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DIGITALEKUNDENBINDUNG Viele Wege

führen zum Kunden. Es gilt, die Konsumenten über alle Kanäle zu erreichen und zu Fans

zu machen. Besonders vielversprechend sind die neuen digitalen Tools.

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KENNE DEINENKUNDEN Kundenbindung ist ein Muss: Mit den richtigen

Instrumenten und Daten können Händler die Käufer gezielter ansprechenund den Margenverfall stoppen

D as Thema Kundenbindung hat im Modehandel geradeHochkonjunktur – und zwar quer durch alle Genres und

Konzepte. H&M und das Mindener Multilabel-ModehausHagemeyer haben eine Kundenkarte eingeführt. Und Filialis-ten wie Peek&Cloppenburg Düsseldorf feilen derzeit ebensoan ihren Loyalitäts-Programmen wie die Modehandels-Platz-hirsche Engelhorn in Mannheim und Lengermann+Trie-schmann (L+T) in Osnabrück. P&C investiert zudem in einCustomer Intelligence-Projekt, um zielgerichteter mit denKunden zu kommunizieren. Auch Hersteller sind am Themadran: Marc O‘ Polo arbeitet an einem neuen Customer Rela-tionship Management (CRM), um Kauffrequenz und Einkaufs-erlebnis zu steigern. Einzelne Filialisten erzielen bis zu 90%ihres Umsatzes mit den Kartenbesitzern.Karten wurden bisher als Kundenbindungs-Instrument „eherstiefmütterlich behandelt“, sagt Uwe Seibicke von der Unter-nehmensberatung Hachmeister+Partner (H+P). „Doch derstationäre Handel spürt jetzt den Frequenzverlust und merkt,dass bisherige Tools, insbesondere der Rabatt, nicht mehrausreichen.“ Dabei gewinnt auch die genaue Analyse derKundendaten – im Online-Handel längst Standard – auch imStationärhandel weiter an Bedeutung. So können HändlerKunden gezielter ansprechen und nicht nur Mehrumsatzgenerieren, sondern auch ihre Margen schützen, indem sie die

richtige Promotion zur richtigen Zeit einsetzen. „Das Wissenum die Kunden ist der Umsatz von morgen. Hier hat derstationäre Handel noch einen Riesen-Nachholbedarf“, sagtL+T-Geschäftsführer Thomas Ganter.

Das zeigen auch Studien. So haben erst 43% der TW-Testclub-Mitglieder ein Loyalitäts-Programm. Obwohl Kundennachweislich häufiger in einem Geschäft einkaufen, wenn sieMitglied dessen Loyalitätsprogramms sind, wie der GfK Kun-denmonitor im Auftrag der TextilWirtschaft ermittelte. Undobwohl sie laut einer Untersuchung des Marktforschungs-instituts Dr. Grieger&Cie ihr Kaufverhalten ändern, um anden Vorteilen von Bonusprogrammen zu partizipieren. So gabknapp die Hälfte von 1500 befragten Verbrauchern zwischen18 und 69 Jahren an, häufiger in einem Geschäft einzukaufen,an dessen Bonusprogramm sie teilnehmen. Fast jeder Dritte(32%) kauft bewusst mehr, und 23% nehmen sogar einenUmweg in Kauf, um die Vorteile des Programms zu nutzen.Hachmeister+Partner hat 1,6 Millionen Kundenkarten vonbundesweit vertretenen Fashion-Retailern ausgewertet. DasErgebnis untermauert die Bedeutung von Kundenbindungs-maßnahmen: Karteninhaber geben demnach bis zu 15%mehr Geld aus als Kunden, die nicht bei einem Loyalitäts-Programms mitmachen.

Foto:GettyImages

Titelfoto:GettyImages

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der IT-Branche ein und rüstete die Werbe-Abteilung zumCRM-Team auf, mit Verantwortlichen für die einzelnen Kom-munikationskanäle wie Online, Print und Mailings.Parallel dazu hat das Multilabel-Haus seine 4900m2 großenDamenmode-Fläche einer Milieu-Studie unterzogen undsechs neue Stilistiken entwickelt. Der Umbau der Fläche indie Bereiche mit neuen Marken-Nachbarschaften und unter-schiedlichen Stilwelten läuft bis zum kommenden Frühjahr.Und spielt auch für das Kundenbindungsprogramm eineentscheidende Rolle.„Die Flächen geben künftig Inhalt und Ansprache der Kom-munikation vor“, sagt Vankerkom. „Wir wollen zielgerichtetund ohne Streuverluste an die richtigen Kunden kommunizie-ren.“ So bekomme die Kundin klassischer Mode andere Mai-lings als die Käuferin der Trend-Abteilung, die besser überSnapchat oder Instagram erreicht werden könne. Langfristigerhofft sich das Modehaus über die Auswertung der Datenauch Rückschlüsse für die Sortimentsplanung.

Der Modefilialist Adler, der mit seinen 3,7 MillionenKundenkarten 91% der Umsätze erfasst, nutzt die dadurchgenerierten Daten auch zur Optimierung der Werbe-Mailings,besonders im Hinblick auf Inhalt, Gestaltung, Streuzeitpunktund Selektionskriterien. Auch Esprit erwirtschaftet mit seinen5,6 Millionen Kundenkartenbesitzern den Löwenanteil seinesRetail-Umsatzes – 2016 waren es rund 70%. Darüber hinaus

Die Analyse zeigt ebenfalls: Die gängige Clusterung von Kun-den in die Gruppen A bis E – bei Kunde A ist der Umsatz amgrößten, bei Kunde E am geringsten – ist zu ungenau. Der TopShopper, der nur dreimal im Jahr in den Laden kommt, dafüraber jedes Mal teure Teile kauft, ist genau so viel wert wieder so genannte Frequent Shopper mit 18 bis 25 Kauftagenpro Jahr, bei dem allerdings jedes Mal weniger Teile auf demBon stehen, erklärt Seibicke.

Diese beiden Kundentypen haben komplett unter-schiedliche Erwartungen und brauchen unterschiedlicheAnsprachen. Den Frequent Shopper erreicht der Handel mitpermanenten Push-Meldungen, der Top Shopper sollte eherzum Saisonstart mit einem hochwertigen Journal und einerEinladung zur Fashion Show im Haus umgarnt werden.„Die Kunden-Differenzierung spielt eine immer wichtigereRolle“, betont der H+P-Manager. Ein Prinzip, auf das Hage-meyer in Minden seine Strategie aufbaut. Im März 2016 hatdas Modehaus eine Kundenkarte gestartet. Bis Ende Juniwurden bereits 22.000 Karten ausgestellt. Damit wurde jetztschon das selbst gesteckte Ziel bis zum Jahresende erreicht.„Zuerst mussten einige Voraussetzungen geschaffen werden“,berichtet Hans-Peter Vankerkom, Geschäftsführer für dieBereiche Einkauf, Verkauf und Marketing. Zum Beispiel einWarenwirtschaftssystem mit integriertem CRM-Tool, um dieDaten zu erfassen. Zudem stellte H+P einen Analysten aus

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auf die Gutscheine warten“, bestätigt Claus Schuster, Ge-schäftsführer der Dialogmarketing-Agentur Defacto X. „Dasist wie eine Droge. Der Kunde verlangt immer mehr davon.“Obendrein besteht die Gefahr, den Verbrauchern mehr Rabattzu gewähren als nötig. „Voucher verfehlen bei den meistenKunden ihr Ziel“, heißt es in einer Analyse des Beratungs-unternehmens OC&C. „Für Kundensegmente, die für wenigerRabatt die Filiale aufgesucht hätten, weil sie in der Nähewohnen oder regelmäßiger kommen, ist die Reduzierung oftviel zu stark. Das Unternehmen verschenkt Marge.“Defacto-Chef Schuster empfiehlt daher so genannte A/B-Testings, um die richtige Höhe des Gutscheinwertes zu er-mitteln. Seibicke rät, auf ein individuelles Loyalitäts-Pro-gramm zu vertrauen – das setzt aber eine entsprechendeKonzeption und Organisation voraus. Wie bei L+T in Osna-brück. Das Platzhirsch-Modehaus hat 2011 den L+T-Club ge-startet. Er zählt inzwischen 75.000 Mitglieder, die 55% zumUmsatz beitragen. Vorteile für die Kunden sind u.a. Gastro-Coupons, die beliebten Pre Sale-Rabatte und bestimmte Pro-dukte zum besonderen Preis. „Wir verzichten aber nicht aufMarge“, betont Thomas Ganter. „Wir haben bei Lieferantenentsprechende Einkaufspreise verhandelt.“Eine weitere Säule der Kundenbindung sind Events, die sichnur an Club-Mitglieder richten. Mit Stefanie Wendlinger hatdas Modehaus dafür eigens eine Event-Managerin engagiert.

führt der Modehersteller regelmäßig qualitative Kundenbefra-gungen durch, um Feedback zu den Sortimenten zu erhalten.„Vor allem die Einschätzung unserer Top-Kunden hilft unse-ren Produktteams bei der Optimierung ihrer Kollektionen“,erklärt ein Esprit-Sprecher. Ferner nutzt der börsennotierteKonzern Scoring-Verfahren, mit denen sich – basierend aufdem Einkaufsverhalten der Vergangenheit – Prognosen fürdie künftigen Bedürfnisse der Club-Mitglieder treffen lassen.

