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Im Fokus: Digitalisierung Ausgabe 1, 2017 Disclose Die Digitalisierung revolutioniert Wirtschaft und Gesellschaft.

Disclose · darin, Live- und digitales Marketing zu kombinieren. «Wir halten die Augen stets offen und beobachten alle relevanten digitalen Ideen, die – kombiniert mit dem Wissen

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Im Fokus: DigitalisierungAusgabe 1, 2017

Disclose

Die Digitalisierung revolutioniert Wirtschaft und Gesellschaft.

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Disclose

Im Fokus: Digitalisierung

Ihr heutiger Klick, liebe Leserinnen und Leser, freut mich besonders.Denn er ist ein winziger Schritt mitten hinein in ein gigantisches Thema:die Digitalisierung. Dieser Megatrend beschäftigt nicht nur Sie und uns,sondern Wirtschaft, Politik und Gesellschaft rund um den Globus.

Der digitale Wandel gehört für Verantwortungs- und Entscheidungsträgerwie Sie zu den anspruchsvollsten und zugleich schwierigsten Aufgabenüberhaupt. Denn er stellt den Zweck, das Geschäftsmodell und dieZukunft Ihres Unternehmens infrage. In diesem Sinn legt dieDigitalisierung die Evolutionstheorie neu aus: Heute gewinnt, wer sichdigital am besten anpasst. Diesem Prinzip gehen wir im vorliegendenDisclose auf den Grund.

Mit der Digitalisierung wird auch der Ruf nach Cybersicherheit hörbarlauter und die Bedeutung von Data Analytics immer wichtiger.Tatsächliche oder mögliche Auswirkungen auf die Finanzbranche, diePharmaindustrie oder die industrielle Produktion erregen die Gemüterdies- und jenseits unserer Landesgrenzen. Antworten, Hintergründe undMeinungen dazu geben Ihnen unsere analogen und digitalen Experten insechs Fokus-Beiträgen.

In unseren Update-Artikeln bringen wir mehr Licht in die Blackbox desneuen Revisionsberichts, erläutern die Tücken der Erstanwendung vonIFRS 15 für Umsätze aus Verträgen mit Kunden und zeigen auf, wie sichdas digitale Asien präsentiert.

Eine Frage noch: Wie digitalisiert ist Ihr eigenes Unternehmen? FührenSie dazu unseren Onlinekurztest im letzten Fokus-Beitrag durch. Wie Siedas Resultat in Chancen ummünzen, erfahren Sie direkt von unserenAutoren.

Mit unserem aktuellen Disclose möchten wir Sie digital inspirieren – füreinmal ganz wörtlich. In diesem Sinn wünsche ich eine k(l)ickreicheLektüre. Ihr Alex Astolfi

Alex AstolfiLeiter Wirtschaftsprüfung Schweiz

Wir sind für Sie da!

Alex AstolfiLeiter Wirtschaftsprüfung Schweiz

+41 58 792 81 [email protected]

Disclose — Ausgabe 1, 2017 disclose.pwc.ch

Ausgabe 1, 2017 Disclose 2

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Update Beiträge zum neuen Revisionsbericht, der Digitalisierungsentwicklung in Asien und den Tücken der IFRS 15 Erstanwendung. – Seite 37

Finanzdienstleistungen: digitaler Wegweiser zu mehr Kundenorientierung von Dr. Daniel Diemers und Frederik Gregaard – Seite 25

Cybersecurity, von der Überlebensstrategie zum Unternehmensvorteil von Reto Häni und Urs P. Küderli – Seite 9

Gewinnen Sie die Realität – nicht den Hypevon Roger Müller und Olivier Kofler – Seite 19

Wo ein Kundennutzen ist, ist ein digitaler Weg von Holger Greif, Milena Danielsen und Wanja Bont – Seite 4

Im Fokus

Leserservice – Seite 54

K(l)icken Sie Ihr KMU ins Zeitalter 4.0von Norbert Kühnis – Seite 31

Data Analytics oder die hohe Kunst des Andersseins von Dr. Christian B. Westermann und Dr. IsabelleFlückiger – Seite 15

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Im Fokus: Digitalisierung

Wo ein Kundennutzen ist, ist ein digitaler Weg

In kaum einer Branche oder einem Geschäftsfeld führt ein Weg an der digitalen Transformationvorbei. Und damit auch keiner an der einen, grossen Schlüsselfrage: Warum sind wir hier? Aufder Suche nach einer nachhaltigen Antwort werden Verantwortungs- und Entscheidungsträgerihren Daseinszweck mit disruptiven Ansätzen neu definieren, eine tragende digitale Firmenkulturetablieren und den Nutzen ihrer Produkte und Dienstleistungen am Kunden ausrichten müssen.Aber alles der Reihe nach.

D igitalisierung, Urbanisierung, Globalisierung: Diese undweitere Megatrends zwingen den Menschen zur Veränderung– und die Unternehmen zur digitalen Transformation. Dennwas heute hip und morgen erfolgreich ist, wird es in zehn

Jahren vielleicht gar nicht mehr geben. Darum müssen sich dieUnternehmen immer wieder neu erfinden, Hand in Hand mit ihrenAnspruchsgruppen. Diese Wandlungsfähigkeit verlangt Selbstkritik, einedigitale Haltung und einen äusserst langen Atem.

Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins

Früher war die Erfolgsgleichung einfach: Kostenführerschaft oderQualitätsführerschaft. Heute ist die Betrachtung schwieriger, weilkomplexer. In der digitalen Welt muss jedes Unternehmen festlegen,welche Werte es zu bieten hat, welche Rolle diese in der Wertschöpfungspielen und wie es sich von seinen Mitbewerbern greif- und erlebbarunterscheidet. Das Thema Vertrauen erhält einen grossen Stellenwert,oder vielmehr die Frage, wie sich bestehendes langjähriges Vertrauen indie digitale Welt übersetzen lässt.

Darum liegt eine enorme Chance der digitalen Transformation in derSelbstkannibalisierung. Wer sich digital transformiert, muss seinenDaseinszweck auf den Prüfstand stellen und fragen: Warum gibt es uns?Das eigene Ertragsmodell zu hinterfragen, ist gesund. Denn tut man esnicht selber, tut es jemand anders. Zum Beispiel haben Sharing-Economy-Neulinge konventionelle Intermediäre wie den Zwischenhandel mit ihrendigitalen Plattformen abgelöst; Uber oder AirBnB lassen grüssen. DieseEntwicklung hätte auch der Zwischenhandel selbst anstossen können,statt im Nachhinein dagegen anzukämpfen. Wer sich nämlich selberherausfordert, kann das Tempo von Innovation und Fortschritt vorlegenund die eigene Wettbewerbsagilität perfektionieren.

Holger GreifPartner, Leiter Digitale Transformation,PwC Digital Services

Milena DanielsenDirector, Leiterin Transformation,Wirtschaftsberatung

Wanja BontDirector, Co-Leiter Experience Center,PwC Digital Services

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Abbildung 1: Was ist Standard, Trend oder Hype? Und was Zukunft?

Data Analytics

Digitale Transformation

CyberInternet der Dinge

Artificial Intelligence

Robotics

Automatisierung

Big Data

Digitalisierung

Social Media

Facebook

CloudTwitter

Google

Kognitive Intelligenz

Uber

Software as a Service

Blockchain

Typisch prototypisch

Digital versierte Firmen lösen sich vom Perfektionismus und eignen sicheinen gesunden Mut zur Lücke an. Perfektioniert wird nicht dasultimative Ziel, sondern das 80:20-Prinzip. Digital verankerte Firmenschaffen schnell Ideen, bringen diese ebenso schnell als Prototypen aufden Markt und lernen noch schneller aus ihren Fehlern. Ganz nach demMotto «launch fast, fail fast, learn fast». Was früher in Projektphasenetappiert und mit Meilensteinen oder Abnahmeprotokollen besiegeltwurde, findet in der digitalen Welt agil, laufend, gleichzeitig und iterativstatt. Ziele in einem digitalisierten Kontext wandern und machen sichErfindergeist, Prototypisierung, Kunden- und Mitarbeiterinteraktionzunutze. So findet ein Wechsel von B2C oder B2B zu B2P für Business toPeople statt.

Kunden zurück in den Mittelpunkt

Das Sagen haben in vielen Unternehmen das Management, der CEO oderder Verwaltungsrat; selten die Mitarbeiter und noch seltener die Kunden.Das muss und wird sich mit fortschreitender Digitalisierung ändern. Einedigitale Firmenkultur bedingt eine starke Führung, die das Unternehmenals Ganzes betrachtet und ein gemeinsames Verständnis des digitalenDaseins schafft. Eines, das Ängste vor der anstehenden Transformation inBegeisterung und Risiken in Chancen verwandelt. So entstehen Ansätze,

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die die hauseigene Kreativität bündeln, für neue Märkte bereitstellen undein enormes Potenzial freisetzen.

Denn der Übertritt in die digitale Welt bietet mehr als ein Momentum.Wer sie alle hebeln will, muss sich mit mehreren Kräften gleichzeitigauseinandersetzen: Content, Commerce und Community. Neue Produkteund Dienstleistungen zu kreieren und sie bestehenden oder neuenZielgruppen anzubieten, ist kein Novum. Einiges komplexer ist es, mitsämtlichen Anspruchsgruppen – und da gehören Kunden, Mitarbeiterund Investoren gleichermassen dazu – in einen permanenten Dialog zutreten, beharrlich deren Bedürfnisse zu schürfen und diese in dieMarktleistungs(neu)gestaltung einzubinden. Die Customer Experienceentsteht nicht aus einer internen Sicht oder aufgrund des firmeneigenenBauchgefühls, sondern im Austausch mit den Kunden selbst – am bestenmit jedem einzelnen.

Damit noch nicht genug: Die digitale Kultur hat grosse Ähnlichkeiten mitder leistungsorientierten Unternehmensphilosophie. Beide entstehenweder über Nacht noch von allein. Für beide braucht es klar definierteRegeln und Programme. Diese definieren, welches Verhalten gewünschtwird, wie das Unternehmen seine Mitarbeiter in die neue Kultur begleitetund mit welchen Aktionen ein solcher Kulturwandel vollzogen undgemessen wird.

Fakten ans Ruder

Hochdigitalisierte Unternehmen rücken die Customer Experience unddamit den Kundennutzen ins Zentrum ihres Wirkens. Dazu stellen sie dasgesamte Wissen über ihre Communities mit Smart Data und DataAnalytics bereit und setzen es gezielt ein. Diese Informationen werdendank digitaler Technologien im Eins-zu-eins-Kontakt erhoben.Richtungsweisende Entscheidungen werden demnach nicht ausProfilierungsgründen, sondern aufgrund harter Fakten aus erster Handgefällt, sei es von Kunden, Mitarbeitern, Investoren oderGeschäftspartnern.

In sogenannten Ökosystemen entfaltet dieser Mechanismus seinemehrfache Wirkung. Legen nämlich Unternehmen, Kunden undMitakteure ihre Bedürfnisse und Talente in einem bestimmtenGeschäftsfeld zusammen, entsteht ein neuer Marktplatz mit neuenMöglichkeiten für alle Beteiligten. Je mehr Personen die Communityumfasst, desto grösser wird der Nutzen für alle Beteiligten: mehrAngebote, mehr Bestellungen, mehr Informationen, mehr Erkenntnisse,mehr Empfehlungen, mehr Neukunden, mehr Gewinn. Den Startschusszu einem solchen System kann eine Immersion Session geben. Dabeientstehen im gemeinsamen Dialog und in kürzester Zeit bahnbrechende

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MCH Group AG veredelt ihr traditionellesGeschäftsmodell

Der Ursprung der MCH Group AG liegt 100 Jahre zurück: 1917 fand inBasel die erste Mustermesse statt. Dieser Anlass läutete dieErfolgsgeschichte der global tätigen Live-Marketing-Spezialistin ein.Heute veranstaltet sie mitunter Gigaevents wie die Baselworld oder dieArt Basel, die mittlerweile auf drei Kontinenten stattfinden, und ist mitihrer Division «Live-Marketing-Solutions» weltweit präsent. Währenddie MCH Group AG den Schweizer Messemarkt schon lange anführt, hatsie also ihr Renommee auch auf internationalem Parkett ausbauen undin den letzten zehn Jahren den Umsatz fast verdreifachen können.Stephan Peyer, Chief Development Officer, beschäftigt sich seitmehreren Jahren mit der Weiterentwicklung des Unternehmens.Digitale Anpassungen des Geschäftsmodells sind ihm ein Kernanliegen.«Seit der Einführung des Internets wurde immer wieder prognostiziert,Messen würden wegen neuer digitaler Plattformen aussterben.Mittlerweile wissen wir: Die Digitalisierung kann gerade imMessegeschäft einen enormen Mehrwert bieten.» Darum versucht Peyermit innovativen Ansätzen, seinem Unternehmen, den Messebesuchernund den Ausstellern das digitale Potenzial zunutze zu machen. DieIndividualisierung gehört dabei zu den Hauptthemen. Für eine ihrerMessen hat die MCH Group AG deshalb eine Softwarelösung (App)entwickelt, die dem interessierten Besucher/Nutzer über die eigentlicheMesse hinaus anzeigt, wo auf der Welt gerade ein Anlass einesAusstellers stattfindet, der ihn interessieren könnte. Wer sich dann füreinen der angezeigten Anlässe entscheidet, kann sich automatischanmelden und sich diesen im individuellen Kalender anzeigen lassen.«Bei der Messe steht der persönliche Kontakt im Mittelpunkt. Undwenn wir diesen mit einem solchen Hilfsmittel für unsere Ausstellerdarüber hinaus unterstützen und pflegen können, ist das für alleBeteiligten wert- und sinnstiftend.» Peyer betont die Wichtigkeit desLiveerlebnisses: «Bei vielen Produkten muss zwischen dem Käufer undVerkäufer Vertrauen aufgebaut werden, weil die hergestellte Beziehungden eigentlichen Kaufakt überdauert. Sei es, weil das Produkt durchUnterhalt und Service es erfordert oder ganz einfach weil der Umfangder Transaktion mehr ist als der simple Austausch von Geld und Ware.Vertrauen lässt sich nicht einfach so digital herstellen, dies geschieht inerster Linie physisch.» Die Aufgabe der MCH Group AG besteht alsodarin, Live- und digitales Marketing zu kombinieren. «Wir halten dieAugen stets offen und beobachten alle relevanten digitalen

Ideen, die – kombiniert mit dem Wissen um Business, Experience undTechnologien – bestehende Geschäftsmodelle transformieren oder neueAnsätze fit für die Realität machen (siehe Kasten).

Wir sind für Sie da!

Holger GreifPartner, Leiter Digitale

Transformation, PwC DigitalServices

+41 58 792 13 [email protected]

Milena DanielsenDirector, Leiterin Transformation,

Wirtschaftsberatung+41 58 792 44 47

[email protected]

Wanja BontDirector, Co-Leiter ExperienceCenter, PwC Digital Services

+41 58 792 20 [email protected]

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Fazit

Marktentwicklungen. Die Wahrscheinlichkeit ist gross, dassrevolutionäre, um nicht zu sagen ‹disruptive› Geschäftsmodelle überNacht auftauchen», meint Peyer. Gleichzeitig warnt er in diesemschnelllebigen Zeitalter vor unüberlegten Entscheidungen. «Eineneuartige Technologie kann in sechs Monaten bereits wieder überholtsein. Wir müssen deshalb sehr differenziert darüber nachdenken,welche Innovationen wir vorantreiben wollen und welche nicht.» Darumhält die MCH Group AG gleichzeitig mehrere digitale Initiativen aufdem Radar, die sie beobachtet und laufend bewertet. «Es ist besser,mehrere kleinere heisse Eisen im Feuer zu haben, als alles auf eine Kartezu setzen. Was sich langfristig durchsetzt, wird sich zeigen.»

