29
Imperium and Officium Working Papers (IOWP) Drei neue ptolemäische Papyri und das Amtsarchiv des Demetrios Version 01 July 2014 Matthias Stern (University of Vienna, Department of Ancient History) Abstract: Three new papyri from the Austrian National Library provide insight into the dealings of a local subordinate of Athenodoros, the Ptolemaic dioicetes of Egypt holding office from at least 197 to 190 BCE. The texts are all directed at a certain !"μ#$%&'( ) *+%, -."/o01%'2 $'3 0&'&4"$'3, who is without a doubt also the addressee of CPR XXVIII 11. Demetrios seems to have been responsible for various issues concerning fiscal matters somewhere in the north of the Herakleopolite nome: protecting a worker against fiscal demands on the part of a security officer, solving problems in regard to inter-nome tax matters, organizing a grain transport, protecting naukleroi against supposedly unjustified freight charges (the last-mentioned item being the subject of CPR XXVIII 11). © Matthias Stern 2014 [email protected]

Drei neue ptolemäische Papyri und das Amtsarchiv des Demetriosiowp.univie.ac.at/sites/default/files/IOWP_Stern_Deme... · 2014. 7. 25. · Drei neue ptolemäische Papyri und das

  • Upload
    others

  • View
    4

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Drei neue ptolemäische Papyri und das Amtsarchiv des Demetriosiowp.univie.ac.at/sites/default/files/IOWP_Stern_Deme... · 2014. 7. 25. · Drei neue ptolemäische Papyri und das

Imperium and Officium Working Papers (IOWP)

Drei neue ptolemäische Papyri und das Amtsarchiv des Demetrios

Version 01

July 2014 Matthias Stern (University of Vienna, Department of Ancient History) Abstract: Three new papyri from the Austrian National Library provide insight into the dealings of a local subordinate of Athenodoros, the Ptolemaic dioicetes of Egypt holding office from at least 197 to 190 BCE. The texts are all directed at a certain !"µ#$%&'( ) *+%, -."/o01%'2 $'3 0&'&4"$'3, who is without a doubt also the addressee of CPR XXVIII 11. Demetrios seems to have been responsible for various issues concerning fiscal matters somewhere in the north of the Herakleopolite nome: protecting a worker against fiscal demands on the part of a security officer, solving problems in regard to inter-nome tax matters, organizing a grain transport, protecting naukleroi against supposedly unjustified freight charges (the last-mentioned item being the subject of CPR XXVIII 11).

© Matthias Stern 2014

[email protected]

Page 2: Drei neue ptolemäische Papyri und das Amtsarchiv des Demetriosiowp.univie.ac.at/sites/default/files/IOWP_Stern_Deme... · 2014. 7. 25. · Drei neue ptolemäische Papyri und das

Matthias Stern 1

Imperium & Officium: Comparative Studies in Ancient Bureaucracy and Officialdom

Drei neue ptolemäische Papyri und das Amtsarchiv des Demetrios

Matthias Stern (Universität Wien)

Im Folgenden werden drei neue Papyri aus der Österreichischen Nationalbibliothek

vorgestellt; es sind dies Nr. 1, 3 und 4. Von diesen bilden Nr. 1 und 3 das neuentdeckte

Archiv eines Beamten namens Demetrios, welcher als ! "#$% &'()o*+$,- .,/ *0,01(.,/

bezeichnet wird1. Diesem Archiv ist sodann auch der bereits publizierte CPR XXVIII 11

zuzuordnen, dessen Text hier mit ergänzenden Bemerkungen als Nr. 2 wiedergegeben ist.

Dagegen bleibt unsicher, ob auch Nr. 4 einen Teil dieses Archivs darstellt, da ein solcher

Zusammenhang lediglich durch die zeitliche Verortung des Stücks, dessen Herkunft aus

demselben Ankauf sowie den im Text angesprochenen Amtsbereich nahegelegt wird.

Den Grundstock des neuen Archivs bilden also Nr. 1–3. Durch ihr Format, ihre

Textgestaltung sowie ihr spezifisches Vokabular sind diese drei Texte als 2",µ)3µ#.# bzw.

"$,4#5567µ#.# ausgewiesen2. Es handelt sich um Eingaben an Demetrios, deren Aufbau

parallel gestaltet ist und die das Hochformat angenommen haben; auf dem Verso findet sich

jeweils eine kurze Notiz des Inhalts. Die jeweiligen Stücke wurden allesamt aus

Mumienkartonage gewonnen und 1992 durch die Österreichische Nationalbibliothek

erworben. Zwar konnte die genaue Herkunft dieser Papyri schon beim Ankauf nicht mehr

benannt werden, doch muss sie im Herakleopolites zu suchen sein. Csaba La’da vermutete

dies in CPR XXVIII, S. 181 bereits für Nr. 2 anhand der Formel .8) 9": .,/ ;$µ,- (Z. 3).

Diese Vermutung findet durch Nr. 1 und 3 nun ihre Bestätigung, da diese die Tekmi-

Toparchie bzw. das Dorf Machor erwähnen, welche uns beide bekannt sind.

1 Ich danke Sophie Kovarik (Universität Köln) und Markus Resel (Universität Wien), die mich auf diese Papyri

aufmerksam machten. Weitere Papyri desselben Ankaufs befinden sich momentan in Bearbeitung und so dürften sich in nicht allzu ferner Zukunft weitere Texte des Archivs zu den hier vorgelegten hinzugesellen. Einzelne hilfreiche Anmerkungen zu diesem Aufsatz verdanke ich Thomas Kruse (Österreichische Akademie der Wissenschaften) und Bernhard Palme (Universität Wien). Alle Jahresangaben sind, sofern nicht anders vermerkt, vorchristlich. Die Abkürzungen der Editionen und Instrumenta richten sich, wenn möglich, nach J. F. Oates et al., Checklist of Greek, Latin, Demotic and Coptic Papyri, Ostraca and Tablets <http://scriptorium.lib.duke.edu/papyrus/texts/clist.html>, June 2011.

2 Die Grenze zwischen diesen beiden Formen scheint im 2. Jh. nicht allzu eng gezogen worden zu sein und beide Begriffe tauchen für quasi gleichartig stilisierte Texte auf. Zu dieser Diskussion und der Ausgestaltung dieser Textgattungen sowie zu den ptolemäischen Petitionen allgemein siehe die noch immer maßgebliche Literatur bei N. Gonis, A New 2nd Century B.C. Prosangelma, in: PapCongr. XX, S. 231–235, hier 232; vgl. J. Hengstl, Petita in Petitionen gräko-ägyptischer Papyri, in: G. Thür, J. Vélissaropoulos-Karakostas (Hg.), Symposion 1995. Vorträge zur griechischen und hellenistischen Rechtsgeschichte. Korfu. 1.–5. September 1995 (Köln/Weimar/Wien 1997) 265–289. Man beachte, dass in Nr. 3, 13 auf ein früheres, explizit !"#µ$%µ& genanntes Schriftstück in derselben Angelegenheit verwiesen wird.

Page 3: Drei neue ptolemäische Papyri und das Amtsarchiv des Demetriosiowp.univie.ac.at/sites/default/files/IOWP_Stern_Deme... · 2014. 7. 25. · Drei neue ptolemäische Papyri und das

Drei neue ptolemäische Papyri und das Amtsarchiv des Demetrios 2

Imperium & Officium: Comparative Studies in Ancient Bureaucracy and Officialdom

Auch zeitlich können Nr. 1–3 gut eingeordnet werden, da in allen Fällen die

Jahrdatierung erhalten ist und zudem der in allen drei Papyri begegnende Dioiket

Athenodoros bereits anderweitig bekannt ist3. Dieser war *0,01(.3<4 von mindestens 197–

190/89, jedoch wohl nicht früher als 207 und nicht später als 1875. Diese Datierung von Nr.

1–3 wird durch deren paläographischen Charakteristika unterstrichen6 und auch der Wert des

in Nr. 3 thematisierten Streitfalles spricht für eine Datierung in das frühe 2. Jh., denn die dort

genannten 1.400 Drachmen scheinen im Bronzestandard einen den erkennbaren Umständen

angemessenen Streitwert darzustellen7. Zudem wird in Nr. 1–2 jeweils ein 14. und in Nr. 3

ein 15. Jahr genannt, wodurch sich die Datierung in die Regierungszeit des Ptolemaios V.

