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Differenzierung zwischen axonaler und demyelinisierender Schädigung bei Patienten mit Multipler Sklerose durch Untersuchung der hochfrequenten SEP- Komponenten nach Medianus-Stimulation Von der Medizinischen Fakultät der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen zur Erlangung des akademischen Grades eines Doktors der Medizin genehmigte Dissertation vorgelegt von Anne Dieckhöfer aus Dortmund Berichter: Herr Professor Dr. med Helmut Buchner Herr Universitätsprofessor Dr. med Joachim M. Gilsbach Tag der mündlichen Prüfung: 03. Dezember 2002 Diese Dissertation ist auf den Internetseiten der Hochschulbibliothek online verfügbar.

Differenzierung zwischen axonaler und demyelinisierender ... · Körperhälfte im lateral gelegenen Fasciculus cuneatus. Der Tractus spinobulbaris endet in den Hinterstrangkernen

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Differenzierung zwischen axonaler und demyelinisierender Schädigung bei

Patienten mit Multipler Sklerose durch Untersuchung der hochfrequenten SEP-

Komponenten nach Medianus-Stimulation

Von der Medizinischen Fakultät der Rheinisch-Westfälischen Technischen

Hochschule Aachen zur Erlangung des akademischen Grades eines Doktors der

Medizin genehmigte Dissertation

vorgelegt von

Anne Dieckhöfer

aus Dortmund

Berichter: Herr Professor Dr. med Helmut Buchner

Herr Universitätsprofessor Dr. med Joachim M. Gilsbach

Tag der mündlichen Prüfung: 03. Dezember 2002

Diese Dissertation ist auf den Internetseiten der Hochschulbibliothek online

verfügbar.

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Inhalt

1. Einleitung Seite 4

2. Theoretische 2.1 Das somatosensible System 7

Grundlagen 2.1.1 Das lemniskale System 7

2.1.2 Das unspezifische Vorderseitenstrangsystem 8

2.2 Enstehungsmechanismen evozierter Potentiale 9

2.2.1 Elektrische Erregung von Nervenzellen und Impulsleitung 9

2.2.2 Ableitung neural generierter Potentiale 10

2.2.3 Ursprungsorte somatosensibel evozierter Potentiale

bei Stimulation der N. medianus 11

2.2.3.1 Subkortikale Potentiale 12

2.2.3.2 Kortikale Potentiale 12

2.3 Hochfrequente SEP-Anteile (600 Hz) 13

2.4 Multiple Sklerose 17

2.4.1 Pathophysiologie der gestörten Erregungsleitung 17

2.4.1.1 Elektrophysiologie der intakten Nervenfaser 17

2.4.1.2 Elektrophysiologie der demyelinisierten Nervenfaser 18

2.4.1.3 Gestörte Erregungsleitung bei axonalem Schaden 19

2.4.2 Somatosensibel evozierte Potentiale bei Multipler Sklerose 20

2.4.2.1 Niederfrequente SEP-Komponenten bei Multipler Sklerose 20

2.4.2.2 Hochfrequente SEP-Komponenten bei Multipler Sklerose 21

3. Methodik 3.1 Versuchspersonen 22

3.1.1 Kontrollgruppe 22

3.1.2 Patienten 22

3.2 Meßmethodik 23

3.2.1 Meßapparatur 23

3.2.2 Stimulationsparameter 24

3.2.3 Ableiteparameter 26

3.2.4 Äußere und innere Untersuchungsbedingungen 27

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3.3 Auswertmethodik 28

3.3.1 Digitale Bearbeitung der Originaldaten 28

3.3.1.1 Filtereinstellungen 28

3.3.1.2 Darstellung der gefilterten Daten 29

3.3.2 Datenanalyse 30

3.3.2.1 Kontrollgruppe 30

3.3.2.2 Patientengruppe 30

4. Ergebnisse 4.1 Ergebnisse der Kontrollgruppe 32

4.2 Ergebnisse der Patientengruppe 33

4.2.1 Niederfrequente SEP-Komponenten 33

4.2.2 Hochfrequente SEP-Komponenten 33

4.2.3 Gruppierung der Patienten 34

5. Diskussion 39

6. Zusammenfassung 46

7. Literaturverzeichnis 47

8. Tabellen 55

Danksagung 61

Lebenslauf 62

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1. Einleitung

Evozierte Potentiale entsprechen der elektrischen Aktivität neuronaler Strukturen im

Zentralnervensystem, ausgelöst durch einen modalitätsspezifischen Reiz. Im Falle

somatosensibel evozierter Potentiale erfolgt die Reizgebung meist durch elektrische Stimulation

der sensiblen Fasern eines peripheren Nerven. Die Messung dieser neuralen Aktivität an der

Körperoberfläche gelingt, wenn eine ausreichend große Anzahl von Reizantworten aufsummiert

werden kann (Dawson 1954).

Durch die Ableitung somatosensibler Potentiale kann die stimulierte Leitungsbahn und ihre

Umschaltstationen auf nicht-invasive Weise untersucht werden. Diese umfaßt bei Reizung des

N. medianus den peripheren Nerven, das Hinterhorn, die Hinterstränge, den Ncl. cuneatus, den

Lemniskus medialis, den Thalamus, thalamokortikale Projektionsbahnen und den primären

sensiblen Kortex im Gyrus postcentralis.

Die somatosensibel evozierten Potentiale übernehmen eine wichtige Funktion in der Diagnostik

der Multiplen Sklerose. Bei dieser Erkrankung kommt es vornehmlich zu Demyelinisierungen aber

auch zum Verlust von Axonen des Zentralnervensystems (Lassmann 1997). Ein Impuls wird in

einer demyelinisierten Nervenfaser langsamer fortgeleitet als in einer Nervenfaser mit intakter

Myelinschicht, da diese als elektrische Isolation wirkt. In einem Bündel parallel angeordneter

Nervenfasern sind nicht alle in gleichem Ausmaß von der Demyelinisierung betroffen, so daß es

zu einem Verlust der Synchronisation und zu einer zeitlichen Dispersion der Impulsfortleitung

kommt. Bei Multipler Sklerose treten aufgund der Störung der Impulsfortleitung im

Zentralnervensystem Latenzverlängerungen und Amplitudenminderungen der evozierten

Potentiale auf.

In verschiedenen Studien ist die Häufigkeit pathologischer Veränderungen der somatosensibel

evozierten Potentiale nach Stimulation des N. medianus bei Multipler Sklerose untersucht

worden (u. a. Trojaborg und Petersen 1979, Matthews und Small 1979), deren Ergebnisse

Chiappa (1990) zusammengefaßt hat: bei Patienten ohne Sensibilitätsstörung fanden sich in

42% pathologische SEP, bei Patienten mit Sensibilitätsstörung in 75%.

In der klinischen Routinediagnostik werden die evozierten Potentiale meist mit großer

Frequenzbandbreite zum Beispiel von 1 Hz bis 3000 Hz aufgezeichnet.

In verschiedenen Studien, in denen die SEP-Reizantworten mit einem digitalen Hochpassfilter

(oberhalb 300Hz) nachgefiltert wurden (Eisen et al. 1984, Green et al. 1986, Emerson et al.

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1988, Yamada et al. 1988, Emori et al. 1991, Gobbelé et al 1998), wurde die Existenz eines

oszillatorischen hochfrequenten, aber niedrigamplitudigen bursts nachgewiesen, der sich im

selben Zeitfenster wie der aufsteigende Schenkel der parietalen SEP-Komponente N20 befindet.

Der Hauptanteil dieser hochfrequenten Aktivität liegt in einem Frequenzbereich um 600 Hz.

Eine vergleichbare Aktivität wurde auch mit magnetenzephalographischen Meßmethoden

gefunden (Curio et al. 1993, 1994a,b, 1995, Hashimoto et al. 1996). Die Generatorstruktur dieser

hochfrequenten Aktivität wird noch diskutiert, von Gobbelé et al. (1998) wird sie in tiefe und

oberflächliche thalamokortikale Projektionsfasern lokalisiert, Hashimoto (1996) postuliert eine

Entstehung in inhibitorischen Interneuronen des somatosensorischen Kortex.

Zwischen hochfrequenter SEP-Aktivität und der höheramplitudigen niederfrequenten Aktivität

besteht eine funktionelle Dissoziation. Der hochfrequente 600Hz-burst zeigt eine Verminderung

seiner Amplitude im Schlaf, während die mit großer Frequenzbandbreite registrierten Potentiale

keine Veränderung zeigen (Emerson et al. 1988, Yamada et al. 1988, Hashimoto et al. 1996,

Halboni et al. 2000). Des weiteren bestehen zwischen N20 und hochfrequenten SEP-Anteilen

ein unterschiedliches Verhalten bei steigenden Stimulus-Intensitäten (Klostermann et al. 1998)

und bei steigenden Stimulus-Frequenzen (Klostermann et al. 1999, Gobbelé et al. 2000). Bei

interferierender Stimulation fanden Hashimoto et al. (1999) eine entgegengesetzte Modulation

der Reizantwort von N20 und 600Hz-Aktivität. Diese funktionellen Dissoziationen weisen auf

unterschiedliche Generatorstukturen von hochfrequenter und niederfrequenter SEP-Aktivität

hin.

In einer explorativen Studie, die hochfrequente SEP-Komponenten bei Multipler Sklerose

betrachtet (Rossini et al. 1985), wurde untersucht, ob bei Multiple-Sklerose-Patienten dieselbe

hochfrequente Aktivität im Zeitfenster der P27 (vergleichbar N20 nach Medianusstimulation)

nach Stimulation des N. peronaeus auftritt wie bei gesunden Probanden. Es fand sich bei

Patienten mit latenzverzögerter P27 keine hochfrequente Aktivität. Bei einem Patienten mit

normaler P27 konnte keine hochfrequente Aktivität dargestellt werden, bei einem weiteren war

die Latenz zwischen den einzelnen hochfrequenten Wellen verlängert. Erklärt werden kann

dieses Phänomen nach Rossini et al. mit dem Verlust der Synchronizität der Impulsleitung bei

Multipler Sklerose, die für das Entstehen der hochfrequenten, aber niedrigamplitudigen 600Hz-

Aktivität notwendig ist. Der Verlust der 600Hz-Aktivität könne somit ein früheres Zeichen für

eine Demyelinisierung im somatosensiblen System sein als die Latenzverzögerung der kortikalen

Primärantwort.

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Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich systematisch mit hochfrequenten SEP-Anteilen nach

Stimulation des N. medianus bei Patienten mit gesicherter Multipler Sklerose und untersucht

deren Korrelation mit Veränderungen der primären kortikalen Reizantwort N20. Dafür wurden

die zunächst mit großer Frequenzbandbreite registrierten kortikalen Reizantworten digital in

einem Bereich von 450 bis 800 Hz gefiltert.

Basierend auf der Arbeit von Rossini et al. (1985) wurde auch nach Stimulation des N. medianus

bei Latenzverzögerung der primären kortikalen Reizantwort N20 ein Verlust der hochfrequenten

Aktivität erwartet.

Als Hinweis auf die höhere Empfindlichkeit der hochfrequenten Komponenten gegenüber

zeitlicher Dispersion der Impulsfortleitung, die als Folge der Demyelinisierung entsteht, wurden

als Ausgangshypothese Befunde mit einer N20 ohne pathologische Veränderungen

angenommen, jedoch mit in ihrer Amplitude geminderter bzw. erloschener 600Hz-Aktivität.

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2. Theoretische Grundlagen

2.1 Das somatosensible System

Die Ableitung somatosensibel evozierter Potentiale stellt eine objektive Funktionsprüfung des

somatosensiblen Systems dar, dessen anatomische und physiologische Grundlagen im Folgenden

kurz besprochen werden. Die Ausführungen basieren im Wesentlichen auf anatomischen,

neurologisch-topischen, physiologischen und elektrophysiologischen Lehr- und

Übersichtswerken (Schiebler 1995, Duus 1990, Schmidt und Thews 1995, Stöhr 1989).

Das somatosensible System ist funktionell in zwei Anteile gegliedert, das spezifische (lemniskale)

System, welches assoziiert ist mit der Mechanorezeption der Haut und der Propriozeption, und

das unspezifische somatosensible System, assoziiert mit Thermo- und Nozizeption.

2.1.1 Das lemniskale System

Charakterisiert wird dieses System durch eine schnelle (Fasertyp Aα, Aβ, Aγ ),

modalitätsspezifische und exakt somatotopische Projektion in Thalamus und Kortex.

Anatomisch umfaßt es die Hinterstränge samt zuführender Afferenzen, die Hinterstrangkerne,

den medialen Lemniskus, den ventrobasalen Thalamuskern, den Tractus thalamocorticalis und

den somatosensorischen Kortex. Außerdem gehören hierzu der Tractus neospinothalamicus als

Teil des Vorderseitenstranges und der Tractus spinocervicalis (Albe-Fessard 1967).

Die Perikarya des 1. Neuron des lemniskalen Systems liegen in den Spinalganglien, deren

zentrale Fortsätze das Rückenmark über das mediale Bündel der Hinterwurzel erreichen. Nach

Abgabe von Kollateralen in die graue Substanz bilden diese Fasern den Tractus spinobulbaris, die

Fasern aus der unteren Körperhälfte im medial gelegenen Fasciculus gracilis, die aus der oberen

Körperhälfte im lateral gelegenen Fasciculus cuneatus.

Der Tractus spinobulbaris endet in den Hinterstrangkernen Ncl. gracilis und Ncl. cuneatus, hier

befindet sich das zweite Neuron des lemniskalen Systems. Beide sind in sich somatotopisch

gegliedert.

Die Axone des zweiten Neurons bilden den Tractus bulbothalamicus, der im Lemniskus medialis

auf die kontralaterale Seite kreuzt. In der Medulla oblongata schließen sich die Fasern des

Tractus neospinothalamicus dem Lemniskus medialis an.

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Der Tractus bulbothalamicus endet im thalamischen Nucleus ventralis posterolateralis, am 3.

Neuron des lemniskalen Systems. Dieses Kerngebiet gehört zum venterobasalen Thalamuskern,

zu dessen Nucleus ventralis posteromedialis die entsprechenden Axone aus den

Trigeminuskernen projizieren. Auch in diesem Kern bleibt die somatotopische Gliederung

erhalten.

Als Tractus thalamocorticalis ziehen die Axone des 3. Neurons zum primären

somatosensorischen Kortex.

Die thalamokortikale Projektion endet teilweise direkt an Pyramidenzellen, teilweise an Typ-7-

Neuronen, die ihrerseits auf Pyramidenzellen projizieren (Jones und Powell 1973, Jones 1975).

Diese werden als Generatoren der kortikalen Reizantwort angesehen (Allison 1991).

2.1.2 Das unspezifische Vorderseitenstrangsystem

Dieses System ist charakterisiert durch eine langsame Impulsleitung (Fasertyp C, Aδ) und durch

eine diffuse kortikale Projektion, die Somatotopie ist in diesem System nicht gewahrt. Es

umfaßt anatomisch Teile des Vorderseitenstranges, Teile der Formatio reticularis, einige mediale

Thalamuskerne und deren kortikale Projektionsgebiete.

Die zuführenden Afferenzen, deren Perikarya in den Spinalganglien liegen, treten nach Abgabe

von Kollateralen in synaptischen Kontakt mit Neuronen des Hinterhorns, die als 2. Neuron nach

Kreuzung durch die Commissura alba des gleichen oder benachbarten Segments den Tractus

spinothalamicus und den Tractus spinoreticularis im Vorderseitenstrang bilden.

Der Tractus spinoreticularis bildet eine polysynaptische Kette. Die Impulse gelangen über die

Formatio reticularis und über intralaminäre Thalamuskerne schließlich breit gestreut in den

Kortex.

