze auf die Werkzeugwand trifft, der Startpunkt der Modifizierungsreaktion. Im

weiteren Verlauf kühlt der Randbereich ab, bis die Temperaturen für die Reaktion nicht mehr

ausreichend sind und damit die Reaktion beendet ist. Abb. 6.14 zeigt schematisch die

Situation an der Fließfront beim Einspritzen der Schmelze in die Kavität.

Feste Modifikator-schicht

Fließfront

BahnlinieEingefrorene Schicht

Startpunkt der Modifizierung

Ende der Modifizierungsreaktion

Abb. 6.14 Schematische Darstellung des Modifizierungsprozesses an Polycarbonat

Die verfahrenstechnischen Abläufe bei der Polycarbonatmodifizierung lassen sich nicht ohne

weiteres auf die Polypropylenmodifizierung übertragen. Es zeigte sich in den durchgeführten

Untersuchungen, dass der Modifikator, im Gegensatz zur Modifizierung beim Polycarbonat,

in flüssiger Form auf der Werkzeugoberfläche vorliegen muss, wenn die Schmelze einströmt.

Niedrige Werkzeugtemperaturen sind daher vorteilhaft, damit das Lösungsmittel nicht zu

schnell verdampft.

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Der Start der Modifizierungsreaktion beginnt im Vergleich zur Poylcarbonatmodifizierung

nicht erst beim Kontakt mit der Werkzeugwand, sondern bereits früher. Sobald die Schmelze

die Modifikatorlösung erreicht hat, beginnt die chemische Reaktion (siehe Abb. 6.15). Der

Grund dafür, dass die Modifizierung nur dann erfolgreich ist, wenn der Modifikator in

flüssiger Form vorliegt, ist die bereits bei den DSC-Untersuchungen erwähnte

Molekülbeweglichkeit. Die Radikalübertragung des BPO’s mit dem Polypropylen erfolgt nur,

wenn sich das Polymer im Schmelzezustand befindet. Da die Schmelze beim Kontakt mit der

Werkzeugwand schlagartig erstarrt, kann ab diesem Zeitpunkt eine Übertragung der Radikale

an die Polymeroberfläche nicht mehr stattfinden. Die Zeit, in der die Modifizierungsreaktion

erfolgreich ablaufen kann, ist somit auf den Bereich vom ersten Kontakt mit der

Modifikatorlösung bis zum Auftreffen der Schmelzefront an der Werkzeugwand begrenzt

(Abb. 6.15). Bei niedrigen Einspritzgeschwindigkeiten steht für die Modifizierungsreaktion

mehr Zeit zur Verfügung, wodurch eine bessere Ankopplung der Modifikatorketten am

Polypropylen möglich ist. Allerdings sind niedrige Einspritzgeschwindigkeiten aus

wirtschaftlicher Sicht nachteilig.

AufgesprühterModifikatortropfen

Fließfront

BahnlinieEingefrorene Schicht

Startpunkt der Modifizierung

Ende der Modifizierungsreaktion

Abb. 6.15 Schematische Darstellung des Modifizierungsprozesses an Polypropylen

Dass für eine erfolgreiche Modifizierung von Polypropylen der Modifikator in flüssiger Form

auf dem Werkzeug aufliegen muss, ist bei einer Anwendung des Verfahrens an komplexen

Bauteilgeometrien zu berücksichtigen. Eine falsche Applizierung der Modifikatorlösungen

kann zu einem Verlaufen des Flüssigkeitsfilms führen, wodurch sich kein gleichmäßiges

Modifizierungsergebnis ergibt. Bei der Anwendung des Verfahrens ist ebenfalls zu beachten,

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dass es vorkommen kann, dass die Modifikatorflüssigkeit vor der Schmelze hergeschoben

wird und sich dadurch immer mehr Flüssigkeit vor der Schmelzefront ansammelt. Dies kann

zu Problemen bei der Entlüftung der Werkzeugkavität führen.

Bei der Modifizierung von Polycarbonat sind sehr geringe Mengen an Modifikator (im

Bereich von 0,005 % bis 0,05 %) ausreichend, um eine modifizierte Oberfläche zu erhalten.

