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Die Widerlegung des Idealismus 1. Die transzendentale Deduktion der Kategorien In der ersten Hälfte der Deduktion, deren Argument in §20 zusammengefasst wird, wurde gezeigt, dass es für einen diskursiven Verstand, d. h. einen solchen, durch dessen Denken nicht zugleich dessen Gegenstände hervorgebracht werden, notwendig ist, sofern er sich seiner als eines einheitlichen Selbst bewusst werden kann, seine sinnlich gegebenen Anschauungen durch die Kategorien auf Gegenstände zu beziehen und diese ihrerseits untereinander durch die Kategorien untereinander zu einer einheitlichen Erfahrung zu verknüpfen, die gleichsam das Spiegelbild der Einheit des Subjekts darstellt. Das Argument geht aus von dem Prinzip der analytischen Einheit der Apperzeption, das von Kant in den Worten „Das: Ich denke, muß alle meine Vorstellungen begleiten können“ ausgedrückt wird und das also nichts weiter besagt, als dass die Vorstellung „Ich denke“ als Teilvorstellung in allen Vorstellungen, die ich als meine Vorstellungen auffassen kann, auszumachen sein muss. Kant zeigt dann im weiteren Verlauf auf, dass diese analytische Einheit der Apperzeption nur unter der Voraussetzung jener Synthesis des in der Anschauung gegebenen Mannigfaltigen möglich ist, von der bereits die Rede war. Die analytische Einheit bedeutet ja, dass alle meine Vorstellungen von mir gedacht werden müssen. Das Medium diskursiven Denkens ist aber der Begriff, der seiner Form nach eine analytische Einheit ist, d. h. eine Teilvorstellung aller Gegenstände ausmacht, die unter ihm enthalten sind, und der seinem Inhalt nach von Kant als eine Regel beschrieben wird, durch die ein Gegenstand bestimmt gedacht wird, der durch diesen Begriff bestimmt wird. Der Verstand kann nun in Beziehung auf das Mannigfaltige der Anschauung von diesen Begriffen keinen anderen Gebrauch machen als im Urteil und das heißt (im grundlegenden Fall des kategorischen Urteils) in einem Akt, durch den etwas in der Anschauung Gegebenes als unter einen Begriff fallend aufgefasst 1

Die Widerlegung Des Idealismus

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Referat zu Kants Widerledung des Idealimus in der zweiten Auflage der Kritik der reinen Vernunft

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Die Widerlegung des Idealismus

1. Die transzendentale Deduktion der Kategorien

In der ersten Hälfte der Deduktion, deren Argument in §20 zusammengefasst wird, wurde gezeigt, dass es für einen diskursiven Verstand, d. h. einen solchen, durch dessen Denken nicht zugleich dessen Gegenstände hervorgebracht werden, notwendig ist, sofern er sich seiner als eines einheitlichen Selbst bewusst werden kann, seine sinnlich gegebenen Anschauungen durch die Kategorien auf Gegenstände zu beziehen und diese ihrerseits untereinander durch die Kategorien untereinander zu einer einheitlichen Erfahrung zu verknüpfen, die gleichsam das Spiegelbild der Einheit des Subjekts darstellt.

