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Thema 1 03/09 Dr. rer. nat. Pedersen Superbrokkoli Gewinnbringende Patente auf neue Blüten? Gentechnisch veränderte Pflanzen sind schon vielfach patentiert worden und verän- dern bereits unsere Agrarwelt. Welche Folgen kommen auf die Bauern und uns zu, wenn Patente auf Saatgut und Nutztiere viel schneller und leichter vergeben werden? Der Gesetzgeber hat das Patentrecht unklar formuliert, um auch biotechnologische Errungenschaften patentfähig zu machen. Aber genau diese Unklarheit in der Gen- Patentrichtlinie der Europäischen Union (EU) führt dazu, dass es bald Patente auf Le- ben geben könnte. Die Grundsatzentscheidung steht noch aus. Europäisches Patentamt EU-Patentrichtlinie Leider geben die EU Biopatent-Richtlinie 98/44/EG und der Artikel 53(b) des Europäi- schen Patent Übereinkommens (EPÜ) keine scharfe Trennlinie vor. Diese Grauzone ergibt sich aus der jüngeren Geschichte des Pa- tentwesens, so die Meinung des Rechtsex- perten für Biopatente beim Europäischen Pa- tentamt (EPA) [1]. Ziel der Patentvergeber war es, einer Naturstoffdoktrin zu entrinnen, die sagt: „Das ist in der Natur schon drin, also kann das gar keine Erfindung mehr sein.“ Grundsätzlich sollte ein Schutz und damit För- derung biotechnologischer Entwicklungen möglich sein. Diese überarbeitete Version wurde nach einer beispiellosen Kampagne von der gentechnologischen Industrie durch das Europäische Parlament gebracht [2]. So wurden behinderte Jugendliche mobilisiert, die den Parlamentariern erklärten, dass die biotechnologische Industrie nicht in lebens- rettende Therapien und Heilbehandlung in- vestieren würde, würde die Forschung nicht mit Patenten belohnt. Die Gen-Patentrichtlinie der EU lässt Patente auf „im wesentlichen biologische Verfahren zur Züchtung von Pflanzen und Tieren“ nicht zu, erlaubt aber derartige Patente, wenn das Ver- fahren nicht „vollständig auf natürlichen Phä- nomenen wie Kreuzung oder Selektion be- ruht.“ Wenn also einfache technische Ele- mente wie eine Gen-Diagnose im Falle des Su- perbrokkolis hinzukommen, können ganz normale Züchterverfahren zum Inhalt von Pa- tenten werden [3]. Der Präzedenzfall: Brassica oleracea – der Superbrokkoli Das bereits 2002 erteilte Patent auf den Su- perbrokkoli ist ein Patentfall, der seither bei der Großen Beschwerdekammer des Euro- päischen Patentamts anhängig ist. Der Fall wurde dorthin verwiesen, weil dieses höchs- te Entscheidungsgremium innerhalb des EPA die endgültige Entscheidung fällen wird. Die- ser Fall wird als Präzedenzfall für alle weite- ren Patente auf konventionelles Saatgut gel- ten. Es geht um ein Verfahren zur selektiven Erhöhung der antikarzinogenen Glucosinate beim Brokkoli – und dies mit konventionellem Saatgut und konventionellen Züchtungsme- thoden. Denn es handelt sich nicht um eine gentechnisch veränderte Pflanze. In diesem Jahr wird es zu ersten öffentlichen Anhörun- gen in diesem Fall kommen, für 2010 wird dann eine Entscheidung erwartet [4]. Im Jahr 2002 erhielt die britische Firma Plant Bioscience Limited auf eine Züchtungsme- thode das Patent, die das Glucosinolat Sulp- horaphan in 100-fach höherer Konzentration in die Röschen des Brokkolis treibt. Dabei er- hebt Plant Bioscience nicht nur Ansprüche auf den Superbrokkoli als Ganzes, sondern auch auf die Röschen, den Blütenstand und die Zel- len der Pflanze. Damit ist der Brokkoli quasi in jeder Form patentiert, und jeder Gemüse- bauer muss Lizenzgebühren an den Inhaber des Patents abführen. Limagrain und Syngenta sind ebenfalls Pflan- zenzuchtbetriebe und Konkurrenten zu Plant Bioscience. Sie haben gegen das Brokkoli- Patent Beschwerde eingelegt, mit dem Argu- ment, dass es im Wesentlichen biologische Verfahren sind, die nach der EU-Biopatent- Richtlinie und EPÜ nicht patentierbar sind. Wird das Patent widerrufen, so wird es in Europa und weltweit in Zukunft schwieriger, ähnliche Patente auf konventionelles Saatgut zu gewähren. Es gilt allerdings als wahrscheinlich, dass die Firmen mit ihrer Beschwerde das EPA zwin- gen möchten, die Patentierung von konven- tionellem Saatgut zu bestätigen. Denn sie ha- ben ähnliche Patente eingereicht. Offener Brief an das EPA Ein internationales Bündnis von Bauernver- bänden, Umwelt- und Entwicklungsorganisa- tionen aus Asien, Europa, Süd- und Nord- amerika hat einen globalen Aufruf an die Gro- ße Beschwerdekammer des Europäischen Pa- tentamts gerichtet. Es soll weltweit mobil ge- macht werden gegen die Patentierung von Saatgut und Nutztieren. Nähere Informationen sind unter der mehrsprachigen Website www.nopatents-on-seeds.org zu finden. Dort kann auch der Brokkoli-Fall aktuell mitverfolgt werden. Hier finden Sie auch die Petition zur Unterzeichnung, mit der das Bündnis das EPA davon abhalten möchte, Patente auf konven- tionelle Züchtung von Pflanzen und Tieren zu erteilen. Patentierung von Leben Bestrebungen der Industrie Zurzeit beherrschen zehn Multis ungefähr die Hälfte des Saatguthandels [3]. Eine Patentierung konventioneller Züchtungsverfahren hätte katastrophale Folgen für die Landwirtschaft, den Verbraucher und letztlich für die Umwelt. Das Interesse der Lebensmittelkonzerne und Zuchtunternehmen wächst drastisch, die An- zahl der Patent-Anmeldungen in diesem Be- reich hat sich in den letzten Jahren mehr als verdoppelt. Im Übrigen verdient das Patent- amt ganz erträgliche Sümmchen mit der Ver- gabe der Patente. Die Organisation Green- peace spricht von zahlreichen Verflechtungen zwischen Industrie und Patentamt. So sind zahlreiche Wissenschaftler inzwischen von der Industrie ins Patentamt gewechselt. Die Türen seien nach beiden Seiten offen. Folgen für die Agrarwirtschaft Eine Bestätigung des Brokkoli-Patents würde letztlich eine Enteignung der Bauern bedeu- ten, da sie ihr zurückbehaltenes Saatgut nicht mehr verwenden dürften. Immerhin tun dies bislang der überwiegende Teil der 1,5 Milliar- den Bauern weltweit. Hinzu kommt, dass Mon- santo und Co. vermehrt Saatgut anbieten, das nur noch einjährig ist. Der Landwirt der Zukunft wäre komplett abhängig von einer stark monopolistischen Zuchtindustrie, und dies sowohl bei der Pflanze wie beim Tier. So hat beispielsweise Monsanto bereits heute Quelle: www.pixelio.de / Maren Beßler