Der Tractus spinothalamicus bildet im Hirnstamm den Lemniskus spinalis, der sich in der Pons

dem Lemniskus medialis anlagert und den Nucleus ventralis posterolateralis im Thalamus

erreicht. Das 3. Neuron projiziert über den Tractus thalamocorticalis in den Gyrus postcentralis

des Parietallappens.

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2.2 Entstehungsmechanismen evozierter Potentiale

2.2.1 Elektrische Erregung von Nervenzellen und Impulsleitung

Die Ableitung evozierter Potentiale basiert auf der elektrischen Erregung von Neuronen, deren

Entstehungsmechanismen kurz erläutert werden. Eine detailierte Darstellung findet sich in

Schmidt und Thews, 1995 und Stöhr, 1989.

Das Ruhemembranpotential von Nervenzellen liegt bei –100mV bis –70mV, innen negativ relativ

zur Außenlösung. Es wird aufrechterhalten durch ein Ungleichgewicht positiver und negativer

Ladungen dies- und jenseits der Membran. Dieses kommt zustande durch

Permeabilitätsunterschiede über die Membran für die verschiedenen Ionen.

Die Fortleitung von Information geschieht frequenzkodiert in Form von Aktionspotentialen,

wobei sich das Membranpotential durch Permeabilitätsänderungen (schneller Natrium-Einstrom

= Depolarisation) zu positiven Werten verschiebt. Nach Ablauf des Aktionspotentials

repolarisiert das Neuron selbstständig zum Ruhemembranpotential.

Physiologische Stimuli für die Auslösung eines Aktionspotentials sind die Reizung eines

Rezeptororgans und die synaptische Erregung eines Neurons durch ein anderes. Bei der Messung

somatosensibel evozierter Potentiale werden die Neurone direkt durch einen elektrischen

Stimulator erregt, unter dessen Kathode sie depolarisieren.

Das Aktionspotential wird fortgeleitet, indem die davorliegende Membranstelle elektrotonisch

depolarisiert wird, bis nach Erreichen der Schwelle ein weiteres Aktionspotential ausgelöst wird.

An markhaltigen Nerven wird die Erregungsausbreitung durch den erhöhten

Membranwiderstand in den Internodien beschleunigt. Hier erfolgt die elektrotonische

Ausbreitung verlustlos und die Erregung wird saltatorisch zwischen den Ranvierschen

Schnürringen fortgeleitet.

Einen wichtigen Teil der Impulsweiterleitung leisten die Synapsen zwischen den einzelnen

Neuronen. Durch präsynaptische Ausschüttung eines Neurotransmitters wird die Permeabilität

an der postsynaptischen Membran verändert. Dies geschieht entweder im Sinne einer

Depolarisierung bis zum Erreichen der Schwelle für die Auslösung eines Aktionspotentials

(exzitatorisches postsynaptisches Potential EPSP, z. B. durch den Neurotransmitter Acetylcholin)

oder im Sinne einer Hyperpolarisation (inhibitorisches postsynaptisches Potential IPSP, z. B.

durch γ-Aminobuttersäure).

Eine weitere Funktion übernehmen die Synapsen bei der Filterung antidrom laufender

Erregungen, die hier nicht weitergeleitet werden.

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2.2.2 Ableitung neural generierter Potentiale

Neural generierte Potentiale werden mit Hilfe zweier Elektroden, von denen eine als aktive

Elektrode, die andere als Referenzelektrode dient, aufgezeichnet. Dabei müssen spinale und

zerebrale Potentiale in Verbindung mit Eigenschaften des Potentialfeldes im konduktiven

Medium, dem Volumenleiter, gesehen werden.

Die Änderungen des extrazellulären Potentials können entweder durch synchronisierte

Aktionspotentialsalven in Nerven oder zentralen Leitungsbahnen (Lorente de No 1947) oder

durch postsynaptische Potentiale in gerichteten Dendriten (Eccles 1951) hervorgerufen werden.

Laut Desmedt (1988) kann eine Erregungswelle in einem Trakt parallel angeordneter

Nervenfasern einem sich in einem Volumenleiter fortpflanzenden Dipol gleichgesetzt werden.

Dies entspricht dem open-field- System gemäß Lorente de No (1947), das im Volumenleiter in

einiger Entfernung ein kohärentes elektrisches Feld erzeugt.

Bei der sog. near-field-Registrierung wird die aktive Elektrode nahe einem Axon plaziert. Daher

registriert sie zunächst eine extrazelluläre Positivität, die durch den auswärts gerichteten

Stomfluß in Verbindung mit lokalen Strömen hervorgerufen wird, die ihrerseits durch die

Membrandepolarisation des sich von distal her fortpflanzenden Aktionspotentials erzeugt

werden.

Erreicht das Aktionspotential den Bereich unter der Aufnahmeelektrode, wird diese Vorfeld-

Positivität gefolgt von einer breiten Negativität, bedingt durch den nach innen gerichteten

Natriumfluß über die axonale Membran.

Nachdem sich das Aktionspotential weiter fortgepflanzt hat, zeigt sich die Repolarisation unter

der aktiven Elektrode in einer weiteren Positivität. So resultiert eine triphasische Wellenform.

Wird die aktive Elektrode jenseits des Endes eines Axons plaziert, was der far-field-Registrierung

von evozierten Potentialen entspricht, so wird ein monophasisches positives Potential registriert,

welches durch lokale, der Membrandepolarisation vorausgehende Ströme hervorgerufen wird. Es

folgt keine Negativität, da das Aktionspotential die Elektrode nie erreicht. Dies ähnelt dem

sogenannten „killed-end“ Potential nach Patton (1965) (Desmedt 1984).

Die obigen Erläuterungen zur Ableitung neural generierter Potentiale gelten nicht nur für

einzelne Axone, sondern auch für Nerven und zentrale Leitungsbahnen. Bei kohärenter

geometrischer Ausrichtung der einzelnen Nervenfasern und Synchronizität der Fortleitung

resultiert eine Summation, so daß eine meßbare Volumenleitung auch in einiger Distanz erreicht

werden kann.

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Bei nicht gerichteter Geometrie, wie sie in einigen zentralen Nuclei vorherrscht, neigen die

entsprechenden extrazellulären Felder dazu, sich in der Summation gegenseitig auszulöschen. In

einigem Abstand von diesem System, das von Lorente de No (1947) als closed field beschrieben

wurde, resultiert daher keine meßbare Potentialdifferenz.

Allgemein wird bei den mit Kopfoberflächenelektroden abgeleiteten SEP-Antworten von „near-

field“-registrierten kortikalen und von „far-field“-registrierten subkortikalen Potentialen

gesprochen, obwohl diese Begriffe keine strikte Trennung implizieren. Sie beziehen sich vielmehr

auf eine kontinuierliche Spannungsverteilung im Volumenleiter.

Plaziert man Oberflächenelektroden am Kopf, so ist die Elektrode bezüglich kortikaler near-field-

Potentiale etwa 10 bis 12mm vom Generator des aufgenommenen Potentials entfernt. Die an

der Kopfoberfläche registrierten Potentiale sind um einen Faktor 10 – 30 schwächer als die

Potentiale, die an der Kortexoberfäche registriert werden können. Die registrierten Potentiale

sind sehr stark von der exakten Positionierung der Elektroden abhängig.

Die volumengeleiteten far-field-Registrierungen subkortikaler Potentiale sind weniger von der

Position der Elektroden beeinflußbar. Sie können trotz ihrer geringen Spannung mit Hilfe

elektronischer Mittlung (averaging), was das Signal-Rausch-Verhältnis verbessert,

aufgenommen werden.

Zusammenfassend nennt Desmedt (1988) folgende Faktoren, die das Ausmaß der Repräsentation

eines jeden Generators in einer gemittelten Antwort bestimmen:

- die Geometrie der aktivierten neuralen Einheiten (Klee und Rall 1977)

- die zeitliche Synchronisation, die Dauer und die räumliche Verteilung des transmembranösen

Stroms in diesen Einheiten (Humphrey 1968) und

- die zeitliche Überlappung volumengeleiteter Potentiale verschiedener Generatoren, die zu

Summation oder Auslöschung führen kann (Desmedt 1984, Mitzdorf 1985).

2.2.3 Ursprungsorte somatosensibel evozierter Potentiale bei Stimulation des N. medianus

Die Ableitung somatosensibler Potentiale stellt eine Funktionsprüfung des gesamten

somatosensiblen Systems dar, daher ist es entscheidend, die verschiedenen Komponenten und

deren Generatoren zu kennen, um pathologische Prozesse lokalisieren zu können.

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Die Nomenklatur der SEP-Komponenten bezieht sich auf deren Polarität und auf die Latenzzeit

post Stimulus (Donchin 1977), so zum Beispiel N20 für eine Negativität 20 ms post Stimulus.

2.2.3.1 Subkortikale Potentiale

Die Untersuchung spinaler und subkortikaler Potentiale gelingt am besten mit einer Ableitung

im Nacken gegen eine frontomediale Referenz (Stöhr 1989). Die Ableitung besteht meist aus 3-4

Komponenten. die verschiedenen Generatoren zugeordnet werden.

Komponente 1 (N9) wird in extramedullären Afferenzen, vermutlich im distalen Plexus brachialis

generiert (Cracco und Cracco 1976, Jones 1977, Yamada et al. 1980).

Der Ursprungsort der 2. Komponente (N11) ist umstritten, die meisten Autoren sehen diesen

jedoch in Neuronen 1.Ordnung, also entweder in Hinterwurzeln oder Hinterstrang (Jones 1977,

Yamada et al 1980).

Aufgrund ihrer Empfindlichkeit gegen höhere Stimulationsfrequenzen und aufgrund der hohen

Amplitude handelt es sich bei Komponente 3 (N13) vermutlich um postsynaptische Aktivität

(Pratt et al. 1979), hierfür kommen einerseits das Hinterhorn, andererseits der Ncl. cuneatus in

Frage. Allison et al. (1982), Stöhr und Riffel (1982, 1985) und Buchner et al. (1987)

unterscheiden hinsichtlich des Ursprungsortes zwei Gipfel N13a (Hinterhorn) und N13b (Ncl.

cuneatus).

Komponente 4 (N14) stellt sich meist als Knotung im absteigenden Schenkel des Hauptgipfels

dar, ihr Ursprung ist bisher am wenigsten geklärt, liegt aber vermutlich in rostralen Anteilen des

Lemniskus medialis (Stöhr 1989).

Bei Wahl einer extrakephalen Referenz und bei hoher Verstärkung sind diese subkortikalen

Komponenten auch als farfield-Potentiale von der Kopfhaut ableitbar, bei Wahl einer frontalen

Referenz findet sich eine breitbasige Negativität, an die sich P15 anschließt.

Unklar ist noch die Abgrenzung von P15 gegenüber der zervikal abgeleiteten P14, über ihren

Generator wurden verschiedene Hypothesen aufgestellt. Es wurde zum Beispiel eine Entstehung

im Nucleus ventralis posterolateralis des Thalamus angenommen (Stöhr 1989), dort entstehende

Potentiale werden jedoch nicht volumengeleitet (Buchner 1990). Buchner und Scherg (1991)

interpretierten diese Komponente nach Dipolquellenanalyse als zusammengesetzte Aktivität aus

elektrischer Impulsleitung im Lemniskus medialis und Eintritt der elektrischen Aktivität in das

relativ größere Volumen des Kopfes.

2.2.3.2 Kortikale Potentiale

Bei der Ableitung über dem kontralateralen Handfeld findet sich nach Stimulation des N.

medianus sowohl bei Ableitung gegen eine frontomediale als auch bei Ableitung gegen eine

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extrakephale Referenz eine Negativität etwa 20 ms post Stimulus. Diese stellt gemeinsam mit

der folgenden P27 den kortikalen Primärkomplex dar. Die N20 wird als erste kortikale Antwort

auf den thalamokortikalen Erregungseinfluß gesehen (Desmedt und Brunko 1980).

Die meisten Autoren sind sich darin einig, daß die N20 und die nachfolgende Positivität von

postsynaptischen Potentialen an den apikalen Dendriten kortikaler Pyramidenzellen in Area 1

und 3b generiert wird (Stöhr 1989), die ein open-field-System darstellen (Eccles 1951).

Über den Beitrag des motorischen Kortexareals 4 zu diesen Komponenten und zu der präzentral

ableitbaren P22 wurden verschiedene Hypothesen aufgestellt.

Desmedt und Bourget (1985) kamen zu der Auffassung, daß die P22 eine gesondert generierte

SEP-Komponente darstellt und nahmen als ihren Generator einen radial orientierten Dipol in der

Area 4 oder in der supplementär motorischen Area an.

Ein Modell, welches einen tangential orientierten Dipol in Area 3b und einen radial orientierten

Dipol in Area 1 beschreibt, wurde 1980 von Allison et al. aufgestellt. Dieses Modell wird gestüzt

durch eine Studie, in der die Exzision sowohl von motorischen als auch von somatosensorischen

Arealen und deren Auswirkung auf die SEP-Komponenten untersucht wurde (Allison 1991b).

In einer Studie zu den Generatoren früher SEP-Komponenten mit der Dipolquellenanalyse

(Buchner und Scherg 1991) konnte ein Beitrag des Motorkortex zur P22 nicht ausgeschlossen

werden, die Ergebnisse sprechen jedoch mehr für einen radial orientierten Dipol in Area 1 und

einen tangential orientierten Dipol in Area 3b.

Dem kortikalen Primärkomplex folgen die Komponenten N35, P45 und N55, die als

Komponenten mittlerer Latenz bezeichnet werden. Der Ursprung dieser Komponenten ist noch

unbekannt. Der P45 wurde von Allison et al (1980) der somatosensorische Kortex zugeordnet,

von Duff (1980) die sekundäre sensorische Rinde.

2.3 Hochfrequente SEP-Aktivität nach Stimulation des N. medianus

Verschiedene Studien über somatosensibel evozierte Potentiale nach Stimulation des N.

medianus haben die Existenz hochfrequenter SEP-Aktivität von niedriger Amplitude in einem

Zeitfenster um die N20 nachgewiesen. Diese kann durch digitale Hochpass-Filter (oberhalb

300Hz) isoliert werden. Der Hauptanteil der hochfrequenten Aktivität liegt in einem

Frequenzbereich zwischen 500 und 700Hz, sie wird im Folgenden als 600Hz-Aktivität

bezeichnet werden.

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Auch in Registrierungen mit großer Frequenzbandbreite sind Knotungen im aufsteigenden und

absteigenden Schenkel der N20 sichtbar, die diese Aktivität repräsentieren (Abbruzzese et al

1978, Eisen 1982).

Die Generatorstruktur der hochfrequenten SEP-Komponenten wird kontrovers diskutiert.

Maccabee et al. (1983) stellten nach analogem Filtern in drei Frequenzbereichen (5-3000Hz,

150-3000Hz, 300-3000Hz) die hochfrequente Aktivität dar. Es wurden aufgrund

unterschiedlicher Verteilung der Amplitudenmaxima über dem Kopf multiple Generatoren für

den hochfrequenten Anteil der SEP angenommen. Beim analogen Filtern resultiert jedoch

aufgrund einer Phasenverschiebung und einer Abschwächung des Signals besonders an den

Rändern des registrierten Frequenzbereichs eine Verzerrung der Antwort (Sgro et al.1990).

Eisen et al. (1984) fanden nach digitalem Filtern im Bereich von 300 – 2500 Hz bei Stimulation

sowohl des N. medianus als auch des N. peronaeus vier aufeinander folgende positiv-negative

Wellen, beim N. medianus in einem Frequenzbereich von etwa 770 Hz. Er postulierte

oszillatorische Entladungen im intrathalamischen Netzwerk als Generatorstruktur.

