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VI. Die Wirkung des verlinderten Luftdrueks in den Lungen auf den Blutkreislauf des ~Ienschen. Von Dr. Julius Schreiber, Privatdoeent an der Universit~t und I. Assistenzarzt der medic. Poliklinik (KSnigsberg i. Pr.)~ (Hierzu Tafel I--IV.) Zweiter Theft. In den naehstehenden Untersuchungen beabsiehtige ieh nm" einigv der Fundamentals~tze, welehe zur BegrUndung der pneumatischen Therapie- soweit es sich hierbei um die Aenderung des Luftdrueks ausschliesslieh in den Lungen, also um die Anwendung der trans- portabeln Apparate handelt- zu bespreehen. Die Anregung hierzu wurde mir dureh die Meinungsversehiedenheit, welehe gerade in Be- zug auf die Cardinalt~age, die nach der Einwirkung des mit jenen Apparaten bewirkten ver~tnderten Luftdrucks in den Lun~en auf den Blutdruck, herrscht. Die Versehiedenheit in der Beantwortunff der genannten Frage und die dadureh mit Nothwendigkeit fraglieh ge- wordenen Folgerungen flir die therapeutischen Indicationen sind viel- leicht nicht zum geringsten daran Schuld, dass die ganze, im ersten Anfang mit Recht als vielverspreehend angesehene Behandlungsme- thode sparer und bis heute bei einem Theil der Praktiker in Miss- credit gerathen ist. Waldenburg, der sigh unfraglich am meisten um die Ein- fiihrung der mit HUlfe der transportablen pneumatischen Apparate m~glich gewordenen, gewissermassen localen Therapie der Respira- tion~- und (?) Circulationskrankheiten verdient gemacht hat, geht in seinem bier einsehl~igigen, sehr umfasscndcn Werke 1) bei der theo- retischen Betrachtung de r Einwirkung seines Apparats auf das Herz und die Blutcirculation yon dem Satze aus, dass der negative Lun- 1) Die pneumatische Behandlung der Respirations- und Circulationskrank. heiten u. s. w. Berlin 1875.

Die Wirkung des veränderten Luftdrucks in den Lungen auf den Blutkreislauf des Menschen

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Page 1: Die Wirkung des veränderten Luftdrucks in den Lungen auf den Blutkreislauf des Menschen

VI.

Die Wirkung des verlinderten Luftdrueks in den Lungen auf den Blutkre is lauf des ~Ienschen.

Von

Dr. Ju l ius Schreiber, Privatdoeent an der Universi t~t und I. Assistenzarzt der medic. Polikl inik (KSnigsberg i. Pr.)~

(Hierzu Tafel I--IV.)

Zweiter Theft.

In den naehstehenden Untersuchungen beabsiehtige ieh nm" einigv der Fundamentals~tze, welehe zur BegrUndung der pneumatischen T h e r a p i e - soweit es sich hierbei um die Aenderung des Luftdrueks ausschliesslieh in den Lungen, also um die Anwendung der trans- portabeln Apparate h a n d e l t - zu bespreehen. Die Anregung hierzu wurde mir dureh die Meinungsversehiedenheit, welehe gerade in Be- zug auf die Cardinalt~age, die nach der Einwirkung des mit jenen Apparaten bewirkten ver~tnderten Luftdrucks in den Lun~en auf den Blutdruck, herrscht. Die Versehiedenheit in der Beantwortunff der genannten Frage und die dadureh mit Nothwendigkeit fraglieh ge- wordenen Folgerungen flir die therapeutischen Indicationen sind viel- leicht nicht zum geringsten daran Schuld, dass die ganze, im ersten Anfang mit Recht als vielverspreehend angesehene Behandlungsme- thode sparer und bis heute bei einem Theil der Praktiker in Miss- credit gerathen ist.

W a l d e n b u r g , der sigh unfraglich am meisten um die Ein- fiihrung de r mit HUlfe der transportablen pneumatischen Apparate m~glich gewordenen, gewissermassen localen Therapie der Respira- tion~- und (?) Circulationskrankheiten verdient gemacht hat, geht in seinem bier einsehl~igigen, sehr umfasscndcn Werke 1) bei der theo- retischen Betrachtung de r Einwirkung seines Apparats auf das Herz und die Blutcirculation yon dem Satze aus, dass der negative Lun-

1) Die pneumatische Behandlung der Respirations- und Circulationskrank. heiten u. s. w. Berlin 1875.

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gendruek sin Ansaugen des Blutes aus den Venen bewirkt, ,,und andererseits bei der Insp i ra t ion- am Kymographion s i e h t b a r - den Druek im Aortensystem herabsetzt." Dieser Satz gilt W al d e n b u r g so fest und unantastbar, dass er sein Gegentheil sieh nieht denken kann, ,,ohne das ganze Gebifude der Kreislaufslehre, wie es dis Phy- siologie seit etwa einem Mensehenalter aufgeriehtet hat, yon Grund auf niederzureissen."

Dass nun aber jener Fundamentalsatz aus der Kreislaufslehre bisher wirklieh yon den meisten Physiologen im Sinne W al d e n-: b u r g ' s und damit falseh gelehrt worden ist, das habe ieh in dem physiologisehen Theile dieser Untersuehungsreihe 1) darzuthun versueht.

So sehreibt denn aueh W a l d e n b u r g , der Inspiration 'eompri- ~nirter Luft einen drucksteigenden, der yon verdtlnnter Luft einen druekerniedrigenden Einfluss auf den grossen Arterienkreislauf zu, ~im Gegensatz zu den Resultaten, dis beispielsweise E in b r o d t, Q u i n k e und P f e i f f e r u. s. w. in ihren analogen Versuehen an Thieren gewonnen hatten. Es konnte nieht fehlen, dass yon anderer Seite dagegen Einsprueh erhoben wurde, so yon D t i h r s s en~ ) mit rein theoretisehen Auseinandersetzungen yon D ro s d o f f und B o t- s c h e t k a r o f f 3), welehe Versuehe an Hunden vorgenommen batten. 4) An Menschen angestellte Untersuehungen dagegen yon H iini s e h 5) sehienen als Besti~tigung der W al den b urg 'schen Folgerungen an- gesehen werden zu dUrfen; dieselben wiehen jedoeh yon den W a l - d enbu rg ' s chen Untersuehungen zuni~ehst insofern ab, als sis die Naehwirkung der Ein- bezw. der Ausathmung comprimirter und ver- diinnter Luft prttften, nieht abet ihren direeten, augenbliekliehen Ein- fluss; diesen Gesiehtspunkt bertieksiehtigten R i e g e 1 und F r a n k 6) in einer Reihe yon Pulsbildern, die sie wi~hrend der Einathmung des j eweilig ver~nderten Luftdrucks gewonnen hatten; dieselben boten

1) Vgl. dieses Archly. Bd. X. 1878. 2) Zur mechanischen Wirkung des transportablen pneumatischen Apparates.

Deutsche Klinik 1874. 3) Die physiologische Wirkung der im W al d e nb u r g 'schcn Apparate com-

primirten Luft auf den arteriellen Blutdruck der Thiere. Centralblatt ftir die me- dicinischen Wissenschaften. 1875 und ebendaselbst: Ueber die Wirkung der Eia- athmung yon verdichteter und verdiinnter Luft. D ro sdo ff.

4) Vgl. auch die im ersten Theile citirten Arbeiten yon F u n k e , und L a t - s c h e n b e r g e r ; und yon Z u n t z .

5) Zur Wirksamkeit der pneumatischen Behandlungsmethode. Deutseh. Arch. f. klin. Medic. Bd. XIV.

6~ Ueber den Einfluss der verdichteten und verdtinnten Luft auf den Puls. Ileutsch. Archly f. klin. Medic. 1876~

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in mancher Beziehung yon den W a 1 d e n b u r g' schen abweichende Resultate dar ~), und schienen zum mindesten die yon W a l d e n b u r g gefolgerten S~tze nicht stUtzen zu kSnnen; hierherzielende Untersu- chungen aus der bereits citirten Arbeit S o m m e r b r o d t 's vermochten andererseits wieder die drucksteigernde Wirkung der Inspiration eom- primirter Luft als doch bestehend nachzuweisen. Es ist schwer, eine Frage, wie die vorliegende, endgiltig beantworten zu helfen, wenn man in seinen Untersuchungen sich nicht mSglichst an die Versuchs- bedingungen des ersten F o r s c h e r s - sof~rn die letzteren nur richtig sind - - anschliesst. Ich habe es daher ftir nicht tiberflUssig gehal- ten, noch einmal die Einwirkung des verschiedentlich veranderten Luftdrucks zu prUfen, indem ich mich ganz an die Versuchsbedin- gungen, unter denen W a 1 d e n b u r g die seinigen angestellt, anlehnte and vor Allem als Versuchsobjecte Menschen wahlte. 2) Eine Erwei- terung des Themas schien mir indess geboten: zur vollen und klaren Beurtheilung, besonders der therapeutisch haufiger in Anwendung kom- menden Inspiration comprimirter und Exspiration in verdtinnte Luft, gentigt es, wie ich glaube, nieht blos, class wir ihren Einfluss auf den Puls wahrend ihrer einmaligen Ein- bezw. Ausathmung erfahren, sondern vor Allem, den Einfluss den sie bewirken, 1. unmittelbar nachher, 2. w~hrend 5fter hintereinander erfolgter entsprechender Re- spirationen und wiederum nach den letzteren. Im Anschluss hieran prUfte ich den Einfluss, den die gleichzeitige Aenderung der In- und

1) Vgl. ebenso: Die an Menschen ausgeftihrten Untersuchungen mit dem Ple- thysmographen yon B a s ch. Medicin. Jahrbiicher 1877. 4. H.

2) Ich halte gerade far diese Frage es yon attsserordentlicher Wichtigkeit die an Thieren gewonnenen Resultate nicht unbedingt auf den menschlichen Or- ganismus zu tibertragen. Gleiche und selbst geringere, geschweige denn gr6ssere Druckgrade comprimirter oder verdtmnter Luft bei Kaninchen- und Hundelungen in Anwendung gebracht, bedeuten keineswegs dasselbe wie bei einem erwachsenen Menschen; ich werde tibrigens, um im Folgendea kurz zu sein, fast ausschliess- lich nur meine Untersuchungen besprechen und so welt die bessere Uebersicht es erheischt, auf die an Menschen und Thieren angestellten Versuche zurtickgreifen. ttierzu bestimmt reich zum Theil auch der Umstand, dass ebenso wie W a l d e n - b u r g fast alle fibrigen Untersucher dieser Frage an Menschen in ihren Erkli~- rungen des Gefundenen yon ihren Anschauungen vom Einfluss der physiologischen Athmung auf den Blutdruck ausgehen, die den meinigen entgegenstehen und daher eine breite Wiederholung des bereits dort Ausgeftihrten nothwendig werden wtirde. Ich setze weiter voraus, dass unter Blutdruckuntersuchungen, Blutdruckschwan- kungen bier allgemein sowohl die an Thieren bekannten Erscheinungen :gemeint sind, beim Menschen: die im ersten Theile in ihrem Werthe genauer besprochenea sphygmographischen Aenderungen an der Basallinie der Pulscurven, sowie an den Einzelpulsen.

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Exspiration auf den Blutdruck hat wi~hrend der Verdiehtung und bezw. Verdiinnung der ein- und auszuathmenden Luft.

Die bisher ver~ffentlichten Curven sind, wie ieh dies in der Ein- leitunft hervorgehoben, aus praktischen Grtinden zumeist mit der Coquille des Marey'sehen Cardiographen ftezeichnet worden; im Naeh- stehenden hielt ich es dafteften ftir anftemessen mit dem Marey'sehen Sphygmoftraphen die Pulsvertinderunften darzustellen, um so meine Versuchserftebnisse mit den tibriften in derselben Weise gcwonnenen direct verftleichen zu kSnnen. ~) Ich habe dabei ftenau den Eintritt der jeweiligen Respirationsphase markirt, am die Beziehunft derselben zum jeweiliften Zustand in der Arterie ftenau erkennen und sichtbar hervortreten zu lassen. Den eiftentliehen Versuchen mit verandertem Luftdruck durch den transportablen pneumatischen Apparat seien gewissermassen als Fundamentalversuche vorausgesehickt der soft. Va l s a lva ' s che und der Mti l ler ' sche Versueh.

Valsalva'seher Versnch.

Es besteht derselbe in einer bei geschlossener Mund- und Nasen- {iffnunft ausgefUhrten Exspiration, der eine freie und tiefe Inspiration voranfteganften ist.

Curve 1.

Die 4 Pulse links vom Pfeile gehSren der Phase der Inspiration an, rechts der der Exspiration, an den letztercn bemerkt man:

1. dass die Basallinie sich plStzlich erhebt, und bis zu Ende des Versuchs auf der einmal erreichten H(ihe nahezu constant verbleibt.

2. Ebenso pliitzlich werden die Ascensionen kleiner um im wei- teren Verlaufe der Exspiration fast ganz, in einzelnen Fallen ganz zu verschwinden.

3. In demselben VerhRltniss sind die Descensionen relativ ver- i~ngert, und die Rtickstosselevation an ihr hochgradift ausftepr~igt.

4. Die an den einleitenden Descensionen sichtbaren Elasticittits- elevationen sind an denen der Exspirationsphase absolut verschwunden.

5. Die Gipfel der Einzeleurven der letzteren sind abfterundet, die der Inspiration mehr spitzwinklig.

i) Die sp~tere Abweichung hiervon wird an der betreffenden Stelle vermerkt werden.

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Wirkung des verhnderten Luftdrucks in den Lungen. 121

Diese Ver~tnderang bedeutet somit, dass unter dem Einflusse der Ya 1 s a l v a ' schen Exspiration der yon der vorangegangenen tieibn Inspiration her volle, hohe, schnelle and gespannte Pals sich um- wandelt in einen zwar scheinbar noch volleren (1), aber sehr kleinen (2), weichen (3 and 4) und tr~igen (5). Die Nothwendigkeit dieser Erseheinung erkl~trt sich aus den ver~inderten Druekverh~tltniss.en im Thorax: w~thrend der V a l s a l v a ' s e h e n Exspiration und durch die- selbe wird die in den, Lungen, idurch die vorangegangene tiefe In- spiration reichlich vorhandene Lair auf einen kleineren Raum gewalt- sam zusammengepresst. Der so im Thorax gesehaffene hohe Luft- druck pflanzt sieh in demselben nach allen Richtangcn hin fort; und da die starren Wandungen des letzteren yon den Exspirationsmus- keln in dauernder Verengerung erhalten werden, so muss der Druck vorzliglich auf die innerhalb des Brustkastens gelegenen nachgie- bigeren Organe seine Wirkung entfalten, d.h. er drtiekt in erster Reihe auf die Gef'~sse in den Lungen, weiterhiu auf die grossen in- trathoraeisehen Yenen und Vorh~fe, sowie auf die Aorta und das Herz.

Dieser Druck in specie auf die grossen arteriellen and ven~sen Gei~sse im Thorax muss unter Umstanden eine seinem Grade und seiner Ausdehnung entspreehende Verdr~ngung des Inhalts der erste- ten bewirken; in den Hohlvenen wUrde dadureh das Blut zumeist nach dem rechten Herzen gepresst, andererseits der neue Zufluss in sic hinein gehemmt werden. Aus der Aorta wtirde dagegen eine bestimmte Menge ihres Inhalts peripherw~rts getrieben 1); es wUrde somit u n a b h a n g i g yon einer Systole des Herzens plStzlieh mehr Blur in die extrathoraeisehen Arterien hineingelangen; da nun gleieh- zeitig der Abfluss aus ihnen dutch die Capillaren wegen des in den intrathoraeisehen Venen sehr beeintr~ehtigten oder ganz aufgehobenen negativen Druekes behindert oder gleiehfalls autgehoben ist, wtirde dieses Plus yon arteriellem Blur mehr als gew~hnlieh den mittleren Blutdruck der K~rperarterien erh~hen k~nnen; so ist d ie pl~tzliehe Erhebung der Basallinie an der obigen Curve, d. h. die fragliehe Steigerung des Blutdrueks wahrend der V a I s a 1 v a'sehen Exspiratioa anfzufassen, und so ist es auch erkl~irlich, dass die einmal erreiehte t i the nahezu constant anhalt, ebenso lange wie die Lufteompression im Thorax. Ein Bliek auf die Descensionslinie tier zwischen dem Ende der Inspiration und der begonnenen Exspiration gelegenen Ein- zeleurve ftthrt uns ausserdem noeh die Riehtigkeit unserer theoreti- sehen Auseinandersetzung siehtbar vor Augen, indem sic zeigt, dass

1) Desgleichen der Inhalt der LungencapiUaren.

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im Stadium der Arterieneontraction, d. h. der Herzdiastole die Ni- veauerh~hung mit einem Male zu der weiterhin unverandert bleiben- den HShe gebraeht ist.

Je weniger Blut nun durch die intrathoraeisehen Venen zuflies- sen kann, je starker die Compression auf die Pulmonalgefasse und das tterz, desto sparlieher miissen die folgenden FUllungen des Ar- teriengebietes ausfallen, desto mUhsamer sigh das Herz eontrahiren, d. h. desto kleiner, weieher und trager muss der Puls werden. Der V a l s a l v a ' s e h e Versuehl) bewirkt somit eine Stauung des Blutes in den Arterien und Venen des K~rpers (und damit eine mangelhafte FUUung des entspreehenden Gef~sgebietes im Thorax~, eine Verlang- samung der Circulation, eine Sehwi~ehung der Herzthatigkeit.~)

M i i l l e r ' s e h e r VersuGh.

Es besteht derselbe in einer tiefen Inspiration bei gesehlossener Mund- und NasenSffnung.

Curve 2.

Betrachten wir die 3 ersten Pulse links vom Pfeil als Dureh- "sehnittspulse der Versuchsperson, so Grgibt sigh als VGr~inderung der- selben im FolgendGn:

1) Dieser u ist im Wesentlichen derselbe, wie tier yon Ed. Fr. W e - b e r~ yon dem noch weiter unten gesprochen werden soll; vgl. Mtiller's Arch. 1851.

2) ob hierdureh gleich auch die Weichheit des Pulses, die uns durch die relatlv ganz bedeutende Riickstosselevation bei jeglichem Mangel yon Elastieiti~ts- elevationen an den Descensionen der Exspirationsphase angezeigt wird, sich ge- ntigend erkl~rt, so mSchte ich doeh glauben, dass - - da sie gew0hnlich mit einer ErhShung des Arterienmitteldrucks, und besonders, wenn dieses, wie hier mit einer tr~gen Herzcontraction (Pulsus tardus) sich combinirt, nicht vereint ist - - dieselbe durch die an den Capillaren besteheade Stauung in bestimmtem Sinne vorget~useht ist. Es ist hSehst wahrscheinlieh, dass der relativ so fib.ermhssige Dicrotismus dadurch zu Stande gekommen ist, dass die in den Arterien eintre- tenden Blutmengen an den Capillaren hier pl6tzlich in hohem Maasse aufgehalten und kraftig zurtickgestaut werden; weft einerseits die geringere Kraft, mit der das Blut aus dem IIerzen getrieben wird, andererseits die in den Capillaren noeh be- findlichen Blutmassen, welche wegen des veri~nderten Druckes in den Venen nicht ausreiehend entleert sind, zu grosse Hindernisse far die an den kleinsten Geffassen ankommende Blutsi~ule darstellen. S o m m e r b r o d t (Deutseh. Arch. f. klin. Med. Bd. VIII) sueht die starke Dicrotie aus einer u des Blutgehalts in den Arterien und einer ktirzeren, plStzlieheren Systole des Herzens zu erkl~ren. Meine Pulseurve wtirde nicht fiir diese Erklhrung sprechea.

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1. Die Basallinie fi~llt (a) bis zum 4. Pulse der Inspirationsphase ab, yore 6. (b) steigt sie wieder an und erreicht bis zu Ende der Einathmung ihre erste Darchschnittshiihe.

2. Die Ascensionen werden (a) ganz vortibergehend kleiner, er- reichen bald ihre fi'Uhere Griisse und werden (b) vom 5. Pulse ab sogar gr~isser als die Durchschnittsascensionen.

3. Die Riickstosselevation durchweg yon mittlerem Ausdrucke, erscheint in der letzten Hiilfte hSher oben an der Descensionslinie, als in der ersten H~tlfte.

4. Vom ersten Pulse der Inspirationsphase an werden an der Descensionslinie Elasticitatselevationen sichtbar, die sieh mit dem Ablauf des Versuchs ungemein vermehren und auch an den Curven- gipfeln hervortreten.

In der ersten Hitlfte des Versuchs fiillt somit der mittlere Ar- teriendruek ab (In), die Pulse werden leerer und im Beginn etwas kleiner (2a)~ die Arterienwandung erscheint dagegen jetzt schon ge- spannt (4); im weiteren Verlaufe erhebt sich der mittlere Druck wie- der (lb), der Puls wird wieder voll, htiher (2b) und gespannter (3 u. 4).

Der Mtil 1 e r ' sche Versuch bewirkt eine inspiratorische Erwei- terung des Thorax, wodurch die in den Lungen vorhandene Luft da keine neue nachrticken kann - - sich auf einen grSsseren Raum ausdehnen muss, d. h. es wird der negative Druck im Thorax mehr als bei der gewiihnlichen Inspiration gesteigert. Die Wirkung der inspiratorisehen Luftveriinderung im Thorax auf den Blutdruck ist aus dem ersten Theile bereits bekannt. Der Unterschied zwisehen der gewShnlichen tiefen Inspiration und der hier in Betracht kom- menden ist lediglich der, dass die in den Alveolen einstrSmende, auf den Blutstrom in den Lungen propulsiv wirkende atmosph~irische Luft hier wegfi~llt. Wir haben die letztere aber als einen besonders ftir die Fiirderung des mittleren Blutdrucks in Betracht kommenden Factor kennen gelernt, wahrcnd die Iuspirationsstellang des Thorax allein mehr die Einzelftillungen des Herzens und damit der Arterien, sowie die Intensitiit der Herzschliige beeinflusst. Erinnern wir nns weiterhin der im Beginn der Inspiration haufig sich geltend machen- den exspiratorischen Blutdruckverh~iltnisse in den Arterien, resp. die etwas spliter erfolgende eigentliche Wirkung der Inspiration selbst, so werden wir einsehen, weshalb der mittlere Blutdruck im vorlic- genden Versuche, - - yon dem kurzen Abfall der Basallinie abge- sehen - - im Wesentlichen unbeeinfiusst bleibt 1), wahrend dagegen

1) Es w~re, wie eine weitere Ueberlegung leicht ergibt, sogar denkbar, dass im hussersten Falle der Blutdruck his zu Ende des Versuchs etwas niedriger

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die Einzelpulse sieh zum Pulsus magnus und durus (bedingt durch krtiftigere Action des sttirker gefttllten Herzens) erheben.

Inspiration comprimirter Luft. Grad dec Compression (W a 1 d e n b u r g'seher Apparat) ~ 15 K1.

19 Mm. Queeksilber ~ 1/40 Atmosphtirendruek. Als Versuchsobjeet ftir die voranstehenden, wie ftir die folgenden

Versuehe diente mir Herr Cand. reed. Th., der in jeder Beziehunff als gesund und krtiftig zu betraehten ist.

Curve 3.

Die links vom Pfeile stehenden Pulse deuten hier wie auch sptiter die der Einwirknng der jeweiligen Compression oder Verdtln- hung der Athemluft vorangehenden Normalpulse an. Darnach er- kennen wir in diesem Falle iblgende Vertinderungen an der Arterie.

1. Zuerst - - ftir eine Zeit yon 4 P u l s e n - erhebt sich die Ba- sallinie pliitzlich; in der ntichstfolgenden Zeit yon 6 Pulsen ftillt sie allm~ihlich nnter die Norm ab, und in den 4 letzten beginnt sic aber- reals zu steigen, ohne jedoch die Normaldurchschnittsh(ihe zu erreichen.

2. Die Ascensionslinien erscheinen im Beginn um ein ganz Ge- ringes hiiher, im weiteren Verlaufe and ungefAhr den Vertinderungen der Basallinie entsprechend geringer, zum Ende der Curve endlieh wieder etwas hiJher, so, dass sie die Durchschnittsh~he eben zurUck- erlangen.

3. Die in den Normalpulsen ausgesprochene RUckstosselevation ist im Beginn des Versuehs fast vollsttindig versehwunden; je mehr aber die Basallinie absinkt, desto deutlieher und desto tiefer tritt die RUekstosselevation an den zugeh(irenden absteigenden Curven- sehenkeln auf, um big zu Ende bis auf ein geringes Hinaut~tieken derselben, deuflieh zu verbleiben.

4. Im umffekehrten Verhiittnisse steht die Entwicklung der Ela- stieittitselevationen, die anfangs zahlreich am absteigenden Schenkel ausgeprtigt, ja selbst auf dem Carvengipfel der Einzelpulse ange- deutet, schon naeh dem 5. Pulse des Versuehs absolut verschwun- den sin&

wtirde; die Einzelpulse warden aber immer die Zeichen der besseren Fiillung und Zusammenziehung des Herzens darbieten.

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5. Die Zwisehenr~iume zwisehen den einzelnen Erh~hungen wer- den far die ersten 7 Pulse etwas grosset, dann aber bis zu Ende der ganzen Curve kleiner bis selbst unter die Norm.

Aus diesen sphygmographiseh gefundenen Ver~tnderungen dtirfen wit folgenden Schluss auf dis Vorg~nge in der Arterie maehen: vor- ausgesetzt, dass die eomprimirte Luft mit einer Inspirationsdauer yon ca. 14 Pulsen 1) _ in die Lungen eindringt, so erf~hrt die Blutver- theilung im Arteriensystem nicht eine eonstante Erh~hung des Mittel- drueks, sondern es lassen sich drei verschiedene Stadien untersehei- den; und zwar im Beginn eine Zunahme des Mitteldrueks, hierauf eine bis unter die Norm herabgehende Erniedrigung, die sehliesslich sich wieder ausffleicht, ohne jedoeh dis normale DurGhsehnittsh~he ganz zu erreichen, d. h. mit anderen Worten der im Beginne v o l l e r e Puls wird wieder 1 e e r e r.

NiGht ffanz diesen drei Stadien parallel geht die Ver~tnderung der Ascensionen (2), dig ungef~thr aber wieder zeigt, class der Puls erst h~her, dann unter die Norm erniedrigt und sehliesslich bis zur Durchschnittsh~he erh~ht wird.

Die Spannung der Arterie (3 und 4) ist im ersten Stadium sehr vermehrt, im zweiten wird sie immer geringer, und im dritten night unbedeutend gegen die Norm vermindert.

Die Frequenz zeigt sine his ins zweite Stadium sigh fortsetzende geringe Verlangsamung und hierauf eine bis zu Ende des dritten Sta- diums zunehmende geringe Vermehrung derselhen.

Die Verschiedenheit der genannten Ver~tnderungen yon denen einer normalen Inspiration, wie sis ira ersten Theile dieser Arbeit entwiekelt, sind zu deutliche, als dass sie besonders hervorzuheben w~ren. Es wtirde sich daher fragen, worauf diese AbweiGhung eigent- lich zu beziehen ist.

I. Die Inspiration Gomprimirter Luft erh~ht zun~tehst dis Nei- gung des Individuums einzuathmen, befSrdert die Inspiration; indem nun die im Beginn der Inspiration im Thorax eintretende Vermeh- rung des negativen Drucks sigh schnell zu einer fur dis Erh~hung des Blutdrucks gtinstigen, frtlher besprochenen Form entwiekelt, tritt denn auch bier das sogenannte, nunmehr leicht erkl~rliGhe erste Sta- dium der Ver~inderung des Blutdrucks in allen einzelnen Theilen ein, d. h. der Puls wird Gin Pulsus plenus, magnus, durus.

II. Auf der H~he der foreirten Inspiration sind die Lungen tier-

1) Die Durchschnittszahl der Pulse in einer Minute circa SO gerechnet warde bedeuten, dass hier nur circa 6 Athemzt~ge in einer Minute ausgeftthrt werden. Diese ungemein gegen das Gew•hnliche verminderte Athmungsfrequenz mag zun~chst aus bald ersichtlichen Grtinden unbert~cksichtigt bleiben.

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artig expandirt, dass sie mit einer Kraft yon ungefahr - - 30 Mm. Quecksilber sich zu contrahiren bestreben; dieser Kraft entgegen wirkt die Compression von l/ao Atmospharendruck ~ - t - 19 Mm. Queck- silber. Nehmen wir an, dass hierdurch in der Folge ein entspre- chender Theil der Contractionskraft der Lungen mehr weniger raseh gebroehen wird, so haben wir zu erwarten, dass nach Ablauf einer bestimmten Zeit nur noch ein negativer Druck von - - 1 l Mm. Queck- silber bestehen wird. In der tiefsten Exs.piration besteht im Thorax immer noeh ein Druck yon circa - - 7 Mm. Quecksilber. Wit mtissen demnach am Blutdruck jetzt Verhaltnisse erwarten~ die denen der physiologischen Exspiration sich nahern. Im vollen Einklang hiermit stehen denn auch die Veranderungen des Blutdrucks des zweiten Stadiums: der Puls verliert an V~ille und HShe und wird weicher.

