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42 1 8. Dispersionstheorie mzd Serienspektrem; vow Clernemns Schaefer. Bekanntlich fuhrt die gewohnliche Dispersionstheorie zu folgender Gleichung fur den Brechungsindex v: wo eh die Ladung, mh die Masse, a,, die hnzahl pro cm3, 7; die Eigenperiode der hten Elektronengattung und 1’ endlich die zum Brechungsexponenten u gehorige Periode des auffallenden Lichtes bedeutet. Es ist bekannt, daB Formeln dieses Charakters zur Dar- stellung des Dispersionsverlaufes in festen, fliissigen und nicht- leuchtenden gasformigen Substanzen sich bestens bewahrt haben. S c h o t t l) hat nun kurzlich darauf hingewiesen , da6 man bei Anwendung von Gleichung (1) auf leuchtende Qase dann zu einem Widerspruche kommt, wenn man, wie dies bisher stillschweigend wohl immer geschehen ist, das Serienspektrum, welches die Gase aussenden, als aus unendlich vielen Linien bestehend auffa6t. Denn gema6 den Grundlagen der Dis- persionstheorie miiBte man dann jeder der unendlich vielen Linien der Serie eine Art schwingender Elektronen zuordnen, so daB man folgende Dispersionsformel erhielte : Jiese Gleichung hat aber iiberhaupt heinen Sirin mehr, da die unendliche Reihe auf der rechten Seite, wie dies aus der Be- trachtung der physikalischen Bedeutung der einzelnen Glieder hervorgeht, notwendig divergent ist; man wiirde also durch An- 1) G. A. Schott, Physik. Zeitschr. 9. p. 214. 1908.

Dispersionstheorie und Serienspektren

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8. Dispersionstheorie mzd Serienspektrem; vow Clernemns S c h a e f e r .

Bekanntlich fuhrt die gewohnliche Dispersionstheorie zu folgender Gleichung fur den Brechungsindex v :

wo eh die Ladung, mh die Masse, a,, die hnzahl pro cm3, 7; die Eigenperiode der hten Elektronengattung und 1’ endlich die zum Brechungsexponenten u gehorige Periode des auffallenden Lichtes bedeutet.

Es ist bekannt, daB Formeln dieses Charakters zur Dar- stellung des Dispersionsverlaufes in festen, fliissigen und nicht- leuchtenden gasformigen Substanzen sich bestens bewahrt haben.

S c h o t t l) hat nun kurzlich darauf hingewiesen , da6 man bei Anwendung von Gleichung (1) auf leuchtende Qase dann zu einem Widerspruche kommt, wenn man, wie dies bisher stillschweigend wohl immer geschehen ist, das Serienspektrum, welches die Gase aussenden, als aus unendlich vielen Linien bestehend auffa6t. Denn gema6 den Grundlagen der Dis- persionstheorie miiBte man dann jeder der unendlich vielen Linien der Serie eine Art schwingender Elektronen zuordnen, so daB man folgende Dispersionsformel erhielte :

Jiese Gleichung hat aber iiberhaupt heinen Sirin mehr, da die unendliche Reihe auf der rechten Seite, wie dies aus der Be- trachtung der physikalischen Bedeutung der einzelnen Glieder hervorgeht, notwendig divergent ist; man wiirde also durch An-

1) G. A. S c h o t t , Physik. Zeitschr. 9. p. 214. 1908.

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wendung von (1 a) z. B. auf leuchtenden Wasserstoff das Resultat erhalten, daB dieser fur alle endlichen Wellenlangen einen un- endlich qropen 3rechungsindex besale, im Widerspruch mit der Erfahrung.