Doch wie bringt man den Kunden dazu, eine Kundenkar-te zu beantragen und somit seine Kaufdaten preiszugeben?Hagemeyer wirbt mit Bonuspunkten, AppelrathCüpper bietetu.a. eine Gratis-Änderungsschneiderei an. Bei Breuninger gibtes einem kostenlosen Auswahlservice sowie spezielle An-gebote. Vankerkom ist froh, dass Hagemeyer nicht vor Jahrenüberstürzt mit der Kundenkarte und dem bei vielen Händlerngängigen Pauschalrabatt in Höhe von 3% des Einkaufs ge-startet ist. „Das kostet Marge. Und viele Händler würdendieses Angebot heute zurücknehmen, wenn sie könnten“, istder Einzelhändler überzeugt.„Der rein monetäre Ansatz ist zwar beliebt – aber austausch-bar. Rabatt bekomme ich mittlerweile an jeder Ecke. Für einenachhaltige Kundenbindung ist diese Strategie nicht erfolg-reich“, sagt Seibicke von H+P. „Wenn man zu viele Rabatt-aktionen macht, geht die Frequenz zurück, weil die Kunden

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gliedern, deren Einkäufe bereits die Hälfte des Umsatzesausmachen, räumt das Unternehmen individuelle Loyalitäts-Vorteile wie einen Willkommensgutschein in Höhe von 25Euro ein. Zudem setzt Marc’O Polo das Thema Kundenbin-dung auch bei der Warenverfügbarkeit an, um Produkte ineinem entsprechenden Zeitraum für den Kunden unkom-pliziert auf allen Kanälen verfügbar zu machen.André Wolff, Leiter der Online-Marktforschung bei Dr. Grie-ger&Cie, hält die Verbreitung im Textilhandel noch für aus-baufähig. Demnach sind die Mode-Kundenkarten zwar be-kannter als die Bonuskarten anderer Branchen. Aber längstnicht jeder, der sie kennt, habe sie auch beantragt. „Hier be-steht Handlungsbedarf“, betont Wolff.

Am bekanntesten sind die deutschlandweit verbreitetenMultipartner-Programme Payback und DeutschlandCard. Ihrgrößter Vorteil ist die enorme Reichweite von 29 bzw. 20Millionen Nutzern. Dadurch erhalten Handelspartner dieChance, Kunden anzusprechen, die sonst wenig oder gar nichtin ihre Läden kommen. Die beiden Loyalty-Riesen bietenihren Partnern nämlich an, zielgruppenspezifische Werbunginnerhalb des Partnernetzwerks zu schalten. So können Cou-pons in den Briefen und Newsletter platziert werden, die dieKunden regelmäßig erhalten. Möglich sind auch so genannteStand-alone-Mails, mit denen ein Händler Kunden eines Part-

Sie organisiert u.a. Krimi-Dinner im Modehaus oder Film-premieren. „Viele Events haben inzwischen Kult- und Neid-faktor“, sagt Ganter. L+T lässt das Kaufverhalten ebenfallsanhand der Kundendaten analysieren. Im Mittelpunkt stehendie Anzahl der Teile, die Höhe des Bons und die gekauftenMarken. L+T nutzt die Daten erstens als Auswertung derKampagne und der Frage, inwiefern das Marketing gegriffenhat. Und zweitens als Indikator für den Einkauf und die Sorti-mentsplanung. „Denn in den Kundenkarten schlummert dasWissen für unseren Einkauf“, verrät Ganter.

Ähnliche Ziele verfolgt Marc O’Polo. Bei der Modemarkesollen die Erkenntnisse aus dem im März 2015 gestartetenMember-Programm nicht nur in die Marketing-Maßnahmeneinfließen, sondern auch in die Kollektionen. Dazu werden dieDaten aus allen Monobrand-Kanälen zusammengeführt, vonden in Eigenregie betriebenen Stores genauso wie von denLäden der Franchise-Partner und des eigenen Online-Shops.„Neben Zielen wie Umsatzsteigerung pro Bon oder Frequenz-erhöhung möchten wir auch das gesamte Shopping-Erlebnisfür unsere Kunden in Zukunft noch besser gestalten, vomSortiment bis hin zur Warenaussteuerung“, sagt Marketing-Direktor Tom Wallmann. Es geht dabei nicht allein um wirt-schaftliche Kennziffern: „Wenn wir die Customer Experienceverbessern, dann erreichen wir auch unsere Ziele.“ Den Mit-

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auch die Bewegungen der Kunden auf der Fläche auszuwer-ten. So verteilt etwa die Schweizer Bollag-Guggenheim Fa-shion Group eine digitale Kundenkarte, die in drei GalleryConcept-Stores und insgesamt 20 Läden der Marken Guessund Marc O’Polo genutzt werden kann. Dort erhalten Stamm-kunden über Blueetooth-Sender (Beacons) personalisiertePush-Nachrichten mit besonderen Angeboten aufs Handy,sobald sie eine Filiale passieren oder betreten. Die Shopping-App Shoplink (ehemals Shopkick) belohnt jeden Ladenbesuchmit Bonuspunkten, die in Gutscheine umgewandelt werdenkönnen. Es dürfte nur eine Frage der Zeit sein, bis Loyalty-Anbieter das Prinzip auch in ihre Apps integrieren – und denMethoden der Online-Rivalen noch näher kommen.

JANINE DAMM UND BERT RÖSCH

ners allein ansprechen kann. „Wenn ich weder über Fachleutenoch über das entsprechende Wissen verfüge, dann könnteder Anschluss an ein Multipartner-Programm ein sinnvollererster Schritt sein“, sagt Martin Nitsche, Präsident des Dia-logmarketingverbands DDV. Hinzu kommt, dass Multipartner-programme für die meisten Kunden attraktiver als so ge-nannte Insel-Lösungen sind. Schließlich können sie die Punk-te über mehrere Händler hinweg sammeln. „Ein eigenesProgramm hat den Vorteil, dass man seine eigene Markestärker nach vorne bringen kann. Gerade im Modebereich istdas ein handfestes Argument“, erklärt der CRM-Experte.Ganz gleich, ob man sich für ein Multipartner-Programm oderein eigenes System entscheidet: Die Zukunft liegt in der Ver-knüpfung der klassischen Plastikkarte mit ortsbezogenenDiensten, so genannten Location Based Services. Sie bietenden Händlern die Möglichkeit, neben dem Kaufverhalten

WISSEN IST UMSATZ Beispiele für die intelligente Nutzungvon Kundendaten

Kaufprognose: Bei langjährigen Kunden-karten-Besitzern kann mithilfe von Algo-rithmen zum Beispiel prognostiziert wer-den, wann der Stammkunde wieder eineWinterjacke braucht. Steht der Zeitraumfest, lohnt sich mit Sicherheit die per-sonalisierte Werbung für Wintermode.

Willkommensgruß: Wenn ein Kunde um-zieht, wird er von der nächstgelegenenFiliale am neuen Wohnort mit einempersönlichen Brief begrüßt.

Kanalwechsel: Kunden, die relativ weit voneiner Filiale entfernt wohnen, bekommenAngebote für den Online-Shop zugeschickt.

Nachhaken: Wenn ein Kunde, der sonstalle drei bis vier Wochen im Laden ein-kauft, auf einmal wegbleibt, wird er perMail oder Brief angesprochen. Online-Shops machen es vor: „Wir vermissen dich“,schreibt etwa der Bademode-Anbieter

Sister Surprise seinen einkaufsmüdenNewsletter-Abonnenten.