III. Es ware indess irrthtimlich zu glauben, dass es in der wei- teren Folge bei dem oben genannten Ausgleich der beiden sieh ent- gegen wirkenden Krafte verbleibt. Es gestaltet sich vielmehr der Vorgang so, dass - - wie sparer aufs evidenteste dargethan werden soll - - die Lungen unter dem Drucke der aus dem Apparate in sie einstriimenden Luft nachgeben~ und die comprimirte Lui~ mit nahezu ihrem vollen Ueberdruck yon q- 19 Mm. Quecksilber auf das Innere der Alveolen und damit auf den inneren Thoraxranm zur Geltung gelangt. Es wird dadurch mit N'othwendigkeit ein Zustand bewirkt, der ausserordentlich ahnlich ist dem V a 1 s al v a'sehen Versuche, wel- chef sich yon diesem jedoch I. durch den bestimmten Grad der Com- pression und II. dadureh unterscheidet, dass der letztere sich nieht mehr an den Blutdruckstatus einer vorhergegangenen tiefen Inspira- tion, sondern wie aus dem Voranstehenden erhellt~ an einen solchen anschliesst~ wie er nahezu der physiologischen Exspiration entspricht. In nothwendiger Consequenz findet sich daher das sogenannte dritte Stadium der obigen Veranderungen, beziiglich deren auf die entspre- chende Ausftihrung beim V a 1 s al v a ' sehen Versuch verwiesen sein mag. Die Inspiration comprimirter L u f t - vom genannten Compres- sionsgrade - - wirkt somit, sobald sie sich wirklich im Thorax gel- tend zu machen beginnt, herabsetzend auf den Blutdruek, herabsetzend auf die Thatigkeit des Herzens und den Ablauf der Circulation. Die Differenz, die hiernach mit den speciell W a l d e n b u r g ' s c h e n Aus- einandersetzungen und Schltissen: ausgesprochen und die fUr die Auf- fassung und richtige Fixirung der therapeutischen Indieationen yon der einschneidendsten Bedeutung ist, wird dem nicht entgehen, dex beide Arbeiten und besonders die ihnen beigegebenen Curvenbilder mit einiger Aufmerksamkeit vergleicht.

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Exspiration in comprimirte Luft. Grad der Compression ~- 1i6o Atmosph~ire; die Exspiration in

den Cylinder hinein erfolgts nach einer vorhergegangenen tiefen, freien Inspiration.

Curv~ 4.

Die ersten drei Pulse gebSren dem Endstadium der Inspiration an; als Wirkung der Exspiration unter den genannten Cautelen haben wir somit zu verzeiehnen:

I (a) ein Ansteigen der Basallinie ftir die folg'enden ersten 2--3 Pulse, yore (b) 4. bis zum 8. Pulse fiillt die Basallinis ab, sehliess- lieh bis unter dis der letzten Inspirationsaseensionen zukommende ItShe; (c) naeh dem 10. Pulse besteht wiederum sine Neigung der Basallinie zum Ansteigen, die mit gri~ssersr Deutliehkeit hervortritt auf dem mit diesem Versuehe zu veNIeiehenden Anfangsst~iek der Curve No. 14.

2. Entsprechend der Erhebung der Basallinie wachsen (a) die Aseensionen, wie sie mit dem Abfall dersslben (b) wieder geringer werden.

3. Im gleichen Sinne erblicken wir an den Descensionen der ersten Pulse (a) neben einer sehwach ausgepriigten RUckstosseleva- tion deutliche Elasticitiitsslevation, die yore 4. Pulse ab (b) bereits versehwinden, wohingegen (c) sehr bald eine tibermiissig grosse Rtiek- stosselevation immer tiefsr an ihnen hervortritt und bis zu Ends der Ausathmung verbleibt.

4. Die im Beginn der Exspiration merklich vergrSsserten Zwi- sehenriiume zwisehen den einzelnen Erhebungen vcrbleiben nicht bis zu Ende, sondern sehwinden ganz allmithlich.

Sonaeh finden wit auch hier wie im vorangestellten Versuche eine dreifache Aenderang" ira Verhalten des ArterienkreislauI~: im ersten Stadium niimlich (l a) steigt der mittlere Arteriendruck, ver- mehren sich (2a)die herzsystolischen Ffillungen dsr Arterien, w~ichst (3a) die Spannung der Gef'~sswand, d. h. es resultirt daraus ein Pul- sus plenus, magnus, din'us.

Im zweiten Stadium sinkt iib) der mittlere Arteriendruck und vermindert sich die Spannung der Gef~isswand; wir haben jetzt einen wenigcr vollen~ weniger grossen und sehr weichen Puls.

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128 VI. J. ScHa~mEa

Im dritten Stadium steigt die Basallinie ( lc)wieder etwas an, im Uebrigen verbleiben die Pulse wie zu Ende des zweiten Sta- diums weich und weniger voll.

I . Durch den eingeftihrten Athmungsmodus wird die Ausathmung des Individuums ersehwert; mit der zunehmenden Belastung, d. h. mit dem Ansteigen der sich der Exspiration entgegensetzenden Kraft kann sogar die Ausathmung unmi~glich und schliesslich in eine pas- sive Inspiration umgewandelt werden.

Im Beginn der Exspiration wirken somit sieh zwei Kr~fte ent- gegen, davon die eine - - die Lungen - - mit einer ungef~hren Con- tractionskraft yon 30 Mm. Quecksilber die Luft aus den Alveolen naeh aussen zu verdr~tngen; die andere - - die comprimirte Luft - - mit einer Kraft yon -~- 12,0 him. Quecksilber womSglich noch reich- lieher in die Alveolen einzudringen bestrebt ist. Wir k(innten uns vorstellen, dass naeh Abzug der -~ 12 Mm. Quecksilber ftir die Ex- spiration immerhin noch eine Kraft yon ca. 18 him. Queeksilber Ubrig bliebe, mit der schliesslich der entgegenwirkende Cylinder gehobeu, d. h. etwas Exspirationsluft aus den Lungen verdr~ngt wiirde. Ob- zwar nun das Endresultat wirklieh ein derartiges zu sein scheint, wie wir sp~ter sehen werden, so gestalten sieh im Beginn die Ver- hi~ltnisse doeh anders. Die Exspiration ist einer tiefen Inspiration gefolgt; die tibermi~ssig expandirten Lungen erfahren bei dem Ver- such zur Exspiration jenes Hinderniss; hierdureh ist die Aufgabe ftir die sogenannte passive Exspiration eine nahezu unm(igliehe, und jeder, der den Versuch einmal an sieh selbst angestellt hat, weiss, dass eine active Exspiration hierdureh fast erzwungen wird. In Folge der letzteren muss eine Compression der ttbermiissig reiehen Lun- genluft ~) erzeugt werden, deren Austritt ins Freie zum Theii verlegt ist. Die Compression maeht sich daher geltend im innern Thorax un- gefi~hr in demselben Sinne wie beim V a I s a I v a'sehen Versuehe, oder auch in einer bestimmten Zeit im Beginn der Einathmung eomprimirter LutL Hier wie dort sehen wir daher sehr i~hnliche Wirkungen auf den Blutdruck, die n~mlieh, dass das in Folge der vorangegangenen tiefen Inspiration reichlich in den grossen intrathoracisehen Gefi~ssen im Herzen wie in den Pulmonalgef'~tssen autgespeieherte Blur in Folge des gegen einen Theil der letzteren gefiihrten Drueks ausgepresst wird, der Blutdruck ziemlieh pl(itzlieh ansteigt.

1) Die Luft in den Alveolen ist im Beginn der Exspiration auch dadurch abnorm vermehrt, well die Versuchsobjecte sonst constant- wie wir sphter sehen werden -- die Exspiration mit einer kurzen Inspiration, d. h. Inspiration com- primirter Luft einleiten.

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Wirkung des ver~nderten Luftdrucks in den Lungen. 129

Das Herz mit seiner yon der inspiration her noeh gesteigerten Intensitiit treibt 1- -2real die grossen Blutmengen kriiftig in das Arteriensystem hinein~ tier Puls ist gross und gespannt.

II. ~aeh Verlauf einer bestimmten Zeit hat die active Exspira- tion das Uebergewicht tiber die entgegengestellte eomprimirte Luft errungen und treibt die letztere vor sieh her, wodurch die Lungen tines Theiles ihres Luftgehaltes und damit der Thoraxraum eines Theiles des in ihm bestehenden positiven Drueks entlastet wird. Vorausgesetzt, class der positive Druek im Thorax immer noeh der- artig beschaffen war, dass das Blut aus den K(irpervenen in die Thoraxgef'asse und ins Herz dureh die hierftir noeh tibrig bleibenden Krafte eingetrieben wird, muss aus eben diesem Grunde, resp. weil der Blutzufluss zum Herzen ein geringerer gewesen ist, jetzt trotz der Entlastung des Lungendrueks, der mittlere Blutdruek absinken und ebenso die einzelnen FUllungen tier Arterie, d. h. der Puls wird wieder niedriger. Indem aber der in Rede stehende Druek gleieh- zeitig auf das Herz wirkt, behindert er die Thittigkeit desselben, das Blut wird mit einer geringeren Kraft in die Arterie geworfen, daher aueh der Pulsus durus verloren geht.

III. Eine Verliingerung der Ausathmung tiber dieses Stadium hinaus wnrde bei kri~ftigen Individuen zur forcirten Exspiration, bei tier nieht blos der grosse Uebersehuss yon Athemluft in den Lungen sondern noeh ein Theil der Residualluft exspirirt wtirde, fUhren, bei weniger krifftigen dagegen entweder zur Uebermtidung der Exspi- ration und einer passiven, unter dem Druek der Luft im Apparat stehenden Inspiration oder aber zu einer bei geseiflossener Rima glottidis ausgeftihrten aetiveu Exsp i ra t ion- in jedem Falle zu einer Compression des im lnnern des Thorax gelegenen Gefassapparats ithn- lieh dem letzten Stadium der Inspiration comprimirter Luft bezw. der V a ls a lv a'schen Exspiration, d. h. zu Veritnderungen wie sic die Curve in diesem Stadium anzuzeigen beginnt.

Inspiration verdiinnter Luft. VerdUnnung der Luft im Apparat ~ 1/60 Atmosph~h'endruek ( ~ 30

Belastuug der Schniire des Cylinders) ------ 12,0 Mm. Quecksilber. Die unter der Einwirkung der so verdUnnten Luft im Apparat

vollzogene Inspiration ergab die in der folgenden Curve (s. S. 130) siehtbaren Veranderungen des Blutkreislaufs.

Die vor dem Pfeile gezeiehneten 2 Pulse stellen Exspirations- pulse des Versuehsindividuums dar; yon hier ab:

1. Erhebt sieh die Basallinie bis zum Ende des Versuehs all- A r c h l y flir experiment. Pathologie u. Pharmakologie. XII. Bd. 9

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130 YI. J. Sc~am~Ea

mithlich fast mit constanter Zunahme - - wenn auch im Ganzen nut um eine relativ geringe HShe.

2. Die Ascensionen werden yore 2. Versuchspulse erheblich gr(is- ser und blciben bis zu Ende so beschaffcn.I)

3. Die im Beginn deutliche und tief unten an der Descensions- linie ausgesprochene Rtickstosselevation riickt constant hiiher hinauf und wird immcr undeutlicher.

4. Im gleichcn Maasse treten bis zu Ende des Versuchs die an- fangs nicht vorhandenen Elasticitiitselevationen in grosser Reichlich- keit in der zweiten Hiilfte der Inspiration auf.

Curve 5.

Wir ersehen somit aus diescm Bilde ein constant sich entwickcln- des Bcstrebcn im Circulationsapparate den Puls zu eincm Pulsus ple- nus, magnus, durus zu gcstaltcn; allerdings priivaliren in dem Biide die beiden letzten Eigenthtlmlichkeitcn vor der r welche ja yore jeweUigen in der Arterie hcrrschenden Mitteldruck abhiingt.

Aus dem ersten Theile diese~ Arbeit haben wir erkannt, dass yon den Schwankungen an der Arterie die mehr continuirliche Stei- gerung der Blutftille hervortritt, je mehr mit der inspiratorischen Stellung des Thorax, mit dem negativen Drucke in ihm tin be- stimmter in Bezug auf den Inhalt der Pulmonalgef~se propulsiv wirkender Factor, die einstriimende Athemluft unter einem rclativen Drucke gepaart ist. Die erstere allein bereichert nur in bekannter Weise die Ftillung des Herzcns und vermehrt die Thi~tigkeit des- selben; als Folge davon erscheinen die Einzelpulse nut vergriissert und meist vermehrt und gespannter; der gleichzeitige zweite Factor mildert die zu schnelle Enfleerung der Arterien durch die Capillaren etwas und speiehert, die Lungencapillaren continuirlich wie wit ge- sehen haben nach links hin auspressend, so gewissermassen das Blut in den Arterien des K(irpers allmiihlich auf, daher auch dann die mittlere BlutfUlle zunimmt; selbstredend kann das letztere in

1) Die Abweichung hiervon im 5. und 6. Inspirationspulse rfihren, wie ich glaube, von einer Unregelm~ssigkeit der Einathmung her, es ist ihr Auftreten ken neswegs constant--ich lasse daher die Ursache dieser Erscheinung zun~chst da- hingestellt.

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Wirkung des ver~nderten Luftdrucks in den Lungen. 131

geringerem Grade sehon dureh die ersten der genannten Ver~nde- rungen des Thoraxinnem bewirkt werden.

Diese Paarung der beiden Factoren findet sich, wie wir gezeigt haben, in einer bestimmten Phase der physiologischen Inspiration. Yon .ihr unterseheidet sieh die augenblicklich in Rede stehende im Wesentliehen dadurch, dass der negative Druek im Thorax ein un-

:yerh~ltnissm~ssig gr~sserer wird im Vergleieh zu dem in die Lungen eintretenden Luftquantum. Denn indem bei Oeffnung des mit ver- :r Luft gefUllten Apparats das Individuum zu inspiriren ver- sueht, hat es die entgegenwirkende Krai~ im ersteren zu Uherwin- den.ll Die Inspirationsmuskeln erweitern daher den Thorax stKrker als gewShnlich, die Lungen dehnen sieh st~irker aus, zun~ichst um das Bestreben des Cylinders den Lungen Luft zu entziehen, aufzu- heben. Dadureh muss naturgem~ss die Lungenluft stark verdtinnt werden, der negative Druck im ThorKx waehst ungemein und ver- h~lt sich das Individuum in diesem Stadium auch ~iusserlich schon sichtbar - - wie W a l d e n b u r g mit Reeht hervorhebt - - wie ein in den ersten Luftwegen stenosirtes, z. B. ein croupkrankes. Im wei- teren Verlaufe wird die Th~tigkeit der Inspiration erfolgreieh dazu verwandt aus dem Cylinder Luft einzusaugen, was allerdings nur um so weniger der Fall ist, als die Kraft der Inspiratoren, die Saug- kraft wie das Pneumatometer zeigt, schliesslich ahnimmt - - aber item es tritt in der Folge Luft in die Lungen ein. W~hrend daher die Ausdehnung des Thorax gr~sser ist als unter physiologisehen Verh~ltnissen, namentlich im Beginn des Versuchs, ist die dureh die Ausdehnung ermSglichte Lufteinnahme eine geringere, es Uberwiegen dtiher in der Arterie, wie die ohige Curve lehrt, die Zeiehen der be- sehleunigten Blutcirculation und ihrer gesteigerten herzsystolisehen Ftillungen fiber die mehr continuirliche des mittleren FUllungszu- standes. Aehnlieh ist dies der Fall bei einem anderen, bereits be- sprochenen, dem sogenannten Mtil I e r ' schen Fundamentalversuche. W~hrend bei diesem jedoch yon Anfang bis zu Ende allein die Auf- gabe besteht, den Thorax in die denkbar m~gliehste Inspirations- stellung zu bringen, d. h. den mit unseren eigenen Mitteln denkbar m~gliehsten negativen Druck im Thorax zu erzeugen, ist hei jenem nieht nur die zu leistende Ausdehnung gewissermassen vorgeschrieben dutch das Gegengewieht, sondern vornehmlich dadurch eine Differenz gegeben, dass Luft schliesslich, wenn auch erschwert, in die Lungen

1) In Folge dessen jede Inspiration verdiinnter Luft bei vielen Individuen sogar mit einer ganz kurzen Exspiration beginnt, selbst wenn dasselbe veranlasst worden ist, der Inspiration eine ausgiebige Exspiration vorangehen zu lassen.

9*

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132 vI. J. ScrmmrER

eindringen kann. Dass indess dureh griissere Belastung der SehnUre des Cylinders, d. h. dureh Vergri~sserung des der Lungenausdeh- hung entgegenwirkenden negativen Drucks, oder be t einem schwaeh- lieheren Individuum bet demselben Grade der Verdiinnung der Luft im Cylinder, ein dem M ti 11 e r'schen Versuehe ganz gleicher~ ja sogar noeh darUber hinausgehender, d. h. unmi3glich zu leistender Vorgang hervorgerufen wird, ergibt sieh von selbst. Die bier angedeutete Uebereinstimmung und Differenz der beiden in Vergleieh gezoffenen Versuche beztiglieh ihrer Versuchsanordnung gibt sieh denn auch wie ein weiterer Verffleich lehrt - - in dem entspreehenden Ueber- einstimmen und Auseinandergehen der dazu gehiirigen Curven kund, so dass fUglieh eine Auseinandersetzung tiberfitissiff sein dUrfte, dass aber andererseits darin ein weiterer Beweis fttr die Riehtigkeit un- serer Auffassung geiunden werden dart.

Exspiration in verdiinnte Luft.

Die Verdtinnung der Luft im Apparate wnrde bewerk~telligt dureh Belastung der SehnUre des inneren Cylinders mit 30 Pfund ~--- 1/60 Atmosphiirendruek. Die Exspiration erfolgte im Anschluss an eine tiefe Inspiration.

Curve ~.

In den links yon dem Pfeile gezeiehneten Pulsen erkennen wir am Ansteigen ihrer Basallinie, an den mit zahlreiehen Elastieitiits- elevationen versehenen Descensionen die letzten Inspirationspulse; yon hier ab:

1. f'allt die Basallinie (a) bis zur 4. exspiratorisehen Erhebung ab, wii, hrend (b) die 6 letzten wieder auf einer erh~hten Grundlinie stehen, die ungefahr das Niveau derjenigen der letzten Inspirations- pulse erreieht.

2. Die Aseensionen der (a) zur abfallenden Grundlinie gehSrigen Pulse sind vergriissert, die (b) tibrigen yon derselben H~ihe wie die einleitenden Inspirationsaseensionen.

3. Die Rtiekstosselevation ist in keinem der Pulse deutlieh ans- gesproehen, dahingegen

4. bewahren die Deseensionen bis zu Ende nicht nut die ihnen

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Wirkung des veri~nderten Luftdrucks in den Lungen. 133

yon vornhercin eigenthtimlichen Elasticitatselevationen, sondern sic vermehren sich gegen das Ende der Ausathmung noch etwas.

5. Die Zwischenraume zwisehen den einzelnen .Erhebungen ver: ringern sieh in der zweiten Halfte der Exspiration merklieh.

Wir kilnncn die hier in eincm Zeitverlauf yon 9 Herzsehlagen auftretenden Aenderangcn im Blutkreislaufe abermals in zwei ver- sehiedene Stadien sondern.

Im ersten derselben sinkt der mitt]ere Blutdruek ab (la), wiih- rend der Einzelpuls ein Pulsus magnus (2a) und durus (3 and 4) ist. Im zweiten Falle erhebt sich der Arterienmitteldruck; die Arterie ist roller (lb)~ der Puls yon inspiratoriseher H(ihe (2b) und noeh zuneh- mender Spannung (3 and 4).

I. Durch die Exspiration in einen luftverdtinnten Raum hinein wird das Bestreben zur Ausathmung dem Grade der angewandten Verdtinnung gemitss bef~rdert, bezw. sogar erzwungen. Die Luft aus den Alveolen wird ausserordentlich sehnell entleert, der Thorax rasch in Exspirationsstellung gebraeht. Wiihrend dieser Zustand in [den Lungen und am Thorax sieh entwickelt, arbeitet das Herz mit der vorangegangenen Inspiration in den grossen Thoraxgefiissen and wei- terhin im Herzen sehr reiehlieh Vorhandenen Blutmengen. 1) Das erstere hat zur Folge~ dass die continuirliche, so zu sagen respiratori- sehe Ftillung der Arterie~ der mittlere Blutdruck heruntergeht, wiSh- rend nach dem friiheren dadurch keineswegs~ wie auch die obige Carve zeigt, ausgeschlossen bleibt, dass die rhythmische Ftillung der Arterie dureh das Herz zuniiehst noch ftir einige Contraetionen eine seinem frUheren Ftillungszustande entsprechend grhssere ist~ d .h . dass der Puls gross und gespannt erscheint.

II. Sobald nun aus den Alveolen alle Luft entfernt ist, im Tho~ tax ein Druek yon _+ 0 besteht, beginnt der vom Apparat aus ein- gefUhrte Zug plhtzlich 2) und - - da in dem Exspirationsbestreben des Individuums kein Hinderniss cntgegengesetzt ist, - - mit der vollen Kraft - - %0 Atmosphare auf das Innere des Brustkorbs zu wirken. Auf der Kiirperoberfliiche lastet der positive Atmosphiirendruck~ der sofort die Thoraxwand, die obere Bauchgegend u. s. w. naeh innen treibt. Die Plhtzlichkeit dieses Vorganges, besonders des zu zweit genannten and die nothwendig constant bleibende, ursiiehliehe Kraft desselben ftihren zu einer (lb) pliitzlichen Erhhhung des mittleren

Blutdrucks, der constant die einmal erreichte Hiihe inneh~tlt. Wlih-

1) Dieselben sind noeh dadurch vermehrt, dass fast jede Exspiration in ver- dtinnte Luft mit einer kurzen Inspiration, d. h. Inspiration verdtinnter Luft beginn t.

2) Vgl. die entsprechenden Respirationscurven.

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134 VI. J. SCHRSIBSR

rehd nun das unver'andefliehe Beharren des Blutdrueks auf dieser H~he als solches sich aus der unver~inderlichen Griisse der ange- wandten Lui~verdtinnung ungezwungen erkl~irt, ist die Thatsaehe der pltitzliehen Blutdrueksteigerung nicht so leieht verst~indlich. Am wahrsehajnliehsten dUrfte es sein, dass dureh diesen respiratorisehen Vorgang in den Lungen ein Druek hergestellt wird~ weleher dora w~ihrend einer Inspiration bestehenden im gewissen Sinne nahekommt. Denn obsehon hierbei der Thorax und damit die Lungen in die ex- quisiteste Exspirationsstellung gebraeht werden, so findet sich doch nieht wie bei der ~tussersten aetiven Exspiration hier eine einfache Compression der Lungen dureh das hinaufgedr~tngte Zwerehfell u. s. w. statt, sondern es werden die an der Peripherie der Lungen gele- genen Theile des Brustkorbs und Organe im letzteren and im Ab- domen centralw~trts gezogen. Wer nut einmal den Versueh an sich selbst angestellt hat, wird diese Annahme als unzweifelhaft richtig harem Es besteht somit ein yon der Alveolenwand nach aussen wirkender Zug, der naeh Entfernung aller Luft aus der Alveole

dilatirend auf die Lungeneapillaren and weiterhin auf die grossen intrathoraeisehen .Gefitsse wirken muss. Es entsteht hierdureh ftir das Gef~tsssystem im Thorax e inder Inspiration sehr analoger Wir- kungsvorgang, d. h. es entwickelt sieh im Verlaufe der Exspiration in verdtinnte Luft ein reieher Blutzufluss zu den grossen Thorax- gef~tssen und den Lungeneapillaren, wodureh weiterhin dot Blut- druck in den peripheren Arterien und ebenso die Spannung in den- selben gesteigert wird. 1)

II. u

Die naehstehende Versuchsreihe besch~tftigt sich mit der Frage fiber den Einfluss der Athmung auf den Blutkreislauf w~thrend sowohl die Inspiration als auch die Exspiration in ununterbroehener Folge unter einem in den Lungen veranderten Luftdruek vor sieh gehen. Es werden diese Versuehe sonach die Grundlage abgeben kiinnen, ftir etwaig aufzustellende Indieationen zur Behandlung yon Kranken

1) Der unverg~nderlich yon der Alveolenwand nach aussen wirkende Zug macht es wahrscheinlich, dass der Blutzufluss zu den Lungen gr6sser ist als der Abfluss aus ihnen ; dutch die eigenthtimliche Art des hier in Betracht kommenden negativen Drucks wird sicher ein relativ grosser Theil des in die Lungen einge- sogenen Blutes dort zurackgehalten. Hierin darf aber kein Widerspruch mit dem gefunden werden, was bei Gelegenheit des inspiratorisch-negativen Drucks in den Lungen gesagt ist; denn es ist nicht zu iibersehen, dass bei letzterem zur Aus- ftiUung der ausgedehnten Alveole atmosph~trische Luft nachrtickt u. s. w.

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Wirkung des veri~nderten Luftdrucks in den Lungen. 135

mit sog. Doppelapparaten ~), sit sind aber auch geei~o~net die Rich- tigkeit der frUheren Auseinandersetzungen noch deutlicher hervor- treten zu lassen. Ieh babe reich hierbei aus Mangel zweier gleicher transportabler Apparate des M e y e r - G e i g e l ' s c h e n und des W a I - d c n b u r g 'sehen bedient. Ueber die Art der Verbindung dieser bei. den, ihre demgemiisse Anwendung und die hier kaum in Betracht kommenden Differenzen derselben glaube ieh der Ktlrze wegen hin- weggehen zu dtirfen. :) Als Fundamentalversuche seien hier analog dem Vorhergehenden vorausgesehiekt die Verbindungen des M Ul 1 e r - sehen mit dcm V a 1 s a 1 v a'schen Versuche.

Miiller-Valsalva'scher Versuch.

Die Inspiration und Exspiration gesehah ohne Unterbreehung der Mund- and Nasen~ffnung.

Curve 7.

Die beiden Pulse links sind Normalpulse, dig darauf folgenden 6 sind wlihrend der In-, die letzten 8 wi~hrend der Exspiration ge- zeichnet.

Wit finden auch bier wieder in der Inspiration, dig bereits nach dem 4. Pulse sigh etwas erhebende Basallinie und die grossen ana- croton and katapolicroten Pulse; im Anschluss an diese dig durch dig V a l s a l v a ' s c h e Athmung bedingte pl~tzliche Erhiihung der Ba- sallinie neben den immer kleiner werdenden stark dierotisehen Pal- sen. Eine weitere Bespreehung erheiseht dieses Ergebniss wohl kaum.3)

l) Ygl. in der friiher citirten Arbeit von Zuntz , Inspiration comprimirter nnd Exspiration in comprimirte Luft bei Thieren.

2) Dass diese u -- correct ausgeftihrt -- zu mannigfachen Schwie- rigkeiten ftihren, davon wird sich Jeder, der sich an die Wiederholung derselben begibt, sehr schnell tiberzeugen. Es geh6ren dazu intelligentere, willige Ver- suchspersonen und wenigstens zwei geiibte Assistenten. Den letzteren Herren, die reich freundlichst bei meinen u unterstiitzt, und besonders Herin Dr. ~oss ius , danke ich daftir auch an dieser Stelle.

3) Als interessant und das Frtihere zum Theil besti~tigend ist vielleieht her- vorzuheben, dass die Erh6hung der Basaliinie im Ansehluss an die Mtiller'sche Inspiration ausgesprochener ist als bei dem der gewShnlichen Inspiration folgenden Valsalva 'schen Exspiration. Diese relative Differenz erkennen wit bereits in dieser Curve, wenn wir das Niveau der Fusspunkte der ersten zwei (inspiratori-

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136 VI. J. SCHR~IBER

Yalsalva-Miiller'scher Versuch.

Die Versuehsanordnung ist eine der eben besproehenen In- und Exspirationsfolge entgegengesetzte.

Curve 8.

Die Zeichnung links vom Pfeile entsprieht der Exspiration, rechts davon der Inspiration. Der erste Theil der Curve bietet nichts Neues dar, dahingegen ist eine bedeutende Veranderung im Bilde des M fil- l e r ' schen Versuches eingetreten, eine Veranderung yon hiichstem Interesse:

1 - 1. sinkt (a) die Basallinie mit Inspirationsbeginn sehr fief ab ), vom 6. - - zuerst wieder deutlich erkennbaren - - Pulse erhebt (b) sie sieh innerhalb yon 5 Pulsen zu ihrer frtiheren HShe und steigt (c) sehliesslich innerhalb der letzten 4 Pulse fiber die letztere hin- a u s a n .

2. Mit dem Absinken der Basallinie seheinen (a) die Ascensionen fast vollstiindig versehwunden; sobald die erstere sieh erhebt, treten die Pulse nieht nur (b) deutlieh hervor, sondern es werden ihre As- censionen yon Puls zu Puls griisser und schliesslieh (c) ungemein gross.

