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Dic Wasser der Neustadt Hanao. 307 Die Wasser der Neustsdt Hamu. Von W. Heraeus. Schon seit Monaten bringen Zeitungen wiederholt die Nachricht , ddss die Erric htung eines Reichsamtes fur Gesund- lieitspflege in Ausfuhrung begriffen, und Autoritaten behufs Organisation um ihr Gutaditen ersucht worden seien. Auf der Kehrseite derselben Bliitter lesen wir, dass das Ministerium der Medic. Angelegenheiten auf Veranlassung der wissenschaft- lichen Deputation sich gegen ein solches Amt ausgesprochen, und deshalb der Plan vertagt sei. Wie es scht.int, ist dic wisrenschaftliche Deputation fir das preuesische Medicinal- wesen die Ursache der Verzogerung; die Herren Aerzte wollen nicht gern die Alleinherrschaft in Beurtheilung medic. polizei- licher Fragen aufgeben, und doch sind sie nicht Chemiker genug, und werden es bei den vielfachen sonstigen wissen- schaftlichen Anforderungen auch nicht werden konnen, urn sowohl in Haupt - als Orts - Gesundheitsrathe dieser Fach- manner entbehrcn zu konnen , ihnen endlich eine gleichberech- tigte Stimme gewahren zu niiissen. Es ist sehr zu wunschen, dass sich die Organisstion einer einschllgigen Behorde nich t liinger vcribgert, damit die in den letzten zehn Jahren gca- machten Entdeckungcn und Erfahrungen gesichtct, gesamniclt, und fur den ganzen Staat einheitlich geregelt werden. \Vie die Sache jetzt steht , leidst die Hygiene ausser- ordentlich unter der Versohiedenheit der Ansichten der damit betrauten Verwaltungsbeamten. Wahrend in Zurich eine Typhus- Epidemie ihre Entstehung fnnd, indem die Auswurf- stoffe eines einzelnen Kranken , der eine Y'ierlelstunde ent- fernt kraiik lag, durch einen Bach der Stadt zugefuhrt wurdon, sollen die Excremente von 100,000 Einwohnern in Frankfurt in den Nain geleitet werden. Wahrend bei dem Bau eines Hauses die gewisp,enIiaftes~c Priifung der Construction des Oberbaues stattfindet , fragt Niemand darnach , ob die Uunggrube wasserdicht hergestellt, oder in Form eines Filters gebaut wird, das die sticketoff- haltigen Stoffe in die Erde verseiht. 20 :*

Die Wasser der Neustadt Hanau

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Dic Wasser der Neustadt Hanao. 307

Die Wasser der Neustsdt Hamu. Von W. H e r a e u s .

Schon seit Monaten bringen Zeitungen wiederholt die Nachricht , ddss die Erric htung eines Reichsamtes fur Gesund- lieitspflege in Ausfuhrung begriffen, und Autoritaten behufs Organisation um ihr Gutaditen ersucht worden seien. Auf der Kehrseite derselben Bliitter lesen wir, dass das Ministerium der Medic. Angelegenheiten auf Veranlassung der wissenschaft- lichen Deputation sich gegen ein solches Amt ausgesprochen, und deshalb der Plan vertagt sei. Wie es scht.int, ist dic wisrenschaftliche Deputation fir das preuesische Medicinal- wesen die Ursache der Verzogerung; die Herren Aerzte wollen nicht gern die Alleinherrschaft in Beurtheilung medic. polizei- licher Fragen aufgeben, und doch sind sie nicht Chemiker genug, und werden es bei den vielfachen sonstigen wissen- schaftlichen Anforderungen auch nicht werden konnen, urn sowohl in Haupt - als Orts - Gesundheitsrathe dieser Fach- manner entbehrcn zu konnen , ihnen endlich eine gleichberech- tigte Stimme gewahren zu niiissen. Es ist sehr zu wunschen, dass sich die Organisstion einer einschllgigen Behorde nich t liinger vcribgert, damit die in den letzten zehn Jahren gca- machten Entdeckungcn und Erfahrungen gesichtct, gesamniclt, und fur den ganzen Staat einheitlich geregelt werden.