MCH Group AG

Die Holdinggesellschaft MCH Group AG mit Sitz in Basel hat ihreWurzeln in der 1916 in Basel ins Leben gerufenen «SchweizerMustermesse», der späteren Messe Basel. Die MCH Group wird vonRené Kamm als CEO geführt und ist ein führendes internationales Live-Marketing-Unternehmen mit einem umfassendenDienstleistungsnetzwerk im gesamten Messe- und Eventmarkt. Sie istan der SIX Swiss Exchange kotiert und zählt rund 730 Mitarbeiter. Mehrauf www.mch-group.com

Die Digitalisierung stellt die Kernthemen Ihres Unternehmens infrage: Effizienz, Leistung, Wertbeitrag, Kultur.Hochdigitalisierte Unternehmen pflegen eine digitale Kultur, in der sie mit geradlinigen Leitplanken Vertrauenschaffen, permanent mit ihren Dialoggruppen interagieren und vieles gleichzeitig ausprobieren. Sie lassen ihre Kundenund Mitarbeiter an diesem Prozess teilhaben und arbeiten mit Prototypen. Der digitale Erfolg beruht demnach auf einergekonnten Verbindung von Kundenfokus, Strategie und deren zeitnahen Konkretisierung. Dazu muss sich IhrUnternehmen auf die Hauptherausforderungen konzentrieren, diesen das Wissen der Daten zugrunde legen und inkonkrete Aktivitäten übersetzen. Lieber schnell erste kleine Schritte gehen und diese laufend verbessern als den grossenWurf ansteuern und ihn doch niemals wagen. Auf diese Weise kann Ihr Unternehmen regulatorische, geowirtschaftlicheund interkulturelle Grenzen sprengen und sich einzigartige Wachstumspotenziale erschliessen.

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Im Fokus: Digitalisierung

Cybersecurity, von der Überlebensstrategie zumUnternehmensvorteil

Neue Technologien sind zukunftsweisend und digitale Geschäftsmodelle setzen sich durch. Werdie digitale Transformation richtig einsetzt und seinen neuen Aufgaben einer angemessenenDatensicherheit nachkommt, kann sich interessante Vorteile zunutze machen und daranwachsen. Doch mit den neuen Möglichkeiten gehen auch neue Gefahren einher, die es zuberücksichtigen gilt. Die Abhängigkeit von digitalen Technologien und die Gefahren aus dervirtuellen Welt sind über die letzten Jahre exponentiell gewachsen. So ist es für die Unternehmenüberlebenswichtig geworden, ihre hauseigenen Daten und digitalen Plattformen zu schützen.

D ie Bedrohungen aus dem Cyberspace nehmen unaufhaltsamzu. Negativbeispiele werden in den Medien ganz wörtlichausgerollt und rege debattiert, das zeigen Beispiele wie dieSpionage- und Hackerangriffe auf Ruag, 20 Minuten oder

Digitec. Gruppierungen und Einzelpersonen, die Cyberattackenausführen, werden intelligenter und ihre Offensiven ausgeklügelter. Diesesteigende Gefahr verlangt nach einer geschärften Aufmerksamkeit für dasThema Cybersicherheit, allerdings nach einer ganzheitlichen. Dennaufgrund der zunehmenden erfolgreichen Angriffe und der darausresultierenden Veröffentlichungen von sensitiven Informationen steigenauch die regulatorischen Anforderungen auf nationaler undinternationaler Ebene.

An der Digitalisierung führt kein Weg mehr vorbei. Wer heute nichtsDigitales oder Mobiles im Angebot hat, befindet sich meistens bereits inder Abstiegsrunde. So ist die digitale Transformation heuteÜberlebensstrategie. An digitalen Möglichkeiten für mehr Effizienz undweniger Kosten mangelt es an keiner Stelle der Wertschöpfungskette.

In diesem vielseitigen Spannungsfeld stehen Unternehmen aller Grössenund Industrien. Denn sie sammeln und pflegen Daten, seien es Kunden-,Vertriebs-, Produkt- oder Finanzdaten. Damit stehen sie vor zahlreichenneuen Herausforderungen. Diesen neuartigen und mehrdimensionalenKräften müssen sie eine enorme Dynamik entgegensetzen. Ansonstengehen sie im Markt schlicht und ergreifend unter.

Reto HäniPartner, Leiter Cybersecurity, PwCDigital Services

Urs P. KüderliDirector, Cybersecurity Strategie undTransformation, PwC Digital Services

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Abbildung 1: Vielfältige Einflussfaktoren betreffend die Cybersicherheit

Zunahme von B2C-E- und Social Commerce: neue

Offenheit gegenüber Konsumartikeln sowie

gegenüber Onlineshopping via mobile Geräte, verändertes

Konsumverhalten der Generationen Y/Z

Digital Business

Anforderungen an neue Businessmodelle bei

Tiefhaltung der Kosten

Stakeholder

Zunahme der Transaktionen und sinkende Kosten durch

technologische Innovationen sowie grosser Bedarf an

digitalen Lösungen entlang der Wertschöpfungskette

Digitale Transformation und Technologieinnovation

Mobilität, Cloud Computing, Big Data, IoT und andere

Trends

Technologie

Steigende Anzahl und zunehmende Raffinesse der

Angriffe sowie neue, agile, gut organisierte und gut

strukturierte Akteure

Wachsende Cyberbedrohungen

Stabile, mehrstufige Cyberabwehrstrategie zur Bekämpfung technologisch

hochstehender Angriffe

Cyberabwehr

Neue Sicherheitsregulierungen beeinflussen das

Konsumverhalten bezüglich Vertrauen, und die

Anforderungen zur Erfüllung gesetzlicher Auflagen steigen

Verschärfte Regulierungen

Konsumentenfreundliche Regulierungen und erhöhte

Sicherheitsstandards

Regulierungen

Cybersicherheit im Unternehmen

Daten als schützenswertes Kapital

Über die letzten Jahre haben die Unternehmen eindeutig zu wenig in ihreDigitalisierung und die Cybersicherheit investiert. Um damitklarzukommen und auch in Zukunft marktfähige Produkte und Servicesanzubieten, müssen sie sowohl ihr digitales Portfolio als auch ihreSicherheit ausbauen. Denn Daten gehören neben Arbeitskräften und Geldmittlerweile zum wichtigsten unternehmerischen Kapital.

Allerdings ist die virtuelle Welt hochkomplex, rasant getaktet und kenntwie andere Bereiche auch ihre eigenen Risiken. Zu viele Unternehmensehen die Cybersicherheit immer noch als ein Thema, bei dem es darumgeht, einen Unternehmensperimeter zu schützen. Sie meinen, die Risikendamit eingedämmt zu haben. Doch in der heutigen eng vernetztenArbeitswelt und mit den modernen Gefahren sind solche Ansätze veraltet.Dem Perimeterschutz ergeht es dabei wie den Burgen im Mittelalter: Mitdem Aufkommen neuer Angriffsvarianten und der Notwendigkeit, fürHandel und Wirtschaft offen zu sein, boten die Mauern keinenausreichenden Schutz mehr. Entsprechend nützt Schutz alleine nicht

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mehr. Bei der Cybersicherheit geht es darum, dass sich die Unternehmengezielt auf Cyberattacken vorbereiten, im Eintretensfall schnell reagierenund den Vorfall so rasch als möglich überwinden. Nur so lassen sichfinanzielle oder imagebezogene Auswirkungen eindämmen. Wer dasThema Cybersicherheit aus einer derartigen Rundumsicht angeht, solltefünf Vorgehenspunkte berücksichtigen. So bewahrt er die nötigeFlexibilität und Ausdauer für das hohe Tempo des digitalen Wettkampfs.

1. Strategie und RahmenwerkAm Anfang stehen eine klare Vision, eine Strategie und dasdazugehörige Rahmenwerk, das den effizienten Umgang desUnternehmens mit Cyberrisiken definiert. Dazu gehört die Definition,welche Daten und Systeme besonders geschützt werden sollen. Dennin den seltensten Fällen sind genügend Ressourcen vorhanden, umalles angemessen zu schützen.

2. SchützenIst das strategische Fundament gelegt, steht das Aufbauen und Testenvon Lösungen an, die Cybergefahren abfangen und Schlüsselsystemeund -daten schützen. In einem modernen Sicherheitsumfeld hat derSchutz von Daten einen immer höher werdenden Stellenwert. DerSchutz von Systemen ist zwar immer noch notwendig, wird aber jenach Herausforderungen weniger wichtig. Sogenannte «InformationRights Management»-Systeme helfen, sensitive Daten zu verschlüsselnund nur denjenigen Personen und/ oder Funktionen Zugriff darauf zugewähren, die ihn auch benötigen.

3. BetreibenEin wichtiger Aspekt des Betreibens einer IT-Umgebung ist die aktiveÜberwachung. Ein solches kostenoptimiertes Monitoring derhauseigenen Informationssicherheit mit wiederholten Sicherheitstestsstellt sicher, dass das System rechtzeitig vor Vorfällen oder Verstössenwarnt und sich Angriffe und Vorfälle entdecken lassen.

4. ReagierenAngesichts der heutigen Gefahrenlage wird es mit praktisch 100-prozentiger Wahrscheinlichkeit zu einem Sicherheitsvorfall kommen.Tritt ein solcher ein, muss das Unternehmen schnell und gezieltreagieren. So kann es finanzielle Verluste und Imageschädenminimieren. Hier gilt es, frühzeitig und noch vor einem Vorfall dieentsprechenden Vereinbarungen mit einem Sicherheitsprovider zuschliessen, da sonst zu viel Zeit verstreicht, um passend zu reagieren.

5. WiederherstellenSind Systeme und Daten beeinträchtigt, müssen diese möglichst raschund korrekt wiederhergestellt werden. Nur so lässt sich der negativeEinfluss auf das Geschäft minimieren. Mit einem systematischenLernprozess wird der Vorfall analysiert; die Erkenntnisse fliessen indas Risikoprofil zurück, wodurch ein neuer Sicherheitszyklus beginnt.

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Abbildung 2: Die unternehmenseigene Cybersicherheit erfordert einen agilen und ganzheitlichenAnsatz

Cybersicherheit Ansatz

2Schützen

Sicherheit schaffen und testen, um Risiken richtig zu begegnen und sich davor zu schützen

1Strategie

und Rahmenwerk

Cyberrisikoprofil und -strategie erstellen

5Wieder-

herstellen

Daten und Systeme nach Cybervorfällen wieder- herstellen, Wahrnehmung schärfen und daraus lernen

3Betreiben

Cyberkontrollmassnahmen überwachen und verbessern

4Reagieren

Cybervorfällen effizient begegnen

Vermehrter Einsatz von «managed services»

Nur wenige Unternehmen schaffen die digitale Transformation und dasSichern der digitalen Geschäftsprozesse vollständig aus eigenen Kräften.Entsprechend werden immer mehr auch in der Cybersicherheitsogenannte «managed services» eingesetzt. Dabei werdenSicherheitsleistungen nicht mehr nur in Form von Technologie undBeratung, sondern direkt als Service eingekauft. Dies entspricht sowohldem Grundsatz der Reduktion von Investitionskosten wie auch derTechnologieentwicklung (siehe Kasten). Denn dank des Wissens vonCyberexperten und durchdachter Lösungen kann ein Unternehmen dieDynamik der digitalen Transformation mitmachen und diese als Chancewahrnehmen. Zum Glück gibt es bereits eine Vielzahl von Dienstleistern,die sich auf Aspekte der digitalen Sicherheit spezialisiert und diese zuihrem Kerngeschäft gemacht haben. So kann es sich lohnen, gewisse neueAufgaben oder ganze Bereiche der Cybersicherheit an Experten

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auszulagern. Das dürfte der eigenen Cybersicherheit durchaus zuträglichsein (siehe Kasten). Denn dank dem Wissen von Cyberexperten unddurchdachter Lösungen kann ein Unternehmen die Dynamik der digitalenTransformation mitmachen und diese als Chance statt als Albtraumwahrnehmen.

Zunehmende Regulationen auch für dieSchweiz relevant

Die Schweiz hat traditionell einen guten Ruf in Bezug auf denDatenschutz. Doch die Anforderungen steigen sowohl aufgrund derBestimmungen der EU als auch in absehbarer Zeit durch dieÜberarbeitung des schweizerischen Datenschutzgesetzes.

In der digitalen Wirtschaft kommt dem Regulator die Aufgabe zu, einenBasisschutz von Kundendaten einzufordern und die Gesetzgebung amPuls von Zeit und Technologie zu halten. Vor diesem Hintergrund hat dasEU-Parlament die EU-Datenschutz-Grundverordnung (EU-DSGVO)überarbeitet und deren Inkraftsetzung auf Ende Mai 2018 angesetzt.Diese Verordnung sieht wichtige Zusatzrechte und Schutzbestimmungenfür die Nutzer sowie erhebliche Strafen bei Verstössen vor und gilt auchfür Schweizer Firmen, die Daten von Personen speichern und/ oderverarbeiten, die ihren Wohnsitz in der EU haben.

Die Cloud – Sicherheits- oder Sorgenquelle?

Die Diskussion rund um die Sicherheit von Cloudlösungen hältschon lange an. Allerdings werden meist zwei Themen vermischt.Betrachtet man die Sicherheitsvorkehrungen einesprofessionellen grossen Cloudanbieters, so präsentieren sich dieseum ein x-Faches besser als firmeninterne Lösungen.Entsprechend gewinnt ein Unternehmen für die meistenSzenarien an Sicherheit, wenn es seine Daten in die Cloudverlagert. Eine zweite und oft neue Herausforderung sind dieCompliance und der Datenschutz, da grosse Cloudanbieter dieDaten nicht in der Schweiz speichern. Diese Themen müssengründlich überlegt, klar geregelt und die Cloudlösungentsprechend implementiert werden. Das gelingt in den meistenFällen mit einem überschaubaren Aufwand. So wird einUnternehmen mit der Cloud an Sicherheit gewinnen und dieeigenen technischen Sicherheitsrisiken senken.

Wir sind für Sie da!

Reto HäniPartner, Leiter Cybersecurity, PwC

Digital Services+41 58 792 75 12

[email protected]

Urs P. KüderliDirector, Cybersecurity Strategieund Transformation, PwC Digital

Services+41 58 792 42 21

[email protected]

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Fazit

Die schweizerische Datenschutzgesetzgebung berücksichtigt die meistenbisherigen internationalen Schutzregeln und dürfte viele Neuerungen derlaufenden Überarbeitungsrunde übernehmen. Zwar sind dieAuswirkungen der revidierten EU-DSGVO auf nationaler undeuropäischer Ebene heute noch nicht abschätzbar. Wir gehen jedochdavon aus, dass die Durchsetzung und allfällige Strafen einen Grossteilder Unternehmen dazu bewegen werden, die Datenschutzbestimmungenund Sicherheitskontrollen für ihre Kundendaten zu verschärfen undDSGVO-Assessments durchzuführen. Das dürfte sich auch lohnen. DennVerstösse werden mit bis zu 4% des Umsatzes oder 20 Millionen Eurogebüsst. Solche Summen investieren die Unternehmen dann doch besservorgängig in ihre Datensicherheit.

Für Ihr Unternehmen wird es immer entscheidender, seine hauseigenen Daten und Plattformen zu schützen, damit Sievon den positiven Effekten der Digitalisierung profitieren können. Diese Tatsache ist den wenigsten Unternehmenausreichend bewusst, auch wenn die Abhängigkeiten und die Gefahren aus dem Cyberspace schon lange zunehmen. Somüssen heute manche Unternehmen vermehrt in die Cybersicherheit investieren, um ihren Rückstand aufzuholen.Dafür ist jetzt der richtige Zeitpunkt, gerade in Hinblick auf die neuen Regulierungen im Bereich Datenschutz. Wenn Sieden Übertritt in die digitale Welt mit der richtigen Sicherheit begleiten und Sie sich ihren neuen Herausforderungenstellen, gewinnt Ihre Organisation an Glaubwürdigkeit und Vertrauen. Dazu müssen Sie das Sicherheitsbewusstsein inIhrer unternehmerischen DNA verankern.

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Im Fokus: Digitalisierung

Data Analytics oder die hohe Kunst des Andersseins

Fakt ist: Wer in unserer globalisierten und digitalisierten Welt erfolgreich sein will, muss sichnachhaltig von seinen Mitbewerbern differenzieren, sprich anders und besser sein. Das ist nichtneu. Neu ist die Antwort auf die Frage nach dem Wie: mit Daten. Die Übersetzung dieserDenkweise ins echte Wirtschaftsleben gestaltet sich schwierig. Denn schon der reine Gedanke anIT-Investitionen löst in manchen Führungsetagen Stirnrunzeln aus. Hier ein Blick auf denunternehmerischen Wert von Daten und die Macht von Data Analytics.