Epiphanes sichern lässt. Denn im 15. Jahr Philopators (208/7) bekleidete noch Theogenes den

Posten des Dioiketen und nach Epiphanes gab es ein 14. und 15. Regierungsjahr erst wieder

unter Cleopatra III. und Ptolemaios X. Alexander (104/3)8.

Was nun Demetrios selbst anbelangt, so wissen wir bislang nichts über ihn, das

außerhalb der hier vorgestellten Papyri liegt. In gleicher Weise mit ! "#$= bezeichnete

Subalterne eines Dioiketen finden sich – neben den Athenodoros zugehörigen Texten, die

weiter unten näher besprochen werden – in P.Col. IV 83, 4–5 (Arsinoites; 245/4):

&$.>µ ?0?[*]+?$?,- .,/ | "#$@ &",77A)B,- .,/ *0,01(.,/; SB XX 14069, 4–5 (Arsinoites; 204):

C$µ,7=,- .,?/ "#$D EA$[ ? ? ? ? ?] .?,?/? | *0,01(.,/; BGU XVIII.1 2739, 4–5 (Herakleopolites; ca.

3 Außer den hiesigen Texten P.Köln V 221, 42 (Arsinoites; 190); P.Mich. XVIII 778; 779 (beide Muchis,

Arsinoites; 193/2); P.Sijp. 45 (Arsinoites/Herakleopolites; 197); P.Yale I 36 (unbekannt; 190); P.Rainer Cent. 45 (unbekannt; 197–190); SB XXII 15536 (Arsinoites; 197–190). James Cowey berichtete mir von zwei noch unedierten Papyri der Heidelberger Papyrussammlung, in denen Athenodoros erwähnt wird.

4 Siehe zum Amt des Dioiketen sowie zu allen sonstigen in den vorliegenden Texten genannten Ämtern die verdienstvolle Materialsammlung von W. Huß, Die Verwaltung des ptolemaiischen Reichs (München 2011, Münch.Beitr. 104) 15–90 jeweils mit Literatur s. v. Zu den exekutiven Funktionen des Dioiketen siehe jetzt auch J. Bauschatz, Law and Enforcement in Ptolemaic Egypt (Cambridge 2013) 125–127. Zu den Eingaben an Dioiketen und Hypodioiketen vgl. J. Hengstl, Petitions to the Dioiketes?: BASP 33 (1996) 111–116.

5 P.Sijp., S. 313. Das maßgebliche Fundament dieser Datierung bilden nunmehr die Kontextualisierungen von P.Sijp. 45 und der Athenodoros-Papyri aus Ann Arbor in P.Sijp., S. 303 (mit Verweisen) bzw. in P.Mich. XVIII, S. 93–94. Die an sich wenig zwingende ursprüngliche Einordnung des Athenodoros in das frühe 2. Jh. in P.Köln V, S. 165–166 hat somit eine Bestätigung erfahren. J. D. Thomas, Aspects of the Ptolemaic Civil Service. The Dioiketes and the Nomarch, in: H. Maehler, V. M. Strocka (Hg.), Das ptolemäische Ägypten, Akten des internationalen Symposions 27.–29. September 1976 in Berlin (Mainz 1978) 187–194 stellte die These auf, dass es zu dieser Zeit nicht lediglich einen Dioiketen für ganz Ägypten gegeben habe, sondern dass an der Wende zum 3. Jh. mehrere gleichrangige Beamte dieses Namens jeweils für verschiedene Regionen verantwortlich gewesen seien. Die in P.Köln XI, S. 82–84 im Zusammenhang mit dem Dioiketen Phoinix angestellten Überlegungen zur Datierung des Archivs des Theomnestos könnten ein weiteres Indiz für diese These sein. Möglicherweise ist also auch Athenodoros nicht für ganz Ägypten zuständig. Die oben genannten Minimal- und Maximaldatierungen sind allerdings von dieser Frage unabhängig, da sowohl der Vorgänger als auch der Nachfolger des Athenodoros, die Dioiketen Theogenes bzw. Bakchon, ebenfalls aus dem Fayum belegt sind.

6 Es ist anzumerken, dass keine der in Nr. 1–4 vorkommenden Hände sicher miteinander identifiziert werden können. Auch das Schriftbild der Versovermerke unterscheidet sich trotz gemeinsamer zeitspezifischer Merkmale teilweise deutlich voneinander.

7 Vgl. dazu meine Bemerkungen zur Datierung nach dem sogenannten Bronzestandard in M. Stern, Einblicke in die ptolemäische Verwaltungspraxis. Nochmals BGU VI 1242 und BGU VI 1311: APF 59/1 (2013) 62–94, hier 73–76. 8 Siehe P. W. Pestman, Chronologie égyptienne d’après les textes démotiques (Leiden 1967, Pap.Lugd.Bat. XV)

41–71.

Page 4: Drei neue ptolemäische Papyri und das Amtsarchiv des Demetriosiowp.univie.ac.at/sites/default/files/IOWP_Stern_Deme... · 2014. 7. 25. · Drei neue ptolemäische Papyri und das

Matthias Stern 3

Imperium & Officium: Comparative Studies in Ancient Bureaucracy and Officialdom

87–85): [&]F0776?A?[< .,/ "#$D - ca.10 -] | .,/ *0,01(.,/; BGU XIV 2422, 1–3

(Herakleopolites?; 1. Jh.): &"BA)0 .G "#$@ C$µB,- | [.],/ *0,?01(.,/ ",0,-µ6)A0 .H) IµJ,7H)

.8) .,/ | C$µB,- 5>)(µ=.A). Artemidoros verfolgt einen Rechtsstreit um Privatschulden;

Hermolaos erscheint im Zusammenhang mit dem Kauf eines Weingartens; Achilleus und

Apion zeigen sich verantwortlich für den Getreidetransport. Nur in letzterem Fall findet sich

ein Bezugswort für den Artikel und es besteht die Vermutung, dass es sich um einen mit

einem spezifischen Auftrag ausgestatteten Repräsentanten des Dioiketen handelt.

Andererseits sprechen Nr. 1–3 im Falle des Demetrios gegen eine derart spezifische Funktion.

Somit erscheint es denkbar, dass Unterbeamte so bezeichnet wurden, denen punktuell

verschiedene Bereiche des Dioiketenressorts zugeteilt werden konnten.

Demetrios scheint in unseren Texten demnach allgemein als Repräsentant des

Dioiketen fungiert, also dessen Funktionen lokal ausgeübt zu haben9. Sein Aktionsbereich

lässt sich aufgrund der Angaben in Nr. 1 und 3 im nördlichen Bereich des Herakleopolites

verorten – und zwar in unterschiedlichen Toparchien. Da sich jedoch in Nr. 2 auch die

Schiffer von Herakleopolis an Demetrios wenden, müssen wir wohl annehmen, dass dieser

den Dioiketen im gesamten Gau vertrat. So ist auch im bereits erwähnten BGU XVIII.1 2739,

4–5 davon die Rede, dass Schiffe >K< .:) ),?µ ?:) 2":? [&]F0776?A?[< .,/ "#$D - ca.10 -] | .,/

*0,01(.,/ gelangen sollen. Demnach müsste man das Büro des Demetrios in Herakleopolis

vermuten10.

Da sich Nr. 1–3 alle an Demetrios als Untergebenen des Dioiketen Athenodoros

richten, kann der Begriff des ‚Archivs‘ auch im engeren Sinn Anwendung finden11. Die

Akten aus dem Büro des Demetrios wurden offenbar im Ganzen oder zumindest in großen

Teilen abtransportiert, um für die Herstellung der Kartonage herangezogen zu werden, und

blieben uns dadurch in relativ intaktem Zusammenhang erhalten. Möglicherweise gehören die

vorliegenden Stücke einem Fundkomplex an, dessen Bestandteile sich immer zahlreicher in

verschiedenen Sammlungen in den USA und Europa identifizieren lassen12. Diese befassen

sich mit administrativen Geschäften im Herakleopolites und im östlichen Arsinoites in der

ersten Hälfte des 2. Jhs. und entstammen wohl nicht einer einzigen Mumie, aber sehr

9 Dass es sich bei Demetrios um einen !"'()')*%+,- handeln könnte, ist aufgrund seiner eindeutig formelhaften

Bezeichnung wohl nicht anzunehmen. 10 Freilich ist nicht auszuschließen, dass sich die besagten Petenten zum Zeitpunkt der Angelegenheit gerade

nicht in Herakleopolis, sondern eben im nördlichen Teil des Gaus befanden. Dementsprechend ist bei der Edition der einzelnen Texte unter der Herkunftsangabe stets der Ort zu verstehen, an welchem das Schreiben vermutlich aufgesetzt wurde.