\Vie die Sache jetzt steht , leidst die Hygiene ausser- ordentlich unter der Versohiedenheit der Ansichten der damit betrauten Verwaltungsbeamten. Wahrend in Zurich eine Typhus- Epidemie ihre Entstehung fnnd, indem die Auswurf- stoffe eines einzelnen Kranken , der eine Y'ierlelstunde ent- fernt kraiik lag, durch einen Bach der Stadt zugefuhrt wurdon, sollen die Excremente von 100,000 Einwohnern in Frankfurt in den Nain geleitet werden.

Wahrend bei dem Bau eines Hauses die gewisp,enIiaftes~c Priifung der Construction des Oberbaues stattfindet , fragt Niemand darnach , ob die Uunggrube wasserdicht hergestellt, oder in Form eines Filters gebaut wird, das die sticketoff- haltigen Stoffe in die Erde verseiht.

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308 W Keraeus, die Wnsscr der Neustadt Hanau.

Ein hiesiger Industrieller will seine Darmseitenspinnerei verlegen, und sucht sich dazu ein Grundstuck mitten im Feld aus, wo er die hei der Gahrung der Diirme resultirenden Macerationswasser clesinficiren und unter die Erde bringen will, wie man rings um sein Grundstuck herum n i c h t det+ inficirte thierische Auswurfstoffe der Erde iibergiebt. Es erfolgt Nichtbestiitigung von hiichter Instanz mit dem Resolut ,,Es sei kein fliessendes U'asser in der Niihe, dem man das mit gelosten und ungelosten organischen Stoffen geschwangerte Wasser iibergeben konne. '( Den Bierbrauereibesitzern vor dem Xiirnberger Thor wird aufgegeben, ihr abgehendes Fabrik- wasser (Zucker - und hefehaltiges Wasser) im eigenen Eta- blissement unterzubringen, also Senkbrunnen anzulegen.

Wir befinden uns demnach 'in der Wasserfrage noch in dem Urzustande der Systemlosigkeit, sehr bedurftig, um vor- laufig von einem Amt betreffender Sachverstindigen an die Hand genommen zu werden, und spater uberzugehen an einen Lehrstuhl fur offentliche Gesundheitspflege, urn specielle Fach- manner suszubilden.

Die grossen Cholera- Epidemien in Paris und London lenkten zuerst die Aufmerksamkeit von Gelehrten auf die Erf'orschung der Ursachen der lirankheitsherde ; in Deutsch- land hat sich Prof. von Pettenltofer diese Aufgabe gestellt, die Gesundheitslehre zu einer eigenen Wissenschaft zu erheben, imd Dank der Unterstutznng durch die Dlunificenz des Konigs von Bayern durch eine Reihe glanzender Forschungen auf die im Verhiiltniss zur Kurze der Zeit ansehnliche Hohe gestellt.

Der Einfluss, den das Grundwasser Munchens auf die daselbst herrschenden Typhus - Epidemien hat, die Wechsel- wirkung zwischen beiden, wurde von Pettenkofer aufs grund- lichste nachgewiesen , und gab Veranlassung sich auch an andern Orten mit der Erforschung der Wasserverhaltnisse zu beschaft'igen.

Wie alle neuen Thesen, so wurde auch diese wacker hekampft, denn ein Wasser , das schmackhaft, klar und farb- lo*, aus dem kein Chemiker einen giftigen Stoff isoliren oder drirch Reagentien nachweisen konnte, wie sollte es verderben-

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bringend fur die Gesundheit Rein konnen, und doch hat uns 8tatistik und empyrische Erfahrung den Weg unzweideutig gezeigt, d a s s d i e ga h r u n g s s ii ch t i g e n , s t i c k s t o ff- h a l t i g e n K o r p e r d i e nachtheiligen Stoffe sind.

Leider ist die physiologische Chemie noch zuriick, urn uber das Wie und unter welchen Umstanden naheren A d - schluss ertheilen zu konnen.

Solchen Verhlltnissen gegenuber ist die Stellung des Sachverstandigen keine allerorts gleiche ; er urtheil t nach per- sonlichen Erfahrungen oder Meinungen , die, wenn sie auch in das tagliche Leben tief eingreifm , an verschiedenen Orten sehr differirend sein konnen.

An mich ist in den letzten Jahreu zicmlich haufig die Prage uber Qualitat eines Trinkwassers herangetroten, und unterscheide ich

1) ob der Genuss eines Wassers als Trinkwasser zu verbieten ist,

2) ob das Wasser eines Brunnens ohne wahrscheinlichen Schaden Eiir die Gesundheit getrunken, resp. zu empfindlichen technischen Verwendungen , z. B. Bierbrauerei, benutzt wer- den kann.