3. Die Pulse sub 2b sind deutlieh anacrot und die folgenden zeigen an ihrer Deseensionslinie Elasticit~tselevationen.

4. Die RUckstosselevation ist nur undeutlich ausgesproehen. Wahrend somit im Beginn der auf die V a l s a l v a ' s e h e Exspi-

ration eintretenden M t i l l e r ' sehen Inspiration der Puls ein Pulsus .minimus~ vaeuus, insensibilis~ filiformis, fete intermittens (la~ 2a] ist~

schen)l'~ormal-Ascensionen beriicksichtigen, dann aber auch bei einem Vergleiche mit der entsprechenden friiheren Versuchscurve,

Die Nothwendigkeit dieses Untersehiedes ergibt sich sofort yon selbst, sofern wir uns nur erinnern, dass die Differenz zwischen den in den Thorax und Lun- gengefassen befindlichen Bhtmassen und dem nunmehr auf sie propulsiv einwir- kenden Valsalva'scheff Exspirationsdruck gr(isser ist nach Ablauf eines Theiles der M iill e r 'schen Einathmung als bei gleichem Exspirationsdrucke, der auf eine gewShnliehe Inspiration folgt.

l) Auf die Aehniichkeit dieses Theiles der Curve mit der yon R iege l und F r a n k a. g. O. verSffentlichten elften sei bier nur kurz hingewiesen, ich masse mir kein Urtheil dartiber zu, wie welt vielleicht auch dort die Ver~nderungen auf analoge Druckverh~ltnisse im Thorax zu beziehen sind, wie sie hier und welter unten besprochen werden.

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Wirkung des ver~nderten Luftdrucks in den Lungen. 137

wird er im weiteren Verlaufe und bis zu Ende derselben ein Pulsus plenus (lb und c), magnus, permagnns (2b und c) und durus (3 und 4).

Aus der Bespreehung des V a 1 s a I v a'schen Versuchs wissen wir, dass die Circulation dutch sic sehr leicht ins Stocken geriith, dass vor Allem das Blut in den Arterien anstaut, weil die Entleerung der Venen naeh dem Herzen behindert ist und die Herzaction schwa- eher wird.

Die Ursaehe dieser u erblickten wir in dem hoch- gradigen im Thoraxinnern herrschenden und auf den Circulations- .apparat wirkenden positiven Drucke. Denken wit nns diesen posi- riven Druek im Thorax pl(itzlich aufgehoben, ja sogar, dem That- si~chlichen entspreehend, an seine Stelle einen hochgradigen negativen gesetzt, so mUssen die dem tIerzen nahe gelegenen grossen Venen- stamme sieh nicht nur pl~tzlich entleeren, sondern auch unmittelbar hinterher die K~rperarterien. Der in den Arterien durch Stauung bedingt gewesene erhiihte Druek stellt jetzt nitmlich eine um so gr~s- sere vis a tergo far den Blutstrom dureh die Capillaren dar, je nie- driger pl~tzlich der Druck in den grossen Venen und resp. je inten- siver die Aspiration im Thoraxinnern geworden ist. Der Druek in den Arterien muss hierdurch rapid heruntergehen. Da abet, wie die le'~zten Exspirationspulse zeigen, das Herz nur noch minimale Bht- mengen zur Erzeagung yon Pulsen zur VerfUgung hatte, die Herz- thi~tigkeit darnieder lag, so zeigt die Curve in dieser Phase des Blut- drncks gewissermassen die Fortsetzung des vorangegangenen Versuchs. Je mehr jedoch durch den negativen Druck im Thorax die grossen Venen nicht nur sich ins rechte Herz entleeren und yon neuem fallen, der Pulmonalkreislauf-- ich m~chte sagen - - wieder hergestellt wird, desto reiehlieher wird der Blutzufluss zum linken Herzen, desto kriff- tiger beginnt das Herz zu arbeiten. Der Blutdruck in den Arterien steigt an, der Puls wird voll, hoeh und gespannt.

Dieser Vorgang im Circulationsapparate unter dem Einfluss der ge- nannten Versuchsordnung ist so natiirlich und leicht einzusehen, dass man das Resultat h~ttte fast vorher bestimmen kSnnen; abet dasselbe ist ausser- dem noch im Stande manch klarenden und bestatigenden Hinblick auf fraher Besproehenes zu werfen:

I. Die Differenz dieses Curvenbildes mit dem wahrend der einfachen, naeh einer tiefen Exspiration vorgenommenen Mtill er'schen Inspiration beruht im ersten Theile auf der Differenz des Drucks im Thorax nach einer tiefen Exspiration (der immer noch negativist) und dem zu Ende einer Valsalva 'schen (der hochgradig positivist); im zweiten Theile darauf, dass neben der ersten Differenz auch noeh die in Betracht kommt, welche besteht zwischen dem Luftgehalt der Alveolen: denn in dem ein- faehen Mtil 1 e r'sehen Versuehe enthalten die AIveolen nut eine Quantitat

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138 VI. J. Sc~a~,i~.a

yon Luft entsprechend einer tiefen Exspiration, in dem vorliegenden da- gegen eine einer tiefen Inspiration entsprechende.

II. Die pliitzliche~ bis zu Ende hSehstens constant bleibende Erhii- hung der Basallinie wiihrend der Valsa lva ' sehen und die yon einer Er- niedrigung sich zur excessiven Hiihe allmahlieh sieh entwickelnde Erhebung derselben wiihrend dcr M li 11 e r'schen Inspiration cnthitlt cinch sprechenden Ausdruck daftir 7 dass in dem ersten Falle der Blutkreislauf in Stagnation gerathen, im zweiten Falle wirklich erhiiht ist; zweitens in dem Ver- haltniss der immer kleiner werdenden Ascensionen und relativ ilbermas- sigen Rtickstosselevationen auf der einen und der zusehends wachsenden~ auf der anderen Seite bei gleich hohem zu Ende der Mii l ler ' schen Ath- mung ja sogar noeh hilheren mittleren Drucke den Ausdruck ftlr die im letzteren Falle wirklich gesteigerte Thiitigkeit des Herzens und zwar ent- sprechend den bei Gelegenheit der betreffenden Versuche gefiihrten frii- heren Auseinandersctzungen.

III. Beriicksichtigen wir noch einmal ~ dass die M tl I I e r'sche Inspi- ration in diesem Falle sieh yon der gewShnlichen tiefen Inspiration n o e h weniger unterscheiden muss, als in dem einfachen Versuehe~ so enthalt das in der vorliegenden Curve ausgesprochene Bild ftir den t der es mit einiger Ueberlegung ansieht, noch maneherlei Bestatigendes bezfiglich des Vorherigen fiber die Einwirkung der physiologischen In-und Exspiration~ sowie der Einathmung verdtinnter und der yon verdichteter Luft auf den Blutkreislauf.

Inspiration comprimirter und Exspiration in comprimirte Lnft. Versuehsanordnnng: In beiden Apparaten wurde eine Lufteom-

pression yon 1/4o Atmospharendruek hergestellt. Die Ein- and Aus- athmung der Versuehsperson erfolgte aus dem einen in den andern Apparat ohne Entfernung der Gesiehtsmaske.

Curve 9.

Die Curve zeigt links vom Pfeile 4 der Inspirationsphase ange- hSrige Pulse, die iibrigen rechts vom Pfeile stellen das Resultat der Exspiration dar.

Wahrend die ersteren mit dem zuvor entwickelten gleiehen Ver- suehe tibereinstimmen, unterseheiden sich die letzteren in auffallender Weise yon dem Resultate der einfaehen Exspiration in eomprimirte Luft.

1. Der Blutdruek erhebt sieh hier 1) mit Beginn der Exspiration

!~ Die Differenz der beiden Resultate ergibt ein Vergleich mit dem betrefo fenden Yersuche.

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Wirkung des ver~nderten Luftdrueks in den Lungen. 139

um ein Geringes, bleibt eine Zeit yon 5 Pulsen auf dieser Hiihe and erhebt sieh dann zum zweiten Male am etwa dieselbe Hiihe wie zuvor.

2. Die Ascensionen erscheinen im ersten Ansteigen der Basal- linie nur etwas, im zweiten mehr verkleinert.

3. Die Rtiekstosselevation ist an den Deseensionen der ersten Ba- salerhebunff bedeutend gegen den Beginn noeh vergrtissert and ver- tieft, an den der zweiten Basalerhebung kleiner und an dem abstei- genden Curvensehenkel hi~her oben.

4. Elasticit~ttselevationen sind nur in den letzten 2 Pulsen zu erkennen. Damach wird der Pals hier in der ersten Hiilfte des Ver- suchs etwas yeller, abet kleiner und weicher, in der zweiten veil, etwas gespannter und kleiner.

Der grosse Untersehied in diesem Verhalten des Blutkreislaafs gegenUber dem an der frtiheren Stelle besproehenen beruht darauf, dass im Beffinn der Exspiration dor tder im Thorax gebildete posi- tive Druck geffen einen dureh die vorangegangene Inspiration sehr grossen Blutvorrath in den Thorax and Lungengef~tssen seine Pres- sion ausqbte, hier dagegen auf ein durch die vorangegangene Inspi- ration comprimirter Luft mangelhafter geftiUtes Gef~tsssystem im Brustraume.

Und w~thrend im weiteren Ablaufe des Versuehs zuvor ein im Vergleiche zur vorangegangenen Inspiration gewissermassen rein ex- spiratorischer Luftdruek hergestellt wurde (ira II. Stad.) entwiekelt sieh hier dureh die sehliessliehe Verdriingung der aus dem Apparat entgegenwirkenden comprimirten and eines Theils der zuvor inspi- rirten Luft ein im Verh~tltniss zur vorangegangenen Inspiration er- heblieh geringerer Druck im Thorax der somit eine Entlastung des ganzen Cireulationsapparats innerhalb des Thorax darstellt.

Woher nun - - noeh detaillirter - - im ersten Theile die Pulse weniger yell, aber hoeh und weich, im letzten Theile weniger hoch abet yeller und resistenter sind, das darf nunmehr als mit Leiehtig- keit aus dem bisher Besproehenen ersichtlich tibergangen werden, t) : Die Exspiration in comprimirte Luft ist somit bei gentigender Dauer im Stande - - sofern sie direct auf die Inspiration eomprimirter Luft folgt - - die entsprechende Beeintr~tehtigung des Blutkreislaufs zum Theil zu compensiren.

Die genaue Betrachtung dieses Curvenbildes enthiilt in dem VerhiiIt- hiss der Basallinie zu Ende der Inspiration and im Beginn und zu Ende der Exspiration~ sowie besonders noch in der schliesslichen Aenderung

1) Vgl. dasselbe Resultat in dem Versuche von Zuntz, der die sp~tere Er- h(~hung vasomotorischen Einfitissen zuschreibt.

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140 VI. J. SCHRmBE~

der Charaktere der Einzelpulse einen weiteren Beleg far die Richtigkeit der entwiekelten Ansehauung yon dem blatdruekerniedrigenden Einfluss der Inspiration comprimirter Luft.

Denken wir uns dagegen dieselbe Art der Exspiration im An- sehluss an eine starke Luftverdtinnnng im Thorax, so wtirde ihre Wirkung auf den Kreislauf yon der in Folge des betreffenden gleich: namigen, einfaehen Versuchs sich dadurch unterseheiden mtlssen, dass nachdem der geringe Luftvorrath aus den Alveolen herausgegeben ist, bei einer weiteren Dauer des Exspirationsversuehs raseher und leiehter wie dort eine tiberm~ssige active Exspirationsstellung des Thorax sieh einstellen muss. Diese aber wtirde auf den Blutkreis- lauf den endlichen Erfolg haben, wie der V a l s a l v a ' s c h e Versuch. l~he r liegt aber noch der Vergleich einer solchen Versuchsanord- hung mit dem combinirten Fnndamentalversuche der M till e r- V a 1 s a I v a 'sehen Athmung.

Vergleiehen wir hiermit nun die Curve des Versuchs.

Inspiration verdiinnter und F.xspiration ih verdichtete Luft. LuftverdUnnung - - 1/60 Atm0sph., Luflverdichtung ~ -f- 1/~

Curve 10.

so finden wir in dcr That im Beginn dcr Exspiration die fast voll- kommene Uebereinstlmmung in den Resultaten der beiden in Ver- gleich gezogenen Versnehe ebenso wie zu Ende der Ausathmung eine solche mit den Endresultaten des Va l s a lva ' s ehen Versuchs, end- lich eine sehr ausgesprochene Aehnlichkeit dieses Curvenbildes mit No. 7, dem der M i i l l e r - V a l s a l v a ' s c h e n Athmung.

Inspiration r und Exspiration in verdfinnte Luft. , Versuehsanordnung: Die Compression der Luft in dem cinch

Apparate betrug q- 1/4% die VerdUnnung in dem anderen - - 1/~o At- mosph~trendruek (Curve 11 s. S. 141).

Eine Differenz in dem vom Pfeile naeh reehts gelegenen, der Exspirationsphase angeh~rigen Theile der Curve ist nur im erstea Beginne dieses Theiles siehtbar (vgl. den analogen einfaehen Versueh).

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Wirkung des ver~nderten Luftdrucks in den Lungen. 14!

In Uebereinstimmung mit dem betreffenden, vorangegangenen Ver- suche der Exspiration in verdtinnter Lnft finden wir aueh hier wieder die pl(itzliche und constant bleibende Erhebung der Basallinie veto 4. Exspirationspulse ab neben der Verringerung der Aseensionen und dem Hervortreten der zahlreichen Etasticitiitselevationen im abstei- g~nden Curvensehenkel.

Curve 11.

Dass hier der Blutdruck im Anfhng der Exspiration nicht wit zuvor heruntergeht, daftir aber auch die Ascensionen gleich bleiben und die Descensionen ihre ausgesprochene Rtickstosselevation be- wahren, beruht darauf, dass entgegengesetzt dem frtiheren Versuche die Exspiration in der zuvor besproehenen Art hier eine mangelhafte Fiillung des Blutgefiisssystems im Thorax antrifft; naehdem aber dutch den yon aussen auf das Innere der Alveolen wirkenden Zug, die Lungen ihres hier abnorm vermehrten Luftgehalts entleert sind, treten hier wit dort dieselben yon Seiten des Respirationsapparates auf den Circulationsapparat wirkenden mechanischen Zustande her- vor, die naturgemgss - - wie auch die Curve zeigt - - zu gleiehen Endeffecten ftihren mtissen.

Wir sehen somit, wie versehieden ein und dieselbe Art zu re- spiriren auf den Blutdruek wirkt, je nachdem die vorangegangene Inspiration normal oder dutch verdichtete oder verdtinnte Luft mo- dificirt abgelaufen ist.

Der vorangestellte Fundamentalversuch, der combinirte Val s al v a- M li ll e r'sche hat gezeigt, dass, wie eben flit die Exspiration hervor- gehoben wurde, auch die Inspiration unter gleiehen Versuchsbedin- gungen ausgeftihrt, zu versehiedenen Resultaten ihrer Einwirkung auf den Blutdruck ftihrt, je nach der Art der ihr vorausgesehickten Exspiration; es sei hierftir zum Sehluss dieser tibrigens noeh so man- nigfaeher Combinationen mSglichen Versuche als Beispiel angeftihrt:

~.xspiration in comprimirte nnd darauf folgende Inspiration verd/innter Luft,

Compression der Luft ~--- q- 1/6o Atmosph., Verdtinnung ~ - - 1/6o. W~thrend bei der einfachen Inspiration verdiinnter Lnft die Carve

(vgl. No. 5) zu hohen, gespannten massig vollen Pulsen, der Mtiller-

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14 2 VI. J. SCHRm~.R

sche Versueh zu m~ssig hohen, gespannten~ vortlbergehend weniger vollen Pulsen ftihrte, so sehen wir hier:

Curve t2.

1. Die Basallinie der Pulse rechts vom 2. Pfeile zuerst ungemein stark absinken, selbst unter das Niveau der Durchschnittsh~he (Pulse links vor dem ersten Pfeile), hierauf abet sehnell wieder ansteiffen, und zwar zur gleiehen H~he, welehe tier Blutdruek dutch Stauung in Folge der der Inspiration vorangegangenen Exspiration (zwisehen den beiden Pfeilen) erreieht hatte.

2. Die Aseensionen waehsen im Verlaufe der Inspiration und 3. naehdem sie sehnell (naeh dem 3. Pulse bereits) die Rtiek-

stosselevation eingebtisst, bereiehern sieh die Deseensionslinien mit zahlreiehen Elastieitatselevationen.

Die Analogie in der Abweiehung dieses Versuchs und des tier M U 11 e r'sehen Inspiration naeh einer vorausgegangenen V a 1 s a 1 v a- sehen Exspiration yon dem Resultate der einfaehen Inspiration ver- dUnnter Luft nnd des einfaehen MUller ' sehen Versuehs einerseits, sowie andererseits die augenseheinlieh bestehende Aehnliehkeit in den Pulsbildern der ersteren beiden maeht eine weitere Erklarung, die nur eine Wiederholung des bereits Gesagten darstelleu wUrde, unn~thig; es sei daher nut auf die Besprechung an der herr. frtt- heren Stelle verwiesen.

I I I .

Um ein einigermassen bestimmtes Bild yon den rein meehani- sehen Einfltissen der in die Lungen comprimirt eintretenden oder dutch aussere Luftverdtlnnung besehleunigt aus den Lungen entwei- ehenden Luft u. s.w. auf die Lungen selbst zu erhalten, verband ieh mit den vorangestellten Versuehen ein Pneumatometer l) der Art, dass die Gesiehtsmaske statt mit einer einfaehen Durehbohrung, mit

1) Ein dem obigen ganz analoges Verfahren ist bereits yon v. C u b e in An- wendung gebracht worden. u Wiener medicin. Woehenschrift. 1874.

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Wirkung des veri~nderten Luftdrucks in den Lungen. 143

einer doppelten versehen wurde; wiihrend die eine Oeffnung den Ver- bindungssehlauch mit dem pneumatisehen Apparate aufnahm, war tiber die zweite ein soleher mit dem Pneumatometer gezogen. Es ist ohne Weiteres klar, dass die Verschiedenheit der Weite und St~irke der angewandten Verbindungsschl~iuche entsprechend den ver- sehieden weiten Mtindungen der beiden transportablen Apparate so- wie die Art der Application des Pneumatometers keine quantitativ streng verwerthbaren Resultate tiber die Druckvorgi~nge im Thorax zulassen, es dfirfte indess statthaft sein, aus den Schwankungen~ die man so am Pneumatometer erh~tlt, wenn auch nieht streng quanti- tative, so doch mindestens qualitative Schltisse fiber die unfraglich auftretcnden Luftdruckschwankungen im Thorax und bezw. im Ap- parate zu ziehen. Die folgenden Werthe beziehcn sich nieht auf die exeessiven Steigungcn oder Senkungen des Quecksilberfadens, son- dern es ist stets der positive oder negative Grad festgehalten, auf welchem der Quecksilberfaden einen Moment oder llinger stehen blieb. Die Versuehe sind an denselben Personcn, wie die vorigen und an mir selbst angestcllt; einige Beispiele mSgen hier angefiihrt sein.

Inspiration comprimirter Luft. 1)

Cand. reed. W. Cand. reed. S. l J. Schr. I. Insp.-}-0-}--4-F-16 -i-0-]-2-}-14 I - - 6-]-14--]-20

II. Insp. - - 1 --}- 4 -~- 16 - - 2 q - 4 q - S - ~ t 4 w 10-~- 18

Die Compression betrug 1/4o Atmosph. ---~ 19 Mm. Queeksilber. Dieser Versuch beweist, dass unserer i~tlheren Auseinandersetz-

ung gem~ss im Beginn der Inspiration und im weiteren Ablaufe der- selben ganz verschiedene DruckzustKnde im Thoraxinnern in Betraeht kommen. W~hrend, wie die Tabelle zeigt, im Beginn der Inspira- tion ein negativer 2) Druck jenseits des pneumatisehen Apparats herrscht, finden wir spiiter nur positive Werthe, die nahezu his zur Hi, he der angewandten Compression anwaehsen. Es geht daraus weiterhin hervor, dass je nach der Widerstandsf~ihigkeit der Lunge tier Druck der comprimirten Luftpression yon aussen her - - frfiher oder sp~ter - - ganz oder fast ganz - - auf die Wandungen der Alveolen sich Geltung verschafft.

I) Compression und Verdfinnung wie in den vorangestellten Versuchen. 2) Der zuweilen sehr schnell vorfibergehende negative Druck im Thorax im

Beginn der Inspiration comprimirter Luft, so dass, wie aus der Tabelle ersicht- lich, die Inspiration mit ~+ zu beginnen scheint, wird weiter unten aus der Art des zumeist statthabenden Athmungsmodus sich erkl~rt finden.

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144 VI. J. SC~aEIBER

I n s p i r a t i o n V e r d f i n n t e r L n f t

- - 1/6o Atmosph. ~ - - 12,6 Mm. Quccksilber.

W. S. I. Insp. - - 16 - - 14 - - 14 constant

II. Insp. - - 14 - - 16 - - 20, constant - - 16

d. h. dass in der Tha t 4er Thorax hierbei nicht nur sich starker aus- dehnen muss, sondern dass schliesslich der hierdurch gebildete ne- gative Druck in ihm die entgegenstehende aussere Kraft yon - - 12,6 Mm. Quccksilber iibcrholt und so aus dcm luftverdtinntcn Cylinder noch Luft inspirirt.

E x s p i r a t i o n in c o m p r i m i r t e L u f t

+ 1/4o Atmosph. ~ 19,0 Mm. Quecksilber.

W. S. I n s p . - - 6 - - 6

I. Exsp. + 20 + 24 -~-- 18 . ] . 3 4 . ] . 1 8 I n s p . - 6 - - 6

II. Exsp. + 32 .]. 24 + 36 + 18

J. Schr. 3 4 - - 18

schwankend zwischen 3 8 u , ~ 20

I n s p . - - 6 - - 6 I. Exsp. - ] -4 - - 8 - - 4 - - 12

Insp. - - 4 - - 4 I[. Exsp. - ] -4 - - 6 - - 4 - - 12

d. h: dass im Beginn der Exspiration die active Exspiration zu einem weit hi~heren Drucke im Thorax als im weitercn Verlaufe derselben ftihrt~ so dass eine Verminderang der Luft aus den Lungen in den Cylinder hinein mi~glich ist; dass schlicsslich die Exspirationskraft abnimmt unterhalb der eventuell wieder auf die Lungen zurtick ein- wirkenden Compression der Cylinderluft.

E x s p i r a t i o n i n v e r d i i n n t e L u f t

1/60 Atmosph. ----- - - 12,6 Mm. Quecksilbcr. W. S. J. Schr. Exsp. ~ - - 1/3o Atmosph.

25,3 Mm. Quecksilber. - - 4 - - 1 2 - - 2 2

6 - - 1 4 - - 2 6

d. h. dass, w e n n - wie bei W . - nicht Inspirationsvcrsuche gcmacht werden, der yon aussen wirkcndc negative Druck sieh schliesslich eventuell ganz und rol l auf die innere Oberflache der Lungen Gel- tung verschafft. Das diesem vorangehende Stadium gibt sich am Pneumatometer in einem ziemlich rasch vor sich gehenden Schwanken

d e s Quecksilbeffadens yon der negativen Inspirationshiihe z u einer positiven Tiefe und zurUck zum negativen Werthe; diese Uebergiinge sind a b e r - wie b e m e r k t - wegen der zu grossen Schnelligkeit ihres Ablaufs hier nicht notirt women.

J. Schr. - - 62 abfallend b i s - - 26 + 40 + i s - - 5 0 .].].38.].].16

Page 29: Die Wirkung des veränderten Luftdrucks in den Lungen auf den Blutkreislauf des Menschen

Wirkung des ver~nderten Luftdracks in den Lungen.

Inspiration comprimirter und Exspiration in comprimirte Lnft

__+ 1/4o ----- + 19 Mm. Queeksilber.

W. S. ~ 1,,6o In sp . - - I +_0+22 - - 2-[-- 4-[-- 8.[..12

I. Exsp. + 26 + 24 + 28 + 14 Insp.-- l__+0-~22 - - 2-[-- 6 + S + 1 4

II. Exsp..[.. 26 .[.. 26 -[-- 24 -4- 14

145

J. Schr. - - 6--10. [ . .16 Jr- 3 2 + 2 0 - - 1 6 + 1 4 - - - 18 .[.. 34-[--[--20

Die weiteren Combinationen der Aenderung des Luftdrucks mit den Doppelapparaten babe ich in dieser Weise zu untersuchen unter- tassen. Die angefiihrten Beispiele aber illustriren bereits, wie ich glaube, ausserordentlich deutlich die bier in Betracht kommenden Luftveri~nderangen in- und ausserhalb des Thorax tim pneumatischen Apparate) und sie zeigen, dass die versuchten Erklarungen mit ihnen Ubereinstimmen. Das letztere miichte ich auch hervorheben in Bezug auf die hierher zielenden Auseinandersetzungen W al d e n b u r g,s als auf ein ffir die vorliegenden Untersuchungen sehr wesentliches, er- hartendes Factum; denn die Untersuchungen W a 1 d e n b u r g' s und seine Auseinandersetzungen fiber die Einwirkung der genannten Luft- veranderungen mit seinem Apparat sind, soweit sie theoretisch und rein mechanische Vorgange des R e s p i r a t i o n s a p p a r a t s behandeln, wie ieh meine, unanfeehtbar; in nicht demselben Maasse sind es seine Versuehsergebnisse in Rtteksieht der gleichen Luftveranderungen mit ihrer indess weiterhin erSrterten Einwirkung auf den C i r cu l a t i ons - a p p a r a t . Diese Thatsaehe oder mindestens die bier bestehende Differenz seiner und der vorliegenden Versuehe ist dem mit der Ma- terie Vertrauten nicht entgangen. Die nachfolgende Besprechung lasst es fiberdies noeh nothwendig erscheinen, Einzelnes yon den ab- weichenden Resultaten W.'s hier besonders hervorzuheben.

Praktische Bedeutung des bisher Besproehenen.

Auf S. 230 seines wiederholt citirten Werkes tritt W a l d e n - b u r g dem etwaigen Einwande: ,es sei mSglicherweise nieht Zeit genug vorhanden 1) am die Ausgleichung des Drucks 2) zur Realisi- rung zu bringen" entgegen. Er halt diesen Einwand durch die frfiher bei der theoretisehen Betrachtung der Wirkungen seines Apparates auf den Respirationsapparat erbraehten Thatsachen ffir - - wie auch ich glauben mtichte, in gewisser Beziehung mit vollstem R e c h t - wi- derlegt. Im weiteren Verlaufe sagt W. -- noch immer speciell ftir

1) Es ist an der genannten Stelle yon der Inspiration comprimirter Luft die Rede.

2) yon der die weitere Wirkung auf den Blutkreislauf abhhngen wtirde. A r c h i v ffir experiment. Pathologde u. Pharmakologie. xn . Bd. 10

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I46 VI. J. Scrmm~a

die Inspiration eomprimirter L u f t - : ganz sieher bedarf es einer ge- wissen Zeit, ehe die Druckausgleiehung eine vollst~tndige ist . . . . . Zunachst entsteht ja bei tiefer Inspiration eine erhebliehe Luftver- diinnung in den Lungen, die" erst in dem Maasse weieht, als neue Luft zustr~mt, die Druckdifferenz ist demnaeh beim Beginn der Inspiration noch z i e m l i e h e r h e b l i c h ; s i e g l e i e h t s i eh e r s t a 11 m ~t h 1 i e h im Verlauf der Inspiration aus und zwar um so sehneller, je reieher die Luftzufuhr ist. D ie A u s g l e i e h u n g muss aber doeh nothwendig im Verlaufe der Inspiration selbst erfolgt sein, sonst hatte die nur d u r e h e i n e n D r u e k a b e r s e h u s s zu erklarendr Brust- ausdebnung nieht bewirkt werden k~nnen.

Dass diese Ausgleichsvorg~nge wirklich im Sinne der W a 1 d e n- b u rg 'sehen Anseinandersetzungen statthaben, daran ist nieht zu zweifeln, es beweisen dies meine vorangestellten pneumatometriseben Resultate bis zur denkbarsten Gewissheit, wie dies als ebenso ge- wiss bereits naeh den Mittheilunffen yon v. Cube gelten musste.

Hiernaeh glaube ieh W a l d e n b u r g nieht falseh zu verstehen in der Annabme, dass er die Wirkunff der veriinderten Athmung auf den Blutdrnek nieht yon dem Moment des Beginns tier letzteren im Allge- meinen sondern naeh einer bestimmten Zeit ihrer Dauer erst erwartet; dieses Zeitintervall wird abet sieh naturgemass riehten ebenso naeh dem Grade wie naeh der Art der eingefUhrten Luftveranderung.

In der That sagt ja aueh W a l d e n b u r f f z. B., ,,ist Jemand nieht im Stande fief genug zu inspiriren, so kann es gesehehen, dass in dem Momente, wo er die Inspiration unterbrieht, noeh nieht ein volles Druekgleiehgewieht zwisehen Apparat uvd Lungenluft einffe- treten ist. In diesen Fallen wird aber aueh die ausdehnende Wir- kunff auf die Lungen nieht roll zur Entwieklung kommen." (Folff- lieh aueh nieht auf den Blutkreislauf.)