A/B-Tests: Um den Erfolg einer Mailing-Kampagne zu messen, empfiehlt es sich,die Umsätze der angeschriebenen Kundenmit denen einer Vergleichsgruppe in Bezie-hung zu setzen, welche die gleiche demo-grafische Struktur aufweist. Wenn dieUmsätze ähnlich hoch ausfallen, war dieKampagne ein Misserfolg.

Intelligente Incentives: Mithilfe von A/B-Tests lässt sich auch ermitteln, ob beibestimmten Kunden beispielsweise ein 5Euro-Gutschein zur Incentivierung reicht –statt des 10 Euro-Gutscheins, der in derVergangenheit an alle Kundenkarten-besitzer verschickt wurde. Etwa dann,wenn ein Kunde eine hohe Affinität zueinem bestimmten Produkt hat. Danngenügt ein geringer Rabatt als Kaufanreiz.

Retargeting: Große Chancen ergeben sichdurch die Verknüpfung von Kundendaten mitBanner-Werbung. So können die Kundenanonym auf reichweitenstarken Portalenwiedererkannt und mit zielgruppenspezi-fischer Werbung versorgt werden. Bei einerdreimonatigen Kampagne, die die AgenturD3 Media für einen Modehändler durch-geführt hat, wurde mithilfe der Retargeting-Technik nach eigenen Angaben 10% mehrUmsatz erzielt als in der Kontrollgruppe.

Rabatt-Gutschein: Klassische Schnäppchenjä-ger, die sonst nur bei Schlussverkäufen etwaskaufen, bekommen schon Wochen davoreinen Rabatt-Gutschein von 20 bis 30% aufbestimmte Produkte. Das heißt: Die Käufewerden vorgezogen, um eine bessere Margezu erzielen. Schließlich hätte der Kunde sonstWochen später bei Reduzierungen von bis zu70% zugeschlagen. BR

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„Ich besitze nur Kundenkarten von Ikea und Nespresso. VonModehäusern stecken keine Karten in meinem Geldbeutel. Ichhabe aber die Newsletter von Gant und Ralph Lauren abonniert.So erfahre ich immer von Rabattaktionen und sonstigen Neuig-keiten. Eine Obergrenze an Kundenkarten gibt es für mich nicht.Wenn mich die Aktionen eines Unternehmens interessieren,würde ich mir eine weitere Kundenkarte ausstellen lassen.Leider gibt es bei uns in Gießen nur einen Peek&Cloppenburgfür Frauen. Sonst hätte ich vielleicht schon ein P&C-Karte. In

Sachen Datenmissbrauch darf man nicht zu blauäugig sein. Ebenso wie bei Appsachte ich genau darauf, wo ich meine Daten preisgebe und wo besser nicht.“Felix Müller (37), Dozent, Gießen

„Ich habe zwei oder drei Kundenkarten,beispielsweise von Hallhuber undPeek&Cloppenburg. Eine Payback-Kartebesitze ich ebenfalls. Bei Kundenkartengeht es mir weniger um Einladungen zuKunden-Events, sondern viel mehr umdie Rabatte. Um Datenmissbrauchmache ich mir prinzipiell keine Gedan-ken. Die Unternehmen können ruhig

wissen, was ich kaufe. Aber ich sehe zu, dass ich nur vonausgewählten Händlern eine Kundenkarte besitze.“Daniela Treffer (32), Make Up Artist, Frankfurt am Main

„Eine Payback-Karte habeich nicht. Ich besitze nureine Kundenkarte vonBreuninger. Eigentlichwollte ich sie gar nichthaben, aber sie hat mirdamals einen konkretenVorteil verschafft. AlsKundenkartenbesitzerin

durfte ich ein Paar Schuhe für circa eine Wo-che mit nach Hause nehmen und probieren, obsie passen – ohne vorher zu bezahlen. Das wares mir wert. Generell sollte man mit seinenDaten aber schon vorsichtig sein, insbesonde-re im Internet. Aus diesem Grund bestelle ichauch nichts online.“Gaby Saarholz (53), selbstständig, Bad Soden

„In meinem Portmoneebefinden sich drei Kun-denkarten – eine davonist von Peek&Cloppen-burg. Dazu besitze icheine Payback-Karte.Während ich bei P&CVorteile wie die Ein-ladungen zur Sale Night

genieße, geht es mir bei der Payback-Karte umdie Geldprämien. Jede weitere Plastikkartewäre für mich zu viel. Für digitale Kundenkar-ten bin ich hingegen offen. Mittlerweile gibt esda so viele Möglichkeiten, beispielsweise daseWallet im iPhone. Um meine Daten mache ichmir da keine Sorgen. Am Ende wissen diestationären Händler genauso viel wie dieOnline-Shops, bei denen ich einkaufe.“Bernd Bornhauser (32), Angestellter, Stuttgart

„Ich verfüge über Kun-denkarten von Karstadt,Peek&Cloppenburg undAppelrathCüpper. Das istaber auch genug. Alleanderen Karten interes-sieren mich nicht. BeiP&C kaufe ich viel fürmeinen Mann. Da freue

ich mich über Prozente aller Art. Bei Karstadtsammle ich hingegen Punkte in der Lebens-mittelabteilung. Was den Datenklau angeht,mache ich mir schon Gedanken. Es kannschließlich passieren, dass die Daten malgehackt werden.“Dani Teuscher-Latasch (64), Beraterin,Frankfurt am Main

FotosundUmfrage:NilofarEschborn

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„LIEBER RABATTE ALS EVENTS“Was Verbraucher von Kundenkarten erwarten – eine Umfrage am Goetheplatz

in Frankfurt/M.

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USA: ATTRAKTIVE BELOHNUNG FÜRTOP-KUNDEN VIP-Einladung zur Eröffnungsgala, Exklusiv-Zugangzu privaten Shopping-Partys, kostenlose Änderungen – große Warenhauskonzerne wieNordstrom und Neiman Marcus bieten den Teilnehmern ihrer Loyalty-Programmeneben Discounts immer mehr attraktive Erlebnisse und Dienstleistungen.

L oyalty-Programme kommen bei den US-Verbrauchern gutan: Allein die Kundenbindungsprogramme der US-ame-

rikanischen Warenhaus-Konzerne zählten Ende 2015 rund230 Millionen Mitgliedschaften. Das sind 18% mehr als imVorjahr, errechnete das Beratungsunternehmen Colloquy. ImSchnitt nimmt jeder US-amerikanische Haushalt an 29 Bo-nusprogrammen teil, nutzt aber nur rund ein Dutzend aktiv.Diese Diskrepanz mag zumindest teilweise darin begründetsein, dass die sogenannten Millennials, also die Jahrtausend-wende geborenen Verbraucher, deutlich weniger markentreusind als ihre Eltern, die Baby Boomer.Für einen besseren Preis würden 78% dieser jungen Ver-braucher die Marke und 55% den Händler wechseln, er-mittelte das Marketing-Unternehmen Excentus. Umgekehrtglauben 64% der Retailer, dass ihr Kundenbindungspro-gramm der beste Weg sei, enge Kundenbeziehungen auf-zubauen und zu pflegen. Bei 46% ist das Programm der„stärkste Umsatzmotor”.

Die meisten Loyalty-Programme (61%) basieren aufeinem Punktesystem, das den Wert gesammelter Punktebeim Einkauf auf neue Artikel anrechnet. Einige Händlerfragen bei der Anmeldung auch das Geburtsdatum ab. Gene-rell sind private Angaben aber freiwillig, und meistens wirddas Geburtsjahr ausgelassen. Allerdings werden vielerortsDaten zum Einkaufsverhalten einzelner Kunden gesammeltund etwa dazu genutzt, das Sortiment, die Preispromotionund das Marketing auf individuelle Kunden abzustimmen.Dadurch können die Erlöse pro Verbraucher laut BostonRetail Partners zwischen 1% und 4% und der Gewinn sogar

um 4% bis 7% angehoben werden. Zu den am besten be-sprochenen Programme gehört das gestaffelte Rewards-Programm des hochgenrigen Warenhauskonzerns Nord-strom. 2015 stieg die Zahl der aktiven Mitglieder um 1 Mill.auf über 4,7 Mill. Personen, die im Geschäftsjahr gemeinsamrund 40% zum Konzernumsatz von 14,1 Mrd. Dollar (12,81Mrd. Euro) beigetragen haben.Zudem habe das Programm die Verbindung zu bestehendenKunden gestärkt. Dadurch wurden laut Nordstrom sowohlim Vollpreis- als auch im Outlet-Segment weitere Markt-anteile gewonnen. Damit sind die Erlöse des Unternehmensaus Seattle im US-Bundestaat Washington im Geschäftsjahr2015 trotz widriger Marktbedingungen um 7,5% gestiegen.Flächenbereinigt lag das Plus bei 2,7%.

