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Die Universidad Nacional
In Kolumbien zählt man dutzende private und einige öffentliche Universitäten, von denen die
Universidad Nacional („Nationale Universität“) eine der meistgelobten und besten ist. Die
Aufnahmeprüfungen sind heftig und viele scheitern daran, was bedeutet, dass sie deutlich mehr Geld
für nur unwesentlich andere Bildung an einer Privatuni zahlen müssen, wenn sie studieren wollen. In
diesem Bericht werde ich mich zwar immer auf „die Uni“ beziehen, behaltet aber im Kopf, dass es
viele Unis gibt, die sich teilweise auch deutlich voneinander unterscheiden.
Die Universidad Nacional ist schon immer ein kreatives Pflaster gewesen, ein Ort des kreativen
Ausdrucks, der Graffitis und Wandmalereien. Es ist ein ewiges Spiel zwischen Studenten und
Reinigungskräften, die Tag für Tag die Wände weißen, während Studenten an anderer Stelle wieder
Farbe auf das Weiß bringen. Schöne, kunstvolle Graffitis überleben dabei jedoch deutlich länger als
einfache Schmierereien, die zu Kommunismus oder zum Sturz des Präsidenten aufrufen.
Der Campus der Uni ist ein riesiger Park, über den die verschiedenen Fakultäten, ein Stadion, eine
der Uni angehörende Schule und die Verwaltungsgebäude verstreut sind. Auf dem Campus lässt es
sich bei gutem Wetter herrlich entspannen, weshalb auch immer was los ist.
Ich persönlich bin großer Fan der Idee alle Fakultäten auf einem großen Campus zu haben, denn
wenn alle Fakultäten über Bogotá verstreut wären würde viel von der Atmosphäre verloren gehen.
Zudem ist die Uni auch zugleich ein Arbeitsplatz für viele Studenten, die von der Zentralität der Uni
profitieren. Manche verkaufen selbstgebackene Kekse oder Kuchen, andere Süßigkeiten, Empanadas
(In jeglicher Kombi mit Fleisch, Kartoffeln, Käse und/oder Reis gefüllte Teigtaschen), Computerspiele,
Filme (natürlich raubkopiert) oder Tinto. Ein Bild von diesem espressoähnlichen (sag ich jetzt mal so
ohne viel Ahnung von Kaffee zu haben), meist brühend heiß servierten, pechschwarzen Kaffee, der so
manchem Studenten am Morgen Leben einhaucht, möchte ich euch nicht vorenthalten:
Neben all den anderen Dingen, mit denen man in der Uni (aber natürlich auch in allen anderen Teilen
der Stadt) versorgt wird, gibt es noch ein weiteres interessantes Geschäftsmodell: An jeder Ecke
werden Gesprächsminuten über Handys vermietet. Dazu legt sich beispielsweise ein Student ein
Handy mit einem Vertrag zu, der sich erst lohnt, wenn man wirklich sehr viel telefoniert, setzt sich an
einen Platz, wo viele Menschen vorbeikommen, kettet sein Handy (oder auch mehrere) an einen
Baum oder anderen Gegenstand, stellt ein Schild mit dem Preis auf und wartet, bis die Kunden
vorbeikommen. Da die Gesprächspreise deutlich billiger sind als vom Privathandy aus, bekommt man
eigentlich generell Anrufe von unbekannten Nummern, bei denen man den Gesprächspartner erst
herausfinden muss (es ist nicht sehr verbreitet sich mit Namen zu melden, wenn man anruft, drum
muss man immer erst fragen, mit wem man gerade spricht).
Tinto wird meist kochend heiß und in modischen Plastikbechern serviert. Der Strohhalm ist nicht, wie ich anfangs annahm und mich böse verbrannte, zum Trinken gedacht, sondern dient als eleganter Umrührer. Wenn man nämlich Glück hat, wird einem der Tinto ungesüßt verkauft, was die unglaubliche Überdosis an Zucker verhindert. Mir persönlich reicht eine halbe Packung Zucker auf 0,1 Liter Kaffee.