E in Unternehmen kann nur über eine Differenzierung erfolgreichsein. Diese Erkenntnis ist nicht neu. Auch die Stellhebel, die esbraucht, um sich im heutigen Hyperwettbewerb nachhaltig zudifferenzieren, sind bekannt: eine weitsichtige Strategie und

eine alleinstellende Positionierung. Dazu die nötigen Ressourcen und eineangemessene Flexibilität, um schnell und angemessen aufMarktveränderungen zu reagieren oder sie im besten Fallvorwegzunehmen. Und schliesslich braucht es ein feines Flair fürKundenbedürfnisse kombiniert mit einem langen Atem. Die meistenUnternehmen arbeiten eifrig an diesen wertsteigernden Faktoren. Nureinen lassen sie erstaunlicherweise häufig aussen vor: ihre Daten.

Zuerst das Fundament, dann der Hochbau –nicht umgekehrt

Viele Unternehmen unterhalten zahllose Applikationen und komplexeDatenbankstrukturen, um ihre Kunden-, Vertriebs- und Finanzdatengreif- und verwendbar zu machen. Alle paar Jahre starten sie einen neuenVersuch, der Komplexität primär durch Über- und Umbauten oderteilweise Neubauten Herr zu werden – mehr oder weniger erfolgreich,denn im Laufe der Zeit kommen weitere Applikationen hinzu, häufiggetrieben durch das Geschäft. Doch mit jeder neuen Applikation erhöhtsich die Komplexität der IT- und Datenlandschaft. Dabei geht einwesentlicher Punkt oft vergessen: Daten sind ein mächtiges Kapital unddamit ein riesiges Wertschöpfungspotenzial.

Um dieses auszuwerten, braucht ein Unternehmen ein solidesDatenfundament. Nur auf einem soliden Fundament lässt sich dasPotenzial von Daten systematisch ausnutzen, um neue Geschäftsfelderauszubauen oder bestehende Geschäftsfelder zu optimieren. Und nur aufein solches ist auch wirklich Verlass. Allerdings bedingt die Investition ineinen sogenannten Trusted Data Layer unternehmerische und finanzielle

Dr. Christian B. WestermannPartner, Leiter Data & Analytics, PwCDigital Services

Dr. Isabelle FlückigerDirector, Data & Analytics, PwC DigitalServices

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Weitsicht. Denn sie lässt sich selten im Berichtsjahr der Investitionamortisieren. Der Mehrwert zeigt sich erst nach einer gewissen Zeit, dannaber umso deutlicher: Ein verlässliches Datenfundament macht einUnternehmen agil, kampfstark und kostenschlank.

Nachfolgend erläutern wir drei Beispiele eines wertschöpfenden Einsatzesvon Daten. Bei allen stehen diese im Zentrum. Und bei allen führt diegezielte Investition in Daten und entsprechende Datenanalyse zu einemmonetarisierbaren Mehrwert.

Predictive Health: Die Menge hilft demEinzelnen

Wir von PwC haben für eine deutsche Ärztegesellschaft einPrognosemodell für die Medikation von Multiple-Sklerose-Patientenentwickelt. Die tatsächliche Anwendung läuft über eine einfachbedienbare App. Mit deren Hilfe kann der Arzt die Auswahl despassenden Medikamentes für seinen Patienten verbessern und dessenWohlbefinden schneller und gezielter steuern. Denn die App greift aufüber 190’000 Datensätze weiterer MS-Patienten, auf die Erfahrungswertevon Hunderten von Ärzten und auf das Medikamentenwissen weiter Teileder Pharmabranche zurück. Aus diesem Datenuniversum erstellt dasExpertentool anhand komplexer Algorithmen verlässliche Prognosen zurVerträglichkeit von Medikamenten und zur individuellenGesundheitsentwicklung des Patienten.

Eine derart prädiktive, personalisierte Datenanalyse optimiert den Nutzender Daten, macht deren Informationsgehalt verwertbar und fördert denAustausch der Akteure. Davon profitieren alle Beteiligten: Der Patienterhält schneller eine erfolgreiche Behandlung und verbesserteLebensqualität, der Arzt optimiert seine Empfehlung und damit seinRenommee, die Pharmaindustrie verfeinert ihr Wissen um dieWirksamkeit ihrer Präparate, die Krankenkassen könnenGesundheitskosten senken, und die Ärztegesellschaft schliesslich steht inihrem Bereich beinahe konkurrenzlos da.

Regulierung: Data Analytics erleichtert dieKostenlast

Der aufsichtsrechtliche Druck auf die Finanzdienstleister steigt laufend.In regelmässigen Abständen stellt die Regulierung neue Anforderungen,etwa im Bereich der Rechnungslegung, der Eigenmittel, desRisikoreportings usw. Zudem haben die Anfragen von Behörden überKundenstrukturen, Produkteigenschaften, Portfoliostrukturen,Risikoprofile und andere Kennzahlen zugenommen – meist in Ergänzung

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zu den bereits bestehenden regulatorischen Anforderungen. SolcheAnfragen binden enorme Ressourcen, und die Bearbeitung dauerterfahrungsgemäss lange. Das Problem: Die Daten lassen sich nicht aufKnopfdruck zusammenziehen und aggregieren. Sie sind in zunehmenderMasse gar nicht mehr in der Granularität vorhanden, nach der gefragtwird. Sie werden weder einheitlich geführt noch nach derselben Logikstrukturiert. Angesichts der Fülle an Transaktionen, die eineDurchschnittsbank täglich abwickelt, bürdet eine neue Anforderung einerBehörde dem Unternehmen unter Umständen eine erdrückendeZusatzlast auf.

Das muss nicht sein. Schon heute geben Banken viel Geld für ihreRechtskonformität aus. Die sogenannten Costs of Compliance sind inkaum einer Branche so hoch wie in dieser. Würden die Finanzdienstleisterauch nur einen Bruchteil dieser Beträge in ein verlässlichesDatenfundament investieren, könnten sie enorm an Leichtigkeit,Schnelligkeit und Flexibilität zulegen. Denn in den hauseigenen Datensteckt ein grosses Wissen, insbesondere rund um das Kundenverhalten.Mit einem soliden Datenfundament und darauf aufbauend einermodernen Data-Analytics-Infrastruktur können sich Banken einerseitsbesser vor unverhofften Anfragen von Behörden wappnen, andererseitswertschöpfendes Wissen aus ihren Daten ziehen und damit dasKundenerlebnis verfeinern.

Ökosysteme: Das Ganze ist mehr als dieSumme der Einzelteile

Eine Kreditkartenfirma, ein Anbieter von Luxusgütern und wir von PwChaben unsere Fähigkeiten zum Vorteil aller Kooperationspartnerzusammengelegt. Das Luxusgüterunternehmen wollte mehr über dieKaufdaten seiner Kunden erfahren. Die Kreditkartenfirma stellte dieseDaten in anonymisierter und aggregierter Form gegen Entgelt zurVerfügung. Und wir von PwC haben die Daten als neutrale Drittparteistrukturiert und entsprechende Analysen vorgenommen. So konnten wiraufzeigen, wo das Luxusgüterunternehmen im Markt und imKonkurrenzvergleich steht und wie es den Endkundennutzen, denVertrieb und die Marktleistungsgestaltung optimieren kann.

Das Beispiel macht deutlich, dass sich Daten durch das gezielteZusammenspiel von bewusst gewählten Akteuren und unter Einhaltungder geltenden Datenschutzgesetze monetarisieren lassen. Wer seine Datenin ein derartiges Ökosystem einbringt, kann Fähigkeiten bündeln,Marktpotenziale herausschälen und einen geldwerten Nutzen für alleBeteiligten erzielen. Die eigene Rolle innerhalb eines Datenökosystemsmuss jede Partei selber definieren. Zum Beispiel kann ein Unternehmenauf externe Daten wie die Geolokalisierung oder Social-Media-Aktivitäten

Wir sind für Sie da!

Dr. Christian B. WestermannPartner, Leiter Data & Analytics,

PwC Digital Services+41 58 792 27 97

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Dr. Isabelle FlückigerDirector, Data & Analytics, PwC

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Fazit

zugreifen, um die Bedürfnisse seiner Kunden besser zu verstehen oderKundendienst und Beratung zu optimieren. Oder aber es sieht sich alsDatenlieferant, der – wie im dritten Beispiel – seine Daten verkauft, zumBeispiel in Form von Kommunikations-, Bewegungs- oder Konsumdaten.

Daten sind wertvoll; sogar wertvoller, als Sie denken. Darum lohnt es sich, Daten zu sammeln, in ein solidesDatenfundament zu investieren und mit Data Analytics nach dem strategischen Erz darin zu schürfen. Das ist imEinklang mit Datenschutz- und Compliancebestimmungen möglich. Allerdings zeigt sich die Rentabilität einerderartigen Investition oft erst nach mehreren Jahren. Und höchstwahrscheinlich erfordert sie grundlegendeÄnderungen, etwa die digitale Transformation Ihres Geschäftsmodells. In diesen Betrachtungen dürfen Sie denKundennutzen nie aus den Augen verlieren. Eventuell lässt sich ein solcher erst über eine echte Innovation imZusammenspiel mit anderen Markt- und Wertschöpfungspartnern im Rahmen eines Ökosystems finden. Welchen Wegauch immer Sie gehen, die Anerkennung von Daten als unternehmerisches Kapital mit attraktiver Rendite und einematerielle Langzeitinvestition in diesen immateriellen Wertschöpfungsparameter zahlen sich in Form vonMarktagilität und Spielraum aus. Beides verschafft Ihnen einen einmaligen Konkurrenzvorsprung.

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Im Fokus: Digitalisierung

Gewinnen Sie die Realität – nicht den Hype

Die vierte industrielle Revolution ist in der Fertigung angekommen. Heisst: Die Industrie 4.0oder – weiter gefasst – das Internet der Dinge ist knallharte Realität. Diese charakterisiert sichdurch eine zunehmende Digitalisierung und Vernetzung von Produkten, Wertschöpfungskettenund Geschäftsmodellen. Sie gibt den Akteuren diverser Branchen neuartige Aufgabenstellungen– und ebenso attraktive Chancen. Gefragt ist eine durchdachte Industrie-4.0-Strategie mit Fokusauf den richtigen Investitionen und der Bereitschaft, sich auf eine grössere Transformation desUnternehmens vorzubereiten. Um in diesem Rennen erfolgreich mitzulaufen, gibt es nur einenrichtigen Startzeitpunkt: jetzt.

D ie technologische Entwicklung und deren Konsequenzenstehen für CEOs weltweit ganz oben auf der Liste jenerMegatrends, die sie am meisten beschäftigen. Im Rahmenunserer globalen Studie «Industry 4.0» sind wir den Treibern

und Folgen dieses Wandels auf den Grund gegangen (siehe Kasten). ImZentrum stehen digitale Technologien und damit die Vernetzung vonMaschinen, Produkten und Komponenten und weiteren amProduktionsprozess beteiligten Systemen. Die Industrie 4.0 stellt für dieUnternehmen keinen Selbstzweck dar, sondern ist verbunden mit klarenökonomischen Zielen, Nutzenpotenzialen und Differenzierungschancenim globalen Wettbewerb. So ist zum Beispiel die vorausschauendeInstandhaltung (Predictive Maintenance) über Sensorik und intelligenteDatenanalysen heute ein zentraler Werttreiber der Industrie 4.0.

Die Kräfte des digitalen Zeitalters wirken auf drei Ebenen gleichzeitig aufdie Industriebetriebe ein. Wer hier vorne mithalten will, muss sie kennenund in seinem Unternehmen gezielt hebeln:

Roger MüllerDirector, Leiter Operations,Wirtschaftsberatung

Olivier KoflerDirector, Co-Leiter Experience Center,PwC Digital Services

PwC-Studie 2016 «Industry 4.0: Building the digitalenterprise»

Diese Studie ist die grösste ihrer Art. Sie umfasst weltweit über2000 Industrieunternehmen aus 9 Schlüsselsektoren und 26Ländern. Die Kernaussage ist entsprechend richtungsweisend:Die Digitalisierung der industriellen Fertigung wird dieserevolutionieren. Industrieunternehmen erwartenKostenreduktionen von 3,6% über die nächsten fünf Jahre alleindurch die Verbesserung interner Prozesse und durch eine bessere

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Steuerung der Wertschöpfungskette. Ebenso erwarten sieMehreinnahmen von 2,9% durch digitalisierte Produkte undDienstleistungen oder durch digitale Plattformen für industrielleÖkosysteme. Die vollständige Studie in elektronischer Form (inEnglisch) finden Sie .hier

Digitale Integration der WertschöpfungsketteMit der Digitalisierung der Wertschöpfung verändert sich diebetriebliche Kosten- und Prozessarchitektur sowohl horizontal – alsovom Lieferanten bis zum Endkunden – als auch vertikal von derProduktidee bis zur Kundenpflege.

a)

Digital vernetzte Produkte und DienstleistungenEine Digitalisierung des Angebots definiert die Marktleistung komplettneu. Sie ermöglicht neue oder zusätzliche Kundenangebote, trägtdamit zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit bei und wirkt sichpositiv auf die Einnahmeseite aus.

b)

Digitale GeschäftsmodelleDie Digitalisierung stellt konventionelle Geschäftsmodelle und damitganze Marktstrukturen auf den Kopf. Disruptive Ansätze bieten demKunden dank massgeschneiderter Lösungen einen signifikantenZusatznutzen. Diese Entwicklung ist eng verbunden mitKooperationen über die Wertschöpfungsketten hinweg sowie mit einerintegrierten Nutzung und Analyse von Daten.

c)

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Abbildung 1: Acht digitale Technologiemegatrends beeinflussen die Zukunft derIndustrieproduktion

Ausblick 2020

Künstliche Intelligenz

Drohnen

Robotik

Internet der Dinge

Augmented Reality

Virtual Reality

Blockchain3-D-Dru ck

Im Folgenden leuchten wir drei der acht digitalen Technologietrends aus.Dabei richten wir unseren Blick in erster Linie auf heute und wagen einenzweiten auf übermorgen.

3-D-Druck – die vierte Dimension derFertigung

3-D-Druck oder «Additive Manufacturing» gilt landläufig noch oft alsSpielerei oder Werkzeug zum Druck von Werbegeschenken. Weit gefehlt:3-D-Druck ist in der industriellen Produktion vertrauter Alltag. Diesesetzt ihn unter anderem im Prototypenbau ein. So kann sie ein Musterfertigen und perfektionieren, bevor sie die teure Form für dieMassenproduktion baut. Auch in der Ersatzteilindustrie spielt der 3-D-Druck eine Schlüsselrolle. Statt einen teuren Servicetechniker oder einkomplexes Ersatzteil per Flug ans andere Ende der Welt zu verschieben,druckt man das fehlende Teil vor Ort aus. Einsatzgebiete sind zumBeispiel Windfarmen oder Offshoreplattformen, welche schon heute von

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Technikern gewartet werden, die einen 3-D-Drucker in ihremServicewagen mitführen oder vor Ort haben. Der aufwendige Prozess derBeschaffung beziehungsweise der Logistik für ein Ersatzteil entfällt durchden 3-D-Druck gänzlich. Zudem trägt die «In-Time»-Reparatur stark zurKostensenkung bei.

Heute lässt sich bereits eine Vielfalt an Materialien durch 3-D-Druckverarbeiten wie Kunststoffe, Metalle oder sogar Schokolade. Damiterweitert sich der Anwendungsradius dieser digitalen Technologie enorm.Der 3-D-Druck spart der industriellen Fertigung Zeit, Manpower,Lagerkapazitäten, Logistikaufwand und – unter dem Strich – eine MengeKosten. Dazu kommt eine willkommene Reduktion der Komplexität vonIndustriedesigns. Denn ein 3-D-Drucker braucht oft weniger Material undKomponenten für die Reproduktion des gewünschten Einzelteils. Nochoffen bleibt die Frage der Produktions- und Qualitätskontrolle. AuchIndustriestandards müssen erst noch definiert und griffige Regelungenfür die Datensicherheit gefunden werden.