Da die Auftragsdicke der Modifikatorsubstanz im Nanometer-Bereich liegt und nahezu der

gesamte im Werkzeug aufgebrachte Modifikator nach dem Spritzgießen mit der

Polycarbonatoberfläche verbunden ist, war selbst nach längeren Versuchsreihen nur eine sehr

geringe Ablagerung von Modifikator auf der Werkzeugoberfläche festzustellen. Bei der

Modifizierung von Polypropylen hingegen werden höhere Konzentrationen (z. B. 2 % BPO)

eingesetzt, was auch eine stärkere Modifikatorablagerung im Werkzeug zur Folge hatte.

Abschließend bleibt festzustellen, dass mit dem in-situ-Oberflächenmodifizierungsverfahrens

sowohl Polycarbonat- als auch Polyolefinoberflächen erfolgreich modifiziert werden können.

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7 Zusammenfassung

Im Rahmen dieser Arbeit ist das am Institut für Polymerforschung in Dresden in

Zusammenarbeit mit der Technischen Universität Chemnitz neu entwickelte Verfahren zur

in-situ-Oberflächenmodifizierung während des Spritzgießprozesses analysiert worden. Die

Grundidee dieses Verfahrens ist dabei, die beim Spritzgießen vorhandene thermische Energie

in Form der hohen Massetemperatur zu nutzen, um funktionelle Modifikatorgruppen auf der

Formteiloberfläche zu binden. Die Modifizierung erfolgt dabei im Gegensatz zu den

konventionellen Verfahren nicht in einer zusätzlichen Nachbehandlung, sondern bereits

während des Spritzgießens. Der verfahrenstechnische Ablauf der in-situ-Modifizierung

gliedert sich in drei Teilschritte. Zunächst muss im ersten Schritt der Modifikator, der an die

Oberfläche gebunden werden soll, im Spritzgießwerkzeug appliziert werden. Geeignet hierfür

ist das Auftragen mittels einer Sprühvorrichtung, um eine gleichmäßige Verteilung zu

gewährleisten. Im zweiten Schritt wird die Schmelze eingespritzt. Die thermische Energie des

Schmelzematerials startet daraufhin im dritten Schritt eine chemische Reaktion, die den

Modifikator an die Formteiloberfläche bindet. Das fertige Formteil besitzt dann eine

langzeitstabile aktivierte Oberfläche. Das Verfahren ist äußerst wirtschaftlich und mit

geringen Investitionskosten verbunden.

Das in-situ-Oberflächenmodifizierungsverfahren ist zunächst an einem Polycarbonatmaterial

untersucht worden. Entscheidend für den Ablauf der chemischen Reaktion zur Ankopplung

des Modifikators an der Formteiloberfläche sind die beim Spritzgießen auftretenden

thermischen Verhältnisse. Die drastische Abkühlung der Schmelze beim Auftreffen auf die

Werkzeugwand bewirkt, dass nur Sekundenbruchteile für den Reaktionsablauf zur Verfügung

stehen. Mit Hilfe von Simulationsprogrammen (Fidap und Moldflow) sind die

Temperaturverläufe für diese sehr kurze Zeitspanne berechnet worden. In den Berechnungen

der Softwareprogramme werden dabei teilweise spezielle Annahmen und Vereinfachungen

getroffen wie z. B., dass ein idealer Wärmeübergang zwischen Werkzeug und Formteil erfolgt

oder, dass die Temperaturabhängigkeiten der Wärmeleitfähigkeit bzw. der spezifischen

Wärmekapazität zu vernachlässigen sind. Für die meisten Anwendungsfälle sind die mit

diesen Annahmen berechneten Ergebnisse hinreichend genau. Ziel dieser Arbeit war es

allerdings, die Temperatur in der Grenzschicht zwischen Formteil und Werkzeugoberfläche so

exakt wie möglich zu bestimmen. Aus diesem Grund mussten im Vorfeld alle im

Zusammenhang mit der Temperaturberechnung relevanten Stoffdaten und deren Einfluss auf

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das Berechnungsergebnis näher betrachtet werden. Hier zeigte sich, dass vor allem die

Kenntnis des Wärmeübergangskoeffizienten für die Genauigkeit der Berechnung

entscheidend ist. Ein entsprechender Werkzeugeinsatz zur Messung des Koeffizienten beim

Spritzgießen ist daraufhin konzipiert und gefertigt worden. Die ermittelten Stoffwerte sind in

den Berechnungen zur thermischen Situation beim Spritzgießen berücksichtigt worden.