Das Argument geht aus von dem Prinzip der analytischen Einheit der Apperzeption, das von Kant in den Worten „Das: Ich denke, muß alle meine Vorstellungen begleiten können“ ausgedrückt wird und das also nichts weiter besagt, als dass die Vorstellung „Ich denke“ als Teilvorstellung in allen Vorstellungen, die ich als meine Vorstellungen auffassen kann, auszumachen sein muss. Kant zeigt dann im weiteren Verlauf auf, dass diese analytische Einheit der Apperzeption nur unter der Voraussetzung jener Synthesis des in der Anschauung gegebenen Mannigfaltigen möglich ist, von der bereits die Rede war. Die analytische Einheit bedeutet ja, dass alle meine Vorstellungen von mir gedacht werden müssen. Das Medium diskursiven Denkens ist aber der Begriff, der seiner Form nach eine analytische Einheit ist, d. h. eine Teilvorstellung aller Gegenstände ausmacht, die unter ihm enthalten sind, und der seinem Inhalt nach von Kant als eine Regel beschrieben wird, durch die ein Gegenstand bestimmt gedacht wird, der durch diesen Begriff bestimmt wird. Der Verstand kann nun in Beziehung auf das Mannigfaltige der Anschauung von diesen Begriffen keinen anderen Gebrauch machen als im Urteil und das heißt (im grundlegenden Fall des kategorischen Urteils) in einem Akt, durch den etwas in der Anschauung Gegebenes als unter einen Begriff fallend aufgefasst wird, der die Stelle des Subjekts im Urteil einnimmt und der durch ein Prädikat näher bestimmt wird. Das Urteil führt durch diese Bestimmtheit, durch die ein in der Anschauung Gegebenes gedacht wird, zugleich den Gedanken eines von der bloßen subjektiven Wahrnehmung unterschiedenen Objektes mit sich. Da nun die Kategorien nichts anderes sind als die von Kant vollständig angeführten „Formen zu urteilen, sofern das Mannigfaltige in Ansehung ihrer bestimmt ist“, welche Bestimmtheit für jedes empirische Urteil und damit für jede Anwendung des Verstandes auf die ihm notwendigerweise in der Anschauung gegebene Materie erforderlich ist, so steht, also „das Mannigfaltige einer gegebenen Anschauung notwendig unter Kategorien“, wenn es, wie Kant formuliert, „in Einer empirischen Anschauung gegeben ist“, oder, wie wir sagen können, auf die synthetische Einheit der Apperzeption bezogen ist. Diese Einheit der Apperzeption, die durch die Kategorien bewirkt wird, ist nach dieser Erklärung der Kategorien zugleich eine objektive Einheit, weil nur durch die Kategorien, d. h. dadurch, dass etwas in der Anschauung als gemäß den Urteilsformen bestimmt gedacht wird, und das heißt, sofern es überhaupt gedacht wird, ein von der subjektiven Wahrnehmung unterschiedenes und eine bestimmte Weise der Beziehung von Anschauungen notwendig machendes Objekt gedacht wird.

In der ersten Hälfte der Deduktion wurde aber von den spezifisch menschlichen Anschauungsformen Raum und Zeit abstrahiert und es bleibt die Frage bestehen, ob diese

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Anschauungsformen überhaupt und notwendigerweise der Bedingung der Einheit der Apperzeption unterworfen werden können. In §24 führt Kant als Vermittlungsglied zwischen der reinen Verstandessynthesis, von der in der ersten Hälfte die Rede war, und dem Mannigfaltigen der Anschauung, das dieser Synthesis unterworfen werden soll, das transzendentale Vermögen der produktiven Einbildungskraft ein, dessen Aufgabe darin besteht, die der Verstandessynthesis entsprechenden Formen sinnlicher Synthesis (Kant spricht von figürlicher Synthesis oder synthesis speciosa) zu antizipieren. Auch hier wird von der speziellen Beschaffenheit von Raum und Zeit noch abgesehen. Die entscheidende Prämisse, die sich auf die spezielle Beschaffenheit unserer Vorstellungen von Raum und Zeit bezieht, wie sie in der transzendentalen Ästhetik erörtert wurden, wird aber erst in dem wiederum zusammenfassenden §26 eingeführt, wo es heißt: „Raum und Zeit sind nicht bloß als Formen der sinnlichen Anschauung, sondern als Anschauungen selbst (die ein Mannigfaltiges enthalten) also mit der Bestimmung der Einheit dieses Mannigfaltigen in ihnen a priori vorgestellt“. Raum und Zeit selbst als Anschauungen und damit jede bestimmte Anschauung von etwas in Raum und Zeit, das immer eine bestimmte Zeit und einen bestimmten Raum einnimmt, sind also selbst nur durch jene kategoriengeleitete Synthesis, die durch die produktive Einbildungskraft antizipiert werden kann, möglich und da eine solche Synthesis nach dem ersten Teil der Deduktion für uns zugleich notwendig ist, so steht also jede Wahrnehmung von etwas in Raum und Zeit notwendig unter den Kategorien, die also der raum-zeitlich konstituierten Natur gleichsam die Gesetze vorschreiben und es möglich und sogar notwendig machen, dass wir in unserer Erfahrung auf eine solche Natur als eine Objektwelt beziehen, die als solche von einer bloß subjektiven Wahrnehmung unterschieden wird, wie sie der radikale Empirist für allein möglich erklärt.