Über sein Rewards-Programm segmentiert Nordstromseine Kunden nach ihren jährlichen Ausgaben. Kunden, diebis zu 1999 Dollar im Jahr bei Nordstrom ausgeben, liegenauf Stufe 1. Es folgen Stufe 2 mit Ausgaben zwischen 2000und 4999 Dollar, gefolgt von Level 3 (5000 bis 9999 Dollar)und Level 4 mit 10.000 Dollar und mehr. Besonders schnellkönnen die Nutzer der Nordstrom Kunden- und KreditkartenPunkte sammeln. Sie erhalten zwei Punkte für jeden Dollar,den sie in Nordstroms Vollsortimentshäusern, dem Offprice-Konzept Nordstrom Rack oder dem Shopping-Club HauteLook ausgeben. Wer mit anderen Karten oder bar bezahlt,wird mit einem Punkt pro ausgegebenem Dollar belohnt.Für 2000 Punkte erhalten die Teilnehmer einen 20 Dollar-Gutschein, die Nordstrom Note. Dieser sogenannte Anteils-schein kann in jedem der Nordstrom-Konzepte eingereicht

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oder Dinner-Events in Nordstrom-Restaurants. Level 4-Teil-nehmer erhalten zudem einen VIP-Zugang zu Veranstaltun-gen und Galas in ihrem Stammhaus.All diese Benefits fördern nach Ansicht des New Yorker Un-ternehmensberaters Walter Loeb die Treue und schaffenstarke Anreize zu Wiederholungskäufen. „Für deutsche Händ-ler könnte das Rewards-Programm von Nordstrom ein gutesVorbild sein”, sagte Loeb.

Allerdings bergen derartige Programme auch Gefahren,insbesondere dann, wenn sie sensible Verbraucherdaten wieKreditkartennummern, Adressen und persönliche Daten wieAlter, Beruf, Einkommensklasse und Beziehungsstatus spei-chern. Zwischen Juli und Oktober 2013 wurden beimUS-Luxuswarenhaus-Konzern Neiman Marcus die Daten vonrund 1,1 Millionen Kunden gestohlen. Laut Chief InformationOfficer Michael Kingston erfuhr das Unternehmen erst am2. Januar 2014 von dem Problem. Im Dezember 2013 hattenHacker beim US-Discounter Target Kundendaten von rund

110 Millionen Verbrauchernentwendet. Aus diesemGrund fordern Verbraucher-schutz-Organisationen einedeutliche Verschärfung derDatensicherheit in denUSA. Vorbild sind die Re-gelungen in der Europäi-schen Union.

ULRIKE HOWE

werden. Zudem erhalten die Mitglieder des Programms beianstehenden Ausverkäufen vor dem offiziellen Start exklusi-ven Zugang zur reduzierten Artikeln. Außerdem ist es mög-lich, den Änderungsservice von Nordstrom mit Nordstrom-Notes zu bezahlen. Level 4-Mitglieder können das Angebotunbegrenzt in Anspruch nehmen.Ferner haben alle Teilnehmer die Möglichkeit, persönlicheTriple Points Days zu reservieren, wo für Käufe in allen Kanä-len des Unternehmens die dreifache Menge an Punkten (alsosechs Punkte für jeden Dollar) vergeben werden. Die Zahl dermöglichen Triple Points Days steigt mit dem Level von einemTag (Level 1) bis hin zu vier Tagen pro Jahr.

Rückt ein Kunde in eine höhere Stufe auf, werden bereitsgenutzten Triple Points Days im entsprechenden Jahr von derneuen Gesamtzahl abgezogen. Allerdings gibt es an bestimm-ten Standorten für bestimmte Marken eine niedrigere Anzahlan Punken, u.a. für Louis Vuitton und Christian Louboutin.Mitglieder in Level 2 bis 4 haben darüber hinaus Zugang zuexklusiven Events.Und für Mitglieder derLevel 3 und 4 gibt es zu-sätzlich zwei Mal pro Jahrdie Möglichkeit, ausge-wählte Supererlebnisse,sogenannte ExtraordinaryExperiences, zu erwerben,darunter beispielsweiseexotische Reisen, exklusiveZugänge zu Top-Designern

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Die 4,7 Millionen Mitglieder desBonusprogramms von Nordstromgenerierten 2015 rund 40% desKonzernumsatzes.

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S napchat, Instagram, Pinterest,Facebook, Whatsapp, Twitter, You-

tube – vor allem zur Weihnachtszeitsind die Sozialen Netzwerke für Mode-händler in der Kundenbindung wichtig.Ob virtuelle Adventskalender, Christ-mas-Gewinnspiele oder die als „Vlog-mas“ bekannten täglichen Video-Blogsauf Youtube – kaum eine andere Zeitim Jahr bietet so viele Chancen, Pro-duktwerbung und Aktionen an dieKunden zu bringen.

Doch lohnen sich Facebook&Co fürHändler? Sind die Kanäle Schaufensteroder Umsatzbringer? Fakt ist: Währendvor zehn Jahren TV-Spots und Pro-spekte die Kaufentscheidung beein-flussten, sind es heute zunehmendLike-Zahlen und Hashtags. Die Reich-weite von Posts und die Relevanz vonVerlinkungen werden zur harten Wäh-rung – und bestimmen mitunter, wasund wie Konsumenten einkaufen.Die Bandbreite der Möglichkeiten,

Kunden über die Social Networks zuerreichen, ist groß. Besonders im Fokussteht der Inhalt der Posts: wenigerplumpe Werbebotschaften, mehr au-thentische Geschichten. Denkbar sindetwa How-to Videos – „Wie wickle ichmeinen Schal?“ – oder ein Näh-Guide,wie die Kreativ-Plattform Dawanda ihnanbietet. Inhalte, die erklären, unterhal-ten, die Marke näherbringen. Und soganz nebenbei das Produkt bewerben.Marketing durch Content eben.

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#FOLLOW #ME Ob lokales Modehaus oder bundesweiter Filialist:Ohne die SOZIALEN MEDIEN geht es im Wettbewerb kaum noch. Was lohnt sich?Was nicht? BEST PRACTICE-BEISPIELE zeigen Strategien, Kanäle und Chancen.

Foto:123RF

Beispiel für einen Instagram-Post beim Modehaus Schröder.

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Zwei Drittel der deutschen Internet-nutzer sind laut Digitalverband Bitkomaktive Mitglieder bei Social Networkswie Facebook, davon 80% der für Mar-ken und Händler besonders relevanten14- bis 49-Jährigen. Eine Social Media-Präsenz ist also Pflicht – das gebenmittlerweile selbst anfängliche Skepti-ker wie das Modehaus Stackmann zu.Sind Unternehmen in den SozialenNetzwerken aktiv, braucht es eineindividuelle Strategie. Wann wird wasgepostet? Welche Reichweite ist gut?Welche Kanäle sollten wie genutztwerden? Und: Was bleibt am Endehängen? Die Fragen sind vielfältig, dieAntworten auch. Fünf Unternehmenstellen wir vor.