Dr. rer. nat. Pedersen Superbrokkoli Quelle: ...drpedersen.de/publikationen/Susanne/Comed/2009... · Thema 03/09 1 Dr. rer. nat. Pedersen Superbrokkoli Gewinnbringende Patente auf

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Thema

103/09

Dr. rer. nat. Pedersen

SuperbrokkoliGewinnbringende Patente auf neue Blüten?

Gentechnisch veränderte Pflanzen sind schon vielfach patentiert worden und verän-dern bereits unsere Agrarwelt. Welche Folgen kommen auf die Bauern und uns zu,wenn Patente auf Saatgut und Nutztiere viel schneller und leichter vergeben werden?Der Gesetzgeber hat das Patentrecht unklar formuliert, um auch biotechnologischeErrungenschaften patentfähig zu machen. Aber genau diese Unklarheit in der Gen-Patentrichtlinie der Europäischen Union (EU) führt dazu, dass es bald Patente auf Le-ben geben könnte. Die Grundsatzentscheidung steht noch aus.

Europäisches Patentamt

EU-Patentrichtlinie

Leider geben die EU Biopatent-Richtlinie98/44/EG und der Artikel 53(b) des Europäi-schen Patent Übereinkommens (EPÜ) keinescharfe Trennlinie vor. Diese Grauzone ergibtsich aus der jüngeren Geschichte des Pa-tentwesens, so die Meinung des Rechtsex-perten für Biopatente beim Europäischen Pa-tentamt (EPA) [1]. Ziel der Patentvergeber wares, einer Naturstoffdoktrin zu entrinnen, diesagt: „Das ist in der Natur schon drin, alsokann das gar keine Erfindung mehr sein.“Grundsätzlich sollte ein Schutz und damit För-derung biotechnologischer Entwicklungenmöglich sein. Diese überarbeitete Versionwurde nach einer beispiellosen Kampagnevon der gentechnologischen Industrie durchdas Europäische Parlament gebracht [2]. Sowurden behinderte Jugendliche mobilisiert,die den Parlamentariern erklärten, dass diebiotechnologische Industrie nicht in lebens-rettende Therapien und Heilbehandlung in-vestieren würde, würde die Forschung nichtmit Patenten belohnt.