Mit der Dipolquellenanalyse konnten zwei Hauptquellen für die 600Hz-Aktivität lokalisiert

werden, ein tiefer Generator in der Nähe des Thalamus, der seine größte Aktivität in einem

Zeitfenster zwischen P14 und N20 zeigt, und ein zeitlich folgender Generator nahe dem

somatosensiblen Handfeld (Gobbelé et al 1998). Funktionell wurden diesen Quellen tiefe und

terminale Anteile thalamokortikaler Projektionsfasern zugeschrieben, ein geringer Beitrag

intrakortikaler Generatoren wurde nicht ausgeschlossen.

Eine ähnliche hochfrequente Aktivität konnte auch in magnetenzephalographischen

Registrierungen nach Medianusstimulation gezeigt werden (Curio et al 1993, 1994a,b, 1995,

Hashimoto et al. 1996), deren Generator in der Nähe des somatosensiblen Cortex bestimmt

wurde. Repetitive Entladungen in terminalen Segmenten thalamokortikaler Fasern oder an

postsynaptischen Membranen kortikaler Neurone liegen ihm zugrunde.

Die magnetenzephalographisch gemessene 600Hz-Aktivität zeigt eine unterschiedliche

Morphologie als die elektroenzephalographisch gemessene und in zwei von vier Probanden eine

geringere Anzahl von Entladungen (Curio 1994). Dies spricht dafür, daß

magnetenzephalographisch nur ein Teil der SEP-Quellen gemessen werden kann, da diese

Methode gegenüber tiefen und gegenüber radial orientierten Quellen unempfindlich ist

(Williamson und Kaufmann 1987).

Eine funktionelle Dissoziation zwischen der N20 und den 600Hz-Oszillationen wurde sowohl in

magnetenzephalographischen als auch in elektroenzephalographischen Registrierungen

gefunden. Die 600Hz-Aktivität weist eine deutliche Verminderung der Amplitude während des

14

Page 16: Differenzierung zwischen axonaler und demyelinisierender ... · Körperhälfte im lateral gelegenen Fasciculus cuneatus. Der Tractus spinobulbaris endet in den Hinterstrangkernen

Schlafs auf, die N20 zeigt dies nicht (Emerson et al. 1988, Yamada et al. 1988, Hashimoto et al.

1996).

Halboni et al. (2000) zeigten in einer Studie zum Verhalten der hochfrequenten und der

niederfrequenten SEP-Anteile im Schlaf mittels Dipolquellenanlyse eine signifikante

Amplitudenreduktion des thalamischen und des kortikalen Anteils der 600Hz-Aktivität in den

Schlafstadien II und IV im Gegensatz zu der stabilen niederfrequenten SEP-Aktivität. Funktionell

werteten die Autoren aufgrund dieser Ergebnisse die 600Hz-Aktivität als Teil eines

somatosensorischen Wachheit-Systems, während die N20 als Teil des lemniskalen

somatosensorischen Systems gesehen wird.

Klostermann et al. (1998) fanden bei steigender Stimulusintensität bei zwei von zehn Probanden

ein unterschiedliches relatives Amplitudenwachstum von N20 und 600Hz. Bei acht von zehn

Probanden zeigte sich für N20 und 600Hz-Aktivität die gleiche Abhängigkeit der

Amplitudenzunahme von der Stimulusintensität, bei zwei Probanden wurde für eine

entsprechende Amplitudenzunahme der 600Hz-Aktivität eine größere Stimulusintensität als für

eine entsprechende Amplitudenzunahme der N20 benötigt. Klostermann et al. zogen zwei

Erklärungsmodelle heran: Erstens könnte eine interindividuell unterschiedliche Reaktion auf

Zunahme der Stimulusintensität vorliegen, was unabhängige Reizschwellen implizieren würde.

Zweitens könnten schon leichteste Vigilanzminderungen, die im Untersuchungsablauf auftreten

können, zu einer Abnahme der 600Hz-Amplitude führen. Dies wäre dann als Vorstufe der

Amplitudenreduktion der 600Hz-Aktivität im Non-REM-Schlaf zu werten.

Sowohl die thalamische als auch die kortikale Quellaktivität der 600 Hz-Aktivität wird schon

durch geringe Veränderungen des Wachheitszustandes vermindert (Gobbelé et al. 2000). In der

Dipolquellenanalyse wurde gezeigt, daß sich die Quellaktivität der hochfrequenten SEP-Anteile

bei geschlossenen Augen im Vergleich zu Messungen bei geöffneten Augen signifikant

verminderte. Die Quellaktivität der N20 wurde durch diese nur geringfügige Änderung der

Wachheit nicht gemindert. Beide Konditionen (Augen geschlossen – Augen geöffnet) wurden

unter gerichteter Aufmerksamkeit auf drei verschiedene Stimuli (akustischer Reiz,

somatosensibler Reiz an der rechten oder linken Hand) getestet, die ohne Einfluss auf die 600

Hz-Quellaktivität waren. Die hochfrequente SEP-Aktivität wird bei abnehmendem

Wachheitszustand bis hin zum Non-REM-Schlaf herabreguliert, so daß der burst zumindest

partiell ein Wachheit-abhängiges Signal darstellt, das intrathalamisch generiert und nach

kortikal fortgeleitet wird.

Emori (1991) untersuchte den Einfluß unterschiedlich langer Interstimulus-Intervalle auf die

hochfrequente SEP-Aktivität. Bei kürzer werdenden Intervallen verschwinden zunächst die

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Page 17: Differenzierung zwischen axonaler und demyelinisierender ... · Körperhälfte im lateral gelegenen Fasciculus cuneatus. Der Tractus spinobulbaris endet in den Hinterstrangkernen

späteren Anteile der 600Hz-Aktivität, erst bei Intervallen um 3ms sind auch die frühen Anteile

beeinträchtigt. Auch diese Ergebnisse, die sich deutlich von den Ergebnissen für die N20

unterscheiden (Allison 1962, Greenwood und Goff 1987), sprechen für einen grundlegenden

Unterschied in der Generierung von N20 und 600Hz-Aktivität.

Eine weitere funktionelle Diskrepanz zwischen N20 und hochfrequenten Oszillationen fanden

Gobbelé et al. (1999). In einer Dipolquellenanalyse unter Variation der Reizfrequenz wurde eine

Verminderung der Quellaktivität der N20 bei höheren Stimulationsfrequenzen (bis 9Hz) gesehen,

während die 600Hz-Generatoren (1. nahe dem Thalamus, 2. nahe dem somatosensiblen

Handfeld) sich über alle Reizfrequenzen stabil zeigten.

In einer weiteren Untersuchung der hochfrequenten SEP-Komponenten unter Variation der

Reizfrequenz zeigten Klostermann et al. (1999), daß bei Stimulationsfrequenzen unterhalb 4Hz

ein später Anteil zu der 600Hz-Aktivität hinzukommt, der bei höheren Stimulationsraten nicht

erkennbar ist. Die Autoren halten für diese zwei Komponenten der hochfrequenten Aktivität

unterschiedliche neuronale Generatoren, zum einen thalamokortikale Projektionsfasern und zum

anderen kortikale Zellen, für möglich.

Hashimoto et al. (1999) fanden bei interferierender Stimulation eine deutliche Abnahme der

Amplitude der N20, während die Anzahl der Ausschläge der hochfrequenten Aktivität leicht

zunahm, und vermuten eine Beteiligung kortikaler inhibitorischer Interneurone.

Intrathalamische SEP-Ableitungen (Fukushima et al. 1976, Tsuji et al. 1984, Insola et al. 1999)

zeigen eine Hauptkomponente bei etwa 16ms, die wahrscheinlich der farfield-Komponente P16

in kortikalen SEP-Ableitungen entspricht (Buchner et al. 1995). Auch hochfrequente

intrathalamische SEP-Anteile, die in demselben Zeitfenster wie die P16 auftreten, wurden

beschrieben (Katayama et al. 1987).

Klostermann et al. (1999) untersuchten die hoch- und die niederfrequente intrathalamische

Aktivität und fanden eine enge intrathalamische Kolokalisation der beiden SEP-Anteile, jedoch

eine größere und von der P16 unabhängige Variabilität des hochfrequenten bursts.

In einer weiteren Studie fanden Klostermann et al. (2000) bei double-pulse-Stimulation mit

Interstimulus-Intervallen von 10 und 20 ms eine Amplitudenminderung für den kortikal

abgeleiteten 600Hz-burst, aber eine Stabilität des intrathalamischen hochfrequenten SEP-

Anteils. Diese Ergebnisse sprechen für eine unabhängige Generierung von intrathalamischen und

kortikalen hochfrequenten SEP-Komponenten.

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Page 18: Differenzierung zwischen axonaler und demyelinisierender ... · Körperhälfte im lateral gelegenen Fasciculus cuneatus. Der Tractus spinobulbaris endet in den Hinterstrangkernen

Shimazu et al. (2000) untersuchten die beim Makaken entsprechend auftretende hochfrequente

SEP-Aktivität nach Medianus-Stimulation und zeigten zwischen Oberflächen-Ableitungen und

intrakortikalen Ableitungen in Area 3b und Area 1 sowohl für niederfrequente als auch für

hochfrequente SEP-Anteile eine Polaritätsumkehr. Dabei lag der Umkehr-Punkt für die

hochfrequenten SEP-Anteile etwas tiefer als der für die niederfrequenten Anteile. Diese

Ergebnisse stützen die These eines Entstehens der hochfrequenten Aktivität in der Area 3b und

Area 1. Nach den Autoren könnte die Tatsache, daß der Umkehrpunkt der hochfrequenten

Aktivität etwas tiefer liegt, dafür sprechen, daß die hochfrequente Aktivität in den terminalen

Segmenten thalamokortikaler Projektionsfasern oder an den dendritischen Synapsen entsteht.

2.4 Multiple Sklerose

Bei der Multiplen Sklerose läuft eine Autoimmunreaktion gegen die Myelinscheiden des

Zentralnervensystems ab, deren Ätiologie nicht abschließend geklärt ist.

Die Entmarkungsherde (Plaques) sind von unterschiedlicher Größe und können im gesamten

Zentralnervensystem auftreten, finden sich am häufigsten jedoch periventrikulär. Die Plaques

sind – je nach ihrem Alter – durch entzündliche Infiltrate mit Demyelinisierungen oder auch

durch Verlust von Axonen und gliotische Narben gekennzeichnet. Neuere Studien wiesen auch

schon in sehr frühen Phasen der Erkrankung und in akuten Läsionen den Verlust von Axonen

nach (Ferguson et al. 1997, Trapp et al. 1999). Dieser wird insbesondere als Ursache für die

chronische Behinderung vieler Patienten angesehen (Ferguson et al. 1997).

Die Erkrankung kann sowohl schubförmig mit kompletter oder inkompletter Remission als auch

chronisch progredient verlaufen. Die Symptomatik ist sehr variabel und beruht auf einer Störung

der Impulsfortleitung in den Entmarkungszonen.

2.4.1 Pathophysiologie der gestörten Erregungsleitung in demyelinisierten Nervenfasern

2.4.1.1 Elektrophysiologie der intakten Nervenfaser

In myelinisierten Nervenfasern wird ein Impuls saltatorisch von einem Ranvierschen Schnürring

zum nächsten fortgeleitet. Dabei wirkt das Myelin am Internodium als elektrischer Isolator, so

daß kaum Stromverluste über die axonale Membran auftreten. Die Fortleitung der Erregung

kann so auf bis zu 50-120 m/s, abhängig von der Dicke der Nervenfaser, beschleunigt werden.

An einer myelinisierten Nervenfaser ist die Dichte von Natrium-Kanälen am Schnürring etwa

50fach größer als an den Internodien (Sedgwick 1997). Ihre Öffnung ist verantwortlich für die

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schnelle Depolarisation des Aktionspotentials, ihre Inaktivierung ist entscheidend für die

Repolarisation. Kaliumkanäle finden sich nur in geringer Dichte. Sie liegen vorwiegend vom

Myelin bedeckt an der internodalen axonalen Membran, so daß sie bei der Repolarisation an

myelinisierten Axonen nur eine geringfügige Rolle spielen (Black et al. 1990, Meiri et al. 1989).

Die Erregung an einem Ranvierschen Schnürring produziert mehr Strom als für das Erreichen des

nächsten Schnürrings nötig ist. Das bedeutet einen Sicherheitsfaktor für die Fortleitung eines

Impulses (Sedgwick 1997). Von Tasaki (1953) wurde geschätzt, daß der durch das

Aktionspotential ausgelöste Stromfluß genüge, um zwei Schnürringe zu überspringen und nur

jeden dritten zu errregen.

2.4.1.2 Elektrophysiologie der demyelinisierten Nervenfaser

Der Verlust der Myelinscheide stellt ein histopathologisches Korrelat der Multiplen Sklerose dar.

Durch den Verlust der elektrischen Isolation treten kapazitive Verluste über die internodale

Membran auf, woduch die Schwelle für die Auslösung eines Aktionspotentials am Schnürring

später erreicht wird und es zu einer Leitungsverlangsamung kommt. Wird die Schwelle am

Ranvierschen Schnürring nicht erreicht, so kommt es zu einem Leitungsblock bei intaktem Axon.

Ein solcher axonaler Funktionsverlust könnte direkt zu einer Degeneration von Axonen führen

(Scolding et al. 1998), wie es bei retinalen Ganglionzellen gezeigt wurde (Lipton 1986, Frisen et

al. 1974).

Bostock und Sears (1976, 1978) konnten an experimentell demyelinisierten Nervenfasern eine

erhöhte Natrium-Kanal-Dichte auch an den internodalen Axonsegmenten nachweisen. Dies

führt zu einer kontinuierlichen Erregungsfortleitung, wie sie auch an physiologisch marklosen

Fasern stattfindet. So kann auch an vollständig demyelinisierten Fasern die Erregungsleitung

innerhalb von Tagen wiederhergestellt werden, allerdings auf deutlich langsamerem Niveau.

Experimentell konnte eine spontane Remyelinisierung an vollständig entmarkten Fasern

nachgewiesen werden (Smith et al. 1979). Auch in Plaques bei Multipler Sklerose wurden die für

die Remyelinisierung charkteristischen Veränderungen wie verdünnte Markscheiden und

verkürzte Internodien identifiziert (Prineas 1986).

Nach verlangsamter Passage des Impulses durch den Entmarkungsherd wird hinter dem Herd

wieder eine hohe Fortleitungsgeschwindigkeit erreicht. Die Beeinträchtigung einzelner Fasern in

einem Bündel parallel laufender Axone ist inhomogen. Es kommt also zu einer zeitlichen

Dispersion der Impulsfortleitung.

Eine weitere Eigenschaft demyelinisierter Axone ist das Auftreten verlängerter Refraktärperioden

nach Aktionspotentialen, in denen keine erneute Erregung möglich ist oder die Schwelle für die

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Page 20: Differenzierung zwischen axonaler und demyelinisierender ... · Körperhälfte im lateral gelegenen Fasciculus cuneatus. Der Tractus spinobulbaris endet in den Hinterstrangkernen

Auslösung eines weiteren Aktionspotentials erhöht ist. Die verlängerte Refraktärperiode kommt

zustande durch eine Hyperpolarisation der axonalen Membran, die auf der Aktivierung von

Kalium-Kanälen nach Zerstörung des Myelins beruht, welche am intakten Axon unter der

Myelinschicht ruhen (Sedgwick 1997). Durch diese Eigenschaft wird besonders die Fortleitung

von Impulssalven beeinträchtigt. Der Leitungsblock für Impulssalven kann schon im

physiologischen Frequenzbereich auftreten.

Demyelinisierte Fasern zeigen eine abnorm erhöhte Erregbarkeit, die sich in spontanen oder

durch mechanische Irritation ausgelösten Entladungen äußern kann. Diese können Symptome

der Multiplen Sklerose wie Parästhesien und faziale Myokymien erklären (Hess 1997).

Myelindefekte erlauben ein ephaptisches, nicht-synaptisches Überspringen einer Erregung von

einer Nervenfaser zur benachbarten. Auf diese Weise kann in einem Plaque die ektope Erregung

einer übererregbaren Faser auf eine ganze Gruppe von Axonen übergehen.

