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© linke Hälfte: Marion Schiele | rechte Hälfte: hg merz Hochbau Drei Jahrhunderte gebaute Operngeschichte Die Staatsoper Unter den Linden gilt allgemein als das Werk Friedrichs des Großen und seines Architekten Knobelsdorff. Das stetig unter Modernisierungsfreude stehende Denkmal offenbart jedoch bei näherer Betrachtung eine beispiellose Mehrschichtigkeit, zusammengehalten von Wachstums- und Altersringen aus drei Jahrhunderten Berliner, gesamtdeutscher und europäischer Bau- geschichte. Am 11. August 1949 meldet die Berliner Zeitung, die Linden- oper solle als Konservatorium wieder aufgebaut werden. Sie beruft sich dabei auf den Beschluss des Ministeriums für Volksbildung und den Vorentwurf des für den Wiederaufbau aus Shanghai zurückgekehrten Bauhaus-Architekten Richard Paulick. Das Ende der „Ära Lindenoper“ schien nach 207 Jahren zugunsten einer Musikhochschule öffentlich eingeläutet wor- den zu sein. Gegen diesen Beschluss regt sich jedoch starker Widerstand. Die Oper im Mittelpunkt des Forum Friderizianum Der junge Kronprinz Friedrich II. skizzierte in den gemeinsamen Jahren in Rheinsberg mit seinem Zeichenlehrer und Freund Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff erste städtebauliche Pläne für das Forum Friderizianum – eine große symmetrische Anlage am Beginn des Prachtboulevards Unter den Linden. Neben den schon vorhandenen Kronprinzen- und Prinzesinnenpalais und dem Zeughaus sollte als wichtiger Prachtbau das „Palais du Roi“ entstehen, dessen Gegenüber die Akademie der Wissen- schaften und das Opernhaus flankieren und den Schloßplatz bilden sollten. Das Opernhaus war des 1740 gekrönten Königs liebstes und höchstes Anliegen und wurde nach nur zwei Jahren Bauzeit feierlich eröffnet. Bei der Eröffnung erstrahlte der Preußenkönig als weltoffener Förderer der Künste, der die Hauptstadt zur geistig-kulturellen Metropole ausbaute. Zum ersten Mal übernahm ein Architekt die Gesamtplanung eines Theaterbaus, denn üblicherweise entwarf ein Theaterarchitekt das Innere und ein Hochbaumeister das Äußere. So war es Knobelsdorff möglich, die neopalladianische Fassade und den reduziert verspielten friderizianischen Rokoko des Innenraums meisterhaft und höchst spannungsvoll miteinander zu ver- knüpfen. In der 200-jährigen Geschichte bis zur Kriegszerstö- rung 1944 erfuhr die Oper im Wesentlichen fünf Veränderun- gen. 1843 zerstörte ein großer Brand das Innere des Gebäudes. Alle weiteren Umbauten waren Ausdruck des Modernisierungs- willens: Die kontinuierliche Vergrößerung des Opernhauses war den steigenden Anforderungen an Besucherkomfort und Bühnentechnik geschuldet. Dabei sind die immer wieder vorge- nommenen Änderungen an der Gebäudekubatur – bis auf die Ausnahme des übermächtig wirkenden Bühnenturms von 1910 – sanft in das städtebauliche Erbe in Berlins Mitte eingebettet worden.

Drei Jahrhunderte gebaute Operngeschichte€¦ · Pilaster (g) insgesamt nach oben zu verschieben und bis zur Höhe der Loge ein . Posta-ment (h) einzuführen. Kommunikation, Am Köllnischen

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Page 1: Drei Jahrhunderte gebaute Operngeschichte€¦ · Pilaster (g) insgesamt nach oben zu verschieben und bis zur Höhe der Loge ein . Posta-ment (h) einzuführen. Kommunikation, Am Köllnischen

© linke Hälfte: Marion Schiele | rechte Hälfte: hg merzHochbau

Drei Jahrhunderte gebaute OperngeschichteDie Staatsoper Unter den Linden gilt allgemein als das Werk Friedrichs des Großen und seines Architekten Knobelsdorff. Das stetigunter Modernisierungsfreude stehende Denkmal offenbart jedoch bei näherer Betrachtung eine beispiellose Mehrschichtigkeit, zusammengehalten von Wachstums- und Altersringen aus drei Jahrhunderten Berliner, gesamtdeutscher und europäischer Bau-geschichte.

