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Technische Universit¨ at Darmstadt Institut f¨ ur Regelungstechnik Fachgebiet Regelsystemtechnik und Prozeßautomatisierung Prof. Dr.-Ing. Dr. h. c. Rolf Isermann Diplomarbeit Weiterentwicklung von Verfahren zur Online-Parametersch¨ atzung und Untersuchung von Methoden zur Erzeugung zeitlicher Ableitungen Bearbeitet von: Michael Vogt Betreut von: Dipl.-Ing. Olaf Moseler Tag der Abgabe: 26. August 1998

Diplomarbeit - Technische Universität Darmstadt · thoden gebr˜auchlich, siehe [10]: † Parit˜atsgleichungen: Die Ausg˜ange des Prozesses werden mit den Ausg ˜an-gen eines Referenzmodells

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Technische Universitat DarmstadtInstitut fur Regelungstechnik

Fachgebiet Regelsystemtechnik und

Prozeßautomatisierung

Prof. Dr.-Ing. Dr. h. c. Rolf Isermann

Diplomarbeit

Weiterentwicklung von Verfahren zur Online-Parameterschatzung

und Untersuchung von Methoden zur Erzeugung

zeitlicher Ableitungen

Bearbeitet von: Michael Vogt

Betreut von: Dipl.-Ing. Olaf Moseler

Tag der Abgabe: 26. August 1998

Page 2: Diplomarbeit - Technische Universität Darmstadt · thoden gebr˜auchlich, siehe [10]: † Parit˜atsgleichungen: Die Ausg˜ange des Prozesses werden mit den Ausg ˜an-gen eines Referenzmodells

Zusammenfassung

Parameterschatzverfahren werden u. a. zur Fehlererkennung an technischen Pro-

zessen eingesetzt. Dazu werden die Parameter in Echtzeit geschatzt und mit

denen eines Referenzmodells verglichen, um Veranderungen festzustellen. Ausge-

hend von dieser Aufgabenstellung greift die vorliegende Arbeit zwei Teilprobleme

auf: Zum einen werden zeitrekursive Schatzverfahren hergeleitet, welche die Pro-

zeßparameter mit hoherer numerischer Genauigkeit berechnen als herkommliche

RLS-Algorithmen und trotzdem erheblich weniger Rechenzeit benotigen als die

ublichen Orthogonalisierungsverfahren. Zum anderen wird die Erzeugung zeitli-

cher Ableitungen mit Hilfe von Filtern untersucht. Diese werden im Zusammen-

hang mit zeitkontinuierlichen Prozessmodellen benotigt. Im Mittelpunkt steht

dabei die Frage, inwieweit die haufig verwendeten Zustandsvariablenfilter durch

Filter mit nichtrekursiver Struktur ersetzt werden konnen.

Alle Verfahren werden zunachst analysiert und mit MATLAB in der Simu-

lation getestet. Anschließend werden sie zur Parameterschatzung und Fehlerer-

kennung am elektrischen Teilsystem eines burstenlosen Gleichstrommotors ein-

gesetzt.

2

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Abstract

Parameter estimation methods are used for various applications, such as fault

detection in technical processes. For this the parameters are estimated in real-

time and compared with those of a reference model to detect differences. With

regard to the fault detection problem, this thesis deals with two basic problems

of parameter estimation: First, estimation methods are proposed that compute

the process parameters with higher accuracy than traditional RLS algorithms but

need considerably less computation time than usual orthogonalization techniques.

Then, the formation of derivatives by linear filters is discussed, since derivatives of

signals are needed to estimate parameters of continous-time models. In particular

it will be examined, how the widely used state variable filter can be substituted

by filters with non-recursive structure.

All the methods will be analyzed and tested in MATLAB simulations. After

that, they are used for parameter estimation and fault detection of the electric

subsystem of a brushless DC motor.

3

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Inhaltsverzeichnis

Zusammenfassung 2

Abstract 3

Haufig verwendete Symbole 6

1 Einfuhrung 8

2 Parameterschatzverfahren 13

2.1 Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13

2.2 Der klassische Losungsansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15

2.3 Losung durch orthogonale Transformation . . . . . . . . . . . . . 18

2.4 Das Gram-Schmidt-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22

2.5 Schnelle DSFI-Algorithmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25

2.6 Vergleich der Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29

3 Erzeugung zeitlicher Ableitungen 34

3.1 Zustandsvariablenfilter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34

3.2 Modulationsfunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41

3.3 Differenzierende Transversalfilter . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45

3.4 Vergleich der Methoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48

4 Experimentelle Ergebnisse 53

4.1 Der burstenlose Gleichstrommotor . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53

4.2 Schatzung der Parameter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56

4.3 Erkennung von Fehlern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61

5 Zusammenfassung und Ausblick 64

4

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INHALTSVERZEICHNIS 5

A Weitere Schatzverfahren 69

A.1 Das RLS-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69

A.2 Die Householder-Transformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70

B MATLAB-Funktionen 72

B.1 Rekursive Parameterschatzverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . 72

B.1.1 DSFI-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72

B.1.2 RMGS-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73

B.1.3 Schnelles DSFI-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74

B.2 Filterentwurf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75

B.2.1 Zustandsvariablenfilter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75

B.2.2 Modulationsfunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77

B.2.3 Differenzierende Transversalfilter . . . . . . . . . . . . . . 77

Literaturverzeichnis 79

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HAUFIG VERWENDETE SYMBOLE 6

Haufig verwendete Symbole

Parameterschatzung

c1, c2 transformierte rechte Seite

e Vektor der Schatzfehler (e = Ψθ − y)

D Diagonalmatrix (MGS-Verfahren, D2 = diag(w) )

G Transformationsmatrix (schnelle Givens-Rotation)

H Givens-Matrix (standard Givens-Rotation)

k Zeitindex (diskrete Zeit)

n Anzahl der Parameter

N Anzahl der Meßwerte

Q orthonormale N × N -Matrix (QR-Zerlegung)

R Cholesky-Faktor

S erweiterte R-Matrix: S = (R, c1)

U orthonormale N × n -Matrix (MGS-Verfahren)

w Skalierungsfaktoren (schnelles DSFI-Verfahren)

y Vektor der Ausgangswerte

γ, σ Givens-Rotationsparameter

θ Parametervektor (geschatzte Parameter: θ)

λ exponentieller Gedachtnisfaktor

ψT Meßwert-Zeile

Ψ Datenmatrix (Zeilen: ψT , Spalten: ϕ)

Filterentwurf

ai, bi Filterkoeffizienten (der Ubertragungsfunktion G(s) )

Ad, Bd Matrizen fur zeitdiskretes Zustandsvariablenfilter

Ak, Bk Matrizen fur zeitkontinuierliches Zustandsvariablenfilter

f Frequenz

fa Abtastfrequenz (fa = 1/Ta)

fg Grenzfrequenz

g(t) Impulsantwort (g(t) −• G(s) )

G(s) Ubertragungsfunktion in s-Bereich

k Zeitindex (diskrete Zeit)

m Koeffizientenanzahl bei Transversalfiltern

n Filterordnung beim Zustandsvariablenfilter

p(t) Polynom

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HAUFIG VERWENDETE SYMBOLE 7

r Interpolationsordnung beim Zustandsvariablenfilter

t, τ kontinuierliche Zeit

Ta Abtastzeit (Ta = 1/fa)

Tf Lange der Impulsantwort

u Eingangssignal des Filters

u(kTa) Eingangsvektor des Zustandsvariablenfilter

x Zustandsvektor

y Ausgangssignal des Filters

κ Koeffizienten des Polynoms p(t)

Gleichstrommotor

IA Phasenstrom

IBr Bruckenstrom

LA Induktivitat einer Phase

PWM Tastverhaltnis der Pulsbreitenmodulation

RA Widerstand einer Phase

UA Phasenspannung

UBr Bruckenspannung

Ψ magnetische Flußverkettung

ω Kreisfrequenz des Motors

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Kapitel 1

Einfuhrung

Bei der Modellbildung technischer Prozesse unterscheidet man zwei prinzipielle

Vorgehensweisen: Die theoretische Modellbildung benutzt physikalische Grund-

gleichungen (Bilanzgleichungen, Zustandsgleichungen usw.), um das Verhalten

eines Prozesses naherungsweise zu beschreiben. Demgegenuber wird bei der ex-

perimentellen Modellbildung (oder Identifikation) eine Klasse von Modellen fur

den Zusammenhang zwischen Ein- und Ausgang angenommen und deren Para-

meter aus gemessenen Ein- und Ausgangssignalen bestimmt. Es besteht auch die

Moglichkeit, beide Methoden zu kombinieren, indem man die nicht oder nur un-

genau bekannten Parameter eines auf theoretischem Wege gewonnenen Modells

mit Hilfe von Identifikationsmethoden schatzt. Der Einsatz solcher Verfahren hat

sich insbesondere mit dem Aufkommen von Digitalrechnern und Mikrocontrollern

stark verbreitet.

Die so erzeugten Prozeßmodelle werden fur die verschiedensten Aufgaben im

Bereich der Regelungstechnik und deren Anwendungen eingesetzt. Eines dieser

Gebiete, dessen Bedeutung in den letzten Jahren stark zugenommen hat, ist die

Uberwachung und Fehlererkennung an technischen Prozessen, siehe [13]. Durch

den Einsatz modellgestutzter Methoden konnen Fehler fruher erkannt und u.U.

nach Art, Ort und Große eingeordnet werden (Fehlerdiagnose). Außerdem ist es

durch die Verwendung von Prozeßmodellen auch moglich, Fehler in geschlossenen

Regelkreisen zu erkennen, die vom Regler noch kompensiert werden konnen und

daher mit einfacher Grenzwertuberwachung nicht zu erfassen sind.

Da fur eine Regelung des Prozesses die Messung der Ein- und Ausgangsgroßen

ohnehin erforderlich ist, sind fur die Fehlererkennung keine zusatzlichen Sensoren

notig, was die Zuverlassigkeit des Uberwachungssystems weiter erhoht. In diesem

Zusammenhang bezeichnet man die Kenntnis des Prozeßverhaltens als analytische

8

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KAPITEL 1. EINFUHRUNG 9

Redundanz, wahrend man unter Hardware-Redundanz den Einsatz zusatzlicher

Sensoren versteht. Durch Hardware-Redundanz lassen sich z. B. Sensorfehler er-

kennen, indem man zur Messung eines Signals mehrere Sensoren benutzt und

deren Meßwerte miteinander vergleicht. Im Falle der analytischen Redundanz

ist es dagegen aufgrund des bekannten Ubertragungsverhaltens moglich, auch

verschiedene Signale miteinander zu vergleichen, so daß man auf den Einsatz

mehrerer Sensoren zur Messung eines einzigen Signals verzichten kann.

Fur die modellgestutzte Fehlererkennung sind im wesentlichen folgende Me-

thoden gebrauchlich, siehe [10]:

• Paritatsgleichungen: Die Ausgange des Prozesses werden mit den Ausgan-

gen eines Referenzmodells (= Modell des fehlerfreien Prozesses) verglichen,

wie in Bild 1.1 gezeigt. Die Differenzen e(t) bezeichnet man als Residuen,

Prozeß

Modell er r- -

- - -?

u(t)y(t)

e(t)+−

Bild 1.1: Fehlererkennung mit Hilfe von Paritatsgleichungen

die Gleichungen zu ihrer Berechnung als Paritatsgleichungen. Abgesehen

von stochastischen Storungen gilt im fehlerfreien Fall e(t) ≈ 0. Treten im

Prozeß Fehler auf, dann zeigen die Residuen Abweichungen, deren Dynamik

abhangig von der Art des Fehlers ist.

• Parameterschatzverfahren: Die Parameter eines Prozeßmodells werden in

Echtzeit geschatzt und mit den Parametern eines Referenzmodells ver-

glichen, siehe Bild 1.2. Aus den Parameteranderungen ∆θ konnen direkt

Prozeß

ID

e

r r- -

- ¾

4 4

4

u(t)y(t)

∆θθist

θsoll

−+

Bild 1.2: Fehlererkennung durch Online-Parameterschatzung

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KAPITEL 1. EINFUHRUNG 10

Ruckschlusse auf die Anderungen der internen Prozeßparameter (z. B. Wi-

derstande, Ubergangskoeffizienten etc.) gezogen werden. Damit ist bereits

mit einfachen Mitteln eine Fehlerdiagnose moglich.

• Außerdem sind auch noch Beobachterverfahren gebrauchlich. Diese benut-

zen Zustandsraummodelle und Zustandsbeobachter, um die internen Zu-

stande zu schatzen, woraus ebenfalls Aussagen uber mogliche Fehler ge-

wonnen werden konnen.

Alle diese Verfahren dienen der Erzeugung von Symptomen, d. h. von Großen, die

im Falle von Fehlern Veranderungen in ihren Signaleigenschaften (Mittelwert,

Varianz, Korrelationsfunktion, . . . ) zeigen. An die Generierung von Symptomen

schließt sich i. a. eine weitere Verarbeitung der Signale an, die z. B. eine Fehler-

diagnose oder die Abschaltung bzw. Rekonfiguration des Prozesses beinhaltet.

Dieser Teil des Uberwachungssystems soll hier nicht betrachtet werden; auch auf

Beobachterverfahren wird im folgenden nicht weiter eingegangen.

Methoden, die mit Paritatsgleichungen und Parameterschatzung arbeiten, be-

nutzen beide ein Prozeßmodell, das den Zusammenhang zwischen Eingang und

Ausgang wiedergibt. Wahrend bei den Paritatsgleichungen nur das Ein-/Aus-

gangsverhalten des Modells verwendet wird, werden bei den Parameterschatzme-

thoden die internen Parameter herangezogen, was eine Echtzeit-Parameterschat-

zung notig macht. Hinzu kommt die Schwierigkeit, die Parameter mit moglichst

hoher Gute zu schatzen, da einfache Verfahren oft so große Schatzfehler erzeu-

gen, daß sich kleine Parameteranderungen nicht mehr erkennen lassen. Die vor-

liegende Arbeit befaßt sich daher mit zwei wichtigen Teilproblemen der Parame-

terschatzung: Online-Parameterschatzverfahren und Erzeugung zeitlicher Ablei-

tungen.

In Kapitel 2 werden Parameterschatzverfahren naher betrachtet. Da die ge-

messenen Daten immer mit Meßfehlern und sonstigen Storungen behaftet sind,

muß man auch in den geschatzten Parametern mit Fehlern rechnen, die sich aber

mit relativ einfachen Mitteln abschatzen lassen. Eine solche Konditionsanalyse

zeigt, daß Verfahren, die mit orthogonalen Transformationen arbeiten, ein beson-

ders gunstiges Verhalten hinsichtlich der Schatzfehler aufweisen. Als Konsequenz

daraus sollen auch die hier benotigten Online-Schatzalgorithmen zu dieser Klas-

se von Verfahren gehoren. Ein weiterer Schwerpunkt von Kapitel 2 liegt daher

in der Entwicklung von zeitrekursiven Schatzalgorithmen, die zwar orthogonale

Transformationen benutzen, aber trotzdem mit einer moglichst geringen Anzahl

von Rechenoperationen auskommen.

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KAPITEL 1. EINFUHRUNG 11

Kapitel 3 behandelt mit der Erzeugung zeitlicher Ableitungen ein Problem,

das die Parameterschatzung nicht direkt betrifft, jedoch im Fall von zeitkonti-

nuierlichen Prozeßmodellen eine haufig erforderliche Signal-Vorverarbeitung dar-

stellt. Um dies zu verdeutlichen, sollen zunachst einige Klassen von Prozeßmodel-

len betrachtet werden, die linear in ihren Parametern sind und somit auf lineare

Ausgleichsprobleme fuhren1. Statische Prozesse mit Eingang u und Ausgang y,

die diese Forderung erfullen, haben die Struktur

y(u) =n∑

i=1

kiϕi(u) (1.1)

mit den Parametern ki und den Ansatzfunktionen ϕi(u). Der Ausgang y hangt

dabei nur vom aktuellen Eingangswert u ab. Demgegenuber hangt z. B. das aktu-

elle Ausgangssignal y(k) eines linearen zeitdiskreten dynamischen Prozesses uber

die Beziehung

y(k) +

n1∑i=1

aiy(k − i) =

n2∑j=0

bju(k − j) (1.2)

auch von den Eingangs- und Ausgangswerten an vergangenen Zeitpunkten ab2.

Ein Prozeßmodell nach Gl. (1.2) fuhrt allerdings nur dann auf ein lineares Aus-

gleichsproblem, wenn als Modellfehler der sog. Gleichungsfehler verwendet wird,

der dem Fehler einer Einschritt-Vorhersage entspricht, siehe [9]. Wichtig ist bei

dieser Modellstruktur, daß alle Daten, d. h. die Großen y(k − i) und u(k − j),

gemessen werden konnen. Dies kann bei linearen zeitkontinuierlichen Modellen

der Form

y(t) +

n1∑i=1

a∗i y

(i)(t) =

n2∑j=0

b∗ju(j)(t) (1.3)

nicht vorausgesetzt werden, da die zeitlichen Ableitungen y(i)(t) und u(j)(t) haufig

nicht zuganglich sind oder zusatzliche Sensoren erfordern wurden. Zeitkontinu-

ierliche Modelle nach Gl. (1.3) werden aber oft den zeitdiskreten Modellen aus

Gl. (1.2) vorgezogen, weil die Parameter a∗i und b∗j im Gegensatz zu ai und bj in

der Regel eine physikalische Bedeutung haben und die Modelle dadurch anschau-

licher machen.

Da eine numerische Differentiation der Signale wegen ihrer schlechten Storsig-

nalunterdruckung vermieden werden sollte, werden in Kapitel 3 Filter vorgestellt,

1Dies ist notwendig, um die in Kapitel 2 beschriebenen Verfahren einsetzen zu konnen.Nichtlineare Ausgleichsprobleme werden dagegen hier nicht behandelt.

2Das Argument k bezeichnet hier die diskrete Zeit und entspricht den Zeitpunkten kTa,wobei Ta die Abtastzeit ist.

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KAPITEL 1. EINFUHRUNG 12

die eine Differentiation durchfuhren und gleichzeitig hochfrequente Storungen un-

terdrucken. Der ubliche Ansatz hierfur sind zeitdiskret realisierte Zustandsvaria-

blenfilter, die die zeitlichen Ableitungen zwar sehr effizient berechnen, doch auf-

grund ihrer rekursiven Struktur auch einige Nachteile aufweisen. Als Alternativen

werden die Methode der Modulationsfunktionen und differenzierende Transver-

salfilter untersucht, die einen nichtrekursiven Aufbau besitzen und daher insbe-

sondere ein gunstigeres Einschwingverhalten zeigen.

In Kapitel 4 werden die Verfahren aus den beiden vorangegangenen Kapiteln

am Beispiel eines burstenlosen Gleichstrommotors erprobt. Solche Motoren haben

gegenuber herkommlichen Gleichstrommotoren einen geringeren Verschleiß, da

die Kommutierung auf elektronischem Weg erfolgt. Die Untersuchung beschrankt

sich dabei auf das elektrische Teilsystem, da hier die benotigten Signale verhalt-

nismaßig gut zuganglich sind und Fehler mit einfachen Mitteln auch kunstlich

erzeugt werden konnen (Unterbrechung, Widerstandserhohung, . . . ). Nach einer

Online-Parameterschatzung werden beispielhaft Fehler in den Prozeß eingebaut

und der Verlauf der geschatzten Parameter beobachtet.

Kapitel 5 faßt schließlich die gewonnenen Erkenntnisse noch einmal zusammen

und gibt einen Ausblick auf die weitere Entwicklung der Methoden im Hinblick

auf ihre praktische Realisierung und noch bestehende Nachteile.

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Kapitel 2

Parameterschatzverfahren

Wie in Kapitel 1 erlautert wurde, werden parametrische Prozeßmodelle fur ver-

schiedene Aufgaben eingesetzt, z. B. zum Reglerentwurf, fur Stabilitatsuntersu-

chungen usw. Bei einigen dieser Problemstellungen wird nur das Ein-/Ausgangs-

verhalten des Modells benutzt, d. h. die Prozeßparameter werden nicht benotigt.

In einem solchen Fall sind oft einfache Parameterschatzverfahren ausreichend, die

zwar zu großen Fehlern in den geschatzten Parametern fuhren konnen, aber in

der Regel dennoch ein Modell liefern, das das Ein-/Ausgangsverhalten gut appro-

ximiert. Verwendet man Parameterschatzverfahren jedoch zur Fehlererkennung,

dann werden die Parameter eines in Echtzeit geschatzten Modells mit denen eines

Referenzmodells verglichen, um mogliche Veranderungen festzustellen. Dazu ist

es aber notig, die Parameter mit moglichst hoher Genauigkeit zu schatzen, da die

Schatzfehler bei numerisch schlechten Verfahren um ein Vielfaches großer sein

konnen, als die zu erkennenden Parameteranderungen. Ziel dieses Kapitels ist es

daher, numerisch stabile Verfahren herzuleiten, die auch fur den Echtzeit-Einsatz

auf Digitalrechnern und Mikrocontrollern geeignet sind.

2.1 Problemstellung

Betrachtet wird im folgenden ein Prozeß mit einem Eingang u und einem Ausgang

y. Der funktionelle Zusammenhang sei beschrieben durch

y = ψT · θ (2.1)

mit

ψT = (ψ1, ψ2, . . . , ψn)

θ = (θ1, θ2, . . . , θn)T .

13

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KAPITEL 2. PARAMETERSCHATZVERFAHREN 14

Die Ansatzfunktionen ψi konnen im Falle eines statischen Prozesses z. B. Poten-

zen des Eingangs ui sein (Polynomansatz). Bei linearen dynamischen Prozessen

stellen die Ansatzfunktionen die zeitlichen Ableitungen des Eingangs (u(i)(t)) und

des Ausgangs (y(i)(t)) dar, bzw. im zeitdiskreten Fall die zeitlich verschobenen

Werte u(t− iTa) und y(t− iTa), wobei Ta die Abtastzeit des Systems ist, siehe [9].