Mit Hilfe der Simulationsprogramme konnte der Einfluss der Prozessparameter wie Masse-

und Werkzeugtemperatur auf die sich beim Spritzgießen einstellenden Temperaturen eruiert

werden. Auf der Basis der berechneten Temperaturverläufe an der Formteiloberfläche ließ

sich die temperaturabhängige Reaktionsgeschwindigkeitskonstante bei der Modifizierungsre-

aktion berechnen und damit der Einfluss der Prozessparameter auf die chemische Reaktion

abschätzen. Erwartungsgemäß zeigte sich, dass vor allem bei hohen Massetemperaturen sich

die Reaktionsgeschwindigkeitskonstante deutlich erhöht. Ebenso bewirkt eine höhere

Einspritzgeschwindigkeit aufgrund der Schererwärmung im Randbereich eine

Temperaturerhöhung an der Formteiloberfläche, weshalb hier ebenfalls die Geschwindig-

keitskonstante der Reaktion zunimmt. Entgegen der Erwartung ist die Zunahme der Konstante

bei einer Erhöhung der Werkzeugtemperatur im Vergleich zu einer Massetemperaturerhöhung

eher gering.

Eine messtechnische Erfassung der drastischen Abkühlung direkt nach dem Kontakt der

Schmelze mit der Werkzeugwand ist bei Abkühlgradienten im Bereich von 3 K/ms nicht

möglich. Es konnte allerdings durch Messungen mittels eines IR-Sensors gezeigt werden,

dass während der Nachdruck- und Restkühlphase die berechneten mit den gemessenen

Temperaturverläufen an der Formteiloberfläche gut übereinstimmen.

Eine Analyse modifizierter Formteiloberflächen zeigte, wie sich das Adhäsionsverhalten

durch die Modifizierungsreaktion ändert. Durch Randwinkelmessungen konnten Änderungen

der Oberflächenspannung quantifiziert werden. Zudem ist mittels eines eher praxisnahen

Messverfahrens, der Druckscherfestigkeitsmessung, die Verbundfestigkeit von verklebten,

modifizierten Formteilen bestimmt worden. Sowohl durch die Randwinkelmessungen, als

auch durch die Untersuchungen der Druckscherfestigkeit an modifizierten Polycarbonatober-

flächen konnte außerdem aufgezeigt werden, wie sich die beim Spritzgießen eingestellten

Prozessparameter auf das Modifizierungsergebnis auswirken. Dabei haben sowohl die

Konzentration des Modifikators, als auch die Masse- und Werkzeugtemperatur einen

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entscheidenden Einfluss auf das Modifizierungsergebnis der Oberfläche. Niedrige

Modifikatorkonzentrationen und hohe Temperaturen führten zu einer Erhöhung der

Verbundfestigkeit von Verklebungen. Anhand der Messergebnisse konnte ein Arbeitsbereich

bei den Prozessparametern eingegrenzt werden, der eine optimale Modifizierung der

Oberfläche ergibt. Der Nachweis, dass der Modifikator auf der Oberfläche gebunden wurde,

erfolgte durch XPS-Messungen. Bei hohen Konzentrationen konnte der nur im Modifikator

enthaltene Stickstoff auf den modifizierten Proben nachgewiesen werden.

Eine rheologische Betrachtung des in-situ-Verfahrens zeigte, dass der beim Einspritzen auf

der Werkzeugoberfläche befindliche Modifikator durch die einströmende Schmelze nicht

verschoben wird. Die Modifizierung der Oberfläche findet somit ausschließlich dort statt, wo

der Modifikator vorher appliziert wurde. Ebenfalls konnte festgestellt werden, dass die

Fließweglänge der Schmelze durch die Modifikatorschicht nicht beeinflusst wird.