Zu diesem absurden Ergebnis gelangt man natiirlich nur dann, wenn man annimmt, daB die Serie wirklich aus unend- lich vielen Linien besteht; wir wollen dies im folgenden kurz als ,,Unendlichkeit" der Serie bezeichnen. S cho t t bemiiht sich freilich, zu zeigen, da8 auch, wenn man die Unendlich- keit der Serien preisgibt und z. B. fur Wasserstoff nur die sicher gemessenea 29 Linien einsetzt , ein Widerspruch mit der Erfabrung insofern besteht, als vie1 zu groBe Werte fiir den Brechungsindex sich ergeben sollen. Doch ist dieser Teil seiner Uberlegungen auf eine unrichtige Annahme basiert, so da6 ich dieser SchluBfolgerung keine Bedeutung zuer- kennen kann.

Dennoch hat auch in diesem Falle die Anwendung der gewohnlichen Dispersionstheorie etwas Unbefriedigendes. Denn in derselben werden die gegenseitigen Einwirkungen der ver- schiedenen Elektronenarten aufeinander vollkommen ignoriert, so daB also die auffallenden Gesetzmaj3igkeiten der Serien- struktur, die doch eine enge Abhangigkeit aller Linien von- einander zur Folge hat, in der Dispersionstheorie gar nicht zum Ausdruck gelangen.

Man wird also die Frage aufwerfen miissen, wie die Aus- gangsgleichungen der Dispersionstheorie anzusetzen seien, damit erstens bei Annahme der Unendlichkeit der Serie ein endlicher Wert des Brechungsindex resultiert, und daB zweitens - mag mart die Serie als unendlich oder endlich betrachten - die bekannten GesetzmaBigkeiten der Serienspektren ihren Aus- druck in der Dispersionstheorie finden.

Es zeigt sich, daB man vom mathematischen Standpunkt am einfachsten zum Ziele gelangt, wenn man zunachst einmal die Unendlichkeit der Serien zugibt, d. h. wenn man als Emis- sionszentrum derselben ein Gebilde mit unendlich vielen Frei- heitsgraden annimmt. Dieses letztere wird erhalten aus einem System von endlicher Freiheit durch einen geeigneten Grenz- iibergang.

Wir betrachten aleo zunachst ein System von s diskreten

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Partibelchen mit der Masse mh und der Ladung er Die kinetische Energie des Systems sei A, seine potentielle @, die augeren Krafte Kh. Nennt man die x-Komponente der Vor- schiebung des hten Teilchens aus seiner Gleichgewichtslage X,, so liefern die Lagrangeschen Gleichungen die folgenden s Bewegungsgleichungen: (% = Xi) :

gesetzt werden kann, wenn wir mit X die x-Komponente der einfallenden elektrischen Welle bezeichnen , so erhalten wir :

d B X h a @ mhdte + ax, = eh X ; (11 = 1, 2 . . , s).

Diese s .Gleichungen (2a) treten an die Stelle der folgenden Gleichungen der gewijhnlichen Dispersions theorie :

(3)

Der wesentliche Unterschied zwischen (24 und (3) besteht darin, daB an Stelle von p , Xh in Gleichung (2a) der Ausdruck d @,ldX, steht. Letzterer ist insofern allgemeiner, als @ im allgemeinen Funktion aller Cropen Xh(h = 1, 2 . . . s) ist, walirend in (3) p , als Konstante betrachtet wird. Dies hat zur Folge, daB, wahrend die Gleichungen (3) voneinander unabhangig sind, im Gegensatz dazu die Gleichungen (2 a) miteinander gekoppelt sind. Um dies zum Ausdruck zu bringen, kijnnen wir (Za) in folgen- der Form schreiben:

m d2 xh + f h (XI, X,, . . . XJ = eh X . h d t e

Es liegt auf der Hand, daB der Ansatz (2b) allgemeiner und den wirklichen Verhaltnissen entsprechender ist als der ubliche Ansatz (3); denn in diesem wird j a die gegenseitige Beein flussung der verschiedenen Elektronengattungen vernach- Iassigt. Wenn nun trotzdem auch die Gleichungen (3) aus-