Ein Klick in die Zukunft:

3-D-DruckIm nächsten Jahrzehnt wird sich eine eigenständige 3-D-Druckindustrie entwickeln und damit die gesamteWertschöpfungskette der produzierenden Industrie verändern.Geostrategisch domizilierte 3-D-Druckfarmen lösen die globaleLuft-, See-, Schienen- oder Strassenfrachtlogistik ab. DieIndustrieunternehmen selbst konzentrieren sich auf dieEntwicklung, das Design und die Vermarktung ihrer Produkte.Herstellung und Assemblage erfolgen dezentral in der Nähe derEndkunden. Und die letzte Meile übernehmen Drohnen,selbstfahrende Autos oder Sharing-Economy-Akteure. Dass einesolche Vision Wirklichkeit werden kann, zeigt das Beispiel desRotterdamer Hafens. Hier ist die Installation eines

mit 3-D-Metalldruckern im Gang.

RobotikIn einigen Jahren produzieren sich Produkte wie etwa einMountainbike in sogenannten Smart Factories ganz von allein.Der Hersteller liefert die Idee, das Engineering und einen«Ressourcenblock» aus Karbon, Leichtmetall, Hartgummi undTitan an. Diese Rohmaterialeinheit ist mit einem digitalenBauplan versehen, der nicht nur das Design der einzelnenKomponenten und deren Zusammenbau enthält, sondern auchgleich noch die zeitliche Planung und Koordination aller

«FieldlabAdditive Manufacturing»

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Robotik – IQ vom Menschen inspiriert

Die Schweiz ist führend auf dem Gebiet der intelligenten Systeme und derRobotik. So forschen am Institut für Robotik und Intelligente Systeme(IRIS) der ETH acht unabhängige Laboratorien, um den Maschinenbauund die Verfahrenstechnik mit den Gesundheitswissenschaften zuverbinden. Am National Centre of Competence in Research (NCCR) bringtdie EPFL Lausanne Entwickler aus aller Welt zusammen, ummenschenzentrierte Robotertechnologien in den Dienst derLebensqualität zu stellen. Diese und weitere Bestrebungen haben dafürgesorgt, dass Roboter über die letzten Jahre ungleich intelligentergeworden sind. Heute können sie ihr Umfeld einordnen und mit denfeinmotorischen und haptischen Fähigkeiten des Menschen diesem ganzwörtlich Hand bieten. So erledigt zum Beispiel in einerAutomatisierungsstrasse der Roboter das Anheben schwerer Teile, in dieder Mensch kleinere und leichtere Komponenten einbaut. Die Fachweltspricht von «Cobotics». In modernen Logistikzentren organisiert sich dieneuste Generation Gabelstapler als selbstlernender Schwarm – ganz ohneFahrer und Planer – und erledigt eine für den Menschen körperintensiveTätigkeit mit maximaler Effizienz.

Augmented Reality – Weitblick durch eineandere Brille

Unter Augmented Reality verstehen wir die computergestützteAusdehnung der Realitätswahrnehmung, also die Verknüpfung vonvirtueller und realer Welt über digitale Technologien. Solche Ansätze

involvierten menschlichen und maschinellen Ressourcen steuert –in tagesgenauer Abstimmung mit den Bestellungen aus den Bike-oder Onlineshops.

Augmented RealityIntelligent eingesetzt hat die Augmented Reality nicht nur einenökonomischen, sondern auch einen gesellschaftlichen Mehrwert.Zum Beispiel liesse sich der Zusammenbau von Taschenmessernoder Uhren in einer innovativen Form der Heim- oderBehindertenarbeit auslagern. Die beauftragten Arbeitskräftekönnen mit Geräten der Augmented Reality die nötigenFertigkeiten erlernen und ihre Aufträge in einem selbstgewählten Umfeld ausführen. Die Qualität der erledigten Arbeitwird über das Augmented-Reality-Gerät sichergestellt.Arbeitnehmer, Arbeitgeber und die Gesellschaft profitieren so vonneuen Arbeits- und Integrationsmodellen.

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Roger MüllerDirector, Leiter Operations,

Wirtschaftsberatung+41 58 792 16 37

[email protected]

Olivier KoflerDirector, Co-Leiter ExperienceCenter, PwC Digital Services

+41 43 524 70 [email protected]

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Fazit

kommen heute bereits im Service- oder Montagebereich zur Anwendung.Dazu ein Beispiel: Auf einem Frachtschiff tritt mitten im Pazifik einDefekt im Maschinenraum auf. Der Techniker an Bord kann das Problemnicht lösen, er braucht die Hilfe eines Spezialisten. Mit einem Augmented-Reality-Gerät leitet dieser den Maschinisten von überall auf der Welt auszur Reparatur an. Dabei kann er das Problem genau lokalisieren, sich dasdefekte Teil inklusive Seriennummer auf den Bildschirm holen undentsprechende Anweisungen zum fachgerechten Aus- und Einbau geben.So lassen sich mit Instrumenten der erweiterten Realität in derIndustrieproduktion Kosten sparen, Fehler frühzeitig vermeiden und dieQualität von Servicearbeiten verbessern.

Die vierte industrielle Revolution hat längst begonnen und bietet den Industrieunternehmen eine neue Dimension vonMarktchancen. Darum möchten wir Ihnen als Verantwortungs- und Entscheidungsträger eines besonders empfehlen:Legen Sie jetzt los! Denn die Geschwindigkeit des digitalen Wandels lässt Ihren zeitlichen und kompetitiven Spielraumtäglich schrumpfen. Als Erstes sollten Sie sich eine Strategie für Ihr Vorgehen in der Industrie 4.0 skizzieren undKerninvestitionsbereiche priorisieren. Dieser Vision müssen zügig erste Pilotprojekte folgen. Dafür sollten Sie sich mitneuen Technologie- und Betriebsformen auseinandersetzen. Zudem müssen Sie die nötigen Kapazitäten kennen undsich eine solide Datenanalysekompetenz ins Haus holen, sei es durch die Rekrutierung passender Talente oder durchexterne Spezialisten. Schliesslich gilt es, die digitale Transformation Ihres Unternehmens voranzutreiben und in denProduktionsalltag zu überführen. Hier sollten Sie auf jeden Fall den Mehrwert eines Schulterschlusses mit Lieferanten,Technologiepartnern oder sogar Mitbewerbern im Rahmen eines digitalen Ökosystems prüfen.

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Im Fokus: Digitalisierung

Finanzdienstleistungen: digitaler Wegweiser zumehr Kundenorientierung

Die digitalen Innovationen der späten 1990er-Jahre hatten für die meistenFinanzdienstleistungen keine langfristigen Folgen. Ganz anders heute: Die grössteHerausforderung für die Branche stellt die Etablierung neuer Ansätze dar, mit denen sich dieAuswirkungen der Technologie auf das Verhalten der Menschen beurteilen, eine effizienteStrategie ausformulieren und die Lösungen schnell, flexibel und proaktiv umsetzen lassen. ImVordergrund steht also nicht unbedingt die Trendprognose oder das Reagieren auf einzelneTrends. Während neue Akteure den Finanzsektor umkrempeln, ist es für Etablierte noch nicht zuspät, aktiv werden – wenn sie es jetzt tun.

D ie erste Internetrevolution in den späten 1990er-Jahrenerschütterte die Struktur der Finanzdienstleistungen, doch sieveränderte diese nicht nachhaltig. Der technologischeFortschritt der letzten zehn Jahre, die regulatorischen

Einschränkungen und das Nachbeben der Finanzkrise von 2008 lassenjedoch keinen Zweifel offen: Die digitale Transformation hat uns erreichtund wird nicht wieder verschwinden – im Finanzsektor ebenso wenig wiein anderen Branchen, die in der Digitalisierung noch weithinterherhinken.

Im Finanzsektor tätige Führungskräfte, die in einer greifbaren materiellenWelt aufgewachsen sind und deren Infrastrukturen und Geschäftsmodelleüber Jahrzehnte grösstenteils dieselben geblieben sind, können das alsechte Herausforderung empfinden. Einige verschliessen einfach dieAugen davor. Zum Beispiel werden Unternehmen, die Bitcoinsverwenden, in den Medien immer noch verspottet. Richtig, dieBlockchain-Technologie, die dem führenden virtuellen Währungssystemzugrunde liegt, ist so komplex und abstrakt, dass man ihreFunktionsweise nur als Experte versteht. Ganz zu schweigen von ihrerMacht, die Abwicklung von Finanzdienstleistungen ernsthaft zubeeinträchtigen. Denn wer kann schon garantieren, dass die Blockchainkein erheblicher Störfaktor wird? Oder vorhersagen, welche anderenneuen Technologien, wie künstliche Intelligenz oder virtuelle Realität,einen Durchbruch erleben und den Weg für vollkommen neueGeschäftsmodelle im Finanzsektor ebnen werden?

Dr. Daniel DiemersPartner, Leiter Fintech Schweiz, PwCStrategy&

Frederik GregaardDirector, Leiter Digital FinancialServices, PwC Digital Services

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Niemand weiss es wirklich. Selbst die allmächtige Suchmaschine Googlehatte das Potenzial von Apps vorerst unterschätzt. Das Unternehmensetzte alles auf seine Browser und musste anschliessend einen scharfenKurswechsel vornehmen, um schnell aufzuholen. Die meistenTechnologieexperten erstellen keine Prognosen für fünf oder auch nurdrei Jahre in die Zukunft. Das hat Konsequenzen für die Führungskräfteder Finanzbranche, die Entscheidungen treffen und für ihre Organisationdie Weichen stellen sollen – nicht nur für die Dauer ihrer Regentschaft,sondern auch für die Zeit danach.

Die Technologielandschaft verstehen

In den vergangenen Jahren waren die Führungskräfte des Finanzsektorsdamit beschäftigt, den Überblick über die neuen regulatorischenVorschriften zu behalten. Verständlicherweise hatten sie also nur wenigZeit, sich mit den neuesten technologischen Entwicklungen vertraut zumachen und deren Auswirkungen zu beurteilen. Kaum jemand hat einenvollständigen Überblick, und niemand kann die Zukunft vorhersagen.Dennoch schadet es nicht, die wichtigsten Trends zu verstehen und imAuge zu behalten. Hier einige der derzeit angesagten Technologien:

1. Crowdfunding, Peer-to-Peer-Kredite und Social InvestmentHeute können Menschen über das Internet miteinander Kontaktaufnehmen. Sie benötigen keinen Vermittler in Form einer Grossbankmehr, um Geld zu borgen, auszuleihen oder zu investieren. DieseTatsache könnte die Finanzdienstleistungen revolutionieren, gerade inLändern der Dritten Welt, wo die meisten Menschen nur über ihrSmartphone einen Internetzugang haben. Die Banker der westlichenHemisphäre sollten auf der Hut sein: Ein Grossteil der Kräfte, die dieglobale Transformation vorantreiben, haben ihren Ursprung nicht inden traditionellen Märkten, sondern in den Schwellenländern.

2. Künstliche Intelligenz (KI)Der künstlichen Intelligenz wird noch immer nicht gebührendBeachtung geschenkt. Die ersten robotisierten Berater (vonAlgorithmen angetriebene Online-Investment-Plattformen) erobernMärkte mit einfachen Investmentprofilen. Zudem gilt es, das Potenzialzu berücksichtigen, das in der künstlichen Intelligenz schlummert,eines Tages die Mid- und Backoffice-Prozesse revolutionieren unddamit den Faktor Mensch überflüssig machen könnte.

3. Big Data AnalyticsBanken und Versicherungsgesellschaften haben schon immerUnmengen von Daten gehortet. Viele davon werden jedoch nichtverwertet. Da schrumpfende Gewinnmargen den Druck erhöhen undsich das Kräfteverhältnis zugunsten der Verbraucher verschiebt, mussder Finanzsektor von anderen Branchen lernen, wie er diese wertvollen

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Daten nutzen kann, um mehr über die eigenen Kunden zu erfahren.Die Tools dazu liegen in Form von Big Data Analytics vor.

4. Virtuelle Realität (VR)Seit den 1990er-Jahren hat die virtuelle Realität einen Quantensprungvollzogen. Diese Technologie, die einst auf abstrakte 3-D-Häuser und -Simulationen beschränkt war, wird sich massiv auf die Mainstream-Prozesse auswirken und sämtliche Branchen umkrempeln. Sie wird dieArt, wie Menschen, Computer und Internet interagieren, radikalverändern. Man stelle sich nur eine Welt vor, in der die Kunden ihrenvirtuellen Kundenmanager in einer täuschend echten 3-D-Umgebungkontaktieren können, während sie nach der Arbeit in einem sich selbstlenkenden Auto nach Hause fahren. Wer wird da schon einenstundenlangen Flug in eine andere Stadt in Kauf nehmen, um dieselbeBeratung zu erhalten? Bleibt die Frage, ob die Akteure desFinanzsektors über die erforderliche Technologie und die notwendigenProzesse verfügen werden, um mit ihren Kunden während dieser neugeschaffenen Zeitfenster zu interagieren.

5. Blockchain und KryptowährungenBitcoins sind bereits zur Sprache gekommen. Ihre Schwächen sindschnell aufgezeigt. Enorm ist allerdings das Potenzial universellerKryptowährungen, die keine Validierung einer Instanz wie zumBeispiel einer Bank benötigen, insbesondere in Schwellenländern mitMenschen ohne Zugang zu einer stabilen Währung und mit wenigerVertrauen in ihre Zentralbanker. Hier werden neue Kategorien vonZahlungsmitteln entstehen – und eine neue Art von Vertrauen: DigitalNatives vertrauen Technologien und Algorithmen eher alsInstitutionen oder Personen. Das hat enorme Auswirkungen, mitdenen der Finanzsektor umgehen können muss.

Das menschliche Verhalten verstehen lernen

Entwicklungen richtig deuten zu können, ist von Vorteil. Dennoch solltedie Aufmerksamkeit nicht der Technologie allein gelten. Denn damit dieseeinen Durchbruch erlebt, muss sie von Menschen angewandt werden. Umeinen Hype von einer echten technologischen Goldgrube zuunterscheiden, muss man die Menschen und ihr Verhalten beobachtenund darüber nachdenken, wie sich eine Technologie in den sozialen undwirtschaftlichen Kontext integrieren lässt. Dazu muss man keinZukunftsforscher sein. Die echten Experten für die digitale Technologiesind unsere heutigen Kinder oder Enkel. Hier gilt es zu beobachten, wasdiese begeistert, welche Medien sie nutzen, wie sie damit umgehen undwas sie nicht interessiert. Sie sind die nächste Generation, dieFinanzdienstleistungen in Anspruch nehmen wird. Deshalb muss manihre Anforderungen und Gewohnheiten verstehen – nicht die der älterenGeneration, deren Denkweise wir alle bereits kennen.

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Dieser technologisch-strategische Weitblick ist für alle Unternehmen –also auch für den Finanzsektor – entscheidend, die auch in denkommenden Jahrzehnten existieren möchten. Es gibt keine Garantie, dassman jedes Mal ins Schwarze trifft, aber es ist ein guter Anfang. Je nachGrösse und Art der Organisation kann sich diese den Weitblick in Formeiner Beratung für die digitale Strategie und Umsetzung kaufen. Vieleslässt sich jedoch mit den vorhandenen Ressourcen erreichen. Deshalbsollten die Führungskräfte ihre Mitarbeiter dazu ermutigen, ihrtechnologisches Know-how und ihre Erfahrung in die Strategie-,Produktentwicklungs-, Vertriebs- und Geschäftsmodelle einfliessen zulassen. Dies gilt insbesondere für die kreativeren und innovativerenPersonalkräfte. Gerade diese sollen an den Prozessen aktiv teilhabenkönnen.

Der Wandel der Mentalität undRessourcenorganisation

Erfahrene Führungskräfte müssen den strategischen Weitblick als eineder Kernkompetenzen ihrer Organisation vermitteln und eine proaktiveStrategie entwickeln, die das Potenzial und die Notwendigkeit einerdigitalen Transformation zu den zentralen Themen ihresGeschäftsmodells macht. Das bedingt zudem die Erkenntnis, dass dasTempo der Veränderungen und die Unsicherheit, die damit einhergeht,einen neuen Ansatz für die Entwicklung und Umsetzung von Modellen,Produkten und Dienstleistungen erfordern. Das Wichtigste ist, einenStandpunkt zu beziehen und prompt zu reagieren, selbst wenn dabei einnoch unfertiges Angebot auf den Markt gebracht werden soll. In derdigitalen Wirtschaft können Kunden mitentscheiden und erwarten häufig,dass ihnen diese Freiheit gewährt wird. Auf diese Weise eröffnen sichneue Möglichkeiten, um den Kunden zuzuhören und herauszufinden, wassie wirklich wollen und benötigen.