11 Zu den Konzepten ‚Archiv‘ und ‚Dossier‘ siehe K. Vandorpe, Archives and Dossiers, in: R. S. Bagnall (Hg.), Oxford Handbook of Papyrology (Oxford 2007) 216–255. 12 Siehe dazu P.Sijp., S. 303 mit der weiterführenden Literatur in Anm. 1.

Page 5: Drei neue ptolemäische Papyri und das Amtsarchiv des Demetriosiowp.univie.ac.at/sites/default/files/IOWP_Stern_Deme... · 2014. 7. 25. · Drei neue ptolemäische Papyri und das

Drei neue ptolemäische Papyri und das Amtsarchiv des Demetrios 4

Imperium & Officium: Comparative Studies in Ancient Bureaucracy and Officialdom

wahrscheinlich derselben Nekropole – vermutlich Abusir el-Melek, Hawara oder el-Lahûn13.

Gerade jene Papyri, in denen die für unser Archiv bedeutenden Personen Athenodoros,

Spartakos und Ornymenes auftauchen (siehe unten), werden dieser Fundgruppe zugerechnet

und zumindest einer der möglichen Herkunftsorte unserer Kartonage, nämlich Abusir el-

Melek, kann mit großer Wahrscheinlichkeit zu den Nekropolen von Herakleopolis gezählt

werden, wo das Büro des Demetrios wohl lokalisiert werden muss14.

1. Eingabe eines Kleruchen (wegen steuerlicher Belange?)

P.Vindob. G 56639 12,2 L 32,7 cm 9. Dez. 192–7. Jan. 191

Tekmi-Toparchie, Herakleopolites (21. Dez. 192?)

Der dunkelbraune Papyrus scheint in seinen Ausmaßen vollständig erhalten zu sein, weist

jedoch über die gesamte Länge des oberen sowie des rechten Randes unregelmäßige

Zerstörungen auf. Rechts scheint überdies eine ca. 1,2 cm breite Papyruslage zu fehlen, auf

deren unterer Lage dennoch Schriftspuren erkennbar sind, bei denen es sich um Abdrücke

anderer, aufliegender Kartonageteile handeln dürfte. Solche ‚abdruckverdächtigen‘ Spuren

finden sich fast über den gesamten Papyrus verteilt. Mitten im Text wurden vier größere

Papyrusstücke ausgeschnitten. Die Kartonagebehandlung war zudem derart intensiv, dass die

Tinte an den meisten Stellen sehr stark abgewaschen ist und sich der Text daher zum größten

Teil nur mehr erahnen lässt. Relativ gut lesbar sind noch die Zeilenanfänge sowie teilweise

die Zeilenenden, ebenso wie der Zusatzvermerk in Z. 32–35.

Die Hände gehören wie im Falle von Nr. 2 und 3 zu denen des späten 3. und frühen 2.

Jhs.; die erste Hand wirkt jedoch auffällig statisch, da sie zahlreiche inschriftliche

Buchstabenformen verwendet und quasi ohne Verbindungslinien auskommt. Der Schreiber

neigt dazu, die Zeilenanfänge jeweils stets in diesem Sinne ‚sauber‘ zu schreiben und im

weiteren Zeilenverlauf etwas kursiver zu werden, wobei die Schriftführung insgesamt jedoch

etwas angestrengt wirkt. Der Unterschied zur zweiten Hand ist äußerst augenfällig: Diese

gehört einem Schreiber, dessen Duktus deutlich flüssiger ist und der die Urkundenschrift des

späten 3. Jhs. noch stark verinnerlicht zu haben scheint. Dies zeigt sich nicht nur an der noch

13 Siehe dazu P.Mich. XVIII, S. 91 mit Anm. 3. 14 Zu Abusir el-Melek als Nekropole von Herakleopolis siehe P.Berl.Salmen., S. 14–15 mit Literatur in Anm.

21.

Page 6: Drei neue ptolemäische Papyri und das Amtsarchiv des Demetriosiowp.univie.ac.at/sites/default/files/IOWP_Stern_Deme... · 2014. 7. 25. · Drei neue ptolemäische Papyri und das

Matthias Stern 5

Imperium & Officium: Comparative Studies in Ancient Bureaucracy and Officialdom

spürbaren abgerundeten Form der Zeilenoberlinie der Einlinien-Urkundenschrift, welche der

ersten Hand völlig fehlt, sondern auch an markanten älteren Formen wie dem hoch

auslaufenden Treppen-). Die dritte Hand unterscheidet sich von der zweiten nicht eben stark;

es könnte sich durchaus um denselben Schreiber handeln, welcher den Überblicksvermerk

lediglich etwas deutlicher aufsetzen wollte; vgl. etwa in Z. 37 die Buchstabenausführungen

von &$FB,- mit den wieder flüssiger gezogenen Formen von M?=$(.[,]<. In Z. 1–2 haben sich

zu wenig Reste erhalten, um zweifelsfrei festzustellen, ob diese von der zweiten bzw. dritten

Hand oder einer vierten verfasst wurden.

(4. Hand?)

N 1 [ ] O? ? ?4?µ ?[ ]

2 [ ] ? [ ]

(1. Hand)

3 E(µ(.$.B .A0 .80 "#.$D & .['](?)?[,*+$,]- .

4 .,/ *0,0 .1(..[,]/ .

5 "#$% &$ .FB,- P .$ .#.[0]1[:]<? .8) . M .=.$ .(...,<.

6 K*0+.,-. Q"?=.$F,)..R.[< µ,0 "]>.$ .[0]4-

7 .>$8), .<. ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? µ ?[1–2?]

8 I5 1+µ(.[0] ? ? ? ? ? ?.,.$?A .) ">$S

9 T61µ>0 ? ? ? ? ? ?>4. ? ." ? ? ?

10 .:) ? ? ? .[ . .]) ".R..#.µ,)

11 Iµ,/ ? ? ? ? ? . > ? ? ? ? ?.,<

12 *0 ? ? ? ? [2–3] µ . . ?4 ? ? ? ? ? ? ?

13 .A0 > .[ca. 5] . ? [ ?] ..( . ? ? ? ? ?

14 ">$04.?[>$>+])?A) >?K?<? ? ? ? (U...,.<.) ? ?

15 [ ?]*0 ? ? ? [4–5] ? ? ? ? ? I?"?>4,µ ?6?-

16 ) .,.- .<. > ?[3–4].,- ?*? ? ? ? ? < "=.)-

17 ..#< >.µ .[ ? ?] . . . . . > . . ? ? ? [2–3]

18 ["]>$S .( .[ ? ?] ?* . . . . . . . I"S .#?V?<?

19 "?$,.>...[#]1.[µ]6?)#0< I*(7. ? ?

20 [ .] .. ? . . ) . . . .,-?) ? ? ? ?>4 .

21 .0>.0 .4 . ?1#. ? ? ? ? ? ? [4–5]0 .-

22 ,). WD) . X .#B)A?µ#.0 . ..H.)? [µ6.?-]

Page 7: Drei neue ptolemäische Papyri und das Amtsarchiv des Demetriosiowp.univie.ac.at/sites/default/files/IOWP_Stern_Deme... · 2014. 7. 25. · Drei neue ptolemäische Papyri und das

Drei neue ptolemäische Papyri und das Amtsarchiv des Demetrios 6

Imperium & Officium: Comparative Studies in Ancient Bureaucracy and Officialdom

23 $(40) ">",0(µ6)?,?<. "? .[2–3]

24 1#'R.0 "$,56.[5]$#"...#0 -" . . ?

25 X(?\)?/ . . 0..(.)> . . . ".#$D 4 .,S . ;".A .[<]

26 µ .[H IY] 2 .4.6[$o]- . 4- .1,X#).8µ ?#?0?

27 ?4 .[3–4] . .>) ?[ ?] .#.)[ ?]1 ? ? ?< µ,?-?.

28 T,Z .[.],.- *[ [5]>.)?,.µ6),- U4,[µ#0]

29 *0D 4,/ .8?[)] X?0?7?#?)?'?$?+?" .A)

30 .>.>?-?F?[\<].

31 ].^.ZF>0.

(2. Hand)

32 (_ ...,.- .<.) 0 .* . 0 .5.

33 W.Z5F#)> .) E0,)Z4 .0,<

34 9",*>.*(µ.(.1\ .< >K< .:.) .