Diese Unterscheidung soll im folgenden nicht mehr gemacht werden; zur Unter-

suchung der Schatzverfahren werden beliebige Prozesse betrachtet, die linear in

ihren n Parametern sind, also durch Gl. (2.1) beschrieben werden. Zur Schatzung

der Parameter macht man den Ansatz

y(k) = ψT (k) · θ (2.2)

bzw.

y(k) = ψT (k) · θ + e(k) , (2.3)

wobei die mit ˆ gekennzeichneten Großen Schatzwerte darstellen und e(k) =

y(k)− y(k) der Schatzfehler ist. Stellt man die Schatzgleichung (2.3) fur mehrere

Meßpunkte k auf, so ergibt sich ein lineares Gleichungssystem:

y = Ψ · θ + e (2.4)

mit

y = (y(1), y(2), . . . , y(N))T

Ψ =

ψ1(1) ψ2(1) · · · ψn(1)

ψ1(2) ψ2(2) · · · ψn(2)...

......

ψ1(N) ψ2(N) · · · ψn(N)

=

ψT (1)

ψT (2)...

ψT (N)

θ = (θ1, θ2, . . . , θn)T

e = (e(1), e(2), . . . , e(N))T .

Obwohl prinzipiell n Gleichungen zur Bestimmung der n Parameter ausreichen

wurden, verwendet man zur Unterdruckung von Meßfehlern N À n Gleichungen

und bestimmt die Parameter θ so, daß die Fehlerquadratsumme

V =N∑

k=1

e(k) = eT e = ‖e‖22 = ‖Ψ · θ − y‖2

2 (2.5)

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KAPITEL 2. PARAMETERSCHATZVERFAHREN 15

minimal wird. Die folgenden Abschnitte befassen sich mit verschiedenen Losungs-

methoden fur dieses Problem. Wie bereits oben eingefuhrt, sollen dabei die Zei-

len von Ψ mit ψT (k) bezeichnet werden, die Spalten dagegen mit ϕj. Bei nicht-

rekursiven Verfahren sind die Elemente von Ψ mit ψkj bezeichnet; im Zusammen-

hang mit zeitrekursiven Verfahren wird bei allen beteiligten Großen ein Zeitindex

in Klammern angegeben, insbesondere ist dann anstelle von ψkj die Bezeichnung

ψj(k) gewahlt. Wird eine Große innerhalb eines Zeitschritts mehrfach umgerech-

net, so wird diese Iteration durch einen hochgestellten Index (i) angezeigt.

2.2 Der klassische Losungsansatz

Die am langsten bekannte Methode zur Losung des linearen Ausgleichs- oder

Parameterschatzproblems

‖Ψθ − y‖22 = min. (2.6)

wurde bereits von Gauss entwickelt und fuhrt auf die sog. Normalgleichungen;

das Verfahren wird haufig auch als LS-(least squares)-Verfahren bezeichnet. Dabei

faßt man die Fehlerquadratsumme

V (θ) = ‖Ψθ − y‖22 = (Ψθ − y)T (Ψθ − y) = θ

TΨTΨθ − 2yTΨθ + yT y (2.7)

als Funktion der Parameter θ auf und bildet den Gradienten

∇V =∂V

∂θ= 2ΨTΨθ − 2Ψy . (2.8)

An der Minimalstelle gilt ∇V = 0, so daß die Normalgleichungen1 schließlich

folgende Form haben, siehe [9]:

ΨTΨ θ = ΨT y , (2.9)

bzw. nach θ aufgelost:

θ = (ΨTΨ)−1ΨT y . (2.10)

Man wird allerdings die Parameter nicht nach Gl. (2.10) bestimmen, sondern

Gl. (2.9) mittels des Cholesky-Verfahrens nach θ auflosen, da ΨTΨ eine posi-

tiv definite Matrix ist. Das Cholesky-Verfahren ist ein dem Gauss-Algorithmus

ahnliches Verfahren, das speziell zur Losung von Gleichungssystemen mit positiv

definiter Matrix konzipiert ist und bessere numerische Eigenschften aufweist als

1Man spricht von den Normalgleichungen in der Mehrzahl, da es sich um ein System von n

linearen Gleichungen handelt.

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KAPITEL 2. PARAMETERSCHATZVERFAHREN 16

der Gauss-Algorithmus, siehe [17]. Wahrend mit dem Gauss-Algorithmus ledig-

lich die Zerlegung einer Matrix A in eine untere und eine obere Dreiecksmatrix

A = LU moglich ist, kann eine positiv definite Matrix in der Form A = RT R

zerlegt werden, wobei R eine obere Dreiecksmatrix ist und als Cholesky-Faktor

von A bezeichnet wird. Gl. (2.9) reduziert sich daher auf

RT R θ = ΨT y , (2.11)

was durch zweimaliges Ruckeinsetzen gelost werden kann. Bei der praktischen

Berechnung wird der Cholesky-Algorithmus wahrend der Rechnung auch auf die

rechte Seite angewendet, so daß man direkt ein gestaffeltes Gleichungssystem

erhalt:

R θ = (RT )−1ΨT y︸ ︷︷ ︸z

. (2.12)

Haufig hat man auch die Aufgabe, die Parameter wahrend des Betriebs des

Prozesses zu schatzen (Online-Identifikation), d. h. die Meßwerte (= die Zeilen

von Ψ und y) fallen nacheinander an, so daß man ein zeitrekursives Verfahren

benotigt. Ein solches Verfahren ist im Anhang A.1 beschrieben (RLS, recursive

least squares). Dabei ist auch ein Gedachtnisfaktor 0 < λ ≤ 1 berucksichtigt,

der die zuruckliegenden Meßwerte exponentiell gewichtet und so die Schatzung

von zeitvarianten Parametern ermoglicht. Dieser Gedachtnisfaktor bewirkt beim

LS-Verfahren eine Gewichtung der Zeilen von Ψ in der Form

Ψ = WΨ (2.13)

mit

W =

λN−1 · · · 0 0...

. . ....

0√

λ 0

0 · · · 0 1

,

so daß sich dieses Verfahren auf das normale LS-Verfahren zuruckfuhren laßt,

indem man Ψ durch Ψ und y durch y = Wy ersetzt. Die Verwendung eines

Gedachtnisfaktors λ 6= 1 ist naturlich nur bei zeitrekursiven Verfahren sinnvoll,

wenn die Losung nach jedem Zeitschritt neu berechnet wird.

Bisher wurde angenommen, daß alle Großen exakt vorliegen, was aber nicht

realistisch ist, da es sich um Meßdaten handelt. Wahrend die Elemente von Ψ

zum Teil relativ genau bekannt sind (z. B. weil die Eingangssignale von einem

Regler vorgegeben werden), sind insbesondere die Ausgangsdaten y mit Meßfeh-

lern δy behaftet, die zu Fehlern δθ in den geschatzten Parametern fuhren. Zur

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KAPITEL 2. PARAMETERSCHATZVERFAHREN 17

Abschatzung dieser Fehler betrachtet man zunachst ein lineares Gleichungssy-

stem Ax = b mit einer n×n -Matrix A und einer fehlerbehafteten rechten Seite

b + δb, die einen Fehler δx in der Losung zur Folge hat:

A(x + δx) = b + δb . (2.14)

Aus Ax = b und Aδx = δb ergeben sich die Norm-Ungleichungen

‖δx‖ = ‖A−1δb‖ ≤ ‖A−1‖ · ‖δb‖ (2.15)

‖b‖ = ‖Ax‖ ≤ ‖A‖ · ‖x‖ , (2.16)

woraus man fur den relativen Fehler in der Losung x die Abschatzung

‖δx‖‖x‖ ≤ cond(A) · ‖δb‖‖b‖ (2.17)

erhalt. Darin bezeichnet cond(A) die sog. Konditionszahl der Matrix und ist fur

quadratische Matrizen definiert als

cond(A) = ‖A‖ · ‖A−1‖ . (2.18)

Die Abschatzung fur den Fall einer fehlerbehafteten Matrix A ist etwas aufwendi-

ger. Es zeigt sich jedoch, daß sich die Fehler im wesentlichen additiv uberlagern,

siehe [17]. Welche Matrizennorm dabei verwendet wird, ist im Prinzip gleichgultig;

es ist lediglich darauf zu achten, daß es sich um eine zur verwendeten Vektornorm

passende Norm handelt. Bei Verwendung der ‖ · ‖2 -Norm (Spektralnorm) kann

die Definition der Konditionszahl auch auf nicht-quadratische Matrizen – wie sie

bei Parameterschatzproblemen auftreten – verallgemeinert werden. Man definiert

dann

cond(A) =σ1

σn

, (2.19)

wobei σ1 der großte und σn der kleinste Singularwert von A ist. Als Singularwerte

bezeichnet man die Quadratwurzeln der Eigenwerte von AT A, die durch eine sog.

Singularwertzerlegung, ein aufwendiges, aber numerisch sehr stabiles Verfahren,

berechnet werden konnen. Im Falle einer quadratischen Matrix A und der ‖ · ‖2 -

Norm sind die Definitionen (2.18) und (2.19) identisch.

Ubertragt man diese Ergebnisse auf die Normalgleichungen (2.9), dann ergibt

sich fur den relativen Fehler der ermittelten Parameter die Abschatzung

‖δθ‖‖θ‖ ≤ cond(ΨTΨ) · ‖δy‖‖y‖ = cond2(Ψ) · ‖δy‖‖y‖ , (2.20)

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KAPITEL 2. PARAMETERSCHATZVERFAHREN 18

Tabelle 2.1: Schatzung von Polynomkoeffizienten (LS)

Intervall [-1,1] [5,7] [10,12]

1.00000000000000 2.82369132865074 10641.8989813937

2.00000000000001 0.46212653491959 -4852.3506223926

3.00000000000002 3.51707351431825 887.9824760531θ

3.99999999999996 3.91335104651154 -76.5933977528

4.99999999999998 5.00723709500781 8.6662864637

6.00000000000004 5.99975897663828 5.9333490050

cond(Ψ) 4.26 · 101 2.45 · 109 7.71 · 1011‖δθ‖‖θ‖ /‖δy‖

‖y‖ 5.77 · 101 5.46 · 1015 2.63 · 1019

d. h. die Meßfehler in y wirken sich mit einem Faktor cond2(Ψ) auf das Ergebnis

aus. Dies gilt im ubrigen auch fur das RLS-Verfahren, da es wie das LS-Verfahren

auf den Normalgleichungen basiert. Welche Folgen das haben kann, soll folgen-

des Beispiel verdeutlichen: Auf einem Intervall [a, b] wird ein Polynom 5. Grades

mit den Koeffizienten θ = (1, 2, 3, 4, 5, 6)T betrachtet. Durch Auswertung an

N = 100 Punkten wird eine Ausgleichsaufgabe ‖Ψθ − y‖22 = min. erzeugt, aus

der mit Hilfe des LS-Verfahrens wieder die Parameter θ geschatzt werden sol-

len. Dabei ist der Fehler in den Daten identisch mit der Rechengenauigkeit und

betragt hier etwa 2.2 · 10−16. Abhangig von der Lage des Intervalls erhalt man

die Schatzergebnisse in Tabelle 2.1. Man sieht, daß schon die sehr kleinen Fehler

in den Daten die Losung unbrauchbar machen konnen, wenn das Schatzproblem

schlecht konditioniert ist. Da man an einem realen Prozeß selten genauer als 10−3

oder 10−4 messen kann, muß dafur gesorgt werden, daß zum einen die Konditi-

onszahl klein bleibt und zum anderen Verfahren zum Einsatz kommen, bei denen

sich die Meßfehler nicht mit cond2(Ψ) fortpflanzen.

2.3 Losung durch orthogonale Transformation

Da die schlechten numerischen Eigenschaften des LS-Verfahrens offensichtlich

durch die Bildung der Matrix ΨTΨ zustande kommen, sollen nun Verfahren vor-

gestellt werden, welche die Bildung dieser Matrix vermeiden. Zur Herleitung sol-

cher Verfahren wird ausgenutzt, daß die Multiplikation mit einer orthonormalen

Matrix Q die Norm eines Vektors nicht andert:

‖Ψθ − y‖22 = ‖Q(Ψθ − y)‖2

2 . (2.21)

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KAPITEL 2. PARAMETERSCHATZVERFAHREN 19

Zu jeder Matrix Ψ existiert eine QR-Zerlegung, siehe [17], mit einer orthonorma-

len N × N -Matrix Q und einer n × n oberen Dreiecksmatrix R, so daß gilt

QΨ =

(R

0

) n

N − n(2.22)

Damit kann Gl. (2.21) weiter zerlegt werden in

‖Ψθ − y‖22 = ‖

(R

0

)θ −Qy‖2

2 = ‖(

Rθ − c1

c2

)‖2

2 = ‖Rθ − c1‖22 + ‖c2‖2

2 . (2.23)

Dieser Ausdruck wird zum Minimum, falls Rθ − c1 = 0, der Restfehler ist dann

gegeben durch ‖c2‖2. Es laßt sich leicht zeigen, daß R wieder der im letzten

Abschnitt eingefuhrte Cholesky-Faktor von ΨTΨ ist:

ΨTΨ = (QT

(R

0

))T (QT

(R

0

)) = (RT , 0) QQT

(R

0

)= RT R . (2.24)

Man erhalt die Bedingung Rθ = c1 daher auch, wenn man die QR-Zerlegung

(2.22) direkt in die Normalgleichungen (2.9) einsetzt. Entscheidend ist jedoch, daß

R berechnet wird, ohne ΨTΨ explizit zu bilden und sich die Parameterschatzung

somit auf die QR-Zerlegung der Matrix Ψ reduziert. Dies geschieht ublicherweise

mittels Householder-Transformationen, die im Anhang A.2 beschrieben sind. Die

Matrix Q, die naturlich nicht mitberechnet werden muß, kann als Produkt von

orthonormalen Householder-Matrizen gedeutet werden. Zur Berechnung von c1 in

Gl. (2.23) muß der Vektor y ebenfalls transformiert werden; es bietet sich daher

an, samtliche Householder-Transformationen auf die Matrix (Ψ, y) anzuwenden,

so daß man nach n Schritten folgende Zerlegung erhalt:

Q(Ψ, y) =

(R c1

0 c2

) n

N − n(2.25)

Durch eine (n + 1) -te Householder-Transformation laßt sich das Residuum mit-

berechnen:

Qn+1Q(Ψ, y) =

R c1

0 ‖c2‖2

0 0

n

1

N − n − 1

(2.26)

Die gesuchte Losung ergibt sich dann durch einfaches Ruckeinsetzen aus der Glei-

chung Rθ = c1. Zur Abschatzung der Fehler in θ kann man mit einigen kleinen

Einschrankungen wieder Gl. (2.17) verwenden, so daß gilt

‖δθ‖‖θ‖ ≤ cond(Ψ) · ‖δy‖‖y‖ . (2.27)

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KAPITEL 2. PARAMETERSCHATZVERFAHREN 20

Wichtig ist hierbei, daß sich die Fehler in den Daten nicht mit cond2(Ψ), sondern

nur mit cond(Ψ) fortpflanzen.

Auf der Basis der QR-Zerlegung laßt sich auch ein zeitrekursives Verfahren

herleiten, das ebensogute numerische Eigenschaften besitzt und unter der Be-

zeichnung DSFI (discrete square-root filtering in information form) bekannt ist,

siehe [8], [9], [14]. Dazu nimmt man an, daß die QR-Zerlegung von Ψ(k) bekannt

sei und sucht dann die QR-Zerlegung der Matrix Ψ(k + 1) =( Ψ(k)

ψT(k+1)

), die sich

durch Hinzufugen einer Datenzeile ψT (k + 1) ergibt. Mit den bekannten Großen

kann man folgende Gleichung aufstellen:(Q(k) 0

0T 1

)(Ψ(k)

ψT (k + 1)

)=

R(k)

0

ψT (k + 1)

. (2.28)

Benotigt wird jetzt eine Folge von orthonormalen Transformationen, die ψT (k+1)

auf der rechten Seite von Gl. (2.28) in eine Nullzeile uberfuhrt, so daß die ge-

suchte QR-Zerlegung von Ψ(k +1) entsteht. Diese Aufgabe laßt sich mit Givens-

Transformationen losen, die im 2-dimensionalen Fall einer ebenen Rotation ent-

sprechen. Die Givens-Transformation ist dazu geeignet, Nullen in einer Matrix

zu erzeugen. Im Gegensatz zur Householder-Transformation wird aber jeweils

nur ein einziges Element zu Null gemacht.

Es sei zunachst M eine beliebige 2×µ -Matrix. Diese soll mit einer orthonor-

malen 2 × 2 -Givens-Matrix

H =

(γ σ

−σ γ

)(2.29)

multipliziert werden, so daß das Element m′21 der transformierten Matrix M ′ =

HM verschwindet, also(γ σ

−σ γ

) (m11 m12 · · ·m21 m22 · · ·

)=

(m′

11 m′12 · · ·

0 m′22 · · ·

). (2.30)

Aus den beiden Forderungen

det(H) = γ2 + σ2 = 1

m′21 = −σm11 + γm21 = 0

erhalt man die Rotationsparameter als

γ =m11√

m211 + m2

21

und σ =m21√

m211 + m2

21

, (2.31)

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KAPITEL 2. PARAMETERSCHATZVERFAHREN 21

und die Elemente der transformierten Matrix ergeben sich zu

m′11 =

√m2

11 + m221 , m′

21 = 0 ,

m′1j = γm1j + σm2j , m′

2j = −σm1j + γm2j , j = 2, . . . , µ .(2.32)

Um die QR-Zerlegung von Ψ(k +1) zu bestimmen, werden nun nacheinander

Givens-Rotationen auf die rechte Seite von Gl. (2.28) angewendet. Zuerst wird die

neue Datenzeile ψT (k +1) mit der 1. Zeile von R(k) kombiniert und so das erste

Element der Datenzeile eliminiert, dann wird die umgerechnete Datenzeile mit der

2. Zeile von R(k) kombiniert, um das 2. Element zu entfernen, usw. Alle Givens-

Rotationen konnen formal als orthonormale (N+1)×(N+1) -Matrizen angesehen

werden, mit denen beide Seiten von Gl. (2.28) von links multipliziert werden.

Diese Matrizen konnen mit Q(k) zur neuen Matrix Q(k + 1) zusammengefaßt

werden, so daß schließlich gilt:

Q(k + 1)Ψ(k + 1) =

(R(k + 1)

0

) n

N − n + 1(2.33)

Zur rekursiven Berechnung der Losung verwendet man anstelle von R(k) die

Matrix S(k) = (R(k), c1(k)), die sich aus Gl. (2.25) ergibt. Die Elemente dieser

Matrix sind die einzigen Großen, die beim DSFI-Algorithmus iteriert werden; die

eigentliche Losung θ(k) muß in jedem Schritt durch Ruckeinsetzung berechnet

werden. Der Gedachtnisfaktor λ aus Gleichung (2.13) kann dadurch berucksich-

tigt werden, daß die Matrix S(k) vor der Hinzunahme einer neuen Meßwertzeile

ψT (k + 1) = (ψ(0)1 (k + 1), . . . , ψ

(0)n+1(k + 1)) mit

√λ multipliziert wird2. Fur die

Hinzunahme der (k + 1) -ten Meßwertzeile sind also folgende Rechenoperationen

durchzufuhren, siehe auch Anhang B.1:

Algorithmus 2.1 (DSFI-Verfahren)

Berechne fur i = 1, . . . , n:

sii(k + 1) =

√λs2

ii(k) + (ψ(i−1)i (k + 1))2

γ =sii(k)

sii(k + 1), σ =

ψ(i−1)i (k + 1)

sii(k + 1)

Berechne fur j = i + 1, . . . , n + 1:

sij(k + 1) =√

λγsij(k) + σψ(i−1)j (k + 1)

ψ(i)j (k + 1) = −

√λσsij(k) + γψ

(i−1)j (k + 1)

2Zur einheitlichen Darstellung ist der Ausgangswert y(k + 1) mit ψ(0)n+1(k + 1) bezeichnet.

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KAPITEL 2. PARAMETERSCHATZVERFAHREN 22

Hinzu kommt jeweils noch die Ruckeinsetzung:

Berechne fur i = n, . . . , 1:

θi(k + 1) =1

sii(k + 1)

(si,n+1(k + 1) −

n∑j=i+1

sij(k + 1) θj(k + 1)

)Man beachte, daß die (n + 1)-te Spalte von S(k + 1) dem Vektor c1 in Gl. (2.23)

entspricht.

Wendet man dieses Verfahren auf das Polynomproblem aus dem letzten Ab-

schnitt an, so erhalt man die Ergebnisse nach Tabelle 2.2. Es ist deutlich zu

Tabelle 2.2: Schatzung von Polynomkoeffizienten (QR)

Intervall [-1,1] [5,7] [10,12]

1.00000000000000 1.00000024312966 1.00003468226862

2.00000000000000 1.99999979856491 1.99998431937117

3.00000000000000 3.00000006645119 3.00000283111047θ

4.00000000000000 3.99999998908819 3.99999974485460

4.99999999999999 5.00000000089208 5.00000001147745

6.00000000000000 5.99999999997094 5.99999999979384

cond(Ψ) 4.26 · 101 2.45 · 109 7.71 · 1011‖δθ‖‖θ‖ /‖δy‖

‖y‖ 5.49 · 100 5.15 · 108 7.13 · 1010

sehen, daß die Parameter wesentlich genauer geschatzt werden als mit dem LS-

Verfahren. Setzt man den relativen Fehler des Ergebnisses zu dem der Ausgangs-

daten ins Verhaltnis, dann ergibt sich stets ein Faktor in der Großenordnung von

cond(Ψ), genau wie dies durch theoretische Uberlegungen bereits abgeschatzt

wurde.