Dieser unfraglieh dureh den Versueh gesttttzte Gesichtspunkt muss meiner Meinung vor Allem festgehalten werden bei der Beur- theilung der betreffenden Versuchsresultate u n d e r war es, der mieh veranlasste, die Respirationsphasen bei meinen Versuehen zeitlieh m(igliehst auszudehnen. Hierzu kam die Ueberleffunff, dass nieht jeder Thorax und nieht alle Lungen die Wirkung des in ihnen ver- anderten Luftdrueks auf den Blutkreislauf in einer jedesmal bestimmten gleiehen Zeit darbieten werden. Sieher wird zum Beispiel ein naeh- giebiger Thorax und sehwaehe Lunffen fraher yon tier einstr(imen- den eomprimirten Luft bis zu dem Grade ausgedehnt werden, yon dem ab die eigentliehe Wirkung der eomprimirten Luft zu erwarten ist und damit der Endeffeet fraher an der ~rterie hervortreten, als

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Wirkung des ver~nderten Luftdrucks in den Lungen. 147

unter gleichen Versuehsbedingungen aber bdi einem weniger deh- nnngsf~thigen Respirationstraetus resp. sogar bei einem kr~ftigen, ganz gesunden Individuum, das der passiven Endausdehnung der Lungen einen gr~sseren Widerstand entgegen zu setzen vermag.

Hieraus geht aber als beaehtenswerth zweierlei hervor: I. An den graphiseh erhaltenen Sehwankungen des Blutkreis-

laufs unter dem Einflusse der einen wie der anderen der in Rede stehenden Respirationsarten sind nieht jedesmal die mit dem Beginn der jeweiligen In- oder Exspiration zusammenfallenden Erseheinungen an der Arterie yon der eingef'tihrten Luftver~tnderung abh~tngig zu maehen; es gilt dies hier in noeh viel htiherem Maasse als - - wie wit gesehen haben - - fur die normale Athmung;

2. Die in unserem Verfahren beabsiehtigte Wirkung auf den Blutkreislauf ist je naeh der Besehaffenheit des Individuums, resp. seines Respirationstraetus bald frtiher, bald spater zu erwarten, so dass in zwei F~tllen bei gleieher Dauer der jeweiligen Respirations- phase und gleiehem positiven oder negativen Respirationsdruek in dem einen Falle eine extreme, in dem anderen eine mittlere oder gar keine Wirkung auf den Blutkreislauf statthaben wtirde.

Es ist von vornherein die Wiehtigkeit dieser Folgerung klar und damit die Nothwendigkeit in einer zeitlieh mSgliehst ausgedehnten Respirationsphase eines gesunden Individuums die in einer l~tnger dauernden Einwirkung des angeftihrten abnormen Luftdrueks zu Standr kommenden Wirkungen auf den Blutkreislauf zu studiren.

Dieselben Gesiehtspunkte sind aueh der folgenden Bespreehung als Grundlage gegeben:

Bei der Entwieklung der Wirkung der Inspiration eomprimirter Luft haben wir drei versehiedene Stadien kennen gelernt, davon im ersten der Blutdruek anstieg und fruit ihm die Zeiehen der gestei- gerten Herzth~ttigkeit, im zweiten dagegen abfiel, wobei das Kleiner- werden der Aseensionen, der hervortretende Dierotismus und der Sehwund der Elastieit~ttselevationen uns als Zeiehen der verringerten Herzth~tigkeit galten. Die erste Ver~tnderung glaubten wit in Ueber- einstimmung mit unseren physiologisehen Untersuehungen als Folge tier begtinstigten Inspiration anzusehen, die weitere, das soge - n a n n t e II. S t a d i u m a b e r e r s t als s p e e i f i s c h e W i r k u n g de r e i n g e f t l h r t e n L u f t e o m p r e s s i o n . Diese Annahme stimmt mit den unter den gleiehen Bedingungen auftretenden Ver~tnderun- gen am Pneumatometer und den oben angedeuteten Betraehtungen W a l d e n b u r g ' s durehaus tiberein. Wollten wir darnaeh in Ab- s i e h t zu f i x i r e n d e r t h e r a p e u t i s e h e r I n d i e a t i o n e n einen

10"

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148 VI. J. SCHREIBER

bestimmten Satz formuliren~ so mUssten wir sagen: dass d ie In- s p i r a t i o n c o m p r i m i r t e r L u f t - - sofern sie in der Inspiration zur Geltung kommt - - den B l u t d r u e k h e r a b s e t z t und d ie H e r z t h ~ t t i g k e i t b e e i n t r ~ e h t i g t . Es stehtdies imvollstenGe- gensatz zu der Folgerung W a l d e n b u r g ' s , denn nach ihm wird: ,,dureh die Inspiration comprimirter Luft die Arbeit des Herzens er- leichtert, dadureh die Herzkraft der Systole gesteigert und der Druck im Aortensystem erh~ht".

Es muss bei diesem Citat hervorgehoben werden, dass W al- d e n b u r g in der weiteren Ausftihrung allerdings darauf hinweist, dass bei 1Kngerer Einwirkung oder bei Anwendung h~herer Com- pressionsgrade der Inspirationsluft die Stauung im Venensystem sich in einer Verkleinerung der Pulse u. s. w. geltend macht . . . . ,, die Pulswelle, sagt W a l d e n b u r g , muss deshalb kleiner werden. Sie wird kleiner, obgleieh das Arterienrohr umf~tnglicher, d. h. yeller als normal ist ."

Obschon nan die hieran sieh knUpfenden physiologisehen Be- traehtungen im Einzelnen vom W a l d e n b u r g ' s e h e n S t a n d p u n k t e aus beztiglich der Wirkung der normalen Athmung auf den Blut- kreislauf durehaus correct sind, so muss doch hervorgehoben werden, dass dies keineswegs durchgehends der Fall ist, soweit W a 1 d e n- b u r g dabei die therapeutisehe Anwendung seiner Siitze versucht. Der Gegenstand erheiseht es, im Folgenden an W a l d e n b u r g ' s eigenen Ausfiihrungen zu exemplificiren:

Auf S. 315 stellt W a l d e n b u r g die comprimirte Luft als indi- cirt hin bei allen denjenigen Erkrankungen, bei deneu es sich datum handeIt:

1. die Spannkraft des Herzens l) und dem entsprechend den Druck im Aortensystem zu erh(ihen;

2. das Ausstriimen aus dem Herzen zu erleiehtern; 3. das Abfliessen des Blutes aus den K(irpervenen ins Herz zu

erschweren; 4. das Herz und die Lungen vom Blut zu entlasten; 5. die Blutftille im grossen Kreislauf zu vermehren. Nun geht aber aus meinen Pulsbildern 2) mit grosser Deutlich-

1) Vgl. dagegen die yon D r o s d o f f nachgewlesene Abnahme der Thgttigkeit des Herzens.

2) Es wfirde uns zu welt ffihren, wollten wir n0ch unsere Pulsbilder mit denen von W a 1 d e n b u r g im Speciellen vergleichsweise besprechen ;. die letzteren sind leider nicht besonders gelungen und ohne n~here genaue Angabe fiber Be- ginn der Athmungsphasen, so dass leicht Missverst~ndnisse bewirkt werden m0chten; die Nebeneinanderstellung W a 1 d e n b u r g's und meiner Curvenbilder demonstrirt die Differenzen ohne jede Erklgtrung.

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Wirkung des ver~nderten Luftdrucks in den Lungen. 149

keit hervor, dass diese theoretiseh leicht zu dcducirenden Vorg~inge im Blutkreislauf in ganz versehiedenen Stadien auftrcten und dass die Inspiration comprimirter Luft im Beginn im ersten Stadium zwar den Indicationen ad 1. und 2., kcineswcgs abet denen ad 3. und 4. entsprcchen wtirde. Ja wenn man daran festh~ilt, dass erst die Puls- curve des II. Stadiums die der Inspiration comprimirter Luft zukom- mende, so zu sagen specifische Wirkung wiedcrgibt, so wUrde dieses Mittel unter den sub 1. und 2. genannten Voraussctzungen gar nicht angewendet werden dtirfen.

Wollte man alle die durch die eingcftihrte Inspiration m~glichen Wirkungen auf den Blutkrcislauf theoretisch verwendcn, so mUsste

-man die Inspiration gewissermassen in Zeitabschnitte ihrer Dauer d o s i r e n. Diese Nothwendigkeit scheint W a 1 d e n b u r g aueh im All- gemeinen vorzuschweben, da cr sclbst sich diescs Ausdrucks bedient; nur finde ich seine Indicationen absolut nicht darnach gestellt, ganz abgesehen davon, dass - - wie ich bereits hervorgehobcn - - bet dem einen Individuum in ether ktirzcren Zcit eine sog. spiitere Einwir- kung auf den Blutdruck eriblgen Minute als bet einem anderen.

In ether ununterbroehenen Reihe wird die Inspiration compri- mirter Luft cbenso ftir die Mitralfehler, w i e fur die Aorteninsuffi- eienz und das Fettherz, ftir die Bronchitis wie fiir den Morbus Brightii u. s. w. empfohlen.

Bet den Mitralfehlern ist W. besonders die sub 4. und 5. ge- nannte Indication maassgebend; bet den Aorteninsufficienzen set man abet vorsichtig ,,im Aortensystem den Druck dutch Anwendung der eomprimirten Luft noch wetter zu steigern"; beim Fettherz l~isst sich aus der Steigerung der gesunkenen Herzkraft vielleicht ein sy- stematischer Erfolg erwarten . . . . . "; bet der Bronchitis ist es die depletorische Wirkung in den Lungengef~issen und bet Morbus Brightii die Steigerung des Drucks im Gefi~sssystem, daneben vielleicht auch der Kriiftigung des Herzens, welche die Indicationen darstellen.

Hierbei ist aber gar nieht berticksichtigt, dass in dem Moment, in dem z. B. bet den Mitralfehlern die Wirkung der mtiglichsten Blut- enflastung im Thorax erwtinscht wird zuglcich, wie die Pulscurve lehrt, die Herzthiitigkeit noeh mehr geschwi~cht werden wUrde; und dass wiihrend die die Herzthi~tigkeit steigernde, den Druck im Aorten- system erhtihende Wirkungsphase da ist, welehe bet den Aortenin- sufficienzen und ebenso beim Fcttherz Vorsicht gebieten, nicht die depletorische Wirkung in Betracht kommen kann, die gegen die Bronchitis gerichtet ist u. s. w.

Erwagen wit weiterhin noch einmal, dass alle die genannten

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Wirkungcn in bestimmtcn Zeiten ablaufen und dass diese verschie~ den sind je nach der Ausdehnungsf~thigkeit und der Kraft der Lun- gen, so m(ichte es vor Allem nothwendig scheinen: e n t w e d e r be i j e d e m e i n z e l n e n I n d i v i d u u m ers t s p h y g m o g r a p h i s e h fest- z u s t e l l e n n a c h V e r l a u f yon w ie v i e l e n P u l s e n der b e a b - s i c h t i g t e E f f e c t de r I n s p i r a t i o n s i eh z e i g t o d e r a b e r -- zun~tchst ftir d i e E i n a t h m u n g v e r d i e h t e t e r L u f t - - d i e m i t t l e r e W i r k u n g ins A u g e zu f a s s e n , d. h. das II. S t a - d i u m : A b s i n k e n de s B l u t d r u c k s , A b n a h m e de r Herz th~i - t i g k e i t .

Das erste Verfahren ware in der Praxis nur schwer oder gar nicht durchzuftihren, das z w e i t e w a r e a b e r d e s t o l e i c h t e r , w e n n d i e U n t e r s u c h u n g e n nur d i e B e r e c h t i g u n g d e s s e l - b e n e r w e i s e n w U r d e n ; d a s s d i e s e B e r e e h t i g u n g a b e t t h a t s i i e h l i e h v 0 r l i e g t , w e r d e n w i r w e i t e r u n t e n n o e h a u s z u f t i h r e n h a b e n .

ungeF~hr dasselbe, was eben ftir die I n s p i r a t i o n c o m p r i - m i r t e r L u f t gesagt ist~ gilt aueh ftir die folgenden Versuehsresul- tare. Die yon mir flit die E x s p i r a t i o n in c o m p r i m i r t e L u f t vorangestellte Pulscurve unterseheidet sich wiederum sehr erheblieh yon der W a l d e n b u r g ' s , was hier um so mehr in Betracht zu ziehen ist, als die Exspirationsdauer in seinen und meinen Versu- chen nahezu gleieh lange bestanden zu haben scheint. Ich begnUge mieh mit diesem Hinweis~ der gleichzeitff auch Bezug hat auf den correspondirenden Fundamentalversuch: d i e V a 1 s al v a ' sche E x - s p i r a t i o n .

,,Die Wirkung der verd t inn ten Luft auf den Circulationsapparat ist der comprimirten Luft total entgegengesetzt .... " Dieses Verhalten ist a priori in derselben Art zu erwarten, wie bei gewi/hnliehen Inspi- rations- und Exspirationsversuehen, und in nothwendiger Consequenz befinden sich meine .Resultate wiederum im Widersprueh mit denen W a 1 d e n b u r g 's. W a 1 d e n b u r g finder ~ dass bei der Einathmung verdtinntcr Luft der Seitendrnck und die Fiillung des Arterienrohrs vermindert der Puls klein und weieh, im exquisitesten Grade sogar wie beim Mii l ler ' sehen Versuche unftihlbar werden kann.

,Wird die Luftverdtinnung bis zu einem gewissen Extrem ge- steigert - - die Grenze dieses Extrems liesse sich durch Experimente feststellen, sic ist aber bei verschiedenen Individuen verschieden - - so wird der Kraftverlust, welehen das Herz ftir seine Arbeit erleidet, endlich so bedeutend, dass die noch tibrig bleibende Herzkraft ent- weder gleich Null oder doch so klein ist, dass sic eine Systole

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Wirkung des veri~nderten Luftdrucks ia den Lungen. 151

iiberhaupt nicht mchr zu Stande bringen kann. Ist dieser Punkt er- reicht, so wird die Circulation vollkommen sistirt, u n d e s muss noth- wendig sofort Scheintod oder Tod eintreten. Wir haben somit in der verdtinnten Luft ein nicht minder heroisches Mittel wie in der eomprimirten Luft. Vorsichtige Dosirung ist datum geboten".

Abgesehen davon, dass W al d e n b u r g hier wie an der bezug- genommenen Stelle (w 259) yon der Dosirung der angewandten Luft- druckiinderungen nur im S i n n e von j e n e n E x t r e m e n s p r i c h t , w i e s ie in u n s e r e n V e r s u c h e n d u r c h a u s n i c h t i n B e t r a c h t k o m m e n, ist auch die Auffassung yon der Wirkung der verdtinnten Luft auf die Circulation des Blutes eine irrige, ebenso wie die von der Wirkung des MUller 'schen V e r s u c h s . Da ich auf den letz- teren noch weiter unten einzugehen haben werde, so beschr~nke ich reich bier darauf nut hinzuweisen~ dass meine V e r s u e h s r e s u l t a t e d e r R e s p i r a t i o n v e r d U n n t e r L u f t zu Ver~inderungen an der Arterie geflihrt haben, die darthun, d a s s de r B l u t d r u c k und ebenso d ie H e r z t h i i t i g k e i t d u r c h s ie g e s t e i g e r t werden, dass somit di.ejenigen der Indieationen W a l d e n b u r g ' s : fur Fiille, in welchen es sieh datum handelt:

1. den Druck im Arteriensystem herabzusetzen, 2. den Blutzufiuss zu den KSrperarterien herabzusetzen oder zu

ersehweren, durchaus nicht richtig sind. Aueh ftlr diese Versuehe haben wir gesehen, dass die in Be-

tracht kommende Wirkung der Respiration im Beginn des Versuehs eine yon der spiiter sich entwiekelnden etwas verschiedene ist. Es kommen daher auch bier wiederum dieselben Gesichtspunkte in Be- tracht~ wie diejenigen, von denen wit in diesem Abschnitte ausge- gangen.

Nach meinen Versuchen wtirde ich in Riieksicht zu prtifender Krankheitsfiille d i e R e s p i r a t i o n v e r d i i n n t e r L u f t e m p f e h l e n da, wo es sich darum handelte:

1. die Herzthiitigkeit zu steigern (Inspiration mehr als die Ex- spiration). 1)

2. die Blutbewegung zu beschleunigen, 3. eine besserc FUllung des Aortensystems zu bewirken, den

Druck und die Spannung im Aortensystem zu erhShen.

1) Die yon Fenoglio (Zur pneumatischen Therapie tier Herzkranken. Cen- tralbl, f. d. medic. Wissensch. 1877) publicirten giinstigea Erfolge in der Behand- lung yon Aorteninsufficienzen mit Exspiration in verdtiante Luft wtirden freilich dagegen sprechen; indess mSchte ich eine zu sichere ~achahmung dieser Be- handlung nicht far gerathea halten.

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Hierbei muss zugegeben werden, dass, wie aus meinen Ausein- andersetzungen hervorgeht, in einem bestimmten Stadium der In- und einem anderen der Exspiration in den Lungen ein reichlicherer Blutgehalt besteht als unter normalen Verhiiltnissen, dass somit

4. z. B. Hyperamien der Lungen, der Bronehien yon der Be- handlung mit verdtinnter Luft vielleieht ganz auszuschliessen wiiren, weil im Beginn der Inspiration und bci einer liinger anhaltenden Exspiration die Hyperiimie daselbst gesteigert werden wtirde.

Es lag ausserhalb der Absichten dieser Arbeit, die Controversen mit anderen Untersuehungen Uberhaupt, gesehweige denn bis ins Kleinste nachzuweisen, in specie lag es mir fern, die sehr verdienst- vollen-Untersuehungen Wa 1 d e n b u r g ' s in ihrem Werthe herabzu= setzen. Denn die letzteren haben unbcdingt den wiehtigen Anstoss gegeben zur Verbreitung einer Behandlungsmethode, die gewiss viel- verspreehend zu nennen ist; die friiher fast allgemein gtiltigen phy- siologisehen Siitze yon der Einwirkung der Athmung auf den Blut- druck mussten nattirlich auch W a l d e n b u r g zu irrigen Sehltissen I) fUhren, die ieh mit wenigen Worten hier angedeutet, um so yon Neuem eine Prtifung des wichtigen Oegenstandes am Kranken zu veianlassen. Obschon ich selbst seit mehreren Jahren die Behandlung mit com- primirter und verdtinnter Luft Ube, so halte ieh doch racine prak- tische Erfahrung dariiber nicht gross genug, um die Indicationen welter zu fixiren, als ieh es im Vorausstehenden in Ktirze versucht. Zur Entscheidung der vorliegenden Frage gehSrt ein grosses viel- seitiges Material, welches Woehen hintereinander in Behandlung und Jahre hindureh in Beobaehtung bleibt und vor Allem Zeit und Aus- dauer, um jeden einzelnen Fall unter den strengsten wissensehaft- lichen Cautelen auf die Wirkung des angewandten Remediums prtifen zu kSnnen.

Die etwaigen Indicationen far die Anwendung der doppel/en Appa- rate ergeben sich for den, der ihrer Priifung sieh unterziehen will, aus den an der betreffenden Stelle geftihrten Auseinandersetzungen.

IV.

Ueber die Dauer der Wirkung des verl~nderten Lnftdrueks in den Lungen auf den Kreislauf.

Die bisherigen Untersuehungen eriirterten die Frage, welchen Einfluss die modifieirte Athmung unmittelbar und wi~hrend ihrer

1) Auch die Experimente mit elastischen Schlituchen halte ich far absolut nicht d/is beweisend, was sie beweisen sollten. An sich sind die Beobachtungen ja richtig, nur haben sie keinen Bezug auf die nattirliche, sondern die kilnstliche Athmung, und was die Athmung unter verdtinnter Luft betrifft, nur auf bestimmte extreme Grade derselben.

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Wirkung des ver'~nderten Luffdrucks in den Lungen. 153

Dauer auf den Kreislauf austibe. Aber es liegt nahe, dass zur vollen Beurtheilung des Gegenstandes die weitere PrUfung erforderlieh ist, die nHmlich nach der Dauer der durch die modifieirte Athmung bewirkten KreislaufsHnderungen. Und hier w|irden wir wiederum zweierlei zu untersuchen haben; erstens: wie verh~lt sieh der Kreis- lauf unmittelbar nachdem die einmalige In- oder Exspiration modi- ficirt geschehen und zweitens: wie, nachdem eine mehr minder lango Zeit tiber die ein bis mehrere Minuten erfolgte Athmunff compri- mirter oder verdtinnter Luft verflossen sind bezw. auch wie wHhrend dieser Athmungen.

H H n i s c h ~) hat namentlich die zweite dieser Fragen ether theilweisen Untersuchung unterzogen, S o m m e r b r o d t beide und vornehmHchfth" die Wirkung der Inspiration comprimirter Luft. Beide Forscher neigen zu der Ansicht W a 1 d e n b u r g' s, dass die Wirkung der modificirten In- bezw. Exspiration sieh auf die folgende freie Respiration tibertrage, ja dass dieselbe sogar Minuten lang sp~iter noch am Pulse nachweisbar set. W a l d e n b u r g selbst hat in Bezug hierauf keine sphygmographisehen Untersuehungen angestellt und auch sonst sind mir in der mir zur Verftigung gewesenen Literatur am Menschen 2) angestellte ausftihrliche Untersuehungen nicht bekannt geworden.

Zur sichereren Beurtheilung und besseren Uebersicht geschahen dir Cnrvenaufnahmen der Art, dass ich die jeweilig modificirte Ein- oder Ausathmung zum gr~ssten Theil ablaufen liess, ehe ieh die Sperr- feder des Sphygmographen l~ste, um so den letzten Theil der Pulse unter der modificirten und gleich im Anschluss die unter der nHch- sten oder den n~ichsten freien Respirationen verzeichnet zu erhalten:

Aber auch die zweite Untersuehungsreihe machte es wtinsehens- werth, die unnnterbrochene Curvenreihe herzustellen; ich bediente reich daher, wie wir sp~tter sehen werden, des Cardiographen und der rotirenden Trammel in der bekannten Zusammensetzung.

Inspiration comprimirter Lnft. 3) Links veto Pfeile (bet Curve 13) erkennen wir die Phase des

abfallenden mittleren Blutdrucks, der mittelgrossen, weichen Pulse

l) Die yon H ~ n i s c h publicirten Curven haben vielleicht unter der Hand des Xylographen eine ungeschickte Wiedergabe der Originale erfahren; andern- falls mfisste man annehmen, dass die Zeichenfeder vor und nach der Athmung nicht gleichmhssig lest der Zeichentafel angelegen habe und die verschieden starken As- und Descensionen durch eine verschieden starke Reibung der Feder an der Tafel bewirkt worden sind. Es set daher erlaubt, yon einer Vergleichung meiner Ergebnisse mit den letzteren zunachst abzusehen.

2) Vg]. die Experimente an Thieren, deren weiter unten noch Erw~hnung geschehen wird.

3) Die Versuchsperson und die Versuchsbedingungen sind dieselben wie zuvor.

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wiihrend der Inspiration eomprimirter Luft, am Pfeile ist der Vet- such nnterbroehen und yon hier ab beginnt die freie Athmung, die naturgemRss mit einer ausgiebigen Exspiration ihren Anfang nimmt. W~ihrend dieser Zeit erfRhrt dis Curve keine nennenswerthe Aende- rung; die RUckstosselevation wird ein wenig kleiner und riiekt etwas h(iher hinauf-- sehr leieht dureh die Entlastung der Lunge yon der eomprimirten Luft erkliirlich.

Curve 13.

Aber vom 4. bis 5. Pulse an beginnt eine grosse Aenderung in der Curve: die Basallinie erhebt sich verhiiltnissmiissig hoeh, die Ascensionen wachsen rapid; die Descensionen bUssen ihre Rtickstoss- elevation ein und bereiehern sich mit Elasticitiitselevationen und diese extremen Aenderungen halten an bis zum vorletzten und letzten Pulse, die bereits einen Rtiekgang zu mittleren Gestaltungen ihrer Span- nung und FUllungseharaktere darbieten.

Diese Curve lehrt, dass in der auf die Inspiration eomprimirter Luft folgenden Exspiration keine nennenswerthe Aenderung in dem einmal zu Stande gekommenen Kreislaufsverhalten entsteht, dass einr solehe jedoeh in hohem Maasse sofort dureh die nichste bezw. niieh- sten Respirationsphasen gesehaffen wird.

Ein anderes Resultat konnte aueh kaum erwartet werden, wenn wir festhalten, dass die Exspiration auch unter physiologisehen Ver- htiltnissen allgemein den Blutdruek herabsetzt, hier nun noeh be- senders, we die voraufgegangene Inspiration nicht wie sonst blut- drucksteigernd, sondern herabsetzend gewirkt hatte. Vielleicht dureh die Entlastung des auf den Pulmonaleapillaren dureh die Inspiration eomprimirter Luft bestehenden Drueks w~tre eine geringe ErhiJhung des Mitteldrucks zu erwarten gewesen; in der That ist in der obigen Curve diese Tendenz aueh ausgesproehen; eine wesentliehe Besse- rung des arteriellen Drucks dtirften wir unserem FrUheren gemRss erst yon der nichsten Inspiration und den folgenden Respirationen abhingig machen - - wie dies die Curve auch thatsiichlich bestiitigt. --

Die Curve driickt gleichzeitig wiederum in anderer Form deut- lich die eigentliche Wirkun~ der Inspiration comPrimirter Luft aus, indem sie auf der rechten Seite in dem Ansteigen der Basallinie, in den mit den Zeichen der Spannung verschiedenen Einzelpulsen das

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Wirkung des ver~nderten Luftdrucks in den Lungen. 155

gegentheilige Verhalten der linken Seite (Inspiration comprimirter Luft) noel mehr markirt.

~.xspiration comprimirter Luft. C~rvs 14.

Links yore Pf'eile finden wir die Polffeerseheinung der Exspira- tion comprimirter Luft, wir haben bier die i~usserste Wirkung, auf die zuvor bereits hing, ewiesen win'de, d.h. die sehliesslich wieder ansteigende Basallinie mit den exquisit dicrotiseheu Pulsen vor nns.

Darnach findet bereits eine erhebliche Anstauung im grossen Kreislaufe statt, die zu heben es nut einer energisehen, langsamen Inspiration bedUrfte; dureh sie mtissten die Ktirperarterien sehnell dureh die Capillaren hindureh sieh entleeren, andererseits abet aueh die grossen Gefasse, die Lungen und das Herz sick reiehlieher mit Blur ftillen. Das Erstere, namentlieh unter dem Einfiusse einer for- eirten Inspiration entstanden, wtirde zu einer st~rkeren Verminderuag des Arteriendrucks ftihren, die indess nut vorlibergehend seia ktiante. Da nun in der That die freie Respiration naeh der Exspiration in eomprimirte Luft mit einer foreirteren Inspiration gewiihniieh beginnt, so erkliirt sich das obige Verhalten der Pulseurve: das anfi~ngliehe Absinken and sofortige Ansteigen des Mitteldrueks - - wobei die 4 ersten Pulse naeh dem Pfeile noeh immer der ersten Inspiration au- gehiiren --vollkommen. In der niichsten Respirationsphase kehren die Erseheinungen an der Arterie zu ihren Mittelwerthen zurtlek.

Inspiration verdiianter LuR. Cu~e 15.

Bei der Inspiration verdtinnter Luft - - links vom Pfeile - - er- hielten wir sehliesslieh dig Zeiehen des sieh erhebenden Drueks, vor Allem aber die der kr~ftigeren Ft111ung des Herzens und seiner ge- steigerten Th~Ltigkeit. Die freie Athmung beginnt hier fast stets mit

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einer abermaligen weitergefiihrten kurzen Inspiration, da die Versuchs- person stets den Luftmangel zunKchst zu decken sueht. Mit der durch die letztere eingeftihrten Luft treten flit die Erhebunff des Blutdrueks noch besonders gtinstige Bedingungen auf und so sehen wir in der That reehts vom Pfeile die Basallinie noeh eine Spur anste~gen, die Pulse noeh h(iher und reicher an Elastieiti~tselevationen werden, bis wir in den letzten Pulsen dureh die darauf folgende Exspiration u, s. w. die Carve zu mittleren Durchsehittswerthzeiehen zuriickgehen sehen.

In demselben Sinne mtissen wir uns auch, nach dem bei den be- treffenden Versuchen Besprochenen die durch die Exspiration in ver- diinnte Luft hervorgerufene Kreislaufsiinderung dutch die folgenden Respirationen wieder normirt denken, zumal die hier auf die Exspi- ration einsetzende zwar verliingerte, nicht aber fiber die Norm hin- ausgehende Inspiration die naturgem~sse Folge darstellt. Dieses er- wartete Verhalten ergibt sich in der That kund in der Curve No. 16.

Curve J6.

Diese, wie die vorstehende Curve in Vergleich geseizt mit denen durch die Athmung comprimirter Luft und in roller Berticksichtigung ihres Verhaltens rechts und links yore Pfeile zeigen in fortdauernder Consequenz mehr denn jede theoretische Betraehtung, auf welcher Seite die drucksteigernde, die Herzth~tigkeit hebende, die Arterien- ffilhng bereiehernde Wirkung jener eingefiihrten Druekanderung in den :Lungen nun wirklieh zu suehen ist.

Wenden wir uns nach diesen Beispielen zurtlek zu den Funda- mentalversuchen, so mfissten wir sagen, dass der

Mfiller'sche Yersuch

sich yon der Inspiration verdtinnter L u f t - in den hier angewandten Graden - - dadureh untersehied, dass die Luftverdiinnung im Tho-, rax zwar schliesslich clue starkere Ftillung des Herzens und da- mit vollere gespanntere Pulse bewirken konnte, nieht aber eine Er- hebung des Blutdrucks, weft die in den Lungen naehrfickende Lnft aus dem Cylinder wie bei der Einathmung verdtinnter Luft hier ausbleibt.