35 &$40),B.( .) ".$:< `$)-µ .6) .[()].

8. l. I) 9. l. T61µ0 14. / pap. 19. l. "$,.>.#5µ6)#0< 32. / pap.

Verso:

(3. Hand?)

N 36 (_.,-<) 0* . a .'.b .$ . [1–2 "#$D]

37 &$FB,- P$#01 .:.<. [.8)] M?=$(.[,]<

38 1.[#.D ca. ?]

36. / pap.

„Demetrios, dem Untergebenen des Dioiketen Athenodoros, vom Thraker Archias, Soldat der

Einheit des Chares. Es gehört mir ein Taubenschlag [–––] im Dorf N. N. um Tekmi [–––] (Z.

16) entsprechend des vorher Aufgeführten [–––] (Z. 20) wenn es sich erweist, dass ich die

Abmessung durchgeführt habe [–––] wie zuvor geschrieben [–––] bei dir, damit ich nicht im

Nachhinein belangt werde [–––]. Wenn dies geschieht, bin ich durch dich der

Menschenfreundlichkeit teilhaftig geworden. Leb wohl!“

„14. Jahr; 13(?). Dionysios hat sich zu Ornymenes in den Arsinoites begeben.“

Page 8: Drei neue ptolemäische Papyri und das Amtsarchiv des Demetriosiowp.univie.ac.at/sites/default/files/IOWP_Stern_Deme... · 2014. 7. 25. · Drei neue ptolemäische Papyri und das

Matthias Stern 7

Imperium & Officium: Comparative Studies in Ancient Bureaucracy and Officialdom

Verso:

„14. Jahr, x. Hathyr. Vom Thraker Archias aus der Einheit des Chares, gegen [–––].“

Der erhaltene Text dieses Papyrus ist sehr unvollständig und daher kann nicht gesagt werden,

um welche Angelegenheit es sich handelt. Das Ende des Haupttextes (Z. 26–30) können wir

allerdings sehr deutlich dem typischen Formular einer Petition zuordnen. Der Kleruch Archias

aus der Einheit des Chares schreibt an Demetrios wegen eines ihm gehörenden

Taubenschlags, der sich offenbar in einem Dorf in der Tekmi-Toparchie des Herakleopolites

befindet. In dieser Angelegenheit bittet Archias nun Demetrios um Abhilfe und zur

Untersuchung oder Lösung der Angelegenheit wird schließlich ein gewisser Dionysios in den

Arsinoites zu Ornymenes gesandt, dem dortigen Kollegen des Demetrios.

Was nun genau das Problem darstellt, lässt sich aufgrund des schlechten

Erhaltungszustands des Papyrus nicht mehr eruieren. Eine denkbare Interpretation wäre, dass

Archias Schwierigkeiten mit einer seiner Ansicht nach unrechten Steuerforderung wegen

seines Taubenschlags hatte und sich damit an Demetrios wendet. Indizien dafür wären

folgende: Archias gibt in Z. 22–26 an, eine Schätzung ausgeführt zu haben, und fordert als

Konsequenz daraus wohl eine Amtshandlung ein, um nicht noch einmal belangt zu werden –

letzteres eine typische Formulierung in Auseinandersetzungen mit Steuerbehörden.

Womöglich wird in Z. 13–14 die Steuer eines bestimmten Jahres erwähnt. Die Erwähnung

des Arsinoites in Z. 35 könnte schließlich darauf hindeuten, dass Unklarheit über die

Zuständigkeiten herrschen – vielleicht weil Archias im Arsinoites lebte, aber einen

Taubenschlag in der angrenzenden Tekmi-Toparchie des Herakleopolites besaß bzw.

verpachtet hatte oder ähnliche territorialadministrative Verwicklungen vorlagen. Der im

Zusatz des Schreibens genannte Dionysios lässt sich im restlichen Text nicht lesen, muss aber

wohl entweder schon früher erwähnt worden sein, vielleicht als Widersacher oder aber als

Pächter des Archias – oder es handelt sich um einen Beamten vor Ort, welcher mit der

Untersuchung des Falles beauftragt worden war.

1–2 Über "#.$D in Z. 3 sind Schriftspuren von zwei Zeilen zu sehen, die möglicherweise zu

einem Eingangsvermerk gehören. Den anderen Papyri des Archivs fehlt ein solcher Vermerk

zu Beginn des Schreibens.

Page 9: Drei neue ptolemäische Papyri und das Amtsarchiv des Demetriosiowp.univie.ac.at/sites/default/files/IOWP_Stern_Deme... · 2014. 7. 25. · Drei neue ptolemäische Papyri und das

Drei neue ptolemäische Papyri und das Amtsarchiv des Demetrios 8

Imperium & Officium: Comparative Studies in Ancient Bureaucracy and Officialdom

5 &$ .FB,-: Der Name „Archias“ ist nicht allzu selten in ptolemäischer Zeit, jedoch im

Herakleopolites bislang überhaupt nicht belegt. Möglicherweise ist dies ein Indiz, dass

Archias aus dem Arsinoites stammen könnte und nur sein Taubenschlag sich im

Herakleopolites befand. Vgl. jedoch die Diskussion zu Z. 6 K*0+.,-.

P .$ .#.[0]1[:]<?: Zu „Thrakern“ in den Papyri siehe die Diskussion in P.Heid. VIII, S. 76–77.

M .=.$ .(...,<: Durch die Nennung des Namens auf dem besser lesbaren Verso ist die Lesung

sicher. Der Name Chares ist in ptolemäischer Zeit nicht eben häufig belegt. Von den

bisherigen Zeugnissen scheint keines in unsere Zeit zu fallen. Demnach war auch ein

eponymer Offizier dieses Namens bislang unbekannt.

6 K*0+.,-: Zu K*0+.(< als Titulaturbestandteil siehe P.Heid. VIII, S. 110. Vgl. dort auch S.

194–195, bes. Anm. 73. Unser Archias ist nun ein Beispiel für einen Kleruchen, dessen

Titulatur dem dort konstatierten Schema folgt, welches bislang nur aus dem südlichen

Herakleopolites bekannt war, was wohl dafür spricht, diesen Kleruchen im Herakleopolites

und nicht im Arsinoites anzusiedeln, da in letzterem Gau offenbar andere Bezeichnungen

üblich waren. Vgl. die Diskussion zu Z. 5 &$ .FB,-.

6–7 "]>.$ .[0]4|.>$8), .<: Zur Taubenzucht siehe P.Heid. VI, S. 77–78. Vgl. Z. 13–14 ..( . ? ? ? ? ? |

">$04.?[>$>+])?A).

7 . ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? µ ?[1–2?]: An dieser Stelle kann außer µ ? nichts sicher gelesen werden, doch

möglicherweise ist trotz der beengten Platzverhältnisse I?)? .?c?0? "?>?$?0?4?.?=?4?>?0? µ ?[,-] herzustellen.

Vgl. P.Hels. I 12, 4–7 (Herakleopolites; 163): .: 2"=$F,) | µ,0 7?,?-.$A)B*0,) I) .c0 |

">$04?.=4>0 µ,- I) 1+µ(0 | d,-4B$>0.

8 I5 1+µ( .[0]: Siehe zur Assimilation Mayser, Grammatik I.1, S. 205. Außer in der

spätbyzantinischen Zeit ist diese Form sonst nur an der Wende vom 3. zum 2. Jh. belegt.

8–9 ">$S | T61µ>0: Zur Toparchie ">$S T61µ0 siehe die Literatur bei BGU XVIII.1, S. 48. Dass

diese Verwaltungseinheit gemeint ist, wird dadurch nahegelegt, dass bereits zuvor ein Dorf

genannt sein muss. Unser Text ist der früheste sicher datierte Beleg für diese Toparchie.

Page 10: Drei neue ptolemäische Papyri und das Amtsarchiv des Demetriosiowp.univie.ac.at/sites/default/files/IOWP_Stern_Deme... · 2014. 7. 25. · Drei neue ptolemäische Papyri und das

Matthias Stern 9

Imperium & Officium: Comparative Studies in Ancient Bureaucracy and Officialdom

10 ".R..#.µ,): Das Wort kann oft auch die spezielle Bedeutung „Flut“ annehmen; siehe etwa

P.Hels. I 32, 12 (Herakleopolites; 160). Der Grund der Eingabe des Archias könnte somit

darin zu suchen sein, dass die Nilflut den Taubenschlag bzw. dessen Erträge in irgendeiner

Weise beschädigt hatte. Wenn in Z. 13–14 wirklich die Steuer eines bestimmten Jahres

erwähnt ist, so könnte sich diese auf genau jene in Mitleidenschaft gezogenen Erträge

beziehen. Archias protestiert also möglicherweise dagegen, dass von ihm ein bestimmter

Steuersatz verlangt wird, welcher angesichts der Umstände ungebührlich anmutet.

