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Die weltberbesserin mit der karotte

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Die Weltverbesserin mit der Karotte

Slavyana Krushovenska sträubt sich gegen gesellschaftliche Zwänge und hat im Freiwilligendienst einen Sinn für sich entdeckt. Von Bern aus koordiniert die Bulgarin ein Jahr lang Projekte für interessierte Freiwillige. Jahre bevor Slavyana Krushovenska nach Bern gereist ist, um Austauschprojekte für den Service Civil International (SCI) zu koordinieren, war sie so lange geschwommen, bis sie krank wurde. Angespornt von ihren Eltern, trieb sich die heute 27-Jährige jeden Tag zum Schwimmunterricht. Alles, um fit zu werden für den Job als Rettungsschwimmerin in der US-amerikanischen Hauptstadt Washington. Doch plötzlich streckte eine Lungenentzündung sie nieder. „Es war die totale Überanstrengung, den Job machte ich aber trotzdem“, sagt Krushovenska, während sie am Ufer der Aare entlangstreift. Diesen Ort mag sie besonders, weil er nicht so vollgestopft sei wie die Innenstadt. Und wenn sie die Hänge hocheilt, die Bern umschliessen, steigt in Krushovenska ein vertrautes Gefühl empor. Denn auch ihr bulgarischer Heimatort Samokov ist eingekesselt von Bergen. „Er liegt sogar noch höher als Bern; auf 960 Metern“, sagt sie.

Entspannen neben ihrem Element: Slavyana Krushovenska jobbte als Rettungsschwimmerin in den USA.

Von innerhalb der Konzerne die Welt verbessern Bern sei insgesamt eine schöne Stadt. Doch zu ruhig, findet Krushovenska. Mit New York oder London, wo sie auch schon eine halbes Jahr gearbeitet hat, sei die Schweizer Hauptstadt nicht zu vergleichen. Dabei beteuert die 27-Jährige gerne ihre Vorliebe für das Kleine. „Je winziger ein Ort, desto besser.“ Wie das mit London zusammenpasse, wisse sie allerdings auch nicht so genau, sagt sie und marschiert einen Hang hinauf. Oben angekommen, zieht sie eine Karotte aus ihrem Umhängebeutel. Ein Knacken. Sie beginnt zu kauen und sinniert über die europäische Finanzkrise; wie die reichen Länder Afrika ausbeuten und dass eine solche Ungerechtigkeit am besten von innerhalb des Systems zerschlagen werden kann. Deswegen sieht Krushovenska den Freiwilligendienst beim SCI als ein Training. „Junge Menschen engagieren sich in der Freiwilligenarbeit, sammeln Wissen, werden sich Problemen bewusst und treten dann Konzernen bei, um dort die Welt zu verbessern“, sagt die 27-Jährige, die in Bulgarien Kunst und Kultur studiert hat. Als Freiwillige beim SCI organisiert Krushovenska für junge Schweizerinnen und

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Schweizer Plätze in ausländischen Workcamps und teilt ausländischen jungen Menschen Projekte in der Schweiz zu. So platziert der SCI jedes Jahr um die 300 junge Freiwillige. Auch ein Verdienst der Bulgarin, die ihren einjährigen Dienst im August beenden wird.

Zusammen mehr erreichen: Das SCI-Team trifft sich regelmässig zu Besprechungen; hier mit Slavyana Krushovenska, Theres Bärtschi und Alexandra Strebel (von links).

Visumsproblem trübt die Erfahrung Insgesamt eine tolle Zeit, obwohl nicht alles rosig gewesen sei. Schwierigkeiten mit ihrer Aufenthaltserlaubnis haben Krushovenskas Einsatz getrübt. Ihre Papiere stellten die Behörden erst rückwirkend aus, weil es bei der Antragstellung Fehler gegeben hatte. „Die Sache hängt wie ein trüber Schleier über meinem Einsatz“, sagt Krushovenska. Ein Gefühl, das Julien Jaeckle, Programmleiter von Jugend in Aktion, nachvollziehen kann. „Wir müssen die Behörden immer wieder davon überzeugen, dass für einen Freiwilligendienst keine Arbeitserlaubnis, sondern nur eine Lernbewilligung wie für Studenten notwendig ist. Dieser Graubereich behindert alle Freiwilligenorganisationen“, sagt Jaeckle. Trotzdem schwärmt Krushovenska von ihrem Einsatz, was sie auch ihrem Team anrechnet. Was die 27-Jährige allerdings nach ihrer Zeit in Bern machen will, weiss sie noch nicht. „Ich lasse alles auf mich zukommen“, sagt sie und fragt: „Warum auch nicht?“ Zwängen der Gesellschaft will sie nicht verfallen. Einen festen Job finden, heiraten und die ganzen anderen aufgedrückten Dinge: Das sei nicht ihre Welt. Und eines weiss Krushovenska ganz sicher: „Ich werde mein Bestes tun, um weiterhin aktiv zu sein“, sagt sie und reisst mit den Zähnen ein Stück ihrer Karotte ab. Stephan Pruss Dieser Bericht ist im Rahmen des Eurodesk-Schreibwettbewerbs 2012 entstanden.