Ob der Genuss eines Trinkwassers schadlich, zeigt mir der Gehalt an unvo l l l comm e n oxydirten stickstofialtigen Bestandtheilen an.

Tritt bei einem Wasser auf Zusatz von Schwefelsaure, Jodkalium und Starkekleister augenblicklich oder in ganz kurzer Zeit die Jodreaction ein, so besinne ich mich keinen Augen- blick, wenigstens die Wasser der hiesigen Gegend als gesund- heitsschldlich zu erklaren, und dass hier die Thatsache mindestens sehr haufig mit der chem. Reaction ubereinstimmt, geht daraiis hervor. *

Dass z. B. in Ravolzhausen, wo eine Typhus-Epidemie herrsebte, und mir das Wasser vieler Brunnen zur Unter- suchung iibergeben wurde, alle jene Wasser, durch die wahr- scheinlich , oder wenn Sie wollen vielleicht die Krankheit

*) Noch einfacher iet die Bruciareaction. Rdt.

310 W. IIeiacus, Die Wasscr der Kcuslddt IItinLiu.

hervorgernf'en war, die Jod-Reaction zeigten, giebt die Uebcrein- stimmung zwischen Thatbestand und Analyse um so erklarender, als irgend ein Vorurtheil dabei nicht im Spiele sein konnte.

Ebenso zeigte seiner Zeit das Wasser des Palmbrunnen, des Gemeindebrunnens zu Kiliansteten, diese Reaction, das Wasser in Bockenheim, welches diesen Sommer die Veranlassung zu einer langen und sehr heftigen Typhus - Epidemie gegeben hatte, so stark, dass bei einer Verdunnung von 1 Theil dieses Wassers mit 50 Theilen destillirtem die Reaction noch :tngenblicklich eintrat.

Ob ein Wasser getrunken oder zum Brauen benutzt werden kann, diese Frage wird bei neuen Anlagen ofters gestellt, ergiebt sich aus der Abwesenheit der in Oxydation begriffenen organischen Stoffe, dem Gehalt an festen Salzen, dem Procentsatze von diesen an Salpetersiiure. 1st letzterer gering, so sind die organischen Korper in dem Brunnen selbst zu suchen, d. h. sie fliessen nicht aus der Nachbar- schaft zu, und konnen durch Reinigen des Brunnens entfernt werden.

Ich bin damit auf die Trinkwasserfrage unserer Stadt geltommen, und habe einen traurigen Boden beschritten.

Wir IIanauer sind betreffs Trinkwasser in einer iiblen Lage, mitten in einer weiten, sandigen Ebene, in dem Delta zweier Fliisse, haben wir Quellwasser gar nicht; iiberall wo wir graben, stossen wir auf filtrirendes Kinzigwasser. Die liinzig liegt an der nordostlichen Seite der Stadt circa 15 Puss hoher als der Main in einem Untergrunde von Kies. Das Kinzigwasser durchstromt in der Richtung nach Sudwesten den Boden, auf dem die Stadt gebaut ist, und zwar mit einer Geschwindigkeit , dass der Stand der Kinzig sieh innei halb 24 Stunden in sammtlichen Brunnen Hanaus regulirt.

Hat man in fruhcren Jahren von diesem Verhaltniss keine Kcnnhnisu gehabt , und nur den Vortheil von Senkbrunnen gekannt, so ist man allerdings in neuerer Zeit auch mit den Nachtheilen bekannt geworden.

Der Privatmann sucht einen zu etablirenden Senkbrunnen auf der Siidwestseite seines Grundstuckes zu graben, die

W. Heraeun , Die Wasser der Kcust;idt tIsnau. 311

Commune nimmt fur ihren neuen Stadtthoil eine wasserdichte Rohren - Canalisation fur Haushaltungswasser im Princip an, ein Fortschritt, von dem allerdings unsere Nachkommen einigen practischen Nutzen finden werden.

Gliicklicher Weise ist von der Natur unserm Filter dadurch ein grosser Schutz gegeben, dass sie denselben. mit einer 4 - 5 Fuss dicken Thonschicht iiberlagert hat. Nur diesem Umstande ist es zu verdanken, dass unsere Brunnen nicht in noch hoherem Masse verunreinigt sind. Der Thon bildet nlmlich eine ziemlich undurchlassige Schicht, die in der Mehr- zahl der Fiille von unsern Dunggruben nicht durchstochen wird.