Andererseits könnte das Wort hier auch einfach noch Teil einer sehr detaillierten Lokalisation

des Taubenschlags sein.

10 . > ? ? ? ? ?.,<: Vor > steht X oder e. Beginnend über > meine ich im Zeilenzwischenraum

\>5$ . / – für U5$#e#? – lesen zu können. Am Ende deutet vieles auf 1?R?.,< hin.

13–14 ..( . ? ? ? ? ? | ">$04.?[>$>+])?A): Zu ergänzen ist vielleicht ..c<. .?$?B?.?(?<?, das sich jedoch

nicht sicher lesen lässt. Auch ..H)? ist möglich. Zur .$B.( ">$04.>$+)A) siehe die Literatur bei

Huß, Verwaltung (wie Anm. 4) 224, Anm. 227. Vgl. Z. 6–7 "]>.$ .[0]4|.>$8), .<.

14 >?K?<? ? ? ? (U...,.< .): Vielleicht ist auch zu (U...,.- .<.) aufzulösen. Das zu erwartende >K< .: 05 (U.,<)

oder >K< .: 0* (U.,<) lässt sich nicht lesen und es scheint an dieser Stelle auch generell nicht

genug Platz für .: und eine zweistellige Zahl zu sein. Vgl. Z. 13–14 ..( . ? ? ? ? ? |

">$04.?[>$>+])?A).

15–16 I?"?>4,µ ?6?|) .,.- .<: Das erste und dritte > sind nur mehr zu erahnen. Vor diesem Wort

scheint am ehesten 0 und damit wohl 1?#?S? zu stehen.

18 ["]>$S .( ?: In Anbetracht der umliegenden Zeilenanfänge scheint hier am Beginn nur noch

sehr wenig Platz zu sein; eventuell stand " bereits am Ende der vorigen Zeile. Am Ende ist

eher .c<. als .H)? zu lesen, während .c0? ganz unwahrscheinlich ist. Falls man nicht an eine

iotazistische Verschreibung denken möchte, wäre die einzige Alternative zur gegebenen

Rekonstruktion, an den lediglich sechsmal bezeugten Namen C4">$B.(< zu denken.

22–23 ID) . X .#B)[A]µ# .0 . ..H.)? [µ6.?]|$(40) ">",0(µ6[),]< .: Die gleiche Konstruktion ist ebenfalls

in P.Heid. VI 378, 20–21 (Arsinoites; 2. H. 3. Jh.): ID) X#B)Aµ#0? >µµ ? ? ? | ? ?[ ? ? ?] ?>? ? ?µ>),?<?

belegt.

Page 11: Drei neue ptolemäische Papyri und das Amtsarchiv des Demetriosiowp.univie.ac.at/sites/default/files/IOWP_Stern_Deme... · 2014. 7. 25. · Drei neue ptolemäische Papyri und das

Drei neue ptolemäische Papyri und das Amtsarchiv des Demetrios 10

Imperium & Officium: Comparative Studies in Ancient Bureaucracy and Officialdom

[µ0+?]|1%2)$ "3"')%µ4[$']-.: In der Wendung mit "')05 findet sich das Wort in ptolemäischer Zeit nur einmal, nämlich in BGU VIII 1856, 5–6 (Herakleopolites; 64–44). In späterer Zeit ist der Ausdruck ungleich häufiger belegt. Eine andere Ergänzung erscheint kaum denkbar, da in diesem Bereich des Textes maximal vier Buchstaben fehlen.

23 "? .[2–3]: In Anbetracht der Syntax und der Kürze des Wortes lässt sich an "$,,/ denken,

dass sich jedoch nur schwer mit dem Kontext vereinbaren lässt. Vgl. aber für den Gebrauch

des Imperativs an hierarchisch Höherstehende BGU VI 1242, 18 (Oxyrhynchites; 193) und

meine Bemerkungen in Stern, Verwaltungspraxis (wie Anm. 7) 81–82.

25–26 ".&16 2.'7. 8".5.[-] µ .[9 :;] !.2+0[1o]<. 2<.*'=&$+>µ ?&?)?: Dieser Passus lässt vermuten, dass zuvor verlangt wird, die Petition als Beweismittel beim Adressaten zu deponieren bzw. auf die Verhandlungsliste setzen zu lassen. Vgl. die typische Formulierung in P.Amh. II 35, 35–40 (Soknopaiu Nesos; 132). 27 3$ ?[ ?] .&.$[ ?]* ? ? ?-: Gut lesbar wären :$"?[3]=?@?$[)]*&? +?6?- oder auch :$"?[3]=.&.$[)]*#.+?'?- (vgl. für die Form des ersten " mit nach rechts auslaufender Vertikalhaste auch 8".5.[-] in Z. 23), aber beides vermag ich an dieser Stelle nicht sinnvoll in den Text einzufügen. Statt = ist auch A möglich. 28–30: Die Konstruktion dieser Zeilen hat keine wortwörtliche Parallele, doch die Bestandteile sind klar. Vgl. P.Enteux. 81, 24–25 (Arsinoites; 221): ()6 20, B&2)C3D, +>$ =)C&$|E1F"5$ +GH5 sowie P.Petr. II 32 I Recto 40 (Arsinoites; 197): I2'µ&) +3+3<HJ- +>$ "&16 2'D =)C&$E[1F"5$].

32 (_ ...,.- .<.) 0 .* . 0 .5.: Diese Zeile wirkt in ihrem Schriftduktus dem Folgenden stark verwandt und

ist überdies so klein geschrieben, dass es fast scheint, als sei sie noch nachträglich über den

Bearbeitungsvermerk gesetzt worden. Auch scheinen sich die Buchstaben an der leicht

aufsteigenden Linienführung der folgenden Zeilen zu orientieren. Die Zahlen sind durch

Überstreichung gesichert; offenbar fehlt also eine Monatsangabe. Vgl. Z. 36 a .' .b .$ . [1–2.

33 Rechts dieser Zeile finden sich Schriftspuren, die aussehen, als wäre dort ein um 90°

gedrehter, maximal acht Buchstaben langer Vermerk an den Rand des Blattes geschrieben

worden.

Page 12: Drei neue ptolemäische Papyri und das Amtsarchiv des Demetriosiowp.univie.ac.at/sites/default/files/IOWP_Stern_Deme... · 2014. 7. 25. · Drei neue ptolemäische Papyri und das

Matthias Stern 11

Imperium & Officium: Comparative Studies in Ancient Bureaucracy and Officialdom

I.Z5F#)>): Die Konstruktion mit dem Perfektpartizip erscheint auch in P.Heid. IX 427, 4–5

(Herakleopolis; 158): ! fA1$=.,- g.,7>µ#V,< | I.Z5F#)>) I"0.>.>7>1+<, ebenso in P.Heid.

IX 429, 13–14 (Herakleopolis; 161–155): I.Z5F#)>) Kh 4.6$>40<L \! F$(µ#.04µ:</ |

K5>5>)(µ6)(0L \5>5>)(µ6),</ und wohl auch in SB XIV 11367, 3 (Arsinoites; 3. Jh.):

I.Z5(?)]F?#)>) *0#">"$#5µ6),< fBµA).

35 `$)-µ .6) .[()]: Der Name Ornymenes ist in der gesamten Überlieferung bislang nur äußerst

selten bezeugt. In P.Mich. XVIII 779 wird ein Mann dieses Namens um die Weiterleitung des

Anliegens an den Dioiketen Athenodoros ersucht. Das Schreiben stammt von einem

Bewohner von Muchis in der Polemon-Meris des Arsinoites und dürfte in das Jahr 192 fallen.

Dies wird nicht nur durch die Nennung des Athenodoros, sondern auch durch die

Kontextualisierung anderer Papyri desselben Konvoluts deutlich (vgl. P.Mich. XVIII, S. 93–

94). Ein Vergleich mit dem Kontext unseres Schreibens (Seltenheit des Namens, Bezug auf

den Arsinoites, Untergebenenfunktion zum Dioiketen Athenodoros) lässt keinen Zweifel

aufkommen, dass es sich bei dem dort genannten Ornymenes um dieselbe Person handelt.