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reichen, urn eine hinreichend genaue Dispersionsformel zu liefern, so liegt das an dem Umstande, da6 der durch die Vernachlassigung der Koppelung begangene Fehler zu klein ist, urn beim Vorhandensein einiger weniger Eigenschwingungen, wie sie bei den meisten Korpern vorliegen, ins Gewicht zu fallen. Anders aber liegt die Sache, wenn die Anzahl der Eigenschwingungen immer gro6er und groBer wird. Dann wird schlieBlich jede noch so kleine Vernachlassigung uber alles MaB hinauswachsen, und das Resultat vollig falschen konnen. Es ist also kein Wuncler, wenn man bei Anwendung der Gleichungen (3) auf ein Medium mit unendlicher Serie auf eineo unheilbaren Widerspruch stofit.

Wir werden deshalb (3) durch (2a) bzw. (2b) ersetzen, und nun die Anzahl s der Partikelchen des Systems in bestimmter Weise wachsen lassen. Dann vermehrt sich mit wachsendem s

die Anzahl der Eigenschwingungen, um mit s selbst unend- lich zu werden. Urn hier zu einem branchbaren Resultate zu gelangen, mussen wir den Grenzubergang von einem System auR s diskreten Teilchen mit endlicher Ladung und Masse so vollziehen, dap auch f u r s = co Gesamtmasse und Gesamtladung endlich bleiben. Das heiBt, wir gehen von einem aus diskreten Partikelchen bestehenden System zu einem kontinuierlichen Gebilde iiber , das bekanntlich unendlich viele Freiheitsgrade und Eigenschwingungen besitzt. Dieser Grenzubergang , V O I ~

dem Lord Rayle igh in der ,,Theorie des Schalles" den aus. gedehntesten Gebrauch macht, wird daher auch wohl als ,! Rayleighsches Prinzip" bezeichnet; bei demselben verwandelt sich das System der Gleichungen (2a) bzw. (2b) in eine partielle Bifferentialg[eichung mil den zugehiirigen Randbedingutigen.

Ein detailliertes Beispiel eines solchen Grenziiberganges findet sich zum Teil in He lmho l t z ' Vorlesungen Bd. IIIl), wo eine Saite zunachst als aus diskreten Massenpunkten be- stehend gedacht und d a m der Ubergang zu einem kontinuier- lich verbreiteten Gebilde vollzogen wird. Ein anderes, sehr instruktives Beispiel findet sich in einer Abhandlung von

1) H. v. H e l m h o l t z , Vorlesungen Bd.111, $9 35 u. 36. p.72-91; noch ausfiihrlicher bei R a y l e i g h , Theorie des Schallee, Deutsche Aus- gabe Bd. I. Art. 12Off.

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Dispersionsth eorie un d Serienspektren . 425

Ph. F rank l ) , wo das Problem der Schwingungen eines frei herabhiingenden Fadens behandelt wird. Dort wird gezeigt, daB man den Faden zunachst ersetzen kann durch eine Reike aneinander h&ngender kleiner mathematischer Pendel; die Pmdelmassen werden so gewahlt , da6 beim Grenziibergang die gegebene Dichtigkeit des Fndens resultiert. Das System der verkoppelten Pendelgleichungen geht dabei uber in die diesem Problem eigentumliche partielle Differentialgleichung nebst Randbedingungen.

Aus diesen Darlegungen geht zur Genitge hervor, wie man zu verfahren hat , um auch fur Medien mit einem un- endIichen Serienspektrum zu einer brauchbaren Dispersions- formel zu gelangen. An Stelle der bisherigen GZeichungen (3) hzw. (2a) ader (2 6) tritt die partielle Bifferentialgleickung des betreffenden Kontinuurns mit den nctigen Rnndbedinguqen.