Unternehmen sollten keine Angst vor dem Umdenken haben und einVersagen zugeben können. In der unberechenbaren Geschäfts- undtechnologischen Umgebung werden sie sowieso gelegentlich scheitern.Solche Fehler können die Unternehmen in ihre Pläne einbauen undProzesse formalisieren, um Rückschläge in Lehrgeld zu verwandeln.

Auf den eigenen Stärken aufbauen

Zu erkennen, dass die digitale Transformation notwendig ist, bedeutetnicht, die eigenen Stärken zu vernachlässigen.Finanzdienstleistungsakteure mit einem guten Namen und Ruf könnenauch im digitalen Zeitalter auf ihre Vertrauenswürdigkeit bauen. EinKunde, der ein Hotelzimmer über eine Online-Sharing-Plattform bucht,mag einen etwas unerfreulichen Aufenthalt erleben, wenn das Zimmer

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nicht seinen Wünschen entspricht. Ein Kunde hingegen, der sein Geldüber eine neue, noch nicht getestete Onlineplattform investiert, wird vielGeld verlieren, falls sich die Dinge unerwartet entwickeln. Ja, neueAkteure aus vollkommen anderen Sektoren könnten die Finanzweltdurchaus umgestalten. Doch etablierte Akteure mit einemvertrauenswürdigen Ruf und verlässlicher Erfahrung im Finanzsektorkönnen sich hier immer noch einen höheren Wert zunutze machen als inden meisten anderen Branchen.

Erfahrene Führungskräfte des Finanzsektors sind zudem mit derregulatorischen Landschaft und den Herausforderungen der Compliancebestens vertraut. Sie können auf diese Erfahrung bauen und ein Gespürdafür entwickeln, in welche Richtung die Branche geht und wie dieregulatorische Landschaft sich verändert. Wenn sie diese Erkenntnissemit ihrem Technologieverständnis kombinieren, werden sie viel leichtererkennen, wie neue Technologien eine effizientere und effektivereSicherstellung der Compliance ermöglichen. Denn das Tempo und dieReichweite der technologischen Veränderungen sind fürAufsichtsbehörden ebenso sehr wie für Banken undVersicherungsgesellschaften eine Herkulesaufgabe. Die Regulierung istglobal, und die digitale Welt besitzt ein grosses Potenzial fürregulatorische Arbitrage, wenn man sich damit auskennt.

Erforderliche Unterstützung prüfen

In jedem Geschäftsbereich existieren zahlreiche Möglichkeiten für externeHilfe. Grosse Beratungsdienstleister bieten in der Regel Unterstützungentlang der gesamten Prozesskette – von der Eingliederung der digitalenLösungen in die Geschäftsstrategie auf oberster Ebene bis hin zurUmsetzung neuer und nutzerfreundlicher digitaler Anwendungen für dieKunden. Auch sämtliche Schritte dazwischen, wie die Handhabung vonSteuern, rechtliche Angelegenheiten und Compliance in verschiedenenLändern auf der ganzen Welt, werden abgedeckt. Ein Unternehmen sollteprüfen, über welche Ressourcen es verfügt, welche Kompetenzen esaufbauen möchte und was es einkaufen will. Für ein Grossunternehmenkann sich ein eigenes Innovationslabor anbieten, für ein anderes ist dieZusammenarbeit mit einem externen Expertennetzwerk sinnvoll.Entscheidend für die Lösung mit dem besten Momentum sind dasVerständnis der Probleme und das Vorhandensein einer klaren Strategie.

Wir sind für Sie da!

Dr. Daniel DiemersPartner, Leiter Fintech Schweiz,

PwC Strategy&+41 58 792 31 90

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Frederik GregaardDirector, Leiter Digital Financial

Services, PwC Digital Services+41 58 792 24 81

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FazitWelche Technologien die Finanzdienstleistungswelt verändern werden und wie das geschehen wird, ist schwervorauszusagen. Klar ist: Diese Veränderungen kommen. Die Digitalisierung zwingt die Wirtschaftsakteure dazu, ihreGeschäftsmodelle und Einstellungen zu überdenken. Dabei können Sie sich entweder zurücklehnen und auf dietechnologischen Entwicklungen reagieren. Oder Sie können die digitale Transformation als Gelegenheit nutzen, umnäher denn je an Ihre Kunden heranzukommen. Dafür brauchen Sie jedoch nicht nur technologische Expertise, sondernauch Menschenkenntnis und die Fähigkeit, menschliches Verhalten zu verstehen. Beide Kompetenzen haben erfahreneAkteure des Finanzsektors schon immer besessen.

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Im Fokus: Digitalisierung

K(l)icken Sie Ihr KMU ins Zeitalter 4.0

An der digitalen Autobahn führt kein Weg vorbei. Neue Technologien zwingen Unternehmen aller Branchen, Grössen und Erdteile, ihr analoges Geschäftsmodell zu hinterfragen. Wir wollten wissen, wie Schweizer KMU diese Herkulesaufgabe angehen, wo sie heute stehen und sich morgen sehen. Dazu haben wir die Studie «Digitalisierung – Wo stehen Schweizer KMU?» durchgeführt, gemeinsam mit Google Schweiz GmbH und Digital Switzerland. Nachfolgend die Schlüsselantworten und – noch viel wichtiger – handfeste Empfehlungen, was Ihr KMU als Nächstes tun sollte.

M it der Studie «Digitalisierung – Wo stehen SchweizerKMU?» beleuchten wir das Thema der Digitalisierung ausunterschiedlichen Blickwinkeln: Zum einen gehen wir demDigitalisierungsgrad der Studienteilnehmer nach. Zum

anderen spüren wir die Treiber und Bremsbacken einer erfolgreichenDigitalisierung auf. Und schliesslich wollen wir mehr über die weichenFaktoren des Digitalisierungsgrads als neuer harter Kenngrösse erfahren.Dazu haben wir über 300 Schweizer KMU um ihre Selbsteinschätzunggebeten, uns mit Entscheidungsträgern namhafter Unternehmenunterhalten und drei dieser Gespräche in einer Fallstudie festgehalten.

Norbert KühnisPartner, Leiter Familienunternehmenund KMU

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Holger Greif

Partner, Leiter DigitaleTransformation, PwC Digital Services

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Prozess und Infrastruktur

Digitaler Verkauf

Kundeninvolvierung

Mitarbeiter und Kultur

Abbildung 1: Bewertungsskala zur Selbsteinschätzung des Digitalisierungsgrads

□ Unsere internen Prozesse sind teilweise rudimentär digital, teilweise manuell.

□ Interne Prozesse sind digital und teilweise miteinander verbunden.

□ Die internen Prozesse sind digital und die meisten miteinander verbunden.

□ All unsere Prozesse sind auf einer einzigen digitalen Plattform.

□ Wir haben eine standardisierte Website für den Verkauf.

□ Unser Onlineverkauf wird durch flankierende Massnahmen und digitale Services ergänzt.

□ Wir stellen Kunden individualisierte Angebote aufgrund von Big Data zur Verfügung.

□ Wir haben unser Geschäftsmodell mit der Digitalisierung grundlegend verändert.

□ Kunden können über digitale Kanäle standardisiert Feedback geben.

□ Kundenfeedbacks werden automatisiert aufbereitet und analysiert.

□ Kunden werden vereinzelt in Geschäftsprozesse eingebunden (z.B. Sales, Entwicklung).

□ Kunden werden digital in alle Geschäftsprozesse eingebunden (Sales, Entwicklung usw.)

□ Die Digitalisierung spielt bei den Mitarbeitern kaum eine Rolle.

□ Es wird darauf geachtet, dass Mitarbeiter digitale Instrumente benutzen.

□ Wir fördern unsere Mitarbeiter mit Schulungen und Experten im Bereich Digitalisierung.

□ Wir wählen unsere Mitarbeiter u.a. aufgrund digitaler Fähigkeiten aus und fördern so die

Innovation.

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So siehts aus

Schweizer KMU sind unterschiedlich digitalisiert. DerDigitalisierungsgrad korreliert positiv mit der Grösse der Unternehmenund negativ mit dem Alter der Geschäftsleitung. Je jünger dieFührungsetage, desto stärker digitalisiert sind Unternehmen. DieStudienunternehmen konzentrieren sich auf interne Prozesse und dieMitarbeiterweiterbildung in Digitalisierungsthemen. DieKundeninvolvierung findet sich leider ganz unten auf dieserPrioritätenliste.

Dieser Fokus auf Bestehendes lässt sich damit begründen, dass eineNeukonzeption des Geschäftsmodells für das Unternehmeneinschneidender ist als diejenige betrieblicher Abläufe. Damit wirddeutlich, dass die meisten KMU neue Geschäftsmodelle selten als Chanceangehen und bei der Interaktion mit dem Kunden nach wie vor aufkonventionelle Modelle setzen.Die meisten KMU fördern aktiv einedigitale Unternehmenskultur. Dazu nutzen sieWeiterbildungsmassnahmen sowie Schulungen und setzen auf dieRekrutierung von Experten.

Unternehmen, die sich teilweise oder ganz digitalisiert haben, sehen sichheute als wettbewerbsstärker. Die Investitionen in die Digitalisierung unddas Plus an Konkurrenzfähigkeit gehen Hand in Hand. Ein Grossteil derstärker digitalisierten Studienunternehmen ist der Ansicht, ihrfinanzieller Einsatz habe sich unter dem Strich ausbezahlt.

«Digitalisierung – Wo stehen Schweizer KMU?»

Im August 2016 wurden Vertreter von mehr als 300 KMU in derSchweiz befragt. Diese haben den Status quo ihres Unternehmensauf den Gebieten «Prozesse und Infrastruktur», «DigitalerVerkauf», «Kundeninvolvierung» und «Digitale Kultur» auf einerSkala von 1 bis 4 eingeschätzt. Aus dem Durchschnitt dieserWerte wurde der Digitalisierungsgrad der einzelnenUnternehmen errechnet. Zusätzlich haben wir die Fragenthemenspezifisch verfeinert. Die Auswertung basiert in denmeisten Fällen auf einer Gegenüberstellung desDigitalisierungsgrades und der Antworten auf andere Fragen.

Die vollständige elektronische Studie finden Sie .hier

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Jetzt erst recht

Aufgrund der Resultate unserer Studie, zahlreicher Gespräche mitFührungspersönlichkeiten und unserer Praxiserfahrung mit der digitalenTransformation von KMU haben wir Empfehlungen herausgegeben. Diesesollen Ihnen als Entscheidungsträger den Einstieg in die Digitalisierungund ein erfolgreiches Voranschreiten erleichtern. An dieser Stelle so viel:Schweizer KMU sind gut beraten, ihren Markt bis in den hinterstenWinkel zu durchleuchten und im Thema Digitalisierung mutiger zur Tatzu schreiten. Aber alles der Reihe nach:

1. Zur Aufgabe des C-Levels erklärenUnabhängig von Märkten oder Segmenten tragen diverse Faktorenzum Erfolg eines Unternehmens bei: das richtige Geschäftsmodell, diegekonnte Marktleistungsgestaltung, schlanke Prozesse, ein hoherInnovationsgrad und der gezielte Einsatz finanzieller und personellerRessourcen. Da die Digitalisierung in all diesen Bereichen zum Tragenkommt, ist sie schon lange kein reines IT-Thema mehr, sondernverändert ein Unternehmen grundlegend. Darum gehört dasTraktandum auf die Agenda der obersten operativen und strategischenFührungsetage. Diese sollte den Mut aufbringen, sich der Komplexitätdes Themas zu stellen, Kundenbedürfnisse in den Mittelpunkt zurücken, Ineffizienzen zu beseitigen und digital zu beschleunigen.

2. Mit kleinen Schritten grosse Sprünge machenWer in die digitale Welt eintritt, lässt sich auf einen stetigenLernprozess ein. Ein digitales Projekt lässt sich nicht im klassischenStil mit einem grossen Fernziel, langwierigen Etappen undMeilensteinen angehen. Der digitale Prozess verlangt kleine, flinkeSchritte mit unmittelbarem Feedback und Lerneffekt. Ganz nach demMotto «launch fast, fail fast, learn fast» (lanciere schnell, scheitereschnell, lerne schnell). Heisst: In der Digitalisierung bringen auchkleine Schritte grosse Erfolge. Unter Umständen wird zum Beispiel miteiner neuen Projektmanagementplattform eine epochale Entwicklungangestossen.

3. Den Kunden zurück auf den Thron holenSchon immer haben sich erfolgreiche Schweizer Unternehmen entlangihrer Kunden entwickelt und deren Bedürfnisse in ihre Entwicklungeingebunden. Das gilt auch für die Digitalisierung. Darum sollten siedas, was Schlüsselkunden erwarten, ernst nehmen. Die Hauptaufgabeliegt darin, die Digitalisierung so voranzutreiben, dass ein Produktoder eine Dienstleistung für den Kunden besser wird – nicht für denCEO. Dabei muss das Unternehmen nicht alles umsetzen, wastechnisch möglich wäre. Sondern nur das, was der Kunde auchtatsächlich will.

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4. Den Markt mit Argusaugen beobachtenNichts ist schlimmer und aussichtsloser, als in der digitalen Weltstarken Mit- oder Querbewerbern hinterherzulaufen. Denn dieDigitalisierung ist ein gnadenloser Tempomacher und läuft ihreeigene, nicht unbedingt geradlinige Strecke. Darum braucht einUnternehmen genaue Kenntnisse seines Marktes und eine akribischeEinschätzung seiner Konkurrenz. Diese kann auch aus anderenIndustrien stammen, wie dies der Vormarsch der Sharing Economyzeigt.

5. Sich grundlegend hinterfragenDie Studie zeigt: Schweizer KMU sind zurückhaltend punkto Umbauihres Geschäftsmodells. Leider, denn wer andere Akteure undIndustrien beobachtet, Erfolg versprechende Ansätze erkennt unddiese für sein eigenes Unternehmen adaptiert, stellt zwar seinbisheriges Geschäftsmodell infrage, macht aber ebendiese Selbstkritikzu seiner grössten Stärke. Wer sich nämlich selber kannibalisiert,nimmt seinen Mitbewerbern den Wind aus den Segeln und legt dasgewünschte Tempo vor. Und schliesslich präsentiert er sich seinenKunden als innovativ und hält so seine Attraktivität hoch und dieWechselbereitschaft tief.

6. Zeitig die nötigen Ressourcen freimachenUnsere Studie zeigt, dass ein Grossteil der Unternehmen, die in dieDigitalisierung investiert haben, dieses Engagement nicht bereuen. ImGegenteil. Sie halten sich heute für konkurrenzfähiger undschlagkräftiger. Aus diesem Grund sollte ein Unternehmen dieEntwicklungen seines Geschäftsfelds im Auge behalten und rechtzeitigdie passenden Ressourcen für digitale Massnahmen sprechen. Daskann ein Engagement in ein Start-up sein, der Aufbau eines Digi-Teams oder die Einbindung des Digitalisierungsgrads in die Führungs-und Personalpolitik.

7. Mitarbeiter fördern und Talente ins Boot holenEine klare Mehrheit der Studienteilnehmer verfügt nach eigenenAngaben über ausreichendes Know-how, um den digitalenAnforderungen gerecht zu werden. Unternehmen mit einem ohnehintiefen Digitalisierungsgrad weisen deutlich weniger internes digitalesWissen aus. Da der Mensch auch im digitalen Universum einenSchlüsselparameter darstellt, sollte das Unternehmen sein Personalüber seine Digitalisierungsabsichten ins Bild setzen, gezielt einbindenund angemessen schulen. Denn dem digitalen Erfolg liegen eintechnisches Verständnis und ein ausgeprägter digitaler Teamgeistzugrunde. Dafür braucht es allenfalls neue Talente, die es zu findenund zu binden gilt.

8. Innovationskultur etablierenErfolgreiche Schweizer Unternehmen pflegen seit je eine ausgeprägteOptimierungskultur. Das geht aus der PwC-Studie «Swiss Champions

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Wir sind für Sie da!