Nehmen wir welter an, dass aber auch hier - - wie thats~ieh- l i e h - die freie Athmung mit einer kurzen Inspiration eingeleitet wird, so werden wir weiterhin das analoge Verhalten der Curve

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Wirkung des veriinderten Luftdrucks in den Lungen. 157

No. 17 natUrlich finden; an ihr ist wiederum links vom Pfeile das Ergebniss der Mii l le r 'schen Inspiration, rechts das der freien Re- spiration.

Curve 17.

Valsalva'scher Versuch. Die auf dig V al s a 1 v a ' sehe Exspiration folgende, meist sehr

tiefe Inspiration fNlt mit einem unter Umstiinden minimalen Blut- vorrath in den Lungen und im Herzen einerseits mit einer hochgra~ digen Stauung des Blutes in den Ktirperarterien und Venen anderer- seits zusammen. Ehe hier die freie Inspiration sich im physiolo~- schen Sinne geltend maehen kann, muss eine li~ngere Zeit vergehen, in der das Blur aus den KSrpervenen in den Thorax, in die Lungen, ins Herz und weiterhin successive in die Arterien wieder eingeftihrt wird, daher muss mit dem Naehlass des durch die Va l sa lva ' s che Exspiration im Thorax bewirkten positiven nnd des durch die fol- gende Inspiration hervorgerufencn negativen Drucks die Entleerung der KSrperarterien durch die Capillaren u. s. w. eine ganz rapide und hochgradige sein; kurz wir haben einen Wechsel in der Curve zu erwarten, der eine zwischen dem M ti 11 e r- V al s a 1 v a 'sehen Combi- nationsversuch und dem der freien Athmung nach der Exspiration verdiehteter Luft gelegene Wirkungsart repriisentirt.

Vergleichen wir mit dem Gesagten No. 18

Curve IS.

so ist zum Verstitndniss dieser Curve kaum noch etwas Erklarendes hinzuzuftigcn.

Die eben besproehenen Versuehe habcn gezeigt, dass die Wir- kung der eomprimirten und verdilnnten Luit auf den Kreislauf aufh~rt nahezu mit dem Moment, yon dem ab die Athmung aus oder in dig freie Luft gesehieht. Am eelatantesten erweist dies der zuletzt vor-

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geftihrte Fundamentalversuch and in gleichem Verh~hniss die ihm entsprechende Ausathmung in comprimirte Luf t . Diese beiden Er- gebnisse allein driingen uns schon die Anerkenfiung der Thatsache auf, dass nach dem Sistiren der geiinderten Athmungsphasc die fol- gende freie Athmung sieh ganz in den Grenzen in ihrer physiologi- schen Wirkungsart auf den Kreislaaf geltend maeht wie zuvor dar- gethan mit vollster Beriieksiehtigung der Verh~ltnisse, welche die letztere in der Vertheilung dos Blares im Cireulationsapparat gerado antrifft.

lind wenn wir in andercn Fiillen, z. B. in der auf die Inspira- tion comprimirter Luft folgenden frcien Exspiration eine ctwa 2--3 Pulsschliigen entsprechende Zeit die Wirkung der ersteren constant blciben sehen, so haben wir hierin nieht eine Fortdauer ihrer Wir- kung, sondern die gewi~hnliehe Exspirationswirkung aber auf dem Boden veranderter Vertheilung des Blutes ebenso zu erblieken, wie in der weitergehenden Steigerung des Blutdrucks wi~hrend der ti:eien Inspiration nach vorhergegangenen Exspirationen in vcrdtinntc Lui~ die Wirkungsart der physiologischen Inspiration mit gleieher BerUck- siehtigung der durch die erstere hervorgerufenen Blutvertheilung.

Diese Anschauungen sowie die Resultate, auf welehe dieselben basirt sind, stehen den bisherigen absolut gegentlber. S o m m e r - b r o d t nimmt in Uebereinstimmung mit W a l d e n b u r g flir die In- spiration comprimirter Luft an, dass in der folgendcn Exspiration eine wesentliche Aenderung in dem Verhalten des Artcriendrucks nicht statthaben ktinne, weil in Folge der w~thrend der Inspiration in die Lunge aufgenommenen grt~ssercn Luftmengen die naehtblgende Exspiration sich verhalten mtisse, wic eine Exspiration in eomprimirte Luft nach vorheriger freier Inspiration; in derselben Zeitcinheit ktinne in der Exspiration die gri~ssere Luftquantiti~t der frUheren Inspiration bei gleicher Weite des Ausflussrohrs, der Bronchien and Trachea, dasselbe nicht passiren.~) Hierbei seheint i n d e s s - abgesehen davon, dass z. B. die yon S o m m e r b r o d t in sciner Arbeit publicirten Cur- yen 7 and 8 2) gegen jene Annahmc sprechen - - tibersehen, dass

1) Eine Besti~tigung dieser Ausftihrung sieht Z un t z in dem graphischen Ver- halten des Trachealdrueks bei Inspiration comprimirter Luft: .Bei der ersten In- spiration comprimirter Luft sehen wir die Athemcurve erheblich ansteigen, ent- spreehend dem gesteigerten Drucke in der Trachea.. Bei der darauf folgenden Exspiration in die Atmosphi~re sinkt der Druck wieder, aber lunge nicht bis za d~m vorhin innegehaltenen Niveau . . . . erst nach der vierten Athmung bleiben die Gipfel, welche dem bei der Inspiration sich ausbildenden hSchsten trachealen Drucke entsprechen, in derselben Horizontallinie . . . . .

2) Deutsches Archiv f. klin. Med. XVIII.

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dureh die gesteigerte Ausdehnung der elastisehen Lungen sowie des starren Thorax das Bestreben ihrer Contraction tin hi~heres geworden und dass somit die Kraft~ mit der die Exspiration in die Atmosphiire vor sigh geht, doch in derselben Zeiteinheit eine vollsti~ndige~ nor- male Entleerung der Lungenluft bewerkstelligen konnte. Ich glaubte die Frage nach dem Verhalten der Druckverh~tltnisse im Thorax wiihrend der modificirten und der darauf folgenden Athmung in die Atmosph~tre auch dadurch liisen zu kSnnen, dass ich genauere Un- tersuchungen tiber die Bewegungen des Thorax w~ihrend dieser Re- spirationsarten anstellte. Ieh setzte voraus, dass ann~thernd parallel mit der vermehrten Luftaufnahme und umgekehrt wie unter physio- logischen Verhiiltnissen sieh auch die entsprechenden Abweiehungen in den graphischen Respirationscurven kand geben wiirden. Solche Versuche t) schienen schon geboten zum Beweise, dass die im Vor- anstehenden geschilderten Vorgange w~hrend der jeweiligen Ath- mungsweise die dem Thatsaehlichen entsprechenden seien.

Y*

Diese Untersuehungen, davon die vorliegenden (mit Hilfe r auf die obere Brusthiilfte befestigten Cardiographen u. s. w.) von einem kraftigen Manne herstammen, der zum e r s t e n Male am pneumati- sehen Apparate athmete, ergeben nun Folgendes:

Inspiration comprimirter Luft. Tafel I, Fig. I. Die ersten vier fiachen Erhebungen und Senkungen stellen die

�9 Durchschnitts-Inspiratiou und Exspiration dar; mit Beginn der Ein- athmunff comprimirter Luft werden die ansteigenden Inspirations- schcnkel steiler und um das Doppeltc und fast Dreifache h~her. Dieses Verhalten erkliirt sich in der einfachsten Weise aus dem, was W a l d e n b u r g ausftihrlieh tiber die Wirkung der Inhalation com- primirter Luft auf die Ausdehnang der Lungen nnd des Thorax an- ftihrt. In der darauf folgenden Exspiration in die Atmosphere sehen wit die Exspirationsschenkel anfanffs etwas steiler als in der Norm, dann aber mehr allmithlich zu demselben Niveau zuriickkehren, auf welchem sich die Fusspunkte der normalen Respirationscurve be- finden; dieses Verhalten bleibt namentlich in Bezug auf die Grund- linie der Respirationscnrve absolut constant. 2) Es beweist dies, wie ieh glaube~ dass in der That aus den yon mir als wahrscheinlich

l) In der voranstehenden Anmerkung ist auf die analoge Untersuchung ftir die Inspiration eomprimirter Luft an Thieren yon Z untz hingewiesen.

2) im Gegensatz zu der vorherigen Angabe Zun tz's.

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bezeichneten Granden die Exspiration nach der Inspiration compri- mirter Luft - - zwar etwas verliingert - - im Uebrigen aber dem Nor- malen sich nKhert. Nach W al d e n b u r g's Ausfahrungen massten wir erwarten, dass der Thorax and damit die die Sehwankungen seiner Weite gegen die Norm ungefithr darstellenden Exspirationsschenkel entweder auf einer gegen die Norm erhiihten Basis verzeichnet stun- den 0der ebenso, wie es sogleieh far die Exspiration in eomprimirte Luft sieh ergeben wird.

Exspiratioa in comprimirte Luft. Tafel I, Fig. 2. Auf die ftinfte Inspiration folgt in dieser Curve die Exspiration

in comprimirte Luft: hierbei sehen wir, dass jedesmal die Exspira- tionsphase zun~ichst mit einer steilen Verl~ingerung des Inspirations- schenkels, d. h. wie im Voranstehenden bereits hervorgehoben, mit einer kurzen erneuten Inspiration beginnt. Der absteigende Exspi- rationssehenkel f'allt anfangs steil dann allmlihlich ab, naehdem er in einzelnen Fallen (1., 2. and 5. Exspiration) an der Stelle des Ueber- ganges der abfaUenden, steilen in die mehr gebogene Linie eine winkligr Einknickung zeigt; die Fusspunkte dieser Exspirationssehen- kel liegen dabei tiefer als die der normalen Exspiration~ wit aueh

, / die Gipfel der elgenthehen Inspirationsschenkel etwas fiber die der normalen hinausragen.

Naeh dieser Carve ist wenigstens far die zugehiirige Versuehs- person zu schliessen, dass in der Exspiration in comprimirte Luft mehr Luft als normal unter htlehster Exspirationsanstrengung exspi- rirt wurde and dass entspreehend dem nunmehr griisseren Athmungs- bedtirfnisse die darauf folgende Inspiration eine foreirtere war.

Dieser Vorgang wiederholt sieh durchaus nicht constant; in anderen Fallen reichen die exspiratorischen Krafte der Versuchs- bezw. der zur Behandlung kommenden Personen nicht aus und der Thorax bleibt, da hierbei im Allgemeinen weniger Luft exspirirt wird als in der Norm, auf einer mittleren Weite der Exspirations- stellung stehen. Diese relative WeRe finder ihre Begrenzung mit anderen Worten aueh "in dem Grad der angewandten Lufteompression ; in unserem Falle glaube ieh dies in den zuvor hervorgehobenen wink- ligen Abknickungen dargestellt zu sehen; der weitere Abfall des Schenkels beweist eben, dass bier ausnahmsweise eine ausgiebige Ueberwindung der entgegengestellten Luftcompression erfolgt ist. Um die von mir gegebene Erkliirung zu erh~rten genflgt es, darauf hinzuweisen, dass die Inspirationssehenkel bier vertieft sind; W al- d e n b u r g deducirt theoretiseh, es masse die Wirkung der Exspira-

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Wirkung des veriinderten Luffdrucks in den Lungen. 161

t-lon in comprimirte Luft auf den Kreislauf wi~hrend der darauf fol- genden freien Inspiration persistiren aus folgendem Grunde: ,,am Ende der Exspiration in comprimirte Luft ist die Lunge mit Luft tiber- flillt und zwar mit Luft in einem bestimmten Compressionsgrade. Folgt nun eine forcirte tiefe Inspiration, so wird sich hierdurch zu- niiehst die comprimirte Luft in den Lungen expandiren; gleichzeitig erfolgt aber eine Ansaugung neuer Luft yon aussen, die zu der be- reits vorhandenen hinzukommt. Es wird deshalb am Anfang der Inspiration nicht zu einer Luftverdtinnung kommen . . . . diese Herab- minderung des negativen Lungendrueks ist abet identisch mit der Wirkung der Inspiration comprimirter Luft yon einem bestimmten Verdichtungsgrade."

Hiergegen ist einzuwenden, dass in jenen F~illen, in denen die Exspirationsluft sich in der yon W a l d e n b u r g mit Recht exempli- fieirten Spannung befindet, mit dem Moment des Versuchs zur niich- sten Inspiration aus der Atmosphih'e der Ueberdruck, der in den Lungen durch die forcirte Exspiration bewirkt ist, sich momentan durch einen kurzen activen Exspirationsstoss des Individuums aus- gleicht und dass andererseits bei fl'eier Communication der ~usseren Luft mit der Trachea dur~ch eine Inspiration kein Druck in den Lungen erwartet werden kann, der htiher ist als der Atmosphiiren- druek.

Inspiration vordtinnter Luft. Tafe l I, F ig . 3.

In der Hi~lfte der seehsten Durchsehnittsinspiration beginnt hier die Darstellung der Inspiration verdtinnter Luft. Die Aenderung der Respirationscurven besteht darin: die Inspiration beginnt nunmehr zuerst anstatt mit einem Ansteigen, mit einem steilen Abfall des vor- herigen Exspirationsschenkels; hierauf erhebt sich der Sehenkel bis fiber das Niveau der Gipfel der normalen Inspirationsschenkel, wo- bei die letzten steilen Enderhebungen abgerechnet sind, da dieselben in den Beginn der Exspiration in die Atmosphitre fallen; in der letzteren sehen wit weiter den abfallenden Schenkel his zu dem Ni- veau zurtiekkehren, welches die Fusspunkte der ersten, normalen Ex- spirationssehenkel inne hatten. Ausserdem ist zu bemerken, dass die Gipfel der Curven w~hrend der modificirten Athmung pliitzlich ihre Abrundung verlieren, so dass der aufsteigende Schenkel in den abfallenden unvermittelt unter fast rechten Winkeln abgeht.

Diese Curve wUrde bedeuten: dass im Beginn der Inspiration verdtinnter Luft zuni~chst Luft aus den Lungen in den Apparat ex- spirirt wird; im weiteren Verlaufe dehnt sich jedoeh der Thorax so welt aus, dass dieser Verlust nicht nur wieder gedeckt, sondern unter

A r c h i v ffir experiment. Pathologie u. Pha~'m~kologie. XII. Bd. 11

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162 v]. J. SCtIREIBER

Umstinden noch ein geringer Ueberschuss a~s dem Apparate einffe- sogen werden kann. Immerhin ist, wie auch aus den Untersuchungen W a l d e n b u r g ' s hervorgeht, das hierbei in die Lungen aufgenom- mene Luftquantum verringert. Dieses Deficit deckt das Individuum aber sofort mit Beginn der freien Ausathmung, indem es dersclben e i n e - wie die breiten Gipt~l zeigen - - unter Umstiinden durchaus nicht kurze Inspiration vorangehen lasst. Dieser. Vorgang stimmt mit dem fiber die Wirkung der Inspiration verdtinnter Luft vorher Gesagten tiberein, im Gegensatz zu Wa I d e n b u rg , der auch hierftir die Persistcnz der Wirkung auf den Kreislauf mit Nothwendigkeit festhiilt.

Exspiration in verdiinnte Luft. Tafel I, Fig. 4. Die vierte Exspiration geschah nach dieser Curve in verdtinnte

Luft. Der entsprechende Schenkel bier wie in den folgenden fi~llt auffallend steil ab, um unterhalb des l~iveaus der normalen Exspi- rationsschenkel in eine fast horizontale Linie tiberzugehen; der sich anschliessende Inspirationsschenkel geht fiber die Gipfelpunkte der normalen Inspirationsschenkel hinaus, aber nicht so weir wie die ersteren absolut reichen, da die letzten sieh rechtwinklig pl~itzlich erhebenden Endstticke bereits der n~ichsten Exspiration in verdfinnte Luft angeh(iren.

Es harmonirt somit der graphische Ausdruek der Schwankungen im Lungendruck mit derjenigen~ wie sic zuvor als fur die Acnde- rungen im Kreislaufe hier in Bctracht kommend~ ausgeffihrt sind.

Aus der IV. und V. Versuchsreihe ging hervor, dass die durch die modificirte Ein- oder Ausathmung hervorgerufenen Aenderungcn an der Arterie in der n~chsten Ein- oder Ausathmung aus der bezw. in die freie Atmosph~ire bereits eine weitere Aenderunff erfahren und zwar nahezu entsprechend der physiologischen Wirkung dieser letzten Respirationsphasen. Zum mindesten darf aber wohl behauptet werden, dass, wenn nicht die naehste, so die hierauf eintretende E i n - u n d Ausathmung und vice versa die zuvor erwahnten Aenderungen an der Arterie zur l~orm zurtickbringen. Allerdings fassten wir in der bisherigen Darstellung und besonders unter IV. mehr die einmal er- folgte modificirte und darauf ablaufende freie Athmung ins Auffe. Es wtirde sich indess fragen, ob nicht die der einmaligen modifieirten In- bezw. Exspiration eigenen Ver~inderungen an der Arterie dann factisch yon liingcrer Iqachdauer sind, wenn - - wie aus den zuvor erwlihnten Versuchen S o m m e r b r o d t ' s hervorgehen kann - - die Athmungen in griisserer Anzahl und in der den Versuehspersonen eigenthtimliehen Athmungsfrequenz ausgeftihrt werden~ so dass die

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Wirkung des ver~nderten Luftdrucks in den Lungen. 163

zwischen die modifieirten In- oder Exspirationen fallenden freien Ex- oder Inspirationen vielleicht wegen ihres unter solahen Bedingungen relativ kUrzeren Ablaufs siah weniger oder gar nieht geltend machen k~nnten. Von diesem Gesiehtspunkte aus ist die nachfolgende Ver- suehsreihe ausgef~hrt.

u

in dieser babe ich erstens die Ver~nderungeu an der Arterie wahrend 4--S ununterbrochen aufeinander folgende Respirationen zu zeichnen versuaht und im Anschluss an diese zweitens diejenigen,

welche 2 - - 1 0 Minuten nach jenen wiederholten Ein- und Ausath- mungen zu finden waren.

Beide Resultate mussten nieht nur hintereinander gewonnen, sondern zur klaren vergleichsweisen Uebersicht auch in ununterbrochener Folge gezeichnet werden. Itieraus erhellt~ dass die Versuche nicht wie bisher mit dem Sphygmographen fortgesetzt werden konnten ; ich bediente reich daher derselben Zeiehenvorrichtungen wie im Beginn des ersten Theiles meiner Arheit. Die Beurtheilung der folgenden Curven fallt somit in einen an- deren Gesichtskreis und sind die letzteren yon rechts nach links zu lesen.

Aus einer gr~sseren Untersuehungsreihe 1) seien hier nur einige Beispiele angeftihrt, die so gewi~hlt sind, dass sie gleichzeitig die unbedingte Anwendung der yon uns bisher an normalen Individuen geftihrten Auseinandersetzungen auf solche Kranke, ftir welche die genannte Behandlung in Betracht kommen soll, deutlieh zu zeigen vermiichten. Ich habe reich dabei mehr aus praktischen Rticksichten beschrankt, solche Versuche zu w~ihlen, welche den Erfolg lediglich der Einathmung comprimirter and Ausathmung in verdtinnte Luft darbieten.'

b~o. 5, Tafel I, stellt den Versuch eines mit normalen Brust- organen ausgestatteten Arbeiters, Julius E., dar. Die Inspiration com- primirter Luft in den bisher zur Anwendung gekommenen Graden zeigt ihre Einwirkung auf den Kreislauf bier sowie in den nach- folgenden Fallen jedcsmal zwischen den Pfeilen.

Im Beginn der Curve finden wir relativ hohe Ascensionen~ die Curvengipfel gespalten (anacrot)~ die Rtickstosselevation yon mittlerer Deutlichkeit, d. h. Pulsus magnus, durus.

1) Die Versuche sind an jedem einzelnen Individuum l~ngere Zeit fortgeftihrt und die Einwirkung verschiedener Druckgrade erforscht; es wi~rde aber, um auch die letzteren hier zu besprechen, mehr Raum e~forderlich sein, als der Rahmen einer ftirs Archiv bestimmten Arbeit zul~ssig erscheint. Aus den Einzelversuchen ist daher immer nur yon einer einzigen Druckpriifung und auch nur ein Theil herausgenommen, der uns bereits den gewtinschten Ueberblick gestattet.

11"

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164 VI. J. SC~REmER

Wahrend der - - aus den Respirationswellen erkennbaren - - circa 8 Einathmungen verdichteter Luft (die Ausathmung geschah ins Freie) sehen wir nun die hohen Ascensionen sich ganz entschie- den erheblich verkleinern; selbst die griissten unter ihnen erreichen nicht mehr die Anfangshiihe und dieser Wechsel der H(ihen entspricht in bestimmter Folge den leicht kenntlichen Athemschwankungen der Basallinie.

Der Anacrotismus ist verschwunden und die RUckstosselevation im Durchschnitt deutlicher geworden, d. h. der Puls ist jetzt weniger roll und weniger gespannt.

Nach Beendigung des Versuchs steigt die Basallinie etwas an, die Ascensionen werden schnell hiiher, die Anfangshiihe fast tiber- ragend und am Gipfel mit der Einkerbung (Anacrotie) versehen~ d. h. der Puls wird ein Pulsus plenus, magnus und durus.

Die zweite Reihe nimmt ihren Anfang circa 2 Minuten nach Be- endigung der ersten. Die beginnenden Pulse sind wiederum yon der ersten Durchschnittsbeschaffenheit, anderu sich in der Zeit der circa 9 - -10 Respirationen ganz so wie vordem und nach Beendi- gung der modificirten Athmung kehren die Vorh~ltnisse an der Ar- terie unter den zuvor besprochenen Erscheinungen zur ~orm zurtick.

Dieser Versuch beweist: dass erstens w~ihrcnd l~tngcre Zeit hinter- einander erfolgender Inspirationen verdichteter Luft die dazwischen eingeschaIteten Exspirationen in die Atmosphlire cine Intermittenz dcr Wirkung der ersteren hervorrufen, die allerdings als im Ganzen eine geringe zu bezeichnen ist; dass zweitens die Durchschnittswir- kung der Inspiration verdichteter Luft in einer Verkleinerung uud Entspannung der Kiirperpulse besteht und drittens endlich die Wir- kung fast sofort mit dem Aufhiiren der Ausathmung comprimirter Luft, mindestens aber nach 2 Minuten vollstiindig sistirt ist.

In so vollem Gegensatze dieses Resultat zu den W a 1 d e n b u r g- schen Erfahrungen, dass die Nachwirkung noch 1/2--1 Stunde, und den S o m m e r b r o d t ' s c h e n Untersuchungen, der sie 5--10 andauern sah~ stoht, so sehr ist dasselbe in Anbetracht dor genauen Ueber- einanderstimmung der Resultate meiner engeren und weiter gcftihrten Versuche im Stande~ meine bisherigen Auseinandersetzungen wesent- lich zu sttitzen.

In No. 6, Tafel II~ finden wir die Wirkung der Inspiration com- primirter Luft an einem mit einem Vitium cordis (mitralis) behafteten Manne, R:, erprobt.

Jede der beiden Reihen stellt an sich wieder zwei gesonderte Versuche dar. Rechts yore ersten (rechten Pfeile) sind die Durch-

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schnittspulse, zwischen den hierauf mit den Spitzen einander zuge- kehrten Pfeilen die zur Inspiration comprimirter Luft gehSrigen, zwi- schen dem zweiten Paar yon Pfeilen die der freien Athmung, zwi- sehen dem dritten Paar die tier sich wieder anschliessenden Athmung in eomprimirter Luft, und endlieh 4--5 Pulse freier Athmung.

Naeh ether Pause yon einer Minute beginnt die zweite Reihe mit demselben Weehsel der Athmung wie in der ersten.

Auch hier tritt als unzweifelhaf~e Aenderung ein Kleinerwerden der Ascensionen w~hrend der Einathmung verdichteter Luft, sowie tin geringes Absinken der Basallinie hervor, yon denen beide sehon innerhalb der kurzen Zeit der fl'eien Athmungen zur Norm zurUck- kehren.

Das gleiehe Resultat ergibt derselbe Fall bet einer beilaufig etwas sehwi~cheren Compression der eingeathmeten Luft in No. 7, Tafel II, auf der die beiden Reihen ohne zwisehenliegende Pause durch Verstellung der Trommel wahrend der fortgehenden Athmung gezeichnet sind. Die Pulse zwischen den Pfeilspitzen fallen in die Zeit der Athmung yon Inspiration comprimirter Luft.

No. 8, Tafel It, ist yon einer ~3jiihrigen Kranken~ D. (Vitium eordis mitralis) ffewonnen, in derselben Weise wie No. 3. Aueh diese Curve ergibt alas bereits besprochene Resultat, wobei vielleieht noeh als interessant hervorzuheben i s t , dass der Uebergang zur Norm in den Pulsen naeh der Einathmung eomprimirter Luft durch Pulsus bigemini vermittelt wird.

No. 9, Tafel II, ist yon einem Manne, K., mit einem compli- cirten Vitium eordis (Aort. und Mitral.) gewonnen. Die zweite Reihe, die sieh an die erste nach ether Pause yon circa 2 Minuten an- sehliesst, zeigt ausserdem wie No. 2 zwei gesonderte Versuche, die wiederum den tiberaus schnellen Uebergang der dutch die Einath- mung comprimirter Luft verkleinerten~ entspannten, weniger vollen Pulse in :die anfiinglich volleren, grSsseren und gespannteren Nor- malpulse des betreffenden Individuums darbieten.

No. 10, Tafel II, stellt das Versuehsresultat yon einem hoeh- gradigen Aortenfehler (36ji~hrige M. N.) dar. Die zweite Reihe sehliesst sieh an die erste nach 3 Minuten Pause an. So gering t) der Unterschied in den Erscheinungen an der Arterie auch wahrend

1) Die hier nur wenig ausgesprochene Diiterenz f(lhrt tibrigens noch zu der Bemerkung, dass bet kurz ausgeffihrten und wegen Mtidigkeit der Versuchsobjecte durch Athmungen ins Freie mehrfach unterbrochene Athmungen comprimirter oder verdtinnter Luft noch geringere, selbst gar keine Einwirkungen gefundcn werden k0nnen.

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166 VI. J. SCHREr~ER

der freien Athmung und der mit Inspirationen eomprimirter Luft ver- bunden ist~ so ist er doch nicht zu verkennen, und als in Ueberein- stimmung mit den obigen Fallen zu betrachten.

No. 11, Tafel II~ ist yon einer 19j~ihrigen, O. J , die an einem ausgesproehenen Morbus Basedowii leidet, gezeichnet. In der oberen Reihe sind die Pulse zwischen dem ersten (rechten) Paare der ein- ander zugekehrten Pfeilspitzen wahrend der Athmung verdichteter Luft gezeichnet~,~ hierauf wiihrend freier Athmung; im dritten Pfeil- spitzenpaare withrend Athmung verdichteter and hierauf endlieh in fre~er Athmung~ die in der unteren Reihe welter geht bis zu den Pfeilen daselbst mit der entsprechenden Bedeutung aus den fi'tiheren Versuchen.

Ich unterlasse es, an den einzelnen Fiillen die Veriinderungen w~ihrend und naeh d6r Athmung comprimirter Luft noeh besonders zu detailliren; der einfaehe aufmerksame Blick auf die yon so ver- schiedenen, gesunden und kranken Individuen gewonnenen Curven, die im Wesentlichen alle vollkommen Ubereinst~mmeu, beweisen eben die Constanz der Resultate und damit die Richtigkeit des zuvor Be- haupteten.

~.xspiration in verdiinnte Luft. No. 5b, Tafel III, drtickt das Resultat der Athmung mit Exspi-

ration in verdUnnte Luft yon demselbeu Individuum, dem No. 5, Tafel II entnommen ist. Wir erkennen hier sofort die entgegenge- setzte Wirkung auf den Kreislauf: die Pulse zwischen den Pfeil- spitze~ der oberen wie der unteren Reihe~ davon die letztere naeh einer Pause yon 2 Minuten gezeichnet ist, zeigen hShere Ascensionen~ deutliehe und zum Theil exquisitere Anacrotien wie in den zu An- fang gestellten Normalpulsen~ deren Basallinie etwas niedriger steht; gleiehzeitig bemerken wir, dass aueh hier naeh der ersten Athmung in verdtinnte Luft die Pulse durch die freie Athmung zu ihrer An- fangsbesehaffenheit nahezu sofort vud ganz naeh Ablauf yon 2 Mi- nuten zurtickgekehrt sind.

Die gleiche Beobachtung maehen wir an No. 6b (zu No. 6, Taf. II gehSrig), in weleher erst die Normalpulse gezeichnet sind, darauf in dem ersten 0"echts)Pfeilspitzenpaare die in die Athmung verdtinnter Luft fallenden, in den zweiten einander zugekehrten Pfeilspitzen die der freien Athmung7 hierauf wieder solche wiihrend der Athmung verdtinnter Luf t und endlich nach dem dritten Pfeilpaare die Wir- kung wieder der freien Athmung.