1.1 Die Analogien der Erfahrung – Die erste Analogie

Die Analogien der Erfahrung gehören zu den Grundsätzen des reinen Verstandes, die Kant in den Prolegomena auch als reine Naturgesetze anführt. Nach der Deduktion muss ja alles, was uns in einer Anschauung gegeben werden kann den Kategorien unterworfen sein können. Das setzt freilich voraus, dass die Kategorien durch die produktive Einbildungskraft gleichsam versinnlicht werden können. Eine solche Vorstellung der Einbildungskraft, durch die die sinnliche, das heißt auf die für alle unsere Wahrnehmungen geltende Form der Zeit bezogene, Bedetung einer sonst bloß intellektuellen Kategorie vorgestellt wird, nennt Kant das Schema dieser Kategorie. Über das Schema der Kategorie der Substanz, die uns beschäftigen soll, sagt Kant, es sei „die Beharrlichkeit des Realen in der Zeit, d. i. die Vorstellung desselben, als eines Substratum der empirischen Zeitbestimmung überhaupt, welches also bleibt, indem alles andere wechselt.“ In dieser Beschreibung der versinnlichten Bedeutung der Kategorie der Substanz findet sich nun bereits ein entscheidender Hinweis auf den Beweisgrund der ersten Analogie der Erfahrung, deren Wortlaut in der zweiten Auflage lautet: „Bei allem Wechsel der Erscheinungen beharrt die Substanz, und das Quantum derselben wird in der Natur weder vermehrt noch vermindert.“

Der Beweis für diesen Grundsatz beruht nun eben darauf, dass die Zeit selbst als beharrlich allen Veränderungen und allem Zugleichsein zugrundeliegt. Sie wird also als das vorgestellt, in dem aller Wechsel stattfindet. Und da die Zeit selbst nicht wahrgenommen werden kann,

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sondern nur durch Wahrnehmungen von etwas in der Zeit deren Modi, Beharrlichkeit, Wechsel und Zugleichsein, vorstellbar sind, so muss auch das Beharrliche der Zeit, in Bezug auf das aller Wechsel erst bestimmbar wird, in den Wahrnehmungen vorzufinden sein.

Es genügt für unsere Zwecke, zur Vorbereitung auf die Widerlegung des Idealismus, den Gedanken in dieser Kürze dargestellt zu haben, und als das wesentliche Resultat festzuhalten, dass jede Zeitbestimmung etwas Beharrliches in der Wahrnehmung voraussetzt. Die weiterführenden Probleme, die etwa die Bestimmung des Quantums der Substanz, deren empirische Feststellbarkeit, das Verhältnis von einer Substanz zu den vielen Substanzen usf. betreffen, können wir getrost und müssen wir auch übergehen.

2. Die Widerlegung des Idealismus

Diese Widerlegung bezieht sich auf den Cartesischen problematischen Idealismus, der nur die Vorstellung „Ich bin“ für unbezweifelbar erklärt, wogegen das Dasein von Dingen außer uns zwar nicht unmöglich aber doch unerweislich sei. Kant formuliert die Aufgabe dieser Widerlegung folgendermaßen: Sie müsse „dartun, dass wir von äußeren Dingen auch Erfahrung und nicht bloß Einbildung haben“, was dadurch geschehen soll, dass gezeigt wird, „dass selbst unsere innere, dem Cartesius unbezweifelte, Erfahrung nur unter Voraussetzung äußerer Erfahrung möglich sei“, worin die eigentliche Stoßrichtung des Beweises liegen müsse. Das heißt der Erfahrungscharakter bezüglich äußerer Gegenstände muss als etwas aufgewiesen werden, das unmittelbar ist, nämlich nicht vermittelt durch einen Schluss von einer eigentlich unmittelbaren inneren Erfahrung auf eine äußere, welcher Schluss immer fehlbar bliebe, sodass also die Möglichkeit bestünde, dass wir bloß die Gegenstände als äußere auf Grundlage der Materie der inneren Erfahrung einbildeten, sie also aus dem inneren Sinn in eine äußere Einbildung setzten. Wenn der Beweis für die Wirklichkeit äußerer Erfahrung, das heißt der Erfahrung von Gegenständen im Raum, darauf beruhen soll, dass gezeigt wird, dass innere Erfahrung nur unter der Voraussetzung äußerer möglich sei, so kehrt Kant also dieses vom Skeptiker, bzw. dem cartesischen Idealisten, angenommene Verhältnis um.

Der äußerst kurze Beweisgang dafür, dass innere Erfahrung, oder nach Kants Ausdruck das „bloße, aber empirisch bestimmte, Bewusstsein meines eigenen Daseins“, ihrerseits nur unter der Voraussetzung äußerer Erfahrung möglich ist, beruht auf Prämissen, die der Deduktion und der ersten Analogie entstammen. (1) So wissen wir aus der Deduktion, dass auch das Bewusstsein unseres eigenen Daseins, das immer eine empirische Bestimmtheit dieses Daseins voraussetzt, nur unter der Form der Zeit möglich ist, wir selbst also uns als Erscheinung in der Zeit erfahrbar sind. Auch in der Deduktion wurde, in Verbindung mit den Ausführungen in der Ästhetik, festgestellt, dass wir die Stellen unserer Vorstellungen in der Zeit jederzeit eindeutig bestimmen müssen, und das heißt, dass wir die Vorstellungen als so verbunden denken müssen, dass die eine die Bedingung der anderen in sich enthält. (2) In der Darstellung der ersten Analogie haben wir aber gesehen, dass jede Zeitbestimmung, das heißt sowohl die der Folge nach dem Gesetz der Kausalität, als auch die der Gleichzeitigkeit nach dem Gesetz der Wechselwirkung, ihrerseits nur möglich ist unter der Voraussetzung des Grundsatzes der Beharrlichkeit der Substanz.