Am 11. August 1949 meldet die Berliner Zeitung, die Linden-oper solle als Konservatorium wieder aufgebaut werden. Sie beruft sich dabei auf den Beschluss des Ministeriums für Volksbildung und den Vorentwurf des für den Wiederaufbau aus Shanghai zurückgekehrten Bauhaus-Architekten Richard Paulick. Das Ende der „Ära Lindenoper“ schien nach 207 Jahrenzugunsten einer Musikhochschule öffentlich eingeläutet wor-den zu sein. Gegen diesen Beschluss regt sich jedoch starker Widerstand.

Die Oper im Mittelpunkt des Forum FriderizianumDer junge Kronprinz Friedrich II. skizzierte in den gemeinsamen Jahren in Rheinsberg mit seinem Zeichenlehrer und Freund Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff erste städtebauliche Pläne für das Forum Friderizianum – eine große symmetrische Anlage am Beginn des Prachtboulevards Unter den Linden. Neben den schon vorhandenen Kronprinzen- und Prinzesinnenpalais und dem Zeughaus sollte als wichtiger Prachtbau das „Palais du Roi“ entstehen, dessen Gegenüber die Akademie der Wissen-schaften und das Opernhaus flankieren und den Schloßplatz bilden sollten. Das Opernhaus war des 1740 gekrönten Königs

liebstes und höchstes Anliegen und wurde nach nur zwei Jahren Bauzeit feierlich eröffnet. Bei der Eröffnung erstrahlte der Preußenkönig als weltoffener Förderer der Künste, der die Hauptstadt zur geistig-kulturellen Metropole ausbaute. Zum ersten Mal übernahm ein Architekt die Gesamtplanung eines Theaterbaus, denn üblicherweise entwarf ein Theaterarchitektdas Innere und ein Hochbaumeister das Äußere. So war es Knobelsdorff möglich, die neopalladianische Fassade und den reduziert verspielten friderizianischen Rokoko des Innenraums meisterhaft und höchst spannungsvoll miteinander zu ver-knüpfen. In der 200-jährigen Geschichte bis zur Kriegszerstö-rung 1944 erfuhr die Oper im Wesentlichen fünf Veränderun-gen. 1843 zerstörte ein großer Brand das Innere des Gebäudes. Alle weiteren Umbauten waren Ausdruck des Modernisierungs-willens: Die kontinuierliche Vergrößerung des Opernhauses war den steigenden Anforderungen an Besucherkomfort und Bühnentechnik geschuldet. Dabei sind die immer wieder vorge-nommenen Änderungen an der Gebäudekubatur – bis auf die Ausnahme des übermächtig wirkenden Bühnenturms von 1910 – sanft in das städtebauliche Erbe in Berlins Mitte eingebettet worden.

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Der „kastig“ wirkende Bühnenturm von 1910 galt von jeher als ein städtebaulicher Makel

Wiederaufbau durch Richard PaulickNach der Kapitulation 1945 lag das Opernhaus in Schutt und Asche. Die historischen Außenmauern des Zuschauerhauses hatten die Bombardements zwar überstanden, der Saal jedochwar zerstört worden. Dies veranlasste die Staatsführung der DDR gemeinsam mit dem Architekten Richard Paulick zur Umplanung der Lindenoper in ein Konservatorium und zur Planung einer neuen, „Großen Staatsoper“ am geplanten Marx-Engels-Platz. Der designierte Generalmusikdirektor Erich Kleiber knüpfte jedoch seine Berufung an die Bedingung, die Lindenoper wieder als Opernhaus aufzubauen. Auf seinen mas-siven Widerstand hin beschloss im Juni 1951 Staatspräsident Wilhelm Pieck höchstpersönlich, „daß die Lindenoper unter Wahrung der Knobelsdorffschen Architektur wiederhergestellt werden soll...“ Kleiber hatte damit eine weitere Umgestaltung nach sozialistischem Vorbild in Berlins historischer Mitte erfolgreich abgewendet.

