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W elcher (Lean-)Manager träumt nicht davon, dass das Suchen und Streben nach Verbesse- rung im betrieblichen Ablauf zur Routi- ne wird - also eine Alltagstätigkeit, die jeder Mitarbeiter und jedes Team nicht nur wie im Schlaf beherrscht, sondern auch ganz selbstverständlich ausübt? Vermutlich fast jeder! Denn dann hätte das jahrelange Predigen wie wichtig ein kontinuierliches Sich-Verbessern für den Unternehmenserfolg ist ein Ende. Mit Hilfe des Kata Coachings, einer spezi- ellen Form des Coachings, die bei dem Unternehmen Toyota entwickelt wurde und praktiziert wird, kann dieser Traum Realität werden - nicht über Nacht, aber in absehbarer Zeit. Doch noch ist er nicht betriebliche Realität. Viele Unternehmen führten in den zu- rückliegenden Jahren Lean Management in ihrer Organisation ein. Und anfangs erzielten sie damit auch „Quick Wins" 48 interview Magazin, Nr. 4 / 2013

Die Verbesserungskata Ziel: ein Verbesserungskultue r · Die Verbesserungskata Die Verbesserungskat ziela daraut f ab , bei den Mitarbeiter (unnd ihren Führungskräf - ten) schrittweis

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Page 1: Die Verbesserungskata Ziel: ein Verbesserungskultue r · Die Verbesserungskata Die Verbesserungskat ziela daraut f ab , bei den Mitarbeiter (unnd ihren Führungskräf - ten) schrittweis

Welcher (Lean-)Manager t r ä u m t

nicht davon, dass das Suchen

und St reben nach Verbesse-

rung im be t r ieb l i chen A b l a u f zur Routi-

ne w i rd - also eine A l l t ags tä t igke i t , d ie

j ede r M i ta rbe i te r und jedes Team nicht

nur w ie im Schlaf beher rsch t , s o n d e r n

auch ganz s e l b s t v e r s t ä n d l i c h ausübt?

Vermut l i ch fast j eder ! Denn dann hät te

das jahre lange Predigen wie w ich t ig ein

kont inu ier l iches Sich-Verbessern für den

U n t e r n e h m e n s e r f o l g ist ein Ende. M i t

Hi l fe des Kata Coach ings, e iner spezi-

el len Form des Coachings, d ie bei d e m

U n t e r n e h m e n Toyota en tw icke l t w u r d e

und prakt iz ier t w i rd , kann dieser Traum

Real i tät w e r d e n - n ich t über Nach t ,

aber in absehbarer Zei t . Doch noch ist

er nicht be t r ieb l i che Reali tät.

Viele Un te rnehmen führ ten in den zu-

rückl iegenden Jahren Lean Management

in ihrer Organisat ion ein. Und anfangs

erziel ten sie dami t auch „Qu ick Wins"

48 interview Magazin, Nr. 4 / 2013

Page 2: Die Verbesserungskata Ziel: ein Verbesserungskultue r · Die Verbesserungskata Die Verbesserungskat ziela daraut f ab , bei den Mitarbeiter (unnd ihren Führungskräf - ten) schrittweis

- also schnelle Erfolge. Doch dann stag-

nierte der Prozess und der Lean-Gedanke

mut ier te zu einer „ M e t h o d e " . Eine echte

Verwurzelung im Arbei tsal l tag bl ieb aus.

Unternehmen können sich heute nicht

mehr auf einmal erreichten „Lorbeeren"

ausruhen. Hierfür veränder t sich das Un-

ternehmensumfe ld zu rasch. Nö t ig ist es

vielmehr, den Ist-Zustand permanent zu

hinterfragen und zu opt imieren - und ge-

gebenenfal ls sogar ganz neue Problemlö-

sungen zu entwerfen. Die Fähigkeit hierzu

entwickel t sich zu einer Kernkompetenz

von Unternehmen. Denn den Zielzustand

, bei d e m alles „ g u t " ist und es keiner

Verbesserung mehr bedar f , g ib t es nicht

mehr. Unternehmen, die dieser Illusion

noch nachhängen, über leben auf Dauer

am Markt nicht.