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(3) An dieser Stelle nun findet die eigentliche Wendung des Arguments gegen den problematischen Idealismus statt. Von diesem Beharrlichen, das nach der ersten Analogie aller Zeitbestimmung zugrundeliegen muss, schreibt Kant, es könne „nicht eine Anschauung in mir sein. Denn alle Bestimmungsgründe meines Daseins, die in mir angetroffen werden können, sind Vorstellungen, und bedürfen als solche, selbst ein von ihnen unterschiedenes Beharrliches, worauf in Beziehung der Wechsel derselben, mithin mein Dasein in der Zeit, darin sie wechseln, bestimmt werden können.“ Es ist klar, dass daraus sogleich das Beweisziel folgt, wenn man dieses Beharrliche, da es nicht eine bloße Vorstellung im inneren Sinn sein kann, folglich als einen Gegenstand im Raum auffasst. Das Entscheidende bei diesem dritten Schritt ist also die Feststellung, dass das für alle Zeitbestimmung und also auch die Bestimmung des eigenen Daseins, d. i. der zeitlichen Ordnung der Vorstellungen als Vorstellungen, ein Beharrliches vorausgesetzt ist, das nicht seinerseits eine bloße Vorstellung im inneren Sinn sein kann, weil die Zeitform aller Vorstellungen einen bloßen Wechsel beinhaltet, sodass also die Bestimmung der Zeitordnung der Vorstellungen selbst nur in Beziehung auf etwas Beharrliches im Raum möglich ist. Ebenso bringt die Vorstellung des Ich selbst, insofern damit die bloße reine Apperzeption gemeint, die man ja als das beharrliche Substrat aller Vorstellungen annehmen könnte, ein solches Beharrliches nicht mit sich, weil diese Vorstellung keine Anschauung beinhaltet und in seiner bestimmten Tätigkeit auf diese immer angewiesen bleibt, von der sie allen Stoff nimmt. Es ist also die Erfahrung von etwas im Raum die eigentlich unmittelbare Erfahrung, unter deren Voraussetzung die Bestimmung des eigenen empirisch bestimmten Daseins in der Zeit erst möglich wird, sodass also das letztere „das Dasein der Gegenstände im Raum außer mir“ beweist.

3. Der §24 der Deduktion

In dem Paragraphen 24 der Deduktion erläutert Kant den Umstand, dass wir auch uns selbst nur erkennen, wie wir uns erscheinen, nämlich im inneren Sinn unter der Form der Zeit. Wir können diesen Paragraphen etwas zur Erläuterung und Ergänzung der Widerlegung des Idealismus abgewinnen. Auch hier wendet sich Kant zur Erklärung des Umstandes, dass wir uns selbst in unserem Dasein nur als Erscheinung gegenwärtig sind, gegen eine falsche Auffassung einer epistemischen Priorität der Zeit vor dem Raum. Als zugestanden wird dabei angenommen, dass der Raum „eine bloße reine Form der Erscheinungen äußerer Sinne“ sei. Indem Kant dann zeigt, dass selbst die reine Vorstellung der Zeit nicht möglich ist, „ohne, indem wir im Ziehen einer geraden Linie (die die äußerlich figürliche Vorstellung der Zeit sein soll) bloß auf die Handlung der Synthesis des Mannigfaltigen, dadurch wir den inneren Sinn sukzessiv bestimmen, und dadurch auf die Sukzession dieser Bestimmung in demselben, achthaben.“ Es fehlt an dieser Stelle freilich ein expliziter Hinweis auf das Beharrliche, das nur im Raum vorgestellt werden kann und das zur Vorstellung dieser Sukzession notwendig ist: Es ist aber klar, dass diese Grundhandlung der Synthesis, die Beschreibung eines Raumes, selbst nur möglich ist, indem der Raum, der beschrieben wird als der selbe und als relativ auf die Bewegung des Ziehens der Linie ruhend vorgestellt wird.

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