Bei der Gestaltung des Außenbaus orientierte sich Paulick weit-gehend am Knobelsdorffschen Vorbild, worin ihm Dr. Willy Kurth – ein ausgewiesener Kenner Knobelsdorffs und Direktor der Schlösser und Gärten von Sanssouci – intensiv zur Seite stand. Eine lang ersehnte Verbesserung brachte der neue Büh-nenturm, der in intensiver Zusammenarbeit mit dem Bühnen-

fachmann Kurt Hämmerling um fünf Meter abgegesenkt wer-den konnte. Durch die Verringerung seiner übermäßigen Dimension, fügte er sich nun subtil in die Einheit des Gesamt-baus ein. Paulick selbst bezeichnete seine Entwurfssystematik als ein „bewußte[s] Weiterentwickeln Knobelsdorffscher Form-gedanken“. Er griff »nationale Traditionen« auf und widersetz-te sich damit der westlichen, international orientierten Moder-ne. Für die Innenraumgestaltung verbrachte der Architekt gemeinsam mit 30 Mitarbeitern vier Monate im Schloß Sans-souci, um korinthische Säulen, Rokokodekorationen und die meisterhafte Kuppel des Marmorsaals zu vermessen. Mit dem dort gesammelten Vokabular gelang es Paulick im vollständig entkernten Operninnenraum durch die „Übernahme und Kom-bination von Versatzstücken ein stilistisch vollkommen harmo-nisch erscheinendes Ganzes zu entwerfen“ und ein Meister-werk des Wiederaufbaus zu vollbringen.

„Authentisch ist ein Denkmal also weniger, weil es für Originalität im Sinne eines Urzustandes bürgt, sondern im Sinne des historisch gewordenen Zustandes, in dem es heute Vergangenheit ver- gegenwärtigt, erlittene historische Veränderun-gen, ja selbst Verluste eingeschlossen.“Jörg Haspel, Landeskonservator Berlin

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1742 Knobelsdorff1844 Langhans d.J.1910 Umbauten1928 Fürstenau1942 Meffert1955 Paulick1987 Umbauten

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WeiterbauenDie notwendige Generalinstandsetzung des seit 1979 unter Denkmalschutz stehenden Bauwerks findet seit 2009 unter der Leitung von Prof. HG Merz statt.

Sie verbessert die Infrastruktur hinsichtlich Barrierefreiheit, Klimatechnik, Sicherheit und Brandschutz. Die äußere Bauform des Operngebäudes wird dabei bewahrt und in Details sensibel restauriert. Im Innenraum werden denkmalpflegerische Ent-scheidungen in einer stetigen Abwägung zwischen den Anfor-derungen an einen modernen Theaterbetrieb und dem Erhal-tungsinteresse getroffen. Im Zuschauersaal etwa wird vom Parkett bis zum 3. Rang der Saal restauriert und wieder in die Farbgestaltung der 1955er Jahre überführt.

Die seither hinzugekommenen Farbschichten und Stoffbespan-nungen werden entfernt und das Gesamtwerk Paulicks freige-legt.

Das bis zur Spielzeit 2014 andauernde Modernisie-rungsvorhaben wird ein weiteres Kapitel in der wechselhaften Baugeschichte der Lindenoper schreiben.

Oberhalb der Ränge wird die historische Saaldecke (a) um 5 Meter angehoben, um das Volumen zu erweitern und so die Nachhallzeit zu verlängern.

Als neuer Abschluss über dem Bestand entsteht ein Kranz-gesims (b), welches sich aus dem bestehenden Gebälk (c) am Proszenium entwickelt und den horizontalen Rhythmus des angehobenen Randbalkens (d) sensibel ausfüllt.

Vor die entstandene Nachhallgalerie (e) legt sich ein Rauten-muster, dessen Gestaltung dem Formenkanon des Denkmals folgt, gleichzeitig aber mit modernster Fabrikation und Materi-alität Neuland beschreiten wird.