Die Gen-Patentrichtlinie der EU lässt Patenteauf „im wesentlichen biologische Verfahren zurZüchtung von Pflanzen und Tieren“ nicht zu,erlaubt aber derartige Patente, wenn das Ver-fahren nicht „vollständig auf natürlichen Phä-nomenen wie Kreuzung oder Selektion be-ruht.“ Wenn also einfache technische Ele-mente wie eine Gen-Diagnose im Falle des Su-perbrokkolis hinzukommen, können ganznormale Züchterverfahren zum Inhalt von Pa-tenten werden [3].

Der Präzedenzfall: Brassica oleracea – der SuperbrokkoliDas bereits 2002 erteilte Patent auf den Su-perbrokkoli ist ein Patentfall, der seither beider Großen Beschwerdekammer des Euro-päischen Patentamts anhängig ist. Der Fallwurde dorthin verwiesen, weil dieses höchs-

te Entscheidungsgremium innerhalb des EPAdie endgültige Entscheidung fällen wird. Die-ser Fall wird als Präzedenzfall für alle weite-ren Patente auf konventionelles Saatgut gel-ten. Es geht um ein Verfahren zur selektivenErhöhung der antikarzinogenen Glucosinatebeim Brokkoli – und dies mit konventionellemSaatgut und konventionellen Züchtungsme-thoden. Denn es handelt sich nicht um einegentechnisch veränderte Pflanze. In diesemJahr wird es zu ersten öffentlichen Anhörun-gen in diesem Fall kommen, für 2010 wirddann eine Entscheidung erwartet [4].

Im Jahr 2002 erhielt die britische Firma PlantBioscience Limited auf eine Züchtungsme-thode das Patent, die das Glucosinolat Sulp-horaphan in 100-fach höherer Konzentrationin die Röschen des Brokkolis treibt. Dabei er-hebt Plant Bioscience nicht nur Ansprüche aufden Superbrokkoli als Ganzes, sondern auchauf die Röschen, den Blütenstand und die Zel-len der Pflanze. Damit ist der Brokkoli quasiin jeder Form patentiert, und jeder Gemüse-bauer muss Lizenzgebühren an den Inhaberdes Patents abführen.

Limagrain und Syngenta sind ebenfalls Pflan-zenzuchtbetriebe und Konkurrenten zu PlantBioscience. Sie haben gegen das Brokkoli-Patent Beschwerde eingelegt, mit dem Argu-ment, dass es im Wesentlichen biologischeVerfahren sind, die nach der EU-Biopatent-Richtlinie und EPÜ nicht patentierbar sind.Wird das Patent widerrufen, so wird es inEuropa und weltweit in Zukunft schwieriger,ähnliche Patente auf konventionelles Saatgutzu gewähren.

Es gilt allerdings als wahrscheinlich, dass dieFirmen mit ihrer Beschwerde das EPA zwin-gen möchten, die Patentierung von konven-tionellem Saatgut zu bestätigen. Denn sie ha-ben ähnliche Patente eingereicht.

Offener Brief an das EPA

Ein internationales Bündnis von Bauernver-bänden, Umwelt- und Entwicklungsorganisa-tionen aus Asien, Europa, Süd- und Nord-

amerika hat einen globalen Aufruf an die Gro-ße Beschwerdekammer des Europäischen Pa-tentamts gerichtet. Es soll weltweit mobil ge-macht werden gegen die Patentierung vonSaatgut und Nutztieren. Nähere Informationensind unter der mehrsprachigen Websitewww.nopatents-on-seeds.org zu finden. Dortkann auch der Brokkoli-Fall aktuell mitverfolgtwerden. Hier finden Sie auch die Petition zurUnterzeichnung, mit der das Bündnis das EPAdavon abhalten möchte, Patente auf konven-tionelle Züchtung von Pflanzen und Tieren zuerteilen.

Patentierung von Leben

Bestrebungen der Industrie

Zurzeit beherrschen zehn Multis ungefähr dieHälfte des Saatguthandels [3].

Eine Patentierung konventionellerZüchtungsverfahren hätte

katastrophale Folgen für dieLandwirtschaft, den Verbraucher

und letztlich für die Umwelt.