2.4 Das Gram-Schmidt-Verfahren

Die QR-Zerlegung bzw. das DSFI-Verfahren sind zwar erheblich weniger anfallig

gegen Meßfehler als Verfahren, die auf den Normalgleichungen basieren, bedeuten

aber gleichzeitig auch einen hoheren Rechenaufwand. Inbesondere die Berechnung

der Quadratwurzeln zur Bestimmung der Rotationsparameter benotigt auf Mi-

krocontrollern noch immer sehr viel Rechenzeit, so daß der Einsatz solcher Ver-

fahren zur Parameterschatzung in Echtzeit problematisch werden kann. Es gibt

jedoch Verfahren, die Ausgleichsprobleme ebenfalls durch orthogonale Transfor-

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KAPITEL 2. PARAMETERSCHATZVERFAHREN 23

mationen losen, aber weniger Rechenzeit als die genannten Algorithmen benoti-

gen. Zu diesen Verfahren gehort die Gram-Schmidt-Orthogonalisierung, die in

ihrer modifizierten Form (MGS-Verfahren) die gleichen numerischen Eigenschaf-

ten besitzt wie die QR-Zerlegung. Es wird eine Zerlegung der Form

Ψ = (ϕ(0)1 , ϕ

(0)2 , . . . , ϕ(0)

n ) = UR (2.34)

berechnet, wobei R wieder der Cholesky-Faktor von ΨTΨ ist und U den ersten

n Spalten QT aus der QR-Zerlegung entspricht, falls das MGS-Verfahren mit

Normierung verwendet wird. Auf die Normierung der Spalten von U soll jedoch

im folgenden verzichtet werden, da hierzu wieder die Berechnung von Wurzeln

notig ware. Beim unnormierten MGS-Verfahren wird die Lange der Spalten von

U = (u1, . . . , un) ublicherweise so gewahlt, daß auf der Hauptdiagonalen von R

nur Einsen stehen. Man nimmt dazu die erste Spalte von Ψ als erste Spalte von

U , zieht von den restlichen Spalten von Ψ jeweils den Anteil in Richtung dieser

Spalte ab und bezeichnet die umgerechneten Spalten mit ϕ(1)j , j = 2, . . . , n .

In gleicher Weise werden die ubrigen Spalten von U berechnet. Der vollstandige

Algorithmus sieht dann wie folgt aus:

Algorithmus 2.2 (Unnormiertes MGS-Verfahren, 1. Version)

Berechne fur i = 1, . . . , n:

Setze ui = ϕ(i−1)i und rii = 1

Berechne fur j = i + 1, . . . , n :

rij =uT

i ϕ(i−1)j

uTi ui

und ϕ(i)j = ϕ

(i−1)j − rijui

Man erhalt so die Zerlegung

Ψ = UR = (u1, u2, . . . , un)

1 · · · uT

1 ϕ(0)n

uT1 u1

.... . .

...

0 · · · 1

. (2.35)

Zur Entwicklung eines rekursiven Verfahrens bietet sich jedoch die folgende Zer-

legung an:

Ψ = UR = (u1, u2, . . . , un)D−2︸ ︷︷ ︸U

uT1 u1 · · · uT

1 ϕ(0)n

.... . .

...

0 · · · uTn un

(2.36)

mit

D = diag(‖u1‖2, . . . , ‖un‖2) .

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KAPITEL 2. PARAMETERSCHATZVERFAHREN 24

Zwischen den drei Zerlegungen besteht der Zusammenhang

U = UD = UD2

R = D−1R = D−2R

U = UD−1 = UD−2

R = DR = D2R .

Die Zerlegung (2.36) kann durch folgenden Algorithmus berechnet werden:

Algorithmus 2.3 (Unnormiertes MGS-Verfahren, 2. Version)

Berechne fur i = 1, . . . , n:

ui = ϕ(i−1)i bzw. ui = ϕ

(i−1)i /d2

ii

rii = uTi ui bzw. d2

ii = uTi ui

Berechne fur j = i + 1, . . . , n:

rij = uTi ϕ

(i−1)j und ϕ

(i)j = ϕ

(i−1)j − rij

rii

ui

Welche der Zerlegungen fur die Losung von Parameterschatzproblemen benutzt

wird, ist im Prinzip gleichglutig, da die Skalierung der Spalten von U lediglich

eine Skalierung der Zeilen von R bewirkt. Die Zerlegung (2.36) kann aber leicht

mit einen zeitrekursiven Algorithmus (RMGS-Verfahren) berechnet werden, da

hier nur die einzelnen Skalarprodukte zu iterieren sind. Dazu nimmt man wieder

an, daß alle Großen fur die Zerlegung der k × n -Matrix Ψ(k) bekannt seien und

druckt die Zerlegung von Ψ(k + 1) =( Ψ(k)

ψT(k+1)

)durch diese aus:

ui(k + 1) = ϕ(i−1)i (k + 1) =

(i−1)i (k)

ψ(i−1)i (k + 1)

)=

(ui(k)

ψ(i−1)i (k + 1)

)rii(k + 1) = uT

i (k)ui(k) = rii(k) + (ψ(i−1)i (k + 1))2

ϕ(i−1)j (k + 1) =

(i−1)j (k)

ψ(i−1)j (k + 1)

)(2.37)

rij(k + 1) = uTi (k)ϕ

(i−1)j (k) = rij(k) + ψ

(i−1)i (k + 1)ψ

(i−1)j (k + 1)

ϕ(i)j (k + 1) =

(i)j (k)

ψ(i)j (k + 1)

)= ϕ

(i−1)j (k + 1) − rij(k + 1)

rii(k + 1)ui(k + 1)

=

(i−1)j (k) − rij(k+1)

rii(k+1)ui(k)

ψ(i−1)j (k + 1) − rij(k+1)

rii(k+1)ψ

(i−1)i (k + 1)

)Da man bei der Losung von Ausgleichsproblemen nicht an U interessiert ist,

wird man auch hier wieder den Gram-Schmidt-Algorithmus nur auf die Matrix

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KAPITEL 2. PARAMETERSCHATZVERFAHREN 25

S(k) = (R(k), c1(k)) nach Gl. (2.25) anwenden, so daß die rechte Seite gleich

mittransformiert wird. Man braucht daher in der letzten Gleichung von (2.37)

nur die unterste Zeile auszuwerten und kann so auf die Berechnung von U ver-

zichten, was ubrigens bei den nicht-rekursiven MGS-Verfahren nicht moglich ist.

Der vollstandige Algorithmus zur Berechnung von S(k + 1), der in Anhang B.1

wieder als MATLAB-Funktion zu finden ist, hat schließlich die Form:

Algorithmus 2.4 (RMGS-Verfahren)

Berechne fur i = 1, . . . , n:

sii(k + 1) = λsii(k) + (ψ(i−1)i (k + 1))2

Berechne fur j = i + 1, . . . , n + 1:

sij(k + 1) = λsij(k) + ψ(i−1)i (k + 1)ψ

(i−1)j (k + 1)

ψ(i)j (k + 1) = ψ

(i−1)j (k + 1) − sij(k + 1)

sii(k + 1)ψ

(i−1)i (k + 1)

Man beachte, daß S hier mit λ anstelle von√

λ gewichtet wird, da das Ver-

fahren ohne Normierung arbeitet. Außerdem ist auch hier wieder y(k + 1) mit

ψ(0)n+1(k+1) bezeichnet, vgl. Algorithmus 2.1. Mit dem Algorithmus 2.4 kann jetzt

also rekursiv die QR-Zerlegung ohne Verwendung von Wurzeln berechnet werden.

Der einzige Nachteil dieses Verfahrens besteht in der Wahl der Matrix D, da die

Elemente von D und R (Skalarprodukte) sehr groß werden konnen und nur dann

beschrankt sind, wenn der Gedachtnisfaktor im offenen Intervall 0 < λ < 1 liegt.

Dies wirkt sich besonders dann nachteilig aus, wenn Festkommazahlen anstel-

le von Fließkommazahlen verwendet werden, z. B. falls das Verfahren auf einem

Mikrocontroller implementiert ist.

2.5 Schnelle DSFI-Algorithmen

Neben dem RMGS-Verfahren besteht auch noch die Moglichkeit, auf der Basis

des DSFI-Verfahrens Algorithmen zu entwickeln, die ohne die Berechnung von

Wurzeln auskommen. Dazu wird die normale Givens-Rotation (siehe Abschnitt

2.3) durch eine sog. schnelle Givens-Rotation ersetzt. Um die Berechnung von

Wurzeln einsparen zu konnen, muß die 2 × µ -Matrix M in der Form

M = KB (2.38)

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KAPITEL 2. PARAMETERSCHATZVERFAHREN 26

vorliegen, wobei K = diag(k1, k2) die Zeilen von B skaliert. Man definiert dann

die Transformationsmatrix G als

G = (K ′)−1HK , (2.39)

wobei K ′ = diag(k′1, k′

2) die Zeilenskalierung der transformierten Matrix B′ und

H die Givens-Matrix aus Gl. (2.29) ist. Mit B′ = GB sieht man leicht, daß

K ′B′ = K ′GB = K ′(K ′)−1HKB = HM = M ′ . (2.40)

Fur die Wahl von K ′ bzw. G gibt es verschiedene Moglichkeiten, siehe [1], [4], [5],

die jedoch praktisch alle gemeinsam haben, anstelle von K die Matrix W = K2

zu speichern, um die Bildung von Wurzeln zu vermeiden. In [4] wird z. B. davon

ausgegangen, daß durch geeignete Wahl von W bereits b11 = 1 gilt. W ′ und G

werden dann so gewahlt, daß wieder b′11 = 1 ist:

W ′ =

(w1 + w2b

221 0

0 w1w2

w1+w2b221

)(2.41)

G =

(w1

w1+w2b221

w2b21w1+w2b221

−b21 0

), (2.42)

oder in Form von skalaren Gleichungen:

w′1 = w1 + w2b

221

w′2 = w1w2/(w1 + w2b

221) = w1w2/w

′1

c = w1/(w1 + w2b221) = w1/w

′1 (2.43)

d = w1b21/(w1 + w2b221) = w1b21/w

′1

b′2j = b2j − b21b1j , j = 2, . . . , µ

b′1j = cb1j + db2j , j = 2, . . . , µ .

Dieser Algorithmus kommt ohne die Bildung von Wurzeln aus und benotigt nur

3 Multiplikationen pro Matrixelement. Die letzte Gleichung kann auch noch als

b′1j = b1j + db′2j , j = 2, . . . , µ

geschrieben werden, so daß eine weitere Multiplikation eingespart wird. Aller-

dings kann der so veranderte Algorithmus unter ungunstigen Umstanden instabil

werden. Zur Losung dieses Problems ist in [1] eine Pivotisierungsstrategie vor-

gestellt, die jedoch relativ viele Vergleichsoperationen benotigt und sich daher

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KAPITEL 2. PARAMETERSCHATZVERFAHREN 27

nur fur große µ lohnt. In [1] wird außerdem ein weiterer Algorithmus vorgeschla-

gen, der die Transformationsmatrix G so wahlt, daß die Elemente von W ′ stets

in [12, 2], also

”in der Nahe“ der Standard-Givensrotation liegen. Dieser Algo-

rithmus benotigt wieder 4 Multiplikationen pro Element, ist aber gut fur die

Hardware-Implementierung geeignet. Derartige Algorithmen sollen im folgenden

nicht weiter betrachtet werden; vielmehr soll die schnelle Givens-Rotation in der

Form (2.43) zur Entwicklung eines Verfahrens zur Losung von Ausgleichsproble-

men ‖Ψθ − y‖22 = min. benutzt werden.

Wie in den bisherigen Ausfuhrungen wird auch hier S(k) = (R(k), c1(k))

als Iterationsmatrix betrachtet, jedoch hat S im Gegensatz zu S (beim nor-

malen DSFI-Verfahren) Einsen auf der Hauptdiagonalen, vgl. Abschnitt 2.4. Es

muß daher noch ein Vektor w(k) iteriert werden, der die quadrierte Zeilenskalie-

rung von S(k) darstellt. Der quadratische Skalierungsfaktor v von ψT (k + 1) =

(ψ(0)1 (k+1), . . . , ψ

(0)n+1(k+1)) braucht nur wahrend eines Zeitschritts beibehalten

zu werden und kann im nachsten Schritt fur ψT (k + 2) benutzt werden3. Man

kommt so zu folgendem Verfahren, das auch wieder als MATLAB-Funktion in

Anhang B.1 zu finden ist:

Algorithmus 2.5 (Schnelles DSFI-Verfahren)

Setze v(0) = 1

Berechne fur i = 1, . . . , n:

wi(k + 1) = λwi(k) + v(i−1)(ψ(i−1)i (k + 1))2

c(i) = λwi(k)/wi(k + 1)

d(i) = v(i−1)ψ(i−1)i (k + 1)/wi(k + 1)

v(i) = v(i−1)c(i−1)

Berechne fur j = i + 1, . . . , n + 1:

sij(k + 1) = c(i)sij(k) + d(i)ψ(i−1)j (k + 1)

ψ(i)j = ψ

(i−1)j − ψ

(i−1)i sij(k)

Anstatt alle Elemente von S(k) mit√

λ zu multiplizieren, werden hier die Ele-

mente von w(k) mit dem Gedachtnisfaktor λ multipliziert. Bei begrenztem Spei-

cherplatz kann w(k) auch auf der Hauptdiagonalen von S(k) abgelegt werden.

Wie bei allen anderen Algorithmen ist auch hier zu bedenken, daß die mit (i) ge-

kennzeichneten Großen nicht alle gespeichert werden mussen, sondern nach jedem

3Auch hier ist y(k + 1) wieder mit ψ(0)n+1(k + 1) bezeichnet.

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KAPITEL 2. PARAMETERSCHATZVERFAHREN 28

Iterationsschritt wieder uberschrieben werden konnen.

Der Algorithmus 2.5 berechnet also in rekursiver Form die Zerlegung (2.35)

des unnormierten Gram-Schmidt-Verfahrens, wobei die Elemente von w(k) den

Diagonalelementen von D2 in Gl. (2.36) entsprechen. In [11] ist sogar gezeigt, daß

sich fur die Zerlegung (2.35) – nicht nur fur (2.36) – ein rekursiver Gram-Schmidt-

Algorithmus herleiten laßt, dessen Gleichungen formal mit denen von Algorithmus

2.5 ubereinstimmen. Da bei dieser Zerlegung nur Einsen auf der Hauptdiagonalen

stehen, kann man n Divisionen einsparen, weil bei der Ruckeinsetzung nicht mehr

durch diese Elemente geteilt werden muß.

Davon abgesehen eignet sich der Vektor w(k) zur Uberwachung der Prozeß-

anregung: Wird der Prozeß standig am gleichen Arbeitspunkt betrieben, dann

liegen aufgrund des exponentiellen Gedachtnisses nach einer gewissen Zeit nur

noch (fast) linear abhangige Gleichungen vor, und es entstehen Nullzeilen in S(k).

Da aber die Hauptdiagonale immer auf 1 normiert ist, gehen in diesem Fall die

Elemente von w(k) gegen 0. In letzter Konsequenz kann dies dazu fuhren, daß

nur noch die erste Zeile von S(k) von Null verschieden ist und der gemessenen

Gleichung entspricht. In Bild 2.1 ist der Verlauf der Zeilenfaktoren w1 und w2

0 100 200 300 400 5000

2

4

6

8

10

12

14w1

w2

Zeitschritte

Zei

lenf

akto

ren

Parameterschätzung

Bild 2.1: Verlauf der quadratischen Zei-lenfaktoren bei unzureichender Prozeß-anregung ( w1; w2)

aus einer MATLAB-Simulation aufgezeichnet. Die verwendeten Daten wurden

mit einem Polynomansatz (siehe Abschnitt 2.6) generiert; nach dem 300. Abtast-

schritt wurde das Polynom nur noch an einer einzigen Stelle ausgewertet, um

eine unzureichende Prozeßanregung zu simulieren. Man sieht sehr deutlich, wie

der Faktor w1 konstant bleibt, wahrend w2 – wie auch alle ubrigen Faktoren wi

– exponentiell gegen Null geht. Es bietet sich daher an, als Maß fur die Prozeß-

anregung entweder die Faktoren selbst oder das Produkt der Faktoren w2 · · ·wn

zu betrachten.

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KAPITEL 2. PARAMETERSCHATZVERFAHREN 29

2.6 Vergleich der Verfahren

Das wichtigste Ergebnis der vergangenen Abschnitte lautet:

• Bei Verfahren, die auf den Normalgleichungen basieren, schlagen sich die

Datenfehler mit cond2(Ψ) im Ergebnis nieder.

• Bei Verfahren, die orthogonale Transformationen benutzen, reduziert sich

dieser Faktor auf cond(Ψ).

Die Großen cond2(Ψ) · ‖δy‖/‖y‖ bzw. cond(Ψ) · ‖δy‖/‖y‖ stellen zwar die Ober-

grenze fur den Fehler in den Parametern dar, doch zeigt die Praxis, daß der

relative Fehler ‖δθ‖/‖θ‖ tatsachlich in diesen Großenordnungen liegt. Diese Tat-

sache kann leicht durch Simulation nachgepruft werden, indem man ein Para-

meterschatzproblem mit bekannten Parametern erzeugt und aus diesem mit den

entsprechenden Verfahren Schatzwerte fur die Parameter berechnet. Setzt man

dann den Fehler im Ergebnis ins Verhaltnis zum Fehler in den Daten, so er-

gibt sich der Faktor, mit dem sich die Datenfehler im Ergebnis fortpflanzen. Zur

Erzeugung von Parameterschatzproblemen ‖Ψ θ − y‖22 = min. bieten sich zwei

Methoden an:

Polynomansatze

Man betrachtet ein Polynom hoheren Grades (z. B. 4.-6. Grades) mit vorgege-

benen Koeffizienten θ auf einem Intervall [a, b] und wertet dieses an N Punkten

t1, . . . , tN aus, um die exakte rechte Seite y∗ zu berechnen. Diese wird dann noch

mit einem relativen Fehler der Große ε versehen,

y = y∗ + ε · f · ‖y∗‖∞ , (2.44)

wobei die Elemente von f in [−1, 1] gleichverteilt sind und ‖y∗‖∞ den Betrag

des betragsgroßten Elements von y∗ bezeichnet. Die Großen des Schatzproblems

sind dann wie folgt festgelegt:

θ = (θ1, . . . , θn)T (vorgegeben)

Ψ =

1 t1 · · · tn−11

......

...

1 tN · · · tn−1N

(2.45)

y = (y1, . . . , yN)T

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KAPITEL 2. PARAMETERSCHATZVERFAHREN 30

Die exakte Konditionszahl von Ψ muß mit Hilfe einer Singularwertzerlegung be-

rechnet werden; sie kann nur qualitativ durch die Wahl des Intervalls [a, b] fest-

gelegt werden. Die kleinsten Konditionszahlen erhalt man auf [−1, 1]; je weiter

das Intervall nach rechts verschoben wird, desto großer werden sie. Insbesondere

beim Test von zeitrekursiven Verfahren (mit veranderlichen Parametern) sollten

die Punkte t1, . . . , tN in zufalliger Reihenfolge gewahlt werden, da sich sonst

außer den Parametern auch noch die Kondition des Problems andert.

Inverse Singularwertzerlegung

Die zweite Methode geht aus von der Singularwertzerlegung

Ψ = U

0

)V (2.46)

mit einer orthonormalen N × N -Matrix U , einer n × n -Diagonalmatrix Σ =

diag(σ1, . . . , σn), die die Singularwerte enthalt, und einer orthonormalen n× n -

Matrix V . Man setzt nun

V = In (2.47)

uij =

√2

N + 1sin

(ijπ

N + 1

)i, j = 1, . . . , N (2.48)

und legt durch die Vorgabe von σ1 und σn die Konditionszahl cond(Ψ) = σ1/σn

fest. Die ubrigen Singularwerte werden gemaß

σ1 ≥ σ2 ≥ . . . ≥ σn > 0 (2.49)

zufallig gewahlt. Mit diesen Angaben ist Ψ eindeutig bestimmt. Die Elemente des

Parametervektors werden entweder vorgegeben oder per Zufallsgenerator in ei-

nem Intervall [−ϑ, ϑ] erzeugt. Zur Bestimmung des Fehlervektors (und damit des

Residuums) wahlt man die Werte zn+1, . . . , zN zufallig in [−ζ, ζ] und berechnet

e =N∑

i=n+1

zi ui und y = Ψ θ + e . (2.50)

Dieses Verfahren ist etwas aufwendiger, bietet aber die Moglichkeit, die Kon-

ditionszahl von Ψ exakt vorzugeben und die Große des Residuums zu steuern.

Dies ist z. B. fur die Untersuchung von LS- und ahnlichen Verfahren von Vor-

teil, da eine genauere Konditionsanalyse zeigt, daß die Fehler in den geschatzten

Parametern hier auch noch abhangig von der Große des Residuums ansteigen.