DER RANTASTERModehaus Schröder, Haselünne2700 Facebook-Likes280 Instagram-Follower

Haselünne im Emsland. Auch an der12.000-Einwohner-Stadt gehen dieSozialen Netzwerke nicht spurlos vor-bei. Vor drei Jahren begann Geschäfts-führer Werner Heckmann, sein Mode-haus mit einem eigenen Blog im Netzzu präsentieren. Starthilfe gab eine

Agentur, die Ideen geliefert, Texte kor-rigiert und Schreibanleitung gegebenhat. Heute sind der Blog, aber auchFacebook und Instagram feste Bestand-teile der Marketing-Strategie.„Anfangs hatten wir nicht viele Re-aktionen. Da haben unsere Beiträgeetwa 1600 bis 1800 Leute gesehen“,sagt Heckmann. Dann kam ein Ge-winnspiel zum Thema Maßanzüge. DieBilanz: 38.000 Facebook-User sahenden Post, 4000 haben ihn geliked. „Na-türlich haben wir nicht so viele Maß-anzüge verkauft. Aber das Geschäftdamit lief gut.“ Ihm sei bewusst, dasser durch die Sozialen Medien keinezusätzlichen Einnahmen generiere.„Aber das Modehaus ist dadurch beiden Konsumenten präsent. Es ist einemoderne Art von Schaufenster. Wirmüssen uns dort präsentieren, wounsere Kunden sind.“Social Media-Marketing ist für Heck-mann aber nur einer der Schlüssel zurKundenansprache: „Wir haben vieleältere Kunden, die täglich Zeitunglesen. Die können wir mit SozialenMedien nicht erreichen.“ Er will aufjeden Fall die wöchentliche Anzeige inder Tageszeitung, die Prospekte alsBeileger und die Radiowerbung, die er

seit 16 Jahren macht, beibehalten.Allerdings werde er sich den Marke-ting-Etat genauer anschauen und imkommenden Jahr das Budget eventuellanders verteilen – zugunsten von So-cial Media.

DER VORREITEREngelhorn, Mannheim93.000 Facebook-Likes12.000 Instagram-Follower670 Twitter-Follower

Bei Engelhorn gehört Social Media zurDNA. Die Häuser in und um Mann-heim werden in den Sozialen Netz-werken von Julia Münkle betreut. DieSenior Social Media-Managerin und ihrTeam bespielen täglich Facebook, Ins-tagram und die Engelhorn-Blogs. „Ge-rade bei Instagram-Storys sind dieReaktionen zahlreich“, sagt Münke.Emojis wie Herzen und Like-Daumen,aber auch Produktanfragen kommenhier täglich rein.Neben den Hauptkanälen betreut dasTeam auch Twitter, Pinterest, Youtubeund Snapchat. Twitter sei im Modeein-zelhandel recht schwierig zu nutzen.Der Kanal eigne sich eher für harteNews. Mit passenden Hashtags könne

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man dennoch eine gute Reichweiteerzeugen. Auf Pinterest zeigt EngelhornInspirationen auf der eigenen Pinn-wand, etwa zum Thema Festival mitProdukten, die es im Modehaus zukaufen gibt.Den Content für die Kanäle generiertdas Team um Münkle selbst. So etwavor einigen Wochen: Da wurde der neueingetroffene Laufschuh direkt imVideo-Selbstversuch getestet. Aberauch die Mitarbeiter geben Bescheid,wenn neue Produkte auf der Flächesind: „Jeder im Haus kennt uns, es gibteinen sehr engen Austausch.“Die Ausgangsfrage lautet hierbei stets:Für wen produzieren wir den Beitrag?Dann wird überlegt, welcher Kanaldafür in Frage kommt. Die Wahl desKanals hängt von der Geschichte ab:Kurze Video-Clips werden über Ins-tagram und Snapchat gespielt, langedagegen auf dem Blog oder Facebook.

DER INNOVATIVEModehaus Böckmann, Leer14.300 Facebook-Likes1000 Instagram-Follower400 Snapchat-Follower

Bei Böckmann sind die Mitarbeiter undderen Outfits die Stars in den SozialenNetzwerken. „Die Idee entstand ausdem ‚Friday Styleday‘“, erzählt SaraPeselmann-Moß, Leitung Digital Mar-keting. Die 29-Jährige kümmert sichVollzeit um Facebook, Instagram undSnapchat. Anfangs wurden Mitarbeiterausgewählt, die freitags ihr Outfit desTages auf dem Instagram-Account desUnternehmens posten wollten. In-zwischen gibt es so viele Freiwillige,dass die Outfit-Vorstellungen zu einer

Regelmäßigkeit geworden ist. „Natür-lich achten wir darauf, dass die Artikelbei Outfit-Posts auch in möglichstjedem unserer Häuser verfügbar sind.“Zusätzlich zu den Beiträgen arbeitetBöckmann mit einer lokalen Bloggerinzusammen, um Content zu generieren.„Wir sind auf sie aufmerksam gewor-den, weil sie bei uns eingekauft unduns verlinkt hat“, sagt Peselmann-Moß.Immer, wenn die Bloggerin @iamsun-kissedfashiongirl nun im Modehauseinkaufen geht, taucht eine Verlinkungauf ihrem Profil auf – Reichweite fürbeide Parteien inklusive.Dabei komme es gar nicht so sehrdarauf an, wie viele Leute einen Bei-trag liken: „Es zählt, wer reagiert hat,also qualitativ hochwertige Likes, wiePersonen aus der Region“, sagt Pesel-mann-Moß. „Unsere Reichweite liegtim guten fünfstelligen Bereich.“ Wäh-rend Facebook und Instagram runddrei Mal die Woche bespielt werden,wird Snapchat für Events im Haus oderEinblicke in die Berliner Fashion Weekgenutzt.Wichtig sind für die Social Media-Managerin verschiedene Strategien:„Man muss zwischen den Kanälendifferenzieren.“ Facebook eigne sich fürBehind the Scenes-Einblicke, wie z.B.neu eingetroffene Ware, Outfit-Postsoder Event-Bilder. Auf Instagram funk-tioniere vor allem Fashion. Um dieFunktionsweise der Plattformen zuverstehen, geben die Betreiber Tipps,wie man beispielsweise die Reichweiteerhöhen kann. Neben bezahlter Wer-bung kann die Verbreitung auch ohnegesponserte Posts gesteigert werden:„Unser Budget für Social Media ist sehrgering. Aber man kann mit dem richti-

gen Content, Hashtags und Verlinkun-gen Großes bewirken.“Was bleibt von dem Aufwand in derKasse hängen? „Die Verkaufszahlengehen durch die Posts nach oben“, sagtPeselmann-Moß. Sie könne es zwarnicht genau an Zahlen festmachen,aber: „Wenn man ein Outfit gepostethat, werden die Sachen danach ver-stärkt nachgefragt. Das ist deutlich.“

DER LOCAL HEROModehaus Stackmann, Buxtehude4900 Facebook-Likes470 Instagram-Follower

Was finanziell hängen bleibt, ist fürHenning Schleemann nicht gut fassbar.Seit 2012 ist der Geschäftsführer mitseinem Modehaus auf Facebook aktiv.„Wir haben damals in der Führungs-kräfterunde darüber gesprochen. Zuerstwar die Skepsis groß“, berichtet er.Heute sind sowohl die eigene Home-page als auch auch Facebook und Ins-tagram „gar nicht mehr wegzudenken.“Bislang gibt es kein Budget für SocialMedia-Marketing. „Wir müssen noch-mal überlegen, ob wir Geld dafür zurVerfügung stellen“, sagt Schleemann.Teile aus Outfit-Posts würden zwarpunktuell nachgefragt, aber das seinicht unbedingt auf Social Media zu-rückzuführen. Klar sei jedoch, dass dieKunden mit dem Modehaus in Kontakttreten wollen.Für jeden Kanal ist der Inhalt gleich.Wöchentlich gibt es kurze Treffen mitden einzelnen Abteilungen, ein Malpro Saison einen ganzen Social Media-Strategietag. „Aus arbeitstechnischenGründen ist es uns gar nicht möglich,für jeden Kanal eigenen Content zu

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entwickeln“, sagt Schleemann. EineMitarbeiterin aus dem Marketing be-treut die Internetseite, die Newsletter-Erstellung und auch Social Media. DieMittzwanzigerin „hat sich da reingele-sen“, im kommenden Jahr will sie eineWeiterbildung zur Social Media-Mana-gerin machen. „Wir müssen viel mehrüber uns erzählen und mehr emo-tionale Beiträge veröffentlichen“, sagtder Geschäftsführer.Zum Beispiel mit einem Weihnachts-video der Azubis: „Da zeigen wir Per-sönlichkeit und die Menschen, diehinter Stackmann stehen.“ BewegteBilder würden in Sozialen Netzwerkenohnehin deutlich stärker beachtet alsFotos. „Da lernen wir dazu und ver-suchen, uns anzupassen.“Für Schleemann ist Social Media heuteein Muss: „Die Facebook-Fans werdenkontinuierlich mehr. Zwar langsam,aber es geht nach oben. Das zeigt, diePräsenz hat Berechtigung.“ In diesemJahr startet Stackmann mit Pinterest.„Je jünger der Kunde ist, desto wenigerreagiert er auf klassische Medien.Wir versuchen Pinterest, um die Kun-den zu erwischen, die wir sonst nichtkriegen.“