Ein Charakteristikum demyelinisierter Nervenfasern ist die abnorm hohe Empfindlichkeit

gegenüber Temperaturänderungen. Im Gegensatz zu intakten Nervenfasern, die bei erhöhter

Temperatur eine Zunahme der Leitgeschwindigkeit zeigen, bis bei ca. 50°C die Fortleitung

blockiert, kann bei demyelinisierten Fasern schon eine Erhöhung der Temperatur um 0,5°C zu

einem Leitungsblock führen (Davis und Jacobson 1971, Rasminsky 1973). Klinisch äußert sich

dies im Uhthoff-Phänomen (Uhthoff 1889), einer Verstärkung der Symptomatik bei Erhöhung

der Körpertemperatur. In diesem Sinne kann auch die zeitweilig auftretende fluktuierende

Symptomatik gedeutet werden (Hess 1997).

2.4.1.3 Gestörte Erregungsleitung bei axonalem Schaden

Selbst bei intaktem Axon kann es wie oben beschrieben zu einem funktionalen axonalen

Leitungsblock kommen. Durch Remyelinisierung und Verschiebungen in der Dichte der

Ionenkanäle in der axonalen Membran sind diese funktionellen Leitungsblöcke meist reversibel.

In verschiedenen Studien zur Pathogenese der Multiplen Sklerose hat sich in jüngster Zeit

gezeigt, dass durchaus schon in frühen Stadien der Erkrankung Axondegeneration auftritt

(Ferguson et al. 1997, Lucchinetti et al. 1996, Trapp et al. 1999), dabei entstehende

Leitungsblöcke sind irreversibel.

19

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2.4.2 Somatosensibel evozierte Potentiale bei Multipler Sklerose

Die Beeinträchtigung der Impulsfortleitung in den Entmarkungsherden kann sich bei

Registrierung der evozierten Potentiale als eine Latenzzunahme, eine Amplitudenabnahme und

als eine Deformierung der verschiedenen SEP-Komponenten darstellen. Es kann auch zu einem

vollständigen Verlust einzelner Komponenten kommen. Die Latenzzunahme ist v.a. Folge der

verlangsamten Impulsfortleitung in den demyelinisierten Nervenfasern, die Amplitudenabnahme

läßt sich durch den Verlust von Axonen erklären, da die evozierten Potentiale durch Summation

vieler parallel eingehender Reizantworten entstehen.

Auch bei fehlender spinaler Antwort lassen sich häufig kortikale Komponenten registrieren,

eventuell gemindert und verzögert, weil zwischen den in zeitlicher Folge auftretenden

Komponenten aufgrund paralleler Faserbündel nicht unbedingt eine kausale Abhängigkeit

besteht und weil der Thalamus auch auf eine schwache Afferenz mit einer starken thalamo-

kortikalen Projektion reagieren kann (Hess 1997). Dies wird als Verstärker-Funktion des

Thalamus bezeichnet.

2.4.2.1 Niederfrequente SEP-Komponenten bei Multipler Sklerose

Chiappa (1990) hat die Ergebnisse verschiedener Studien zur Häufigkeit pathologischer SEP-

Befunde zusammengefaßt. Für SEP nach Medianus-Stimulation fanden sich folgende Zahlen: Bei

Patienten mit sicherer Multipler Sklerose und ohne klinische Befunde im somatosensiblen

System fanden sich in 42% pathologische Befunde in den SEP-Registrierungen, bei Patienten

mit Störungen des somatosensiblen Systems in 75%.

Dabei besteht häufig eine Korrelation zwischen Schweregrad der Sensibilitätsstörungen und

Ausmaß der Latenzverzögerung.

Die Registrierung von somatosensibel evozierten Potentialen hat gegenüber der klinischen

Sensibilitätsprüfung Vorteile. Es können klinisch stumme Herde erfaßt werden, die gerade bei

unklarer Diagnose den Verdacht auf eine Multiple Sklerose erhärten. Aufgrund der Kenntnis über

die den Komponenten zugrundeliegenden Generatorstrukturen werden die Läsionen lokalisierbar.

Des weiteren liefert die Untersuchung objektive Ergebnisse, die nicht von der Mitarbeit des

Patienten abhängig sind.

Auch bei der Verlaufsbeobachtung kommt die Methode zum Einsatz. Ein stationärer oder

progredienter Verlauf spiegelt sich deutlich in den SEP-Befunden wider, bei klinischer Remission

findet sich jedoch nur selten eine Verbesserung der SEP-Befunde (Matthews und Small 1979).

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2.4.2.2 Hochfrequente SEP-Komponenten bei Multipler Sklerose

Rossini et al. (1985) untersuchten in einer explorativen Studie die hochfrequente SEP-Aktivität

bei MS-Patienten, die bei Stimulation des N. peronaeus ähnlich der oben beschriebenen

Aktivität nach Medianusstimulation auftritt. Es finden sich bei gesunden Probanden

hochfrequente Wellen am aufsteigenden und absteigenden Schenkel der P27. Sie können durch

digitalen highpass-Filter dargestellt werden.

Bei MS-Patienten wurde bei latentverzögerter P27 ein Verschwinden der hochfrequenten

Komponenten gesehen. Bei einem Patienten mit normaler P27 fand sich keine hochfrequente

Aktivität, bei einem anderen wurde eine verlängerte Latenz zwischen den einzelnen

hochfrequenten Wellen dargestellt.

Als Erklärung für diese Dissoziation führten Rossini et al. eine mögliche Impulsfortleitung der

niedrig- und der hochfrequenten Aktivität auf unterschiedlichen, parallel angeordneten Fasern

an. Die Abschwächung der hochfrequenten Aktivität könne ein sehr frühes Zeichen der

pathologischen Impulsfortleitung darstellen aufgrund der besonderen Beeinträchtigung der

Fortleitung von Impulssalven in den Entmarkungsherden und aufgrund der großen Bedeutung

der Synchronizität für die hochfrequente und niedrigamplitudige Aktivität.

21

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3. Methodik

3.1 Versuchspersonen

3.1.1 Kontrollgruppe

Es wurden 30 neurologisch gesunde Personen als Kontrollgruppe untersucht, um

Vergleichswerte für das Auftreten der 600Hz-Aktivität, deren Latenz und Anzahl der Ausschläge

zu ermitteln.

Es handelte sich um 17 Frauen und 13 Männer im Alter von 21 bis 32 Jahren ( Mittelwert: 24,9

Jahre). Die Körpergröße betrug im Mittel 177,9 cm, gestreut von 156cm bis 202cm. Es wurde

keine gesonderte Messung der Armlänge durchgeführt aufgrund der Korrelation von SEP-

Latenzen zu Körpergröße wie Armlänge (Buchner 1990, Mamoli et al. 1985).

Alle Probanden waren über den experimentellen Charakter und über die freiwillige Teilnahme an

der Untersuchung aufgeklärt.

3.1.2 Patienten

Zu der Patientengruppe gehörten 50 Patienten mit gesicherter Multipler Sklerose. Die Gruppe

bestand aus 38 Frauen und 12 Männern, die alle über die freiwillige Teilnahme an der Studie

aufgeklärt wurden.

Das Alter der Patienten betrug im Mittel 37,5 Jahre (Streuung 21 Jahre bis 64 Jahre) und lag

etwas höher als in der Kontrollgruppe. Zur Korrelation von Alter und Latenz bzw. Amplitude von

somatosensibel evozierten Potentialen werden von verschiedenen Autoren unterschiedliche

Angaben gemacht. Lueders (1970) fand keine Unterschiede hinsichtlich der Latenz der N20 und

der P25 in verschiedenen Altersgruppen zwischen 19 und 70 Jahren. Die Amplitude der N20

zeigte in dieser Studie in der Altersgruppe von 30 bis 45 Jahren eine Verminderung gegenüber

den anderen Altersgruppen (19-29, 46-58, 59-70). Von Hume et al. (1982) wurde die Interpeak-

Latenz zwischen N13 und N20 untersucht. Es wurde in einer Altersgruppe von 10 bis 49 Jahren

keine Latenzveränderung gefunden, erst in der 5. bis 6. Lebensdekade zeigte sich eine

Latenzverlängerung. Allison et al. (1984) berechneten anhand einer Untersuchung von 286

Versuchspersonen einen jährlichen Latenzzuwachs von 10 µs für die N20-Latenz in einer

Altersgruppe von 18 bis 95 Jahren.

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Hinsichtlich des Erkrankungsverlaufs und des Schweregrads der Erkrankung wurden bei der

Auswahl der Patienten keine Einschränkungen gemacht.

Die Patientengruppe umfaßte 34 Patienten mit einem schubförmigen Erkrankungsverlauf, 4

Patienten mit primär chronisch progredientem Krankheitsverlauf und 12 Patienten mit sekundär

chronisch progredientem Krankeitsverlauf zum Zeitpunkt der Datenerhebung. 16 Patienten

befanden sich zum Zeitpunkt der Datenerhebung in einem akuten Schub.

Der EDSS-Score lag in der Patientengruppe im Mittel bei 2,46 (Streuung von 1 bis 5,5).

Bei allen Patienten wurde die Sensibilität, die Motorik und die Koordination an den oberen

Extremitäten vor der Untersuchung geprüft. Vorausgegangene Schübe und persistierende

Defizite wurden in Hinblick auf Störungen der Sensibilität, Motorik und Koordination an den

Armen anamnestisch erfaßt.

3.2 Meßmethodik

3.2.1. Meßapparatur

Zur Registrierung der evozierten Potentiale wurde in der vorliegenden Studie ein Nicolet

Pathfinder II verwendet, der aus folgenden Komponenten besteht: Stimulatoreinheit,

Aufnahmeelektroden, Verstärker mit analogem Filter, Analog-Digital(A/D)-Wandler, Rechner mit

Averager, Monitor, Speichermöglichkeit.

Zur primären Signalregistrierung und zur Signalübertragung dienen die über dem Kopf

plazierten Aufnahmeelektroden. Es werden Spannungsdifferenzen zwischen aktiver Elektrode

und Referenzelektrode ermittelt. Diese werden über einen Verstärker zum A/D-Wandler

weitergeleitet.

Der Verstärker ist unter anderem charakterisiert durch einen analogen Filterprozess, durch den

die registrierte Frequenzbandbreite limitiert wird. Die aufgenommene Bandbreite (bandpass)

liegt somit zwischen der oberen und der unteren Grenzfrequenz. Weiterhin werden im Verstärker

gleichphasige Signale unterdrückt.

Im A/D-Wandler wird das analoge Signal in ein digitales Signal transformiert. Dabei werden der

vorgegebenen Anzahl von Digitalisierungspunkten Zahlenwerte zur Beschreibung der

Amplituden zugewiesen. Die Abtastrate muß hierbei um einen Faktor zwei bis drei größer sein

als die höchste registrierte Frequenz (Nyquist-Regel), da es sonst bei der Digitalisierung zu einer

Umwandlung höherer Frequenzen in niedrige kommen kann (aliasing-Effekt).

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Die aufgenommenen Signalabschnitte werden im Rechner gemittelt (Averaging). Hierbei werden

die sich zeitlich entsprechenden Digitalisierungspunkte addiert und anschließend durch die

Anzahl der addierten Signalabschnitte geteilt. Dieses Vorgehen ist nötig, weil die sehr

niedrigamplitudigen SEP-Antworten von einigen µV aus dem sehr viel höheren

Hintergrundrauschen extrahiert werden müssen. Die evozierten Potentiale stehen in einer

konstanten zeitlichen Korrelation zum Zeitpunkt der Stimulusapplikation, während das

Hintergrundrauschen vom Stimulus unabhängig ist und mit steigender Anzahl gemittelter SEP-

Antworten gegen null tendiert (Dawson 1947, 1954).

Durch eine Mittelung einer großen Zahl von Reizantworten läßt sich das Signal-Rausch-

Verhältnis verbessern. Es verändert sich zugunsten des Signals um den Faktor der Quadratwurzel

der gemittelten Reizantworten, im vorliegenden Fall bei 9000 gemittelten Reizantworten also

um den Faktor 94,9.

Der Rechner übernimmt auch die Triggerung der Stimulatoreinheit in der vorgegebenen

Frequenz. Er sorgt für die zeitliche Koordination von Stimulusapplikation und Signalaufnahme,

die für das Averaging entscheidend ist.

Der Monitor dient der Überwachung der aktuellen Signalregistrierung, der Steuerung der

Messung und der Beurteilung der SEP-Antworten. Schließlich können die Daten zur weiteren

Bearbeitung, Analyse und Auswertung auf Diskette gespeichert werden

3.2.2 Stimulationsparameter

Mit einer bipolaren Stimulationselektrode wurden Rechteckimpulse von 0,2 ms Dauer appliziert.

Die Kathode lag proximal der Anode. Zur Senkung des Hautwiderstandes wurde die Haut am

Reizort mit Alkohol abgerieben und Elektrodencreme zwischen Elektroden und Haut gebracht.

Da eine physiologische Stimulation durch mechanische Hautreizung die Nachteile von

geringerer Ausprägung der Reizantwort und asynchroner Aktivierung zeigt (Stöhr 1989), wurde

die elektrische Stimulation gewählt, die normalerweise einen einzelnen Nervenimpuls erzeugt

(Paintal 1978).

Ort der Stimulation war der Stamm des Nervus medianus in Höhe des Handgelenks, in

aufeinander folgenden Untersuchungsgängen sowohl links als auch rechts.

Bei motorisch überschwelliger Stimulation eines gemischten Nerven wie des N. medianus

werden motorische Fasern miterregt, in denen der Impuls auch antidrom fortgeleitet wird. Dies

beeinflußt die zerebrale Reizantwort jedoch nicht, da antidrome Motoraktionspotentiale

aufgrund der Filterwirkung der Synapsen nicht weiter als bis zu den spinalen Motoneuronen

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fortgeleitet werden (Desmedt 1988). Nach motorisch überschwelliger Stimulation kommt es zu

einer identischen Abfolge subkortikaler und kortikaler Potentiale wie nach Fingerstimulation, bei

der ausschließlich sensible Fasern in die Impulsfortleitung involviert sind (Stöhr 1989). Die

motorisch überschwellige Stimulation bietet gegenüber der motorisch unterschwelligen Reizung

(Debecker und Desmedt 1964) und der Fingerstimulation den Vorteil der Auslösung

höheramplitudiger Reizantworten.

Hier wurde eine Stimulation von der 1,5fachen motorischen Schwellenstromstärke verwandt,

entsprechend der gerade schon sichtbaren Kontraktion der Thenarmuskulatur. Die maximal

applizierte Stromstärke betrug 21mA.

Zur Verringerung des Stimulusartefakts wurde zwischen Reiz- und Ableiteort am Unterarm der

stimulierten Seite eine feuchte Banderde angebracht.

Die Stimuli wurden mit einer Frequenz von 9,3 Hz appliziert. Für klinische Studien ist die Wahl

einer Stimulationsfrequenz zwischen 2 und 5 Hz üblich, da in diesem Frequenzbereich nur mit

einer geringfügigen Abschwächung der Amplitude der niederfrequenten SEP zu rechnen ist

(Buettner et al. 1980, Pratt et al. 1980). Auch für Stimulationsfrequenzen in diesem Bereich

wurde von Fujii et al. (1994) eine Abschwächung der niederfrequenten Reizantworten gezeigt,

die sich besonders deutlich in den frontal abgeleiteten Potentialen darstellt. Bei

Stimulationsfrequenzen von 8 – 10 Hz wurden Veränderungen der Morphologie der SEP-

Komponenten und eine Abschwächung der Amplituden von parietalen Komponenten inklusive

der N20 gefunden (Small et al. 1980, Larrea et al. 1992). Alle Autoren sind sich darin einig, daß

nach Steigerung der Stimulationsfrequenz keine Latenzverlängerungen der niederfrequenten

SEP-Komponenten auftreten.