In No. 9b, 10b und llb, Taf. III sind die Parallelf~ille zu No. 9, 10 und 11, Taf. II, der erst besprochenen Gruppe und halten wir fest, dass

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die Curven erst die Wirkungen der normalen Athmung und darin je in der Dauer eines Pfeilpaares abwechselnd solche der verdUnnten Luft und der abermaligen freien Athmung darstellen, so darf ich wohl yon einer noeh weiteren Ausftihrung der einzelnen Theile dieser Curve absehen.

Im Allgemeinen haben uns die letzten Resultate den Beweis dafitr erbraeht:

1. dass die Durchschnittswirkung der Athmungen mit Exspira- tionen in verdUnnte Luft in den bier in An~vendung gebrachten Graden in einer Erhiihung des Blutdrucks, in einer besseren Ftillung der K(irperarterien, einer aus dem Spannungszustande der Arterien zu schliessenden Steigerung der Energie der Herzthi~tigkeit zu finden ist, und

2. dass die Naehwirkung der l~ngere Zeit hintereinander aus- geftihrten Athmungen einer "Sitzung J) ganz vort~bergehend ist.

Dieses sehliessliehe Resultat tiber die Wirkung der verdiehteten nnd verdUnnten Luff auf den Blutkreislauf hat in Absieht der prak- tisehen Verwerthung der in Rede stehenden Behandlungsmethode vielleieht wenig Ermuthigendes erbraeht; es muss deshalb noeh be- sonders hervorgehoben werden, dass damit durehaus niebt die volle Werthlosigkeit jenes therapeutisehen Verfahrens, speeiell was die Behandlung yon Krankheiten des Cireulationsapparats betrifft, dar- gethan ist. Vielmehr bin ich nach Maassgabe meiner weiteren Be- obachtungen iiberzeugt, dass die weiter fortgefiihrte genauere Fest- stellung der Wirkungsart, die richtigere Auffassung und Fixirung der Vorgi~nge im Circulationsapparat wahrend und nach jenen Aen~erun- gen der Ein- und Ausathmungsluft und die hierdurch einzig mi~gliche pri~cise Stellung der Indicationen manchen Nutzen wie in der Be- handlung der Anomalien im Respirations- so v i e l l e i e h t auch im Circulationsapparat uus kundthun und hiermit dem Verfahren selbst die ihm gebtihrende Stellunff beim Praktiker erwerben wird.

Bis dahin aber m~iehte es mir wtinschenswerth erscheinen, dass der reine Praktiker yon der Behandlung der Circulationsanomalien mit verdiehteter und verdtinnter Luft nur im i~ussersten Falle Ge- branch macht, dass aber diejenigen, die berufen sind die strengste wissenschaftliehe Kritik an jedes Mittel anzulegen und denen Ma- terial an Kranken und Apparaten zur Verftigung gestellt sind, noch einmal die uns beschaftigende Frage aufnehmen, um endlich die

1) ]ch muss bier bemerken, dass die Curven von Individuen gewonnen sind, 4ie Versuchs halber 3--4 Wochen mit comprimirter und verdfmnter Luft bereits behandelt waren, und dass ,,einer Sitzung" bier nicht als einmMige oder .erst- malige" zu verstehen ist.

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168 u J. SChnEIdER

Zweifel zu heben, die, wenn sie dureh und ftir eine empfohlene neue, so weitgshende Behandlungsweise hervorgetreten, beim Arzt wie beim Kranken eher Schaden denn Nutzen bringen.

u Ueber respiratorisehe Pulsintermissioneu (in specie liber den

Pulsus paradoxus).

Im Verlauf dieser Arbeit haben wir einige Beispiele kennen ge- lernt, in denen unter dem Einflusse der Respiration der Kreislauf eine derartige ungew(Ihnliche Umgestaltung erfuhr~ dass die rhyth- misehe Blutzufuhr zu den K~rperarterien ftir eime mehr minder lange Zeit der jeweiligen Respirationsphase fast ganz aufgehoben, die K0r- perarterien pulslos ersehienen; dabei fanden wir das Arterienrohr an sieh bald etwas mit Blut tlberfiillt, bald aber hochgradig entleert. Diese Erschcinung, pbysiologisch im Grunde liingst bekannt, ;st mit ~ihnliehen Phanomenen unter pathologischen Verhaltnissen zum Each- theil ihres Verstandnisses derartig zusammengebraeht worden, dass eine eingehende Besprechung und Differenzirung des nur scheinbar Aehnliehen geboten sein dtirfte. Die Anregung zu diesem Thema warde mir durch mehrere kliniscb sehr interessante Beobachtungen, die bisher nur ganz vereinzelt besprochen, und welche ausserordentlich dazu angethan sind, mehr Klarheit tiber die vorliegende, bishsr mit mannigfachen Unklarheiten und Zweifeln beschwe];te Materie zu ver- breiten. Dass ich dieselbe, obsehon wesentlieh yon klinischem Inter- esse i~ier zur Besprechung bringe, rechtfertigt sich dutch den wenn aueh nur geringen Zusammenhang~ den sie mit dem Voranstehen- den hat.

6asuistische Yorbemerkung. ~) Vor circa 2 Jahren hatte ich an zwei Personen Gelegenheit sin

eigenthUmliehes Verhalten ihres Pulses zu constatiren. Der letztere intermittirte haufig und wie die n~there Prtifung ergab, beeinfiusst durch die Respiration.

Mit jeder Inspiration versehwand derselbe fUr das Geftihl, wah- rend er in der Exspiration recht kriiftig ansehlug. Be; langsamer Athmung erschienen im Beginn der Inspiration noeh Andeutungen eines Pulses; je mehr dieselbe jedoch abgelaufsn war, desto mini- maler wurden die letzteren, um sehliesslieh absolut zu versehwinden. Dieser absolute Pulsmangel zeigte sieh sofort, sobald die Inspiration

1) Die ausftihrlicheren •otizen tiber die Beobachtungen, soweit sie klinisch sind, folgen der Besprechung als kurze Ausztige aus den Krankenjournalen nach.

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mehr pl~tzlich und forcirter ausgeftihrt wurde; yon allen diesen Aen- derungen der Athmung fast unbeeinflusst zeigte sieh das palpatori- sehe Ergebniss an der Arterie wahrend der Exspiration.

Die Art des intermittirenden Pulses in diesen beiden Fallen war zu auffallend ausgepragt und zu abweichend yon ahnliehen durch f o r e i r t e Respirationen zu erlangenden (oft scheinbaren) Intermis- sionen, als dass sie mit den letzteren, die sparer berticksichtigt wer- den sollen, hatten identificirt werden dUrfen.

FUge ich noch die Bemerkung hinzu, dass in beiden Fallen die Herzaction durchaus regelmassig and dass die Herztiine in der In- spiration nicht abgeschw~cht waren, so m~chte es scheinen, als ob kein Grund vorl~ige, diese beiden Pulsarten nicht als paradoxe an- zusprechen.

In der Curve Tafel IV, Fig. 12, haben wir die graphische Dar- stellung des Verhaltens der Schwankungen an der Radialis: des einen (M) und in Tafel IV, Fig. 13, des zweiten Falles (Frau D. G.). Wir erkennen an ihnen sofort, dass normale Pulse mit fast geraden Linien abwechseln and es fallen, wie die Pfeile andeuten, die erstereu in die Exspirationsphase, die geraden Linien dagegen in die Inspi- ration; diese letzteren drticken bekanntlich aus, dass der Zeichen- hebel des Sphygmographen in der Zeit ihres Bestehens nicht ge- hoben worden, d. h. dass in dieser ganzen Zeit die betr. Arterie keine thythmischen mit dem Herzen synchrone Schwankungen zeigte.

Die in dieser wie in der ersten Curve an den inspiratorischen Linien siehtbaren geringen Unregelm~tssigkeiten~ sowie ihr bald schriiger, bald mehr gerader Verlauf rtihren zumeist yon Bewegungen der Extremit~it der Untersuehten her. Doch fitllt gewiss daran noch mancherlei Anderes auf~ worauf sp~tter noeh eingegangen werden soll.

Im Anschluss hieran seien noch einige andere F~lle yon scheiu- harem Pulsus paradoxus, die ieh auf der hiesigen medicinischen Kli- nik zu beobachten Gelegenheit gehabt, kurz referirt.

Am 3. Mai 1876 wurde der Arbeiter F. B. in die Klinik mit den Zeichen einer Pneumonia crouposa dextra inferior et media aufge- nommen. Am 7. Tage seiner Erkranknng zeigte sieh eine Art yon eingetretener Krisis; die Temperatur war etwas heruntergegangen, er hatte die Nacht zuvor geschwitzt und ftihlte sich etwas leichter. Der Puls, vordem um 100, hatte sich bis auf 80--85 Schlage in der Minute vermindert, er war dabei im Ganzen zwar weicb, sonst aber yon normalem Verhalten.

Indess im Verlaufe der nachsten 3 - - 4 Tage sehritt die Besse- rung keineswegs vorw~rts, sondern je mehr die Zeichen der Infil-

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17 0 VI. J. ScrIrmiBER

tration der Lunge zurtiekgingen, desto mehr eollabirte der Kranke, er begann tiber Stiche in der linken Brnst zu klagen, ohne dass dor t irgend eine Ursaehe nachzu'weisen war; in der Herzgegend war der Spitzenstoss naeh wie vor weder sicht- noeh ftlhlbar, die HerztSne waren sehr leise und die Perkussion ergab dort einen sehr hellen vollen, etwas tympanitiseh klingenden Lungensehall. Der frUher cyanotisch ausseheude Kranke wurde im Verlaufe der naehsten Tage sehr an't~misch, der Puls wurde kleiner, die Temperatur blieb leieht febril und unregelmassig remittirend, es traten 5ftere synkopisehe Anfalle auf~ bis am 15/5. plStzlieh das eigenthtlmliehe, geanderte Ver- halten des Pulses auffiel. Derselbe wurde in der Inspiration unftihlbar, wahrend er in der Exspiration ziemlich kr~tftig hervortrat. Zuweilen, wenn der Kranke nach Excitantien sieh etwas kr~ftiger fiihlte, war aueh der Puls in der Inspiration wenigstens andeutungsweise vor- handen, sobald aber jene Sehwaehezust~tnde sieh entwiekelten, war er wieder exquisit inspiratoriseh aussetzend und .verblieb so in den letzten Tagen, die dem am 25. Mai erfolgten Tode vorangingen.

Die Section ergab, wie aus~dem unten folgenden Auszug des Krankenjournals ersiehtlich, neben den' bier kaum in Betraeht kom- menden Veranderungen in den Lungen eine eitrige Pericarditis mit partiellen Verwaehsungen des Pericards.

Der vierte Fall betrifft einen sehr kraftig gebauten Mann, E. S, der 14 Tage vor seiner am 8. Mai e.a. in die Klinik erfolgten Auf: nahme auf die Sehwellung seiner Ftisse aufmerksam wurde. Bis dahin ganz gesund begann er in den n~tchsten Tagen namentlich beim Gehen tiber Athemnoth und Beengung auf der Brust zu kla- gen; endlich vermoehte er aueh in der horizontalen Lage vor Angst und Brustbeengung es nieht mehr auszuhalten und suchte daher (18]5.) die Aufnahme in die Klinik naeh. Hier zeigte sieh die Herzdam- pfung ausserordentlieh vergr~ssert, unter dem Einfluss der Respira- tion sich night ~tndernd, Spitzenstoss weder sieht-noch ftihlbar. Die HerztSne ausserordenflich leise und der Puls intermittirend. Mit jeder Inspiration war derselbe fur das Geftihl absolut verschwunden und erst in der Exspiration trat er deutlieh, ja sogar kr~tftig ftihlbar hervor. Nach wenigen Tagen (19/5.) filhlte sich der Kranke soweit erleichtert, class er die Klinik verliess. Objectiv war an ihm kaum eine Aenderung zum Guten zu verzeichnen gewesen, nur war der Puls zeitweise auch in der Insp i ra t ion- wenn auch sehr geschwacht - - fUhlbar geworden.

Indess schon naeh 3 Tagen (22/5.) meldete sich der Kranke wieder zur Authahme, weil die Besehwerden sieh starker als zuvor

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Wirkung des veriinderten Luftdrucks in den Lungen. 1 71

eingcstellt h~tten. Die schon bet der ersten Auihahme constatirte Cyanose des Gesiehts war noch intensivcr gewordcn and hatte sich mit eincm Stich ins Gclbliche gepaart, die objective und subjective Dyspnoe schien jetzt griisser ats zuvor, die Angstanf~ille traten h~u- tiger auf, die Oedeme der unteren Extremitiiten wuchsen zusehcnds; es entwickelten sich die Zeichen tines miissigen Ascitcs and Hydro- thorax. Die Herzdiimpthng blieb anhaltend diesclbe und auch die auscultatorischen Zeichcn daselbst. Der Pals fast anhaltend exquisit inspiratorisch aussetzend. Die angewandtc Therapic erwies sich maehtlos; wohl gelang cs, den Kranken fiir Stunden von scinen Be- schwerden zu befreien, indess allmi~hlich abet sicher entwickelten sich die Zeichen hoehgradigcr Circulationssttirungen und unter dem Bilde dieser trat am 15/6. der letale Ausgang ein.

Bet der Section land sich eine hochgradige hiimorrhagische Pe- riearditis; in der H~ihle des Pericards due Fltissigkeit yon fast tel- nero blutigen Aussehen und einer 1500 C.-Ctm. haltigen Menge.

Die Curven No. 14, Tafel IV (F. S.), No. 15, Tafel IV (F. B.) dcr letzten beiden Kranken zeigen mit aller Deutlichkeit den regel- miissigen Wechsel yon 3 - - 4 normalen PuIserhebungeu mit fast ge- rm/den Linien, die letzteren fallen in die Zeit der Inspira~;on, die ersteren in die der Exspiration.

Das genauere Verhalten der Pulse zur Respiration~ de'gleichen das der Herzt6ne u. s. w.~ soweit naehher die Rede davon sein soil - - i s t in den im Auszuge unten wiedergegebenen Krankengesehiehten einzusehen.

Die Curve Tafel IV, No. 16 stammt yon einem Kranken, den ieh im Juni 1873 auf der hiesigen medicinischen Ktinik vor dem Erseheinen der K u s s m a u l ' s c h e n Arbeit tiber den paradoxen Puls gesehen habe. Der Kranke, ein mittelgrosser aber sehw~tehlieh aus- sehender 39ji~hriger Mann, B. P., hatte seit seiner Kindheit fiber zeitweise hervortretendcs Herzklopfen, tiber namentlich naeh KiJr- peranstrengungen hervortretende Athemnoth, kurz fiber Besehwer- den zu klagen, wie sie bet temporiirer Leistungsanf~ihigkeit des Herzcns gewtihnlich sind. In der letzten Zeit wareu jene Besehwer- den 5fter autgetreten u n d e r hatte deshalb die Htilfe der Klinik naehgesueht. Hier war der Kranke meist ausser Bett, die Unter- suehung ergab eine deutliche und sehr verbreitete Herzdiimpfung naeh reehts, zwei Finger breit jenseits des rechten Sternalrandes; die Herzttine waren rein aber leise, der zweite Pulmonalton etwas aeeen- tuirt, nirgends Geriiusehe; cs bestand eine ausgebreitete systolisehe Einziehung der Herzgegend ohne Spitzenstoss. Halsvenen waren nieht

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sichtbar, aber deutlich nachzuweisen war das Verschwinden des Pulses wahrend der Inspiration,

Ich lasse die Sicherheit der Diagnose dieses Falles mit Rtick- sicht auf den Mangel des autoptischen Befundes allerdings in Frage; der ganze Verlauf der Krankheit indess and das Exterieur machen es doch sehr wahrscheinlich, dass es sieh bier um Verwachsungen des Herzbeutels und mit Rticksicht auf den Pals um Bindegewebsneubil- dungen um die grossen Gefi~sse (Mediastinitis?) gehandelt habe.

Die graphische DarsteUung des Pulses wurde damals (zusammen mit Herrn Prof. Ei ch h o r s t) von mir mit dem Marey'schen Sphygmographen aufgenommen, wi~hrend die vorangestellten mit der eardiographischen Co- quille gezeiehnet sind. Sie unterscheiden sieh daher in Bezug auf die Hiihe sehr yon einander, die Curve ~o. 5 ist ausserdem von links nach reehts~ jene ersteren aber umgekehrt zu lesen. Ich muss auch hervorheben~ dass sie eine frappante Aehnlichkeit mit dem gewShnlichen Pulsus bige- minus zeigt; aber die Thatsache, dass die secund~tre Erhebung und die hierauf folgende gerade abfallende Linie in die langsame Inspiration~ die steile Erhebung des vollen Pulses in dis Exspiration fielen, und dass an der Herzaction keine Unregelmiissigkeit bemerkt wurd% liisst die Wahr- scheinlichkeit der richtigen Auffassung dieses Falles als nahezu gewiss erscheinen.

Die Beobachtung, dass der Puls durch die Respiration zum Ver- schwinden gebracht werden kSnne, ist, wie ich bereits hervorgehoben~ seit l~ingst bekannt. J o h a n n e s Mti l ler ~) wies bereits darauf hin, ,,dass der Pals an der Radialis bei langem anhaltenden Einathmen unftihlbar wird"; er vermochte diese Erscheinung an sich selbst hervorzubringen, ebenso wie spi~ter E. F. W e b e r , der hierans die Anregung zu seiner Arbeit ,,Ueber ein Verfahren den Kreislauf des Blutes und die Function des Herzens willktirlieh zu unterbrechen", schiipfte. Auch D o n d e r s erwi~hnt in der bercits citirten Abhand- lung der Beobachtung J. MUller ' s mit dem Bemerken, dass er das- selbe auch yon seiner Person geltend machen kiinne. Ausser diesem so zu sagen physiologiseh aussetzendcn Pulse, hat uns die Pathologie sine andere Art desselben kcnnen gelehrt, den seit K u s s m a u l 3) genannten Pulsus paradoxus. Die Entdeckung desselben ist das Ver- dienst G r i e s i n g e r ' s ~ ) , der ihn zuerst in einem Falle yon Media- stino-Pericarditis constatirt hatte. K u s s m a u l gelang es sp~ter mit klarer Berticksichtigung dieses Symptoms die genannte Diagnose in

1) Handbuch der Physiologie des Menschen. Koblenz 1S34. 2) Archly ftir Anatomie und Physiologie. 1851. 3) Ueber schwielige Mediastino-Pericarditis und den paradoxen Puls. Berl.

kiln. Wochenschr. 1873. 4) Beitrag zur Diagnose der Mediastinit. Dissert. A. W:idemann. 1856.

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Wirkung des veranderten Luftdrucks in den Lungen. 173

mehreren Fallen bereits zu Lebzeiteu richtig zu stellen, u n d e r ftigte beil~ufig als neue, die sehr wichtige erg~nzende Beobachtung hinzu, dass der paradoxe Puls an den Arterien mit einem entgegengesetzten Verhalten an den Halsvenen (inspiratorische Anstauung) sieh ver- binden kilnne.

Von da an glaubte man in dem paradoxen Pulse ein sicheres Kennzeichen des genannten Leidens zu besitzen bis neuerdings B~ium- l e r 1) und T r a u b e ~) in je einem Falle yon Pericarditis ohne Me- diastinitis das gleiche Verhalten des Pulses wie in jenen F~illen yon G ~ i e s i n g e r und K u s s m a u l constatirt zu haben vermeinten.

Reihen wir diesen Beobachtungen die ftinf yon mir vorange- stellten, die den inspiratorisch fehlenden Puls in zwei Fiillen ohne jeglich nachweisbares Leiden, in zwei yon hochgradiger eitriger und bezw. hiimorrhagischer Pericarditis~ sowie in einem yon sehr wahr- seheinlicher Mediastino-Pericarditis darbieten, an, so m(ichte es that- s i i e h l i c h - wie dies neuerdings versucht w o r d e n - berechtigt er- seheinen, anzunehmen, dass das inspiratorisch totals Aussetzen des Pulses in Absicht seiner hier in Betracht kommenden diagnostischen Verwerthung yon keiner besonderen Bedeutung sei, d. h. weder die Diagnose der G r i e s i n g e r - K u s s m a u l ' schen Mediastino - Pericar- ditis noch auch die der Pericarditis allein~ positiv oder negativ zu stUtzen vermSchte. 51oeh mehr wird uns diese Annahme nahe gelegt durch die yon R i e g e l :~) aufgeworfenen Serupel, es m~ichten gele- gentlich schon die dureh die Respiration bewirkten Schwankungen 4)

i) Inspiratorisches Aussetzen des Pulses und Pulsus paradoxus. Deutsches Archly ftir klin. Medicin. 1874.

2) Pulsus paradoxus bei chronischer Pericarditis, aber ohne Mediastinitis. Charit~-Annalen. 1876. - - Desgl. auch S t r i cker : Charitd-Annaien 1877. Pulsus paradoxus bei Pericarditis tuberculosa~ aber ohne Mediastinitis.

3) Berl. klin.Wochenschr. 1876. Zur Symptomatologie der Stenosen der grossen Luftwege und: Ueber die respiratorische Aenderung des Pulses und den Pulsus paradoxus.

4) Dasselbe betont in einer jtingst in diesem Archly. Bd. X. H. 5 und 6 er- schienenen Arbeit: Ueber den Einfluss der Respiration auf den Puls des Menschen Dr. Loewi t ; es sei in Bezug auf die interessante Ul~tersuchungsreihe nur be- merkt, dass e s - wie ich glaube- in differentiell diagnostischer Beziehung nicht nfthig ist, auf die durch forcirte und frequente Respirationen entstehenden, sich fLhnlich werdenden, verschiedenen Pulsgruppen weiter einzugehen, als es im Fol- genden geschieht. Man mtisste schliesslich alle Mfglichkeiten des Pulsus myurus ascendens und descendens, capricans und dicrotus u. s. w. in Betracht ziehen. Uebrigens findet sich der durch sehr frequente Athmung mSglich werdenden Vor- t~uschung des Pulsus alternans bereits Erwiihnung gethan in meiner Arbeit: Pulsus alternans. Dieses Archiv. 1S77. Vgl. Curve 51 und 52.

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174 VI. J. SCHm~IBER

an der Arterie, wie sie im ersten Theile~besprochen sind, zu Ver- wechslungen mit dem Pulsus paradoxus fiihren ktinnen und vollends gar durch den jUngst ~) yon S omm e r b r o d t~) in seiner Publication aufgestellten Satz, dass es geradezu als paradox zu bezeiehnen sci, wenn man bei einem Menschen den paradoxen Puls nieht nachwei- sen ktinne.

Ehe wir uns jedoch eines in mehreren Fi~llen diagnostiseh wohl- bewi~hrten Symptoms auf Grund vielleicht nieht riehtig gedeuteter, weil falsch aufgefasster Fiille fiir immer begeben, m(ichte es meines Eraehtens r~thlieher und daher wiiuschenswerth erscheinen, an der Hand der einzelnen bisherigen Befunde und der differentiellen Er- kliirungsmomente die Brauchbarkeit dieses Symptoms noch einmal zu erproben.

Die Definition des paradoxen Pulses nach G r i e s i n g e r und K u s s m a u l ist die: wiihrend der g a n z e n D a u e r der Inspiration (G r ie s i n ger) werden die Pulse ungemein sehwaeh oder verschwin- den ganz und kommen erst dann wieder zum Vorsehein, wenn der Thorax bei der Exspiration einzusinken beginnt. Das Herz setzt indessen seine Functionen in rhythmiseher Weise fort; seine T~ine werden i n der Inspiration so gut und so rein wie in der Exspiration vernommen. Nach K u s s m a u l wird der Puls aller Arterien bei jeder Inspiration in regelmassiger Wiederkehr und bei gleiehmiissig ibrtgehender Herzbewegung sehr klein oder er verschwindet ganz, um mit der Exspiration soibrt wiederzukehren; an den Halsvenen~ namentlieh an den Bulbus yen. jug. bewirkt dabei bei hinreiehender Inspiration der verengernde Zug tier sehwieligen Stri~nge eine merk- liche, selbst betriiehtliche Anschwellung statt der normalen Absehwel- lung'. Der blosse Hinweis auf diese sehr priieisen Definitionen mtisste eigentlich gentigen, den Untersehied zwisehen den einzelnen nur scheinbar gleichen Beobachtungen sofort erkcnnen zu lassen, indess mag eine weitere Ausftihrung zur beweisvolleren Uebersicht des Ge- genstandes gestattet sein.

Bei J. Mt l l l e r , W e b e r und D o n d e r s handelte es sich, wie bereits gesagt, im Wcsenflichen um das Aussetzen ihres eigenen Ra- dialpnlses bei angehaltener Inspiration. J. Mi i l le r 3) erbliekt die

1) In Folge der Versp~tung der Publication auch dieses zweiten Theiles meiner Arbeit sind die neuesten VerSffentlichungen zum Theft nur-in Anmerkungen be- sprochen.

2) Gegen die Lehre yore Pulsus paradoxus. Berl. klin. Wochenschr. 1877. 3) S. 197 heisst es wSrtlich: ,,Diese Verst~rkung des Blutdrucks durch das

Ausathmen ist bei manchen Menschen besonders gross, so dass der Puls.an der

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Wirkung des ver~nderten Luffdrucks in den Lungen. 175

Ursache dieser Erscheinung in dcr, wie zuvor dargethan, fiilschlichen Annahme yon der inspiratorischen Abnahme des Bluttriebes. W e b e t meint , dass zum Zustandckommen der inspiratorischen Pulsinter- mission nicht bloss die angehaltene Inspiration erforderlich ist, son- dern er betont auch noeh die Nothwendigkeit der Zusammendriickung der Brust.0 D o n d e r s in theilweisem Gegensatz zu dieser Erkla- rung sicht die Ursache in der Saugkraft ,des unter geringerem Drucke stehenden Herzens, das dadurch verlangsamt und geschwiicht, j a selbst ftir cinige Augenblicke ganz zum Stillstand gebracht werden kann.

Dass die M t i l l e r ' s c h e und D o n d e r s ' s c h e Erklarung wenig Wahrscheinliches ftir sich hat, dtiffte bereits aus den voranstehenden Untersuehungen zum grossen Thcile erkannt worden sein. Aber es seheint nicht tiberfltissig, direct zu betonen, dass der fast allgemeinen Annahme entgegen der sogenannte M i i l l e r ' s c h e Versuch niemals zu einem Verschwinden der Pulse ftihren kiinne. Die M t l l l e r ' s c h e Inspiration, d. h. die forcirte, angehaltene Inspiration vermag nur unter deutlicher sichtbarer Schwankung die Ver~indernngen der ge- wiihnlichen Inspiration zu bewirken; die falsche Auffassung yon der den Arteriendruek erniedrigendcn Wirkung der Inspiration war es wohl , die weiterhin zu der theoretischen Folgerung and Erkl~trung ftihrte, dass wenn die gewtihnliche Inspiration den Blutdruck in den Arterien herabsetzte, es in um so hSheren Graden die forcirte thun mtisse. Dasselbe gilt ftir die Erkl~irung, dass die Inspiration schliess- lich die Herzth~itigkeit in dem Maasse beeintriiehtige, dass ihre Con- tractionen unmSglieh wUrden, das Herz stillstehe. Auch hierftir haben wit das gegentheilige Verhalten, wenigstens fUr die physiologische Einathmung an der betrcffenden Stelle dargethan. Und doch be-

Arteria radialis bet langem anhaltendem Einathmen unffihlbar wird. In diesem Fallo bin ich, ichmache auf der Stelle den Puls der Arteria radialis verschwinden, sobald ich nur tief inspirire und den Athem einhalte, was einiges Licht auf die M~rchen yon willktirlicher Ver~nderung des Herzschlages wirft."

1) Hierdurch werde der Zufluss des Blutes durch die Hohlvenen zum Herzen abgeschnitten, der Puls augenblicklich sehr klein, aber noch so lange ausdauernd, als das in der Brusth6hle befindliche Blur durchs linke Herz in die Aorta ent- leert ist. Wenn dies meist nach 3 -5 Schli~gen, die immer schwitcher und seltener, geschehen ist, bleibt, well aus dem nun leeren Herzen kein Blur mehr in die Aorta ge!angt, der Puls ganz aus und kehrt erst wieder, wenn die Compresssion der Brusth6hle aufgeh6rt oder nachgelassen hat.

Interessant sind die in der Einleitung der Web er'schen Arbeit angeftihrten Citate aus Galen, Va le r ius Maximus, Appianus , George Cheyne u. s. w., yon Lenten, die sich - - wie es seheint - - in dieser Weise selbst den Tod gege- ben haben.

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gegnen wir in der Literatur wie vielfaeh im Leben unter den Faeh- genossen der sichern Annahme, dass das Mtil ler 'sche Experiment in der obigen Weise ausgeftihrt, vollkommen richtig sei. Ich habe mich an einer grossen Anzahl ~'on Menschen tiberzeugen ki/nnen, dass hier ein Irrthum aus drei Ursaehen vorliegt:

I. In vielen Fallen wird yon den Versuehspersonen trotz ge- nauester Instruirung tiber die Art und Weise der auszuftihrenden Ein- athmung dieselbe ganz im W e b e r'sehen Sinne ausgeftihrt; dartiber weiter unten.