Die schalloffene Struktur (f) schließt visuell die entstandene Lücke und knüpft an die angehobene Originaldecke an. Die An-hebung der Decke erfordert, um die bestehende Saalproportion (11:5) zu wahren, auch eine Anhebung bzw. Verlängerung des Proszeniums.

Die feinfühlige Lösung sieht vor, die Pilaster (g) insgesamt nach oben zu verschieben und bis zur Höhe der Loge ein Posta-ment (h) einzuführen.

Kommunikation, Am Köllnischen Park 3, 10179 Berlin, [email protected], www.stadtentwicklung.berlin.de

Quelle: LDA

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Wiederaufbau durch Richard PaulickNach der Kapitulation 1945 lag das Opernhaus in Schutt und Asche. Die historischen Außen-mauern des Zuschauerhauses hatten die Bom-bardements zwar überstanden, der Saal jedoch war zerstört worden. Dies veranlasste die Staatsführung der DDR gemeinsam mit dem Architekten Richard Paulick zur Umplanung der Lindenoper in ein Konservatorium und zur Planung einer neuen, „Großen Staatsoper“ am geplanten Marx-Engels-Platz. Der designierte Generalmusikdirektor Erich Kleiber knüpfte jedoch seine Berufung an die Bedingung, die Lindenoper wieder als Opernhaus aufzubauen. Auf seinen massiven Widerstand hin beschloss im Juni 1951 Staatspräsident Wilhelm Pieck höchstpersönlich, „daß die Lindenoper unter Wahrung der Knobelsdorffschen Architektur wiederhergestellt werden soll...“ Kleiber hatte damit eine weitere Umgestaltung nach sozia-listischem Vorbild in Berlins historischer Mitte erfolgreich abgewendet.

„Authentisch ist ein Denkmal also weni-ger, weil es für Originalität im Sinne eines Urzustandes bürgt, sondern im Sinne des historisch gewordenen Zu- standes, in dem es heute Vergangenheit vergegenwärtigt, erlittene historische Veränderungen, ja selbst Verluste einge-schlossen.“ Jörg Haspel, Landeskonservator Berlin

Bei der Gestaltung des Außenbaus orientierte sich Paulick weitgehend am Knobelsdorff-schen Vorbild, worin ihm Dr. Willy Kurth – ein ausgewiesener Kenner Knobelsdorffs und Direktor der Schlösser und Gärten von Sans-souci – intensiv zur Seite stand. Eine lang er-sehnte Verbesserung brachte der neue Büh-nenturm, der in intensiver Zusammenarbeit mit dem Bühnenfachmann Kurt Hämmerling um fünf Meter abgegesenkt werden konnte. Durch die Verringerung seiner übermäßigen Dimension, fügte er sich nun subtil in die Einheit des Gesamtbaus ein. Paulick selbst bezeichnete seine Entwurfssystematik als ein „bewußte[s] Weiterentwickeln Knobelsdorff-scher Formgedanken“. Er griff »nationale Tradi-tionen« auf und widersetzte sich damit der westlichen, international orientierten Moderne. Für die Innenraumgestaltung verbrachte der Architekt gemeinsam mit 30 Mitarbeitern vier Monate im Schloß Sanssouci, um korinthische Säulen, Rokokodekorationen und die meister-hafte Kuppel des Marmorsaals zu vermessen. Mit dem dort gesammelten Vokabular gelang es Paulick im vollständig entkernten Opern-innenraum durch die „Übernahme und Kombi-nation von Versatzstücken ein stilistisch voll-kommen harmonisch erscheinendes Ganzes zu entwerfen“ und ein Meisterwerk des Wieder-aufbaus zu vollbringen.