Für die hochfrequenten Anteile der SEP nach Medianusstimulation konnte von Gobbelé et al

(1999) in einer Dipolquellenanalyse unter Variation der Reizfrequenz gezeigt werden, daß sich

bei Frequenzen von 1.5, 3, 6 und 9 Hz die Quellaktivität der 600Hz-Aktivität nicht verändert. Die

Amplitude der N20-Quellaktivität war bei höheren Frequenzen signifikant reduziert.

Klostermann et al. (1999) untersuchten N20 und 600Hz-Aktivität bei Stimulus-Frequenzen

zwischen 0,5 und 25 Hz und fanden bei Stimulusfrequenzen von mehr als 10 Hz eine stärkere

Abnahme der 600Hz-Aktivität als der N20. Insbesondere der späte burst-Anteil war nur bei

niedrigen Stimulationsfrequenzen sichtbar. Das unterschiedliche Verhalten bei Variation der

Reizfrequenz der zwei burst-Komponenten werten die Autoren als Ausdruck von verschiedenen

generierenden Zellstrukturen mit unterschiedlicher Refrakterität.

25

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Bei einer angestrebten Mittelung von 9000 Reizantworten je Körperseite fiel die Wahl auf die

schnelle Stimulationsfrequenz von 9,3 Hz, um die Dauer der Untersuchung in einem für gesunde

Probanden und für Patienten akzeptablen Rahmen zu halten. Diese Frequenz scheint ohne

Einfluß auf die Amplitude der hochfrequenten SEP-Komponenten. Die Abschwächung der N20

im Vergleich zu einer niedrigeren Stimulationsrate mußte hinsichtlich der kürzeren Dauer des

Untersuchungsganges akzeptiert werden.

3.2.3 Ableiteparameter

Bei jeder Versuchsperson wurden pro Körperhälte drei Untersuchungsgänge mit 3000

Mittlungen durchgeführt, die Reproduzierbarkeit des Signals konnte so überwacht werden.

Anschließend wurden alle Signalabschnitte der jeweiligen Körperhälften gemittelt. Dies

resultierte in 9000 gemittelten Reizantworten pro Körperhälfte. Das Signal-Rausch-Verhältnis

wurde um den Faktor 94,9 zugunsten des Signals verbessert.

Die Daten wurden mit einer Frequenzbandbreite von 30 – 1500 Hz aufgenommen, die

Eingangsempfindlichkeit lag in Hinblick auf die zu registrierenden SEP-Amplituden von wenigen

µV bei 50 bzw 100 µV.

Der Analysezeitraum der einzelnen Signalabschnitte von 100 ms bestand aus einem

Prästimulusintervall von 40ms und einem Intervall von 60 ms nach Ende des Stimulus, so daß

auch die für die Multiple Sklerose typische latenzverzögerte N20 sicher aufgenommen wurde.

Für diesen Zeitraum betrug die Anzahl der Digitalisierungspunkte 1024, die Abtastrate im

Analog-zu-Digital-Wandler lag somit bei 10240 Hz. Bei der höchsten registrierten Frequenz von

1500 Hz wurde so der Nyquist-Regel entsprochen und ein aliasing-Effekt vermieden.

Zur Ableitung der Reizantworten wurden subkutan plazierte Nadelelektroden verwandt. Diese

bieten im Vergleich zu Oberflächenelektroden niedrigere Übergangswiderstände und den Vorteil

einer sicheren Fixierung auf der behaarten Kopfhaut (Stöhr 1989). Bei Registrierung von nur

zwei Ableitungen mit gemeinsamer Referenz und somit Verwendung von nur drei Elektroden,

konnte der Nachteil der (geringen) Schmerzhaftigkeit des Einstichs gegenüber dem Aufbringen

von Oberflächenelektroden von den Versuchspersonen toleriert werden.

Die erste Ableiteelektrode wurde über der Handregion des kontralateralen somatosensorischen

Kortex etwa 2-3 cm hinter der Scheitelohrlinie und 7cm lateral der Mittellinie positioniert. Die

Elektrode lag jeweils kontralateral zum Ort der Stimulation. In Anlehnung an das internationale

26

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10-20-System werden diese Punkte als C‘3 und C‘4 bezeichnet. Die primäre kortikale

Reizantwort ist bei Ableitung von C‘3 und C‘4 von maximaler Ausprägung.

Die zweite Ableitung erfolgte durch eine über dem 7. Halswirbel plazierte Ableiteelektrode,

spinale und subkortikale Potentiale können hier am einfachsten beurteilt werden. Diese

Ableitung diente im Wesentlichen dazu, eventuelle periphere Veränderungen der

Impulsfortleitung auszuschließen.

Für die gemeinsame Referenz wurde eine frontomediane Position gewählt. Nach Stöhr (1989)

findet sich bei dieser Referenz die beste Ausprägung der Reizantworten und die geringste

Artefakteinstreuung. Deshalb ist sie einer Referenz an Ohr, Kinn oder einer extrakephalen

Referenz vorzuziehen. Des weiteren werden bei Ableitung von C‘3 bzw. C‘4 gegen eine

frontomediane Referenz die subkortikalen Potentiale bis auf die P15 weitgehend eliminiert, so

daß ein klarer Abgang der N20 resultiert (Noel und Desmedt 1980). In diesen Zeitbereich fällt

auch die hier untersuchte 600Hz-Aktivität.

Das verwendete Gerät bot die Möglichkeit der automatischen Artefaktunterdrückung. Dabei

werden nur die Reizantworten zum Averaging zugelassen, die eine durch die

Eingangsempfindlichkeit bestimmte Spannungsdifferenz nicht überschreiten. Bei zu

erwartenden Reizantworten von wenigen µV sind Potentiale von über 50 bzw 100 µV

artefaktbedingt.

Quelle der meisten Artefakte ist der Patient selbst, zum Beispiel durch EKG, Schluck- oder

Bewegungsartefakte. Artefakte durch einzelne defekte Elektroden oder Kabel wurden vor der

Messung ermittelt und korrigiert. Die Positionierung der Banderde zwischen Stimulations- und

Ableiteort diente der Verringerung des Stimulusartefakts.

3.2.4 Äußere und innere Untersuchungsbedingungen

Die Untersuchungen fanden in einem leicht abgedunkelten, von äußeren Schallreizen

abgeschirmten Raum statt. Die Versuchspersonen wurden auf einer Liege in eine bequeme,

horizontale Position gebracht. Die Raumtemperatur betrug konstant etwa 22°C.

Wichtig zur Erlangung von SEP-Registrierungen von möglichst guter Qualität ist eine tiefe

innere und muskuläre Entspannung. Zur Vermeidung innerer Anspannung wurden die

Versuchspersonen über den Ablauf der Untersuchung genau aufgeklärt, zum Abbau muskulärer

Verspannung wurde die Liege in die individuell angenehmste Position gebracht.

27

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Um den Entspannungszustand zu verbessern, war es den Versuchspersonen erlaubt, während der

Messung die Augen zu schließen.

Bei Registrierung somatosensibel evozierter Potentiale im Schlafzustand zeigt sich eine

Abschwächung der Amplitude der hochfrequenten Anteile, währen die Amplitude der

niederfrequenten Potentiale unbeeinflußt bleibt (Emerson et al. 1988, Yamada et al. 1988,

Hashimoto et al. 1996). Der Bewußtseinszustand der Versuchspersonen wurde daher regelmäßig

durch Ansprechen vom Untersucher überprüft. Bei Einschlafen der Versuchspersonen wurden die

Messungen verworfen und wiederholt.

3.3 Auswertmethodik

3.3.1 Digitale Bearbeitung der Originaldaten

Die im A/D-Wandler erstellten und gemittelten digitalen Daten wurden auf Diskette gespeichert

und konnten nach Konvertierung digital nachbearbeitet und gefiltert werden. Die

niederfrequente Aktivität kann mit bestimmten Filtereinstellungen aus den Originaldaten

herausgefiltert werden, so daß die hochfrequente Aktivität, die eine geringere Amplitude hat,

sichtbar wird.

In der digitalen Nachbearbeitung der Daten wurde der Signalabschnitt von –5 ms bis +5 ms

ausgeschnitten, um das Stimulusartefakt zu entfernen. Das Fehlen eines hochamplitudigen

Stimulusartefakt ermöglicht die Darstellung eines geringeren Spannungsbereichs auf der y-

Achse und so eine bessere Auflösung der Reizantworten.

3.3.1.1 Filtereinstellungen

Die in einer Frequenzbandbreite von 30 bis 1500 Hz aufgenommennen Orginaldaten wurden

zunächst mit einem digitalen highpass-Filter, der Frequenzen oberhalb 20 Hz passieren läßt,

gefiltert. Dies diente der Elimination störender Grundlinienschwankungen und der Glättung der

Kurven, die die niederfrequenten Anteile wie die N20 darstellen.

Die Originaldaten wurden danach einem Filter (Butterworth Typ 3, 48dB/oct) zugeführt, durch

den nur ein Frequenzbereich von 450 Hz bis 800 Hz zur Darstellung kommt, also ein

Frequenzbereich, in den die zu untersuchende 600Hz-Aktivität fällt. Die hochfrequente SEP-

Aktivität kann so aus den Originaldaten extrahiert werden und wird in ihrer Form und

Ausprägung gut beurteilbar (s. Abb. 1).

28

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3.3.1.2 Darstellung der gefilterten Daten

Neben den getrennten Abbildungen von niederfrequenten und hochfrequenten SEP-Anteilen

erfolgte auch die Berechnung und Darstellung der Amplitude der 600Hz-Aktivität im Verhältnis

zur Amplitude des Rauschens. Für das Rauschen wurde der Mittelwert + der zweifachen

Standardabweichung anhand des Prästimulusintervalls berechnet und durch Linien dargestellt.

In der gleichen Kurve wird die Amplitude der 600Hz-Aktivität abgebildet, so daß erkennbar wird,

ob sich die 600Hz-Aktivität vom Rauschen abhebt.

Durch die Wahl der gleichen Skalierung unabhängig von der eventuell unterschiedlichen

Amplitude für die Ergebnisse der beiden Körperhälften der einzelnen Versuchspersonen werden

die Daten hinsichtlich der Amplituden auf einen Blick vergleichbar.

Mit einem Cursor wurden die Latenz und die Amplitude der N20 vermessen und deren Werte für

die gewählten Punkte in die Abbildung integriert (s. Abb. 1).

Abb. 1 Proband 20 KF, oben: Darstellung der Originaldaten; Mitte: Frequenzbereich 450 – 800Hz; unten:

Amplitude der 600Hz-Aktivität im Verhältnis zum Rauschen.

29

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3.3.2 Datenanalyse

3.3.2.1 Kontrollgruppe

Die Untersuchung einer Kontrollgruppe diente in der vorliegenden Studie der Erfassung von

Vergleichswerten gegenüber den bei den MS-Patienten erhobenen Daten, sowohl für die

hochfrequenten als auch für die niederfrequenten Anteile der SEP.

Im niederfrequenten SEP-Bereich wurde die Latenz der N20 ausgemessen, ihr Mittelwert und die

Standardabweichung berechnet. Der Latenzbereich, innerhalb dessen die N20 der

Patientendaten als normal angesehen wurde, wurde als Mittelwert +/- 3fache

Standardabweichung – berechnet aus der Kontrollgruppe - definiert.

Die Amplitude der N20 wurde als peak-zu-peak-Differenz zwischen N20 und P25 gemessen. Auf

eine Ausmessung baseline-peak wurde verzichtet, da durch das Stimulusartefakt zum Teil

Grundlinienverschiebungen auftraten.

Es wurden im hochfrequenten SEP-Bereich der Beginn, das Ende und die Dauer des 600Hz-

bursts ermittelt. Außerdem wurde der Zeitpunkt des burst-Maximums beschrieben und in Bezug

zu der N20-Latenz gesetzt. Des weiteren wurde die durchschnittliche Amplitude der 600Hz-

Ausschläge bestimmt, und die Anzahl der Ausschläge gezählt, deren Amplitude größer als der

Mittelwert + 2fache Standardabweichung des Rauschens war.

3.3.2.2 Patientengruppe

Die niederfrequenten SEP-Komponenten wurden hinsichtlich der Latenz und der Amplitude der

N20 als normal oder als pathologisch eingestuft. Für die Latenz durfte ein Absolutwert von 22,1

ms (ermittelt anhand der Kontrollgruppe) nicht überschritten werden. Die Seitendifferenz mußte

für die Bewertung als normal weniger als 1,5 ms betragen.

Bei der Einstufung der Amplitude der N20 wurde der peak-zu-peak-Wert, der auch in der

Patientengruppe zwischen N20 und P25 ermittelt wurde, im Seitenvergleich betrachtet. Als

pathologisch wurden Amplitudenwerte von weniger als 50% des kontralateralen Vergleichswerts

angesehen. Der absolute Wert von 0,8 mV durfte für eine Bewertung als normal nicht

unterschritten werden (Maugière et al. 1999).

Für den 600Hz-burst wurden in der Patientengruppe der Beginn, das Ende, die Dauer und der

Zeitpunkt des Auftretens des burst-Maximums bestimmt. Die mittlere Amplitude der Ausschläge

wurde geschätzt und die Anzahl der Ausschläge oberhalb des Rauschens wurde ermittelt. Die

Differenzierung von normalen und pathologisch veränderten hochfrequenten SEP-Komponenten

wurde anhand der Anzahl der Ausschläge durchgeführt. Dabei wurde der 600Hz-burst beim

30

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Auftreten von mehr als 5 Zyklen oberhalb des Rauschens + zweifache Standardabweichung als

normal klassifiziert. Des weiteren wurde der Zeitpunkt des burst-Maximums im Verhältnis zur

N20-Latenz betrachtet. Das burst-Maximum galt als latenzverzögert, wenn es mehr als 2 ms

nach der N20-Latenz auftrat.

31

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4. Ergebnisse

4.1 Ergebnisse der Kontrollgruppe

Die Untersuchung der Kontrollgruppe diente der Erstellung von Vergleichswerten für die N20

und für die 600Hz-Aktivität. Die Ergebnisse finden sich im Einzelnen im Anhang (Tab. 1, Seite

54).

Bei allen gesunden Versuchspersonen fanden sich Normwerte in der zervikalen Ableitung, so daß

eine Beeinträchtigung der Impulsfortleitung im untersuchten Anteil des peripheren

Nervensystems ausgeschlossen werden konnte.

In der Kontrollgruppe wurde ein Mittelwert für die Latenz der Komponente N20 von 19,28 ms

ermittelt (gestreut von 17,2 ms bis 21,7 ms). Die Standardabweichung betrug 0,96 ms. Das

Intervall, in welchem die Reizantworten der Patienten als normal bewertet wurden, errechnete

sich somit als Mittelwert +/- dreifache Standardabweichung zu 16,39 ms bis 22,2 ms.

Die Amplitude der N20 stellte sich in der Kontrollgruppe als sehr variabel dar. Im Mittel betrug

die Amplitude im Vergleich zur Gegenseite 69,7 %.

Bei 5 gesunden Kontrollpersonen betrug die Amplitude der N20 weniger als die nach Maugière

(1999) für eine Bewertung als normal geforderten 50 % des kontralateralen Vergleichswerts. Der

Absolutwert von 0,8 mV wurde jedoch nicht unterschritten.

Bei allen gesunden Versuchspersonen konnte die hochfrequente SEP-Aktivität nachgewiesen

werden.

Es wurde der Beginn, der Zeitpunkt der maximalen Amplitude, das Ende, die Dauer, die

Amplitude und die Anzahl der Ausschläge oberhalb des Rauschens des 600Hz-bursts beurteilt.

Im Mittel begann der 600Hz-burst nach 13,2 ms und endete nach 24,3 ms, was einer mittleren

Dauer von 11,1ms entsprach. Die maximale Amplitude der hochfrequenten SEP-Aktivität lag im

Mittel bei 18,2 ms. Dieses Maximum fand sich durchschnittlich 1,1 ms vor der N20-Latenz,

gestreut von 4 ms vor der N20 bis 1,9 ms danach.