Ich will dies an einem miiglichst einfachen Beispiele zeigen. Zu diesem Zwecke unterwerfe ich einen Hilfsvektor g der Differentialgleichung :

(4)

die im Intervalle von x = 0 bis x = 1 gelten soll; gleichzeitig soll g den Randbedingungen gehorchen:

Wegen der formalen Ubereinstimmung von (4) und (4a) mit den Gleichungen der schwingenden Saite wird es gestattet sein, das der Differentialgleichung (4) entsprechende elektrische Ge- bilde ebenfalls als ,,Saite" zu bezeichnen; dabei ist es natiir- lich fur unseren Zweck ganz gleichgultig, ob ein solcher Korper in der Natur vorkommt oder nicht. Das Interval1 von z = 0 bis x = 1 ware dementsprechend als die ,,Langetc der ,,Saite" zu be- zeichnen; @ wlire die Massen-, e die Ladungsdichtigkeit derselben.

Fur die x-Komponente der dielektrischen Verschiebung (BJ setzen wir, analog dem ublichen Verfahren der Dispersions- theorie, an: (5)

1) Ph. Frank, Wiener Sitzungsber., math.-naturw. Ki. 117. Abt. Ira. Februar 1908.

Annalen der Physik. 1%'. Bolge. 28. 28

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426 Cl. Schaefer.

e' ist ein Proportionalitatsfaktorl), den man als die (unend- lich kleine) Elektrizitatsmenge interpretieren kann, die in einem Punkte oder genauer in einem unendlich kleinen Stucke der ,,Saite" konzentriert ist; die Summe ist fur alle Punkte der ,,Saite", d. h. fur alle Werte von x zwischen 0 und 1 zu bilden.

Dazu tritt endlich noch die I. Hauptgleichung der Max- wellschen Theorie,

- curl,@, 1 as, (6) c a t

-

wo 8 und c die bekannten Bedeutungen haben. Durch Kombi- nation von (5) und (6) erhBlt man:

i a (X + 2 e' F) = curl, @, -- c a t

da wir rein periodische Vorgange betrachten, k b n e n wir setzen : X = U(x) . cos n t,

(8) = y(x) .cosnt . Dann liefert (4):

oder - 0 nav(x) - p ~ " ( x ) = e U(x) ,

3 * U( Q n2 y" (x) + - y (a?) = - P P (9)

Dazu kommen die Randbedingungen:

Zur Abkurzung setzen wir 0 na/p = ;1 und betrachten zunachst die freien Schwingungen, d. h. die Integrale der Gleichungen:

y"+ Ly = 0 , ypz=o = 0, yx,1= 0.

Es ist bekannt, daS diese Gleichungen nur fur bestimmte Werte yon A, die wir mit Ax bezeichnen wollen, erfullbar sind. Zu jedem Werte Lx gehort ein Funktionswert vX(x). Nach Hi lber ta ) nennen wir LX die Eigenwerte, y,(x) die Eigenfunktionen. Fur die Differentialgleichung (9) sind sowohl Eigenwerte als

1) Ein Faktor 47z, der sonst gewohnlich in (5) auftritt, ist a m Be-

2) D. Hi lbert , GGttinger Nschr. p. 49ff., 213ff. 1904. quemlichkeitsgriinden fortgelassen.

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auch Eigenfunktionen bekannt I); letztere sind trigonometrische Funktionen; von den Eigenwerten sei hier nur hemerkt, da6 der Wert A = O nicht zu ihnen gehort.

Nach diesen Vorbemerkungen kehren wir wieder zur Dis- kussion der Gleichungen (9) und (9a) zuruck. Die Liisung der- selben la6t sich in sehr eleganter Form vermittelst der von F r e d h o l m ,) begrundeten Theorie der Integralgleichungen geben.

Wir haben zunachst an Stelle der Differentialgleichung (9) und der Randbedingungen (9 a) eine bquivalente ,,Integral- gleichung" zu substituieren.