Ziel: eine Verbesserungskultur entwickeln

Um von e inem formal is ier ten Streben

nach Verbesserung auf die nächsthöhere

Ebene des Lean Managements zu gelan-

gen, bedar f es einer Veränderung des

Denkens und Handelns der Mi tarbei ter .

Das Streben nach Verbesserung muss ih-

nen in Fleisch und Blut übergehen. Diesen

Musterwechsel nicht nur bei einzelnen

Mi tarbei tern, sondern in der gesamten

Organisat ion herbeizuführen, ist die Kö-

nigsdiszipl in be im Lean M a n a g e m e n t .

Hier ist das M a n a g e m e n t mehr denn je

gefordert .

Ein Instrument zum Erreichen dieses Zie-

les ist das bei Toyota entwicke l te Kata

Coaching. Es zielt darauf ab, bei den

Mi tarbei tern die Denk-, Verhaltens- und

Lernroutinen zu entwickeln, die ein per-

manentes Streben nach Verbesserung

er forder t ; des Wei teren, bei den Mitar-

beitern und in der Organisat ion die Kom-

petenz zu entwickeln, mit Unsicherheiten,

Problemen und Veränderungen produkt iv

und kreativ umzugehen. O d e r anders

formul iert : Das Unternehmen soll sich zu

einer lernenden Organisat ion entwickeln,

die weil sie ihre Performance permanent

erhöht , nachhal t ig mit Erfolg im Mark t

agiert.

Der Begri f f Kata s tammt aus d e m asia-

t ischen Kampfspor t . So werden in ihm

Denk- und Verhaltensweisen bezeichnet,

die sich durch stetiges Üben und Anwen-

den zu Routinen entwicke l t haben, die

beinahe ref lexart ig ausgeführ t werden.

Und genau dies ist auch das Ziel des Kata

Coachings: Die Suche nach Verbesse-

rungsmögl ichkei ten und das Streben nach

Verbesserung sollen in den Köpfen der

Mi tarbei ter so verankert sein, dass sie ein

integraler Bestandtei l ihrer Al l tagsarbei t

sind, so dass von der Führung und Unter-

nehmensle i tung hierfür nicht permanent

neue Impulse gesetzt werden müssen,

was letztlich auch zu einer Entlastung der

Führungskräfte führt . Beim Kata Coaching

wi rd zwischen der Verbesserungskata und

der Coachingkata unterschieden.

Die Verbesserungskata

Die Verbesserungskata zielt darauf ab, bei

den Mi tarbei tern (und ihren Führungskräf-

ten) schrittweise eine Lernroutine zu ent-

wickeln, wie man sich einem def in ier ten

Ziel-Zustand nähert. Dabei ist der W e g

zum Ziel nicht vorgegeben. Er wi rd viel-

mehr im Rahmen eines exper imente l len

Vorgehens Schrit t für Schrit t ge funden.

Wich t ige Voraussetzungen hierfür sind

eine mögl ichst genaue Beschreibung des

Ist- und des Ziel-Zustands.

Ein Verbesserungskata-Zielzustand zeich-

net sich durch fo lgende Charakterist ika

aus: Der angestrebte Zustand ist heraus-

fordernd. Er ist erreichbar und die Lösung

ist noch unbekannt . Sie muss in einer

rege lmäßigen Ause inandersetzung mit

d e m e igenen Tun und den gegebenen

R a h m e n b e d i n g u n g e n ge funden bezie-

hungsweise allmählich entwickel t werden.

Was auf den ersten Blick sehr p ragma-

t isch ersche in t , ist in der Umse tzung

n icht e in fach. Denn das S t reben nach

einer (Lern-)Rout ine be im St reben nach

Verbesserung e r fo rde r t von den Mitar-

be i te rn , dass sie sich bewusst und ohne

Scheu mi t ih rem (Noch- )N ich t -Wissen

bez iehungsweise ihren noch bestehen-

den Inkompetenzen befassen. Sie müs-

sen sich zum Beispiel f ragen: Was steht

e iner Verbesserung im Weg? Beispiels-

weise unsere A n g s t vor Veränderung?