Was weiter als giinstiger Umstand erwahnt werden muss, ist, dass der Kies ein grobkorniger, eehr lufthaltiger ist, so dam mit ausserordentlicher Geschwindigkeit die austretenden, stick- stoffhaltigen Korper oxydirt!werden, sodass selbstBrunnen, die sich in sehr gefahrlicher Nachbarschaft befinden, zwar einen hohen Sal- petersauregehalt zeigen, dagegen frei von Ammoniak sind und unvollkommen oxydirte Substanzen in geringer Menge zeigen.

Wie ich schon vorhin erwahnt, existirt bis jetzt in unserem Vaterlande kein Regulativ zur Beurtheilung der Qualitkit von Trinkwasser ; in Wien , ebenso in Belgien, war eine Commission berufen. Dieselbe stellte als Forderung auf:

I. Wasser muss klar, hell und geruchlos sein. 11. Darf wenig oder gar keine organisirten Bestandtheile

111. Dasselbe darf nicht mehr als 0,18 Kalk im Litre

IV. Nitrate diirfen nur einen kleinen Bruchtheil des

V. Der chem. Bestand und Temperatur sollefi nur inner-

VI. Verunreinigende Zufliisse sollen fern gehalten werden. VII. Nur weiches Quellwasser darf zur Trinkwasserver-

sorgung benutzt werden. VIII. Filtrirtes Flusswasser taugt nicht zur TriDkwasser-

versorgung , da verunreinigende Zufliisse nicht fern- gehalten werden konnen.

enthalten.

en thalten.

festen Riickstandes ausmachen.

halb enger Grenzen variiren.

312 W. Heraeus, Die Waaaer der Neustadt Hanau.

Wir Hanauer miissen uns schon mit filtrirtem Kinzig- wasser begnugen ; die Frankf. Quellwasser - Gesellschaft wird uns von ihrem an der Stadt vorbeifliessenden Yorrath nichts abgeben, wie es friiher einmal der Fall zu sein schien; ja, froh wollen wir sein, wenn die Kinzig auf ihrem Wege unter der Stadt nicht allzusehr verunreinigt wird, und als bestes Wasser , das uns zur Verfugung steht', ais Normal- Wasser, hingestellt werden kann.

Die vergleichende Untersuchung erstreckt sich nach vor- stehenden Forderungen :

1) Auf Verdampfungsriickstand. 2) Gehalt an Salpetersaure. 3) Organische Korper. 4) Nnch meinen Erfahrungen auf in Oxydation begriffene

Die Untersuchung wird ausgefuhrt Zu No. 1. Eindampfen in der Platinschaale. Zu No. 2. Nit Indigolosung von bestimmtem Titre mit

salpetersaurem Kali gestellt. Zu No. 3 eignet sich ruthensaures Kali; dasselbe wird

sehr leicht von organischen KorFern zersetzt. Ruthenoxyd scheidet sich aus und kann gewogen werden. Da das ruthen- s m r e Krtli eine safrangelbe Losung von itensiver Fiirbung giebt, beim Zersetzen farblos wird, so kann es ebenso zum Titriren vermandt werden ; wegen seiner grossexi Kostspielig- keit ist es bis jetzt den Chemiliern nicht bekannt gewesen.

Ein noch geeigneteres Reagenz ist drts osmiumsaure Kali. Es ist ein krystallisirtes Salz, das sich in Wasser mit dunkelrosenrother Farbe lost.

Auf salpetrigsnure Salze wirkt es nicht ein, dagegen wird es von organischen Korpern in der Warme leicht zer- setzt. Jeder Tropfen giebt eine Ausscheidung von schwarzem Osmiumoxyd; es kann der Endpunct der Reaction leicht wahrgenommen werden.

I n der Regel bedient man sich einer Losung von iiber- rnan6ansaurem Kali niit Oxalsaure auf bestimmte Titre ge-

stickstoffhaltige Korper , event. auch auf Ammoniaksalze.

W. Heraaus, Die TVasser der Keustadt Hanau. 313

stellt : 1 mgr. iibernianganxaures Kali gleich 5 mgr. organischer Subs tanz.

Zu Nr. 4. Zur Nachweisung in Oxydation begriffener organischer Korper dient Jodkalinm mil Starke, nachdem das Wasser vorher mit etwas Schwefclslure angesiiuert war.