Der Mittelwert der Amplitude der 600Hz-Aktivität lag bei 0,09 µV. Auch die Amplitude der

600Hz-Aktivität unterlag starken inter- und intraindividuellen Schwankungen zwischen 0,03 µV

und 0,3 µV.

32

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Die Anzahl der Ausschläge, die sich größer als der Mittelwert des Rauschens + zweifache

Standardabweichung zeigten, betrug im Mittel 12,3. Bei einer Standardabweichung von 2,3

errechnete sich das Intervall Mittelwert +/- dreifache Standardabweichung zu 5,3 bis 19,4. Für

die Patientengruppe wurde für die Anzahl der Ausschläge ein Wert >5 zur Bewertung als normal

gefordert.

4.2 Ergebnisse der Patientengruppe

Die Meßwerte der einzelnen Patienten finden sich im Anhang in Tabelle 2 (Seite 55ff).

4.2.1 Niederfrequente SEP-Komponenten

In den Ableitungen der Nackenpotentiale, die dem Ausschluß einer peripheren

Leitungsverzögerung dienten, fanden sich auch in der Patientengruppe keine pathologichen

Veränderungen, die mittlere Latenz der N14 lag bei 13,3 ms.

Die kortikale Reizantwort wurde nach den beschriebenen Kriterien als normal oder als

pathologisch eingestuft, insgesamt waren 50 der untersuchten 100 Körperseiten hinsichtlich der

N20 als pathologisch zu bewerten. Dabei fand sich bei 30 Untersuchungen eine

Latenzverzögerung, in 29 Fällen ein Amplitudenminderung.

4.2.2 Hochfrequente SEP-Komponenten

Bei 41 der untersuchten 100 Körperhälften fand sich in der Patientengruppe eine pathologische

Veränderung der hochfrequenten SEP-Anteile. In 34 Fällen waren weniger als 5 Zyklen oberhalb

des Rauschens + 2fache Standardabweichung vorhanden, in 7 Fällen wurde die 600Hz-Aktivität

als verzögert klassifiziert, da ihr Maximum mehr als 2 ms nach der N20 auftrat, was in der

gesunden Kontrollgruppe in keiner Untersuchung der Fall war. In zwei dieser 7 Fälle war neben

der Verzögerung der 600Hz-Aktivität eine Amplitudenminderung der N20, in einem weiteren

Fall eine Latenzverlängerung der N20 zu erkennen.

Die Amplitude des Rauschens, die aus dem Prästimulus-Intervall ermittelt wurde, lag sowohl in

der Patientengruppe als auch in der Kontrollgruppe bei +/- 0,005 µV bis +/- 0,1 µV.

33

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4.2.3 Gruppierung der Patienten

Anhand der Eigenschaften der nieder- und der hochfrequenten SEP-Komponenten wurden die

Patientendaten in verschiedene Typen eingeteilt. Jeder der Körperseiten wurde einer der

folgenden Typen zugewiesen:

Typ 1: N20 normal

600Hz-SEP normal

Typ 2: N20 latenzverzögert (2a) oder normal (2b)

600Hz-SEP pathologisch verändert

Typ 3: N20 amplitudengemindert

600Hz-SEP normal

Dabei repräsentiert Typ 2 einen Krankheitsverlauf, der in Besonderem durch Demyelinisierung

gekennzeichnet ist. Charakterisiert wird der demyelinisierende Typ durch erloschene

hochfrequente SEP-Anteile und eine entweder unauffällige oder aber latenzverzögerte N20 bei

Leitungsverlangsamung durch Demyelinisierung. Fälle mit primär axonaler Schädigung wurden

als Typ 3 klassifiziert, mit normalem hochfrequenten Anteil und amplitudengeminderter N20.

Als Typ 4 wurden alle Ergebnisse eingruppiert, die nicht eindeutig einem der ersten drei Typen

zugeordnet werden konnten (N20 amplitudengemindert und/oder latenzverzögert, 600Hz-SEP

pathologisch verändert), sie stehen für eine kombinierte axonale und demyelinisierende

Schädigung.

Typ 1 (normale N20/ normale 600Hz): Diese Kombination fand sich bei 39 der 100 untersuchten

Körperseiten. Eine beispielhafte Abbildung findet sich in Abb. 2, rechte Spalte.

28 dieser 39 als Typ 1 klassifizierten Körperseiten fanden sich bei Patienten, die einen

schubförmigen Verlauf zeigen, 4 bei Patienten mit einem primär chronisch progredienten

Verlauf und 7 bei Patienten mit sekundär chronisch progredienter Verlaufsform.

16 der 39 als Typ 1 klassifizierten Körperseiten waren schon einmal von einer

Sensibilitätsstörung betroffen, 10 davon zeigten zum Zeitpunkt der SEP-Ableitung jedoch kein

aktuelles Sensibilitätsdefizit. 6/39 Körperseiten hatten also eine aktuelle Sensibilitätsstörung,

wovon 5 zum Zeitpunkt der Messung neu aufgetreten waren und nur eins ein persistierendes

Defizit war.

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Abb. 2 Patient 1 SN. rechte Spalte: Beispiel für Typ 1, N20 normal, 600Hz-Aktivität vorhanden; linke Spalte:

Beispiel für Typ 4, N20 pathologisch, da im Seitenvergleich links verminderte Amplitude, 600Hz-Aktivität nicht vorhanden.

Typ 2 (normale oder latenzverzögerte N20/ pathologische 600Hz): Dieser Typ, dem eine eher

demyelinisierende Verlaufsform zugrunde liegen könnte, fand sich bei 27 der 100 untersuchten

Körperseiten, wobei bei 16 Körperseiten mit einer latenzverzögerten N20 dem Typ 2a

entsprachen, 11 bei normaler N20 dem Typ 2b.

19 der 27 als Typ 2 klassifizierten Körperseiten fanden sich bei Patienten mit schubförmigem

Verlauf, eine bei einem Patienten mit primär chronisch progredientem Verlauf und 7/27 bei

Patienten mit sekundär chronisch progredientem Verlauf.

An 19 der 27 Körperseiten hatte schon einmal eine Sensibilitätsstörung bestanden, aktuell

bestand bei 6 dieser 19 Körperseiten jedoch kein Sensibilitätsdefizit mehr, bei 13 fand sich auch

zum Zeitpunkt der Messung eine Sensibilitätsstörung. 5 von 13 waren neu aufgetretene

Sensibilitätsstörung, 8 von 13 waren persistierende Sensibilitätsstörungen.

Die weitere Unterteilung der Ergebnisse für Typ 2a und 2b findet sich im Anhang in Tabelle 3

und 4 (Seite 59), ein Beispiel für Typ 2b findet sich in Abb. 3, rechte Spalte, und für Typ 2a in

Abb. 4, rechte Spalte.

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Abb 3. Patient 17 GH, rechte Spalte: Beispiel für einen Typ 2b, Latenz und Amplitude der N20 im Normbereich, 600Hz-Aktivität nicht vorhanden (< 5 Zyklen oberhalb Rauschen)

Abb. 4, Patient 28 FR, rechte Spalte: Beispiel für Typ 2a, N20 latenzverzögert, keine 600 Hz Aktivität; linke Spalte: Typ 1.

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Abb. 5 Patient 12 PD. rechte Spalte: Beispiel für Typ 3 (axonaler Schädigungstyp), reduzierte Amplitude der N20, normale 600Hz-Aktivität. linke Spalte: Typ 1.

Typ 3 (amplitudengeminderte N20/ normale 600Hz): Dieser Typ spricht für eine eher axonale

Schädigung. Er fand sich bei 13 der 100 untersuchten Körperseiten. 7 dieser Körperseiten fanden

sich bei Patienten mit schubförmigem Verlauf, eine bei einem Patienten mit primär chronisch

progredientem Verlauf und 5 bei Patienten mit sekundär chronisch progredientem Verlauf.

Bei 8 dieser 13 Körperseeiten hatte schon einmal vorher oder aktuell ein Sensibilitätsdefizit

bestanden, wobei zum Zeitpunkt der Messung 4 Patienten wieder ohne Sensibilitätsstörung

waren und 4 noch ein aktuelles Sensibilitätsdefizit zeigten. Davon war nur eins zum Zeitpunkt

der Messung neu aufgetreten, 3 von 4 waren persistierende Sensibilitätsstörungen.

Eine Beispiel für Typ 3 findet sich in Abb. 5, rechte Spalte.

Typ 4 (latenzverzögerte und/oder amplitudengeminderte N20/pathologische 600HZ): Dieser Typ

reflektiert einen sowohl demyelinisierenden als auch axonalen Schädigungstyp. Er fand sich bei

21 der 100 untersuchten Körperseiten, 14 bei Patienten mit schubförmigem Verlauf, 2 bei

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Patienten mit primär chronisch progredientem Verlauf und 5 bei Patienten mit sekundär

chronisch progredienter Verlaufsform.

An 15 der 21 Körperseiten hatte vorher oder auch aktuell ein Sensibilitätsdefizit bestanden,

davon war nur bei 1 Körperseite zum Untersuchungszeitpunkt wieder intakte Sensibilität

vorhanden. Bei 14 Körperseiten bestand auch zum Untersuchungszeitpunkt eine

Sensibilitätsstörung. Davon waren 10 persistierende und 4 neu aufgetretene Defizite.

Ein Beispiel findet sich in Abb. 2, linke Spalte.

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5. Diskussion

Die in der vorliegenden Untersuchung ermittelten Ergebnisse für die kortikale Primärantwort

N20 nach Stimulation des N. medianus bei Patienten mit sicherer Multipler Sklerose korrelieren

mit früher erhobenen Daten. In einer Patientengruppe mit klinisch sicherer Multipler Sklerose

fanden Trojaborg und Petersen (1979) in 64% der Fälle einen pathologischen SEP-Befund.

Chiappa (1990) hat die Ergebnisse verschiedener Studien zusammengefaßt und fand bei

Patienten mit Störungen im somatosensiblen System in 75% und bei Patienten ohne

Sensibilitätsstörungen in 42% pathologische SEP.

In der vorliegenden Untersuchung traten unabhängig vom klinischen Befund in 50% der Fälle

pathologische SEP-Ergebnisse auf.

Bezieht man den klinischen Befund in die Auswertung mit ein, so zeigten sich folgende

Ergebnisse: Bei Patienten, die zum Zeitpunkt der Untersuchung eine Sensibilitätsstörung in der

untersuchten Extremität zeigten, war die N20 in 27 von 37 Fällen (=72,9%) latenzverzögert

oder amplitudengemindert. Bei den Patienten ohne aktuelle Sensibilitätsstörung trat in nur

36,5% eine pathologisch veränderte N20 auf.

Somit weichen die Ergebnisse der hier vorliegenden Untersuchung nur wenig von früher

erstellten Studien ab.

Für das Entstehen der hochfrequenten SEP-Anteile ist eine hohe zeitliche Präzision der

Erregungsausbreitung Voraussetzung. Bei einer durchschnittlichen Frequenz der hochfrequenten

Anteile von 600 Hz besteht zwischen den einzelnen positiven und negativen burst-

Komponenten eine Latenz von etwa 0,8 ms. Unter der Annahme, daß die abgeleitete 600Hz-

Aktivität beim Mitteln der Reizantworten durch Summation einzelner Reizantworten entsteht,

würde schon eine geringfügige zeitliche Verschiebung der einzelnen Reizantworten von 0,8 ms

genügen, um die 600Hz-Aktivität nicht mehr messbar zu machen. Positive und negative peaks

würden sich gegenseitig aufheben.

Diese zeitliche Verschiebung müßte aber nicht unbedingt zu einer Beeinträchtigung der

primären kortikalen Reizantwort führen. Wenn also, wie zum Beispiel bei der Multiplen Sklerose,

die Erregungsausbreitung ihre zeitliche Präzision verliert, kann dies zu einer Auslöschung der

600Hz-Aktivität führen, die nicht unbedingt mit einer pathologischen N20 einhergeht.

Neben der verlangsamten Impulsfortleitung und dem Leitungsblock ist die desynchronisierte

Erregungsausbreitung ein Merkmal der demyelinisierten Nervenfaser (Waxman et al. 1995).

Unterschiedliche Fasern - aber auch einzelne Fasern in ihrem Verlauf in den MS-Plaques - sind

39

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von der Demyelinisierung in unterschiedlichem Ausmaß oder in unterschiedlicher Länge

betroffen, so daß sowohl in benachbarten demyelinisierten Internodien als auch in

aufeinanderfolgenden Internodien einer einzelnen Nervenfaser unterschiedlichste

Nervenleitgeschwindigkeiten gemessen werden können. Rasminsky und Sears (1972) wiesen an

Vorderwurzelfasern, die mit Diphterie-Toxin demyelinisiert worden waren, internodale

Latenzzeiten der Erregungsausbreitung von bis zu 500 µs nach, verglichen zu den an

myelinisierten Fasern gefundenen etwa 20 µs.

Es sind verschiedene Mechanismen für die Wiederherstellung der Erregungsausbreitung an

demyelinisierten Nervenfasern beschrieben worden: Schon in frühen elektrophysiologischen

Studien (Lehmann und Ule, 1964) wurden die an experimentell demyelinsierten Fasern

gemessenen Nervenleitgeschwindigkeiten als Zeichen für eine kontinuierliche

Erregungsausbreitung wie bei nicht myelinisierten Fasern gewertet, da die Werte den für

marklose Nervenfasern desselben Durchmessers erwarteten Nervenleitgeschwindigkeiten

entsprachen. Bostock und Sears zeigten 1978 an demyelinisierten Nervenfasern einen

gleichmäßig verteilten einwärtsgerichteten Stromfluß über die axonale Membran über eine

Strecke, die dem 1,5fachen der normalen Internodien entsprach. Die Geschwindigkeit dieser

kontinuierlichen Erregungsausbreitung betrug 1/20 bis 1/40 der für diese Fasern normalen

Geschwindigkeit. Immuncytochemische Studien (England et al 1990, Black et al. 1991) zeigten

an der vorher myelinisierten Axonmembran einige Tage nach Demyelinisierung eine

Immunoreaktivität, die der des Ranvierschen Schnürring entspricht, und schufen so Anhalt für

eine erhöhte Natrium-Kanal-Dichte am demyelinisierten Axon. Eine kontinuierliche

Erregungsausbreitung kann so zustande kommen.

Zum anderen kann aber auch an demyelinisierten Nervenfasern eine Art saltatorische

Erregungsausbreitung erfolgen, wenn sich die Natrium-Kanäle in sogenannten „phi-Knoten“

periodisch über die demyelinisierte Membran verteilen (Smith et al. 1982). Smith et al. schlugen

vor, daß diese Ansammlungen von Natrium-Kanälen Vorläufer der Ranvierschen Schnürringe

darstellen, die nach Remyelinisierung wieder auftreten. Die Foci finden sich etwa alle 100 – 200

µm, was auch den Internodien an remyelinisierten Fasern entspricht.

Als dritte Möglichkeit der Wiederherstellung der Erregungsausbreitung an demyelinisierten

Nervenfasern besteht die Remyelinisation. An experimentellen Modellen (Blakemore 1973,

Ludwin 1978) konnten die Charakteristika remyelinisierter Nervenfasern wie das Auftreten von

im Verhältnis zur Axondicke extrem dünnen Markscheiden und das Vorhandensein von

verkürzten Internodien und verbreiterten Ranvierschen Schnürringen festgelegt werden. Diese

für die Remyelinisation charkteristischen Veränderungen wurden auch in MS-Plaques gefunden

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(Prineas 1986). In unterschiedlichem Ausmaß fanden sich diese Charakteristika in den

Randgebieten nahezu aller chronischer MS-Herde, aber teils auch über die gesamte Ausdehnung

solcher Herde. Aufgrund der verkürzten Internodien sind auch in remyelinisierten Fasern die

Leitgeschwindigkeiten vermindert, und aufgrund des unterschiedlichen Grades der

Remyelinisation kann die zeitliche Synchronizität verlorengehen.