Dazu gelangt man nach K n e s e r g am einfachsten in folgender Weise: Wir bilden zwei Integrale der homogenen Gleichung q"= 0, von denen das eine (tou,) der Randbedingung am unteren Ende des Intervalles (z = 0), das andere (y.J der- jenigen fur x = 1 genugt. Dies Verfabren ist, wie in der Theorie der Integralgleichungen gezeigt wird, dann zulassig, wenn A= 0 kein Eigenwert iet, was hier bekanntlich zutrifft. Wir haben also:

vl=A,x+B1, { y, = A , x + B2* (10)

Da yl (==o) = 0 sein soll, folgt: B, = 0; ebenso ergibt sich: B, = - A,. Also:

- (10 4 w1 = A, "; Ip, = A, (x - 1).

Die Koeffizienten A, und A, werden iiun noch eingeschrankt durch die Forderung, dal3

91 %'- I p z If$'= 1

sein soll. setzen, und erbalt endgiiltig:

Dies liefert: A, A, = 1 ; also kann man A, = A , = 1

1) Ich fuhre diese Werte nur deshalb nicht in die Gleichungen ein, urn diesen trotz des sehr speziellen Beispieles ihren allgemeinen Charakter zu wahren.

2) Ivar Fredholm, Acta mathematics 27. p. 365. 1903. 3) A. Kneser, Math. Ann. 63. p. 477. 1907.

28 *

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428 CI. Schaefer.

Wir gehen jetzt zur Konstruktion einer Hilfsfunktion K iiber, die wir nach H i l b e r t den Kern der Integralgleichung nennen. Wir greifen innerhalb des Intervalles , in dem die Differentialgleichung (9) gilt, also zwischen x = 0 und x = 1 einen Punkt 8 heraus. Dann definieren wir unsere Hilfs- funktion R folgendermaBen:

fur 1.) O s x s E sei K ( x g ) = q , , ( x ) y , ( E ) , dagegen

fur 2.) 1 sei K (x g) = I,U~ (8) qz (x). x In unserem Falle ergibt sich in den beiden Gebieten:

1.1 K b E ) = X Q - 11, { 2.) K(z&g) = l(x - 1). (1 2)

‘Clm nun zu einer der Differentialgleichung (9) nebst den Rand- bedingungen (9 a) Lquivalenten Integralgleichung zu gelangen, ist es zweckma6ig , von einer etwas allgemeineren Gleichung, als (9) es ist, auszugehen. Dafur nehmen wir:

(9-) + (h - I) y = P(x) , d x d x

wo E etwa eine Konstante sei. Konstruiert man hier nach der oben gegebenen Vorschrift den Kern, indem man il = 0 (unter der Voraussetzung, daB dies kein Eigenwert sei) setzt, so sieht man, daB fur den Kern K ( x 8 ) die folgende Differential- gleichung gilt:

d (1 3 4 ds (In unserem speziellen Falle haben wir nachher nur I = 0 zu nehmen, und F ( x ) durch - (e/p) U(x) zu ersetzen.) Durch Eli- mination von 1 aus (13) und (13a) ergibt sich dann sofort:

- (K’(xE)) - Z K ( X E ) = 0.

lntegrieren wir diese Gleichung nach x von x = 0 bis x = 1, d. h. innerhalb des Intervalles, in dem die Differentialgleichung (9) gilt, so folgt, wie leicht ersichtlich l) :

1) A. ICnaser, 1. c. p. 484, - Ich benutze diese Gelegenheit, urn Hrn. Prof. Kneser , der mich auf rneine Bitte hin in die Theorie der Integralgleichungen einfuhrte, fur seine liebenawurdige Hilfe meinen besten Dank zu sagen.

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1 1

Setzen wir noch zur Abkurzung:

(15) - - j K ( x E m W x = f W ? 0

so erhalten wir schlie6lich die gewohnliche Form der in- homogenen Integralgleichung:

I n

(1 6) Y (6) - a J K (x 6) sp (x) d z = f ~ ) .

Setzt man hier fur K ( x 6 ) und f (s) nach (12) und (15) ihre Werte ein, so hat man i n (16) die zu der Differentialgleichung (9) und den Randbedingungen (9 a) gehorige Integralgleichung.

Es wird zweckmiiBig sein, gleich an dieser Stelle den Wert von f ( E ) zu berechnen.