Norbert KühnisPartner, Leiter

Familienunternehmen und KMU+41 58 792 63 63

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Fazit

2016» hervor, in der wir den Zutaten des Schweizer Erfolgsrezepts aufden Grund gegangen sind. Dieses typisch schweizerische Streben nachBestleistungen und Innovation sollten sich die Unternehmen auch inder Digitalisierung aneignen. Es beeinflusst nämlich ihre Suche nacheffizienteren Lösungen wesentlich. Und da sie sich den Stillstand nichtleisten können, sind sie gut beraten, auch die digitale Zukunft ihresKMU auf das solide Fundament eines kultivierten Innovationsgeists zubauen.

Die Studie «Digitalisierung – Wo stehen Schweizer KMU?» ist eine Co-Publikation von PwC Schweiz, GoogleSwitzerland GmbH und Digital Switzerland. Mit dieser Erhebung haben wir den Digitalisierungsgrad von SchweizerKMU ermittelt und die Schlüsseltreiber für digitale Veränderungen geortet. Ihnen als Verantwortungs- undEntscheidungsträger empfehlen wir, Ihren heutigen Markt unter die Lupe zu nehmen, dabei weitsichtig über dessenGrenzen hinauszublicken und Ihr bisheriges Geschäftsmodell infrage zu stellen. Denn die Digitalisierung kann jedenProzess, jede Kundeninteraktion und jedes Ertragsmodell betreffen – und optimieren. Darum sind Sie gut beraten, dasThema in den Gesamtkontext Ihres KMU zu stellen, erste kleine Schritte zu wagen und schon bald mutigvoranzuschreiten.

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Holger Greif

Partner, Leiter Digitale

Transformation, PwC Digital

Services

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Asien: digital heterogen, ökonomisch reizvollvon Felix Sutter – Seite 46

IFRS 15 für Umsätze aus Verträgen mit Kunden – Erstanwendung nahtvon David Baur – Seite 50

Update

Mehr Licht in der Black-box - die neue Berichter-stattung des Abschluss-prüfers von Prof. Dr. rer. pol. Thomas Berndt – Seite 38

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Update

Mehr Licht in der Blackbox - die neueBerichterstattung des Abschlussprüfers

Transparenz im Konzernabschluss soll die Qualität von Investorenentscheidungen verbessern,vor bilanzpolitischen Massnahmen der Unternehmen schützen und ganz allgemein dieFunktionsfähigkeit der Kapitalmärkte erhöhen. Entsprechend sind Umfang undDetaillierungsgrad der von den börsennotierten Gesellschaften offenzulegenden Informationenin der Vergangenheit erheblich gestiegen. Die neuen Prüfungsstandards führen zu einemerweiterten Bestätigungsvermerk mit Key Audit Matters und explizit umschriebenenVerantwortlichkeiten. Dieser Bestätigungsvermerk ist erheblich unternehmensindividueller undtransparenter. Insgesamt schafft die erhöhte Transparenz die Grundlage für mehr Vertrauen indie Abschlussprüfung, verbesserte Prüfungsqualität und letztlich erhöhten Schutz derRechnungslegungsadressaten.

«S unlight is said to be the best of disinfectants.» 1 DassLicht, also Transparenz, der beste Schutz fürKapitalmarktteilnehmer sei, ist seit nunmehr über 100Jahren eine der Leitlinien der Regulatoren. Transparenz

soll die Qualität von Investorenentscheidungen verbessern, vorbilanzpolitischen Massnahmen der Unternehmen schützen und ganzallgemein die Funktionsfähigkeit der Kapitalmärkte erhöhen.Entsprechend sind Umfang und Detaillierungsgrad der pflichtgemäss vonden börsennotierten Gesellschaften offenzulegenden Informationen in derVergangenheit erheblich gestiegen. Hatten Konzernabschlüsse noch bis indie 90-er Jahre des vergangenen Jahrhunderts oftmals einenüberschaubaren Umfang, so umfassen heutige durchschnittlicheGeschäftsberichte nicht selten um die 200 Seiten, in hoch reguliertenBranchen wie etwa im Banken- und Versicherungsbereich noch deutlichmehr. Vergütungsberichterstattung, Risikoberichterstattung,Segmentberichterstattung, Informationen überUnternehmenszusammenschlüsse, Wertberichtigungen,Finanzinstrumente, Pensionsverpflichtungen, nahestehende Personen: Esgibt kaum einen Bereich zur wirtschaftlichen Lage eines Unternehmens,über den dieses nicht zur Rechenschaftslegung verpflichtet würde.Demnächst kommt durch die Europäische Union verordnet noch eine«Nichtfinanzielle Erklärung zur Umwelt-, Sozial- und Arbeitnehmerlagesowie die Achtung der Menschenrechte und Bekämpfung der Korruptionin den Lagebericht» 2 hinzu.

Prof. Dr. rer. pol. Thomas BerndtProfessor Universität St. Gallen

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Umso mehr mag man sich fragen, wie diese schiere Fülle vonInformationen innerhalb angemessener Zeit von einem Abschlussprüfergeprüft und ein fundiertes Prüfungsurteil über die Ordnungsmässigkeitdes Jahres- oder Konzernabschlusses erstellt werden kann. Für dieüberwiegende Mehrzahl der an der Berichterstattung der UnternehmenInteressierten ist das Zustandekommen des Prüfungsurteils desAbschlussprüfers praktisch eine «Blackbox»; der Prüfungsberichtinteressiert letztlich nur, falls er eingeschränkt oder in wenigenAusnahmefällen sogar versagt wird. Ansonsten geht man schlicht davonaus, die dargestellte wirtschaftliche Lage entspreche – quasi formalbestätigt durch den Abschlussprüfer – den tatsächlichen Verhältnissen.Die Unkenntnis über den konkreten Prozess, über Umfang undGegenstand der Abschlussprüfung hat zu der in Theorie und Praxis vieldiskutierten Erwartungslücke wesentlich beigetragen, also demAuseinanderklaffen der Erwartungen einer interessierten Öffentlichkeitan die Abschlussprüfung einerseits und den tatsächlich zu erbringendenPrüfungsleistungen aus Sicht des Abschlussprüfers andererseits. 3 Somancher (naive) Investor wundert sich noch immer über einuneingeschränktes Prüfungsurteil trotz Briefkastenfirmen des Konzerns,falscher Abgastests, grosser Fehlinvestitionen oder tiefroter Ergebnisse.

Neue und überarbeitete Standards

Neue Vorgaben für den Berufsstand sollen Licht in die Blackbox derAbschlussprüfung bringen, den Informationsnutzen des Prüfungsberichtserhöhen und die Erwartungslücke schliessen. Insgesamt hat derInternational Auditing and Accounting Standards Board (IAASB) hierzuein Paket von fünf neuen beziehungsweise überarbeitetenPrüfungsstandards herausgegeben:

ISA 700 (revised): Forming an Opinion and Reporting on FinancialStatements

ISA 701: Communicating Key Audit Matters in the IndependentAuditor’s Report’s

ISA 705 (revised): Modifications to the Opinion in the IndependentAuditor’s Report

ISA 706 (revised): Emphasis of Matter Paragraphs and Other MatterParagraphs in the Independent Auditor’s Report

ISA 720 (revised): The Auditor’s Responsibilities Relating to OtherInformation

Für die Adressaten testierter Abschlüsse sind insbesondere ISA 700(revised) sowie der neue ISA 701 von grösstem Interesse. Sie sind –zusammen mit weiteren Änderungen – in der EU für die Berichtsperiodenab dem 16.06.2016 für die Prüfung von börsennotierten Unternehmen –

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beziehungsweise in der Terminologie der Europäischen Union:Unternehmen von öffentlichem Interesse – verbindlich. 4 Fürschweizerische börsennotierte Gesellschaften wird ISA 701 ab dem21.12.2016 verpflichtend, und nach der Überführung in die SchweizerPrüfungsstandards sind voraussichtlich ab 2018 grundsätzlich alleordentlichen Abschlussprüfungen nach den neuen Vorgaben zu erstellen.Im Kern geht es dabei inhaltlich um drei Aspekte:

Erstens führen die neuen Vorgaben zu einer Abkehr vom altbekanntenstandardisierten Formeltestat. Stattdessen werden umfangreicheunternehmensindividuelle Angaben zur Abschlussprüfung imPrüfungsbericht verlangt. Nicht nur über das Prüfungsurteil an sich istalso zu informieren, sondern über die unternehmensindividuellenGrundlagen, die zu dem Prüfungsurteil des Abschlussprüfers geführthaben.

Zweitens – und damit eng zusammenhängend – muss derAbschlussprüfer über besonders wichtige Prüfungssachverhalte berichten.Es sind dies die sogenannten Key Audit Matters (KAM). Da dieAbschlussprüfung darauf ausgerichtet ist, ein Prüfungsurteil über denAbschluss als Ganzes mit hinreichender Sicherheit abzugeben, ist imRahmen eines risikoorientierten Prüfungsansatzes eine Erfassung allerwesentlichen Sachverhalte durch die Prüfung sicherzustellen. Die neuenVorgaben ändern insofern zwar nicht das grundsätzliche methodischeVorgehen im Rahmen der Abschlussprüfung. Aber sie führen zu einererstmaligen Veröffentlichung bisher prüfungsinterner Angaben. InZukunft wird man also ausführliche Informationen über zwei bis fünfKAM für das Prüfungsurteil besonders zentrale Sachverhalte aus Sicht desAbschlussprüfers erwarten dürfen. Dabei ist zunächst auf dieIdentifizierung der wesentlichen Sachverhalte einzugehen, etwaqualitative und quantitative Wesentlichkeitsgrenzen, sowie auf denZusammenhang mit der Abschlussprüfung, zum Beispiel aufgrund derKomplexität des Sachverhalts, seiner überragenden Bedeutung für dieBeurteilung der wirtschaftlichen Lage oder der bilanzpolitischenErmessensspielräume des Managements. Anschliessend ist dasentsprechende spezifische prüferische Vorgehen zu erläutern undabschliessend noch ein Verweis auf weitergehende Informationen imAbschluss des Unternehmens anzubringen. In der Praxis wird esdiesbezüglich in Einzelfällen zu Auseinandersetzungen zwischenAbschlussprüfer und Abschlussersteller kommen; denn dieWesentlichkeitsaspekte einer risikoorientierten Prüfung müssen nichtidentisch sein mit den Wesentlichkeitsaspekten bei der Erstellung desAbschlusses. So weisen etwa bereits zahlreiche IFRS-Vorschriften (z.B.IAS 1.122 und .125, IAS 36.134(f), IFRS 13.92(d) und (h)) auf dieOffenlegung von wesentlichen Schätzungsunsicherheiten undErmessensspielräumen hin.

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Drittens sehen die neuen Vorschriften eine explizite Beschreibung derjeweiligen Verantwortlichkeiten des Abschlussprüfers einerseits und dergesetzlichen Vertreter des Unternehmens in Bezug auf dieRechnungslegung andererseits vor. Damit soll dem verbreitetenMissverständnis in der Öffentlichkeit entgegengewirkt werden, derAbschlussprüfer solle oder könne selbst an der Erstellung des Abschlussesmitwirken und eigenständig erkannte Schwachstellen beseitigen. 5

Beispiele aus der Praxis

Während es in Grossbritannien und den Niederlanden schon seit 2013zahlreiche Unternehmen gibt, deren Bericht des Abschlussprüfers bereitsdie künftigen Vorgaben erfüllt 6, haben mit der Leonteq Ltd. in derSchweiz und der TUI AG in Deutschland erstmalig im deutschsprachigenRaum Unternehmen in dieser Berichtssaison freiwillig einen erweitertenPrüfbericht in ihren Geschäftsbericht aufgenommen. Aus dem knappeinseitigen formelhaften Prüfungsbericht ist bei Leonteq ein rundsechsseitiger, bei TUI sogar ein neunseitiger ausführlicher Bericht derRevisionsstelle geworden. Besonders positiv fällt bei Leonteq auf, dasshier von der Revisionsstelle explizit eine materielle Wesentlichkeitsgrenzebenannt wird (5% of profit before tax) und anschliessend mit derBewertung von komplexen, zum fair value bewertetenFinanzinstrumenten, der Umsatzrealisierung und dem Portfolio- undRisk-Management-System drei Key Audit Matters identifiziert werden.Bei TUI sind es sogar sechs (Erwerb der Anteile nicht beherrschenderGesellschafter, Werthaltigkeit des Geschäfts- oder Firmenwerts,Werthaltigkeit einer Beteiligung, Rückstellungen und andere Bereiche vonErmessensspielräumen, latente Steuern auf Verlustvorträgen sowieBereinigung des EBITA).

Die beiden Beispiele verdeutlichen: Der neue Prüfungsbericht isterheblich unternehmensindividueller und transparenter. Dadurcherscheint er grundsätzlich geeignet, den Investoren ein besseresVerständnis vom Sinn und Zweck der Abschlussprüfung und den für dieBeurteilung der Finanzberichterstattung kritischen Sachverhalt zugewähren. Die Rechnungslegungsadressaten erhalten somit erstmalsInformationen, die bisher nur zwischen Abschlussprüfer undVerwaltungs-/ Aufsichtsrat ausgetauscht wurden.

Nach der Identifizierung der Key Audit Matters werden sodann die darausabgeleiteten Konsequenzen für den risikoorientierten Prüfungsansatz inden jeweiligen Prüfungsfeldern erläutert. Hierbei geht es zumeist um diePrüfungstechnik, wie zu einem angemessenen Prüfungsurteil gelangtwerden kann. Erwähnt werden beispielsweise Sensitivitätsanalysen,Stichprobentests, Back-Testing-Verfahren, Effektivitätstests vonKontrollaktivitäten des Unternehmens, Plausibilitätstests mit

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Budgetplänen und/ oder Markterwartungen, Überprüfung vonBewertungsmodellen etc. Selbst wenn diese Informationen für deninteressierten Laien nicht unmittelbar verständlich sein sollten, soerkennt er doch, dass vielen Sachverhalten, die für die Beurteilung derwirtschaftlichen Lage eines Unternehmens wesentlich sind, Annahmen,Schätzungen und Ermessensspielräume zugrunde liegen. EinNachvollziehen und – innerhalb einer gewissen Bandbreite –Plausibilisieren dieser Annahmen kann dann vom Abschlussprüfererwartet werden. Dies nicht nur allgemein, sondernunternehmensindividuell aufzuzeigen, ist ein wichtiger, positiver Aspektdes neuen Prüfungsberichts.

Mit kritischem Blick

Sind gerade die Key Audit Matters geeignet, Licht in die Blackbox derAbschlussprüfung zu bringen, so gilt doch auch: Wo Licht ist, ist auchSchatten. Als Kritikpunkte an dem neuen Prüfungsbericht werden unteranderem fünf Aspekte genannt: 7

1. die Abkehr vom einfachen Formeltestat

2. der gestiegene Informationsumfang

3. die Unbestimmtheit des Begriffs der Key Audit Matters

4. ein möglicherweise gesteigertes Haftungsrisiko der Abschlussprüfer

5. die unklaren zu erwartenden Kapitalmarktreaktionen

Das erste Argument zielt letztlich auf das Interesse am Ergebnis einerBeurteilung vieler Investoren ab – ähnlich wie beim Kreditrating – undgar nicht auf das technische Zustandekommen. Das mag sicherlich füreinzelne laienhafte Investoren zutreffen, für den professionellen Investoraber doch wohl eher nicht. So wie manche laienhafte Investoren nur aufeinzelne Bilanzkennzahlen wie etwa den Gewinn pro Aktie, dasBetriebsergebnis oder eine Eigenkapitalquote schauen mögen, soselbstverständlich werden professionelle Investoren dasZustandekommen dieser Zahlen durch das Hinzuziehen ergänzenderAnhangangaben verstehen und hinterfragen wollen. Auch der neuePrüfungsbericht enthält nach wie vor ein dem heutigen Formeltestatvergleichbares, kurz zusammengefasstes Prüfungsurteil. Wer hingegenmehr über Prüfungsschwerpunkte und Risiken für die Darstellung derFinanzberichterstattung erfahren will, der hat nun erstmals ein geeignetesInformationsinstrument in der Hand und rückt daher ein wenig näher anden Informationsstand des Verwaltungs- bzw. Aufsichtsrats.