Die Probe ist eine qualitative; sie lasst durch eintretende augcnblickliche Bliuung , oder die Zeitdauer , wenn dieselbe eintritt, auf grosseren oder geringeren Gehalt schliessen. Ammoniaksalze werden niit Nesslerschern Reagenz nacfigewiesen, kommen hier aber nur bei Wamer, das in niichster Nahe von Dunggruben, vor. Verdampfungsriickstand und Salpetersanre sind vorzugsweise geeignet , um iiber das unterirdische Durchdringen der Kinzig ein Bild zu geben, und der Ver- schlechterung des Wassers r o n Osten nach Westen zu folgen.

Ich gebe das Resultat der Untersuchung einer Anzahl von offentlichen Brunnen , deren Schacht grosstentheils von Privathausern entfernt , und Zuni Vergleiche dasjenige eines Hausbrunnens in der Nahe des Dilarktes, urn zn zeigen, wio weit die Verunreinigring eines Wassers gehen kann, bis der Resitzer auf die schlechte Qualitiit aufmerksam wird.

Die Zahlen die die offentlichen Brunnen ergeben, dienen gleichzeitig als Schema dessen, was man in benachbarter Gegend verlangen kann, denn es versteht sich von selbst, dass an einen Hausbrunnen nicht grossere Anforderungon gestellt werden konnen, als der vor I n f e c t i o n geschiitzte offentliche Brunnen ergiebt. Die in der R’achbarschaft von Canalen liegenden Brunnenschachte konnen nicht als Korm dienen.

Ich gehe mit meiner Betrachtung von Osten nach Westen vor. Kiuzigwasser als Normalwasser.

Die Xinzig hat im Litre: Verdampfungsriickstand 21,2 centig., Salpetersaixe 5 nig.

Oestlichste Linie I. Schwedenbrunnen, Kammbrunnen , Rossbrunnen ;

Schwedenbr. : Verdampfungsriickst. 36 centig. Salpeterw 54 mg. Kammbrunnen : ), 35,6 ,, 9 , 57 9,

Bossbrunnen ; ?, 74 I , 71 80 n

314 W. Heraeus, Die Wasser der Neustadt Hanau.

Schacht in der Nahe des Canals. II. Linie.

Apfelbrunnen: Verdampfungsriickstand 52,5 centig., Sal- petersaure 60 mg.

Franz. Kirchenbrunnen. Die 4 Marktbrunnen und zum Vergleiche 2 Hausbrunnen.

Franz.Kirchenbrunnen: Verdampfungsriickst. 76,5 centig. Salpeters. 100 ing.

I IL Linie.

Marktbr. gkgeniiber Einhorn ,, 7529 7, 97 150 9 ,

97 ,, -LOSSOW ,, 76,4 ,, 9 , 121 I ,

27 ,, Bavaria ,, 7122 7, 7, 121 ,, I> ,, Schwan ,, 7095 ,, 7, 114 9 ,

Verdampfungs - Riickstand 72 7, >7 71 97

Schwanen- Apotheke : Verdampfungsriickst. 112 ,, ,, 291 ,7

Geschiitzter Brunnen in meinem Hause.

Haushrunnen in der Nahe der

IV. Linie. Hirschbrunnen , Palmbrunnen, Brunnen in der Glocken- gasse, am Steinheimer Thor.

Hirschbrunnen : Trockcnriickstand 10% centig. Salpeters. 180 mg. Palmbrunnen : 1 9 78 ,l 9 , 120 97

Glockengasse : 1 , 140 9 , 9 2 257 ?,

Steinheimer Thor: 97 9922 77 ,, 154 9 ,

V. Brunnen am Canalthor 9 , 109 ,, ,9 214 9 ,

Lassen wir Rossbrunnen, Brunnen in der Glockengasse, Hirsch - und Canalthorbrunnen ausser Betracht, denn diese sind augenscheinlich in hohem Masse inficirt, so finden wir als durchschnittlichen Gehalt :

Salpetersaure- Gehalt. I. Linie 36 centig. 56 mg.

11. 7, 52 7) 60 ,> 111. ,, 76 9, 100-120 ,, IV. ,, 80-100 ,, 120-150 ,,

Der Trockenriickstand besteht aus salpetersaurem Natron, Chlor , schwefelsaurem Kali und Natron , bei nicht inficirten Brunnen aus 1/s--'/4 des Geeammtriickstandes an kohlensaurem Kalk mit wenig schwefelsaurem Halk. Der Gehalt an in Oxydation begriffener und sonstiger organischer Substanz hangt von der niichsten Nachbarschaft der Brunnenschachte ab.