DAS VORBILDHunkemöller, Hilversum1,46 Millionen Facebook-Likes267.000 Instagram-Follower34.200 Twitter-Follower

Wie man fast alle Kunden erwischt,macht Hunkemöller vor. Währendandere Unternehmen eine Social Me-dia-Strategie haben, ist der interna-tionale Wäsche-Filialist selbst ein So-cial Business. Im Head-Office in Hil-versum nahe Amsterdam kümmertsich ein Social Media-Team um alleKanäle.Jede Plattform hat eine eigene Con-tent-Strategie. Am wichtigsten sindnach wie vor Facebook und Instagram.Hunkemöller hat auch einen Twitter-Account, der vor allem für Blogger,Mitarbeiter und Handelspartner inte-ressant ist. Auch Snapchat, Pinterestund Youtube werden bespielt.Dabei gilt: Je mehr Content produziertwird, desto stärker sind Interaktionund Reaktion. Um den Durst nachContent zu stillen, holt Hunkemöllerneben der Inhouse-Kreation auch Mit-arbeiter und Externe mit ins Boot. DerWäsche-Filialist profitiert von den

vorwiegend jungen, internetaffinenMitarbeitern, die neben Beratung undVerkauf während ihrer Arbeitszeitfleißig Content generieren und teilen.Ob bei einer Schlafanzug-Party in derFiliale oder beim Anprobieren derneuen Loungewear-Lieferung – dieBilder sind schnell geschossen undhochgeladen. Hinzu kommen vonHunkemöller ausgewählte Marken-botschafter sowie Testimonial DoutzenKroes, die die Marke in den SozialenNetzwerken repräsentieren und soebenfalls für Content und Reichweitesorgen. Es gibt ein eigenes Brand Am-bassador-Programm, wo den Botschaf-tern einiges geboten wird, um fleißigBeiträge zu generieren. VergangenenWinter wurden die jungen Frauen zumChristmas-Shopping mit dem ehemali-gen Hunkemöller-Gesicht Sylvie Meisnach New York eingeladen.Sogar CEO Philip Mountford ist onlinepräsent. Auf seinem privaten Instag-ram-Account teilt er Einblicke in seinLeben, Urlaubsbilder der Familie undSchnappschüsse von Mitarbeiter-Aus-flügen.

ANNA FRIEDRICH / MATTHIAS ERLINGER

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PROJEKTPERSÖNLICH Customer Relationship Management. Eine

der drängendsten Aufgaben der Branche. About You investiert massiv inPersonalisierung. Und wächst.

H allo Marie, gehst Du wieder zumMelt-Festival? Wir haben neue

Latzhosen für Dich!“ MaßgeschneiderteInspiration: Das ist nur für mich. Werfühlt sich da nicht geschmeichelt?Personalisierung – eines der größtenund drängendsten Projekte der ver-gangenen und der nächsten Jahre. DieBereitstellung schierer Masse ist keinUSP mit Zukunft, das haben die meis-

ten Player erkannt. Die ersten sindbereits gut unterwegs, immer mehrüber den Kunden herauszufinden, Da-ten zielführend auszuwerten, Sortimen-te, Preislagen sowie Saisontiming klugdarauf auszurichten und Kunden präzi-ser anzusprechen.Zalando zum Beispiel. Die Berliner ha-ben im vergangenen Jahr die Mode-Shopping-App Amaze übernommen.

Die Anwendung macht Nutzern indivi-duelle Outfit-Vorschläge, kuratiert vonBloggern, Stylisten und Designern. „Wirwollen unseren Nutzern noch stärkerProdukte für ein personalisiertes, in-spirierendes Modeerlebnis bieten“, sagtChristoph Lütke Schelhowe, Vice Pre-sident Customer Experience von Za-lando. Oder Amazon: Der E-Commerce-Konzern strahlt in den USA eine 30-

Starkes Wachstum:Der Mode-Shop-Betreiber Collins(u.a. About You)peilt die magische100-Millionen-Grenze beim Um-satz an.

Die About You-Geschäftsführung:Sebastian Betz, Hannes Wieseund Tarek Müller

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minütige Online-Verkaufssendung aus.In dem Format kommuniziert dasUnternehmen per Live-Chat direkt mitden Zuschauern – und kann so indivi-duelle Angebote unterbreiten.Mittlerweile klicken viele Experten indiesem Zusammenhang auch aufAbout You. Der 2014 gestartete Mode-Shop für Frauen und Männer zwischen20 und 40 Jahren hat sich mit seinerkonsequenten Personalisierungsstrate-gie zu einem starken Player entwickelt.Die Otto-Tochter Collins, die About Youbetreibt, hat im zweiten Jahr ihresBestehens den Umsatz mit About You,Edited und Sister Surprise nach ei-

genen Angaben verdreifacht, auf einen„hohen zweistelligen Millionen-umsatz“.

Die Geschäftsführung geht davonaus, dass die drei Shops im laufendenGeschäftsjahr einen dreistelligen Milli-onen-Euro-Umsatz erreichen. „DieGeschwindigkeit, mit der wir wachsen,liegt weit über Plan“, sagt FinanzchefHannes Wiese. Die Zahl der aktivenKunden – mindestens ein Kauf im Jahr– wird mit 1,5 Millionen beziffert.2,5 Millionen User haben sich auf derAbout You-Website und der App regis-triert und finden nach dem Log-in aufsie zugeschnittene Inhalte – Produkte,Marken, Outfit-Vorschläge und Styling-Tipps – in ihrem Feed. Sie können Starsund Bloggern folgen, die sie gut finden,und erhalten regelmäßige Updates vonihnen. Zudem gibt es das Feature „DeinTrend der Woche". Dort findet jederNutzer wöchentlich 100 Produkte, diefür ihn ausgesucht und um 10% rabat-tiert werden. „Rund die Hälfte allerUser ruft ihren Trend der Woche be-reits regelmäßig auf“, sagt SebastianBetz, der in der Geschäftsführung vonAbout You für Technik und Produkteverantwortlich ist. „Insgesamt ver-

zeichnen wir durch Personalisierung29% mehr Umsatz pro Besucher .“Was jetzt passiert: Analog der Funk-tionsweise von Facebook&Co führtAbout You Profile für Städte, Eventsund User ein. Somit können Nutzernicht nur Stars und Marken, sondernauch ihrer Stadt folgen. Sie haben dieMöglichkeit, City-Lookbooks aktiv mit-zugestalten und werden über Events inihrer Nähe mit passenden Outfit-Vor-schlägen informiert. Vor allem könnenNutzer einander folgen. Seit Anfangdes Jahres kann jeder schnell undeinfach User Generated Content inForm von Outfits und Produktlistenhochladen.

Push-Benachrichtigung:Auf Wunsch erhalten Kunden

Mitteilungen, wenn neue Produkteihrer Lieblingsmarke eingetroffensind (li.); Neu bei About You:

Profile für Städte.User können ihrer Stadt folgen,um Informationen zu Events unddazu passende Outfitvorschläge

zu erhalten.