Ob sich die bei der Polycarbonatmodifizierung gewonnenen Erkenntnisse auch auf andere

Thermoplaste übertragen lassen, ist beispielhaft anhand der Modifizierung eines

Polypropylens untersucht worden. Wie auch bei der Oberflächenmodifizierung von

Polycarbonat wird hier die beim Spritzgießen vorhandene thermische Energie zum Start einer

chemischen Reaktion genutzt. Allerdings sind bei der Polypropylenmodifizierung

Unterschiede sowohl beim Ablauf der Modifizierungsreaktion als auch beim

Ankopplungsmechanismus im Vergleich zur Polycarbonatmodifizierung vorhanden. Die

Modifikatoranbindung beim Polypropylen erfolgt nicht wie beim Polycarbonat durch eine

„Einspaltungsreaktion“, sondern durch eine radikalische Kopplung. Geeignete Initiatoren zur

Bildung von Radikalen sind in Voruntersuchungen mittels DSC-Messungen analysiert

worden. Bei der Untersuchung des Einflusses der Prozessparameter beim Spritzgießen auf das

Modifizierungsergebnis zeigte sich, dass für eine erfolgreiche Modifizierung von

Polypropylen andere verfahrenstechnische Voraussetzungen gegeben sein müssen, als beim

Polycarbonat. Da das Lösungsmittel bei der Polycarbonatmodifizierung aufgrund der hohen

Werkzeugtemperaturen schnell verdampft, liegt beim Einspritzvorgang der Modifikator als

Feststoff vor. Bei der Modifizierung von Polypropylen konnte allerdings nur eine

Modifizierungsreaktion stattfinden, wenn der Modifikator als Flüssigkeitsfilm auf der

Werkzeugoberfläche vorlag. Deshalb sollte die beim Spritzgießen eingestellte

Werkzeugtemperatur nicht zu hoch gewählt werden, damit das Lösungsmittel nicht zu schnell

verdampft. Die Massetemperatur spielt bei der Modifizierung von Polypropylen keine

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entscheidende Rolle. Die Einspritzgeschwindigkeit hat dagegen einen großen Einfluss auf die

Reaktionszeit der Ankopplungsreaktion. Niedrige Geschwindigkeiten begünstigen die

Modifizierungsreaktion.

Die Ergebnisse dieser Arbeit zeigen, dass das in-situ-Oberflächenmodifizierungsverfahren zur

Vorbehandlung von Polykondensat- und Polyolefinoberflächen geeignet ist. Die thermischen

und verfahrenstechnischen Verhältnisse konnten durch die angewendeten theoretischen und

experimentellen Methoden detailliert beschrieben werden. Die gewonnenen Erkenntnisse

leisten einen entscheidenden Beitrag zum Verständnis der ablaufenden Prozesse bei einer

Modifizierung während des Spritzgießens.

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[Mic93] Michaeli, W.: Technologie des Spritzgießens, Hanser Verlag, München 1993

[Mic97] Michaeli, W.: 2,5D und 3D im Vergleich, Kunststoffe, 87 (1997), S. 462-464

[Mol95] N. N.: Theory Manual V9.0-Flow analysis for materials with fiber orientation, Programmdokumentation der Fa. Moldflow, ca. 1995

[Mon01] Moneke, M.: Die Kristallisation von verstärkten Thermoplasten während der schnellen Abkühlung und unter Druck, Dissertation, Technische Universität Darmstadt, Darmstadt, 2001

[Mue02] Müller, A.: Einfärben von Kunststoffen, Hanser Verlag, München; Wien, 2002

[Ngu01] Nguyen-Chung, T.: Strömungsanalyse der Bindenahtformation beim Spritzgießen von thermoplastischen Kunststoffen, Dissertation, Technische Universität Chemnitz, Chemnitz, 2001

[Nit95] Nitschke, M.: Infrarotspektoskopische Charakterisierung plasmamodifizierter Polymeroberflächen, Dissertation, Technische Universität Chemnitz, Chemnitz, 1995

[NN00] N. N.: Vorausberechnung der präzisen Werkzeugkontur beim Spritzgießen, Abschussbericht, Deutsches Kunststoff Institut Darmstadt, Darmstadt, 2000

[NN04] N. N.: Praktikum Prozesssimulation, Skript, Universität Erlangen-Nürnberg, Erlangen-Nürnberg, 2004

[NN99] N. N.: Oberflächenmodifizierung von Polymeren für Verbundsysteme, Tagungsband, Franz-Patat-Zentrum, Braunschweig, 1999

[Obe93] Obendrauf, W.; Kukla, C.; Langecker, G. R.: Schnelle Temperaturmessung mit IR-Fühlern, Kunststoffe, 83 (1993) 12, S. 971-974

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102

[Oec97] Öchsner, R.: Modifizierung der Oberflächeneigenschaften von Polymeren durch Ionenimplantation, Dissertation, Universität Erlangen-Nürnberg, Erlangen-Nürnberg 1997