Das zweite Argument des gestiegenen Informationsumfangs ist nicht zuleugnen. Allerdings enthält der neue Prüfungsbericht tatsächlich neue,

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bisher nicht verfügbare Informationen. Es bleibt insofern abzuwarten, obdiese Informationen nur von den Regulatoren und den Abschlussprüfernals entscheidungsnützlich unterstellt sind oder ob sie tatsächlich von denInvestoren als nützlich angesehen werden. Wer jedenfalls tatsächlich oderauch nur vermeintlich fehlendes Vertrauen in die Tätigkeit desAbschlussprüfers beklagt, wird zugeben müssen, dass Transparenz undKommunikation grundsätzlich geeignet sind, dieses Vertrauen (wieder)aufzubauen und zu stärken.

Zum dritten Argument: Ein Kern der neuen Vorgaben ist dieIdentifizierung und Auseinandersetzung mit den Key Audit Matters.Gerade daran entzündet sich die Diskussion, was jedoch nicht überrascht.Da die Geschäftsmodelle, das interne Kontrollsystem und dieOrganisation der Rechnungslegung unternehmensindividuell sind, sind esauch die Key Audit Matters. Das haben bereits die zuvor angeführtenBeispiele von Leonteq und TUI gezeigt. Es gibt die nicht unbegründeteSorge, das alte Formeltestat sei zwar verständlich und vergleichbar, derneue Prüfungsbericht hingegen nicht. Er könne sogar zu neuenMissverständnisse führen, mithin die Erwartungslücke noch ausweiten, soweitere Bedenken. Dem ist insofern entgegenzuhalten, dass die Auswahlder Key Audit Matters nicht in das willkürliche Belieben derRevisionsstelle gestellt ist. Der Standard bestimmt zu derenIdentifizierung eine systematische Vorgehensweise: Zunächst sinddiejenigen Sachverhalte zu bestimmen, die aufgrund der Erkenntnisse desVorjahres, konkreter Umstände oder gesetzlicher Vorgaben ohnehin mitden Verantwortlichen der Gesellschaft zu besprechen sind. Aus dieserInformationsmenge sind dann Sachverhalte, die etwa aufgrund ihrerKomplexität, Fehleranfälligkeit oder hohen Ermessensspielräume dieerhöhte Aufmerksamkeit der Revisionsstelle erfordern. Erst abschliessendsind die aus Sicht des Abschlussprüfers besonders wesentlichenSachverhalte zu identifizieren und die Auswahl zu begründen. DieseBegrenzung der Berichterstattung des Abschlussprüfers auf wesentlicheAspekte sollte im Übrigen auch im Interesse der Abschlussadressaten seinund einer Informationsüberfrachtung vorbeugen. Massgeblich muss dasGesamtbild sein, unmassgeblich – und rechtlich ohnehin durchausumstritten – wäre hingegen eine detailreiche Wiedergabe praktisch desgesamten Prüfberichts.

Das vierte Argument betrifft die Sicht des Abschlussprüfers und dieteilweise geäusserte Besorgnis, das Konzept der Key Audit Matters könnedas Haftungsrisiko erhöhen. Bisherige Erfahrungen in Grossbritannienund den Niederlanden bestätigen dies indes nicht. Auch wird ja letztlichnur offengelegt, was ohnehin bereits zuvor in weiten Teilen demrisikoorientierten Prüfungsansatz entsprochen hat. Im Gegenteil könnensich durch die Transparenz der Vorgehensweise durchaus auch Chancenergeben, nämlich die eigene Prüfungsleistung wahrnehmbar und diePrüfungsqualität deutlich zu machen. Wenn Indikatoren wie quantitative

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Fazit

Wesentlichkeitsgrenzen in vergleichbarer Form offengelegt werden, dannkann dies insgesamt die Prüfungsqualität erhöhen.

Das abschliessende fünfte Argument greift die unklarenKapitalmarktreaktionen auf. Manchen Stimmen gehen die neuenVorgaben noch nicht weit genug: Das blosse Identifizieren undKommunizieren von wesentlichen Prüfungssachverhalten und den darausresultierenden Risiken genüge nicht. Es bleibe letztlich unklar, ob und wiediese Risiken in die Bewertungsmodelle der Investoren eingehen sollen.Ob die Angabe von Key Audit Matters für Unternehmen zu Bewertungszu-oder -abschlägen führt, kann zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht gesagtwerden. Klar ist hingegen, dass sich an der Funktion derAbschlussprüfung nichts Grundsätzliches geändert hat: Es soll mithinreichender Sicherheit ein Prüfungsurteil darüber erlangt werden, obder Jahres-/ Konzernabschluss als Ganzes keine wesentlichenwissentlichen oder unwissentlichen Falschangaben enthält. Es sollhingegen auch weiterhin keine Investitionsempfehlung durch denAbschlussprüfer gegeben werden.

Wir sind für Sie da!

Prof. Dr. rer. pol. ThomasBerndt

Professor Universität St. Gallen+41 71 224 70 70

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Wird der neue Prüfungsbericht die mit ihm verfolgten Ziele erfüllen? Oder wird es am Ende aufgrund vonMissverständnissen oder fehlendem Interesse vonseiten der Rechnungslegungsadressaten wie bei so mancherTransparenzinitiative heissen: «Sunlight can also be blinding»? Ohne Zweifel fällt mit den neuen Prüfungsstandardsmehr Licht in die Blackbox der Abschlussprüfung: Die Transparenz des Revisionsberichts wird erhöht, Umfang undVerantwortlichkeiten der Abschlussprüfung werden verdeutlicht, und das Prüfungsurteil wird durch die Angabe vonKey Audit Matters unternehmensindividuell begründet. Damit wären zugleich die Grundlagen für ein gesteigertesVertrauen in die Rolle des Abschlussprüfers, die Verbesserung der Prüfungsqualität und damit letztlich für denverbesserten Schutz der Adressaten der Rechnungslegung gelegt. Unternehmen, der Berufsstand der Abschlussprüferund die Investoren sollten diese Chance nutzen.

1. Vgl. Brandeis: Other People’s Money, and How the Bankers Use it, New York 1914, S. 92.

2. Vgl. EU-Richtlinie 2014/95/EU vom 22.10.2014 zur Änderung der Richtlinie 2013/34/EUim Hinblick auf die Angabe nichtfinanzieller und die Diversität betreffenderInformationen durch bestimmte grosse Unternehmen und Gruppen, ABl EU L 330/1 vom15.11.2014.

3. Vgl. Biener, Die Erwartungslücke – eine endlose Geschichte, sowie Niehus, ZumBestätigungsvermerk von internationalen Jahresabschlüssen – Neue Risiken für die«Erwartungslücke», beide in: Internationale Wirtschaftsprüfung, Festschrift für HansHavermann, hrsg. von Josef Lanfermann, Düsseldorf 1995, S. 37-63; Böcking, Kann das«Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG)» einenBeitrag zur Verringerung der Erwartungslücke leisten? – Eine Würdigung auf Basis vonRechnungslegung und Kapitalmarkt, WPg S. 351-364; Clemm, Abschlussprüfer alsKrisenwarner – Überlegungen zu Möglichkeiten und Grenzen einer Ausfüllung dersogenannten «Erwartungslücke», insbes. durch eine intensivere Prüfung der

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wirtschaftlichen Lage und des Lageberichts, WPK-Mitteilungen, 34. Jg. (1995), S. 65-78;Forster, Zur «Erwartungslücke» bei der Abschlussprüfung, WPg S. 789-795.

4. Vgl. auch Art. 10 Abs. 2c(i) der EU-Verordnung Nr. 537/2014 vom 16.04.2014 überspezifische Anforderungen an die Abschlussprüfung bei Unternehmen von öffentlichemInteresse und zur Aufhebung des Beschlusses 2005/909/EG der Kommission, ABl EU L158/77 vom 27.05.2015, wonach der Bestätigungsvermerk zur Untermauerung desPrüfungsurteils «eine Beschreibung der bedeutsamsten beurteilten Risiken wesentlicherfalscher Darstellungen einschliesslich der beurteilten Risiken wesentlicher falscherDarstellungen aufgrund von Betrug» enthalten muss.

5. Vgl. zum Überblick über die Neuregelungen z.B. Dolensky, Der neue Bestätigungsvermerknach ISA 700 (revised) und ISA 701, IRZ (2016) S. 137-142; Burgener, NeuerRevisionsbericht: mehr Vertrauen, mehr Transparenz, Disclose, Heft 1 (2016) S. 61-67.

6. Vgl. dazu Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW): Analysis of Auditor Reporting on KeyAudit Matters (KAM) in the UK and the Netherlands, Juni 2015.

7. Allgemein zur Diskussion vgl. Arbeitskreis Externe und Interne Überwachung derUnternehmung der Schmalenbach-Gesellschaft für Betriebswirtschaft e.V. (AKEIÜ): Zurkünftigen Entwicklung der Abschlussprüfung, DB S. 1149-1155.

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Update

Asien: digital heterogen, ökonomisch reizvoll

Die Digitalisierung ist in Asien im Vormarsch und beeinflusst Wirtschaft und Gesellschaftgleichermassen. Allerdings zeigt sich ein heterogenes Bild: Während die asiatischen Länder ingewissen Bereichen Trends setzen und das Tempo vorlegen, haben sie in anderen Nachholbedarf.Die Schweiz, führend im Bereich Innovation und Engineering, wird im ökonomischen undgeokulturellen Austausch mit Asien weiterhin eine Schlüsselrolle spielen.

C hina ist Vorreiter und Treiber der Wirtschafts- undGesellschaftsentwicklungen in Asien. Die Uhren ticken hieretwas anders als im Westen: Ein Jahr in China entsprichtungefähr einem Zeitraum von vier Jahren in Europa. In der

vergangenen Dekade hat das grosse Wachstum in China die Gesellschaftstark verändert: Dabei hat eine Internationalisierung stattgefunden, dasVerständnis für westliche Unternehmenskultur, wirtschaftlicheGepflogenheiten und die westlichen Sprachkenntnisse haben sich deutlichverbessert.

Die Digitalisierung als hochaktueller Megatrend verstärkt diesenZeitraffereffekt zusätzlich und prägt die Entwicklung von Asien wesentlichmit. In China sind die Löhne über die letzten Jahre im Schnitt um 15%gestiegen. Damit wird der Lohnsockel allmählich zu breit, um weiterhinGüter zu konkurrenzfähigen Preisen in China herzustellen. Verglichen mitden hoch automatisierten Herstellungsprozessen in Europa wird im Reichder Mitte noch zu viel manuell fabriziert; das Automatisierungspotenzialist enorm. Ausserdem hat die Sozialpolitik dazu geführt, dass seit 2012zunehmend mehr Menschen in Rente gehen. Da die riesige Masse derarbeitenden Bevölkerung schrumpft, stehen zukünftig weniger flinkeHände zur Verfügung.

Grosser Sprung statt kleine Schritte

Die digitale Transformation eines traditionellen westlichenUnternehmens verläuft evolutionär, also schrittweise und über einengewissen Zeitraum. Anders in China: Hier kann sich die Digitalisierung ineinem grossen Sprung vollziehen, Produktionsbetriebe werden komplettneu geplant und gebaut, direkt zur digitalen, vollautomatisiertenFertigung. Das bietet Schweizer Unternehmen in derAusrüstungsindustrie, die zum Beispiel im Maschinenbau spezialisiertsind oder Fabrikationsabläufe konzipieren, enorme Chancen. Sie könnensozusagen auf dem Reissbrett eine Fabrik entwerfen, die in China gebautund in Betrieb genommen wird. So lässt sich für ein chinesisches

Felix SutterPartner, Leiter Asia Business Group,Wirtschaftsprüfung

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Unternehmen auf einen Schlag eine x-fach höhere Produktionseffizienzmit deutlich mehr Qualität des Endproduktes erzielen.

Innovation in der Schweizer DNA

Hier kommt die Innovationsstärke von Europa im Allgemeinen und vonder Schweiz im Besonderen ins Spiel. Denn im asiatischen Billigsystem istInnovation nicht enthalten. Ganz anders in der Schweiz: Innovationgehört zur DNA und hat unsere Geschichte und unser Wirtschaftssystemgeprägt. In dieser Tatsache begründet sich die beachtliche M&A-Welle,die gerade Teile der Schweizer Wirtschaft erfasst. China hat nämlicherkannt, dass die Schweiz einen interessanten Zulieferer abgibt und hierein hohes Innovations- und Engineeringpotenzial bereitliegt. Dieserasiatische Innovationshunger dürfte zu einer Entwicklung mit zweimöglichen Ausprägungen führen:

In der Schweiz und in Europa entstehen chinesisch initiierte Forschungs-und Entwicklungszentren. Diese entwerfen Produktionsstätten oder -maschinen für den chinesischen Markt oder passen bestehende Produktefür den Einsatz in China an. Diese Entwicklungs- undEngineeringtätigkeit wird von chinesischen Investoren finanziert.Chinesische Unternehmen investieren so in die «Verlängerung derWerkbank» (extending the workbench). Die neuen Forschungs- undEntwicklungszentren lassen sich dank digitaler Technologien über zweiZeitzonen weltweit nutzen, was das Innovationspotenzial des Westensnutzt und die produktive Entwicklungszeit verlängert.

24 Stunden pro Tag: Zeit ist zu einem entscheidenden Erfolgsparameterim digitalisierten Geschäftsaustausch mit Asien geworden. Früher habendie Firmen ihre Rollouts in Entwicklungszonen gestaffelt und neueProdukte zuerst in Nordamerika oder Westeuropa und zwei Jahre später– eventuell leicht angepasst – in Asien und dem Rest der Welt lanciert. Inder digitalen Welt erwarten die Konsumenten und Kunden global dieselbeVerfügbarkeit und Lancierung von Produkten oder Services – weltweitund rund um die Uhr. Der zeitliche Vorsprung und die möglicheAbschöpfung von regional gestaffelten hohen Margen entfallen.

Digitalität als Mentalität

Das Internet hat sich in China zu einem Intranet entwickelt, diechinesischen Arbeitskräfte sind digital fit: Nicht umsonst sind die heuteführenden digitalen Plattformen wie Alibaba, Taobao, Tencent, WeChatallesamt made in China. Zum Beispiel sind die WeChat-Funktionalitätendenen von WhatsApp um Jahre voraus. Auch im Zahlungsverkehr laufendie asiatischen Länder an der Spitze. Wer in Singapur oder Malaysiaparken und dafür bezahlen will, greift nicht wie in der Schweiz oder in

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Westeuropa zum Kleingeld, sondern hat dazu eine Debitkarte unter derFrontscheibe. Das Parkscangerät am Eingang der Garage nimmt ganzautomatisch sämtliche erforderlichen Zahlungsdaten auf, und schon istdie Parkzeit beglichen. Und auch für die Zeitung am Kiosk kramt heutekeiner mehr Bargeld aus der Hosentasche, sondern sein Smartphone.Dieser digitale Wandel hat in Asien in den letzten zehn Jahrenstattgefunden und macht deutlich: Punkto Digitalisierung sind die Asiatenalles andere als Pfahlbauer.

Bei den Prozessen im Rückstand

Beispiele wie die Onlinezahlungsplattform AliPay oder der virtuelleMarktplatz Taobao sind in Asien flächendeckend und länderübergreifendeingeführt. In anderen digitalen Bereichen hat der KontinentAufholbedarf, insbesondere bei der Prozesseffizienz. Was sich in Europain zwei Stunden erledigen lässt, dauert in China manchmal einen ganzenArbeitstag. Das liegt einerseits an einer mangelnden Verknüpfung undInteraktion von Prozessen, Abteilungen und Unternehmen begründet. InEuropa haben die meisten Unternehmen ihre Schnittstellen zuLieferanten oder Geschäftspartnern über die gesamte horizontaleWertschöpfungskette hinweg weitgehend automatisiert und optimalaufeinander abgestimmt. Man denke nur an die Verbindung von POS,Lager- und Transportlogistik. Anderseits hängt die prozessuale Ineffizienzder asiatischen Wirtschaft auch mit ihrer Kultur zusammen. Denn andersals in Europa muss das Vertrauen in sein Gegenüber in Asien ersterarbeitet werden und ist nicht unbedingt von Beginn weg gegeben. Mitder Digitalisierung eröffnen sich den asiatischen Wirtschaftsakteuren indiesem Thema attraktive Optimierungsmöglichkeiten.