Wie oben erwähnt erscheint die Ableitung der 600Hz-Aktivität für alle Formen des

Synchronizitäts-Verlust anfälliger als die kortikale Primärantwort. In der vorliegenden Arbeit

fanden sich in 11% der untersuchten Körperseiten eine Kombination (Typ 2b) von normaler N20

und pathologischer 600Hz-Aktivität, was für einen vorwiegend demyelinisierenden Prozeß

spricht, in dessen Folge ein Verlust der synchronisierten Erregungsausbreitung auftritt. Dieser ist

aber hier nicht so ausgeprägt, daß er eine Deformierung oder Latenzverzögerung der N20 nach

sich zieht.

Bei latenzverzögerter N20 kann eine pathologische 600Hz-Aktivität (Typ 2a) weiteren Anhalt für

einen vorwiegend demyelinisierenden Prozeß liefern.

Neben der Demyelinisierung als primärer Schädigungsart ist in den letzten Jahren zunehmend

axonaler Schaden auch in akut demyelinisierten MS-Plaques und in frühen Erkrankungsstadien

beschrieben worden (Ferguson et al. 1997, Trapp et al. 1999). Bitsch et al. (2000) untersuchten

akut aufgetretenen axonalen Schaden an Biopsien von MS-Plaques mittels Nachweis des

Amyloid-Precursor-Proteins (APP) in Relation zu Demyelinisierung und Entzündung. Sie fanden

sowohl in aktiven akut demyelinisierten als auch in chronisch demyelinisierten inaktiven MS-

Plaques, aber auch in remyelinisierten Zonen akkumuliertes APP, was auf einen akut

aufgetretenen axonalen Schaden hinweist. Der axonale Schaden tritt somit wenigstens zum Teil

unabhängig von Demyelinisierung auf, seine Pathogenese könnte eine andere sein. Die Größe

des axonalen Schadens korreliert mit dem klinischen Zustand des Patienten (Davie et al. 1999)

und wird vor allem für chronische persistierende Funktionsbeeinträchtigungen bei MS-Patienten

verantwortlich gemacht (Stefano et al. 2000).

Als elektrophysiologisches Korrelat für den Untergang von Axonen zeigten McGavern et al.

(2000) an einem experimentellen Tiermodell unter anderem eine deutliche Amplitudenreduktion

der gemessenen evozierten Potentiale.

Auch in der vorliegenden Arbeit nahmen wir bei reduzierter N20-Amplitude ohne

Latenzverzögerung und bei normaler 600Hz-Aktivität eine zugrundeliegende vorwiegend

axonale Schädigung an. Diese als Typ 3 beschriebene Kombination der Ergebnisse für N20 und

600Hz fand sich bei 13% der untersuchten Körperseiten.

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Diese Kombination kann aber auch bei einem funktionellen axonalen Block, dem Leitungsblock

bei akuter Demyelinisierung auftreten. Wenn an einer Nervenfaser die Erregungsausbreitung

nicht fortgesetzt wird, führt dies unabhängig von einer morphologischen Schädigung zum

gleichen elektrophysiologischen Ergebnis, da die SEP-Ableitung eine funktionelle Untersuchung

des Nevensystems darstellt.

Ein funktioneller Leitungsblock wurde an demyelinisierten Fasern sowohl des peripheren als

auch des zentralen Nervensystems gefunden (Rasminsky und Sears, 1972). Verantwortlich für

den Leitungsblock an akut demyelinisierten Nervenfasern sind kapazitive Verluste über die

axonale Membran, so daß am nächsten Ranvierschen Schnürring kein Aktionspotential ausgelöst

wird. Dazu trägt die geringe Dichte von Natrium-Kanälen an der jetzt demyelinisierten Membran

und das Freiliegen von Kalium-Kanälen an der Membran bei. Diese Kalium-Kanäle liegen

normalerweise unter der Myelinschicht. Der Leitungsblock kann je nach Ausmaß

frequenzabhängig sein, so daß einzelne Impulse oder Salven von geringer Frequenz fortgeleitet

werden, hochfrequente Impulssalven den demyelinisierten Plaque jedoch nicht passieren, oder er

kann komplett sein.

Die oben beschriebenen Mechanismen der Wiederherstellung der Erregungsausbreitung an

demyelinisierten Nervenfasern wurden hauptsächlich an experimentellen Modellen

nachgewiesen. Moll et al. (1991) untersuchten die Dichte der Natrium-Kanäle an

demyelinisierten Nervenfasern bei MS-Patienten mittels quantitativer Autoradiographie mit

Saxitoxin und fanden eine signifikante bis zu vierfache Zunahme der Saxitoxin-Bindung und

somit der Natrium-Kanal-Dichte an den betroffenen Nervenfasern. Von einer Wiederherstellung

der Impulsfortleitung durch Neuverteilung von Ionenkanälen kann daher auch bei der Multiplen

Sklerose ausgegangen werden. In welchem zeitlichen Rahmen diese Neuverteilung auftritt, ist

noch ungekärt. An experimentellen Modellen konnte sowohl die kontinuierliche

Erregungsfortleitung als auch das Auftreten von phi-Knoten schon wenige Tage nach der

experimentellen Demyelinisierung nachgewiesen werden. Bezüglich des zeitlichen Ablaufs der

Remyelination zeigte Lassmann 1983, daß schon in den ersten Tagen nach Herdbildung bei

akuten MS-Läsionen Remyelinationsvorgänge auftreten. Bei chronischem Verlauf der Multiplen

Sklerose jedoch erst später.

Smith und McDonald (1999) sehen den funktionellen Leitungsblock als Hauptursache der

klinischen Defizite während eines Erkrankungsschubs an und interpretieren den Rückgang der

Symptomatik als Ausdruck der Wiederherstellung der Impulsfortleitung über die

demyelinisierten Axone. Fortbestehende neurologische Symptomatik wird als Folge von

Axondegeneration angesehen.

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Auch die hier erhobenen Daten können in diesem Zusammenhang betrachtet werden. An einer

der 13 als Typ 3 (axonaler Schädigungstyp) klassifizierten Körperseiten bestand eine neu

aufgetretene Sensibilitätsstörung, die im Sinne eines akuten Schubs zu werten ist. Bei dieser

Messung könnte eine funktionelle, nicht jedoch eine morphologische Axonschädigung als

Ursache für das Meßergebnis vorliegen. Auch bei den weiteren als Typ 3 klassifizierten

Körperseiten ist ein Beitrag eines fortbestehenden funktionellen Leitungsblock bei Versagen der

Reparaturmechanismen nicht auszuschließen.

In ihrer Untersuchung zur Relation von akuter axonaler Schädigung und Demyelinisierung bzw.

entzündlicher Aktivität mittels Nachweis von APP fanden Bitsch et al. (2000) das größte

Ausmaß axonaler Schädigung bei Patienten mit sekundär chronisch progredienter Verlaufsform.

Patienten mit primär chronischem Verlauf zeigten überraschenderweise relativ wenig axonalen

Schaden.

Auch in den hier erhobenen Daten fand sich ein großer Teil (38,5%) der als Typ 3 (axonaler

Schädigungstyp) klassifizierten Körperhälften bei Patienten mit sekundär chronisch

progredienter Verlaufsform. Nur eine Körperseite, die als Typ 3 gewertet wurde, trat bei einem

Patienten mit primär chronisch progredientem Verlauf auf.

Die elektrophysiologischen Ergebnisse korrespondieren mit den erhobenen klinischen Daten. An

den Körperseiten, die elektrophysiologisch dem Typ 1, also einem Normalbefund entsprachen,

hatte in nur 41% der Fälle einmal ein Sensibilitätsdefizit bestanden. Aktuell waren nur 15,4%

dieser Körperseiten von einer Sensibilitätsstörung betroffen. Bei Typ 2b wird der etwas höhere

Grad der Demyelinisierung elektophysiologisch bei normaler N20 durch die pathologische

600Hz-Aktivität beschrieben. Bei diesen Patienten hatte in 45,5% der Fälle schon einmal eine

Sensibilitätsstörung bestanden, zum Zeitpunkt der Messung war bei 36,45% der Körperseiten

vom Typ 2b ein Sensibilitätsdefizit vorhanden.

Bezüglich der Meßergebnisse besteht bei den Patienten vom Typ 2a mit einer pathologischen

N20 und pathologischer 600Hz-Aktivität eine weitaus stärkere Demyelinisierung. Diese

Annahme bestätigt sich bei Betrachtung des klinischen Zustands der Körperseiten vom Typ 2a:

In 87,5% der Fälle hatte schon einmal ein Sensibilitätsdefizit bestanden, in 56,6% bestand auch

zum Meßzeitpunkt ein Sensibilitätsdefizit, also deutlich mehr als bei Patienten mit

elektrophysiologischem Normalbefund bzw. nur leichter Demyelinisierung. Auch in der

Patientengruppe vom Typ 4 (sowohl axonale als auch demyelinisierende Schädigungszeichen)

hat bereits ein großer Anteil der Patienten klinische Defizite: bei 71,4% waren

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Sensibilitätsstörungen aufgetreten, bei 66,7% bestanden solche auch zum Zeitpunkt der

Messung.

Der axonal Schädigungstyp (Typ 3) rangiert mit 61,8% jemals aufgetretenen und 30,8%

aktuellen Sensibilitätsstörungen im mittleren Bereich.

Die axonale Schädigung wird in letzter Zeit zunehmend als histopathologisches Korrelat vor

allem für die persistierende Behinderung bei MS-Patienten angesehen (Barnes et al. 1991, Filippi

et al. 1994, Smith et al. 1999). DeStefano et al. fanden in einer Longitudinalstudie, in der 29

Multiple-Sklerose-Patienten über 30 Monate beobachtet wurden, eine Korrelation zwischen

klinischem Defizit/EDSS-Score und axonaler Schädigung, die als N-Acetylaspartat-MRT

gemessen wurde.

Bei den hier als Typ 3 oder als Typ 4 (axonaler bzw. gemischter, also u. a. auch axonaler

Schädigungstyp) eingruppierten insgesamt 34 Körperseiten bestand bei 13 (38,2%) ein

persistierendes Sensibilitätsdefizit. Von den insgesamt 22 Körperseiten, an denen eine

persistierende Sensibilitätsstörung beschrieben wurde, wurden diese 13 Körperseiten als Typ 3

oder 4 klassifiziert, was 59,1% der Körperseiten mit persistierender Sensibilitätsstörung

ausmacht. Ein Großteil der Patienten mit persistierender Klinik hatte also nach den

angewandten elektrophysiologischen Kriterien ein wenigstens zum Teil axonales

Schädigungsmuster.

Allerdings traten auch bei elektrophysiologisch vorwiegend demyelinisierenden

Schädigungsformen persistierende Sensibilitätsstörungen auf.

Die vorliegende Analyse sowohl der konventionell erhobenen somatosensibel evozierten

Potentiale als auch der hochfrequenten Aktivität kann Grundlage einer elektrophysiologischen

Unterteilung der MS-Verlaufsformen in demyelinisierende, axonale und gemischte

Schädigungsmuster sein. Die Vielschichtigkeit der vorliegenden Ergebnisse steht im Einklang mit

der Heterogenität der Läsionen bei Multipler Sklerose. Zwar wurde auch die axonale Schädigung

schon bei ersten Beschreibungen des Krankheitsbildes (Charcot 1868) erwähnt, ihr Auftreten

jedoch schon in frühen Krankheitsstadien ist allerdings erst durch Studien in jüngerer Zeit

betont worden. Die verschiedenen vorliegenden N20/600Hz-Muster stellen das

elektrophysiologische Korrelat der histopathologischen Heterogenität der MS-Läsionen dar.

Die Analyse auch der hochfrequenten SEP-Anteile neben den konventionell erhobenen

niederfrequenten SEP-Antworten erweitert die Aussagekraft elektrophysiologischer

Untersuchungen bei Multipler Sklerose. Zum einen können schon leichte demyelinisierende

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Prozesse, die sich bei Auswertung nur der N20 nicht zeigen, erkannt werden. Zum anderen kann

über die Schädigungsart der lemniskalen Bahnen und insbesondere der thalamokortikalen

Projektion eine Aussage gemacht werden. Bei Weiterentwicklung der Therapiemöglichkeiten

könnte dies die Auswahl der Therapieform beeinflussen.

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6. Zusammenfassung

Bei Ableitung somatosensibel evozierter Potentiale nach Medianus-Stimulation treten im

Zeitfenster der primären kortikalen Reizantwort (N20) beim Menschen hochfrequente (600 Hz)

Oszillationen auf. Diese werden sowohl in tiefen Anteilen der thalamokortikalen

Projektionsfasern als auch im primär sensorischen Kortex generiert.

In der vorliegenden Arbeit soll die Hypothese überprüft werden, ob die hochfrequenten SEP-

Komponenten empfindlicher gegenüber zeitlicher Dispersion der Impulsfortleitung, wie sie zum

Beispiel in demyelinisierten Läsionen auftritt, sind als die N20. Es wurden sowohl die

hochfrequenten SEP-Komponenten als auch die N20 nach bilateraler Medianus-Stimulation bei

50 Patienten mit gesicherter Multipler Sklerose mit bei 30 gesunden Probanden erhobenen

Daten verglichen.

Es wurden 3 verschiedene Muster der Potentialveränderungen gefunden:

1. Pathologisch veränderte 600Hz-Aktivität kombiniert entweder mit einer normalen (11% der

untersuchten Körperseiten) oder einer latenzverzögerten N20 (16%). Dieses Muster kann einen

vorwiegend demyelinisierenden Schädigungstyp der Erkrankung reflektieren.

2. Eine amplitudengeminderte N20 kombiniert mit normaler 600Hz-Aktivität (13%), erklärbar

durch eine vorwiegend axonale Schädigung bei den entsprechenden Patienten.

3. Ein Mischtyp (21%) aus den beiden oben genannten Mustern, der auf eine sowohl axonale als

auch demyelinisierende Schädigung oder auf einen Leitungsblock bei Demyelinisierung

hindeutet.

Das Auftreten von pathologisch veränderter 600Hz-Aktivität bei unauffälliger N20-Komponente

spricht für eine höhere Empfindlichkeit der hochfrequenten Oszillationen gegenüber leichter

Demyelinisierung, die noch nicht zu einer Latenzverzögerung der N20 führt.

Desweiteren kann mit der kombinierten Untersuchung von konventionell erhobenen

somatosensiblen evozierten Potentialen und hochfrequenter Aktivität der Krankheitsverlauf

elektrophysiologisch in demyelinisierende, axonale und gemischte Schädigungsmuster unterteilt

werden.

Dies erweitert die Aussagekraft der elektrophysiologischen Untersuchung bei Patienten mit

Multipler Sklerose in Hinblick auf Krankheitsverlauf und Schädigungsmuster.