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KAPITEL 2. PARAMETERSCHATZVERFAHREN 31

Ein Beispiel zur Schatzung von Polynomkoeffizienten ist in den Abschnitten

2.2 und 2.3 zu finden. Zur Veranschaulichung des Zeitverlaufs einer Echtzeit-

Schatzung soll folgendes Beispiel dienen: Mit Hilfe eines Polynomansatzes 3. Gra-

des wird ein Datensatz von N = 1000 Meßwerten erzeugt, bei dem sich alle Pa-

rameter linear mit der Zeit von 1 auf 2 andern. Die Punkte sind im Intervall [1, 3]

in zufalliger Reihenfolge gewahlt und mit einem Meßfehler von 5% versehen. Bild

0 200 400 600 800 10000.5

1

1.5

2

2.5

DSFI

RLS

Zeitschritte

Par

amet

er

Parameterschätzung

Bild 2.2: Schatzung von zeitvariantenParametern ( RLS-Verfahren;schnelles DSFI-Verfahren)

2.2 zeigt den Verlauf eines geschatzten Parameters beim RLS- und beim schnel-

len DSFI-Verfahren. Der Parameterverlauf beim RLS-Verfahrens ist zwar glatter,

doch zeigt sich vor allem am Ende ein erheblich großerer Schatzfehler, der sich

auch nicht durch eine andere Wahl von λ verringern laßt. Dagegen kann beim

schnellen DSFI-Verfahren ein glatterer Verlauf erreicht werden, wenn λ großer

(d. h. dichter an 1) gewahlt wird.

Neben der Verwendung von Orthogonalisierungsverfahren kann der Schatz-

fehler auch noch durch Verringerung der Konditionszahl bzw. des Datenfehlers

klein gehalten werden. Wahrend die Datenfehler praktisch ausschließlich durch

die Genauigkeit der Meßeinrichtung bestimmt wird, kann die Konditionszahl

durch Normierung der Meßgroßen beeinflußt werden. Besonders Polynomansatze

liefern extrem große Konditionszahlen, wenn sie außerhalb des Intervalls [−1, 1]

ausgewertet werden. In solchen Fallen ist zu prufen, ob evtl. auch die Koeffi-

zienten anderer Ansatzfunktionen (Legendre-Polynome o. a.) geschatzt werden

konnen. Dabei ist aber zu beachten, daß auch die Rucktransformation auf die

Standard-Polynomkoeffizienten zu sehr großen Fehlern fuhren kann. Hangt der

Prozeßausgang von mehreren Eingangsgroßen ab, die stark unterschiedliche Zah-

lenwerte aufweisen, dann ist es in jedem Fall sinnvoll, alle Signale auf das gleiche

Intervall (wenn moglich [−1, 1]) zu normieren, um so die Konditionszahl zu ver-

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KAPITEL 2. PARAMETERSCHATZVERFAHREN 32

kleinern. Eine hohe Konditionszahl wird namlich u. a. durch stark unterschiedliche

Großenordnungen der einzelnen Spalten von Ψ verursacht.

Es wurde bereits darauf hingewiesen, daß die rekursiven Verfahren z. T. erheb-

liche Unterschiede bezuglich ihres Rechenaufwands aufweisen. Der hohe Aufwand

fur das DSFI-Verfahren war letztlich auch die Motivation zur Entwicklung der

schnellen rekursiven Orthogonalisierungsverfahren in den Abschnitten 2.4 und

2.5. In Tabelle 2.3 sind die notigen Rechenoperationen zusammengestellt. Die

Tabelle 2.3: Rechenaufwand der Orthogonalisierungsverfahren

Verfahren Add./Sub. Mul. Div. Wur.

DSFI n2 + 2n 2n2 + 7n 2n n

RMGS n2 + 2n 1.5n2 + 3.5n 0.5n2 + 0.5n 0

fast DSFI n2 + 2n 1.5n2 + 5.5n 2n 0

Werte beinhalten die Umrechnung der gesamten S-Matrix, d. h. auch die Trans-

formation der rechten Seite, und wurden anhand der MATLAB-Funktionen in

Anhang B.1 ermittelt. Hinzu kommen jeweils noch die Operationen fur die Ruck-

einsetzung. Der Gesamtaufwand ist in Tabelle 2.4 aufgefuhrt. Zum Vergleich sind

in der Tabelle auch die Werte fur das RLS-Verfahren zu finden, die aus [9] uber-

nommen wurden. Fur die Ruckeinsetzung sind n(n−1)2

Multiplikationen und Addi-

tionen sowie n Divisionen notig. Lediglich beim schnellen DSFI-Verfahren konnen

die n Divisionen eingespart werden, da auf der Hauptdiagonalen von S bereits

Einsen stehen. Wie die Tabelle zeigt, ist das schnelle DSFI-Verfahren hinsicht-

lich Genauigkeit und Geschwindigkeit die beste Wahl. DSFI und RMGS arbeiten

zwar im Gegensatz zu RLS auch mit Orthogonalisierung, doch benotigen sie mehr

Rechenzeit, da bei DSFI Wurzeln und bei RMGS viele Divisionen (die erheblich

mehr Zeit als Multiplikationen benotigen) zu berechnen sind.

Zum Abschluß des Kapitels soll noch einmal ein Uberblick uber die bespro-

chenen Verfahren gegeben werden: Generell sind Verfahren zu bevorzugen, die

Tabelle 2.4: Rechenaufwand incl. Ruckeinsetzung

Verfahren Add./Sub. Mul. Div. Wur.

RLS 1.5n2 + 2.5n 1.5n2 + 4.5n 0.5n2 + 0.5n + 1 0

DSFI 1.5n2 + 1.5n 2.5n2 + 6.5n 3n n

RMGS 1.5n2 + 1.5n 2n2 + 3n 0.5n2 + 1.5n 0

fast DSFI 1.5n2 + 1.5n 2n2 + 5n 2n 0

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KAPITEL 2. PARAMETERSCHATZVERFAHREN 33

mit orthogonalen Transformationen arbeiten, weil sich bei ihnen die Meßfeh-

ler nur mit cond(Ψ) anstelle von cond2(Ψ) fortpflanzen. Verfahren, die aus den

Normalgleichungen hergeleitet werden (LS, RLS, . . . ), durfen nur dann verwen-

det werden, wenn sichergestellt ist, daß die Meßfehler und die Konditionszahl

klein sind oder die Parameter nicht explizit benotigt werden. Die Orthogonali-

sierungsverfahren sind hinsichtlich ihrer numerischen Eigenschaften untereinan-

der praktisch gleichwertig. Man verwendet daher fur Off-line-Berechnungen die

QR-Zerlegung mit Householder-Transformationen oder den MGS-Algorithmus,

zur Parameterschatzung in Echtzeit die entsprechenden zeitrekursiven Verfah-

ren. Hierbei ist insbesondere das schnelle DSFI-Verfahren hervorzuheben, das

neben einer sehr effizienten Berechnung der Parameter auch noch die Moglichkeit

bietet, die Prozeßanregung zu uberwachen.

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Kapitel 3

Erzeugung zeitlicher Ableitungen

Zur Identifikation zeitkontinuierlicher Prozeßmodelle werden die zeitlichen Ab-

leitungen der Ein- und Ausgangssignale benotigt, die jedoch haufig nicht direkt

gemessen werden konnen. Auch eine numerische Differentiation kommt in der

Regel nicht in Frage, da sie zu ungenau ist und zudem hochfrequente Storun-

gen verstarkt. Man verwendet daher zur Approximation der Ableitungen lineare

Filter, die bis zu einer vorgegebenen Grenzfrequenz fg die gesuchten Ableitun-

gen bilden und alle Frequenzen mit f > fg dampfen, also Tiefpaß-Verhalten

aufweisen. Ein moglicher Ansatz hierzu sind Zustandsvariablenfilter (ZVF, sie-

he Abschnitt 3.1), die eine rekursive Struktur besitzen (IIR-Filter). Aufgrund der

unendlich langen Impulsantwort konnen sich Storungen bei solchen Filtern fur ei-

ne nur schwer abschatzbare Anzahl von Abtastschritten auf das Ausgangssignal

auswirken. Außerdem ist beim Entwurf unbedingt auf Stabilitat zu achten, da

rekursive Filter auch instabil werden konnen. Diese Probleme konnen durch die

Verwendung von Transversalfiltern (FIR-Filtern) umgangen werden. Als mogliche

Realisierungen werden hierzu die Methode der Modulationsfunktionen (Abschnitt

3.2) und differenzierende Transversalfilter (Abschnitt 3.3) vorgestellt.

3.1 Zustandsvariablenfilter

Eine weit verbreitete Moglichkeit zur Erzeugung zeitlicher Ableitungen sind Zu-

standsvariablenfilter. Es handelt sich dabei um analoge Tiefpaßfilter, die in Rege-

lungs-Normalform realisiert werden, so daß die Filterzustande den Ableitungen

des gefilterten Signals entsprechen, siehe [8], [14]. Bild 3.1 zeigt die Struktur ei-

nes solchen Filters. Im Zusammenhang mit der Identifikation zeitkontinuierlicher

Prozeßmodelle entspricht das Eingangssignal u(t) des Filters jeweils den Ein-

34

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KAPITEL 3. ERZEUGUNG ZEITLICHER ABLEITUNGEN 35

∫ ∫ ∫½¼¾»

1an

½¼¾»an−1 ½¼

¾»a2 ½¼

¾»a1

e

e e e

r r r r- - - - - - -

? ? ?

? ? ?¾¾¾

6

· · ·

· · ·u(t) y(t)y(n−1) y y+

Bild 3.1: Zeitkontinuierliches Filter in Regelungs-Normalform (a0 = 1)

und Ausgangssignalen des Prozesses. Zur Implementierung auf Digitalrechnern

und Mikrocontrollern muß das Filter jedoch zeitdiskret realisiert werden, wozu

verschiedene Approximationstechniken zum Einsatz kommen.

Als Grundlage fur ein Zustandsvariablenfilter wird in der Regel ein Butter-

worth-Tiefpaß verwendet, obwohl auch andere Typen (Bessel, Tschebyscheff, ...)

denkbar waren. Außerdem kann neben dem reinen Tiefpaßverhalten auch noch

eine Eingangsdynamik berucksichtigt werden (siehe [14]). Als Entwurfskriterium

fur einen Butterworth-Tiefpaß wird gefordert, daß der Amplitudengang fur f < fg

moglichst lange konstant verlauft. Daraus lassen sich die Koeffizienten fur die

Ubertragungsfunktion der Form

G(s) =K∏

i(1 + αis + βis2)(3.1)

geschlossen herleiten, siehe [16]:

• Ordnung n gerade:

αi = 2 cos(2i − 1)π

2nβi = 1

i = 1, . . . ,n

2(3.2)

• Ordnung n ungerade:

α1 = 1 ; αi = 2 cos(i − 1)π

nβ1 = 0 ; βi = 1

i = 2, . . . ,n + 1

2(3.3)

Wird der Nenner ausmultipliziert und die statische Verstarkung K = 1 gesetzt,

dann ergibt sich die gesuchte Ubertragungsfunktion des Filters:

G(s) =1

1 + a1s + . . . + ansn. (3.4)

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KAPITEL 3. ERZEUGUNG ZEITLICHER ABLEITUNGEN 36

Zur Uberfuhrung in Regelungs-Normalform fuhrt man die Zustande

x1 = y und xi+1 = xi =dxi

dt, i = 1, . . . , n − 1 (3.5)

ein und berechnet daraus die Matrizen des kontinuierlichen Zustandsraummo-

dells nach Bild 3.2, d. h. das durch Gl. (3.4) gegebene Filter wird in ein System

bk

∫dk

Ak

cTk

e er -

-

?- -4

4 4 4

4

u(t) y(t)x(t)

Bild 3.2: Allgemeines zeitkontinuierliches Zustandsraum-Modell

von n Differentialgleichungen 1. Ordnung uberfuhrt. Im Falle der Regelungs-

Normalform ist cTk = (1, 0, . . . , 0) und dk = 0; fur Ak und bk ergibt sich:

Ak =

0 1 · · · 0...

.... . .

...

0 0 · · · 1

− 1an

− a1

an· · · −an−1

an

bk =

0...

01

an

(3.6)

Fur die Zustande (d. h. fur die Ableitungen von y) gilt die Vektor-Differential-

gleichung

x(t) = Akx(t) + bku(t) , (3.7)

wahrend die Ausgangsgleichung y(t) = cTk x(t) + dku(t) entfallt, da die Zustande

hier die gesuchten Großen sind. Damit wurde ein zeitkontinuierliches Filter ent-

worfen, das aquivalent zur Struktur in Bild 3.1 ist.

Fur die digitale Signalverarbeitung ist man jedoch an einer zeitdiskreten Rea-

lisierung des Filters interessiert,

x(kTa) = Adx((k − 1)Ta) + Bdu(kTa) , (3.8)

in der nur noch die Abtastzeitpunkte kTa und (k − 1)Ta auftreten1 (Ta ist die

Abtastzeit), nicht aber die kontinuierliche Zeit t. Um dies zu erreichen, wird die

1Als Abkurzung fur die Abtastzeitpunkte kTa verwendet man in der Regel die diskrete Zeit-variable k. Im Hinblick auf das weitere Vorgehen wird hier aber die Bezeichung kTa bevorzugt.

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KAPITEL 3. ERZEUGUNG ZEITLICHER ABLEITUNGEN 37

Differentialgleichung (3.7) auf dem Intervall [(k − 1)Ta, kTa] gelost, siehe [3]:

x(kTa) = eAkTax((k − 1)Ta) +

∫ kTa

(k−1)Ta

eAk(kTa − t)bku(t) dt

= eAkTax((k − 1)Ta) +

∫ Ta

0

eAkτbku(kTa − τ) dτ (3.9)

Da der Verlauf von u(kTa − τ) im Integrationsintervall unbekannt ist, wird er

durch ein Polynom approximiert:

u(kTa − τ) ≈ p(τ) =r∑

i=0

κi

Ta

)i

(3.10)

Auf die Bestimmung der Polynomkoeffizienten κi wird spater noch eingegangen.

Setzt man diesen Ansatz in Gl. (3.9) ein, so ergibt sich:

x(kTa) ≈ eAkTax((k − 1)Ta) +r∑

i=0

κi

∫ Ta

0

eAkτbk

Ta

)i

dτ︸ ︷︷ ︸γi

= eAkTax((k − 1)Ta) + Γ

κ0

...

κr

(3.11)

Die Spalten von Γ = (γ0, . . . , γr) lassen sich durch mehrmalige partielle Inte-

gration rekursiv bestimmen:

• falls i = 0 :

γ0 =

∫ Ta

0

eAkτbkdτ

= A−1k

[eAkτbk

]Ta

0= A−1

k

(eAkTa − I

)bk (3.12)

• falls i > 0 :

γi =

∫ Ta

0

eAkτbk

Ta

)i

=

[A−1

k eAkτbk

Ta

)i]Ta

0

−∫ Ta

0

A−1k eAkτbk

i

Ta

Ta

)i−1

= A−1k eAkTabk − A−1

k

i

Ta

∫ Ta

0

eAkτbk

Ta

)i−1

= A−1k

(eAkTabk − i

Ta

γi−1

)(3.13)

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KAPITEL 3. ERZEUGUNG ZEITLICHER ABLEITUNGEN 38

Damit bleibt nur noch die Bestimmung der Polynomkoeffizienten κi aus den ver-

gangenen Abtastwerten. Ublicherweise werden sie als Koeffizienten eines Interpo-

lationspolynoms berechnet, d. h. man fordert die Ubereinstimmung von Polynom

und Signal an den letzten r + 1 Abtastwerten:

p(lTa) = u((k − l)Ta) fur l = 0, . . . , r , (3.14)

woraus sich das Gleichungssystem1 0 · · · 0...

......

1 r − 1 · · · (r − 1)r

1 r · · · rr

κ0

κ1

...

κr

=

u(kTa)

u((k − 1)Ta)...

u((k − r)Ta)

(3.15)

ergibt. Die Systemmatrix ist die Van-der-Monde-Matrix V und damit stets nicht-

singular. Die Losung kann daher formal als

κ = V −1u(kTa) (3.16)

angegeben werden.

Bei hoheren Interpolationsordnungen r ist jedoch zu beachten, daß Interpola-

tionspolynome eine starke”Welligkeit“ zwischen den Abtastzeitpunkten aufwei-

sen, siehe [17]. Es laßt sich jedoch zeigen, daß sich die positiven und negativen

Abweichungen weitgehend aufheben, wenn man uber das gesamte Intervall inte-

griert (Newton-Cotes-Integration). Im vorliegenden Fall wird jedoch das Signal

auf dem Intervall [(k − r)Ta, Ta] interpoliert, aber nur uber [(k − 1)Ta, Ta] inte-

griert, so daß keine derartige Kompensation moglich ist. Um dies zu vermeiden,

mußte uber [(k − r)Ta, Ta] integriert werden, was aber zu einem Filter der Form

x(kTa) = Adx((k − r)Ta) + Bdu(kTa) (3.17)

mit einer zusatzlichen Verzogerung um r − 1 Zeitschritte gegenuber Gl. (3.8)

fuhren wurde. Simulationen haben jedoch gezeigt, daß sich das langere Integrati-

onsintervall nachteiliger auswirkt als eine schlechtere Approximation. Außerdem

relativiert sich das Problem durch den Umstand, daß nur selten hohere Interpo-

lationsgrade als r = 2 verwendet werden.

Dennoch soll eine zweite Moglichkeit vorgestellt werden, die das Problem der

Polynom-Welligkeit umgeht und ebenso gute Ergebnisse liefert. Man entwickelt

dazu das Signal an kTa in eine Taylorreihe und fordert die Ubereinstimmung der

Ableitungen mit denen des Approximationspolynoms, also

p(l)(0) = u(l)(kTa) fur l = 0, . . . , r. (3.18)

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KAPITEL 3. ERZEUGUNG ZEITLICHER ABLEITUNGEN 39

Die zeitlichen Ableitungen u(l)(kTa) des Eingangssignals werden dabei durch die

Ruckwarts-Differenzenquotienten 1T l

a∆l(kTa) approximiert:

p(l)(0) =dlp(τ)

dτ l

∣∣∣∣τ=0

=

[dl

dτ l

r∑i=0

κi

Ta

)i]

τ=0

=l!

T la

κl (3.19)

u(l)(kTa) =dlu(kTa − τ)

dτ l

∣∣∣∣τ=0

≈ 1

T la

∆lu(kTa) =1

T la

l∑i=0

(−1)i

(l

i

)u((k − i)Ta) (3.20)

Damit lassen sich die Polynomkoeffizienten explizit angeben:

κl =l∑

i=0

(−1)l

l!

(l

i

)u((k − i)Ta) , l = 0, . . . , r (3.21)

oder in Matrizenschreibweise

κ = Tu(kTa) . (3.22)

0.5 2 5 20 50−3

−2

−1

0

1

2

Frequenz [Hz]

log(

Bet

rag)

1. Ableitung

0.5 2 5 20 50−5

−4

−3

−2

−1

0

log(

Bet

rag)

Amplitudengang

Bild 3.3: Zustandsvariablenfil-ter mit unterschiedlichen Ap-proximationverfahren: Interpo-lationspolynom ( ), Newton-Cotes-Integration ( ), Tay-lor-Approximation ( )

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KAPITEL 3. ERZEUGUNG ZEITLICHER ABLEITUNGEN 40

Dabei enthalt T die Koeffizienten des Pascal’schen Dreiecks, die zeilenweise mit

1/l! gewichtet wurden.

Bild 3.3 zeigt noch einmal den Amplitudengang des Filters fur die 3 verschie-

denen Approximationsverfahren. Um die Unterschiede zu verdeutlichen, wurde

eine relativ hohe Interpolationsordnung von r = 4 verwendet; die Abtastfrequenz

betragt fa = 100 Hz und die Grenzfrequenz fg = 5 Hz. Die Filter mit Interpolati-

onspolynom und Taylor-Approximation zeigen den fur rekursive Filter typischen

Verlauf und weisen nur fur hohe Frequenzen geringfugige Unterschiede auf. Das

Filter mit Newton-Cotes-Integration weicht dagegen in diesem Bereich erheblich

vom idealen Frequenzgang ab. Wie bereits oben angesprochen, muß man davon

ausgehen, daß dies durch das langere Integrationsintervall verursacht wird.

Damit kann nun das zeitdiskrete Filter aufgestellt werden: Fur die System-

matrix gilt

Ad = eAkTa (3.23)

und fur die Eingangsmatrix

Bd = ΓV −1 bzw. (3.24)

Bd = ΓT , (3.25)

je nach dem verwendeten Approximationsverfahren. Der Eingangsvektor u(kTa)

setzt sich aus den vergangenen Eingangswerten zusammen:

u(kTa) = (u(kTa), . . . , u((k − r)Ta))T . (3.26)

Das Filter hat schließlich die Struktur

x(kTa) = Adx((k − 1)Ta) + Bdu(kTa) , (3.27)

die in Bild 3.4 verdeutlicht ist. Es ist zu beachten, daß dies keine Regelungs-

normalform wie im zeitkontinuierlichen Fall ist; außerdem wird die Anzahl der

z−1 z−1

Bd z−1

Ad

err

-

-

-

- -· · ·... 4

4 4 4

4

u(kTa)

u((k − 1)Ta)

u((k − r)Ta)¢¢

x(kTa) x((k − 1)Ta)

Bild 3.4: Zeitdiskretes Zustandsvariablenfilter

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KAPITEL 3. ERZEUGUNG ZEITLICHER ABLEITUNGEN 41

Spalten von Bd durch die Approximationsordnung bestimmt. Der gesamte Ent-

wurfsvorgang fur Ad und Bd kann wie folgt zusammengefaßt werden; eine ent-

sprechende MATLAB-Funktion ist in Anhang B.2 zu finden:

Algorithmus 3.1 (Zustandsvariablenfilter)

1. Berechnung der Nennerkoeffizienten eines zeitkontinuierlichen Butterworth-

Tiefpasses nach Gl. (3.1) bis (3.4).

2. Uberfuhrung des Filters in eine zeitkontinuierliche Zustandsraumdarstel-

lung in Regelungsnormalform nach Gl. (3.6).

3. Berechnung von Ad = eAkTa und rekursive Bestimmung der Teilintegrale

γi nach Gl. (3.12) und (3.13).