0

Nach (15) ist: 1

f ( 6 ) = -JK (x 6) P(z) tl x = + P jthGBi U ( x ) d x .

Da aber nach (12) fur K(z6) oberhalb und unterhalb 6 ver- schiedene Definitionen gelten, so ist zu setzen:

0 0

1 e 1

An dieser Stelle ist es nun an der Zeit, eine neue Hypothese einzufiihren, namlich die, daS U(z) innerhalb des Intervalles von 0 bis 1 nicht merklich mit x variiert; physikalisch aus- gedriickt bedeutet das im wesentlichen, dab die Wellenlange der auffallenden Schwingung sehr groW im Vergleich zn der ,,Lange" der ,,Saite" ist. Diese Annahme ist physikalisch begriindet und wird in ahnlicher Form in allen Dispersions- theorien akzeptiert. Dann kann man in (17) U(z) vor das Integralzeichen nehmen und erhalt :

1 e 1

( 1 7 a ) J . ( s h ) U ( x ) d x = U(z)[~'~(h-l)dx+Se(z-l)ds], 0 0 a

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430 el. Schaefer.

woraus nach leichten Umrechnungen der gesuchte Wert fur f folgt: (18) f (8 = + U ( 4 E ( E - 1) * Die inhomogene Integralgleichung (16) hat nun, solange il+ A,, d. h. verschieden von einem der Eigenwerte ist, stets eine L8sung. Und zwar kann man diese Losung nach dem von E. Schmid t l) bewiesenen Satze allgemein schreiben:

Die Reihe auf der rechten Seite ist fur alle zulassigen Werte von A , d. h. fur alle il + A x , konvergent; T, (x) bedeutet die zum Eigenwerte 1, gehijrige Eigenfunktion.

Setzen wir in (1 9) unsere Werte fur K ( z C) und f (6) nach (12) und (18) ein, so folgt:

oder, wenn wir wieder U ( x ) vor das Integralzeichen ziehen:

oder, wenn wir

0

zur Abkurzung setzen: 00

(20) Y ( 6 ) = 6 U ( 4 [us - 1) + azxyq 1

woraus durch Multiplikation mit COB ?L t gemaS (8) sich ergibt:

1

1) E. Schmidt, Inaug.-Dies. Gattingen 1905.

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Bispemionstheorie und Serienspektren. 43 1

Nach (5) bzw. (7) haben wir nun zu bilden Ce’g, wobei der unter dem Sumrnenzeichen stehende Ausdruck fur jeden Punkt der Saite zu bilden ist; e’ ist, wie oben hervorgehoben, die Ladung, die sich auf einem unendlich kleinen Stuck der ,,SaitelL befindet. Geben wir also dem Punkte g eine Ver- schiebung um a!& so ist e’= e d t , da e die Ladungsdichtigkeit, d. h. in unserem Falle die Ladung pro Langeneiiiheit bedeutet, und die Summe C e ’ x geht in folgendes bestimmte Integral tiber: e J i d l . Bilden wir diesen Ausdruck nach (20a) so folgt:

0

Setzt man endlich diesen Ausdruck in (7) ein, so folgt:

oder, unter Benutzung der Abkurzungen:

e2 j 1 + -- I ( % - l ) d t = a ,

2 P U

1

endlich: m ..

- - (a 1 ax + a t

1

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432 Q. Schaefer.

Fiihrt man ferner statt A,, und h die Perioden T,, bzw. T ein, so folnt, da

ist :

wobei noch

gesetzt worden ist. Der Klammerausdruck auf der linken Seite ist aber nichts

anderes als das Quadrat des Brechungsexponenten u ; also er- halten wir schlieBlich folgende Dispersionsgleichung:

ill,' 2;2 = Nx

m

die den typischen Verlauf des Brechungsexponenten auBerhalb der Eigenperioden T,, wiedergibt; es mag noch einmal be- sonders hervorgehoben werden, daB die Reihe auf der rechten Seite konvergiert, solange die Periode des einfallenden Lichtes nicht mit einer der Eigenperioden ubereinstimmt. 1st dies jedoch der Pall, so versagt unsere Losung, weil wir die Dampfung vernachliissigt haben. Der EinfluB der letzteren wurde sich iibrigens leicht beriicksichtigen lassen; ich gehe hierauf nicht niiher ein, da es fur den Zweck der vorliegenden Untersuchung nicht von Belang ist.