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8. Anhang/Tabellen

Kontrollgruppe Patientengruppe Median MW SD Grenzwert Median Mittelwert SD Anzahl

pathol. N20 Latenz/

Seitendiff (ms) 19,2 0,4

19,26 0,34

0,96 0,25

22,2 >1,5

20,1

20,7

2,07

30

N20 Ampl (µV)/ Seitendiff. (%)

2,24 29

2,48 30,3

1,32 <0,8 >50%

1,96

2,2 1,49 29

insges. pathol. N20

50

Beginn 600Hz (ms)

13,3 13,24 1,31 13,7 14,2 2,47

Ende 600Hz (ms)

24,1 24,35 1,77 24,9 24,7 2,72

Dauer 600Hz (ms)

11,65 11,12 1,97 10,65 10,5 2,89

Maximum 600Hz (ms)

17,85 18,2 1,68 19,1 19,23 2,38

Latenz Max. 600Hz-N20 (ms)

-1,4 -1,08 1,30 >2,00 -0,6 -0,95 2,34 7

Amplitude 600Hz (µV)

0,08 0,09 0,055 0,04 0,044 0,02

Ausschläge > Rauschen + 2SD

13 12,33 2,36 >5 10 9,4 4,4 34

insges. pathol. 600Hz

41

Latenz N14 (ms)

13,3 13,4 0,91 13,39 13,3 0,97

Amplitude N14 (µV)

1,45 1,55 0,52 0,8 0,94 0,52

Latenz (ms) N14-N20

5,8 5,85 0,51 6,5 7,09 2,06

Tab. 1: Ergebnisse

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Niederfrequente Aktivität N20-Latenz (ms) N20-Amplitude

(µV) Seitenvgl. Latenz Vgl. Amplitude %

Patient 1 links 19,5 1,21 rechts 18,9 3,35 0,6 36 Patient 2 links 19,7 2,14 rechts 19,1 1,99 0,6 93 Patient 3 links 23,4 1,74 rechts 18,5 3,71 4,9 47 Patient 4 links 19,9 2,82 rechts 20,1 2,85 0,2 99 Patient 5 links 23,1 1,33 rechts 22,6 1,67 0,5 80 Patient 6 links 18,3 4,67 rechts 18,7 3,83 0,4 82 Patient 7 links 26,1 2,89 rechts 25,2 3,93 0,9 74 Patient 8 links 21,3 0,91 rechts 19,3 1,23 2 74 Patient 9 links 20,9 2,52 rechts 23,6 5,15 2,7 49 Patient 10 links 19,5 6,38 rechts 19,7 6,36 0,2 99 Patient 11 links 20,1 1,95 rechts 21,1 2,91 1 67 Patient 12 links 17,8 1,23 rechts 18,7 0,38 0,9 31 Patient 13 links 19,1 1,15 rechts 20,5 1,21 1,4 95 Patient 14 links 18,1 1,82 rechts 25,2 n.b. 7,1 Patient 15 links 21,7 3,81 rechts 22,8 5,01 1,1 76 Patient 16 links 21,7 1,47 rechts 23,8 3,16 2,1 47 Patient 17 links 20,1 2,79 rechts 21,1 1,85 1 66 Patient 18 links 19,1 0,95 rechts 22,6 1,81 3,5 52 Patient 19 links 19,3 1,37 rechts 20,1 1,97 0,8 70 Patient 20 links 17,8 0,58 rechts 17,8 0,83 0 70 Patient 21 links 21,5 1,41 rechts 20,3 1,63 1,2 86 Patient 22 links 21,1 2,14 rechts 22,8 2,93 1,7 73 Patient 23 links 19,7 0,48 rechts 20,5 0,28 0,8 58 Patient 24 links 23,1 1,73 rechts 23,1 3,87 0 45 Patient 25 links 20,7 0,72 rechts 20,3 0,52 0,4 72

Tab. 2a: Patientengruppe, Ergebnisse niederfrequente Aktivität n. b. = nicht bestimmbar

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Niederfrequente Aktivität N20-Latenz (ms) N20-Amplitude

(µV) Seitenvgl. Latenz Vgl. Amplitude %

Patient 26 links 20,1 3,81 rechts 19,9 7,28 0,2 52 Patient 27 links 22,6 1,11 rechts 22,8 2,11 0,2 52 Patient 28 links 19,7 3,29 rechts 24,8 4,54 5,1 73 Patient 29 links 19,9 2,66 rechts 20,1 2,27 0,2 85 Patient 30 links 23,2 1,91 rechts 21,7 2,99 1,5 64 Patient 31 links 25,2 3,02 rechts 25,8 5,29 0,6 57 Patient 32 links 17,8 3,21 rechts 20,3 0,27 2,5 8 Patient 33 links 24,2 2,16 rechts 18,7 0,27 5,5 13 Patient 34 links 18,7 3,41 rechts 18,9 1,17 0,2 34 Patient 35 links 19,3 0,28 rechts 19,7 0,19 0,4 68 Patient 36 links 22,6 1,75 rechts 20,3 2,25 2,3 78 Patient 37 links 21,5 1,83 rechts 23,8 3,36 2,3 54 Patient 38 links 17,8 3,06 rechts 18,5 1,19 0,7 38 Patient 39 links 19,5 3,14 rechts 20,7 2,52 1,2 80 Patient 40 links 19,1 0,45 rechts 19,7 0,29 0,6 64 Patient 41 links 18,7 1,62 rechts 18,1 2,18 0,6 74 Patient 42 links 20,3 n.b. rechts 24,4 n.b. 4,1 Patient 43 links 20,7 2,09 rechts 21,5 2,19 0,8 95 Patient 44 links 19,5 0,69 rechts 20,7 0,44 1,2 63 Patient 45 links n.b. rechts 19,5 0,89 Patient 46 links 23,8 0,46 rechts 19,9 0,53 3,9 86 Patient 47 links 18,5 2,73 rechts 19,1 1,94 0,6 71 Patient 48 links 18,7 3,46 rechts 19,3 3,43 0,6 99 Patient 49 links n.b. n.b. rechts n.b. n.b. Patient50 links 21,9 0,34 rechts 18,3 0,85 3,6 40 Mittelwert 20,71 2,21 1,56 64,98 Median 20,1 1,96 0,9 69 Standardabweichung 2,07 1,49 1,64 21,71 MW + 3SD 26,92 6,68 MW - 3SD 14,5 -2,27 max 26,1 7,28 min 17,8 0,19

Tab. 2a: Patientengruppe, Ergebnisse niederfrequente Aktivität n. b. = nicht bestimmbar

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600 Hz- Aktivität burst-N20 burst-max (ms) burst-Beginn burst-Ende burst-Dauer Amplitude Ausschläge

Patient 1 0,9 19,8 11,6 25,5 13,9 0,1 14 -1 18,7 13,2 30 16,8 0,05 13Patient 2 -0,4 18,7 11,6 22 10,4 0,06 8 Patient 3 -3,6 14,9 11,6 23 11,4 0,07 13 0,5 20,4 15 22,5 7,5 0,06 10Patient 4 -3,5 16,6 14,1 23,5 9,4 0,05 12 -0,6 22,5 20,5 27,5 7 0,025 4Patient 5 3 2,1 20,4 14,1 22,5 8,4 0,03 9Patient 6 -0,4 18,3 12,5 25,8 13,3 0,03 14 -6 20,1 15,1 23,7 8,6 0,025 10Patient 7 -5,4 19,8 15,9 22,5 6,6 0,02 8 Patient 8 -1 18,3 15,8 22,5 6,7 0,04 8 -0,8 20,1 18,3 25 6,7 0,02 10Patient 9 2 -1 18,5 13,2 24 10,8 0,1 10Patient 10 -1,4 18,3 13,5 22,5 9 0,06 9 3Patient 11 1 22,1 15,8 29 13,2 0,02 10 0,5 18,3 10 21,8 11,8 0,04 12Patient 12 -0,6 18,1 10 20,5 10,5 0,02 8 1,7 20,8 13,2 25,8 12,6 0,015 10Patient 13 -1,4 19,1 17,5 23,2 5,7 0,015 5 1,8 19,9 11,7 26,7 15 0,15 18Patient 14 -3 18,7 17,5 25,8 8,3 0,03 6Patient 15 4 2,1 23,8 16 30,5 14,5 0,04 12Patient 16 2 25,8 22,5 30 7,5 0,04 9 0 20,1 14 26,6 12,6 0,04 15Patient 17 2 2Patient 18 2 2Patient 19 1,8 21,9 16 28 12 0,03 10 -0,3 17,5 11,6 25,5 13,9 0,05 15Patient 20 -3,8 14 12,5 20 7,5 0,04 7 -1,4 20,1 15,8 25 9,2 0,02 9Patient 21 -0,1 20,2 15,8 28,3 12,5 0,03 9 -0,1 21 13,2 25 11,8 0,03 12Patient 22 -2,7 20,1 17,5 27,5 10 0,03 11 -2,4 17,3 13,2 24 10,8 0,06 14Patient 23 2 Patient 24 1,6 24,7 16,6 28,3 11,7 0,02 10 0 20,7 14,1 23,5 9,4 0,025 12Patient 25 -4,4 15,9 13,2 24,2 11 0,025 9 20 11,6 26 14,4 0,08 11Patient 26 0,3 20,2 11,6 25,8 14,2 0,12 11 3Patient 27 2 -3,9 15,8 12,4 21,5 9,1 0,04 12Patient 28 0,9 20,8 13,2 25 11,8 0,06 14Patient 29 -1,2 18,9 17 23 6 0,04 6 2Patient 30 1,3 23 15,8 29,5 13,7 0,02 11 -8,6 16,6 13 21 8 0,02 8

-0,1

Tabelle 2b: Patientengruppe, Ergebnisse hochfrequente Aktivität

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Page 60: Differenzierung zwischen axonaler und demyelinisierender ... · Körperhälfte im lateral gelegenen Fasciculus cuneatus. Der Tractus spinobulbaris endet in den Hinterstrangkernen

600 Hz- Aktivität burst-N20 burst-max (ms) burst-Beginn burst-Ende burst-Dauer Amplitude Ausschläge

Patient 31 -3,5 22,3 16,5 26 9,5 0,02 10 -1,2 16,6 12,4 23 10,6 0,08 12Patient 32 -1,2 19,1 16,5 20,1 3,6 0,03 4 3Patient 33 1,4 20,1 12,5 30 17,5 0,02 18 1,4 20,1 13,9 26,1 12,2 0,12 15Patient 34 1,2 20,1 14,5 22,5 8 0,04 9 -2,6 16,7 14,2 24,1 9,9 0,03 12Patient 35 -2,6 17,1 14,1 23,3 9,2 0,03 12 Patient 36 -2 18,3 14,3 25 10,7 0,04 12 -0,4 21,1 18,5 31,3 12,8 0,06 14Patient 37 n.b. -0,1 17,7 12,6 23,3 10,7 0,1 14Patient 38 -2 16,5 10,2 20,2 10 0,03 12 -3,1 16,4 13,3 25,1 11,8 0,04 15Patient 39 2,6 23,3 15,3 26,7 11,4 0,04 15 -1,7 17,4 13,3 24,1 10,8 0,02 12Patient 40 -0,6 19,1 13,1 24,9 11,8 0,02 15 3 21,7 14,9 24,9 10 0,03 12Patient 41 2,7 20,8 10,4 25,2 14,8 0,05 18 2Patient 42 3 -5,6 15,1 12,3 25,8 13,5 16Patient 43 -4,8 16,7 12,5 25,8 13,3 15 Patient 44 Patient 45 4 2Patient 46 2,2 22,1 18,3 24,1 5,8 8 -3,4 15,1 11,9 20,8 8,9 9Patient 47 -2,4 16,7 13,3 21,8 8,5 9 -0,4 18,3 13,1 22,5 9,4 10Patient 48 -0,2 19,1 17,1 20,9 3,8 6 Patient 49 Patient50 Mittelwert -0,93970588 19,2397059 14,225 24,7205882 10,4955882 0,04409836 9,35294118Median -0,6 19,1 13,7 24,9 10,65 0,04 10SD 2,35620107 2,40199791 2,4656067 2,71983092 2,88978819 0,02878814 4,47401461MW + 3SD 26,4456996 21,6218201 32,880081 19,1649528 0,13046277 22,774985MW - 3SD 12,0337122 6,82817989 16,5610955 1,82622367 -0,04226605 -4,06910265max 25,8 22,5 31,3 17,5 0,15 18min 14 10 20 3,6 0,015 2

Tabelle 2b: Patientengruppe, Ergebnisse hochfrequente Aktivität

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N20 600Hz Anzahl insgesamt

schubförmi-ger Verlauf

prim. chron. progredient

sek. chron. progredient

Anzahl 68 8 24 Typ 1

normal

normal

39

28

4

7

Typ 2a

latenz- verzögert

pathologisch

16

14

0

2

Typ 2b

normal

pathologisch

11

5

1

5

Typ 3

amplituden- gemindert

normal

13

7

1

5

Typ 4

amplituden-gemindert und/oder latenz- verzögert

pathologisch

21

14

2

5

Tabelle 3: Typeinteilung und Krankheitsverlauf Anzahl

insgesamt Körperseiten mit Sens.-Defizit

nur in Ver-gangenheit Sens.-Defizit

aktuelles Sens.-Defizit

neues aktuelles Sens.-Defizit

persistieren- des aktuellesSens.-Defizit

Anzahl 58 21 37 15 22 Typ 1

39

16

10

6

5

1

Typ 2a

16

14

5

9

4

5

Typ 2b

11

5

1

4

1

3

Typ 3

13

8

4

4

1

3

Typ 4

21

15

1

14

4

10

Tabelle 4: Typeinteilung und Sensibilitätsstörungen

60

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Mein Dank gilt Herrn Prof. Buchner für die freundliche Überlassung des Themas und die gute

und ausdauernde Betreuung.

Außerdem möchte ich mich bei Herrn Dr. med Gobbelé für seine Unterstützung bei allen

wissenschaftlichen Fragen und bei Harry Simon für die Bereitstellung der Auswert-Software

bedanken.

Vor allem danke ich aber allen Patienten und Probanden für ihre Teilnahme an den

Untersuchungen und für ihre Geduld während der Messungen. Ohne ihre Bereitschaft, an einer

Studie teilzunehmen, wäre die Durchführung dieser Arbeit natürlich nicht möglich gewesen.

Bei meinen Eltern möchte ich mich für die kritischen Korrekturen und die

Verbesserungsvorschläge ganz herzlich bedanken.

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Anne Dieckhöfer

Ludwigsallee 65 Lebenslauf

52062 Aachen

geboren am 02. Mai 1975 in Dortmund

1981 bis 1985 Kerschensteiner Grundschule Dortmund 1985 bis 1994 Stadtgymnasium Dortmund 1991 – 1992 Rotary-Jugend-Austausch nach Gladstone, Australien Dez. 1993 Cambridge Certificate of Proficiency in English

1994 bis 1997 Albert-Ludwigs-Universität Freiburg Physikum August 1996 1. Staatsexamen August 1997

1997 bis 2001 RWTH Aachen 2. Staatsexamen März 2000, 3. Staatsexamen Mai 2001 2000-2001 Praktisches Jahr am Krankenhaus Bardenberg und am

National Hospital for Neurology and Neurosurgery, Queen Square, London

seit 1998 Promotion bei Prof. Dr. H. Buchner Neurologische Klinik der RWTH Aachen

Thema: Differenzierung zwischen axonaler und demyelinisierender Schädigung bei Patienten mit Multipler Sklerose durch Untersuchung der hochfrequenten SEP-Komponenten nach Medianus-Stimulation

Aug. 1994 Pflegepraktikum Städtische Kliniken Dortmund März 1995 Pflegepraktikum Knappschaftskrankenhaus Dortmund Okt. 1996 Einstellung als Vorpräparantin am Anatomischen Institut,

Universität Freiburg März 1997 Famulatur Chirurgie, Johannes-Hospital, Dortmund März 1998 Famulatur Neurologie, Universitätsklinikum Aachen Juli 1998 Famulatur Kinderkardiologie, Universitätskrankenhaus

Schulbildung Hochschul- ausbildung Praktische Erfahrung

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Eppendorf, Hamburg Feb. 1999 Beginn einer einjährigen Mitarbeit als studentische

Hilfskraft, Neurologie, RWTH Aachen März 1999 Famulatur Radiologie, Praxis Dr. Schneiders, Aachen Juli 1999 Famulatur Innere Medizin, Luisenhospital, Aachen

Juli 2001 Beginn der Tätigkeit als Ärztin im Praktikum in der Neurologischen Klinik am Universitätsklinikum der RWTH Aachen