Angekettete Telefone und das typische Schild (rechts unten). 100 Pesos ist ein ungeschlagener Preis, den ich bis jetzt nur in der Uni gefunden habe. Er entspricht etwa 3,3 Eurocent und beträgt somit nur ein Drittel des Gesprächspreises von Privathandys aus.
Das Herz des Unicampus, wo sich auch die meisten Süßigkeitenhändler und einige kleine Kantinen
mit frischen Fruchtsäften und belegten Brötchen befinden, bildet die „Plaza Che“ (Platz des Che).
Namensgebend war hier der wohlbekannte argentinische Guerillaführer Che Guevara, dessen
Portrait den Platz wachend überblickt.
Um sich auf dem großen Campus (ein strammer Marsch von einem Ende zum anderen dauert etwa
15 Minuten) etwas schneller zu bewegen, hat sich die Uni ein tolles Projekt ausgedacht: Es wurden
Fahrräder mit dem Logo der Uni angefertigt, die kein Schloss besitzen und für Jedermann benutzbar
sind. Meistens lehnen sie an den Eingängen der Uni oder vor den Fakultäten, wo sie regelmäßig
eingesammelt und gewartet werden. Ihr denkt jetzt bestimmt: Die werden doch geklaut. Die Uni ist
umzäunt und bewacht, damit eben solche Dinge wie Fahrräder oder Laptops nicht geklaut werden
können. Zu diesem Zweck muss man Laptops, Kameras, Instrumente, Fahrräder und Ähnliches am
Eingang registrieren und auf Nachfrage beim Verlassen des Geländes mitsamt dem Regis-
trierungswisch vorzeigen.
Die „Plaza Che“, zentraler Treffpunkt, Platz für Festlichkeiten und für allwochenendliche Lagerfeuer (auf der angrenzenden Wiese). Letztere werden üblicherweise von nationalem Bier (schmeckt gut) und billigem, gezuckerten Wein (schmeckt scheußlich) begleitet.
Die modischen Fahrräder der Uni, die leider nicht so zahlreich sind, dass man oft eins abkriegt
Wenn man den Campus (mit oder ohne) Fahrrad erkundet stößt man auf schöne, auf hässliche, auf
verfallene und auf interessante Ecken. Neben über den Campus verstreuten Kunstwerken finden sich
Sportplätze, das bereits weiter oben genannte Unistadion und vor der Fakultät der Künste sonnen
sich zwei interessante Statuen (von denen ich leider kein Bild habe). Aus Ecken und Winkeln schallt
linke Musik, Ska, Raggae, aber auch von Künstlern wie Manu Chao. Unweit des Stadions
verwunderten mich ein Dutzend grasender Kühe und Schafe. Ein wenig weiter sah ich dann Salate
und Kohl aus dem Boden sprießen, als ein Blick auf den Plan des Campus mir die Situation klar
machte: Ich war in der Nähe der Fakultät für Agronomie, wo die Studenten mit Heugabeln und
Harken bewaffnet ihre Theorie zum Anbau ökologischen Gemüses und zur Viehzucht in der Praxis
ausprobieren.
Neben all den Studienrelevanten Einrichtungen, Fakultäten und Gemüsebeeten bietet die Uni
natürlich auch noch ein breites Freizeitangebot, das Theater, Tanz, Massage, Musik und weitere
Themenfelder abdeckt. Über dieses Angebot sollte man sich gleich zu Semesterstart informieren, um
die Anmeldung nicht zu verpassen. Aktuelle Workshopangebote werden zu der Zeit als Flyer
ausgeteilt, auf denen auch die Wochentage und Zeiten zu finden sind.
Praktische Tipps
In diesem Kapitel werde ich versuchen kurz und übersichtlich eine Reihe von Dingen aufzulisten, die
mir bei der Vorbereitung meines Austausches und während des Jahres besonders wichtig erschienen.
Spanisch
Wie euch beim Lesen der nachfolgenden Tipps vielleicht auffallen wird: In Kolumbien funktioniert
vieles per Mundpropaganda. Man sollte bereits mit gutem Spanisch dort ankommen, um an die
relevanten Infos zu kommen, sich entsprechend einzufinden und über sein Umfeld zu informieren.