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About You bringt damit sein OpenCommerce-Modell auf ein neues Level.Nachdem die Plattform zunächst fürHändler und Entwickler geöffnet wur-de, die sich in Form von Service-Appswie Fashion-Horoskop oder Stilberaterin das System eingeklinkt haben, kön-nen seit 2015 Blogger Inhalte auf derWebsite einpflegen. „Wir schaffen fürunsere User zahlreiche Anreize zurregelmäßigen Nutzung von About You.User Generated Content bedeutet dau-erhafte Inspiration“, sagt Betz. „UndKundenbindung.“Das größte Wachstumspotenzial sehendie Macher im Mobile Commerce.„Erfolgreiche Beispiele wie Spotify undInstagram haben gezeigt, dass derProzess des digitalen Entdeckens vorallem mit dem Smartphone statt-findet“, sagt Tarek Müller, der in derGeschäftsführung für Marketing undMarken verantwortlich ist. Aktuellkommen über 65% des Traffics übermobile Endgeräte. „Tendenz stark stei-gend.“ Der Anteil von Mobile am Ge-samtumsatz ist „leicht unterpropor-tional zum Traffic“, berichtet Wiese.„Wir verstehen uns immer mehr alsMobile Company und stellen uns ent-sprechend auf. Hier liegt auch derFokus unserer Produktentwicklung.“

Einen starken Anstieg verzeichnetMüller auch beim Traffic, der überSoziale Medien generiert wird: „Eskommen viermal mehr Besucher überSocial Media oder Empfehlungen alsüber TV und Radio.“

Im Marketing setzen die Hambur-ger den Fokus entsprechend weiterhinauf Social Media und Influencer Marke-ting – ein wachsender Werbetrend, beidem die Reichweite von Meinungs-machern wie Models, Bloggern undVIPs genutzt wird.Ein fünfköpfiges Team kümmert sichum Social Media. „Auf Facebook undInstagram nutzen wir sensibel undindividuell ausgesteuerte SponsoredPosts. Unsere wesentliche Reichweitegenerieren wir über Content, den unse-re Influencer posten“, sagt Müller. DieInfluencer arbeiten in der Regel aufProvisionsbasis für von Posts aus-gelöste Verkäufe. In der Branche kur-sieren Werte von 10 bis 12%.Open Commerce heißt dabei auch, dasses keinen strengen Redaktionsplangibt. Die User haben ein sehr gutesGespür dafür, was authentisch ist undwas gespielt. Unsere Influencer suchensich ihre Sachen selbst aus. Wir gebenweder Marken, Text noch Bilder vor“,

sagt Müller. Und wann sind Koope-ration und Post erfolgreich? „Die ab-solute Zahl der Likes ist nicht der aus-schlaggebende Faktor. Wir steuernunsere Posts und Werbung immer sehrgranular aus. Das heißt: Wir teilen dieZielgruppe in viele kleine Segmente,die mit möglichst relevanten Botschaf-ten bespielt werden. Insofern kriegtjeder einzelne Post gar nicht so vieleLikes, ist dafür aber immer hoch rele-vant für die jeweilige Zielgruppe“, er-klärt Müller.Am Ende ind zwei Metriken interes-sant: Wie viel hat ein Besucher ge-kostet? Also der Klickpreis. Und wieaktiv wird der Shop-Besucher bzw. inwelcher Frequenz kauft er anschlie-ßend ein?Bei Snapchat arbeiten die Hamburgerebenfalls mit Influencern zusammen.Zum Start auf der Instant Kommunika-tion-App holten sie die ehemalige„Germany’s Next Topmodel“-Julia Wulfins Boot. „Wir hatten gleich zu Beginnrund 300.000 Views pro Snap.“ Das istrelativ viel. Gesnapt werden Mitarbei-ter in ihren Outfits. Damit können dieUser hinter die Kulissen von About Youschauen.

JELENA JURIC

Deutscher Fachverlag GmbH

Postadresse: 60264 Frankfurt am Main

Internet: www.dfv.de, E-Mail: [email protected], Tel. (069) 7595-01

Impressum TextilWirtschaft Insights

Geschäftsführung: Angela Wisken (Sprecherin), Peter Esser, Markus

Gotta, Peter Kley, Holger Knapp, Sönke Reimers

Aufsichtsrat: Klaus Kottmeier, Andreas Lorch, Catrin Lorch, Peter Ruß

Chefredaktion (presserechtlich verantwortlich): Hagen Seidel -sl- (-1304),

Michael Werner -we- (-1344)

Art Director: Ingo Götze -ig- (-1378)

Redaktion: Marcelo Crescenti, -mc- (-1325), Bert Rösch -br- (-1314),

Jelena Juric, -jj- (-1321)

Verlagsleitung: Christian Heinrici (-1201)

Anzeigenverkauf: Anne Kempf (-1206)

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CHAT BOT, ÜBERNEHMEN SIE

H i Leonie! Ich bin Emma, dein persönlicher Fashion-Shop-ping-Assistent. Ich bin noch jung, kann dir aber schon bei

einfachen Anfragen weiterhelfen.“ „Ich suche einen grauenPulli für den Valentinstag.“ „Ich schaue mal, was ich findenkann.“ Wenige Sekunden später erscheint im Chat ein Pro-duktbild eines Pullovers des Labels Viludo in der Farbe Granit-grau. Preis: 25,95 Euro. Nach einem Klick landet die Nutzerinim Online-Shop Zalando. Wenige Klicks später hat sie dasProdukt bestellt und bezahlt.Was sich wie ein traditionelles Gespräch zwischen Verkäuferinund Kundin liest, ist in Wirklichkeit der neueste Schrei in derKommunikation zwischen Online-Händler und Shopper. Denn:Leonie hat nicht mit einer Beraterin geplaudert, sondern miteinem Chat Bot des Berliner Start-ups ChatShopper, das seinevirtuelle Fashion-Shopping-Assistentin Emma im Mai 2015 inden Instant Messenger von Facebook integrierte. Die Nutzerkönnen entweder ihre Wünsche eintippen oder ein Foto hoch-laden, um optisch ähnliche Kaufvorschläge zu erhalten. DasAngebot überzeugte nicht nur Tausende User, sondern auchdie Jury des internationalen Chat Bot Award, die ChatShopper

im Januar in der Kategorie E-Commerce auszeichnete, nochvor den Modegrößen H&M und Burberry.„Wir haben derzeit zwischen 2000 und 3000 Anfragen proMonat. Dabei haben wir noch gar nicht damit angefangen,den Bot aktiv zu bewerben“, berichtet ChatShopper-GründerinAntonia Ermacora. „Wir bauen jetzt einen Check-out, damit dieKunden innerhalb des Messengers bezahlen können. Bis zumSommer wollen wir beweisen, dass das ein neuer Absatzkanalfür die Modebranche sein kann.“Die Hauptstädter sind damit freilich nicht allein. Denn seit-dem das Social Network Facebook vor einem Jahr das Pro-gramm „Business on Messenger“ gestartet hat, schießen diekommerziellen Chat Bots wie Pilze aus dem Boden. Auch inder Mode, wo zahlreiche Händler und Hersteller mit der mo-dernen Form der Kundenbetreuung experimentieren, darunterTommy Hilfiger, Louis Vuitton, Ebay, Uniqlo, H&M in den USA,Zalando, die Berliner Prospekte-Plattform KaufDa, der ame-rikanische Warenhausfilialist Nordstrom sowie die US-Online-Händler Shop Spring und Everlane. Letzterer zählt derzeitwöchentlich mehr als 3000 Chats in 750 Sessions.

Foto:123RF

In zwei bis drei Jahren werden die meisten schriftlich gestellten Fragenim Kundenservice von Chat Bots beantwortet, schätzen Experten.

Virtuelle Kaufassistenten können Servicequalität und

Kundenbindung im E-Commerce verbessern. Schon heute.

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Ebay testet seinen Shop Bot seit Oktober auf dem FacebookMessenger. „Wir haben gelernt, dass die Nutzer ein neues Setan Erwartungen haben, wenn sie mit Bots interagieren“, teilteine Konzernsprecherin mit. „Das hat zu neuen Denkweisenbeim Design geführt, wie wir Texte, Sprache und Bilder inner-halb des Einkauferlebnisses nutzen.Im TW-Test stellt sich der Ebay-Bot kurz vor und erklärt seineFunktionsweise. Nach der Eingabe „Hemden in grün, Größe43“ wird ein passendes Produkt gezeigt. Als dieses keinenAnklang findet, fragt der Bot gezielt nach Style- und Marken-vorlieben sowie Preisvorstellung und gewünschte Ärmellän-ge. Hinzu kommen Buttons wie „Mehr davon“ oder „SieheProdukt an“.

Neben Ebay mischen auch Apple, IBM, Google und Amazonin dem Geschäft mit Lösungen mit, die durch KünstlicheIntelligenz gesteuert werden. IBM verfügt über den Assisten-ten Watson, der unter anderem beim US-WarenhausfilialistenMacy’s im Einsatz ist. Google betreibt die Personal AssistantsAllo (Text) und Google Now (Sprache). Microsoft hat Cortanaim Betriebssystem Windows 10 vorinstalliert, und Apple gibtseinen Kunden die Möglichkeit, ihre mobilen Endgeräte mit-hilfe der Sprachassistentin Siri zu bedienen. Bei Amazon sindrund 1000 Mitarbeiter mit der Weiterentwicklung der Sprach-assistentin Alexa und dem dazugehörigen Endgerät Echobeschäftigt. Dazu richtete der weltgrößte Online-Händler2016 einen 100 Mill. US-Dollar schweren Fonds ein, an demsich auch einige externe In-vestoren beteiligten. Die milli-ardenschweren Investitionender IT-Giganten sorgen dafür,dass sich die Qualität der ChatBot-Lösungen ständig verbes-sert.Hinzu kommt, dass Start-ups,die im sogenannten Conver-sational Commerce tätig sind,derzeit keine Probleme haben,Investoren für ihre Geschäfts-modelle zu finden. Der Start-up-Plattform Tracxn zufolgehat sich die Zahl der Finanzie-rungsrunden 2015 mehr alsvervierfacht.