Auch ein gesellschaftliches Thema

Zu den grössten Herausforderungen von China gehören die Überalterungder Gesellschaft, die notwendige globale Öffnung und dasBildungssystem. Zum Beispiel stehen bei der Altersvorsorge Reformen an,um mit den Auswirkungen der 1-Kind-Regel umzugehen. Aber auch dieDigitalisierung wird die gesellschaftliche Veränderung vorantreiben. Dennsie baut Klassenunterschiede, kulturelle Grenzen und geografischeDistanzen ab. Dadurch werden chinesische und asiatische Eltern dieAusbildung ihrer Kinder noch mehr in den Mittelpunkt rücken und in sieinvestieren. Denn nur die bestausgebildeten Kinder erhalten Aussicht aufeinen Job, der ihnen eine Familiengründung oder sogar Karriere erlaubt.Diejenigen, die in der digitalen Welt nicht Fuss fassen können, werden zuNiedriglohnangestellten, wie es sie etwa im Kurierdienst gibt, gezwungen.In der Folge dürfte die Lohnschere weiter massiv aufgehen, was sozialeSekundärprobleme nach sich zieht. Diese Entwicklung wird sich in einemweiteren Schritt auch auf den Westen auswirken, denn der

Wir sind für Sie da!

Felix SutterPartner, Leiter Asia BusinessGroup, Wirtschaftsprüfung

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Fazit

Konkurrenzdruck aus Asien für Kinder und junge Menschen direkt abAusbildung steigt. Und in diesem Thema trumpft Asien mit einemunbesiegbaren Vorteil auf: der Masse.

Wer als Wirtschaftsteilnehmer in Asien unterwegs ist, sollte im Hinblick auf die Digitalisierung prüfen, wo das eigeneUnternehmen und seine Geschäftspartner stehen. Je nach Branche kann der Digitalisierungsgrad sehr unterschiedlichausfallen – und ebenso das ungenutzte Geschäftspotenzial. Sosehr die Digitalisierung auch die ökonomischeEntwicklung beschleunigt und die Zukunft prägt, sosehr sind doch immer noch klassische Fähigkeiten imwirtschaftlichen Dialog mit Asien gefragt – ein profundes Verständnis von Industrie, Risiken und Chancen. Nur einFaktor hat sich grundlegend verändert und die Dimension gewechselt: die Zeit. Mit der Digitalisierung ist der zeitlicheVorsprung des Westens in der Entwicklung und Lancierung neuer Produkte oder Dienstleistungen fast auf nullgesunken.

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Update

IFRS 15 für Umsätze aus Verträgen mit Kunden –Erstanwendung naht

Zunehmend komplexer ausgestaltete Verkaufstransaktionen haben die Standardsetter dazubewogen, die Vorschriften für die Umsatzerfassung anzupassen. Für IFRS sind die neuen Regelnfür Geschäftsjahre, die ab 1. Januar 2018 beginnen, anzuwenden. Wir gehen der Frage nach, obsich mit einem Wechsel auf Swiss GAAP FER Umstellungseffekte umgehen lassen.

I FRS und US GAAP haben in einem gemeinsamen Projekt für denwichtigen Bereich der Umsatzerfassung neue, quasi wortgleicheStandards entwickelt. IFRS 15 «Umsätze aus Verträgen mitKunden» ersetzt die bisherigen Standards IAS 11

«Fertigungsaufträge» und IAS 18 «Umsatzerlöse». In den zweieinhalbJahren seit der Publikation des Standards hat sich gezeigt, dass IFRS-Anwender unterschiedlich stark vom neuen Standard betroffen sind.Während einige Unternehmen grössere Anpassungen in derUmsatzerfassung vornehmen müssen, bleibt bei anderen dieUmsatzverbuchung unverändert.

Kernpunkte des neuen Standards

Im Kern legt der neue Standard fest, wann und in welcher Höhe Umsätzeverbucht werden dürfen. Der Grundgedanke dabei ist, dass einUnternehmen dann Umsatz verbucht, wenn es die mit dem Kundenvereinbarte Leistung erbringt. IFRS 15 setzt diesen Grundgedanken ineinem Fünf-Schritte-Modell um. Der erste Schritt beinhaltet dieIdentifikation des Vertrags mit dem Kunden. Im zweiten Schritt werdendie einzelnen Leistungen, die an den Kunden zu erbringen sind,identifiziert. Hier zeigt sich in der Praxis, dass Verträge oftmals nicht nurden Verkauf eines Gutes beinhalten, sondern weitere Leistungen an denKunden umfassen, so etwa nachgelagerte Dienstleistungen oder einAnrecht auf zukünftige Vergünstigungen oder Gratisprodukte. SolcheVertragselemente stellen oft separat zu behandelndeLeistungsverpflichtungen dar, bei deren Erfüllung Umsatz erfasst werdendarf. Der dritte Schritt im Modell beinhaltet die Bestimmung desTransaktionspreises. Es wird also ermittelt, wie viel Umsatz für denentsprechenden Vertrag berücksichtigt werden darf. Interessante Fragenstellen sich beispielsweise, wenn der Vertrag eineFinanzierungskomponente oder eine Variabilität im Verkaufspreisvorsieht. Im vierten Schritt wird der Transaktionspreis auf die im zweitenSchritt identifizierten Leistungsverpflichtungen aufgeteilt. Diese

David BaurDirector, Technical Office,Wirtschaftsprüfung

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Figure 1: Fünf-Schritte-Modell für die Anerkennung der Einnahmen

Aufteilung erfolgt in der Regel proportional zu den Einzelverkaufspreisender Leistungsverpflichtungen. Somit steht nach dem vierten Schritt fest,wie viel Umsatz ein Unternehmen für die Erfüllung jeder einzelnenLeistungsverpflichtung erfassen darf. Der fünfte und letzte Schritt klärtdie Frage, wann eine Leistungsverpflichtung als erfüllt gilt und wann derentsprechende Umsatz gebucht werden darf. Basierend auf einemKontrollmodell gibt es zwei grundlegende Möglichkeiten der Erfüllung: zueinem bestimmten Zeitpunkt oder über einen bestimmten Zeitraum.

Die Erfassung auf der Basis der einzelnen Leistungsverpflichtungen führtgrundsätzlich zu einem aussagekräftigen Abbild der Umsätze imAbschluss. Das Modell kann jedoch die Unternehmen dann vor grössereHerausforderungen stellen, wenn die Umsatzerfassung zeitlich oderbetragsmässig von der Fakturierung oder den Mittelflüssen abweicht.

5Erlöserfassung

Anwendungszeitpunkt undÜbergangsvorschriften

Nicht zuletzt um eventuell notwendige Anpassungen in den Systemen zuermöglichen, hat das IASB den Anwendern eine recht lange Frist bis zurverpflichtenden Erstanwendung gewährt. Der Standard wurde im Mai2014 publiziert und ist nun auf 1. Januar 2018 verpflichtend anzuwenden.Zudem stehen zwei Methoden zum Übergang auf den neuen Standard zurVerfügung:

Wechsel auf Swiss GAAP FER als Alternative?

Anwender können den Standard rückwirkend anwenden. Unter dieserMethode werden die Vergleichsinformationen im Abschluss 2018 sodargestellt, als wäre IFRS 15 schon immer angewendet worden.

a)

Die Unternehmen können den Standard ab 1. Januar 2018 anwenden,ohne dass sie die Vergleichsinformationen anpassen müssen.

b)

4Verteilung des

Transaktionspreises

3Bestimmung des

Transaktionspreises

2Identifikation der

einzelnenLeistungs ver -pflichtungen

1Identifikation des

Vertrags

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Verschiedene Schweizer IFRS-Anwender, die mit einemUmstellungseffekt aus IFRS 15 rechnen müssen, überlegen sich einenWechsel zu Swiss GAAP FER. Bis vor Kurzem beinhaltete Swiss GAAPFER praktisch keine Regelungen der Umsatzerfassung. Nicht zuletzt vordem Hintergrund der Neuerungen in IFRS und US GAAP hat Swiss GAAPFER ein eigenes Projekt zur Anpassung der Umsatzerfassung lanciert. Diedaraus resultierenden Änderungen sind für Geschäftsjahre beginnend ab1. Januar 2016 in Kraft getreten. Anstelle eines eigenen Standards wurdenAnpassungen im Bereich der Umsatzerfassung im Rahmenkonzept sowiein FER 3 «Darstellung der Jahresrechnung» und FER 6 «Anhang»vorgenommen.

Einige der Neuerungen führen dazu, dass Umstellungseffekte auf IFRS 15auch bei einem Wechsel auf Swiss GAAP FER bestehen. So verlangt SwissGAAP FER beispielsweise ebenfalls, dass bei Mehrkomponentenverträgendie einzelnen abgrenzbaren Bestandteile separat zu bewerten sind. Derjeweilige Ertrag wird verbucht, wenn die Dienstleistung erbracht ist oderwenn ein Vermögenswert geliefert wurde. Die Behandlung vonMehrkomponentenverträgen unter Swiss GAAP FER unterscheidet sichalso konzeptionell kaum von der Behandlung unter IFRS 15.Unternehmen, die sich der Problematik des unterschiedlichen zeitlichenAnfalls der Rechnungsstellung beziehungsweise der Geldflüsse und derUmsatzerfassung unter IFRS 15 gegenübersehen, werden dieselbeFragestellung auch unter Swiss GAAP FER lösen müssen. Da die gleicheTransaktion sowohl unter IFRS als auch unter Swiss GAAP FER nachihrer wirtschaftlichen Substanz abgebildet werden soll, erstaunt dies auchnicht weiter. Ermessensentscheide unter Einbezug vonWesentlichkeitsüberlegungen sind sowohl unter IFRS als auch unterSwiss GAAP FER zulässig.

In der Vernehmlassung zur Umsatzerfassung nach Swiss GAAP FERwurde zudem die Behandlung von unüblich langen Zahlungsfristenaufgegriffen: «Wenn die vereinbarte Bezahlung der Gegenleistungeinzelner Geschäfte einer unüblich langen Frist unterliegt, ist derentsprechende Teil der Erlöse als Finanzertrag auszuweisen.» Dievorgeschlagene Ergänzung wurde schliesslich nicht umgesetzt.Interessant ist allerdings die Aussage in der Vernehmlassung, dass auchdiese Fallkonstellation im Sinne der True and Fair View bei gegebenerWesentlichkeit bereits heute so vorgenommen werden sollte. Ein Wechselauf Swiss GAAP FER würde es somit einem Unternehmen nicht erlauben,von der separaten Verbuchung wesentlicher Finanzierungskomponentenabzusehen, selbst wenn dies im Standard nicht explizit geregelt ist.

Es gibt unbestritten Bereiche, in denen Swiss GAAP FER grössereFreiräume bietet als IFRS 15. Dazu gehört die Frage der Zulässigkeit derPoC-Methode (Percentage of Completion), die unter Swiss GAAP FER für

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Fazit

langfristige Aufträge vorgesehen ist. Die PoC-Methode führt dazu, dassUmsätze über die Dauer der Fertigung oder Leistungserbringung erfasstwerden. Das Konzept der Umsatzerfassung über einen Zeitraum ist auchin IFRS 15 enthalten. Es kommt allerdings nur zur Anwendung, wenn dieKontrolle von Gütern oder Dienstleistungen laufend an den Käuferübergeht. FER 22 «Langfristige Aufträge» handhabt durch die offenereFormulierung die Anwendung der PoC-Methode weniger restriktiv. Unterdiesem Gesichtspunkt kann ein Wechsel auf Swiss GAAP FER fürUnternehmen attraktiv sein, die unter IFRS (insbesondere IAS 11«Fertigungsaufträge») Umsätze bisher über einen Zeitraum erfasst haben,die neuen Anforderungen von IFRS 15 für den kontinuierlichen Transferder Kontrolle jedoch nicht erfüllen.

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Welcher Rechnungslegungsstandard am besten für ein Unternehmen passt, ist eine Schlüsselfrage. Diese sollte es auseiner gesamtheitlichen Sichtweise beantworten. Das Unternehmen sollte sich bei einem solchen Entscheid jedoch nichtvon buchhalterischen Einzelfragen leiten lassen, sondern über die Anforderungen an seine Finanzberichterstattungnachdenken. Neben der Erwartung der verschiedenen Anspruchsgruppen sind dabei sicherlich auch das regulatorischeUmfeld und allfällige lokale Reportingforderungen an Konzerngesellschaften zu betrachten.

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Disclose – Ausgabe 2, 2016Im Fokus: berufliche VorsorgeUpdate: Dimensionen der Mehrwertsteuer;IFRS 16; Umsetzung Arbeitszeiterfassung;Neues Rechnungslegungsrecht;

Disclose – Ausgabe 1, 2016Im Fokus:UnternehmensberichterstattungUpdate: Umgang mitGeschäftsinformationen; Derivatehandel

Disclose – Ausgabe 2, 2015Im Fokus: Neue GeschäftsmodelleUpdate: Zoll und Handel; USTR III; VegüV;IFRS 9

Disclose – Ausgabe 1, 2015Im Fokus: RisikomanagementUpdate: Neue Vorschriften für den Anhangder Jahresrechnung; COSO imnichtfinanziellen Bereich; IFRS 15; SwissGAAP FER im Trend

Disclose – Juni 2014Im Fokus: Audit CommitteesUpdate: Hedge Accounting unter IFRS 9;Konzept der Wesentlichkeit; COSO-Update;Revisionsbericht; Umsetzung Minder-Initiative

Disclose – Dezember 2013Im Fokus: InformationssicherheitUpdate: neues Rechnungslegungsrecht;Kosten der Compliance; neuerLeasingstandard; Minder-Initiative

Frühere Disclose-Ausgaben

Leserservice

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In depth – New IFRSs for 2016Die Publikation vermittelt einen Überblicküber die Änderungen an bestehenden IFRS,neue Standards und Interpretationen. DerLeitfaden umreisst die Anforderungendieser Standards an die Rechnungslegung.

Das Audit CommitteePraxiswissen für Audit-Committee-Mitglieder hinsichtlich derAnforderungen und AufgabenIn dieser Publikation fasst PwC denaktuellen Stand von gesetzlichen,regulatorischen und De-facto-Vorschriftensowie den gelebten Alltag eines AuditCommittee zusammen. Dabei beleuchtenwir von den Industrieunternehmen bis zuden Finanzinstituten diverse Aspekte ausallen in der Schweiz relevantenWirtschaftsbereichen.

Executive Compensation &Corporate Governance 2016Die Erhebung ist eine der umfangreichstenSchweizer Untersuchungen zur Höhe undStruktur der Vergütung, dieVerwaltungsrats- undGeschäftsleitungsmitglieder zwischen 2007und 2015 erhalten haben. Der Berichtenthält eine umfassende Darstellung derderzeitigen Vergütung von Führungskräftenbörsenkotierter Schweizer Unternehmen(SMI und SMIM) sowie eine kurzeZusammenfassung der Vergütungen inSmall-Caps.

World WatchNews and opinion on issues affectingbusiness todayWorld Watch widmet sich regelmässigaktuellen Fragen der Corporate Governanceund der Unternehmensberichterstattung.Die Publikation bietet einen Überblick überdie Themen Governance,Finanzberichterstattung, Assurance undReporting im weiteren Sinne und enthältNachrichten aus aller Welt.

Illustrative IFRS consolidatedfinancial statements for 2016year endsDiese Publikation schildert die konsolidierteFinanzberichterstattung für eine fiktiveProduktions-, eine Grosshandels- und eineEinzelhandelsgruppe. Sie basiert auf denRechnungslegungsvorschriften undInterpretationen nach IFRS, die für dieGeschäftsjahre, die am oder nach dem 1.Januar 2016 beginnen, massgebend sind.

IFRS disclosure checklist 2016Anhand der Checkliste können dieUnternehmen rasch und systematischüberprüfen, ob sie die Anforderungen andie Offenlegung nach IFRS erfüllen. Dieaktuelle Ausgabe berücksichtigt alleStandards und Interpretationen für dieGeschäftsjahre, die am oder nach dem 1.Januar 2016 beginnen. Neuerungengegenüber dem Vorjahr sind auf den erstenBlick ersichtlich.

Weitere Publikationen

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Das Audit Committee – Praxiswissen für Audit-Committee-Mitglieder hinsichtlich der Anforderungen und Aufgaben

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