W. Herueus, Dic Wasser der Neustadt Hanau. 315

Das Wasser der Brunnen wird mit Jodkalium: Glockengasae

Marktbr. gegeniiberlossow bei 1. Priifung augenblickLblau ,, ,, 8 ,, Mchrere Wochen , nachdem dic Erdarbeiten vollendet

waren, nach 2 Minuten blau ,, ,, 6 ,,

augenblicklich dunkelblau organ. Subst. 9 mg. Canalthor Y2 kornblumbl. ,, . ,, 9 ,,

Ilirschbrunnen (Niederhauser) 9 , 2 97 ,, 9 , 9 , 8 19

Marktbrunnen gegeniiber Einhorn ,, 2 ,, 7 7 9 , 7, 8 97

Y, . ,, Bavaria ,, 5 ,, 1, ,, 97 7 ?7

Steinheimer Thor 9 , 10 7, ,, 97 9 7 7 7%

Ilossbrunnen ,, 10 9, 77 17 I ? ‘ 7

Marktbrunnen, gegeniiber Schwan nach IiingererZeit ,, ,, ,, 5 ,, Schwedcnbrunnon, ,, 9 , 7, 7, 9 , 2, >7 7, 5 9 9

Apfelbrunnen, ,, ,, ,, ,, 9 , 77 9 , 9 , 4 ??

Kammbrunnen, ,, 9 , 7, 9 , 9 , 2) 9, P, 4

Interessant und erklLrend sind die Schwankungen in der Qualitat des Wassers, wie sie sich am Markt und franz. Kirchen- brunnen finden. Der Salpetersiiure-Gehalt des Brunnens an der franz. Kirche betragt 10eentim.

91 7, 7, 7, ,, gegeniib. Einhorn-Ap. ,, 15 ,, ,, 9 , ,, ,, Y7 ,, Sehwan ,, 11 ,,

9 9, 1, 9 , 9 1 ,, Bavariau.Loss. ,, 12 ,, Der hchere Salpetersaure -Gehalt des Wassers der Markt-

bruunen ist, wie nicht zu bezweifeln , hervorgerufen durch die den Abfluss des Wassers vermittelnden Schienen. Die- sclben lassen das Wasser nicht rasch genug abfliessen, sodass ein Theil versickert. Zur Zeit als diesen Herbst die Gae- ro!iren gelegt wurden, und zu dem Behuf das Abflusswasser von dem oberen Markte an der Henkel’schen Ecke etwa 60 Meter vom Brunnen der Bavaria entfernt, gestaut wurde, ndim dieses einen so starken Gasgeruch an, dass das Waeser sulbst nicht zum Kochen benutzt werden konnte. Die Gas- rohren liegen 9 Meter vom Brunnenschacht und 2 Meter von den Hiinsern entfernt. Die geringe Nenge Gas, die aus den Verbindungsstellen entweicht , wurde von dem in grosserer Menge eindringenden Wasser absorbirt , und gelangte so in den Schacht. Nachdem der Wasserabfluss wieder hergestellt, hat in demselben Masse auch der Geruch abgenommen, er steigt und fallt jetet je nach der Witterung.

316 \V. Heraeus, Die Wssser der Neustadt Hrnau.

Auf dem Viertel des Marktes, auf dem die mit Vieh bespannten Wagen halten, steigt der Gehalt an Salpetersaure im Wasser von 11, resp. 12 centig. auf 15 centig. Der Marktbrunnen, gegeniiber Lossow, war nach den Aufgrabungen, die behufs der Gasrohrenlegung gemacht waren, so mit orga- nischen Substanzen beladen , dass Jodkalium augenblicklich eine blaue Reaction gab. Jetzt, wo einige Wochen dariiber hingegangen sind , ist das Wasser wieder bedeutend besser geworden, das heisst: Organische Yaterie ist nicht in dem Naase weiter eiugedrungen , die eingedrungene vollkommen oxydirt.