WeiterbauenDie notwendige Generalinstandsetzung des seit 1979 unter Denkmalschutz stehenden Bauwerks findet seit 2009 unter der Leitung von Prof. HG Merz statt. Sie verbessert die Infrastruktur hinsichtlich Barrierefreiheit, Klimatechnik, Sicherheit und Brandschutz. Die äußere Bauform des Operngebäudes wird dabei bewahrt und in Details sensibel restau-riert. Im Innenraum werden denkmalpflege-rische Entscheidungen in einer stetigen Ab-wägung zwischen den Anforderungen an einen modernen Theaterbetrieb und dem Erhaltungsinteresse getroffen. Im Zuschauer-saal etwa wird vom Parkett bis zum 3. Rang der Saal restauriert und wieder in die Farbge-staltung der 1955er Jahre überführt. Die seit-her hinzugekommenen Farbschichten und Stoffbespannungen werden entfernt und das Gesamtwerk Paulicks freigelegt. Oberhalb der Ränge wird die historische Saaldecke (a) um 5 Meter angehoben, um das Volumen zu er-weitern und so die Nachhallzeit zu verlängern.

Als neuer Abschluss über dem Bestand ent-steht ein Kranzgesims (b), welches sich aus dem bestehenden Gebälk (c) am Proszenium entwickelt und den horizontalen Rhythmus des angehobenen Randbalkens (d) sensibel ausfüllt. Vor die entstandene Nachhallgalerie (e) legt sich ein Rautenmuster, dessen Gestal-tung dem Formenkanon des Denkmals folgt, gleichzeitig aber mit modernster Fabrikation und Materialität Neuland beschreiten wird. Die schalloffene Struktur (f ) schließt visuell die entstandene Lücke und knüpft an die ange-hobene Originaldecke an. Die Anhebung der Decke erfordert, um die bestehende Saalpro-portion (11:5) zu wahren, auch eine Anhebung bzw. Verlängerung des Proszeniums. Die fein-fühlige Lösung sieht vor, die Pilaster (g) insge-samt nach oben zu verschieben und bis zur Höhe der Loge ein Postament (h) einzuführen.Das bis zur Spielzeit 2014 andauernde Moder-nisierungsvorhaben wird ein weiteres Kapitel in der wechselhaften Baugeschichte der Lin-denoper schreiben.

Der als „kastig“ wirkende Bühnenturm von 1910 galt von je her als ein städte-baulicher Makel

... bleibt der Zuschauersaal in bekannter Harmonie

Durch Beibehaltung der vorhandenen Proportionen...

© hg merz© hg merz

Kommunikation, Am Köllnischen Park 3, 10179 Berlin, [email protected], www.stadtentwicklung.berlin.de

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Wiederaufbau durch Richard PaulickNach der Kapitulation 1945 lag das Opernhaus in Schutt und Asche. Die historischen Außen-mauern des Zuschauerhauses hatten die Bom-bardements zwar überstanden, der Saal jedoch war zerstört worden. Dies veranlasste die Staatsführung der DDR gemeinsam mit dem Architekten Richard Paulick zur Umplanung der Lindenoper in ein Konservatorium und zur Planung einer neuen, „Großen Staatsoper“ am geplanten Marx-Engels-Platz. Der designierte Generalmusikdirektor Erich Kleiber knüpfte jedoch seine Berufung an die Bedingung, die Lindenoper wieder als Opernhaus aufzubauen. Auf seinen massiven Widerstand hin beschloss im Juni 1951 Staatspräsident Wilhelm Pieck höchstpersönlich, „daß die Lindenoper unter Wahrung der Knobelsdorffschen Architektur wiederhergestellt werden soll...“ Kleiber hatte damit eine weitere Umgestaltung nach sozia-listischem Vorbild in Berlins historischer Mitte erfolgreich abgewendet.