2. Bei den meisten Mensehen bewirkt die forcirte Inspiration ein Gehobenwerden der Sehultern und eine Anspannung der Vorderarm- muskeln; hierdureh findet leieht eine derartiffe Versehiebung und Ver- deekung der Radialis statt, dass sie ftir einen Moment versehwunden zu se in s c h e i n t ; das letztere ist um so exquisiter, je mehr im Be- ginne der Inspiration der bekannte momentane Abfall in der Blut- ftille der Arterie ausgepritgt ist. Bei genauerem Naehftihlen entdeckt man jedoeh das pulsirende Gefliss ganz sieher noch im Verlauf und w~thrend der angehaltenen Inspiration (hliufig bereits im Beginn, wenn man die Cubitalarterie palpirt).

3. In seltenen Fallen kommt es vor, dass die Versuchsperson, meist absichtlich, den Oberarm derartig an den Thorax andrtickt, dass die Axillaris oder Braehialis stark eomprimirt 1) wird~ wodureh der Radialpuls sieh ungemein verkleinert. Wir haben aus dem Frti- heren gesehen, dass selbst die bei gesehlossener Mund- und Na- senSffnung ausgefiihrte Inspiration nieht nur nieht ein Versehwinden der Pulse, sondern gegentheils ein Anwachsen derselben bewirkte; die Ursaehen des yon J. Mt i l le r beobaehteten ist daher in auderen Meehanismen zu suehen, und dieselben k(innen entweder derartige sein, wie sie W e b e r schildert, oder aber andere von J. Mt i l le r selbst sehliesslieh zugestandene, yon denen sp'fiter die Rede sein soil.

Vorausgesetzt, dass Web e r's Erkl~trung die richtige i s t - und sie ist es fUr viele Fiille - - so handelt es sich aber jetzt nieht mehr um ein inspiratorisches, sondern um ein exspiratorisehes Aussetzen des Pulses; der W e b e r ' s e h e Versuch ist dann eigentlieh identiseh mit dem V a l s a l v a ' s e h e n , oder wenn wir wollen, mit dem eombi- nirten M U 11 e r- V al s a lv a'schen Versuehe, wie sie im Voranstehen-

1) Von diesen Compressionsphi~nomenen, wie sie absichtlich oder durch ab- norme Lage, Haltung der Individuen (vgl. Hyrt l , bei stark nach hinten ge- brachten Armen), Tumoren (Drtisengeschwtilste, Aneurysmen u. s. w.) etwa zu Thu- schungen ftihren kSnnen, sehe ich bier ganz ab, da dem aufmerksamen Unter- sucher die Ursache der Erscheinung kaum entgehen kann.

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Wirkung des veri~nderten Luftdrucks in den Lungen. 177

den besehrieben sind. Unter solchen Bedingungen wird in der That der Puls zum Verschwinden gebracht, obschon die Arterie relativ geftillt bleibt und zwar aus uns nunmehr bekannten normalen Vor- gangen der Circulation.

Umgekehrt kann in der That dig gewiihnliche oder die forcirte und angehaltene Inspiration, wie wir gleichfalls aus dem Vorigen wissen, momentan ein fast vollstandiges Aussetzen des Pulses (neben einem auffallendcn Heruntergehen der mittleren Arterienftille) schaffen, dann namlich, wenn der Inspiration der V al s a l v a ' sche Versuch vor- ausgeschickt wird; aber - - und das betone ieh ganz besonders - - der Puls verschwindet nur ftir einen Moment; bei langerer Dauer der Inspiration und vorzUglich bei der angehalteneu tritt er ziemlich schnell mit um so gr(isserer Kraft wieder hervor.

Und lassen wir schliesslich gelten, dass die respiratorischen Sehwankungen an der Arterie unter gewissen bekannten Bedingum gen (individuelle Disposition, forcirtere, verlangsamte Respiration, Kehlkopf~tenosen [Croup u. s. w.]) gelegentlich wirklich so stark ausgepragt sein ki~nnen, dass die Inspiration in ihrem Beginne eine auffallende Verkleinerung der Pulse bewirkt, so geht daraus noeh keineswegs hervor, dass w i r e s hier mit einer inspiratorischen Puls-

intermission im Sinne des Pulsus paradoxus zu thun haben, denn auch hier fiihrt, wie oben erwahnt, der weitere Verlauf der In- spiration, und die angehaltene Einathmung meist zur sicheren Ver- gri~sserung und damit zur Erkennung des scheinbar verschwundenen Pulses.

Hicrnach wtirde ich glauben, dass die in dem angeftihrten Sinne bisher beobachteten inspiratorisehen Pulsintermissionen entweder auf Tausehung beruhen, oder aber durch eine exquisite Exspirationscom- pression der vorangegangenen Inspirationsluft hewirkt sind, d. h. auf Circulationsst~rungen beruhen, denen im V a 1 s a 1 v a' schen Versuche analog; in den Fallen aber, in denen der Puls wirklich versehwin- dend klein geworden ist, hat man es nur mit einer momentan an- haltenden Verkleinerung zu thun, die im weiteren Ablaufe der Ein- athmung oder bei angehaltener Inspiration sich wieder vollstandig zur Norm ausgleieht, ja selbst zuweilen die letztere im positiven Sinne ttberschreitet.

Haben wir hierin haufig bereits ein nahezu untrtigliehes Unter- scheidungsverhalten des aussetzenden Pulses gegeniiber der yon Grie- s in g e r und K u s s m a u 1 geschilderten Art der Iuspirationswirkung auf den Puls in ihren Fallen, so liegt aueh ein zweites differential-

A r c h l y ffir experiment. Pathologie u. Pharmakologie. XII. Bd, 12

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17 8 VI. J. SCn~R~.I~zR

diagnostisches Moment noch in dem Verhalten der Herzaetion hier und dort: bei Pulsus paradoxus geht die Herzaetion wahrend der Einathmung ungeschwacht und regelmassig weiter, in den soge- nanntcn physiologisehen Pulsintermissionen erfiihrt dagegen die Herz- action in der betreffenden Respirationsphase eine mit den Pulsver- kleinerungen Hand in Hand gehende Abschwachung.

Sehen wir ferner einen Augenblick aueh davon ab, dass in dem sogenannten physiologischen Palsus paradoxus der Vorgang der Re- spiration an sieh abweieht yon der ftir den klinisehen postulirten einfachen, dem betreffenden Individuum gerade eigenen Athmungs- weise~ so kiinnen wir auch aus den Ursaehen beider Phanomene ein nothwendig verschiedenes Verhalten ihrer selbst gegen einander er- schliessen.

Der physiologische Pulsus paradoxus wird in letzter Instanz dureh den negativen Druck im Thorax bewirkt~ yon dem wit wissen, dass er bis zur vollendeten Inspiration eine gewisse Hiihe erreicht, die bei angehaltener Inspiration allerh(ichstens constant bleibt event. sogar naeh geringeren Schwankungen sich wieder etwas erniedrigt: die Folge davon ist das aus dem FrUheren bereits bekannte Verhalten des Pulses im Beginn und zu Ende der Inspiration. Ganz andere Me- chanismen aber kommen bei dem sogenannten pathologischen Pulsus paradoxus als ursiichliches Moment in Betracht: denn bier sind es, wie z. B. im Falle G r i e s i n g e r ' s ~ dutch Entztindung im Mediasti- hum gebildete fibriise~ starre, schwielige Strange und Verwachsungen um die grossen Gefassst~imme untereinander sowohl als auch mittel- bar mit der Brustwand und dem parietalen Blatt der Pleura, wo- dutch die ersteren in mannigfacher Weise eingeschnUrt~ deprimirt geknickt werden. Die Inspirationsstellung des Thorax m u s s - es ist das hi~chst wahrscheinlich s o - auf jene Strange einen Zug aus- tiben und indem sie gedehnt werden, werden die grossen Gefasse daselbst noch mehr abgeschnlirt~ so dass trotz weitergehender regel- massiger Herzaction tar kein Blut oder nur so wenig davon ins Aor- tensystem gebracht wird, dass daraus eine Pulslosigkeit bezw. ein verschwindend kleiner Puls in den peripheren Arterien resultirt. Da nun aber die Pulsintermission hier abh~tngig ist in letzter Instanz yon der jeweiligen inspiratorischen Anspannung der mediastinalen Strang% so mtissen wit folgern~ dass diese Anspannung fferinger und gr~sser wird mit der weniger vollendeten und vollstandigen Inspi- rationsstellung des Thorax und dass bei der angehaltenen Inspira- tionsstellung des Thorax der erreichte Spannungsgrad der Strange so lange der gleiche bleiben muss, bis eine Entspannung derselben

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dureh den Uebergang des Thorax aus der In- in die Exspiration ein- tritt. Folglich wird hier im Beginn der Inspiration event, der Puls an den Kiirperarterien noch deutlich hervortreten kSnnen aber auf der H~he der ersteren und bei angehaltener Inspiration ganz ver- sehwunden sein mtissen; in geringeren Graden der gedaehten Ver- anderung wird die HShe der Einzelpulse abnehmen mUssen vom Be- ginn zum Ende der Inspiration hin. Dieses dem physiologischen (inspiratorischen) Pulsus paradoxus jeder Art so ganz entgegenge- setzte und absolut nothwendige Verhalten ist, meine ich~ wohl als sehr wichtiges differentielldiagnostisehes Merkmal zu beaehten.

Aber aueh Fiille wie die yon T r a u b e und B i i n m l e r publi- cirten sind keineswegs dazu angethan, zu Verweehslungen in der Diagnose im besproehenen Sinne zu fiihren. Denn T r a u b e leitet das Zustandekommen des genannten Phiinomens in seinem Krank- heitsfalle 1) davon ab, dass eine ungewiJhnlieh tiefe und krliftige In- spiration den verdickten Herzbeutel nur wenig habe ausdehnen k~in- hen; die durch die Dehnung bewirkte Spannung, schliesslich so gross wie die des stark contrahirten Zwerehfells, hi~tte dem Herzen event. nnr geringe Zusammenziehungen gestattet,-wodureh nur sehwaehe, kaum ftihlbare Pulse m~iglieh gewesen wiiren. Es darf wohl nur auf die nothwendig gewordene foreirte Inspiration zur Erzeugung der Pulsintermission, sowie auf die Abschwlichung der Herzthiitigkeit die gleiehzeitig beziiglich des Bi iumler ' sehen Falles 2) zu urgiren ist (insofern B ~ u m l e r angibt~ dass die HerztSne in ihrer Intensitat wechselnd gewesen wliren), hingewiesen werden, um den Untersehied tier scheinbar gleiehen Pulsanomalien erkennen zu lassen. Dazu kommt noch, dass T r a u b e ' s Erkliirung naeh man die Hauptwir- kung auf den Puls mindestens ftir seinen Fall gegen Ende der Inspiration hiitte erwarten sollen; statt dessen zeigt die yon ihm veriiffentlichte Curve zu Ende der Inspiration bereits eine roll her- vortretende P u l s w e l l e - eine Erscheinung~ die eigentlich an sich

1) Bei der Autopsie desselben fand sich: ,,der Herzbeutel enorm vergrSssert, fast knorplig anzuftihlen und stark fluctuirend ; der vordere Rand der linken Lunge reiehte nur bis in die Gegend der linken Namillarlinie und war mit dem linken tterzbeutel lest verwachsen, whhrend die rechte Lunge ganz frei ist. Im Herz- beutel befinden sich etwa 1000 Grin. einer dttnnen, blutigen Fliissigkeit, welcher nur wenige fibrinhaltige Coagula beigemengt sind. - - "

2) Es handelt sich in diesem Falle im Wesentlichen gleichfalls um einen und zwar mehrere Pfunde haltenden dunkelkirschrothen Perjcardialerguss neben einer grossen Menge hi~morrhagischer Fltissigkeit in beiden und besonders in der linken Pleura.

12"

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schon genUgt, den Fall yon einem anderen Oesichtspunkte aus zu betrachten. 1)

Wir ersehen aus dem bisher Gesagten, wie die genaue Beacht- ung filer charakteristisehen Punkto vollkon~men ausreieht um die bisher zur Beobachtung gelangten scheinbar gleichen Pulsphanomene mit Sicherheit zu differenziren, ohne dass wir noch auf d a s - wenn vorhanden - - sehr wiehtige, von K u s s m a u 1 erw~hnte Verhalten an den Halsvenen zu reeurriren ni~thig batten. Wir wollen indess unsere eigenen Beobachtungen erlautern, da sie - - wie ich glaube -- noch einige weitere Lichtpunkte tiber die uns beseh~iftigende Frage zu verbreiten vermiigen.

In den beideu in diesem Abschnitte zuerst erwahnten F~illen trat uns die inspiratorische Pulsintermission unter Bedingungen gegen- fiber, die eigentlich allen yon G r i e s i n ~ e r und K u s s m a u l fUr die Diagnose der Mediastinitis in Betraeht zu ziehenden geniigten; denn die Intermission der Pulse zeigte sich bei der gewiihnlichen, bei Frau D. G, hiiufig sehon ganz o b e r ~ l ~ e h l i e h e n Einathmung, die Herz- action ging dabei regelmlissig und ungesehw~cht weiter ~), ja auch das noeh yon mir theoretiseh abgeleitete Ausbleiben des Pulses bei der angehaltenen Athmung war hier evident vorhanden. Indess der absolute Mangel jeglichen subjeetiven wie objeetiven Symptoms eines Herzleidens und der eigenthUmlich flache Bau des oberen Thorax bei einer relativ sehr guten Ausdehnung desselben, ftihrten reich so- fort auf die MSglichkeit einer nur ausserst selten so vollkommen zur Beobachtung kommenden Erscheinung~ der einer Compression der Arteria subclavia beiderseits.

Von der Richtigkeit dieser Annahme fiberzeugte ieh reich sehr leieht dadurch, dass ich wahrend der Pulsint, ermission der Bra- ehialis, Cubitalis, Radialis beider Extremitaten an allen iibrigen der Palpation zug~nglichen Arterien, Carotis, Femoralis u. s. w. einen ganz normalen Puls flihlte. Auf das Vorkommen soleher F~ille ist~ wenn wir Kunstproduete wie die im Hyr t l ' s chen Sinne und an- dere absichtliche oder unabsichtliche Compressionen, wie ich sie zuvor angedeutet~ natiirlieh ausnehmen, meines Wissens bisher nieht in so bestimmter Weise hingewiesen worden.

1) Dem zuvor in der Anmerkung genannten Falle yon Str icker , der die T r a u b e 'sche Erklitrung sttitzen soll, ist keine Curve beigegeben ; es ist daher unmiiglich zu er6rtern, wie weit der Fall als beweisend anzusehen ist.

2) Der Mangel der inspiratorischen Fttllung der Halsvenen vermag selbst- redend ebensowenig gegen die obige Annahme zu sprechen, wie ihr Vorhandensein far die letztere geradezu beweisend gewesen whre.

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Wirkung des verhnderten Luffdrueks in den Lungen. 181

Sie lehren aber wig vorsichtig man in der Beurtheilung seiner Resultate zu sein hat, und dass night jede inspiratorische Pulsinter- m i s s i o n - noeh so deutlieh naehweisbar und wenn aueh grobe StS- rungen dieselbe seheinbar nieht veranlasst haben - - unbedingt nur yon den beiden Gesiehtspunkten aus zu beurtheilen ist, wie es die jtingsten Publieationen vermuthen lassen.

Selbst J o h a n n e s M a i l e r ist in dieser Beziehung yon einer Ungenauigkeit seiner Beobaehtung nieht ganz freizusprechen, insofern naeh einer Bemerkung in der zuvor eitirten Arbeit W e b e r 's er das Versehwinden seines Pulses im Geffensatz zu seiner oben w~rtlieh angefahrten Erklarung gleichfalls auf eine Compression tier Arteria subelavia w~hrend der Inspiration 1) bezog. Es ist abet ohne Wei- teres klar, dass ein an den peripheren Arterien dutch den jeweiligen Druek im Thorax bewirktes Ph~inomen an sammtliehen peripheren Arterien auftreten mUsse, wahrend wit es hier mit einer loealen Er- seheinung 2) zu thun haben, l~ur eines kann abet bier alas Richtige sein, wie denn auch die gieiehe Bemerkung in Rtieksieht auf den Pulsus paradoxus gilt, t i e r - dureh eine AbsehnUrung der Aorta an ihrer Wurzel en t s t anden - zum Untersehiede yon dem eben bespro- ehenen an allen peripheren Arterien zu eoustatiren sein muss.

Die Falle No. 3 und 4 meiner Beobachtung reihen sieh ganz denen yon T r a u b e und B a u m l e r hinsiehtlieh ihrer wesentliehen pathologisehen anatomisehen Veranderung an. Dennoch wurde bei ihnen bereits in vita, so ausgesproehen die inspiratorische Pulsinter- mission den Curven naeh aueh da war, die Mediastinitis in Abrede gestellt und der in autopsia erhobene Befund in vita riehtig dia- gnostieirt.

Gegen die Verwerthung des Pulsphanomens in diesen beiden F~llen als wirkliehen Pulsus paradoxus spraehen zum Theil die bisher ent- wiekelten Abweiehungen. Aber wie der Fall No. 4 beweist, kann es unter Umstanden sGhwer oder ganz unmSglieh sein, das Verhalten der Herzthatigkeit in den einzelnen Respirationsphasen als wesentliehes Kriterium zu benutzen; die voile Beraeksiehtigung der hierbei in Be- traeht zu ziehenden MeGhanismen indess wird aueh unter solehen er-

1) Hop e (Deutsche Klinik 1854. S. 35), der dieser hI6glichkeit gleichfalls Er- whhnung thut, spricht nur yon dem Verschwinden des Pulses whhrend einer t i e f e n und a n h a l t e n d e n Inspiration.

2) Die aber local denselben Einfliissen bez(~glich des Compressionsgrades der (]ef~sse durch die beginnende oder weiter entwickelte und event, angehaltene In- spiration unterliegen muss, wie bei der Abschnt~rung im Innern des Thorax, der Radialpuls daher auch bier sich so verh~lt im theilweisen und vollst~ndigen u Jschwinden, wie beim eigentlichen Pulsus paradoxus.

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schwerenden Verhiiltnissen den riehtigen diagnostischen Weg nieht verfehlen lassen ; sehr wahrseheinlich ist der Vorgang bei der Pericar- ditis exsudativa ein derartiger, wie ihn B ii u m 1 e r nachtr~iglich zur Erkliirung des inspiratorisch aussetzenden Pulses bei dem genannten Leiden angenommen hat: in Folge eines erheblichen pericardialen Exsudats im Thorax herrsche dauernd eiu positiver Druck daSelbst, der den Zufluss des ven6sen Blutes und damit die arterielle FUllung in hohem Maasse beeintri~chtigt. Dieser positive Druck nimmt noch zu in der Exspiration, zu Ende derselben ist daher die Aspiration nach dem Thorax am schlechtesten und ebenso die M(iglichkeit der arteriellen Ftillung. Die darauf folgende Inspiration vermindert durch die Entfaltung der Lungen den positiven Druck um etwas oder schafft selbst einen geringen Grad yon negativem Druek; es werden da- durch die Venen nach dem Thorax entleert, die Arterien ~erhalten aus dem besser gefilllten Herzen hier meist mehr Blur, der Puls tritt h e r v o r - aber erst wenn die hier meist schnelle Inspiration vorUber ist und die Exspiration begonnen. Die in die Inspiration fallenden Herzcontractionen geben daher all ihr Blur, welches die Inspiration nach dem Thorax geschafft hat aus, und wenn die erstere zu Ende ist und die letztere beginnt, ist der Blutvorrath im Thorax so gering, dass trotz der weitergehenden Herzaction nur minimale oder g a r nicht ftihlbare Ftillungen der peripheren Arterien erfolgen.

Ich m(ichte noch hinzuftigen, dass nieht sowohl der Erguss an sich, als die gleichzeitig hiermit meist einhergehende vortibergehende oder dauernde Veriinderung des Herzens in seiner Musculatur dieses selbst unfiihig maeht, die unter dem Einfluss yon Ergiissen im Peri- card oder den Pleuren allein oder noch dutch Vermittlung der man- gelhaft sich entfaltenden Lungen doppelt schwer hervortretenden StrS- mungshindernisse dureh eine wie unter physiologischen Yerh~iitnissen sich entwickelnde st~rkere Contraction s o for t zu compensiren. Die W.ahrseheinlichkeit und die praktische Bedeutung dieser Annahme sell welter unten n~her dargethan werden. : . . . . . . .

Hieraus wtirde aber folgeu, dass d i e kUnstliche Verliingerung der Inspiration im gedachten Falle gentigen mtisste, den aussetzenden Puls zum Verschwinden zu bringen. Von dieser Ueberlegung aus- gehend, liess ich die Curve Fig. 17, Tafel IV, wi~hrend einer ver- liingerten Inspiration zeiehnen und wir erkennen an ihr,, dass in der That die wahrend der anfiinglichen Inspiration gezeichneten geraden Linien schliesslich in deutliehe Pulse tibergehen, die so lange sieh zeigen als die verlangerteInspiration 1) andauert.

1) Das analoge u im Gri~ffner'schea Falle seheint sehr daftir zu

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Das ist aber wiederum ein wesentlich anderes Verhalten (ob- sehon analoges wie bei forcirten Athmungen, Larynxstenosen u. s. w.) des inspiratorisch aussetzenden Pulses, als wit es fUr die an ein- zeInen Arterien (A. subclavia) oder an der Arterienwurzel (Aorta) be- stehenden AbschnUrungen kennen gelernt haben: im ersteren Falle ein bei der verliingerten Inspiration hervortretender, im letzteren ein hierbei um so deutlicher verschwlndender Puls. Man k~innte theo- retisch noch weiter gehen und im Beginn der Inspiration fiir den ersten F a l l - die unbedingt niedrigsten Pulse resp. den Beginn der geraden Linie verlangen, im zweiten Falle in dieser Zeit dagegen noch mehr minder volle Pulse, die erst weiterhin in die gerade Linie als Ausdruck der Pulslosigkeit Ubergehen; denn im ersten Falle repriisentirt der Beginn der Inspiration die mangelhafteste Ftlllung des Herzens yon dem in der Exspiration zu hohen positiven Drueke im Thorax her~ d.h. die geringste Fiihigkeit des Herzens zur Er- zeugung yon Pulsen; im zweiten Falle dagegen i s t - wie schon er- wlihnt - - d i e Abschntirung oder Compression des Geflisses im Be- ginn der Inspiration naturgemitss geringer als zu Ende derselben, d. h. im Beginn der Inspiration kann dutch die jetzt bestehende relativ geringere Stenose des Gefiisses noch genUgend Blut hindurch, im weiteren Verlaufe derselben wird jedoeh die Stenose zu gross, nm eventuell einen ftihlbaren Puls zu Stande kommen zu lassen.

Es wirken hier eben Verhiiltnisse analog den bereits besprochenen nnd es gentigt der Hinweis auf die bisher ver(iffentliehten Curven zum Beweise, dass aueh dieses Desiderat an ihnen sich erfUllt. Auf alas aus dem Voranstehenden folgende Verhalten des Pulses in der verli~ngerten Exsp i ra t ion- das vollstiindige Absinken des mittleren Blutdrueks sowie der Einzelftillungen -- sowie auf das in der an- gehaltenen mittleren Respiration--Fehlen der respiratorischen Sehwan- kungen bei mittleren FUllungen der Arterie - - weise ich in der Curve Fig. 18, Tafel IV und bezw. Fig. 19, Tafel IV als auf eine conse- cutive Erscheinung nur hin; besonders betont sei indess noeh das yon mir zum Zustandekommen des Pulsus paradoxus bei der Peri- carditis exsudativa hervorgehobene Darniederliegen der Herzthi~tig- keit 1)~ denn hiermit im Einklang findet sich tier zeitweilige Wechsel

sprechen, dass dort mehr der Erguss im I)ericard die Erscheinung des inspirato- risch aussetzenden Pulses bewirkt als die gleichzeitig yon ibm beriicksichtigten Adh~sionen (vgl. Berl. klin. Wochenschr. 1876).

1) Es muss bemerkt werden, dass Str icker far seinen Fall ausdriicklich die unveranderte Intensiti~t der Herzt6ne in tier Inspiration hervorhebt; zum u

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des inspiratorisch anssetzenden mit mehr normalen Pulsen dann, wenn der Kranke (Fall 4) durch Exeitantien gest~irkt, sich munterer, kr~'ftiger flihlte and die Respiration freier wurde; es ist nieht zu tibersehen, dass der inspiratoriseh anssetzende Puls bei Mediastinitis und bezw. bei Subelavialcompression unter dem Einfluss einer freieren, besseren Athmung, einer kraftigeren Ausdehnung des Thorax gerade umgekehrt exquisiter hervortreten miisste, als er es etwa vordem gethan. Dass diese Ueberlegungen sieh diagnostisch ftir unsere Fi~lle bew~hrten~ ist aus dem Obigen und den autoptischen Befunden er- siehtlich; sie enthalten zugleich die Aufkliirung ftir das an der T r a u- be'sehen Curve and ebenso an dem GrRffner ' sehen urgirte Ver- halten des sehon in der Inspiration hervortretenden Pulses.

Von einer weiteren Besprechung des V. Beobaehtungsfalles sehe ich ab, da ich seiner nur Erwiihnung gethan zur Exemplificirung der im Allgemeinen vorkommenden inspiratorischen Pulsintermissionen.

Obzwar wir hiernach gesehen~ dass die letztere unter den man- nigfachsten Bedingungen entstehen kann, so ist doch die Art des speeiell ftir die Mediastinitis-Pericarditis besehriebenen Ph~inomens, des eigentliehen Pulsns paradoxus vor den tibrigen so ausgezeichnet~ dass eine Verweehslung der ~ihnlichen Erseheinungen bei einiger Auf- merksamkeit kaum mSglieh ist. Ich resumire als Charakteristiea des yon G r i e s i n g e r und K u s s m a u l besehriebenen Pulsus paradoxus gegentiber den sonstigen Formen des inspiratorisch aussetzenden Pulses naeh meinen Ansftihrungen :

l. Das e r h e b l i e h e Kleinerwerden oder v o l l s t a n d i g e Ver - s e h win d e n des Radialpulses in der Inspiration.

2. Das deutlich.ere Hervortreten dieser Verkleinerung oder des vollst~indigen Pulsmangels in de r z w e i t e n H R l f t e und zu E n d e der Inspiration.

3. Die Unmiiglichkeit, den paradoxen Pals in volle Pulse tiber- zuftihren dureh die verli~ngerte und angehaltene lnspira.tion.

4. Das sub 1--3 genannte Verhalten mass an alien der Palpa- tion zug~inglichen Arterien 2) nachzuweisen sein.

gleich mit den bisherigen Beobachtungen ware indessen die graphische Darstellung des paradoxen Pulses wtinschenswerth gewesen.

2) 0phthalmoskopisch miisste sich in F/~llen yon chronischer Mediastino- Perlcarditis der Pulsus paradoxus in allen Details sehr gut beobachten lassen. Bei der Pericarditis -- wie sie sich mir in No. 3 and 4 zur Beobachtung b e t - war es unm6glich die Kranken zu einer ruhigen Untersuchung ihres Augenhinter- grundes zu bringen.

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5. Der Pulsus paradoxus bedarf zu seiner Entstehung n i e h t d e r f o r e i r t e n Inspiration.

6. Wahrend des Aussetzens des Pulses wird eine regelm~issig fortgehende Herzaction beobachtet, die letztere zeigt

7. keine Abschw~tchung in der Inspiration (6 und 7 wtirden in einem zufi~lligen Falle yon gleichzeitiger Endo- oder Myocarditis ge- wisse sich yon selbst ergebende Modificationen erfahren kSnnen). Sind somit die sub 1 - -7 genannten Bedingungen und Zeichen vor- handen (und verbinden dieselben sieh vielleicht noch mit einer in- spiratorischen Ftillung der Halsvenen - - K u s s m a u l) so stellt meines Erachtens das so ausgestattete Pulsph~nomen etwas Eigenartiges dar, d. h. der yon G r i e s i n g e r und K u s s m a u l beschriebene Pulsus paradoxus ist vor anderen ahnlichen Pnlserscheinungen so ausge- zeichnet, dass er nach wie vor als ein der schwieligen Mediastino- Pericarditis allein zukommendes und die Diagnose dieses Leidens daher wesentlich sttitzendes Symptom betrachtet werden kann.

Bemerkung.