4. Bestimmung der Polynomkoeffizienten κi durch Interpolation (Gl. (3.15))

oder Taylor-Approximation (Gl. (3.21)) und Zusammenfassung zur Ein-

gangsmatrix Bd nach Gl. (3.24) bzw. (3.25).

3.2 Modulationsfunktionen

Das Zustandsvariablenfilter in Abschnitt 3.1 wurde als rekursives Filter entwor-

fen. Da Filter dieses Typs instabil werden konnen, mußte die Stabiliat durch

die Verwendung eines Butterworth-Tiefpasses sichergestellt werden. Ein weite-

rer Nachteil rekursiver Filter ist ihre unendlich lange Impulsantwort, die sehr

lange Ausgleichsvorgange nach der Initialisierung oder durch externe Storungen

zur Folge haben kann. Bei einem Transversalfilter der Lange m ist dagegen die

Wirkung solcher Storungen auf m Abtastschritte begrenzt.

Eine mogliche Realisierung von Transversalfiltern ist die Methode der Mo-

dulationsfunktionen, siehe [2]. Man betrachtet dazu ein Transversalfilter mit der

Impulsantwort (Gewichtsfunktion) g(t), dessen Ausgangssignal durch Faltung be-

stimmt werden kann:

y(t) =

∫ Tf

0

g(τ)u(t − τ) dτ

=

∫ t

t−Tf

g(t − τ)u(τ) dτ . (3.28)

Die endlichen Integrationsgrenzen resultieren aus der auf [0, Tf ] begrenzten Im-

pulsantwort des Filters. Sucht man nun die Ableitung des Ausgangssignals, so

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KAPITEL 3. ERZEUGUNG ZEITLICHER ABLEITUNGEN 42

erhalt man nach der Leibnitz-Regel

dy

dt=

d

dt

∫ t

t−Tf

g(t − τ)u(τ) dτ

=

∫ t

t−Tf

∂tg(t − τ)u(τ) dτ + g(0)u(t) − g(Tf )u(t − Tf ) . (3.29)

Aufgrund der endlichen Impulsantwort gilt jedoch

g(0) = g(Tf ) = 0 (3.30)

oder zumindest g(0− ε1) = g(Tf + ε2) = 0 fur beliebige ε1, ε2 > 0. Daraus ergibt

sich fur die Ableitung:

y(t) =

∫ t

t−Tf

g(t − τ)u(τ) dτ

=

∫ Tf

0

g(τ)u(t − τ) dτ , (3.31)

d. h. die Ableitung wurde vom Signal y(t) auf die Gewichtsfunktion g(t) verlagert.

Eine solche Gewichtsfunktion g(t) mit g(0) = g(Tf ) = 0 bezeichnet man als Mo-

dulationsfunktion. Durch geeignete Wahl von g(t) konnen dem Signal zusatzlich

bestimmte Eigenschaften – in der Regel Tiefpaß-Charakter – verliehen werden.

Wie bereits in der Herleitung vorausgesetzt, entspricht die Faltung mit einer Mo-

dulationsfunktion einem Transversalfilter.

Als Modulationsfunktionen verwendet man haufig Fensterfunktionen wie sie

z. B. auch bei der diskreten Fourier-Transformation oder beim Entwurf zeitdiskre-

ter Filter zum Einsatz kommen, siehe [2]. Die Vorgehensweise soll anhand eines

Blackman-Fensters

g(0)(t) = g(t) = µ(a0 + a1 cos(ωf t) + a2 cos(2ωf t)

)(3.32)

mit

ωf =2π

Tf

und 0 ≤ t ≤ Tf (3.33)

erlautert werden. Typische Werte fur (a0, a1, a2) sind (0.42, −0.5, 0.08) oder

(1.5, −2, 0.5); µ wird spater so bestimmt, daß die statische Verstarkung gleich 1

ist. Man bildet nun d zeitliche Ableitungen, z. B. fur d = 2

g(1)(t) = g(t) = −µωf

(a1 sin(ωf t) + 2a2 sin(2ωf t)

)(3.34)

g(2)(t) = g(t) = −µω2f

(a1 cos(ωf t) − 4a2 cos(2ωf t)

)(3.35)

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KAPITEL 3. ERZEUGUNG ZEITLICHER ABLEITUNGEN 43

und betrachtet die m diskreten Zeitpunkte

tk = kTa , k = 0, . . . , m − 1 , (3.36)

wobei Ta wieder die Abtastzeit und m die Anzahl der Filterkoeffizienten ist. Ta

hangt uber die Beziehung

Tf = (m − 1)Ta (3.37)

von der Lange Tf der Impulsantwort ab, woraus sich

ωf =2π

(m − 1)Ta

(3.38)

ergibt. Damit konnen die zeitdiskreten Modulationsfunktionen als

g(0)k = g(tk) = µ

(a0 + a1 cos(

2πk

(m − 1)Ta

) + a2 cos(4πk

(m − 1)Ta

))

(3.39)

g(1)k = g(tk) = −µωf

(a1 sin(

2πk

(m − 1)Ta

) + 2a2 sin(4πk

(m − 1)Ta

))

(3.40)

g(2)k = g(tk) = −µω2

f

(a1 cos(

2πk

(m − 1)Ta

) + 4a2 cos(4πk

(m − 1)Ta

))

(3.41)

mit k = 0, . . . , m−1 angegeben werden. Der hochgestellte Index (l) gibt dabei den

Grad der Ableitung an. Bild 3.5 zeigt die Funktionen fur m = 32 und Ta = 0.2 sec,

µ ist dabei so bestimmt, daß∑m−1

k=0 g(0)k = 1. Betrachtet man den Amplitudengang

dieser Funktionen in Bild 3.6, so erkennt man ihre Wirkung: Wahrend die hohen

Frequenzen gedampft werden, weist g(0) fur tiefe Frequenzen eine weitgehend

konstante Verstarkung auf; g(1) und g(2) verlaufen hier um 20 bzw. 40 dB/Dekade

steiler. Durch Fourier-Transformation laßt sich leicht zeigen, daß die Verlaufe im

Zeitbereich der 1. und 2. Ableitung entsprechen, da diese im Frequenzbereich eine

Multiplikation mit jω bzw. −ω2 bewirken.

0 7 15 23 31−0.1

−0.05

0

0.05

0.1

g0

g1

g2

t / Ta

g0, g

1, g

2

Modulationsfunktionen

Bild 3.5: Blackman-Fenster ( ) mit1. Ableitung ( ) und 2. Ableitung ( )

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KAPITEL 3. ERZEUGUNG ZEITLICHER ABLEITUNGEN 44

0.005 0.02 0.05 0.2 0.5−3

−2

−1

0g0

g1

g2

f / fa

log(

Bet

rag)

Amplitudengang

Bild 3.6: Amplitudengang des Black-man-Fensters ( ) und der ersten bei-den Ableitungen ( bzw. )

Die vollstandige Anordung der Filter ist in Bild 3.7 gezeigt, d. h. es ist fur jede

Ableitung ein seperates Filter notig, was einen erhohten Rechenaufwand bedeu-

tet, falls alle Ableitungen berechnet werden. Jede Ableitung muß durch Faltung

g(0)

g(1)

g(d)

rr - -

- -

- -

......

u y

y

y(d) Bild 3.7: Erzeugung von Ableitungen durchModulationsfunktionen

mit einer Gewichtsfunktion g(l) bestimmt werden: y(l)(k) =∑m−1

i=0 g(l)i · u(k − i).

Das Problem des Rechenaufwands und ein Vergleich mit den anderen Filtern

wird noch einmal in Abschnitt 3.4 aufgegriffen. Der wesentliche Nachteil dieser

Methode liegt jedoch in der Wahl der Modulationsfunktionen. Es wurde zwar

gezeigt, daß das Blackman-Fenster Tiefpaßeigenschaften besitzt, doch liegt die

Grenzfrequenz sehr niedrig und kann nicht vorgegeben werden. Sie ergibt sich

vielmehr aus der Abtastfrequenz und der Anzahl der Filterkoeffizienten. Im Falle

der Frequenzgange in Bild 3.6 liegt der nutzbare Frequenzbereich z. B. bei etwa

2. . . 5% der Abtastfrequenz fa. Dies fuhrt dazu, daß solche Modulationsfunktio-

nen haufig nur mit sehr hohen Abtastfrequenzen arbeiten konnen. Abschließend

ist noch einmal der vollstandige Algorithmus zum Entwurf der Modulationsfunk-

tionen g(0)k , . . . , g

(d)K angegeben; fur den Fall eines Blackman-Fensters findet sich

wieder eine entsprechende MATLAB-Funktion in Anhang B.2:

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KAPITEL 3. ERZEUGUNG ZEITLICHER ABLEITUNGEN 45

Algorithmus 3.2 (Modulationsfunktionen)

1. Wahl einer zeitkontinuierlichen Gewichtsfunktion g(t) der Lange Tf und

Berechnung der Ableitungen g(t), . . . , g(d)(t), vgl. Gl. (3.32) bis (3.35).

2. Diskretisierung des Intervalls [0, Tf ] in m Zeitpunkte tk = kTa mit k =

0, . . . , m − 1 und Ta = Tf/(m − 1), vgl. Gl. (3.36) bis (3.38).

3. Bestimmung der Betragsnormierung aus der Forderung∑m−1

k=0 g(0)k = 1.

4. Berechnung der Filterkoeffizienten g(l)k durch Auswertung der Gewichtsfunk-

tionen g(l)(t) an den Zeitpunkten tk, vgl. Gl. (3.39) bis (3.41).

3.3 Differenzierende Transversalfilter

Es wurde bereits darauf hingewiesen, daß die ublichen Modulationsfunktionen –

wie das in Abschnitt 3.2 verwendete Blackman-Fenster – zwar Tiefpaß-Verhalten

aufweisen, jedoch nicht die Vorgabe einer Grenzfrequenz erlauben. Dies ist aber

haufig erwunscht, um festlegen zu konnen, in welchem Frequenzbereich die Dif-

ferentiation erfolgen soll und welche Frequenzen als Storungen aufgefaßt werden.

Basierend auf den Uberlegungen des letzten Abschnitts laßt sich dies erreichen,

indem man als”Modulationsfunktionen“ Transversalfilter verwendet, die einen

idealen Tiefpaß bzw. dessen Ableitungen approximieren.

Fur die Berechnung der Koeffizienten solcher Filter sind viele Methoden ge-

brauchlich, siehe [6], [16]; im folgenden soll die Fenster-Methode benutzt werden.

Man geht dabei aus von der Impulsantwort

−3 −2 −1 0 1 2 3−0.5

0

0.5

1

1.5

2

2 * fg * t

Bet

rag

/ fg

Impulsantwort

Bild 3.8: Impulsantwort eines idealenTiefpasses

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KAPITEL 3. ERZEUGUNG ZEITLICHER ABLEITUNGEN 46

g(t) = 2fgsin(2πfgt)

2πfgt= 2fg si(2πfgt) (3.42)

eines idealen Tiefpasses mit Grenzfrequenz fg, siehe Bild 3.8, und betrachtet die

Abtastwerte zu den m Zeitpunkten

tk∗ =1

2(2k∗ + 1)Ta , k∗ = −m

2, . . . ,

m

2− 1

mit gerader Koeffizientenanzahl m. Da das Filter kausal sein muß, ist eine zusatz-

liche Totzeit von m2Ta notig, woraus sich

tk =1

2(2k + 1 − m)Ta , k = 0, . . . , m − 1 (3.43)

ergibt. Fur die Filterkoeffizienten gilt somit zunachst

g(0)k = 2fg

sin(πfg(2k + 1 − m)Ta)

πfg(2k + 1 − m)Ta

, k = 0, . . . , m − 1 . (3.44)

Man beachte, daß die Lage der Abtastwerte nicht nur von m und Ta (wie beim

Blackman-Fenster), sondern auch maßgeblich von der Grenzfrequenz fg bestimmt

wird. Die Approximation einer unendlich langen Impulsantwort durch eine end-

liche Anzahl von Abtastwerten fuhrt jedoch zur Faltung ihres Frequenzgangs

mit der Fouriertransformierten eines Rechteckfensters (Gibbs’sches Phanomen).

Dies laßt sich aber durch die Verwendung einer Fensterfunktion teilweise kom-

pensieren. Dazu werden die Filterkoeffizienten zusatzlich mit den entsprechen-

den Werten der Fensterfunktion bewertet, was aber gleichzeitig dazu fuhrt, daß

der Ubergangsbereich des Filters weniger steil verlauft. Auch hier stehen wie-

der zahlreiche Fenster zur Auswahl, die den Frequenzgang unterschiedlich stark

beeinflussen. Im folgenden soll das Hamming-Fenster

hk = 0.54 − 0.46 cos( 2πk

m − 1

), k = 0, . . . , m − 1 (3.45)

zum Einsatz kommen, das fur den Filterentwurf besonders gunstige Eigenschaften

besitzt. Es wird noch einmal betont, daß die Fensterfunktion im Gegensatz zu

Abschnitt 3.2 nur zur Reduktion des Gibbs’schen Phanomens dient. Man erhalt

damit die Filterkoeffizienten als

g(0)k = µ(0) · hk g

(0)k , k = 0, . . . , m − 1 . (3.46)

Im nachsten Schritt wird nun noch die Betragsnormierung µ(0) so bestimmt, daß∑m−1k=0 g

(0)k = 1, also

µ(0) =1

m−1∑k=0

hk g(0)k

. (3.47)

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KAPITEL 3. ERZEUGUNG ZEITLICHER ABLEITUNGEN 47

Außerdem kann auch noch eine Frequenznormierung durchgefuhrt werden, da die

Verwendung einer Fensterfunktion Einfluß auf die Grenzfrequenz des Filters hat.

Dazu muß auf numerischem Weg eine Pseudo-Grenzfrequenz f ∗g bestimmt werden,

so daß der Amplitudengang an der wahren Grenzfrequenz fg eine Dampfung von

1/√

2 (= − 3 dB) aufweist, siehe [16].

Der gleiche Entwurfsvorgang wird dann fur die Ableitung der Tiefpaß-Impuls-

antwort˙g(t) = 4πf 2

g

2πfgt · cos(2πfgt) − sin(2πfgt)

(2πfgt)2(3.48)

durchgefuhrt, woraus man die Abtastwerte

g(1)k = 4πf 2

g

ϕk · cos(ϕk) − sin(ϕk)

ϕ2k

(3.49)

mit

ϕk = πfg(2k + 1 − m)Ta , k = 0, . . . , m − 1 (3.50)

erhalt. Auch diese sollten wieder mit einem Hamming-Fenster gewichtet werden.

Die Betragsnormierung, die aufgrund der Fensterfunktion notig ist, muß auf eine

andere Art erfolgen, da fur ein differenzierendes Filter keine statische Verstarkung

angegeben werden kann. Man bestimmt dazu µ(1) so, daß der Frequenzgang an

einer Frequenz f0 den Betrag von 2πf0 aufweist. f0 sollte weder zu klein gewahlt

werden, noch zu dicht an fg liegen, da hier die Verzerrungen zunehmen. Ein Wert

von f0 = 110

fg hat sich in den Simulationen bewahrt.

Bild 3.9 zeigt die Amplitudengange der beiden Filter fur fa = 100 Hz, fg =

5 Hz und m = 24. Transversalfilter weisen zwar prinzipiell einen anderen Fre-

quenzgang auf als rekursive Filter (vgl. Bild 3.3), doch ist deutlich der Durchlaß-

bzw. Differenzierbereich fur f < fg zu erkennen. Die Bildung der 2. Ableitung

0.5 2 5 20 50−4

−2

0

2

g0

g1

Frequenz [Hz]

log(

Bet

rag)

Amplitudengang

Bild 3.9: Amplitudengang eines trans-versalen Tiefpasses ( ) und dessenAbleitung ( )

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KAPITEL 3. ERZEUGUNG ZEITLICHER ABLEITUNGEN 48

konnte im Rahmen der vorliegenden Untersuchung nicht auf diesem Weg realisiert

werden, obwohl dies fur Ableitungen beliebiger Ordnung moglich sein sollte. Der

Frequenzgang zeigte nicht das erforderliche Differenzierverhalten 2. Ordnung. Es

bleibt unklar, ob es sich dabei um ein prinzipielles Problem oder nur um einen

Fehler in der Simulation handelt. Auch in der Literatur findet man nur wenig

Informationen uber die Bildung hoherer Ableitungen. Diese erfolgt z. B. uber

Kaskaden von Differenzierern 1. Ordnung oder durch Taylor-Approximation des

Frequenzgangs, siehe [15]. Diese Ansatze beinhalten aber in der Regel kein Tief-

paßverhalten der Filter. Wie bereits oben erwahnt, spricht nach den bisherigen

Uberlegungen nichts gegen eine direkte Approximation der Impulsantworten, zu-

mal diese Technik auch schon im Zusammenhang mit den Modulationsfunktionen

in Abschnitt 3.2 angewendet wurde.

Zusammenfassend ist das Verfahren wieder in Form eines Algorithmus ange-

geben. Die zugehorige MATLAB-Funktion in Anhang B.2 berucksichtigt aus den

genannten Grunden nur die 1. Ableitung. Sollte die Bildung hoherer Ableitungen

dennoch in gleicher Weise moglich sein, laßt sich die Funktion problemlos erwei-

tern.

Algorithmus 3.3 (Differenzierende Transversalfilter)

1. Aufstellen der Impulsantworten eines Tiefpasses ( g(t) = g(0)(t), vgl. Gl.

(3.42)) und dessen Ableitungen ( g(l)(t), vgl. Gl. (3.48)).

2. Bestimmung der jeweils m Abtastwerte g(l)k an den Zeitpunkten tk = 1

2(2k+

1 − m)Ta mit k = 0, . . . , m − 1, vgl. Gl. (3.44) und (3.49).

3. Wahl der Fensterkoeffizienten hk, z. B. Hamming-Fenster nach Gl. (3.45).

4. Bestimmung der Betragsnormierungen µ(l) nach Gl. (3.47) oder durch Fi-

xieren des Frequenzgangs an einer Frequenz f0 (im Falle der Ableitungen).

5. Berechnung der endguligen Filterkoeffizienten gemaß g(l)k = µ(l) · hk g

(l)k fur

k = 0, . . . , m − 1.

3.4 Vergleich der Methoden

Der Vergleich der in diesem Kapitel vorgestellten Methoden beschrankt sich

zunachst auf einen Vergleich zwischen rekursiven Filtern (Abschnitt 3.1) und

Transversalfiltern (Abschnitt 3.2 bzw. 3.3). Rekursive Filter zeichnen sich da-

durch aus, daß sich das aktuelle Ausgangssignal aus den vergangenen Werten

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KAPITEL 3. ERZEUGUNG ZEITLICHER ABLEITUNGEN 49

bzw. Ableitungen des Ausgangssignals berechnet, siehe z. B. Bild 3.1, wahrend

das Ausgangssignal von Transversalfiltern ausschließlich aus den entsprechenden

Werten des Eingangssignals berechnet wird, siehe Bild 3.10. Sie benotigen meist

z−1 z−1

½¼¾»

b0 ½¼¾»

b1 ½¼¾»bm−2 ½¼

¾»bm−1

e e e

r r r- - -

? ? ? ?

? ? ?- - - -

· · ·

· · ·u(k) u(k − 1) u(k − m + 1)

y(k)

Bild 3.10: Zeitdiskretes Transversalfilter

weniger Koeffizienten, um die Gute eines vergleichbaren Transversalfilters zu er-

reichen. Aufgrund der ruckgekoppelten Struktur konnen diese Filter prinzipi-

ell auch instabil werden, was bei Transversalfiltern wiederum nicht moglich ist.

Im Abschnitt 3.1 wurde deshalb das Zustandsvariablenfilter auf der Basis ei-

nes Butterworth-Tiefpasses entworfen, der nur Pole in der linken s-Halbebene

besitzt. Problematisch ist jedoch die zeitdiskrete Approximation und der damit

verbundene Ubergang in den z-Bereich. Es kann nicht garantiert werden, daß

bei den verwendeten Diskretisierungsverfahren die Pole des zeitdiskreten Filters

innerhalb des Einheitskreises der z-Ebene liegen. Dies kann jedoch anhand der Ei-

genwerte von Ad aus Gl. (3.23) uberpruft werden. Es wurde außerdem schon auf

die unendlich lange Impulsantwort hingewiesen, die nach Storungen sehr lange

Ausgleichsvorgange zur Folge haben kann.

Bevor eine weitergehende Analyse der beiden Filter erfolgt, soll noch auf einen

weiteren Umstand hingewiesen werden, der von Relevanz ist, falls die gefilterten

Signale fur eine Parameterschatzung verwendet werden. Dies wird anhand eines

Beispiels aus [12] erlautert, das von der Differentialgleichung

y(t) + a1y(t) + a2y(t) = b0u(t) + b1u(t) (3.51)

ausgeht. Diese wird zum Zeitpunkt t−τ betrachtet, mit g(τ) multipliziert und von

0 bis Tf integriert, was der Faltung der beteiligten Signale mit der Impulsantwort

eines Transversalfilters entspricht (siehe auch Abschnitt 3.2):∫ Tf

0

g(τ)y(t − τ) dτ + a1

∫ Tf

0

g(τ)y(t − τ) dτ + a2

∫ Tf

0

g(τ)y(t − τ) dτ

= b0

∫ Tf

0

g(τ)u(t − τ) dτ + b1

∫ Tf

0

g(τ)u(t − τ) dτ .