„Authentisch ist ein Denkmal also weni-ger, weil es für Originalität im Sinne eines Urzustandes bürgt, sondern im Sinne des historisch gewordenen Zu- standes, in dem es heute Vergangenheit vergegenwärtigt, erlittene historische Veränderungen, ja selbst Verluste einge-schlossen.“ Jörg Haspel, Landeskonservator Berlin

Bei der Gestaltung des Außenbaus orientierte sich Paulick weitgehend am Knobelsdorff-schen Vorbild, worin ihm Dr. Willy Kurth – ein ausgewiesener Kenner Knobelsdorffs und Direktor der Schlösser und Gärten von Sans-souci – intensiv zur Seite stand. Eine lang er-sehnte Verbesserung brachte der neue Büh-nenturm, der in intensiver Zusammenarbeit mit dem Bühnenfachmann Kurt Hämmerling um fünf Meter abgegesenkt werden konnte. Durch die Verringerung seiner übermäßigen Dimension, fügte er sich nun subtil in die Einheit des Gesamtbaus ein. Paulick selbst bezeichnete seine Entwurfssystematik als ein „bewußte[s] Weiterentwickeln Knobelsdorff-scher Formgedanken“. Er griff »nationale Tradi-tionen« auf und widersetzte sich damit der westlichen, international orientierten Moderne. Für die Innenraumgestaltung verbrachte der Architekt gemeinsam mit 30 Mitarbeitern vier Monate im Schloß Sanssouci, um korinthische Säulen, Rokokodekorationen und die meister-hafte Kuppel des Marmorsaals zu vermessen. Mit dem dort gesammelten Vokabular gelang es Paulick im vollständig entkernten Opern-innenraum durch die „Übernahme und Kombi-nation von Versatzstücken ein stilistisch voll-kommen harmonisch erscheinendes Ganzes zu entwerfen“ und ein Meisterwerk des Wieder-aufbaus zu vollbringen.

WeiterbauenDie notwendige Generalinstandsetzung des seit 1979 unter Denkmalschutz stehenden Bauwerks findet seit 2009 unter der Leitung von Prof. HG Merz statt. Sie verbessert die Infrastruktur hinsichtlich Barrierefreiheit, Klimatechnik, Sicherheit und Brandschutz. Die äußere Bauform des Operngebäudes wird dabei bewahrt und in Details sensibel restau-riert. Im Innenraum werden denkmalpflege-rische Entscheidungen in einer stetigen Ab-wägung zwischen den Anforderungen an einen modernen Theaterbetrieb und dem Erhaltungsinteresse getroffen. Im Zuschauer-saal etwa wird vom Parkett bis zum 3. Rang der Saal restauriert und wieder in die Farbge-staltung der 1955er Jahre überführt. Die seit-her hinzugekommenen Farbschichten und Stoffbespannungen werden entfernt und das Gesamtwerk Paulicks freigelegt. Oberhalb der Ränge wird die historische Saaldecke (a) um 5 Meter angehoben, um das Volumen zu er-weitern und so die Nachhallzeit zu verlängern.

Als neuer Abschluss über dem Bestand ent-steht ein Kranzgesims (b), welches sich aus dem bestehenden Gebälk (c) am Proszenium entwickelt und den horizontalen Rhythmus des angehobenen Randbalkens (d) sensibel ausfüllt. Vor die entstandene Nachhallgalerie (e) legt sich ein Rautenmuster, dessen Gestal-tung dem Formenkanon des Denkmals folgt, gleichzeitig aber mit modernster Fabrikation und Materialität Neuland beschreiten wird. Die schalloffene Struktur (f ) schließt visuell die entstandene Lücke und knüpft an die ange-hobene Originaldecke an. Die Anhebung der Decke erfordert, um die bestehende Saalpro-portion (11:5) zu wahren, auch eine Anhebung bzw. Verlängerung des Proszeniums. Die fein-fühlige Lösung sieht vor, die Pilaster (g) insge-samt nach oben zu verschieben und bis zur Höhe der Loge ein Postament (h) einzuführen.Das bis zur Spielzeit 2014 andauernde Moder-nisierungsvorhaben wird ein weiteres Kapitel in der wechselhaften Baugeschichte der Lin-denoper schreiben.

Der als „kastig“ wirkende Bühnenturm von 1910 galt von je her als ein städte-baulicher Makel

... bleibt der Zuschauersaal in bekannter Harmonie

Durch Beibehaltung der vorhandenen Proportionen...

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Kommunikation, Am Köllnischen Park 3, 10179 Berlin, [email protected], www.stadtentwicklung.berlin.de