O d e r unsere Tendenz bei neuen Heraus-

f o r d e r u n g e n re f lexar t ig zu sagen „Das

kann ich n i ch t " , s ta t t sich zu f ragen: Wie

und un te r w e l c h e n Vorausse tzungen

könn ten wir das ,Prob lem' doch lösen?

Das Entwickeln einer solchen Denk-Hal-

tung fällt Menschen nicht leicht. Trotzdem

führt beim Versuch, unbekannte Probleme

interview Magazin, Nr. 4 / 2013

Page 3: Die Verbesserungskata Ziel: ein Verbesserungskultue r · Die Verbesserungskata Die Verbesserungskat ziela daraut f ab , bei den Mitarbeiter (unnd ihren Führungskräf - ten) schrittweis

zu lösen und Neues zu schaffen, kein W e g

daran vorbei , die eigene Wissensgrenze,

die gewissermaßen eine A r t Mauer um

unser heut iges Wissen bi ldet , Schrit t für

Schritt auszudehnen. Das heißt: Die Mitar-

bei ter müssen geziel t , d ie Komfor tzone

ihres aktuel len Wissens verlassen. Das

fäl l t ihnen, wenn sie noch keine Routine

hierin entwickel t haben, nicht leicht, denn

unser Gehirn besteht sozusagen aus zwei

„Denk-Systemen":

• e inem schnel len, u n t e r b e w u s s t e n

System, das abgespeichertes Wissen

anhand von Mustern schnell erkennt

und uns intuit iv handeln lässt und

• e inem langsameren System, das sys-

tematisch vorgeht und durch eine ge-

zielte Analyse und Neu-Verknüpfung

neue Erkenntnisse und Ergebnisse

„schaf f t " .

Bei der Verbesserungskata geh t es genau

darum, diese be iden Denksysteme in

Zusammenhang zu br ingen. Und hierbei

benöt igen die Mi tarbei ter Unterstützung:

in Form des Kata Coachings.

Die Coachingkata

Aufgabe der Führungskräf te ist es, ihre

Mi tarbe i te r be im Beschreiten des stei-

nigen Wegs v o m Nicht-Wissen hin zur

Kompetenz, ausgehend von e inem aktu-

ellen Ist-Zustand einen angestrebten Ziel-

Zustand zu erreichen, zu unterstützen.

Oder anders fo rmul ie r t : Sie sollen ihre

Mi tarbe i ter mit Hilfe einer Coachingkata

das A n w e n d e n der Verbesserungskata

erleichtern. Das heißt, durch ein gezieltes

Coach ing arbe i ten sie darauf hin, dass

das A n w e n d e n der Verbesserungskata

bei ihren Mi ta rbe i te rn zur Gewohnhe i t ,

sprich Routine und Selbstverständlichkeit

wi rd, was w iederum zu einer Entlastung

der Führungskräfte führt .

Eine Coachingkata basiert auf fo lgenden

fünf Fragen:

1. Was ist der Ziel-Zustand?

2. Was ist der Ist-Zustand?

3. Welche Hindernisse stehen dem Er-

reichen des Ziel-Zustands aktuell im

Weg?

4. Was sind deshalb die nächsten Schrit-

te und welche Erkenntnisse werden

daraus voraussicht l ich g e w o n n e n ?

Und:

50 interview Magazin, Nr. 4 / 2013

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5. Bis wann können erste Ergebnisse aus

Punkt 4 betrachtet werden und was

wurde daraus gelernt?