(3.52)

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KAPITEL 3. ERZEUGUNG ZEITLICHER ABLEITUNGEN 50

Durch partielle Integration erhalt man∫ Tf

0

g(τ)y(t − τ) dτ − a1

[g(τ)y(t − τ)

]Tf

0+ a1

∫ Tf

0

g(τ)y(t − τ) dτ

−a2

[g(τ)y(t − τ)

]Tf

0− a2

[g(τ)y(t − τ)

]Tf

0+ a2

∫ Tf

0

g(τ)y(t − τ) dτ

= b0

∫ Tf

0

g(τ)u(t − τ) dτ − b1

[g(τ)u(t − τ)

]Tf

0+ b1

∫ Tf

0

g(τ)u(t − τ) dτ .

Fordert man nun wieder, daß

g(0) = g(Tf ) = 0 und g(0) = g(Tf ) = 0 , (3.53)

wie dies auch schon in Abschnitt 3.2 aufgrund der endlichen Impulsantwort vor-

ausgesetzt wurde, dann entfallen die ausintegrierten Terme und es ergibt sich∫ Tf

0

g(τ)y(t − τ) dτ + a1

∫ Tf

0

g(τ)y(t − τ) dτ + a2

∫ Tf

0

g(τ)y(t − τ) dτ

= b0

∫ Tf

0

g(τ)u(t − τ) dτ + b1

∫ Tf

0

g(τ)u(t − τ) dτ ,

(3.54)

d. h. man hat eine zu Gl. (3.51) aquivalente Gleichung gefunden, bei der die Ab-

leitungen von den Signalen u(t) und y(t) auf die Funktion g(t) verlagert wurden.

Dabei sind außer Gl. (3.53) keine weiteren Voraussetzungen an g(t) gemacht. Da

die einzelnen Integrale als Filter angesehen werden konnen, kann dieses Ergeb-

nis auch anders interpretiert werden: Ersetzt man fur die Parameterschatzung

die Signale u(t), u(t), . . . , y(t), y(t), . . . durch die mit der gleichen Funktion g(t)

bzw. deren Ableitungen g(t), g(t), . . . gefilterten Signale u(t) und y(t), so begeht

man keinen prinzipiellen Fehler. Dies bedeutet aber, daß die genaue Form von

g(t) zweitrangig ist, solange g(t), g(t), . . . die Ableitungen von g(t) sind.

Die Wahl von g(t) hat aber auf anderem Weg Einfluß auf die Parameterschat-

zung. So wurde g(t) in den vergangenen Abschnitten immer als Impulsantwort

von Tiefpassen berechnet, um hochfrequente Meßstorungen zu beseitigen. Wird

jedoch die Grenzfrequenz dieses Tiefpasses zu niedrig gewahlt, dann kann dies

eine ungenugende dynamische Anregung des Prozesses zur Folge haben, worauf

bereits in Kapitel 2 im Zusammenhang mit Parameterschatzverfahren hingewie-

sen wurde. Damit laßt sich nun auch auf anderem Weg begrunden, warum die

Methode der Modulationsfunktionen mit dem Blackman-Fenster aus Abschnitt

3.2 zwar funktioniert, aber sehr hohe Abtastfrequenzen erfordert.

Der weitere Vergleich von Zustandsvariablenfilter und Transversalfilter soll an-

hand von Bild 3.11 erfolgen. Dieses zeigt den Amplitudengang eines Zustandsva-

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KAPITEL 3. ERZEUGUNG ZEITLICHER ABLEITUNGEN 51

0.5 2 5 20 50−3

−2

−1

0

1

2

Frequenz [Hz]

log(

Bet

rag)

1. Ableitung

0.5 2 5 20 50−5

−4

−3

−2

−1

0

log(

Bet

rag)

Amplitudengang

Bild 3.11: Vergleich zwischenZustandsvariablenfilter ( )und Transversalfilter ( )

riablenfilters 5. Ordnung mit Interpolationsordnung r = 2 nach Bild 3.4. Parallel

dazu ist ein Transversalfilter mit m = 24 Koeffizienten zu sehen; fur beide Filter

gilt fa = 100 Hz und fg = 5 Hz. Der Amplitudengang des Zustandsvariablenfilters

knickt an fg scharf ab und lauft dann in der doppelt-logarithmischen Darstellung

mit konstanter Steigung, die durch die Filterordnung n festgelegt wird, nach un-

ten. Das Transversalfilter knickt dagegen weniger scharf ab, verlauft dann aber

steiler und weist schließlich einen Sperrbereich mit einer gewissen Restwelligkeit

auf. Obwohl die Frequenzgange beider Filtertypen nur schwer zu vergleichen sind,

sind in Tabelle 3.1 die Koeffizientenzahlen m aufgefuhrt, die notig sind, um mit

einem Transversalfilter etwa die Gute eines Zustandsvariablenfilters der Ordnung

n mit der Interpolationsordnung r = 2 zu erreichen. Dabei wurde auf eine weitge-

hende Ubereinstimmung der Amplituden- und Phasengange geachtet. Es ist auch

zu beachten, daß die Filter nach den obigen Uberlegungen die Ableitungen gar

nicht exakt bilden mussen. Fur eine anschließende Parameterschatzung ist im we-

Tabelle 3.1: Vergleich Zustandsvariablen- und Transversalfilter

n 1 2 3 4 5 6

m 6 . . . 8 10 . . . 12 14 . . . 16 20 . . . 22 24 . . . 26 30 . . . 32

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KAPITEL 3. ERZEUGUNG ZEITLICHER ABLEITUNGEN 52

sentlichen erforderlich, daß alle Ein- und Ausgangssignale mit dem gleichen Filter

bzw. dessen Ableitungen gefiltert werden. Entscheidend ist deshalb vor allem der

Verlauf im Ubergangsbereich, der Durchlaß- und Sperrbereich trennt.

Ein weiteres Kriterium fur den Vergleich der Filter ist die Anzahl der in

Echtzeit auszufuhrenden Rechenoperationen, wahrend der Entwurfsaufwand ne-

bensachlich ist. Die notigen Rechenoperationen konnen anhand von Gl. (3.27)

Tabelle 3.2: Online-Rechnenaufwand

Filtertyp Add. Mul.

Zustandsvariablenfilter n(n + r − 1) n(n + r)

Transversalfilter m − 1 m

und Bild 3.10 bestimmt werden und sind in Tabelle 3.2 zusammengestellt. Bei

der Beurteilung des Gesamtaufwands sind schließlich noch folgende Punkte zu

beachten:

• Wahrend bei Transversalfiltern fur jede Ableitung ein eigenes Filter notig

ist, werden beim Zustandsvariablenfilter automatisch alle Ableitungen bis

zur Ordnung n − 1 mitberechnet.

• Die Filterordnung n wird durch das erforderliche Dampfungsverhalten fest-

gelegt. Meist wahlt man jedoch n = d + 2, d. h. um 2 hoher als die hochste

benotigte Ableitung.

• Fur die Interpolationsordnung setzt man in der Regel r = 1 oder r = 2, da

sich mit r > 2 kaum noch Verbesserungen erzielen lassen, siehe [14].

Zusammenfassend laßt sich sagen, daß Transversalfilter (und damit auch die Mo-

dulationsfunktionen nach Abschnitt 3.2) neben den eingangs beschriebenen Vor-

teilen auch eine gunstigere Rechenzeit besitzen, falls nur die Ableitung einer ein-

zigen Ordnung benotigt wird. Werden dagegen mehrere Ableitungen benotigt, so

konnen diese sehr effizient mit einem Zustandsvariablenfilter berechnet werden.

Es ist auch hier wieder zu beachten, daß fur eine Parameterschatzung alle Signale

mit dem gleichen Filter gefiltert werden mussen. Wird also z. B. das Eingangs-

signal und die 2. Ableitung des Ausgangssignals benotigt, so mussen nach der

Faustregel n = d + 2 beide Signale mit einem Zustandsvariablenfilter mindestens

4. Ordnung gefiltert werden, obwohl fur das Eingangssignal ein Filter 2. Ordnung

ausreichend ware.

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Kapitel 4

Experimentelle Ergebnisse

Die in den beiden letzten Kapiteln hergeleiteten und an Simulationsbeispielen

untersuchten Methoden sollen abschließend an einem realen Prozeß getestet wer-

den. Dabei handelt es sich um einen burstenlosen Gleichstrommotor, der in einem

Stellventil zur Kabinen-Innendruckregelung von Passagierflugzeugen eingesetzt

wird. Obwohl das Ventil mehrfach redundant ausgelegt ist, ist eine zuverlassi-

ge Fehlererkennung trotzdem notwendig, da es sich um ein sicherheitsrelevantes

Bauteil handelt. Wird ein Fehler erkannt, kann entweder auf eine redundante Ein-

heit umgeschaltet oder ggf. der Motor nach einer Rekonfiguration weiterbetrieben

werden.

Nach einer Beschreibung des Motors in Abschnitt 4.1 befaßt sich Abschnitt

4.2 mit der Schatzung der Parameter des elektrischen Teilsystems unter Verwen-

dung des schnellen DSFI-Verfahrens. Die benotigte Motor-Kreisfrequenz wird

dazu mit differenzierden Filtern (vgl. Kapitel 3) aus dem Motor-Winkel erzeugt.

In Abschnitt 4.3 wird die Parameterschatzung schließlich noch einmal fur den

Fall eines fehlerhaften Motors wiederholt.

4.1 Der burstenlose Gleichstrommotor

Bei herkommlichen Gleichstrommotoren wird im Stator mit Hilfe von Perma-

nentmagneten oder Spulen ein ortsfestes Magnetfeld erzeugt, in dem sich der

Rotor, der hier als Anker wirkt, dreht. Dieser wird uber die Bursten und den

Kommutator mit einer Spannung versorgt, die vom Kommutator in Abhangig-

keit des Drehwinkels standig umgepolt wird. Dadurch kann sich zwischen Rotor-

und Statorfeld ein Moment aufbauen, das uber die Rotorwelle als mechanisches

Moment abgegeben wird. Bursten und Kommutator sind die am starksten ver-

53

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KAPITEL 4. EXPERIMENTELLE ERGEBNISSE 54

schleißanfalligen Komponenten bei dieser Konstruktion. Wahrend die Bursten

vor allem durch mechanischen Abrieb geschadigt werden, muß der Kommuta-

tor bei den Schaltvorgangen relativ hohen Spannungen zwischen den Kommu-

tatorlamellen standhalten. Insbesondere bei niedrigen Drehzahlen kann es zum

Spannungsuberschlag kommen, der u.U. die gesamte Kommutierungseinrichtung

zerstort.

Diese Nachteile werden beim burstenlosen Gleichstrommotor vermieden, in-

dem man Bursten und Kommutator durch eine elektronische Kommutierungs-

einrichtung ersetzt, was aber einen etwas anderen Aufbau des Motors zur Folge

hat, siehe [7]. Der Stator wirkt hier als Anker, d. h. als der Teil, in den eine

Spannung induziert wird. Diese Spannung wird von Permanentmagneten indu-

ziert, die auf der Rotorwelle angebracht sind; bei einer solchen Anordnung ist

keinerlei elektrische Verbindung zum Rotor mehr notig. Die Position des Rotors

wird uber Hallsensoren oder andere Weggeber erfaßt und an die elektronische

Kommutierungsschaltung weitergeleitet, die dann die entsprechenden Leistungs-

transistoren einer 6-Puls-Brucke durchschaltet, um die Phasenstrome zu erzeu-

gen. Diese sind im Idealfall blockformig, wahrend die Phasenspannungen einen

Elektronische Kommutierung

rr

rrrr

r

r

ÁÀ¿

&%'$

½¼¾»-q

q4 ½¼

¾»-q

q4 ½¼

¾»-q

q4

½¼¾»-q

q4 ½¼

¾»-q

q4 ½¼

¾»-q

q4

¾ b

--

?

666

Hallsensor 3Hallsensor 2Hallsensor 1

Positionserfassung Stator

UBriBr

i1

i2

i3

T11 T12 T13

T21 T22 T23

Bild 4.1: Kommutierungseinrich-tung eines burstenlosen Gleich-strommotors

trapezformigen Verlauf zeigen, siehe [7]. Bild 4.1 zeigt den schematischen Aufbau

der Kommutierungseinrichtung fur den Fall einer Sternschaltung von drei Spulen.

Durch eine Pulsbreitenmodulation (PWM), die auf die Transistoren aufgeschal-

tet wird, kann der Mittelwert der Phasenspannungen verandert werden, so daß

beliebige Drehzahlen moglich sind. Burstenlose Gleichstrommotoren kombinieren

also die Vorteile von herkommlichen Gleichstrommotoren mit dem wartungsfrei-

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KAPITEL 4. EXPERIMENTELLE ERGEBNISSE 55

en Aufbau von Synchron- und Asynchronmaschinen. Der hier untersuchte Motor

ist 4-polig ausgefuhrt, d. h. er besitzt 6 sternformig angeordnete Spulen, womit

man eine sehr geringe Momentenwelligkeit erreicht. Die ubrigen technischen Da-

ten faßt Tabelle 4.1 zusammen. Fur eine einzelne Phase kann naherungsweise das

Tabelle 4.1: Technische Daten des Motors

Gewicht 335 g

Lange 87mm

Durchmesser 30.5mm

Versorgungsspannung 28V

Spulenwiderstand 2.3Ω

Leerlauf-Drehzahl 7400U/min

Leerlauf-Strom 50mA

Kurzschluß-Moment 28mNm

Kurzschluß-Strom 1A (begr.)

Ersatzschaltbild eines gewohnlichen Gleichstrommotors nach Bild 4.2 verwendet

werden. RA und LA bezeichnen darin Widerstand und Induktivitat der Spule, die

Rotationsspannung Urot ist gegeben durch

Urot = Ψ · ω (4.1)

mit der Kreisfrequenz ω und der magnetischen Flußverkettung Ψ. Der Span-

nungsabfall an den Leistungstransistoren und die durch Gegeninduktion erzeugte

Spannung wurden vernachlassigt. Das elektrische Moment kann als Mel = ΨIA

½¼¾»

e

e

¾

??

UrotUA

RA LA

IABild 4.2: Ersatzschaltbild fur eine Phasedes burstenlosen Gleichstrommotors

berechnet werden, wobei Ψ im Idealfall wieder die Flußverkettung aus Gl. (4.1)

ist. Berucksichtigt man schließlich noch das Lastmoment M∗L sowie die trockene

Reibung MC · sign(ω) und die viskose Reibung MV · ω, dann kommt man zum

Blockschaltbild 4.3. Da im vorliegenden Fall die Ventilklappe uber ein Getrie-

be angesteuert wird, muß das Lastmoment ML auf die Motorseite umgerechnet

werden. M∗L ist daher das am Motor angreifende Lastmoment.

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KAPITEL 4. EXPERIMENTELLE ERGEBNISSE 56

1LA

∫RA

Ψ

Ψ

MV

1J

∫ee e

er

rr- - - -

¾¾

¾

- -

¾

¾

6

6

-

?

¾

6

6-MC

UA IA Mel

M∗L

ω− −

Bild 4.3: Blockschaltbild des burstenlosen Gleichstrommotors

Betrachtet man nur das elektrische Teilsystem, so gilt nach Bild 4.2

UA(t) = RAIA(t) + LAd

dtIA(t) + Ψω(t) . (4.2)

Bei Untersuchungen an dem Motor mit den technischen Daten nach Tabelle 4.1

stellte sich heraus, daß die Zeitkonstante des RL-Glieds so klein ist, daß sie mit

den realisierbaren Abtastfrequenzen praktisch nicht erfaßt werden kann. Gl. (4.2)

reduziert sich damit auf

UA(t) = RAIA(t) + Ψω(t) (4.3)

mit den zu schatzenden Parametern RA und Ψ.

4.2 Schatzung der Parameter

Im letzten Abschnitt wurde fur das elektrische Teilsystem die Schatzgleichung

(4.3) hergeleitet. Zur Schatzung von RA und Ψ werden also die Signale UA(t),

IA(t) und ω(t) benotigt. UA(t) und IA(t) konnen jedoch nicht in den einzelnen

Phasen gemessen werden, da nicht alle Phasen gleichzeitig aktiv sind. Aufgrund

der Kommutierung wurde sich als Mittelwert Null ergeben. Um dies zu vermei-

den, mußten die Großen in der jeweils aktiven Phase gemessen und stuckweise

zusammengesetzt werden. Die Messung kann aber auch auf einem einfacheren

Weg erfolgen: Wie in Bild 4.1 zu sehen ist, wird die Versorgungsspannung UBr

uber je einen Leistungstransistor der oberen und unteren Reihe der Brucken-

schaltung auf zwei Spulen der Sternschaltung kommutiert. Durch hochfrequentes

Schalten des oberen Transistors wird die Versorgungsspannung pulsbreitenmodu-

liert und von der Induktivitat der beteiligeten Spulen geglattet. Der Mittelwert

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KAPITEL 4. EXPERIMENTELLE ERGEBNISSE 57

der so erzeugten Phasenspannung ist daher proprotional zum Tastverhaltnis der

PWM. Vernachlassigt man die Verluste an der 6-Puls-Brucke, dann muß aufgrund

der Leistungsbilanz gelten:

UA = UBr · PWM und IA =IBr

PWM, (4.4)

dabei sind UBr und IBr die Speisespannung bzw. der Speisestrom der Brucke

und PWM das Tastverhaltnis, das in [−1, 1] liegt. Ein negatives Tastverhaltnis

erzeugt negative Drehzahlen.

Auch eine zuverlassige Bestimmung der Kreisfrequenz ω bereitet Schwierig-

keiten: Am einfachsten laßt sie sich ermitteln, indem die Zeit zwischen zwei

Hallsensor-Impulsen gemessen wird. Die Abstande der Sensoren weisen aber ferti-

gungsbedingt eine große Toleranz auf, was zu unzulassig großen Fehlern in ω fuhrt.

Um dies zu umgehen, bietet es sich an, die Zeit zwischen 2 Impulsen des selben

Sensors zu messen. Aufgrund der 4-poligen Ausfuhrung des Motors entspricht

diese Zeit einer halben Umdrehung. Da jedoch besonders bei niedrigen Dreh-

zahlen die Zeitspanne relativ groß sein kann und das Drehzahlsignal daher nur

mit Verzogerung zur Verfugung steht, soll im folgenden eine andere Moglichkeit

verwendet werden. Dazu wird zunachst der Motorwinkel berechnet, indem bei je-

dem Hallsensor-Impuls π3

addiert bzw. subtrahiert wird. Der Motorwinkel an den

Abtastzeitpunkten zwischen zwei Impulsen wird nicht konstant gehalten, sondern

durch quadratische Extrapolation bestimmt. Aus diesem Signal kann ω durch Dif-

ferentiation mit Hilfe von Filtern erzeugt werden. Bild 4.4 zeigt den Verlauf der

0 0.5 1 1.5 2 2.5−250

0

250

500

Zeit [sec]

omeg

a [1

/sec

]

Kreisfrequenz

Bild 4.4: Velauf von ω: direkt gemessen( ) und durch Differentiation des Mo-torwinkels mit ZVF ( ) und Trans-versalfilter ( )

direkt gemessenen Kreisfrequenz ω sowie der Ableitung des extrapolierten Mo-

torwinkels. Dazu wurde zunachst ein Zustandsvariablenfilter der Ordnung n = 5

mit Grenzfrequenz fg = 5 Hz verwendet, das das fur einen Butterworth-Tiefpaß

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KAPITEL 4. EXPERIMENTELLE ERGEBNISSE 58

typische Uberschwingen an der Sprungstelle zeigt. Das Motorwinkel-Signal wurde

dann noch einmal mit einem differenzierenden Transversalfilter gefiltert. Abwei-

chend von Tabelle 3.1 ist hier m = 16 gewahlt, da sich sonst in Bild 4.4 der

Verlauf des Signals – abgesehen von den Sprungstellen – mit dem des Zustands-

variablenfilter decken wurde.

Fur die Parameterschatzung wird der Motor positionsgeregelt betrieben und

mit dem Signal aus Bild 4.5 angeregt. Die vorgegebene Position ist hier die Stel-

lung der Ventilklappe und entspricht daher nicht dem Motor- sondern dem Ge-

triebewinkel. In Bild 4.6 ist der Verlauf der gemessenen und gefilterten Großen

zu sehen, die mit einer Frequenz von 100Hz abgetastet wurden. Aus dem Tast-

verhaltnis der PWM und der Bruckenspannung bzw. dem Bruckenstrom konnen

UA und IA nach Gl. (4.4) berechnet werden. Bild 4.6 zeigt die Verlaufe dieser

Großen nach einer Filterung mit einem transversalen Tiefpaß mit m = 24 Ko-

effizienten und einer Grenzfrequenz von fg = 5 Hz. Die Kreisfrequenz ω wurde

wie oben beschrieben mit einem Differenzierfilter aus dem Motorwinkel erzeugt.

Dieses hat die gleichen Daten wie die beiden Tiefpaßfilter (m = 24, fg = 5 Hz),

was bereits in Kapitel 3 erlautert wurde.

An den Signalverlaufen erkennt man, daß der Bereich fur die Parameterschat-

zung eingeschrankt werden muß, um brauchbare Meßwerte zu erhalten. Zunachst

werden alle Bereiche mit negativer Drehzahl bzw. negativem PWM-Tastverhalt-

nis ausgespart, da der Motor hier als Generator betrieben wird und das Modell

aus Abschnitt 4.1 nicht gultig ist. Damit wird auch das beim Rucklauf auftre-

tende”Rattern“ nicht mit in die Parameterschatzung einbezogen. Das Rattern

wird von der Positionsregelung verursacht, da das Getriebe eine Lose aufweist.