Die Illusion man könne ja erst mal mit Englisch überleben sollte man gleich loswerden, Englisch wird
so gut wie nicht gesprochen – auch nicht am Flughafen.
Das Spanisch, das in Bogotá gesprochen wird, wird allgemein als sehr sauber und schön beschrieben.
Es werden weder Silben verschluckt, noch viele Wörter abgekürzt. Die Aussprache ist weitgehend
deutlich und melodisch.
Kolumbien: Wie sicher ist das Land? Um es kurz und knapp zu halten: Sicherheit und das jeweilige Sicherheitsempfinden sind subjektiv
und hängen in den meisten Situationen von einem selbst ab. Absolut gesehen kann man sagen, dass
Kolumbien ein deutlich gefährlicheres Land als Deutschland ist. Das heißt aber nicht, dass einem auch
etwas passieren wird, sondern lediglich, dass man anders und aufmerksamer durch den Alltag gehen
sollte. Letztlich lauern in jeder Großstadt auf der Welt zahlreiche Gefahren, denen man ganz
natürlich ausweicht, wenn man die Stadt kennt. Für Bogotá gilt das ebenfalls. Man muss einen
gewissen Instinkt für die Sicherheit von Situationen und Vorhaben entwickeln und sollte immer über
die zu bereisende Region oder das zu besuchende Stadtviertel informiert sein. Dunkle und verlassene
Gassen sind als Faustregel eigentlich immer zu meiden.
Mein Tipp: Bei Ankunft in einer neuen Gegend oder einer neuen Stadt die Hotel-/Hostelmitarbeiter
und Busfahrer nach der Sicherheit des Gebietes fragen. In Dörfern bekommt man meistens gesagt,
dass man rund um die Uhr ganz entspannt rumlaufen kann, in größeren Städten bekommt man oft
eine Karte, auf der sichere und unsichere Gebiete markiert sind, damit man sich nicht verläuft.
Generell sollte einen die Sicherheitslage nicht vom Besuch des Landes oder einer Rundreise abhalten
und wenn man erst mal dort ist, bekommt man schnell ein Gefühl für die Sicherheit.
Informationen zur Stadt: Bogotá Bogotá ist eine riesige Stadt mit acht Millionen Einwohnern. Trotz ihrer Größe ist sie erstaunlich gut
organisiert und der „Transmilenio“, ein modernes Bussystem, hilft hunderttausende Menschen
täglich durch die Stadt zu befördern. Da die Orientierung am Anfang schwer fallen kann, sollte man
sich gleich zu Anfang die sehr gute, kostenlose Karte von Bogotá beim Tourismusbüro (oficina de
turismo) besorgen. Auf ihr sind nicht nur das Straßennetz und wichtige Orientierungspunkte in der
Stadt, sondern auch der Streckenplan des Transmilenio eingezeichnet – sehr hilfreich!
Wohnen Vom recht gut organisierten Verkehr sollte man sich nicht täuschen lassen: Eine Wohnung, die am
Rand der Stadt liegt, kann durchaus anderthalb bis zwei Stunden Pendeldistanz zur Uni bedeuten.
Das historische Zentrum der Stadt mag als Wohngebiet zwar verlockend wirken, ist aber nachts kein
besonders sicherer Ort. Deshalb empfehle ich, eine Wohnung in einem mittelständischen
Wohnviertel in Laufreichweite der Universität zu suchen, denn so spart man sich Einiges an
Fahrtkosten sowie Nerven und kann zum Essen, Ausruhen oder auch wenn man mal was zuhause hat
liegen lassen, einfach zwischen zwei Veranstaltungen nach Hause laufen. Manchmal hat die ORI
(oficina de relaciones internacionales), das für die Austauschstudenten zuständige Büro an der Uni,
auch ein paar Wohnungsangebote. Einfach mal nachfragen.