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Die meisten Bots finden sich auf dem Facebook Messenger,der Branchenschätzungen zufolge auf über 30.000 virtuelleAssistenten kommt. Der Boom bekam vor einem halben Jahreinen weiteren Push, als Facebook das Entwickler-Kit ChatSDK auf den Markt brachte. Mit ihm können Unternehmenrelativ einfach eigene Bots konzipieren, indem sie geeigneteStandardlösungen auswählen und an die eigenen Bedürfnisseanpassen. Darüber hinaus haben die Händler und Herstellerdie Möglichkeit, Textanzeigen auf Facebook zu schalten, wel-che die Kunden direkt in den Messenger führen.In der Regel sind die Chat Bots direkt mit der Facebook-Fan-page verbunden, sodass Kundenanfragen und Beschwerdensofort im Messenger landen – und binnen Sekunden beant-wortet werden. Dazu gleicht das Programm Keywords, Satz-teile, Adressen und Datumsangaben mit der eigenen Daten-bank ab. Je mehr Anfragen der Bot erhält, desto schlauer wirder mit der Zeit.

Ein weiterer Grund für die führende Rolle von Facebookim Conversational Commerce ist die hohe Reichweite voneiner Milliarde aktiver Chat Bot-Nutzer im Monat und diedirekte Verknüpfung mit dem größten Sozialen Netzwerk derWelt, das auf rund 1,9 Milliarden aktive Nutzer kommt. Wei-tere Bot-Enabler sind unter anderem die Facebook-TochterWhatsApp (1,2 Milliarden Nutzer) und die Messenger Kik undWeChat.Messenger gelten als die Verkaufsplattformen der Zukunft,

weil sich die mobile In-ternetnutzung immermehr in diesen Kanalverlagert. Neuen Statisti-ken zufolge haben die fünfgrößten Messenger diefünf größten Social Net-works bei der Zahl dermonatlich aktiven Nutzerüberholt. Mitte 2016 wa-ren es rund 3,84 Milliar-den. Dagegen geht derGebrauch von Apps rapidezurück. „Die komplexenund eingeschränktenNutzeroberflächen inklassischen Apps werden

Marcus Ambrus, Plan.netBusiness Intelligence

Christian Wolf, CEO vonParlamind

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nen Beobachtungen zufolge verlassen 50 bis 60% der Be-sucher einen Online-Shop nach weniger als 30 Sekunden.Fernziel sei, dass Onliner gleich auf der Shop-Startseite voneinem Service-Bot mit der Frage begrüßt werden: „Wie kannich Dir helfen?“ Und das rund um die Uhr, auch am Wochen-ende.

Die Roboter werden obendrein mittelfristig schneller undzuverlässiger einfache Kundenanfragen beantworten könnenals viele Customer Care-Mitarbeiter aus Fleisch und Blut, diedie Infos erst heraussuchen und verarbeiten müssen, pro-phezeien Experten. Ferner entfällt der klassische Medien-bruch. Gerade junge Verbraucher scheuen den Griff zumTelefonhörer. Nicht nur, weil sie keine Lust auf ewig langeWarteschleifen haben. Sondern auch, weil sie sich viel lieberbequem auf dem Sofa über einen Messenger beraten lassenoder einfach zu beantwortende Anfragen wie „Wo bleibtmein Paket?“ stellen.In der Folge sind 86% der deutschen Online-Shopper bereit,Echtzeitkanäle in der Fashion- und Accessoires-Branche füreine unmittelbare und persönliche Beratung zu nutzen, ergabeine Umfrage des Marktforschungsinstituts ECC Köln undiAdvize. Die Unternehmen wiederum können mithilfe derBots eine höhere Servicequalität und Kundenbindung errei-chen sowie ihre Datenbanken mit wertvollen Informationenanreichern. Darüber hinaus bieten sich die Bots für die After-sale-Betreuung und automatisierte Kundenbefragungen an.Einer Studie zufolge sind Kunden offener und weniger beein-flussbar, wenn sie von Bots interviewt werden.Die Gefahr, dass massenhaft Customer Care-Mitarbeiter ent-lassen werden, besteht mittelfristig noch nicht. Vielmehrprofitieren die menschlichen Agents derzeit von ihren binä-ren Kollegen. Sie können die Produkt- und Kundendaten, diedie digitalen Assistenten in Sekundenschnelle heraussuchen,für ihre Beratung nutzen.Oder sie beobachten die Arbeit der Bots und greifen gegebe-nenfalls ein. Insbesondere dann, wenn es knifflig wird. „Nochkönnen nur menschliche Mitarbeiter komplexe Entscheidun-gen treffen“, sagt Christian Wolf, CEO des Berliner KI-Spezia-listen Parlamind. „Gebe ich einen Nachlass? Und ist es okay,wenn die Retoure drei Tage zu spät kommt? Das lässt sichnicht in Regeln pressen.“

BERT RÖSCH, MITARBEIT: LC

Stück für Stück verschwinden, um den Platz der intuitivenConversational Experience zu überlassen“, prophezeit JulienHervouet, CEO des Online-Dienstleisters iAdvize. Die Dia-logmarketing-Agentur GKK schätzt, dass Chat Bots in zwei bisdrei Jahren die meisten schriftlich gestellten Fragen im Kun-denservice beantworten.Laut Marcus Ambrus, Geschäftsführer der Online-AgenturPlan.net Business Intelligence, bewegen sich die Entwick-lungskosten für einen Chat Bot zwischen 30.000 bis 40.000Euro. „Der Markt will noch schnell Masse gewinnen. Deshalbnehmen die Anbieter noch keine Lizenzkosten.“

Doch wer die Fashion-Chat-Bots auf ihre virtuellen Herzenund Nieren testet, stellt schnell fest, dass die Maschinen nochweit davon entfernt sind, längere Gespräche mit Menschenzu führen. In einem TW-Test von zehn Chat Bots der Brancheüberwogen deutlich regelbasierte Dialoge, die kaum vonihren Skripten abwichen. Sie sind – wie es im Tech-Deutschheißt – gescriptet. Das heißt: Die Kunden werden – ähnlichwie bei einer Telefon-Hotline – durch Multiple Choice-Fragenzum gesuchten Produkt geführt. Dazu müssen sie etwa ankli-cken, welches Geschlecht sie haben, wie alt sie sind und wosie wohnen.Ein Beispiel: Der virtuelle Assistent von Tommy Hilfiger be-grüßt den User bei seinem zweiten Besuch herzlich: „Schön,dass Du wieder da bist! Dann lädt er ihn zur Runway Showein, die im Netz übertragen wird. Als der User dankend ab-lehnt, fragt der Bot: „Möchtest Du die Kollektion sehen oderherausfinden, wie das Model Gigi und Tommy zusammenge-funden haben?“ „Nein!“ Bei der anschließenden Frage nacheiner Männerhose wird nur ein Produkt vorgeschlagen. An-schließend hat man die Möglichkeit, die Größe auszuwählenoder weiter durchs Sortiment zu browsen.Das soll Künstliche Intelligenz sein? Natürlich nicht. Aber: DieEntwicklung steckt noch in den Kinderschuhen. Was tech-nisch möglich ist, zeigte kürzlich eine russische Programmie-rerin in San Francisco, die die jahrelange Kommunikation miteinem verstorbenen Freund in die Cloud hochlud und an-schließend mit einer virtuellen Kopie des Toten ein realitäts-nahes Gespräch führen konnte. Und: Die vorhandenen Be-helfslösungen erzielen auch schon beachtliche Effekte: „Selbstein simpler Chat-Bot, der nur vorgefertigte Antworten bereithält, bringt die Absprungrate immerhin auf unter 40%. Dasist doch hervorragend“, sagt Plan.net-Manager Ambrus. Sei-