Außerdem muß die Schatzung in den Grenzbereichen angehalten werden, da das

0 5 10 15 20 25 30 350

40

80

120

Zeit [sec]

Phi

[°]

Anregungssignal

Bild 4.5: Verlauf des Anregungssignalszur Positionsregelung (Ventilposition)

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KAPITEL 4. EXPERIMENTELLE ERGEBNISSE 59

0 5 10 15 20 25 30 35−900

−450

0

450

900

Zeit [sec]

omeg

a [1

/sec

]

Kreisfrequenz (gefiltert)

0 5 10 15 20 25 30 35−0.2

0

0.2

0.4

Iaf [

A]

Phasenstrom (gefiltert)

0 5 10 15 20 25 30 35−30

−15

0

15

30

Uaf

[V]

Phasenspannung (gefiltert)

0 5 10 15 20 25 30 35−1

−0.5

0

0.5

1P

WM

PWM−Tastverhaeltnis

Bild 4.6: Velauf der Meßgroßen

Modell hier zu ungenau ist. Die Meßwerte werden nur dann vom Schatzalgorith-

mus ausgewertet, wenn sie im Bereich 0.05 ≤ PWM ≤ 0.95 und ω > 10 1sec

liegen. Bei einer Online-Berechnung ist mit dieser Maßnahme auch dafur gesorgt,

daß in Gl. (4.4) nicht durch Null geteilt wird. Erreichen die Signale wieder einen

zulassigen Bereich, dann setzt die Parameterschatzung erst m Schritte spater ein,

womit sichergestellt ist, daß alle Ausgleichsvorgange in den Filtern abgeklungen

sind. Dies wurde bereits als ein wesentlicher Vorteil von Transversalfiltern ge-

genuber Zustandsvariablenfiltern hervorgehoben.

Die Verlaufe der geschatzten Parameter sind in Bild 4.7 zu sehen. Man er-

kennt deutlich die Bereiche, in denen die Parameterschatzung angehalten ist. Am

Anfang wurde das Einschwingen der Signale abgewartet, um dann bei t = 3 sec

mit der Bildung des Vektors w und der Martix S des schnellen DSFI-Verfahrens

zu beginnen. Die Berechnung der Parameter erfolgt jedoch erst ab t = 5 sec, da

das zu losende Gleichungssystem zu Beginn noch fast singular ist und die Pa-

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KAPITEL 4. EXPERIMENTELLE ERGEBNISSE 60

0 5 10 15 20 25 30 35 0.037

0.0375

0.038

Zeit [sec]

Psi

[Vs]

Magnetische Flussverkettung

0 5 10 15 20 25 30 358.6

8.8

9

9.2

9.4R

[Ohm

]

Ohmscher Widerstand

Bild 4.7: Velauf der geschatzten Parameter

rameter daher eine sehr große Varianz hatten. Das langsame Einschwingen der

Parameter wird durch mehrere Faktoren verursacht: In erster Linie ist hier der

Gedachtnisfaktor von λ = 0.999 zu nennen, der so groß gewahlt wurde, um eine

ausreichende Glattung zu erreichen. Außerdem ist zu bedenken, daß wahrend der

Abschnitte, in denen die Schatzung angehalten wird, auch kein”Vergessen“ der

alten Meßwerte stattfindet, wodurch sich die Parameterschatzwerte noch trager

verhalten. Ein weiterer Einflußfaktor laßt sich durch die physikalischen Gegeben-

heiten des Motors erklaren: Kupfer hat bei 20C einen spezifischen Widerstand

von %20 = 0.017 Ωmm2

mund einen Temperaturbeiwert von α20 = 4.3 · 10−3 1

K.

Eine Temperaturerhohung von 20C auf eine Betriebstemperatur von 65C ver-

ursacht somit eine Widerstandserhohung von fast 20%. Damit laßt sich der leich-

te Aufwartstrend des Widerstands in Bild 4.7 erklaren. Moglicherweise ist auch

die Abhangigkeit von der Drehzahl etwas komplexer, als im Modell angenommen

wurde. Die magnetische Flußverkettung zeigt dagegen wahrend der gesamten Zeit

nur sehr geringe Schwankungen. Der Widerstandswert von ca. 9 Ω ergibt sich aus

den Widerstanden von je zwei Spulen sowie den Widerstanden der Leistungs-

transistoren und der Meßeinrichtung. Bei der Verwendung des Standard-DSFI-

Verfahrens ergeben sich exakt die gleichen Parameterverlaufe wie beim schnellen

DSFI-Verfahren, und auch das RLS-Verfahren liefert hier sehr gute Ergebnisse.

Die Brauchbarkeit des RLS-Verfahrens laßt sich durch die niedrige Konditions-

zahl des Schatzproblems erklaren, die nur etwa 102 betragt.

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KAPITEL 4. EXPERIMENTELLE ERGEBNISSE 61

0 5 10 15 20 25 3020

21

22

23

Zeit [sec]

Phi

[°]

Anregungssignal

Bild 4.8: Anregungssignal fur die Fehlererkennung

4.3 Erkennung von Fehlern

Die Parameterschatzung soll nun noch einmal fur den Fall wiederholt werden,

daß wahrend der Schatzung Fehler im Prozeß auftreten. Dazu wurden zwei Fehler

ausgewahlt, die sich einfach erzeugen lassen und dabei den Motor nicht schadi-

gen. Zuerst wird eine Widerstandserhohung in einer Phase um 2.2 Ω simuliert,

dann die vollige Unterbrechung einer Phase. Beim realen Einsatz des untersuch-

ten Ventils wird die Position oft nur in einem kleinen Bereich um einen festen

Arbeitspunkt verstellt, so daß das Anregungssignal in Bild 4.5 hier nicht geeignet

ist. Um realistische Verhaltnisse zu schaffen, wurde fur die Positionsregelung eine

dreieckformige Anregung zwischen 20 und 22.5 vorgegeben, wie sie in Bild 4.8

dargestellt ist.

Der Verlauf der geschatzten Parameter im Falle eines erhohten Phasenwi-

derstands ist in Bild 4.9 zu sehen. Auch hier wurden die gemessenen Signale

wieder mit Transversalfiltern (m = 24, fg = 5 Hz, siehe Abschnitt 4.2) gefil-

tert und die Kreisfrequenz durch Differentiation des Motorwinkels erzeugt. Als

Schatzverfahren kam das schnelle DSFI-Verfahren mit den gleichen Einstellungen

0 10 20 30 40 50 60 70 80 900.0355

0.036

0.0365

0.037

Zeit [sec]

Psi

[Vs]

Magnetische Flussverkettung

0 10 20 30 40 50 60 70 80 9010.5

11

11.5

12

12.5

R [O

hm]

Ohmscher Widerstand

Bild 4.9: Parameterverlauf bei Widerstandserhohung

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KAPITEL 4. EXPERIMENTELLE ERGEBNISSE 62

wie im letzten Abschnitt zum Einsatz, das bereits im eingeschwungenen Zustand

gestartet wurde. Die Widerstandserhohung wurde durch Zuschalten eines 2.2 Ω-

Widerstands bei t = 18 sec realisiert. Dabei muß beachtet werden, daß der Strom

nach Bild 4.1 jeweils uber zwei Spulen fließt. Da die einzelnen Phasenwiderstande

in dem vereinfachten Modell aus Abschnitt 4.1 nicht berucksichtigt sind, sondern

nur der Mittelwert der Widerstande geschatzt werden kann, ist mit einer Wider-

standserhohung um

∆RA =2

3· 2.2 Ω ≈ 1.47 Ω

zu rechnen.

Der bereits im fehlerfreien Zustand erhohte Widerstand von ca. 10.6 Ω kann

mehrere Ursachen haben. Zum einen konnte er auf die Temperaturabhangigkeit

der Kupferwicklungen zuruckgefuhrt werden, deren Widerstand sich erhoht, wenn

der Motor seine Betriebstemperatur erreicht hat. Andererseits kann der Effekt

auch durch den Spannungsabfall an der Bruckenschaltung verursacht werden.

Wird dieser im Modell nicht berucksichtigt, dann haben Schwankungen in der

Versorgungsspannung UBr Einfluß auf geschatzten Parameter. Die Berechnung

dieses Spannungsabfalls gestaltet sich jedoch schwierig, da er nicht als konstant

angenommen werden kann. Wahrend sich die Feldeffekt-Transistoren im Durch-

laßbereich wie spannungsgesteuerte Widerstande verhalten, fließt der Strom im

gesperrten Zustand uber Freilaufdioden, die in erster Linie durch ihre konstante

Schleusenspannung charakterisiert sind. Der mittlere Spannungsabfall wird daher

sowohl vom PWM-Tastverhaltnis als auch vom Phasenstrom bestimmt.

Die Widerstandsdifferenz von 1.47 Ω ist jedoch deutlich zu erkennen, wahrend

sich die Flußverkettung nur um weniger als 2% andert. Fur eine zuverlassige Feh-

lererkennung ist der erhohte Widerstand im fehlerfreien Fall aber unbedingt zu

beachten, da er alleine schon etwa 1.5 Ω ausmacht. Die lange Einschwingdauer laßt

sich mit den gleichen Argumenten wie in Abschnitt 4.2 begrunden. Die Verzoge-

rungen durch das Aussetzen der Parameterschatzung fallen hier besonders stark

ins Gewicht, da mit relativ kleinen PWM-Signalen gearbeitet wird und der Motor

haufig ruckwarts lauft. In Bild 4.9 ist das Aussetzen der Parameterschatzung an

den konstanten Bereichen im Signalverlauf zu erkennen.

Der gleiche Versuch wurde abschließend noch einmal fur den Fall einer Pha-

senunterbrechung wiederholt, die ebenfalls bei t = 18 sec stattfand. Die Ergeb-

nisse sind in Bild 4.10 zu sehen. Man erkennt, daß der geschatzte Widerstand

sofort stark ansteigt; auch die Flußverkettung wird erwartungsgemaß kleiner, da

in der unterbrochenen Spule keine Induktion mehr stattfindet. Um die Para-

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KAPITEL 4. EXPERIMENTELLE ERGEBNISSE 63

0 10 20 30 40 50 60 700.01

0.02

0.03

0.04

Zeit [sec]

Psi

[Vs]

Magnetische Flussverkettung

0 10 20 30 40 50 60 7010

20

30

40

50R

[Ohm

]Ohmscher Widerstand

Bild 4.10: Parameterverlauf bei unterbrochener Phase

meterverlaufe in Bild 4.10 zu erhalten, mußte der fur die Schatzung zulassige

Drehzahlbereich auf ω > 0 erweitert werden, da der Motor bei zu starker Bela-

stung sogar stehenbleibt, obwohl ein PWM-Signal vorhanden ist. Es ist jedoch

zu prufen, ob das verwendete einfache Modell das Verhalten im Bereich kleiner

Drehzahlen im fehlerfreien Fall genugend genau beschreibt.

Mit den beiden Versuchen konnte gezeigt werden, daß es moglich ist, mit

Hilfe von Parameterschatzverfahren Fehler an einem burstenlosen Gleichstrom-

motor zu erkennen. Wahrend die Erkennung einer Unterbrechung aufgrund der

großen Parameteranderung unproblematisch ist, ist die Erkennung kleiner Wi-

derstandsanderungen wesentlich schwieriger, weil dazu zunachst der Widerstand

im fehlerfreien Fall genau bekannt sein muß. Hier durften sich aber mit einem

genaueren Prozeßmodell Verbesserungen erzielen lassen. Neben der Berucksich-

tigung des Temperatureinflusses und des Spannungsabfalls an der Bruckenschal-

tung konnte das Modell z. B. so erweitert werden, daß das Schatzverfahren dann

auch bei kleinen und negativen Drehzahlen arbeiten kann. Dies wurde die Pa-

rameterschatzung beschleunigen und damit die Zuverlassigkeit der Schatzwerte

erhohen.

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Kapitel 5

Zusammenfassung und Ausblick

Ausgangspunkt der vorliegenden Arbeit war die Fehlererkennung an technischen

Prozessen mit Hilfe von Parameterschatzverfahren. Bei dieser Methode werden

die in Echtzeit geschatzten Prozeßparameter mit denen eines Referenzmodells

verglichen, um aus den Abweichungen auf mogliche Fehler zu schließen. Es wurde

dargelegt, daß hierzu nur hochwertige Schatzverfahren in Frage kommen, um

auch kleine Abweichungen sicher erkennen zu konnen. Nach einer allgemeinen

Einfuhrung in die Problemstellung in Kapitel 1 befaßten sich die Kapitel 2 und 3

daher mit zwei wichtigen Teilgebieten solcher Schatzverfahren: Entwicklung von

effizienten Online-Schatzalgorithmen und Erzeugung zeitlicher Ableitungen unter

Verwendung linearer Filter.

In Kapitel 2 wurden die numerischen Eigenschaften von Parameterschatzver-

fahren zunachst allgemein untersucht. Eine Konditionsanalyse zeigte, daß sich

die Meßfehler bei Algorithmen, die auf den Normalgleichungen basieren, mit

cond2(Ψ) fortpflanzen, wahrend sich dieser Faktor bei Orthogonalisierungsver-

fahren auf cond(Ψ) reduziert. Anhand der Schatzung von Polynomkoeffizienten

wurde gezeigt, daß die Verwendung numerisch schlechter Verfahren die Losung

schon bei geringsten Meßfehlern vollig unbrauchbar machen kann. Der Schwer-

punkt des weiteren Vorgehens lag dann auf der Untersuchung zeitrekursiver Ver-

fahren, wie sie zur Online-Parameterschatzung benotigt werden. Nachdem zuvor

die Vorteile von Orthogonalisierungsverfahren aufgezeigt worden waren, wurde

zunachst das oft implementierte DSFI-Verfahren hergeleitet, das eine zeitrekur-

sive Variante der QR-Zerlegung darstellt. Es zeigte erwartungsgemaß sehr gute

numerische Eigenschaften, doch stellte sich die lange Rechenzeit als ein wesentli-

cher Nachteil heraus. Diese wird in erster Linie durch die Bildung von n Wurzeln

in jedem Zeitschritt bestimmt.

64

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KAPITEL 5. ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK 65

Um zu einem wurzelfreien Algorithmus zu gelangen, bot sich im nachsten

Schritt eine nahere Betrachtung des unnormierten Gram-Schmitt-Verfahrens an,

das die gleichen numerischen Eigenschaften wie alle anderen Orthogonalisierungs-

verfahren besitzt, aber ohne die Bildung von Wurzeln auskommt. Zwar gelang die

Herleitung eines rekursiven Verfahrens, doch zeigt es ungunstige Skalierungsei-

genschaften, falls mit Festkomma-Zahlen gearbeitet wird. Außerdem benotigte

es verhaltnismaßig viele Divisionen, die auf den meisten Prozessoren mehr Re-

chenzeit benotigen als Multiplikationen. Es wurde daher ein weiterer Versuch

unternommen, der schließlich den gewunschten Erfolg brachte: Ausgehend vom

DSFI-Verfahren wurden die dort benotigten Givens-Rotationen durch schnelle

Givens-Rotationen ersetzt, wodurch sich ebenfalls die Bildung von Wurzeln ver-

meiden laßt. Dieses schnelle DSFI-Verfahren zeigte in jeder Hinsicht hervorragen-

de Eigenschaften: Hinsichtlich der numerischen Gute laßt sich kein Unterschied

zum normalen DSFI-Verfahren feststellen, dagegen benotigt es aber erheblich

weniger Rechenzeit – bei großeren Parameterzahlen sogar weniger als das RLS-

Verfahren. Außerdem bietet der Algorithmus uber die fur die schnelle Givens-

Rotation benotigten Skalierungsfaktoren die Moglichkeit, die Prozeßanregung zu

uberwachen.

Mit der Entwicklung des schnellen DSFI-Verfahren wurde das gesteckte Ziel

erreicht, und es durften sich hier auch keine wesentlichen Verbesserungen mehr

finden lassen. Bei der Implementierung auf Mikrocontrollern zeigt sich jedoch ein

ganz anderes Problem, das mehrfach kurz angesprochen wurde: Werden fur die

Rechnung Festkomma- anstelle von Fließkomma-Zahlen verwendet, dann mussen

samtliche Großen zusatzlich uberwacht werden, da es aufgrund des begrenzten

Zahlenbereichs haufig zu Uberlaufen kommen kann. Falls keine Prozessoren mit

Fließkomma-Arithmetik zur Verfugung stehen, mußte das Verfahren im Hinblick

auf dieses Problem weiterentwickelt werden. Ansonsten hat das schnelle DSFI-

Verfahren keine Nachteile gegenuber bestehenden Algorithmen und wurde erfolg-

reich in der Simulation und bei Experimenten eingesetzt.

Kapitel 3 befaßte sich mit der Erzeugung zeitlicher Ableitungen, die im Zu-

sammenhang mit zeitkontinuierlichen Prozeßmodellen benotigt werden. Da zeit-

liche Ableitungen oft nicht direkt gemessen werden konnen und eine naherungs-

weise Differentiation via Differenzenbildung wegen vorhandener Meßstorungen

nicht in Frage kommt, wurden hierzu Filtertechniken verwendet. Bei der Her-

leitung des haufig verwendeten Zustandsvariablenfilters lag der Schwerpunkt auf

der Diskretisierung des zeitkontinuierlichen Filters. Der Versuch einer Newton-

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KAPITEL 5. ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK 66

Cotes-Integration uber mehrere Teilintervalle erwies sich als schlechtere Losung

gegenuber der ublicherweise verwendeten Polynominterpolation mit Integration

uber das letzte Teilintervall. Allerdings konnte basierend auf einer Taylor-Ap-

proximation des Signals ein etwa gleichgutes Verfahren angegeben werden. Es

wurde aufgezeigt, daß die rekursive Struktur des Zustandsvariablenfilters eini-

ge Nachteile mit sich bringt, die durch die Verwendung von Transversalfiltern

vermieden werden konnen. Dazu wurde zunachst die Methode der Modulations-

funktionen untersucht, die aber aufgrund der speziellen Wahl der Modulations-

funktionen nur fur sehr hohe Abtastfrequenzen praktikabel war. Als wichtiges

Ergebnis stellte sich aber heraus, daß man im Hinblick auf eine anschließende

Parameterschatzung keinen Fehler begeht, wenn man die benotigten Signale und

ihre Ableitungen durch Filterung der Ein- und Ausgangssignale erzeugt. Vor-

aussetzung ist lediglich, daß alle Filter die gleiche Impulsantwort bzw. deren

Ableitungen besitzen.

Um die Differentiation mittels Transversalfilter auch bei ublichen Abtastfre-

quenzen einsetzen zu konnen, wurde schließlich ein etwas anderer Ansatz gewahlt,

der im Gegensatz zu den sonst gebrauchlichen Modulationsfunktionen die Vor-

gabe einer Grenzfrequenz erlaubt. Dazu wurde versucht, die Impulsantwort eines

Tiefpasses sowie deren Ableitungen durch ein Transversalfilter zu approximieren.

Bis zur 1. Ableitung funktionierte dies problemlos – fur hohere Ableitungen dage-

gen uberhaupt nicht mehr. Es konnte nicht geklart werden, wodurch dieses Ver-

halten verursacht wird, da genau die gleiche Vorgehensweise im Zusammenhang

mit den Modulationsfunktionen auch bei anderen Impulsantworten angewendet

wurde und dort keine Probleme bereitete.

Zum Abschluß des Kapitels wurde versucht, Zustandsvariablenfilter und trans-

versale Tiefpaßfilter zu vergleichen. Letztere schließen dabei hinsichtlich der prin-

zipiellen Eigenschaften auch die Modulationsfunktionen aus Abschnitt 3.2 ein

und konnten aus den oben genannten Grunden nur bis zur Ableitung 1. Ordnung

berucksichtigt werden. Die Untersuchung des Frequenzgangs beider Typen zeigte,

daß bei Transversalfiltern mit etwas starkeren Verzerrungen im Bereich der Grenz-

frequenz und einer gewissen Restwelligkeit im Sperrbereich zu rechnen ist. Auf

eine anschließende Parameterschatzung hat dies jedoch praktisch keinen Einfluß,

solange alle benotigten Filter aus der gleichen Impulsantwort erzeugt wurden.

Dies konnte auch anhand von Simulationen nachvollzogen werden. Bezuglich der

Rechenoperationen ist der Vergleich der beiden Filtertypen vom speziellen An-

wendungsfall abhangig. Prinzipiell laßt sich jedoch sagen, daß Transversalfilter

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KAPITEL 5. ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK 67

dann von Vorteil sind, wenn jeweils nur einzelne Ableitungen benotigt werden.

Sollen dagegen mehrere Ableitungen eines Signals berechnet werden, dann ge-

schieht dies sehr effizient durch ein Zustandsvariablenfilter.

Die Erzeugung von Ableitungen durch differenzierende Transversalfilter wurde

in Simulationen und Experimenten mit der Zustandsvariablenfilterung verglichen

und hat sich als brauchbar erwiesen. Zur weiteren Verbesserung des Verfahrens

sollten neben der hier verwendeten Fenstermethode auch noch andere Entwurfs-

techniken untersucht werden. Moglicherweise lassen sich damit die Probleme bei

der Bildung hoherer Ableitungen losen. Weiterhin mussen auch hier – wie bei

den Parameterschatzalgorithmen – die Verfahren auf ihre Tauglichkeit fur den

Einsatz auf Mikrocontrollern mit Festkomma-Arithmetik uberpruft werden.

Fur die abschließende Parameterschatzung und Fehlererkennung an einem

burstenlosen Gleichstrommotor, vgl. Kapitel 4, konnten die zuvor untersuchten

Methoden mit Erfolg eingesetzt werden. Probleme bereiteten hier nicht die ver-

wendeten Algorithmen, sondern vielmehr das relativ einfache Prozeßmodell, das

sich in einigen Bereichen als zu ungenau erwies. Aber gerade in diesem Fall zeigte

sich ein wesentlicher Vorteil von Transversalfiltern: Die Parameterschatzung wird

in den Bereichen angehalten, in denen das Modell nicht gultig ist. Erreichen die

Signale dann wieder einen zulassigen Bereich, kann garantiert werden, daß nach

m Schritten alle Ausgleichsvorgange in den Filtern abgeklungen sind. Dies ist nur

bei einer endlichen Impulsantwort moglich. Das zur Parameterschatzung einge-

setzte schnelle DSFI-Verfahren zeigte auch hier seine sehr guten Eigenschaften.