[Ouk94] Ouk, S.: Modifizierung von Polyester durch Plasmabehandlung, Dissertation, Technische Universität Chemnitz, Chemnitz, 1994

[Pot04] Potente, H.: Fügen von Kunststoffen, Hanser Verlag, München; Wien, 2004

[Rot01] Roth, S.: Bindenahtuntersuchungen am Oberteil des Kunststoffsaugrohres SMART, Diplomarbeit, Technische Universität Chemnitz, Chemnitz, 2001

[Sch04.1] Scheidler, D.: Untersuchungen zum Oberflächenreaktiven Spritzgießen von Thermoplasten, Diplomarbeit, Hochschule für Technik, Wirtschaft und Sozialwesen Zittau/Görlitz, Zittau/Görlitz, 2004

[Sch04.2] Schießl, P.; Heinz, D.: Chemische Analytik Teil IV, Skript, Technische Universität München, München, 2004

[Sch85] Schmidt, J.: Wärmetechnische Auslegung von Profilkühlstrecken mit Hilfe der Methode der finiten Elemente (FEM), Dissertation, Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen, Aachen, 1985

[Sti01] Stitz, S.; Keller, W.: Spritzgießtechnik, Hanser Verlag, München; Wien, 2001

[Thi78] Thienel, P.; Kemper, W.; Schmidt, L.: Praktische Anwendungsbeispiele für die Benutzung von p-v-T-Diagrammen, Plastverarbeiter, 29 (1978) 12, S. 673-676

[Thr99] Throne, J.; Beine J.: Thermoformen, Hanser Verlag, München; Wien, 1999

[Ulm96] Ulmer-Langner, H.: Modifizierung von Polypropylen zur Verbesserung der Lackhaftung, Dissertation, Universität Stuttgart, Stuttgart, 1996

[Wah93] Wahono, W.: Untersuchungen unterschiedlicher Verfahren zur Klebflächenvorbe-handlung von Kunststoffen auf EPDM- und PP-Basis, Dissertation, Technische Universität Berlin, Berlin, 1993

[Web00] Webelhaus, F.: Numerische Simulation des Spritzgießprozesses unter Berücksichtigung dreidimensionaler Strömungseffekte und der Materialkompres-sibilität, Dissertation, Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen, Aachen, 2000

[Wue74] Wübken, G.: Einfluss der Verarbeitungsbedingungen auf die innere Struktur Thermoplastischer Spritzgussteile unter besonderer Berücksichtigung der Abkühlverhältnisse, Dissertation, Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen, Aachen, 1974

[Yu90] Yu, C.; Sunderland, J.; Poli, C.: Thermal Contact Resistance in Injection Molding, Polymer Engineering and Science, 30 (1990), S. 1599-1606

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Anhang A: Materialeigenschaften Material: Makrolon® 2805 Hersteller: Bayer MaterialScience Eigenschaft Prüfbedingung Einheit Wert

Rheologische Eigenschaften Schmelze-Volumenfließrate (MVR) 300 °C; 1.2 kg cm³/(10 min) 9.5

Verarbeitungsschwindung, parallel 60x60x2; 300 °C / WZ 80 °C; 500 bar % 0.65

Verarbeitungsschwindung, senkrecht 60x60x2; 300 °C / WZ 80 °C; 500 bar % 0.7

Schmelze-Massefließrate (MFR) 300 °C; 1.2 kg g/(10 min) 10 Mechanische Eigenschaften (23 °C/50 % r. F.) Zug-Modul 1 mm/min MPa 2400 Streckspannung 50 mm/min MPa 66 Streckdehnung 50 mm/min % 6.1 Nominelle Bruchdehnung 50 mm/min % > 50 Bruchspannung 50 mm/min MPa 65 Bruchdehnung 50 mm/min % 115 Zug-Kriech-Modul 1 h MPa 2200 Zug-Kriech-Modul 1000 h MPa 1900 Biege-Modul 2 mm/min MPa 2350 Biegefestigkeit 2 mm/min MPa 98 Charpy-Schlagzähigkeit 23 °C kJ/m² N Charpy-Schlagzähigkeit -30 °C kJ/m² N Thermische Eigenschaften Glasübergangstemperatur 10 °C/min °C 145 Formbeständigkeitstemperatur 1.80 MPa °C 125 Formbeständigkeitstemperatur 0.45 MPa °C 138 Vicat-Erweichungstemperatur 50 N; 50 °C/h °C 145 Vicat-Erweichungstemperatur 50 N; 120 °C/h °C 146