Das Interesse der Lebensmittelkonzerne undZuchtunternehmen wächst drastisch, die An-zahl der Patent-Anmeldungen in diesem Be-reich hat sich in den letzten Jahren mehr alsverdoppelt. Im Übrigen verdient das Patent-amt ganz erträgliche Sümmchen mit der Ver-gabe der Patente. Die Organisation Green-peace spricht von zahlreichen Verflechtungenzwischen Industrie und Patentamt. So sindzahlreiche Wissenschaftler inzwischen vonder Industrie ins Patentamt gewechselt. DieTüren seien nach beiden Seiten offen.

Folgen für die Agrarwirtschaft

Eine Bestätigung des Brokkoli-Patents würdeletztlich eine Enteignung der Bauern bedeu-ten, da sie ihr zurückbehaltenes Saatgut nichtmehr verwenden dürften. Immerhin tun diesbislang der überwiegende Teil der 1,5 Milliar-den Bauern weltweit. Hinzu kommt, dass Mon-santo und Co. vermehrt Saatgut anbieten,das nur noch einjährig ist. Der Landwirt derZukunft wäre komplett abhängig von einerstark monopolistischen Zuchtindustrie, unddies sowohl bei der Pflanze wie beim Tier. Sohat beispielsweise Monsanto bereits heute

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Thema

2 03/09

ein Patent auf das Leptin-Gen von Schweinenaus konventioneller Züchtung und verklagt in-zwischen zahlreiche Schweinehalter in USAund Kanada.

Gen-Monopol

Eine weitgehende Patentierung der Arten imPflanzen- und Tierreich hätte eine fortschrei-tende Abnahme der Artenvielfalt und nochmehr Monokulturen zur Folge. Außerdem stün-de einer grenzenlosen gentechnischen Verän-derung nach dieser Monopolisierung der Na-tur-DNA nichts mehr im Wege!

Fazit

Wie formuliert schon Jeremy Rifkin so treffend[4]: „Wenn wir weiterhin an der Fiktion fest-halten, dass die Natur bloß eine Lagerstättevon Ressourcen ist, die wir nur entziffern undfür unsere kurzfristigen Ziele umprogrammie-ren müssen, dann riskieren wir, uns dem Irr-glauben hinzugeben, wir genössen einen Son-derstatus – was ernste Folgen für unsere ei-gene Zukunft wie die unserer Mitgeschöpfe hät-te.“

Denn … machen wir uns nichts vor. Die Pa-tentierung des natürlichen Genpools machtauch nicht vor uns Menschen halt.

L i t e r a t u r h i n w e i s e[1] Zinkant, Kathrin: Patentiertes Gemüse.FAZ.NET, http://www.faz.net/s/Rub268AB64801534CF288DF93BB89F2D797/Doc~EE440C6F4169F4C389675B94726170CEE~ATpl~Ecommon~Scontent~Afor~Eprint.html, zu-letzt angesehen 21.1.09.[2] Der Brokkoli Fall (Plant Bioscience),http://www.nopatents-on-seeds.org, zuletztangesehen 25.01.09[3] Jellen, Reinhard: Wie der Brokkoli die Weltverändert. Telepolis, Heise Zeitschriften Ver-lag, http://www.heise.de/tp/r4/artikel/24/24949/1.html, zuletzt angesehen 21.1.09.[4] Rifkin, Jeremy: Das biotechnische Zeital-ter – Die Geschäfte mit der Gentechnik. Cam-pus Verlag Frankfurt, 2007.

Dr. rer. nat. Susanne PedersenStu di um der Wirt schafts -ma the ma tik in Ulm, seit1999 in ei ge ner Pra xis alsHeil prak ti ke rin mit denSchwer punk ten Elekt ro -

aku punk tur nach Dr. Voll, Or tho mo le ku la re Me- di zin und Dorn the ra pie tä tig. Adi po si tas the -ra pie mit dem fo re ver-young-Kon zept. Durchen ge Zu sam men ar beit mit der Zahn arzt pra -xis ih res Man nes Dr. med. dent. Jür gen Pe- der sen Ein be zie hung von Zäh nen und zahn- ärzt li chen Werk stof fen in Di ag nos tik und The- ra pie. 2005 Pro mo ti on in Me di zi nin for ma tikzum Dr. rer. nat. mit dem Schwer punkt „In -ter ope ra bi li tät im Ge sund heits we sen“. Siebe treut in CO’MED die stän di ge Ru brik „Ge -sund heits po li tik“.

Kon takt:Quel len tal 2, D-26340 Neu en burg

Tel.: 04452 / 1299pra xis@drpe der sen.de, www.drpe der sen.de