Die gestellte Aufgabe, namlich die Schaffung einer branch- baren Dispersionsformel fiir Medien mit unendzicher Serie ist also im Prinzip a19 gelost zu betrachten.')

1) Ich bcmerke, daB die oben entwickelten theoretischen Uber- legungen sich ohne jede Schwierigkeit naturlich such auf die von Voig t gegebene Theorie des iuversen Zeemanphauomeus anwenden lasseu. Formal genommen ist j a die Voigtsche Theorie nichts anderes als eine erweiterte Dispersionstheorie. - Folgende Bemerkung ist vielleicht nicht uberflussig: Die in Ceisslerrohren zum Leuchten gebrachten Gase sind in Wirklichkeit ein Gemisch von leuchtendem und nichtleuchtendem Gas; suf ersterem Bestandteil allein bezieht sich Gleichung (23); daruber lagert sich denn noch die gewohniiche Dispersion des nichtleuch tenden Bestnndteiln.

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Bispersionstheorie und Serienspektren. 433

Bevor ich nun dazu ubergehe, den Fall der endlichen Serie zu betrachten, wollen wir erst einen Blick auf die experi- mentellen Tatsachen werfen, die man fur Unendlichkeit oder Endlichkeit der Serien ins Feld fuhren kann. Zunachst ist zu konstatier en, da6 eine unendliche Anzahl von Linien naturlich niemals heobachtet, sondern nur aus der Serienformel geschlossen worden ist. Das chsrakteristischete Beispiel ist der Wasser- stoff; dort sind im ganzen 29 Linien gemessen; jedoch hort mit den zuletzt gemessenen Linien das Spektrum keineswegs auf, sondern es schlie6t sich daren ein mit den benutzten Dispersionsapparaten nicht auflosbarer kontinuierlicher Grund, der ungefahr da endet, wo die letzte Linie der als unendlich vorausgesetzten Serie ihren Platz haben soll.

Diese Tatsache fugt sich der ,,Unendlichkeit'( der Serie aufs beste ein, weil die Beobachtung von diesem Standpunkt gerade so ausfallen mu6, wie sie tatsachlich vorliegt. Dagegen scheint mir diese Tatsache unvertraglich mit der Annahme, daB nur 29 Linien in der Wasserstoffserie vorhanden sein sollen. Denn dann ist der kontinuierliche Grund unerkliirlich. Dagegen besteht wieder volle Ubereinstimmung , wenn man zwar auf dem Standpunkte der Endlichkeit der Serien steht, aber die Zahl der Linien als sehr groB (vielleicht einige Hunderte) annimm t.

Ganz iihnlich liegen die Tatsachen mit der I. Hauptserie des Natriums, von der bisher nur 7 Linien bekannt waren; soeben ist es Wood') gelungen, die Zahl der Linien auf ca. 30 zu bringen. Auch hier schlie6t sich an die letzte Linie ein kontinuierlicher Grund an.

Zusammenfassend kann man also sagen, dafl die Tat- sachen in gleicher Weise mit der Auffassung der Unendlichkeit der Serie vereinbar sind, wie mit der Annahme, da6 sie zwar aus einer endlichen, aber sehr gropen Zahl von Linien bestehe.

Die Entscheidung fur Unendlichkeit oder Endlichkeit der Serie hat nun eine Bedeutiiug fur die Frage nach dem Emissionszentrum der Serie. Stellt man sich auf den ersten Standpunkt, so muB man die Schwingungen einem Rontinuierlich uerbreiteten Gebilde zuschreiben. Will man an dem allgemeinen

1) 8, W. Wood, Phil. Mag. (6) 16. p. 846. 1908,

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434 Cl. Schaefer.