Dieser taucht ebenfalls in P.Hels. I 23, 22–23 (Herakleopolites?; 191/0 mit BL XI 94) auf und

wird dort sogar als ! "#$’ .,/ &'()o*+$,- * .[0,01(.,/ (sic) bezeichnet. Wir können anhand

unseres Textes nun den Amtsbereich des Ornymenes eindeutig in den Arsinoites legen.

Ein weiterer Ornymenes begegnet in der „Weihe- und Stifterinschrift“ SB V 8926, 6

(Leontopolis; 193–186)15. Der Stifter dieser Inschrift wird als 5$#µµ#.>b< `$)-µ6),-<

bezeichnet. Eine Identifikation mit unserem Ornymenes ist nicht auszuschließen und schon

vom zeitlichen Aspekt sehr reizvoll, scheint aber doch aufgrund der räumlichen Distanz sehr

gewagt.

36 a .' .b .$ . [1–2: Möglicherweise finden wir hier den in Z. 32 vermissten Monat. Die

vorliegenden Zeilen werden vermutlich einige Tage jenem Vermerk abgefasst worden sein.

Falls also in Z. 32 der 13. Hathyr gemeint ist, ergäbe dies den 21. Dez. 192 als

Abfassungsdatum unseres Textes.

38 1.[#.D ca. ?]: Am Zeilenanfang lässt sich 1 recht gut erkennen; die Rekonstruktion ergibt

sich aus den Vermerken von Nr. 2, 23 und Nr. 3, 32, obgleich sich im erhaltenen Teil unseres

Textes kein Widersacher des Archias namentlich fassen lässt. Die Schriftspuren in den

15 Siehe zu diesem Text É. Bernand, Le culte du lion en Basse Égypte d’après les documents grecs: Dialogues

d’histoire ancienne 16/1 (1990) 63–94, Nr. 3. Dieser stellt die Möglichkeit in den Raum, dass es sich beim dortigen Ornymenes um eine Gottheit handeln könnte.

Page 13: Drei neue ptolemäische Papyri und das Amtsarchiv des Demetriosiowp.univie.ac.at/sites/default/files/IOWP_Stern_Deme... · 2014. 7. 25. · Drei neue ptolemäische Papyri und das

Drei neue ptolemäische Papyri und das Amtsarchiv des Demetrios 12

Imperium & Officium: Comparative Studies in Ancient Bureaucracy and Officialdom

Folgezeilen sind wohl Abdrücke; vgl. etwa das sehr auffällige horizontal gespiegelte lunare 4.

Im Gegensatz zum offenbar quasi auf dem Kopf geschriebenen Vermerk in Nr. 2, 24 neigen

die Schriftspuren hier – um 180° gedreht – zu sehr nach links, als dass sie auf die gleiche Art

und Weise zustande gekommen sein könnten.

2. Naukleroi beschweren sich über Steuerpächter

P.Vindob. G 56636 11,7 L 32,8 cm 21. Jan. 191

Herakleopolis (?) Ed. pr. = CPR XXVIII 11

Siehe Beschreibung und Kommentar der editio princeps. Im Folgenden sind lediglich Text,

Übersetzung sowie ergänzende Bemerkungen wiedergegeben.

N 1 [E(µ(].?$?B?A0 .80 "#$D

2 &?'(?),?*?+$,- \.,/ *0,01(.,// "#$D .8)

3 )?#-173$A) \.8) 9": .,/ ;$µ,-/ .8) µ>.#-

4 X?>$R).A) .:) J#40701:) 4V.,)

5 I).#/'?#? >?K< .D µ>.$3µ#.#.

6 W">0*H ,?[i] .>78)#0 "$=4-

7 4,-40) hµj< .H) .>.=$.()

8 .8) )#Z7A) ,^ 1#'(1R).A<

9 ,^*6",.> ([ ca. 10 ] ? ? ?-

10 1R.A) 1#S .,?[ ca. 9 ] ? ? ?

11 *0#4?>?B?,?).>< [ ? ? ? ? ? ? ? 9Y0-]

12 ,/µ6) 4>, I=) 4,0 X#B)(.#0,

13 9)#1#7>4=µ>),) #^.,b<

14 I"0416e#4'#0, 1k) X#B-

15 )A)\.#0/ 95?)Aµ ?R)A?<? h?µ ?j?<?

16 "#$#7,5>Z,).><, µH

17 I"0.$6">0) #^.,V<

18 4-1,X#).>V) h{(}µj<.

Page 14: Drei neue ptolemäische Papyri und das Amtsarchiv des Demetriosiowp.univie.ac.at/sites/default/files/IOWP_Stern_Deme... · 2014. 7. 25. · Drei neue ptolemäische Papyri und das

Matthias Stern 13

Imperium & Officium: Comparative Studies in Ancient Bureaucracy and Officialdom

19 ]^.ZF>0.

1. [ ? ? ? ? ? ?] ?$?0?A0 ed. pr.

Verso:

N 20 [ -ca.?- ] ? ? ? ? ? ?,-?<

21 vac.? >4?>0 1# ? ?,?(?<?

(2. Hand)

22 (_.,-<) 0* M,0DF 0* "#$D .8) 9": .,/ ;$µ,?[-]

23 1#.D .8) .>(7A)8)).

(3. Hand, am linken Rand zwischen Z. 21 und 22, um 180° gewendet)

24 >4,? ?[ -ca.?- ]

21. , corr. ex 0 22. ;$µ,?[- )#-173$A)] ed. pr. 23. .> pap.

„Demetrios, dem Untergebenen des Dioiketen Athenodoros, von den Naukleroi vom Hafen

(von Herakleopolis), welche das königliche Getreide für die Steuerzahlungen hierher liefern.

Nachdem die Steuerpächter uns in ungerechtfertigter Weise angehen wegen des Vierten der

Frachtabgaben, niemals [–––] und [–––] pressen sie (uns) aus [–––] bitten wir dich, wenn es

dir zusagt, dass du sie vorlädst, eine Untersuchung anstellst und – falls es sich erweisen sollte,

dass sie in widersinniger Weise Gebühren von uns verlangen – ihnen nicht gestattest, uns zu

belangen. Leb wohl.“

Verso:

„14. Jahr, 14. Choiak. Von den Leuten vom Hafen (von Herakleopolis) gegen die

Steuerpächter.“

In dieser Petition wenden sich Naukleroi, die staatliche Getreidelieferungen verschiffen, an

Demetrios im Streit um ungerechtfertigte Frachtabgaben. Wie bereits in der allgemeinen

Einleitung erwähnt, findet sich in BGU XIV 2422, 1–3 (Herakleopolites?; 1. Jh.) ein Apion,

der als ! "#$@ C$µB,- .,/ *0,01(.,/ ",0,-µ6)A0 .H) IµJ,7H) .8) .,/ C$µB,- 5>)(µ=.A)

bezeichnet wird, und auch in BGU XVIII.1 2739 (Herakleopolites; 87–85) ist ein Achilleus !

Page 15: Drei neue ptolemäische Papyri und das Amtsarchiv des Demetriosiowp.univie.ac.at/sites/default/files/IOWP_Stern_Deme... · 2014. 7. 25. · Drei neue ptolemäische Papyri und das

Drei neue ptolemäische Papyri und das Amtsarchiv des Demetrios 14

Imperium & Officium: Comparative Studies in Ancient Bureaucracy and Officialdom

"#$D N. N. .,/ *0,01(.,/ (Z. 4–5) für den Getreidetransport zuständig. Demetrios ist hier

offenkundig in ähnlicher Funktion angeschrieben16.

1 [E(µ(].?$?B?A0: Csaba La’da vermutete diesen Namen bereits aufgrund der Häufigkeit sowie

der vorliegenden Platzverhältnisse. Die Texte Nr. 1 und 3 geben nunmehr die sichere

Ergänzung.

3 .8) 9": .,/ ;$µ,-: Dieser Ausdruck kommt nur im Herakleopolites vor und meint den

Hafen von Herakleopolis als administrative Einheit, welche jedoch offenbar den städtischen

Beamten unterstand17. Offensichtlich ist die Verwendung von .8) 9": .,/ ;$µ,- als

Herkunftsangabe auch in den folgenden Parallelen (alle aus dem Herakleopolites): P.Diosk. 8,

3; 12, 3 (beide Mitte 2. Jh.); P.Polit.Iud. 10, 4 (138/7); 1, 7–8 (135); 11, 5 (133/2). In all

diesen Fällen fehlt das direkte Bezugswort von .8) und auch der Einschub der Phrase in Z. 3

unseres Textes, in welcher der Artikel wiederaufgenommen wird, zeigt, wie sehr diese

Wendung als feste Einheit verstanden wird, sodass in Z. 22 die Ergänzung .8) 9": .,/

;$µ,?[- )#-173$A)] der editio princeps nicht wahrscheinlicher ist als ihr Fehlen.