Bei dieser Gelegenheit will ich bemerken, dass ein gelb- lich gefarbtes, sonst aber klares Wasser, das im Augenblick des Auspumpens mit Nessler’s Reagenz rothbraunen Nieder- schlag giebt, und sich rnit Jodkalium schwarzblau farbt, lose verstopft und in Zimmertemperatur gestellt nach 10 Tagen mit Nessler’s Reagenz sich nicht niehr farbte, nach 14-18 Tagen auch keine Jodreaction mehr gab.

Das Wasser an dem Palmbrunnen, das vor mehreren Jahren in Folge von Bauteu, die in der %he stattgefunden, sich so verschlechtert hatte, dass es

118 centig. festen Ruckstand, 16 centig. Salpetersaure enthielt, ist von den schadlichen Einflussen befreit und zeigt jetzt

78 centig. festen Ruckstand. 12 centig. Salpetersaure. Ich komma mit diesen Betrachtungen zu dem Resultate:

Wir haben in Hanau iiberhaupt kein WasEer, das den Anfor- derungen an ein gutes Trinkwasser entspricht. Ein grosser Theil selbst offentljcher Brunnen ist von Auswurfstoffen inficirt. Auch das gegenwiirtig relativ bessere JVasser, fern von In- fectionsheerden, kann roriibergehend oder dauernd verunreinigt werden , ohne dies durch Farbenveranderung oder andere physical. Eigenschaften benierkbar zu machen.

Reines Quellwasser ist fur unsere Stadt ein dringendes Bediirfniss; sollte dies aber unmoglich zu beschaffen sein, SO

liegt es im ernstesten Interesse, die vorgesetzte Behorde zu bitten, dass die strengste Aufsicht eingefuhrt werde, urn einer

W. Heraeus, Die Wtsser der Neustadt Hanau. 317

weiteren Verschlechterung entgegenzuwirken. Denn nicht nur der menschliche Organismus, selbst Stahl und Eisen werden vom Wasser, das stickstoffhaltige Bestandtheile enthalt , in knrzer Zeit ruinirt.

Die Herren Heinz und Kreia bedienten sich zum Speisen ihres Dampfkessels des Grabenwassers.

Jahr ein, Jahr a118 war der Maschinist beschaftigt, Repe- raturen vorzunehmeu , nnd Niemand konnte sich das absonder- liche Verhaltniss erklaren. Derselbe Uebelstand trat in der Fabrik des Herrn C. Deines ein; das Wasser wurde, da sich gar kein Grund fur die plotzlich eingetretene Betriebsstorung findsn liess, untersucht , und zeigte sicli mit stickstoffhaltigen Korpern beladen. Die Verunreinigung, die eine zufallige war, wurde beseitigt, und seit dieser Zeit ist der Fall nicht niehr eingetreten, ein Beweis der Schadlichkeit , der in meiner Erfahrung mehrfach bestatigt wurde, und namentlich auch da zu Tage tritt, wo Brunnen und Aborte in gefarlicher Nahe placirt sind.

Wegen der im vorstehenden Aufsatze gemachten Bemer- kung ,,Gesnndheitsrath betreffend" bekampft, erlaube ich mir, die Ansicht dahin zu motiviren:

Die offentliche Gesundheitspflege bezweckt in erster Linie: Die Ursache, warum Gesundheit und Leistungsfahigkeit hiiufig geschwacht und unterbrochen werden, zu erforschen.

In zweiter Linie: Den Einfluss zu ergriinden, den Nah- rung, Kleidung , Wohnung auf das Wohlbefinden ausiiben, und die Gesetze aufsustellen , Gesundheit und Wohlhefinden zu erhalten.

In welcher Weise eine untersuchende und feststellende Behorde eingesetzt werden soll, dariiber sind die Anschauungen getheilt.

Die Einen wollen einen gemiachten Gesundheitsrath aus Aeraten , Technikern und Chemikern.

Die Andern nennen diesen Plan ein Luftgebiiude. Sie wollen ein Central - Organ fur medicinische Statistik und furchten selbst hier, dass das Material meitens der Aerzts nicht hinreichend zur Verfiigung gestellt werden konnte.

318 W. ITrrvitR, Die Wasscr der Ncustadt Hanau.

Ich bin der Meinung, dass der erstere Plan kein Luft- gebaude, im Gegentheil das Fundament zu dem zu errich'cenden Gebaude bildet.