Bilde festhalten, das uns die ubrigen Erfahrungen in Ver- bindung mit der Elektronentheorie von der Konstitution des Atoms nahegelegt haben, so bleibt kaum etwas anderes ubrig - so weit ich sehen kann - als die Emission der Serien ins einzehe Elektron zu verlegen. Sollte es sich als un- mijglich erweisen, dem Elektron solche Eigenschaften zu- zuschreiben, damit es diese Funktion erfullen kann, so wurde man a posteriori Zuni Schlusse gelangen, da6 die Serien nicht unendlich sein konneii, sondern nur aus einer groflen Anzahl von Linien bestehen. Diese letztere Auffassung ware dann - wie es bisher auch immer geschehen ist -, so zu deuten, da8 im Atom sehr zahlreiche Elektronen vorhanden sind, die ein System von sehr vielen Freiheitsgraden und Eigenschwingungen bilden. Diese letzteren wurden dann die Schwingungen der Serie bilden kijnnen.

Auch in diesem Falle bleiben die oben angestellten theoretischen Erwagungen zu Recht bestehen.

Denn ebenso, wie wir eine ,,Saite" in der Akustik - trotz ihrer atomistischen Struktur - als ein kontinuierliches Gebilde behandeln konnen und durfen, obwohl sie in Wirklichkeit nur eine sehr grope, aber endliche Anzahl von Eigenschwingungen besitzt, durfen wir auch hier das &us sehr vielen Elektronen bestehende System als ein ,,quasikontinuierliches" betrachten. Das ist ein Verfahren, das durch seine Resultate und seine Einfachheit in der Elastizitatslehre langst legitimiert ist.

Die theoretischen Entwickelungen, die wir zunachst fur die unendliche Serie gemacht haben, behalten also ihre Be- deutung auch im Falle der Endlichkeit der Serie bei.

Was nun noch zu geschehen hat, ist die Auffindung einer Differentialgleichung, deren Losungen die Gesetzma6igkeiten der Serien wiedergeben. In dieser Richtung sind bereits Resultate erhalten von W. Ritz') und - allerdings mehr andeutungsweise - von I. Fredholm..2) Die Ritzsche Diffe- ren tialgleichung ist naturlich wesentlich komplizierter, als die von mir zugrunde gelegte Gleichung der schwingenden Saite. Die Verbindung dieser Differentialgleichung mit den Maxwell-

1) W. Ri tz , Ann. d. Phys, 12. p. 264. 1903. 2) 1. Fredho lm, Compt. rend. 142. p. 506. 1906.

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Dispersionstileorie und Serienspektren. 435

schen Gleichungen wiirde die richtige Dispersionsformel fur leuchtende Gase ergeben , doch sind die mathematischen Schwierigkeiten hier betrachtlich.

Als Resultat dieser Arbeit mochte ich folgende Satze betrachten:

I. Unter Annahme der Unendlichheit der Serie wurde - prinzipiell - gezeigt, wie man in diesem Falle die Gleichungen der Dispersionstheorie anzusetzen hat. Das spezielle Beispiel, fur das die Untersuchung vollkornmen durchgefiihrt wurde, bietet gleichzeitig die Losung eines akusiischen Problems, namlich der erzwungenen Schwingungen einer Saite, dar. Diese Auf- gabe ist zwar vermutlich schon anderweitig behandelt , doch diirfte die Erledigung mit Hilfe der Theorie der Integral- gleichungen neu sein.

11. Nacht man dagegen die Annahme der Endliehkeit der Serien, so wurde gezeigt, da6 die auf die Dispersionstheorie bezuglichen Entwickelungen trotzdem ihre Bedeutung bei- behalten.

Bres lau , im August 1908, Physik. Institut d. Universitat.

(Eingegangen 5. Dezember 1908.)