5 I).#/'?#?: Ich folge Thomas Kruses Interpretation, derzufolge hier vom Hafen von

Herakleopolis selbst die Rede ist, da ansonsten kein Toponym genannt wird18. Falls die

Angelegenheit jedoch außerhalb von Herkleopolis verortet werden muss19, ist vermutlich

eher mit „dorthin“ zu übersetzen und die Verwendung von I).#/'# wäre aus der vorigen

Erwähnung des Hafens im Text zu erklären.

3. Beschwerde über einen Komophylakiten

P.Vindob. G 56637 12,0 L 31,2 cm 3. Feb. 190 v. Chr.

Machor, Herakleopolites

Der mittelbraune Papyrus ist allseitig zum allergrößten Teil vollständig erhalten. Eine vor 16 Zur Frage nach der Verortung dieser Angelegenheit siehe die allgemeine Einleitung mit Anm. 10. 17 Siehe P.Heid. VI 363, S. 21 mit Literatur. 18 T. Kruse, Urkundenreferat 2008. 1. Teil: APF 56/1 (2010) 174–191, hier 176 19 Siehe Anm. 10.

Page 16: Drei neue ptolemäische Papyri und das Amtsarchiv des Demetriosiowp.univie.ac.at/sites/default/files/IOWP_Stern_Deme... · 2014. 7. 25. · Drei neue ptolemäische Papyri und das

Matthias Stern 15

Imperium & Officium: Comparative Studies in Ancient Bureaucracy and Officialdom

allem auf dem Verso deutlich sichtbare Aufhellung zeugt vom Gebrauch des Blattes als

Mumienkartonage. Diesem fielen auch einige größere ausgeschnittene Papyrusteile vor allem

am rechten Rand, in der unbeschriebenen unteren rechten Ecke sowie zwei rechteckige

Ausschnitte in der zweiten Hälfte des Textes zum Opfer. Drei größere Risse ziehen sich vom

linken Rand horizontal in den Text hinein und ebenso ist der Text im rechten unteren Teil

aufgrund mehrerer Risse, die sich vom Rand in den Text hineinziehen, nur schwer zu lesen.

Davon abgesehen ist der Text in einem guten Zustand mit vereinzelten, schwachen

Abreibungen, die über das ganze Blatt verteilt sind. Die Tinte auf dem Verso ist dagegen

durch die Kartonageverarbeitung stark abgerieben und die Buchstaben am Ende der letzten

Zeile durch eine fehlende Papyruslage nur mehr zu erahnen.

Beide erkennbaren Hände sind typisch für das späte 3. und frühe 2. Jh., wobei die

Schrift des Verso sehr viel regelmäßiger anmutet als jene des Recto. Mit letzterer sowohl im

Duktus wie auch nach den Buchstabenformen eng verwandte Hände sind jene aus P.Hels. I 1–

3 (alle Arsinoites; Anf. 2. Jh.) sowie aus P.Heid. VIII 412 (Herakleopolis; 186) und 417

(Herakleopolis; 190/89). Als illustrativ für die Zeitstellung unseres Textes erscheint etwa das

Nebeneinander von halbrundem ", gespaltenem . sowie dem markanten A der Einlinien-

Urkundenschrift mit linkem Bogen und Auslaufstrich. Eine frappierende Ähnlichkeit besteht

überdies zur Hand von P.Yale I 36 (Arsinoites; 19020), die jedoch regelmäßiger geführt ist

und in kleineren Details abweicht, z. B. in der Bildung des ". Einen ganz ähnlichen Duktus

mit teils anderen Buchstabenformen zeigt auch Nr. 2.

N 1 E(µ(.$BA0 .80 "#$% &'.(),*+$,-

2 .,/ *0,01(.,/ "#$D &µ>))6A<

3 .,/ T>8 ..,.<. 1>$#µ .6A .<. .8) I1? l#F:.$ ..

4 Wµ,/ I"#).7,/)., .< >K< .:) g,70=)- 5 ',- 17c$ .,?) I.".S . .c.<. * .,/ a'b$ µ([):<]

6 I">7'\) C$0>b< C?4?0?6,?-< 1Aµ,X-7#1 .[B.](<

7 9"3?5#56) µ> >K< .H) X-7#1H) 1#S? [.,b]<

8 "#$’ Iµ,/ 9).73.#< 9)> .4 .R.J(4>) m[4.]>.

9 1#S 94" .,$c4#0 µ .,./ .H) 5.c) 1#S ,^ .[1 9]X .c- 20 Dieser Text ist besonders interessant, da er zunächst in das Jahr 232 datiert wurde, später jedoch anhand der

genaueren Einordnung des erwähnten Dioiketen Athenodoros in dessen Amtszeit verortet werden konnte. Der ältere Kommentar von Seider, Pal.Gr. III.1, S. 305 zu diesem Text unterstreicht somit indirekt auch die Datierung unseres Papyrus: „Wäre der Yale-Papyrus [...] ohne das Datum 232 v. Chr., müßte (sic) man ihn einmal wegen seiner Schreibweise, dann auch wegen der Buchstabenbilder in das ausgehende 3. Jh. v. Chr. datieren.“

Page 17: Drei neue ptolemäische Papyri und das Amtsarchiv des Demetriosiowp.univie.ac.at/sites/default/files/IOWP_Stern_Deme... · 2014. 7. 25. · Drei neue ptolemäische Papyri und das

Drei neue ptolemäische Papyri und das Amtsarchiv des Demetrios 16

Imperium & Officium: Comparative Studies in Ancient Bureaucracy and Officialdom

10 16 µ> I1 .c< X-7#1c< µ .6.F$0 .,/ µ> *,/ .- 11 )#0 (*$=Fµ#<) n- 2",'>S< .H.) ,K1B#) µ, .-.

12 T,/ *% &'(),*+$,- \.,/ *0,01(.,// "#$#5>),µ6),- I)6-

13 .-F,) #^.80 µ>'’ 2",µ)3µ#., .<. [">$S]

14 .,Z.A) 1#S 5$=e#).,< #^.,/ f"#$-

15 .=1A0 .80 I"0µ>7(.c0, ;"A< .D *B-

16 1#0= µ,0 56 .)(..#0, 1#S .,/ f"#$.=1,-

17 5$=.e.#?).,[< &µ]µ .A)BA0 .?[80] .?c< 1+µ .[(<]

18 I"04.=.[(0 9"],4.>V7#[0 .:)] \C$06#/ K&µµ+ .) .0 .,.<.L.

19 g>04'>S< & .[µ]µ ?+)0,< ! [µ>.]#.7#J\) ,^-

20 1 9"64.> .0 .[7>]) . oA< .,./? [)/)]. & .Y08 ,p) .

21 µ>.D "=4(< *>34>A<, I">0*H "=40) 9 .".,?-

22 )6µ>0 1#S .D * .B1#0# ",>V< ., 5$=e#0

23 q0 1#' .c1>0 9",4.>V7#0 I"S 4> .:)

24 C$06# X-7#1B. .(), ; .".[A<] ..H.) . ".>.$ .S . ..[,]Z .-

25 .A) I"B41>e0) ",034(< .. T,Z.,- * .[?

26 5>),µ6),- .>ZY,µ#0 .c< "#$D 4,/ .

27 J,('>B#<.

28 ]^.ZF>0.

6. l. C403,-< 11. M pap. 21.–22. l. 9",)6µ>0) 22. l. ",B>0<

Verso:

(2. Hand)

N 29 (_.,-<) 0> M, .0DF 1r "#$ .D

30 &µ>))6A< .8 .) I1 l#F:.$ .

31 1#.D C$ .06A< 2 .".[.$ . (* .$ .=.F.µ .A .) .) n .- ..

29. / pap. 31. M pap.