Die Coachingkata g ib t also keinen kon-

kreten Lösungsweg vor. Vielmehr werden

die Mitarbei ter dabei unterstützt, durch

ein exper imentel les Vorgehen e igene

Lösungen zu f inden. Eine zentrale Er-

folgsvoraussetzung des Kata Coachings

ist denn auch eine vertrauensvolle, von

wechselseit igem Respekt geprägte Be-

ziehung zwischen Coach und Coachee

bez iehungsweise Führungskraf t und

Mitarbeiter. Denn es erfordert von dem

Coachee oder Mitarbei ter Mut , sich im-

mer wieder gezielt mit der Grenze seines

persönlichen Wissens zu befassen und

in den „ A b g r u n d des Nichtwissens" zu

schauen. Hieran führt aber kein Weg vor-

bei, wenn das übergeordnete Ziel lautet:

Ich will mich beziehungsweise wir wol len

uns kontinuierl ich verbessern und stets

bessere Problemlösungen für unsere ex-

und internen Kunden erarbeiten.

Ein „Vehikel" zur effektiven Nutzung der Lean Tools

Kata Coaching ist kein neuer Trend im Lean

Management. Es wird mehr oder minder

explizit von den meisten Unternehmen,

die den Lean-Gedanken und das Stre-

ben nach kontinuierl icher Verbesserung

in ihrer Organisat ion verankern wol len,

bereits praktiziert - jedoch häufig in einer

wenig strukturierten und systematisierten

Form. Deshalb steht das Kata Coaching

auch nicht im Widersprich zu den tradi-

t ionellen Lean-Tools und -Methoden wie

SMED, 5S, Kanban und Co.. Im Gegen-

teil! In den letzten Jahren wurde vielen

Unternehmen jedoch bewusst, dass diese

„Tools» nur dann gezielt genutzt werden

können, wenn in ihrer Organisation auch

der erforderl iche Geist lebt. Das heißt:

Kata Coaching ist letztl ich nicht mehr

und nicht weniger als ein Instrument,

um in Unternehmen die erforderl ichen

Voraussetzungen zu schaffen, damit die

bewährten Lean Management-Methoden

und -Tools nicht formalistisch sondern

zielführend genutzt werden, weil die Mit-

arbeiter das Streben nach Verbesserung

verinnerlicht haben.

Führung definiert sich neu

Letztlich lautet das übergeordnete Ziel

des Kata Coachings, beim Lernen und im

Umgang mit Veränderung eine ähnliche

Al l tagsrout ine zu entwickeln wie bei-

spielsweise beim Autofahren. Wie schwie-

rig war das Koordinieren von Bremsen,

Gas geben, Kuppeln und Lenken in der

ersten Fahrstunde? Und wie oft musste

der Fahrlehrer unterstützend, korrigie-

rend und ermunternd eingreifen? Und

heute, nachdem wir die no twend igen

Verhaltensabläufe durch Üben, Üben und

nochmals Üben verinnerlicht haben? Da

funkt ioniert das Auto-Fahren fast wie von

selbst, und wir können zugleich Radiohö-

ren, die Landschaft anschauen oder uns

mit dem Beifahrer unterhalten. Ebenso

ist es beim „Verbesserung lernen'" (Ver-

besserungskata). Auch der Weg dorthin

er fordert eine professionelle und syste-

matische Instruktion und Anlei tung (Coa-

chingkata) und setzt ein kontinuierliches

Üben voraus.

Kata Coaching er forder t fo lgl ich auch

ein neues Führungsverständnis und eine

veränderte A r t zu führen. Auch diese

muss von den Führungskräften eingeübt

werden. Sie entwickeln sich beim Kata

Coaching Schritt für Schritt zu Lern-

Mot ivatoren und -Begleitern ihrer Mitar-

beiter, die lösungsfrei führen und ihren

Mi tarbei ter ein schrittweises Erweitern

ihrer Wissenszone ermögl ichen. Hiervon

profit ieren alle Beteil igten: die Mitarbei-

ter, die Führungskräfte und das gesamte

Unternehmen.

Kontakt

Dominique Keith

Unternehmensberin

Lean- und

Changemanagement

Dr. Kraus & Partner, Bruchsal Werner-von-Siemens-Str. 2-6

D-76646 Bruchsal

Tel. +49(0)72 519 890 34

Fax +41(0)72 519 890 35

[email protected]

www.kraus-und-partner.de

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