Die Qualitfit des Wassers und anderer Getrinke, sowie der festen Speisen, die wir zu uns nehmen, der Luft, die wir einathmen, die Porositat und Reinheit, des Bodens, anf dem wir leben, die Anlage von Strassen mit entsprechender Canalisation, die Beschaffenheit und Ventilation von Schulen und vor Allem die Anlage von Pabriken, miissen von den in die Branche einschlagenden Sachverstandigen beurtheilt werdcn. Der Arzt ist nicht in der Lage, zu priifen, oder sachver- standiges Urtheil zu fallen, ihm miissen die Resultate zur Verarbeitung iibergeben werden.

Wenn nur in einigen wenigen Kreisen die Zusammeii- setznng so zu Stande kommt, dass tuchtige Factoren zu einem geschlossenen Ganzen vereinigt werden , kann vie1 nnd wich- tiges Material zusammengetragen werden. Ausser in oben genannten Fallen geben Mortalitats - und Morbilitats - Tabellcn dem Arzte Wegweiser, wohin er sein Augenmerk zu richten, wo er Techniker und Chemiker zu interessiren hat.

Er theilt die Patrouillen Bus, zu ihrn laufen die Mel- dungen zuriick, die Patrouillen aber miissen ein Corps sein aus den verschiedenen Waffengattungen des Wissens zusam- mengesetzt.

Der geehrte Herr Verf. war so freund- lich , vorstehende Abhandlung dem Archiv zu iiberlassen , der Inhalt beriihrt eine oder viele Tagesfragen von der hochsten Wichtigkeit , welche sicher eine Erweiterung der sog. Medi- cinalangelegenheiten herbeifuhren mussen. Man hat die Gegen- stiinde, welche hier der Beobachtung unterzogen werden sollen, im Allgemeinen als solche der ,, Hygieine" oder ,, Gesundheits- pflege bezeichnet , ich ziehe letzteren , d e u t s c h e n Ausdruck vor. Dem Chemiker oder der Chemiekundigen wird ein weiterer Wirkungskreis eroffnet nnd gewiss fiihrt er dahin, tlass die behordliche Ueberwachung der Gesundheitspflege nicht mehr allein dem Arzte iiberlassen bleiben kann, der Chemiker vielmehr als g l e i c h b e r e c h t i g t e r College zur Seite

N a c h s c h r i f t .

F. Snii t, Pharmnceutische Notizen. 31 9

gestelk werden muss, fur den Arzt eine wesentliche, mit Freuden zu begrussende Unterstutzung. Oertlich genommen, wird diese Erweiterung die Apotheker zu den Aufgaben der Gesundheits- pflege heranziehen, wesshalb es schon jetzt als Aufgabe der- selben zu betrachten ist , allen gesundheitsschadlichen Ein- flussen jeglicher Art erhohte Aufmerksamkeit zuzuwenden.

Die Kenntniss der Beschaffenheit dea Trinkwassers ist hierbei eine der wichtigsten Fragen, sie betrifft das wichtigste Nahrungsmittel , welches bisher gewohnlich als gut bezeichnet wurde, wenn klar und farblos ; jetzt gehort die Reurtheiluag desselben schon vollstiindig dem Chemiker an.

Fur das Grossherzogthum Weimar sind von mir beson- dere Grundlagen zur Beurtheilung des Trinkwassers * ausge- arbeitet und behordlich angenommen worden. Rdt.

Pharmacentische Notizen. Von F. Smit in Enger.

Acid. a r s e n i c o s u m c o 1 o ra t urn. In Preussen sol1 dieses Mittel aus einer Mischung von

arseniger Saure mit Kienruss und Saftgriin bestehen , damit sowohl das trockene Pulver als aiich die filtrirte Losung eine den gewohnlichen Nahrungsmitteln unahnliche Farbe habe und in Folge dessen eine Warnung fur den Genuss in sich tragen moge.

Bei eincr Visitation meiner Apotheke wurde dieses Gift wegen vermeintlichen Mangels an Saftgriin monirt. , A h ich Tages darauf eine neue vorschriftsmassige Mischung rnit Wasser anrieb, fehlte dem Filtrat trotzdem die griine Farbe, welche bei einem eweiten Versuche erst nach langerem Stehen des Pulvers mit Wasser in sehr geringem Masse hervortrat. Mein erster Gedanke war der, dass das Saftgriin von schlechter Beschaffenheit sei, indess trat, wenn ich dss Saftgriin mit dem Arsenik und W amer ohne Kienruss anrieb , sofort eine inten-

*) Jena, F. Msuke, 2. dud. 1872.