Verglichen mit dem Standard-DSFI-Verfahren und dem RLS-Verfahren konnten

keine Nachteile festgestellt werden.

Bei der Fehlererkennung mit diesen Verfahren lassen sich jedoch sicherlich

noch Verbesserungen erzielen. Zwar konnten eine Widerstandserhohung und ei-

ne Phasenunterbrechung am Parameterverlauf erkannt werden, doch ist fraglich,

ob dies fur eine zuverlassige Fehlererkennung in der Praxis bereits ausreicht. In

erster Linie ware ein detaillierteres Prozeßmodell notig, um auch in den bis-

her ausgesparten Bereichen die Parameter schatzen zu konnen. Aufgrund der

vielen Intervalle, in denen die Schatzung angehalten wurde, stehen die neuen

Parameterwerte erst nach relativ langer Zeit zur Verfugung. Lediglich bei einer

Phasenunterbrechung zeigte sich bereits unmittelbar nach deren Auftreten eine

deutliche Widerstandserhohung. Ein weiteres Problem waren auch die Modellun-

genauigkeiten aufgrund des Spannungsabfalls an der Bruckenschaltung und der

Temperaturabhangigkeit des Kupferwiderstands. Im Versuch war die dadurch

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KAPITEL 5. ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK 68

verursachte Widerstandserhohung genauso groß wie der zu erkennende Fehler. In

einem Fehlererkennungssystem mußte bei der Vorgabe von Referenzwerten daher

der Einfluß der Temperatur ebenso berucksichtigt werden wie Schwankungen in

der Versorgungsspannung.

Dennoch sind Parameterschatzverfahren eine wichtige Methode fur die Fehler-

erkennung. So sind mit ihnen z. B. Fehler in geschlossenen Regelkreisen erkennbar,

die fur andere Verfahren verborgen bleiben, weil sie bis zu einem gewissen Umfang

vom Regler kompensiert werden. Der Erfolg dieser Methode hangt aber entschei-

dend davon ab, wie genau die Prozeßparameter geschatzt werden konnen. Neben

einem prazisen Prozeßmodell sind dazu vor allem hochwertige Berechnungsver-

fahren notwendig, wozu die vorgestellten Algorithmen einen Beitrag liefern sollen.

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Anhang A

Weitere Schatzverfahren

A.1 Das RLS-Verfahren

Die Herleitung eines rekursiven Verfahrens zur Losung der Normalgleichungen ist

relativ aufwendig; daher sei auf die sehr ausfuhrliche Herleitung in [9] verwiesen.

Man geht dabei aus von den Normalgleichungen in der Form

θ = P wΨT yw (A.1)

mit

P w = (ΨT W 2Ψ)−1

yw = W 2y ,

wobei W 2 = diag(λN−1, . . . , λ, 1) die Meßwerte exponentiell gewichtet, so daß

das Gutemaß

V = eT We =N∑

k=1

λN−ke2(k) (A.2)

minimiert wird. Dadurch wird erreicht, daß sich das Schatzergebnis an mogliche

Parameteranderungen anpaßt. Beim RLS-Verfahren werden die Großen θ und

P w in folgender Weise iteriert:

Algorithmus A.1 (RLS-Verfahren)

γ(k + 1) =1

λ + ψT (k + 1)P w(k)ψ(k + 1)P w(k)ψ(k + 1)

θ(k + 1) = θ(k) + γ(k + 1)(y(k + 1) − ψT (k + 1)θ(k))

P w(k + 1) =1

λ(In − γ(k + 1)ψT (k + 1))P w(k)

69

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ANHANG A. WEITERE SCHATZVERFAHREN 70

A.2 Die Householder-Transformation

Die Householder-Transformation wird dazu benutzt, durch Multiplikation mit

einer orthonormalen Matrix in einem Spaltenvektor eine Nullspalte zu erzeugen,

siehe [17]. Ein Vektor v = (v1, v2, . . . , vN)T wird dabei uberfuhrt in

Q

v1

v2

...

vN

=

v′

1

0...

0

. (A.3)

Die Matrix Q wird wie folgt bestimmt:

γ = (N∑

j=1

v2j )

12 = ‖v‖2

sign0(v1) =

1, v1 ≥ 0

−1, v1 < 0

u = (sign0(v1)(|v1| + γ), v2, . . . , vN)T (A.4)

β =1

γ(|v1| + γ)

Q = IN − βuuT .

Es gilt dann:

v′1 = −γ sign0(v1) und v′

j = 0, j ≥ 2 . (A.5)

Bei der QR-Zerlegung einer N × n -Matix beginnt man mit der Transformation

der ersten Spalte, wobei die restlichen Spalten umgerechnet werden. In gleicher

Weise verfahrt man dann mit der 2. Spalte, betrachtet jedoch nur die Zeilen

2, . . . , N ; es wird also in jedem Schritt eine Zeile und eine Spalte fertiggestellt:

Q1Ψ =

∗ ∗ ∗ ∗0 ∗ ∗ ∗0 ∗ ∗ ∗0 ∗ ∗ ∗0 ∗ ∗ ∗0 ∗ ∗ ∗

→ Q2Q1Ψ =

∗ ∗ ∗ ∗0 ∗ ∗ ∗0 0 ∗ ∗0 0 ∗ ∗0 0 ∗ ∗0 0 ∗ ∗

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ANHANG A. WEITERE SCHATZVERFAHREN 71

Nach n Schritten ist dann schließlich die obere Dreiecksgestalt erreicht:

Qn · · ·Q1︸ ︷︷ ︸Q

Ψ =

∗ ∗ ∗ ∗0 ∗ ∗ ∗0 0 ∗ ∗0 0 0 ∗0 0 0 0

0 0 0 0

Samtliche Householder-Transformationen werden dabei formal als orthonormale

N ×N -Matrizen angesehen und zur Matrix Q zusammengefaßt. Der vollstandige

Algorithmus zur Berechnung der oberen Dreiecksgestalt sieht wie folgt aus (mit

ψ(i)kj sind die Elemente von Ψ nach dem i-ten Schritt bezeichnet):

Algorithmus A.2 (QR-Zerlegung)

Berechne fur i = 1, . . . , n:

γi =( N∑

j=i

(ψ(i−1)ji )2

) 12

u(i) = (0, . . . , 0,︸ ︷︷ ︸(i − 1) Elemente

sign0(ψ(i−1)ii )(|ψ(i−1)

ii | + γi), ψ(i−1)i+1,i , . . . , ψ

(i−1)Ni )T

βi =1

γi(|ψ(i−1)ii | + γi)

ψ(i)ii = −γi sign0(ψ

(i−1)ii )

Berechne fur j = i + 1, . . . , n und k = i, . . . , N :

ψ(i)kj = ψ

(i−1)kj − βi

( N∑l=i

u(i)l ψ

(i−1)lj

)u

(i)k

Die Elemente rij sind dann identisch mit den Elementen ψ(i)ij fur i = 1, . . . , n und

j = i+1, . . . , n. Die Matrix Q kann mitberechnet werden, indem man samtliche

Householder-Transformationen auf eine N × N -Einheitsmatrix anwendet.

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Anhang B

MATLAB-Funktionen

B.1 Rekursive Parameterschatzverfahren

In den folgenden Abschnitten sind die wichtigsten zeitrekursiven Parameter-

schatzverfahren in Form von MATLAB-Funktionen angegeben. Dabei wurden

keine MATLAB-spezifischen Befehle verwendet, so daß sie sich ohne Probleme

auch in andere Sprachen ubersetzen lassen, die fur Echtzeit-Anwendungen ge-

eignet sind. Wie auch die in Kapitel 2 angegebenen Algorithmen beinhalten die

Funktionen jeweils die Rechenoperationen, die in einem Zeitschritt auszufuhren

sind, d. h. die Funktionen werden in jedem Abtastschritt neu aufgerufen und be-

rechnen unter Verwendung der neuen Meßdaten die neue Iterationsmatrix.

B.1.1 DSFI-Verfahren

Die Funktion dsfi.m berechnet einen Zeitschritt des DSFI-Verfahrens nach Al-

gorithmus 2.1. Die Matrix S kann als Nullmatrix initialisiert werden, ohne daß

hierfur besondere Vorkehrungen im Programm getroffen werden mussen. Die Mul-

tiplikation mit der Wurzel des Gedachtnisfaktors wurde der Transformationsma-

trix zugeordnet, wodurch sich weitere Multiplikationen einsparen lassen.

% dsfi.m% DSFI-Algorithmus mit Standard-Givensrotation.% Syntax: S = dsfi(S_old,s,sl)% Input : S_old : Erweiterte Matrix S_old=[R b]% R : obere Dreiecksmatrix% b : transf. rechte Seite (Spalte)% s : [Messvektor, rechte Seite] (Zeile)% sl : Wurzel des Vergessensfaktors% Output: S : neue S-Matrix

72

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ANHANG B. MATLAB-FUNKTIONEN 73

% Typischer Aufruf (zu loesen: norm(A*x-y)=min.):% S=zeros(n,n+1); sl=sqrt(lambda);% for i=1:N; S=dsfi(S,[A(i,:),y(i)],sl); end% x=S(:,1:n)\S(:,n+1)

% Michael Vogt, 21.7.1998

function S = dsfi(S_old,s,sl)

m=length(s); n=m-1; % Anzahl der Parameter: nS=zeros(n,m); % S initialisierenfor i=1:n % Schleife ueber die Ordnungif s(i)~=0 % s(i)~=0: Givens-Rotation noetigS_old(i,i)=sl*S_old(i,i); % Vergessensfaktor HauptdiagonaleS(i,i)=sqrt(S_old(i,i)^2+s(i)^2); % neues Hauptdiagonal-Elementh=s(i)/S(i,i); % Givens-Rotationsparameterc=S_old(i,i)/S(i,i);h1=sl*h; c1=sl*c; % Parameter mit Vergessensfaktorfor j=i+1:m

S(i,j)=c1*S_old(i,j)+h*s(j); % i-te Zeile von S umrechnens(j)=c*s(j)-h1*S_old(i,j); % Messdaten umrechnen

endelse % s(i)==0: keine Givens-Rotationfor j=i:m

S(i,j)=sl*S_old(i,j); % nur Vergessensfaktorend

endend

B.1.2 RMGS-Verfahren

Algorithmus 2.4 ist in der Funktion rmgs.m realisiert. Diese wird in gleicher Weise

aufgerufen und initialisiert wie dsfi.m.

% rmgs.m% RMGS-Algorithmus (Rekursive-Modified-Gram-Schmidt).% Syntax: S = rmgs(S_old,s,lambda)% Input : S_old : Erweiterte Matrix S_old=[R b]% R : obere Dreiecksmatrix% b : transf. rechte Seite (Spalte)% s : [Messvektor, rechte Seite] (Zeile)% lambda : Vergessensfaktor% Output: S : neue S-Matrix% Typischer Aufruf (zu loesen: norm(A*x-y)=min.):% S=zeros(n+1); lambda=0.99;% for i=1:N; S=rmgs(S,[A(i,:),y(i)],lambda); end% x=S(:,1:n)\S(:,n+1)

% Michael Vogt, 21.7.1998

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ANHANG B. MATLAB-FUNKTIONEN 74

function S = rmgs(S_old,s,lambda)

m=length(s); n=m-1; % Anzahl der Parameter: nS=zeros(n,m); % S initialisierenfor i=1:nS(i,i)=lambda*S_old(i,i)+s(i)^2; % update Hauptdiagonalelementif S(i,i)~=0for j=i+1:m

S(i,j)=lambda*S_old(i,j)+s(i)*s(j); % update restliche Elementes(j) =s(j)-(S(i,j)/S(i,i))*s(i); % Datenvektor umrechnen

endend

end

B.1.3 Schnelles DSFI-Verfahren

dsfif.m stellt die Realisierung des schnellen DSFI-Verfahrens 2.5 dar. Im Ge-

gensatz zum normalen DSFI-Verfahren besitzt die erweiterte Dreiecksmatrix S

nur Einsen auf der Hauptdiagonalen, und es muß zusatzlich der Vektor w iteriert

werden, der die quadrierte Zeilenskalierung von S darstellt. Außerdem ist dar-

auf zu achten, daß w mit Nullen initialisiert wird, da dsfif.m daran eine nicht

vollrangige Matrix erkennt.

% dsfif.m% DSFI-Algorithmus mit schneller Givens-Rotation.% Syntax: [S,w] = dsfif(S_old,w_old,s,lambda)% Input : S_old : Erweiterte Matrix S_old=[R b]% R : obere Dreiecksmatrix% b : transf. rechte Seite (Spalte)% w_old : Zeilenfaktoren fuer S_old (Spalte)% s : [Messvektor, rechte Seite] (Zeile)% lambda : Vergessensfaktor% Output: S : neue S-Matrix% w : neue Zeilenfaktoren% Typischer Aufruf (zu loesen: norm(A*x-y)=min.):% S=zeros(n,n+1); w=zeros(n,1); lambda=0.99;% for i=1:N; [S,w]=dsfif(S,w,[A(i,:),y(i)],lambda); end% x=S(:,1:n)\S(:,n+1)

% Michael Vogt, 21.7.1998

function [S,w] = dsfif(S_old,w_old,s,lambda);

m=length(s); n=m-1; % Anzahl der Parameter: nS=eye(n,m); % S initialisierenw=zeros(n,1); % w initialisierenv=1; % Zeilenfaktor fuer neue Zeile s

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ANHANG B. MATLAB-FUNKTIONEN 75

for i=1:n % Schleife ueber die Ordnungif s(i)==0 % s(i)==0: keine Rotation noetigfor j=i:m

S(i,j)=S_old(i,j); % alte Werte uebernehmenendw(i)=lambda*w_old(i); % Vergessensfaktor fuer i-te Zeile

elseif w_old(i)==0 % Zeile neu initialisierenw(i)=v*s(i)^2; % neuer Skalierungsfaktorfor j=i+1:m

S(i,j)=s(j)/s(i); % Zeile umrechnens(j)=0; % s wird Nullzeile

endelse % s(i)~=0: Rotation noetigw_old(i)=lambda*w_old(i); % i-te Zeile gewichtena=s(i); % Hilfsgroessen berechnenb=v*a;w(i)=w_old(i)+b*a; % Skalierungsfaktor fuer S(i,:)c=w_old(i)/w(i); % weitere Hilfsgroessend=b/w(i);v=v*c; % Skalierungsfaktor fuer sfor j=i+1:m

S(i,j)=c*S_old(i,j)+d*s(j); % i-te Zeile umrechnens(j)=s(j)-a*S_old(i,j); % Messwertezeile s umrechnen

endend

end

B.2 Filterentwurf

Die MATLAB-Funktionen zum Entwurf von Zustandsvariablenfiltern, Modula-

tionsfunktionen und differenzierenden Transversalfiltern sind in den folgenden

Abschnitten zu finden. Sie beinhalten jeweils die Algorithmen zur Berechnung

der Matrizen bzw. Gewichtsfunktionen, nicht jedoch die Realisierung der Filter.

Diese ist – insbesondere bei Transversalfiltern – relativ einfach und aus den ent-

sprechenden Abschnitten in Kapitel 3 ersichtlich.

B.2.1 Zustandsvariablenfilter

Die Funktion zvf.m berechnet die Matrizen Ad und Bd eines zeitdiskreten Zu-

standsvariablenfilters nach Algorithmus 3.1; es wird lediglich anstelle der Abtast-

zeit Ta die Abtastfrequenz fa = 1/Ta verwendet. Zur Berechnung der Polynom-

koeffizienten werden die MATLAB-Funktionen pascal bzw. vander benutzt.

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ANHANG B. MATLAB-FUNKTIONEN 76

% zvf.m% Berechnung der Matrizen Ad und Bd fuer ein zeitdiskretes% Zustandsvariablenfilter mit Butterworth-Charakteristik.% Syntax: [Ad,Bd] = zvf(fg,fa,n,r,ap);% Input : fg : Filter-Grenzfrequenz [Hz]% fa : Abtastfrequenz des zeitdiskreten Systems [Hz]% n : Filterordnung (z.B. n=5)% r : Approximationsgrad (z.B. r=2)% ap : Approximationsverfahren (’interp’ oder ’taylor’)% Output: Ad : Systemmatrix fuer diskretes Filter% Bd : Eingangsmatrix fuer diskretes Filter

% Michael Vogt, 6.8.1998

function [Ad,Bd] = zvf(fg,fa,n,r,ap);

% 1.Schritt: zeitkontinuierlicher Butterworth-Tiefpass% ----------------------------------------------------if mod(n,2) % Ungerade Anzahl Koeffizientenden=[1, 1/(2*pi*fg)];for i=2:(n+1)/2;den=conv(den,[1, cos((i-1)*pi/n)/(pi*fg), 1/(2*pi*fg)^2]);

endelse % Gerade Anzahl Koeffizientenden=1;for i=1:n/2den=conv(den,[1, cos((2*i-1)*pi/(2*n))/(pi*fg), 1/(2*pi*fg)^2]);

endend

% 2. Schritt: Ak und Bk in Regelungs-Normalform% ---------------------------------------------Ak=[zeros(n-1,1) eye(n-1); ... % Systemmatrix (kontinuierlich)

-den(1:n)/den(n+1)];Bk=[zeros(n-1,1); 1/den(n+1)]; % Eingangsmatrix (kontinuierlich)

% 3. Schritt: Ad berechnen und Bd vorbereiten% -------------------------------------------Ad=expm(Ak/fa); % Ad: Systemmatrix (diskret)Bd=Ak\(Ad-eye(n))*Bk; % Bd: Eingangsmatrix (diskret)for i=1:r % spaltenweise Integrale berechnenBd=[Bd, Ak\(Ad*Bk-Bd(:,i)*i*fa)];

end

% 4. Schritt: Gewichtung der Eingangswerte bestimmen% --------------------------------------------------if ap==’taylor’T=pascal(r+1,1); % Pascal’sches DreieckBd=Bd*diag([1,1./cumprod(1:r)])*T; % Gewichtung fuer Taylor-Entwicklung

elseV=vander(0:r); % Van-der-Monde-MatrixBd=Bd/fliplr(V); % Gewichtung fuer Polynom-Interpolation

end

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ANHANG B. MATLAB-FUNKTIONEN 77

B.2.2 Modulationsfunktionen

Mit blackmod.m wird eine Modulationsfunktion auf der Basis eines Blackman-

Fensters berechnet (siehe Algorithmus 3.2), sowie die Ableitungen bis maximal

zur Ordnung d = 3. Die Koeffizienten des trigonometrischen Polynoms werden in

der Variablen k vorgegeben.

% blackmod.m% Blackman-Fenster als Modulationsfunktion.% Syntax: G = blackmod(fa,m,d);% Input : fa : Abtastfrequenz [Hz]% m : Anzahl der Koeffizienten% d : max. Ableitungs-Ordnung% Output: G : Modulationsfunktion und Ableitungen (Spalten)

% Michael Vogt, 6.8.1998

function G = blackmod(fa,m,d);

k=[1.5;-2;0.5]; % Koeffizientenx=linspace(0,2*pi,m)’; % AbtaststellenG=[ones(m,1), cos(x), cos(2*x)]*k; % Blackman-Fenstera=1/sum(G); G=G*a; % Betragsnormierung

b=2*pi*fa/(m-1); % Kreisfrequenzk=k(2:3); % Konstante enfaellt

if d>0 % 1. AbleitungG=[G, [-a*b*sin(x), -a*(2*b)*sin(2*x)]*k];

end

if d>1 % 2. AbleitungG=[G, [-a*b^2*cos(x), -a*(2*b)^2*cos(2*x)]*k];

end

if d>2 % 3. AbleitungG=[G, [a*b^3*sin(x), a*(2*b)^3*sin(2*x)]*k];

end

B.2.3 Differenzierende Transversalfilter

Algorithmus 3.3 ist in der Funktion firfilt.m realisiert, die die Koeffizienten fur

einen FIR-Tiefpaß (transversalen Tiefpaß) und dessen Ableitungen berechnet. Es

kann hier jedoch maximal die Ableitung der Ordnung d = 1 berechnet werden.

Als Fensterfunktion wird ein Hamming-Fenster verwendet.

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ANHANG B. MATLAB-FUNKTIONEN 78

% firfilt.m% Entwurf eines FIR-Tiefpasses incl. Ableitungen.% Syntax: G = firfilt(fg,fa,m,d)% Input : fg : Grenzfreqenz [Hz]% fa : Abtastfrequenz [Hz]% m : Anzahl Koeffizienten% d : Anzahl Ableitungen (d<2)% Output: G : Filterkoeffizienten (spaltenweise)

% Michael Vogt, 9.8.1998

function G = firfilt(fg,fa,m,d);

k=[0:m-1]’; % Index fuer Koeffizientenp=pi*(2*k-m+1)*fg/fa; % Zeitpunkte des Filtersw=0.54-0.46*cos(2*pi*k/(m-1)); % Hamming-Fenster

g=sin(p)./p; % idealer Tiefpassg=w.*g; % GewichtungG=g/sum(g); % Betragsnormierung

if d>0 % 1. Ableitungg=(p.*cos(p)-sin(p))./(p.^2); % Ableitung idealer Tiefpassg=w.*g; % mit Fenster gewichtenb=abs(g’*exp(-j*(k+1)*(pi*fg/5)/fa)); % Betrag an fg/10 muss pi*fg/5 seinG=[G, (pi*fg/5)*g/b]; % Betragsnormierung

end

if d>1 % 2. AbleitungG=[G, zeros(m,1)]; % hier ggf. erweitern

end

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79

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