Im letzten Abschnitt ist darauf hingewiesen worden, dass die fiir das Znstandekommen des inspiratorisch i aussetzenden Pulses bei pericardialen Exsudaten gegebene Erklarung die Nothwendigkeit in sich schliesst, eine gleichzeitige Alteration des Herzens anzunehmen. Denn ware die Ursache jener Pulsart in der That nut in dem dureh das Pericardialexsudat veranderten Druck im Thorax zu suchen, so mUssten wir das in Rede stehende Pulsphanomen noch weit haufiger finden, namlich unter all den pathologischen Veranderungen im Tho- rax, die eine Ver~nderung des negativen Drucks daselbst zu bewir- ken im Stande sind, so z. B. bei grossen, namentlich doppelseitigen pleuritischen oder hydrothoracischen Ergtissen u. s .w. Obwohl die eben genannten pathologischen Processe keineswegs zu den irgend- wie seltenen zu l'echnen sind, so ist doch der exquisite Pulsus pa- radoxus bisher immer nut als ausserst seltenes Vorkommniss zu be- zeiehnen gewesen. Diese Ueberlegung drangt dahin, weiteren urs~tch- lichen Momenten nachzugehen und ich glaube in der That, dass ein solehes in dem Verhalten der Herzkraft insoweit gegeben ist, als die letztere unter Umstanden sogar fast ausschliesslich zum ursachlichen Moment der in Rede stehenden Pulserscheinung werden kann. Wit haben im ersten Theile dieser Arbeit gesehen, dass unter normalen Verh~tltnissen zum Ausgleich der im Beginn einer Inspiration gesetzten Str(imungshindernisse in den Lungen eine Vermehrung der Frequenz sowie der Intensit~tt der Herzthiitigkeit erfolgt und dass beides in

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vielen Fallen doeh nieht ausreicht die im Beginn der Inspiration zu Tage tretende Blutdruckerniedrigung zu compensiren. Im h(iheren Maasse wird das letztere da der Fall sein mUssen~ wo einerseits durch Compression eines Theils der Lungengefi~sse das Strombett dauernd eingeengt and andererseits die Thatigkeit des Herzens in Bezug auf seine diastolische Entwieklung zur Aufnahme yon Blut beeintrachtigt ist. Der im Thorax herrschende positive Druck 1)be- gUnstigt den Contractionszustand des Herzens und selbst die unter solchen Verhaltnissen hi~ufig zu beobaehtende gesteigerte Frequenz der Herzth~itigkeit reicht nieht aus das durch die mangelhafte Dila- tation des Herzens gesetzte Deficit in der Circulation zu heben. Die Folge davon sind die bekannten Stauungserseheinungen im Venen- system, denen sich eine compensirende Hypertrophie des Herzens aus nahe liegenden Grtinden nieht hinzugesellt.

Dieses vorausgeschickt wtirden wir folgern, der inspiratoriseh aussetzende Pals mUsse immer dann erscheinen, wenn im Thorax eine aus irgend weleher Ursache gesetzte Verkleinerung des P u l - monalstrombettes sich mit einer Beeintr~ichtigung der Leistungsf~t- higkeit des Herzens verbindet (Compression desselben, Myoearditis~ Fettentartung).

In miissig ausgesprochenen Graden dieses pathologisehen Zu- standes wUrden wir weiterhin eine m~issig ausgesproehene inspira- torisehe Pulsintermission erwarten, d. h. eine erhebliche Verkleine- rung der inspiratorisehen Pulse, die gelegentlich fUr die Palpation ganz zu versehwinden s e h e i n e n : wir w U r d e n - noch w e i t e r - daher eben so gut bei hochgradigen pleuritischen Ergtissen unter den genannten obwaltenden Umst~nden ein volles Aussetzen des Pulses in der Inspiration erwarten dtirfen, wie wir umgekehrt bei pericardialen Ergtissen dasselbe nicht immer, hiiufiger vielleicht den exquisiten inspiratorisehen Abfall der Einzelpulse, wie der ganzen Pulseurve anzutreffen haben werden. Betrachten wir nunmehr die Curve Fig. 20, Tafel IV und Fig. 21, so haben wir in ihnen einen Beleg fUr das eben Auseinandergesetzte.

Die Curve Fig. 20, Tafel IV, die von einem Krankeu mit einem

1) Der im Thorax durch Exsudate im Pericard hervorgerufene positive Druck muss ja analog wirken wie der durch Exsudate in der Pleura bedingte. Der po- sitive Druck im Thorax hhngt aber yon der Menge des Exsudats, d.h. einem sehr variabeln Factor ab. Da in meinen FMlen der inspiratorisch aussetzende Puls ebenso exquisit war bei einem Erguss yon 1500 C.-Ctm., wie bei einem yon nur 600, so ergibt sieh yon selbst, dass bier noch andere Punkte in Betracht kommen mfissen.

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hoehgradigen linksseitigen pleuritisehen Exsudat 1) herrtihrt, zeigt deutlich, wie die inspiratorisehen Pulse gelegentlieh ganz zu ver- schwinden seheinen, w i i h r e n d - um dies h e r v o r z u h e b e n - die Herz- action fortging.

Die Curve Fig. 21, Tafel IV dagegen yon einem an einem peri- eardialen Exsudate erkrankten Knaben gezeichnet, zeigt, dass ge- legentlich der positive Druck im Thorax nur zu einer exquisiten inspiratorisehen Verkleinerunff der Pulse und zu einem Abfall des mittleren Blutdrueks fUhrt, der im Uebrigen, i. e. in der Exspiration, in der gentlgend langen oder verl~ngerten Inspiration u. s. w. sieh so verhiilt, wie w i r e s fiir die analogen Verh~ltnisse im I. Absehnitte dieses Theiles ansfUhrlieh besproehen haben. Dasselbe Verhalten war Ubrigens auch in den F~llen No. 3 und 4, wie der Status ergibt, zu constatiren gewesen, wenn nach Excitantien die Entfaltunff der Lungen eine freiere, die Athmung eine bessere und die Herzth~tig- keit cine kr~ftigere war.

Auf eine erhebliehe Betheiligung des tterzens ist auch die Er- scheinung zurUckzufUhren, dass bei - - h~ufiger vielleicht umfang- reicher - - acuten croupSsen Pneumonien gegen Ende derselben ein deutliches Aussetzen des Pulses trotz weitergehender Herzaction in tier Inspiration zu beobachten ist; es wcist diese Erscheinung bei- liiufig neben vielen anderefi darauf hin, dass schliesslich nieht der Grad der Verkleinerung der athmenden Oberfl~ehe es ist, nach dem die Gefahr bei der croup~sen Pneumonie allcin im einzelnen Falle zu bemessen ist, sondern auch der Zustand des Herzens, yon dessert Kraft es hicrbci abhiingt, ob dieselbe den gesetzten StrSmungshin- dernissen ausreichenden Widerstand zu leisten vermag oder nicht~ d. h. die ftir den erkrankten Organismus doppelt nothwendige nor- male Blutcirculation zu unterhalten im Stande ist oder in bedroh- lieher Weise gefiihrden liisst. Ich erwiihne dieses Verhalten, um daran zu erinnern, dass die gewissenhafte Beobachtung des Pulses und der Herzthi~tigkeit wie immer so auch in hervorragendem Maasse bei der Pneumonie mehr als gebriiuchlich nothwendig ist und zwar

1) Eine Besti~tigung dieser husft~hrung und der Beobachtung mfchte ich in der bereits citirten Arbeit Hope's erblicken; tibrigens ist hervorzuheben, dass die Pulsintermission wi~hrend der Inspiration in dem Falle H o p e's (Pleuritischer Erguss mit Pericarditis) yon ihm bereits 2 Jahre vor der u der Widem a n n'schen Dissertation constatirt und publicirt worden ist. Die yon H. versuchte Deutung der inspiratorischen Pulsintermission scheint indess zu com- 1)lieirt; ich glaube, dass die obige Erkli~rung auch ftir diesen Fall zutreffen warde.

2) Jtirgens en, Croup6se Pneumonie. v. Ziemssen's Handbuch d. spec. Pathol. u. Therap. 1S74.

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nicht nur in Absicht einer sicheren Prognose, sondern vieImehr in der einer rationellen Behandlungsweise. Mit vollem Reeht weist daher auch J U r g e n s e n auf die genaue Beobachtung des Pulses als sicherste FUhrerin ftir das tIandeln des Arztes b e i d e r genannten Er- krankung mit dem Satze bin: Sine pulsu nulla therapia.

Anhang (Casuistik).

:No. 1. H e r r M. ist ein mittelgrosser Mann (26 Jahre) yon im Gan- zen schwaehlichem Aussehen. Sein Thorax ist relativ lang, etwas un- regelmiissig in beiden Hiilften~ in den oberen Partien schmal und ziemlich fiach. An dem ziemlich langen Halse sind kcino Vcnen sichtbar. Die Clavikeln prominiren in ihren inneren Hi~lften sehr stark und zeigen sich hier und besonders an ihren Insertionstheilen an das Sternum verdickt; die ausseren Hitlften tier Clavikeln verlaufen schriiger als gewiihnlich nach bin- ten; am Uebergange der kniichernen Theile der Rippen in die knorpligen~ treten Verdickungen horror. Der Thorax ist elastisch und dehnt sich bei tiefen Inspirationen beiderseits recht gut aus.

Durch die physikalische Untersuchung sind Veranderungen in den Lungen nicht nachzuweisen.

Die Herzdampfung tiberschreitet die normalen Grenzen nicht und die Herztiino sind durchweg ziemlich laut und vollkommen rein zu hSren, sie zeigen wiihrend der Inspiration keine nennenswerthe Abschw~ichung; am nnteren Theile des Sternum sind sie in beiden Respirationsphasen entschie- den gleich. Herzstoss im V. Intercostalraum schwach sicht- und ftihlbar. Der Puts ist voll, resistent, ctwas eeler und intermittirend in der oben aus- geffihrten Weise.

Subjective Klagen bestehen keine. Auffallend ist ein eigenthtimliches schwachcyanotisches Aussehen der oberen Extremitiiten und namentlich tier l:Iande. Die tibrigen Organe erweisen sich durchweg als normal

:No. 2. F r a u D. G., 30 Jahre, ist eine mittelgrosse Frau in ziemlich gutem Erniihrungszustande. Sie klagt zeitweis fiber Husten und sp~trlichen Auswurf; Hals yon gewiihnlicher Li~nge ohne siehtbare Venen daselbst. Der Thorax erinnert sehr an den paralytischen; Clavikeln prominent, ziem- lich gerade verlaufend; die oberon und unteren Thoracalgruben etwas mehr als normal ausgepr~igt, die zum Theil sichtbaren Intercostalraume sind von gewShnlicher Breite, aber der Thorax ist relativ flach, dabei elastisch und bei tiefen Inspirationen, die ohne Hustenreiz erfolgen, sich durehaus gut ausdehnend, nur der linke obere Theil bleibt dabei etwas zurfick. In tier linken Lungenspitze bestehen die Zeichen eines nur miissig entwiekelten Katarrhs; deutliehe Zeichen der Infiltration sind nirgends vorhanden; im Larynx chronische katarrhalische Veranderungen der Schleimhaut oberhalb der Stimmbi~nder, diese selbst gleichfalls etwas schmutzig geriithet und ver- dickt, ohne Ulcerationen daselbst.

Herzdiimpfung normal, HerztSne laut und rein. Das Verhalten der letzteren, sowie des Pulses zur Respiration wie im vorigen Falle. Die iibrigen Organe (nur die Augen sind krank - - Conjunctivitis granulosa) erweisen sich als normal.

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Hervorgehoben set hier nocb, dass fiber beiden vorderen Thoraxseiten und namentlich rechts in der HShe des I. und zum Theil auch noch des II, Intercostalraumes ein systolisches, blasendes Geritusch zeitweis h6rbar ist. Dasselbe setzt, wie die genauere Untersuchung ergibt, mit Beginn der Inspiration ein, halt wahrend derselben an und verschwindet mit dem Ein- tritt der Exspiration. Nur bet sehr forcirten Inspirationen ist das Gerfiusch gar nicht wahrzunehmen. Ani~mische Ger~iusche sind nicht vorhanden.

:No. 3. F .B. , Speicherarbeiter, 35 Jahre (recip. 3. Mat) ist angeblich vor zwei Tagen, naehdem er bis dahin im Wesentlichen gesund gewesen ist, plStzlich unter Schtittelfrost mit Stechen auf der Brust, Husten u. s. w. erkrankt.

Mittelgrosser kraftig gebauter Mann, mit geringem Oedem an den unteren Extremit~iten. Temperatur erh6ht, Athemfrequenz vermehrt, Puls beschleunigt, voll und gespannt, Sensorium fret. Thorax exquisit inspira- torisch, bet der Athmung bleibt die rechte Seite zurtick. Die Perkussion ergibt rechts yon der Mamilla und hinten vom Angnlus scapulae abw~rts eine auch die entsprechende Axillarpartie einnehmende D~tmpfung. Im Be- reiche der Diimpfung Bronehialathmen, Crepitiren, verstiirkter Pectoralfre- mitus; im Uebrigen durehweg sehr lauter, etwas tympanitiseh klingender Lungensehall.

In der Herzgegend gleichfalls sehr yeller Lungenschall. Spitzenstoss weder sicht- noch ftihlbar. HerztSne leise, obne Ger~uscbe. Abdomen ohne nachweisbare Veranderung der in ihm gelegenen Organe. Urin spiir- Itch, saturirt~ ohne Eiwciss. Rostfarbenes Sputum (Ord. Kalte Abreibun- gen, Excitantia, Expectorantia).

5/5. Das Infiltrat hat an Umfang zugenommen, im Uebrigen wie zuvor. 6/5. Patient hat des kNachts etwas geschwitzt, ftihlt sich leichter. Das

Infiltrat hat indess zugenommen und es sind Schmerzen an der rechten vorderen Brustwand aufgetreten, die beim Perkutiren daselbst sich steigern.

7/5. Patient hat die Nacht leicht delirirend zugebracht, er klagt heute iiber Sehmerzen in der linken SeRe. Recbte Infiltrationsdiimpfung ist die- selbe geblieben. Links hinten in der HShe der Spina bis zum Angulus scapulae und mehr gegen die Wirbels~tule hin eine Dampfung mit schwa- ehem Bronchialathmen.

Sputum reiehlicher, weniger z~the, rostfarben. 8/5. Die Delirien haben zugenommen; Temperatur (40,0) und Puls-

frequenz (104) sind gestiegen, der Puls kleiner und weicher. 9/5. Patient ftihlt sieh gebessert; die Infiltrationsdiimpfung hat sich

aufgehellt ; reichlichere Rasselgerausche. Temp. 38,1, Puls 100. 10/5. Desgleichen. Temp. 37,7. Pu]s 82. 11/5. Unter schnell wachsender Dyspnoe, Steigerung der Temperatur

(39,2) und der Pulsfrequenz (106) entwickelte sich gestern Abend ein mehrere Stunden anhaltender hSehst bedrohlicher Collaps (Therap. Cam- phora mit Benzoe, Wein).

Heutiges Befinden etwas besser. Die Resolution schreitet sehrlangsam fort. 15/5. Der Collaps hat sich gestern Abend unter starkem Sehweiss

wiederholt, die Dyspnoe hat zugenommen. Schon am gestrigen Morgen fiel auf, dass der Puls an siimmtlichen Arterien zu Ende der Inspiration auffallend klein war, wfihrend des Collapses schien er in der Inspiration

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vollstiindig zu fehlen. Wiihrend der Pulsintermission ging jedoeh die Herz- action regelmassig welter; nur waren die in die Inspiration fallenden Herz- t(ine deutlich sehw~tcher, tIeute das gleiohe Verhalten des PuRses. Die In- filtrationsdampfung ist aufgehellt. In der Herzgegend naeh wie vor sehr voller etwas tympanitiseh klingender Lungensehall, Sehmerzen daselbst be- stehen noeb. Qu~ilender Husten.

Temp. 12/5. 38,4--38,9; 13/5. 37,3--38,5; 14/5. 37,1--38,7; Pals 96--100 92--100 92--100

15/5. 37,2--38,4 104--100

18/5. Keine Besserung, Pals zeitweis inspiratoriseh sehr klein. Tem- peratar geht allm~thlieh herunter.

23/5. Die Collapsanf~tlle haben sieh allabendlieh unter Auftreten yon Sehweiss wiederholt. Der Kranke sieht sehr an~tmiseh aus. Herzd~tmpfung nieht naehweisbar. Die Auscultation des Herzens ist wegen der lauten Athem- und Rasselger~tusehe in den Lungen ausserordcntlieh ersehwert. Doeh ist seit mehreren Tagen Folgendes zu eonstatiren: w~thrend der Inspiration sind die Herzt0ne kaum h0rbar, in der zweiten H~.lfte der Exspiration treten sic dentlieh hervor. V o n d e r Mitte der Exspiration bis zu ihrem Ende sind 3- -4 in ihrer Intensit~tt abnehmende TOne zu hOren, im iibrigen Theile der Respiration erseheinen die Herzt0ne als mehr dumpfe, kurze Auseul- tationsph~tnomcne nur angedeutet. Der Pals seit den letzten Tagen in der Inspiration vollst~tndig aussetzend. Bei genauerer Priifung zeigt sieh, dass ebenso wie in der zweiten H~tlfte der Exspiration die Herztt~ne laut hervor- treten und gegen Ende der Exspiration sehw~teher werden, dcr Puls in derselben Zeit pl~tzlieh hervorzusehnellen seheint, worauf 2 - -3 deutliehe, aber kleiner werdende Pulse folgen.

24/5. Der Pals wie gestern, abet w~thrend sonst 3 - - 4 an H0he ab- nehmende Pulse in der Exspiration auftraten, ersehienen jetzt nur zwei, ein st~trkerer und ein sehw~cherer, ihnen folgend eine Pause. Man hat daher bei der Palpation der Arterie zun~tehst den Eindruek eines bestehenden Pulsus alternans und zwar so, dass dem kleineren Pulse eine lunge Pause folgt~ die bei oberfl~tehlieher Betraehtung in die Exspiration, bei genauerer dagegen in die In- und in den ersten Theil der Exspiration f~llt. Der Pulspause entspreehen am Herzen die bereits genannten, sehr sehwaehen, nur mit Mahe h~rbaren dumpfen TOne. Fortsehreitende Versehleehterung; Oedeme nehmen zu.

25/5. Exitus letalis. Der Pals hat bis zu Ende des Lebens seine veto gestrigen Tage notirte Eigenschaft behalten.

S e e t i o n s b e f u n d : Beim ErSffnen der Thoraxhi/hle liegt der Herz- beutel in grosser Ausdehnung vor. Die reehte Lunge ist locker mit dem- selben verwachsen. Das mediastinale Zellgewebe ist m~issig fetthaltig, sonst ohne Abnormitiiten. Herzbeutel fluctuirend, reieht bis 5" yon der Mittel- linie nach aussen und links. Aus dem an einer Stelle er0ffneten Perieard quillt reichlieh grtinlieh-gelbe, eitrige Flllssigkeit hervor. Es werden aus der Pericardialh0hle an 600 Grin. von rahmig-eitrigcr Fltissigkeit entlecrt. Die beiden Pericardialbl~ttter sind am Conus arteriosus der Arteria pulmo- nalis and weiter hinauf liings der grossen Gefiisse dureh zahe, breite,

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fibrinSsc Ri~ndcr verklebt. (Dass diese Vcrklebung, die mit Leichtigkeit zu liiscn war, nicht als die Gefasse umschntirender und sie abknickender 8trang gewirkt haben kann, liegt zu sehr auf der Hand~ als dass es nSthig sehicne, darauf noeh besonders einzugehen.) Entsprechend dem linken Vorhof sind bcide Pericardialbliitter durch zusammcnhi~ngcnde Schwarten unter einander vcrwachsen. Die fibrinSsen Schwarten erstrecken sieh auf die hinteren Flachen der beiden VorhSfe.

Bet der Herausnahme des Herzens zeigt sich dassclbe, sowie Aorta und Pulmonalis mit zottigen fibrin(is-eitrigcn Massen bedcckt, Herzfleisch sehr blass und gelb verfiirbt; an den Klappen und an den grossen Ge- fiissen nichts Abnormes.

In den Lungen Zeichen mangelhaft zuriickgebildeter Pneumonie an den in vita durch die Dampfung genaucr bezeichneten Stellen. Milz etwas vergrSssert; Leber zeigt deutliche Muscatnusszeiehnung. :Nieren stark venSs hypcritmisch, Darm normal.

:No. 4. E. S., Sehutzmann, 36 Jahre, angeblich stets gesund, hat na- mentlich keinen Gelcnkrheumatismus zu tiberstehen gehabt. Vor 14 Tagen erkrankt mit Oedemen der KnSchelgegend, vor 10 Tagen sind Athembe- schwerden aufgetreten, die Tag und :Nacht anhalten und dem Kranken den Schlaf rauben. Vor 3 - -4 Tageu haben sich Beklemmungen, ,Angst- schweiss" Husten und Herzklopfen hinzugesellt.

Recil~ 8. Mat 1877. Sehr grosser und sehr ktiiftig gcbauter Mann mit einem reichlichen Panniculus adiposus. Geringes 0edem dcr Unter- schenkel bis zum Knie. Hochgradige Cyanose des Gesichts, objective und subjective Dyspnoe. Unregelmiissiger Puls. Hals kurz. Thorax stark in- spiratorisch, dehnt sieh nur mangelhaft aus, er ist starr, die Athmung vor- wiegend abdominal. Die Intercostalritume eng, mit reichlichem Fettpolster daselbst, so dass sie schwer zu palpiren stud. Die Perkussion des Thorax ergibt rechts normalen Lungenschall bis in den V. Intercostalraum, links bis unterhalb der zweiten Rippe; hinten durchweg normaler Lungenschall mit rauhcm vcsicularem In- , unbestimmterem Exspirium, mit spii.rlichen klanglosen Rasselgeriiuschen. Dasselbe vorne. Herzdiimpfung unregelmiissig und stark vergrSssert~ in ihrer ganzen Ausdehnung sehr intensiv ausge- sprochen. Sie beginnt links unterhalb der zweiten Rippe etwa 2" yore 1. Sternalrand entfernt, zieht sich liings des Sternum bis fast zum Angu[us Ludoviei hinauf, geht nach rechts bis zum rechten Sternah'and, naeh links circa 3 Ctm. jenseits der Mamill% nach uuten nicht abgrenzbar. Spitzen- sioss weder sicht- noch fUhlbar. Die HerztOne durehweg rein, aber sehr leise, wie aus einer grossen Entfernuug kommend. In der Herzgegend be- steht spontan Sehmerzhaftigkeit, die bet der Perkussion sich steigert, Fre- missements nicht vorhanden.

In der Inspiration werden die HerztSne kaum noch gehOrt, mit der Exspiration werden sie plStzlich lauter, mit dem Fortgehen der Exspiration nehmen sic jedoch an Intensivit~it ab. Vergleichen wir hiermit den Puls an den Cubitales, an den Radiales ist nichts vom Pulse zu ftihlen, so er- kennt man, dass in der Inspiration der Puls verschwindet, mit Beginn der Exspiration abet pl~tzlich hervortritt; tier erste in der Exspiration ersehei- nende Puls ist relativ voll und kr~tftig, dann folgen circa zwei an V~tle resp. HOhe abnehmende Erhebungen der Arterie. Zuweilen erscheinen in

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der Exspiration nunmehr undulirende~ keine rein pulsirende Bewegungen in der Arterie, in der Inspiration niehts; sin anderes Mal dagegen erseheint aueh schon zu Ends der Inspiration sin ffihlbarer Puls; der aber erheblieh kleiner ist als der niiehste in den Beginn der Exspiration fallende. Diese Veranderungen des Pulses beobachtet man bet der dem Kranken zur Zeit eigenen Respirationsfrequenz yon circa 30 p. Min.; liisst man den Kranken langsamer ein- und ausathmen, so treten pl6tzlich aueh in der Inspiration deutliche Pulse hervor, obsehon sie im Beginn derselben nach wie vor ge- fehlt hatten. Dis Pulse werden dann mit zunehmender Inspiration kr~iftiger, wahrend sis in der darauf folgenden Exspiration allm~thlich abnehmen. Der Kranke kann indess besser die Inspiration verlangern~ als die Exspiration. Es tritt jedenfalls unter dem Einfluss der verlangsamten Respiration eine erhebliche Vermehrung der fiihlbaren Pulse auf. Was far die Aa. cubi- tales gilt~ gilt aueh fiir die Aa. carotides; die ]?emorales sind nicht deut- Itch zu palpiren. Zu betonen ist, dass 1. bet langsamer Respiration auch am Herzen die den inspiratorischen Arterienpulsen entspreehenden Herz- tSne gehSrt werden, und dass 2. die gewShnliehe Respiration des Kranken eine durchaus oberflliehliche ist.

Abdomen aufgetrieben, Leber vergrSssert, Urin stark vermindert ohne Eiweiss u. s.w. Ord.: Digital.

19/5. Patient ftihlt sieh erheblich erleiehtert, er geht im Zimmer umber und wiinseht die Klinik zu verlassen. Der perkutorisehe und auscultato- rische Befund am Herzen ist vollsti~ndig derselbe wie zuvor, aber der Puls ist etwas kraftiger, auch an der Radialis deutlich ftihlbar; die inspiratori- sehe Intermission ist nieht mehr zu constatiren, nur die gewfhnlichen re- spiratorisehen Sehwankungen der Arterie sind schon durch die PalPation sehr deutlich zu erkennen. Die Diurese hat sich gehoben, Appetit und Sehlaf sind gut.

23/5. Patient ist heute wieder in die Klinik unter denselben Be- sehwerden, wie am S. dieses Monats aufgenommen worden; der Puls zeigt wieder ein regelmassiges Aussetzen in der Inspiration und er ist an den Aa. radiales eben nur noeh mit Miihe fiihlbar; im Uebrigen Status idem.

2615. Cyanose des Gesiehts und Oedeme der unteren Extremitaten haben zugenommen~ geringer Aseites, linksseitiger Hydrothorax. Grosse Unruhe; der Kranke bringt die :Naehte sehlaflos im Lehnstuhl sitzend zu.

In der linken Axillarlinie ftlhlt man einen wie aus der Entfernung kommenden Herzstoss; dort sind auch die HerztSne relativ deutlieher zu hSren; einen Wechsel in tier Intensitat derselben wKhrend der I n - und E x s p i r a t i o n kann man h i e r n i e h t e o n s t a t i r e n .

28/5. Keine Besserung; die Oedeme waehsen. Die heute vorgenom- mene Punktion des Abdomens ist yon keinem Erfolg, aus der Stiehiiffnung siekert fortw~hrend Fltissigkeit hervor.

30/5. Patient trinkt oft Sect und ftihlt sieh darnaeh etwas leichter, aber der Zustand bleibt fortdauernd ein kliiglicher. Der Puls ist heute in der Inspiration an der A. cubitalis andeutungsweise fiihlbar.

31/5. Mit zwei Bock'sehen Kanfilen werden aus den Unterextremitaten 600 C.-Ctm. Fltissigkeit entleert. Befund am Herzen und am Pulse wie am Tage der Aufnahme. Allgemeinbefinden sehleeht.

12/6. Eine Besserung ist nicht zu verzeichnen. Voriibergehend gelingt

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Wirkung des ver~nderten Luftdrucks in den Lungen. 193

es dem Kranken durch Hautreize und Sect flit Stunden eine geringe Er- leichterung zu verschaffen, dann is t auch der Puls yeller an der Radialis zu fiihlen und in der Inspiration nieht vollsti~ndig intermittirend. Hals- venen sind jetzt als blaue Strange sichtbar~ o h n e d a s s v o n d e m Ge- w i i h n l i c h e n a b w e i c h e n d e B e w e g u n g e n an i h n e n a u f f a l l e n .

14/6. Fortschreitender Collaps. Obnubilatio sensorii; hiiufig auftre- tend dyspnoetische Anfiille. Vollstandige inspiratorische Pulsintermission.

15/6. Morgens Status idem; Blutextravasate an den Extremit~tten. Die Erseheinungen am Herzen und am Pulse wie Tags zuvor. Abends Exi- tus letalis.

S e e t i o n s b e f u n d : Naeh Abtragung des Sternum zeigt sieh das Pe- rieard als wall geftillter, fluetuirender Sack in grosser Ausdehnung frei liegend; der vordere Rand der linken Lunge bis zur Axillarlinie zurtick- gedriingt, der der rechten Lunge bis zur Mittellinie reichend. In den Pleura- h6hlen tin reichlicher, gelbgefarbter klarer Erguss, die Lunge auf dem- selben schwimmend.

Aus dem er0ffneten Pericard dntieert sich eine Fltissigkeit von fast reinem blutigen Aussehen im Betrage yon reichlich 1500 C.-Ctm. Naeh Entleerung derselben zeigt sich die Herzspitze des visceralen Blattes mit zottigen sehmutzig-rSthlichen, grauen Faserstoffmassen bedeckt, welche zum Thei[ nur einen diinnen Anflug bilden, zum Theil eine Dicke von einigen Linien erreichen. Die Herzmuskelsubstanz sehr schlaff. Liinge des Herzens an der hinteren Fli~che gemessen, yon Basis bis Spitze 16 Ctm. Die LUnge des Ventricularkegels 11 Ctm., die Breite des Sulcus transversus 12 Ctm. Der Inha|t der HerzhShlen fast nut aus fitissigem Blur bestehend und nur einzelne speckh~tutige Gerinnsel. Die Muskelsubstanz auf dem Durchsehnitt yon etwas blasser getriibter Beschaffenheit. Die Wandungen der Ventrikel yon normaler Dicke. Die Herzklappen yon normaler Beschaffenheit, aueh die Aorta und die Pulmonalis zeigen keine Veranderung in ihrer Wand.

In der rechten Lunge einige fl'isch pneumonische Herde; Milz ver- gr~issert, 16 Ctm. lang', 8 Ctm. breit, 4 Ctm. tier. Parenchym der Nieren normal. Magen und Darm normal. Leber mit den Zeiehen der Verfettung.

(Fortsetzung folgt.~

Arch. iv fiir experiment. Puthologie u, Pharmakologie. XI[. Bd. 13

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