Studieren in Kolumbien und das Kursniveau Generell sollte man sich - meiner Meinung nach - darüber im Klaren sein, dass man es im Normalfall
nicht schafft, so viele Kurse wie in Deutschland zu belegen und zu bestehen. Ich glaube, dass ein
Auslandsaufenthalt viel zur Bildung der eigenen Persönlichkeit und des Charakters beiträgt und nicht
so sehr auf Leistung ausgelegt sein sollte. Daher ist es, sofern finanziell möglich, durchaus eine
Überlegung wert, das Jahr ohne Stipendium zu machen, da man so viel freier studieren kann und
niemandem Rechenschaft über Noten oder Kurse ablegen muss. Letztlich bleibt es natürlich dem
persönlichen Geschmack überlassen, ob man im Studium vorankommen möchte oder eher auf mehr
Freiheiten steht.
Die Kurse an der Universidad Nacional variieren im Niveau sehr stark und hängen in ihrer Qualität –
wie auch in Deutschland – eher vom Dozenten als vom Inhalt ab. Die Uni ist zwar generell stärker
verschult als in Deutschland, es ist aber nicht möglich pauschal zu sagen, dass das Niveau der Kurse
dort unter oder über dem der Kurse in Deutschland liegt. Da ihr formell in den Studiengang
„intercambio“ eingeschrieben seid, könnt ihr jeglichen Kurs aus allen Semestern ohne
Vorbedingungen belegen. Macht Gebrauch davon! Es lohnt sich mit anderen Studenten zu sprechen
und sich die Kurse nach Interesse, aber auch nach ihrer Beliebtheit und den Dozenten auszuwählen.
Grobe Kostenkalkulation
Eine Kostenkalkulation ist ziemlich schwierig aufzustellen, da es sehr stark vom eigenen Lebensstil
abhängt, wie viel Geld man benötigt. Generell kann man aber sagen, dass Kolumbien aus deutscher
Sicht ein ziemlich günstiges Land ist. Ein einfaches Essen in einem der kleinen Restaurants kostet
gerade mal so viel, wie man auch selbst ausgeben würde, um es zu kochen – vielleicht zwei Euro.
Genauso kann man es aber auch teuer haben, wenn man in besseren Restaurants speisen möchte
und einen hohen Bedarf an Markenklamotten hat.
Fürs Wohnen sollte man mit 150 – 200 € rechnen, sofern man auf europäischem Niveau leben
möchte. Es gibt sowohl deutlich günstigere als auch deutlich teurere Optionen, teilweise in
Studentenunterkünften, bei denen die Mahlzeiten bereits im Preis inklusive sind.
Für die Verpflegung würde ich je nach Stil (kochen oder Restaurant) mit 50-100€ pro Monat rechnen.
Da es kein Studententicket für den öffentlichen Transport gibt, fallen in Bogotá auch noch
Transportkosten an. Zur Orientierung: Ein Busticket kostet etwa 50 Eurocent. Eine Taxifahrt kostet
gewöhnlich zwischen 1,50€ und 5€.
Mit sonstigen Anschaffungen, Kleidungseinkäufen, Ausflügen und Reisen kommt man also mit 400 –
500 € in Kolumbien sehr gut aus.
Geld abheben
Es lohnt sich bei der Deutschen Kreditbank (www.dkb.de) ein Konto zu eröffnen und eine Kreditkarte
zu beantragen. Beides ist ohne Zeitlimit oder Haken kostenlos und ermöglicht eine unbegrenzte
Anzahl garantiert kostenloser Abhebungen an allen Geldautomaten auf der Welt, die Visakarten
annehmen (also de facto fast alle). Um als Student ohne Einkommen an die Kreditkarte zu kommen
gibt es folgenden Trick: Eure Eltern eröffnen das Konto mit ihren Einkommensangaben und
beantragen zwei Kreditkarten. Ihr lasst euch als Mitbenutzer des Kontos eintragen und habt von da
an eine eigene Karte mit eigener Abrechnung.
Vorsicht: Bevor man in kleinere Orte fährt, sollte man sich informieren, ob es dort einen
Geldautomaten gibt. Wenn es dort einen gibt, heißt das aber nicht unbedingt, dass dieser auch
funktioniert und genügend Geld hat!
Viel Spaß in Kolumbien!