Linearer Wärmeausdehnungskoeffizient, parallel 23 bis 55 °C 10-4/K 0.65

Linearer Wärmeausdehnungskoeffizient, senkrecht 23 bis 55 °C 10-4/K 0.65

Wärmeleitfähigkeit 23 °C W/(m·K) 0.20 Sonstige Eigenschaften (23 °C) Wasseraufnahme (Sättigungswert) Wasser bei 23 °C % 0.30 Wasseraufnahme (Gleichgewichtswert) 23 °C; 50 % r.F. % 0.12 Dichte kg/m³ 1200

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Eigenschaft Prüfbedingung Einheit Wert Formmasse-spezifische Eigenschaften Viskositätszahl cm³/g 59 Brechungsindex Methode A - 1.586 Trübung von transparenten Materialien 3 mm % < 0.8

Lichttransmission (farblos transparentes Material) 1 mm % 89

Lichttransmission (farblos transparentes Material) 2 mm % 89

Lichttransmission (farblos transparentes Material) 3 mm % 88

Lichttransmission (farblos transparentes Material) 4 mm % 87

Herstellbedingungen für Probekörper Spritzgießen-Massetemperatur °C 300 Spritzgießen-Werkzeugtemperatur °C 80 Spritzgießen-Einspritzgeschwindigkeit mm/s 200

Diese Eigenschaftsmerkmale sind Bestandteil der Kunststoffdatenbank CAMPUS und basieren auf dem international festgelegten Katalog von Grunddaten für Kunststoffe ISO 10350.

Modifikator: Polyethylenimin Hersteller: Polysciences, Inc Eigenschaften

Einheit Wert

Molekulargewicht

g/mol 250,000

Schmelztemperatur

°C 72

Zustand bei Raum- temperatur

fest

Präexponentieller Faktor Z

l/(mol*s) 1012

Aktivierungsenergie EA kJ/mol

120

Löslich in

heißem Wasser kaltes Wasser (bei niedrigem PH-Wert) Methanol Ethanol Chloroform

Nicht löslich in Benzol Ethylether Aceton kaltes Wasser

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Material: SABIC® PP 576P Hersteller: SABIC Eigenschaft Prüfbedingung Einheit Wert

Rheologische Eigenschaften Schmelze-Massefließrate (MFR) 230 °C; 2.6 kg g/(10 min) 19 Mechanische Eigenschaften (23 °C/50 % r. F.) Streckspannung MPa 43 Streckdehnung % 700 Bruchspannung MPa 30 Biege-Modul MPa 1900 Charpy-Schlagzähigkeit kJ/m² 2,5 Thermische Eigenschaften Formbeständigkeitstemperatur 1.80 MPa °C 53 Formbeständigkeitstemperatur 0.45 MPa °C 98 Vicat-Erweichungstemperatur 10 N (VST/A) °C 152 Vicat-Erweichungstemperatur 50 N (VST/B) °C 85

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Lebenslauf Angaben zur Person Name: René Brunotte

Geburtsdatum: 03.12.1977

Geburtsort: Erfurt

Familienstand: ledig

Nationalität: Deutsch Schule und Wehrdienst 09/1984 bis 08/1990 Polytechnische Oberschule 48 Erfurt

09/1990 bis 08/1996 Pierre-de-Coubertin-Gymnasium Erfurt

09/1996 bis 07/1997 Wehrdienst bei der Luftwaffe als Radarflugmelder Studium 10/1997 bis 12/2002 Studium des Maschinenbaus an der Technischen Universität

Chemnitz mit Vertiefungsrichtung Kunststoffverarbeitungstechnik im Hauptstudium

Tätigkeiten während des Studiums 09/2000 bis 03/2001 Praxissemester bei der AUDI AG in Ingolstadt

11/2001 bis 06/2002 Studentische Hilfskraft an der Technischen Universität Chemnitz,

Allgemeiner Maschinenbau und Kunststofftechnik Beruf seit 01/2003 Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Technischen Universität

Chemnitz, Allgemeiner Maschinenbau und Kunststofftechnik