„Demetrios, dem Untergebenen des Dioiketen Athenodoros, vom Töpfer Amenneus, Sohn

des Teos, einem der Bewohner von Machor. Als ich den Kleros des Polianthes künstlich

bewässerte, kam am 4. Tag des Monats Hathyr der Komophylakit Herieus, Sohn des Hesies,

Page 18: Drei neue ptolemäische Papyri und das Amtsarchiv des Demetriosiowp.univie.ac.at/sites/default/files/IOWP_Stern_Deme... · 2014. 7. 25. · Drei neue ptolemäische Papyri und das

Matthias Stern 17

Imperium & Officium: Comparative Studies in Ancient Bureaucracy and Officialdom

herbei, warf mich ins Gefängnis und verjagte diejenigen, die mit mir die Bewässerungsarbeit

verrichteten, sodass mein Boden unbesät blieb, und er entließ mich nicht aus dem Gefängnis,

bis ich 1.400 Drachmen gezahlt hatte, wobei ich mein Haus verpfändete. Als aber der Dioiket

Athenodoros zugegen war, wandte ich mich an ihn mittels einer Eingabe über diese

Angelegenheiten, und er schrieb dem Epimeleten Spartakos, dass mir Recht geschehen solle,

und Spartakos schrieb dem Epistaten des Dorfes, Ammonios, den Herieus zu überstellen.

Ammonios, der gehorcht und die Angelegenheit auf sich genommen hatte, hat (den Herieus)

jedoch bis heute nicht überstellt. Ich bitte daher mit aller Unterwürfigkeit – denn du bewirkst,

dass allen auch das Recht zuteil wird – dass du dem, der zuständig ist, schreibst, den

Phylakiten Herieus an dich zu überstellen, damit du die Untersuchung über diese

Angelegenheiten anstellen kannst. Wenn dies geschieht, werde ich deines Beistands teilhaftig

werden. Leb wohl!“

Verso:

„15. Jahr, 27. Choiak. Von Amenneus, einem der Bewohner von Machor, gegen Herieus über

1.400 Drachmen.“

In dieser Petition beschwert sich ein Töpfer namens Amenneus über den Komophylakiten

Herieus, welcher ihn ins Gefängnis geworfen und erst nach einer Zahlung von 1.400

Drachmen wieder freigelassen habe. Einer früheren Bitte um Verhaftung des Herieus war

vonseiten des Dioiketen stattgegeben worden, doch blieb diese Anweisung ohne Folgen.

Somit wendet sich Amenneus nun an Demetrios und ersucht abermals um die Überstellung

des beschuldigten Komophylakiten.

Die näheren Hintergründe des Schreibens bleiben wie so oft unklar. Amenneus

verdingt sich offenbar als Lohnarbeiter auf dem Kleros des Polianthes; wir erfahren allerdings

nicht, weshalb er verhaftet wurde. Da die beiden an Demetrios gerichteten Texte Nr. 1 und 2

sich ebenfalls mit fiskalischen Fragen befassen, könnte es sich um eine Steuerforderung

handeln. Ebenso mag die Instanzenkette vom Dioiketen über den Epimeleten ein Indiz für

diese Hypothese sein21, obgleich ich diesem Argument skeptisch gegenüberstehe, da es von

einer Ressortzuteilung in der ptolemäischen Verwaltung ausgeht, die sich in dieser rigiden

21 In zahlreichen Petitionen legen Bearbeitungsvermerke oder Bitten der Petenten die Vermutung nahe, dass der

Dorf-Epistates die übliche Instanz war, die mit einer solchen lokalen Angelegenheit von höherer Stelle betraut wurde. Vgl. jedoch auch die Instanzenkette Dioiket – Epimelet – Archiphylakit in W.Chr. 166.

Page 19: Drei neue ptolemäische Papyri und das Amtsarchiv des Demetriosiowp.univie.ac.at/sites/default/files/IOWP_Stern_Deme... · 2014. 7. 25. · Drei neue ptolemäische Papyri und das

Drei neue ptolemäische Papyri und das Amtsarchiv des Demetrios 18

Imperium & Officium: Comparative Studies in Ancient Bureaucracy and Officialdom

Form nicht nachweisen lässt22. Auch spricht die relativ geringe hierarchische Stellung des

Herieus gegen diese These; daher erscheint die Vermutung plausibler, dass wir es mit einer

Privatfehde und einem Fall von Amtsmissbrauch vonseiten des Herieus zu tun haben.

Die Strategie, sich gleich über mehrere Kanäle an die Verwaltung zu wenden,

begegnet uns in den Papyri recht häufig. Amenneus hatte bereits direkt dem Dioiketen

Athenodoros geschrieben, doch da dessen Anordnung auf der Dorfebene vom lokalen

Epistaten Ammonios aus unbekannten Gründen ignoriert wurde23, verleiht er nun noch

einmal seinem Anliegen Nachdruck, indem er Demetrios auf den nachlässigen Beamten

hinweist. Alternativ wandte man sich mit seiner Eingabe auch gleichzeitig an mehrere

Verwaltungsstellen, woraus wir ersehen können, dass eine gewisse Skepsis gegenüber der

Motivation des Amtsapparates offenbar recht verbreitet war.

Unser Text erlaubt uns zudem zwei interessante Beobachtungen bezüglich der

administrativen Praxis in solchen Fällen. Zum einen legt die detaillierte Beschreibung des

Instanzenweges, wie Amenneus sie hier vorträgt, die Vermutung nahe, dass das geschädigte

Individuum in der Regel selbst den Briefverkehr zwischen den einzelnen amtlichen Stellen zu

organisieren hatte24. Anders ist auch kaum zu erklären, wodurch Amenneus Kenntnis des

offenbar leicht variierenden Inhalts der Schreiben erlangt haben könnte – doch wohl nicht

dadurch, dass er über jede erfolgte Weiterleitung einzeln informiert wurde! Damit

korrespondiert die zweite Beobachtung, denn Amenneus hatte sich explizit zu jenem

Zeitpunkt direkt an den Dioiketen Athenodoros gewandt, als dieser gerade in der Gegend war

(Z. 12), was wiederum erklärt, warum er sich nun in seinem anschließenden Schreiben ‚nur

mehr‘ an Demetrios als Untergebenen des Athenodoros wendet. Dies spricht dafür, dass wir

solche Angelegenheiten – schon angesichts der Ressourcen der jeweiligen Petenten – stets in

möglichst lokalem Rahmen verorten sollten25.

4 I"#).7,/).,.<: Vgl. Z. 8 9).73.#<. Das in der Ptolemäerzeit seltene I"#).76A meint die

Bewässerung mittels Maschinen. Die Konstruktion mit >K< ist singulär, findet sich jedoch

indirekt in Platons Phaidros 112c: ;.#) .> ,p) 2",FA$34s .: t*A$ >K< .:) .R",) .:) *H 1=.A

22 Vgl. dazu die Bemerkungen von B. C. McGing, Illegal Salt in the Lycopolite Nome: APF 48/1 (2002) 42–66,

hier 63–64. 23 Möglicherweise spielen auf dieser Ebene gegenseitige persönliche Interessen zwischen quasi-Kollegen eine

Rolle. 24 Siehe etwa auch den Bearbeitungsvermerk in der Petition P.Hamb. IV 238, 36–44 (Herakleopolites?; 159). 25 Vgl. zur Frage, wo diese Petitionen jeweils bearbeitet wurden, jetzt illustrativ Bauschatz, Law (wie Anm. 4)

197–206. Andererseits bedeutet dies jedoch wohl nicht, dass wir Adressen etwa an den König wörtlich zu nehmen haben, denn gerade hier wissen wir, dass solche Petitionen in der Regel vom Büro des Strategen bearbeitet und wohl auch dort eingereicht wurden. Siehe P.Enteux., S. xxi–xl.

Page 20: Drei neue ptolemäische Papyri und das Amtsarchiv des Demetriosiowp.univie.ac.at/sites/default/files/IOWP_Stern_Deme... · 2014. 7. 25. · Drei neue ptolemäische Papyri und das

Matthias Stern 19

Imperium & Officium: Comparative Studies in Ancient Bureaucracy and Officialdom

1#7,Zµ>),), .,V< 1#.u I1>V)# .D v>Zµ#.# *0D .c< 5c< >K4$>V .> 1#S "7($,V #^.D m4">$ ,i

I"#).7,/).><. Zu den Wasserhebewerken in hellenistischer Zeit siehe A. Wilson, Machines,

Power and the Ancient Economy: JRS 92 (2002) 1–32, hier 7–9.

4–5 >K< .:) g,70=)|',- 17c$ .,?): Ein Kleros des Polianthes war aus dem Herakleopolites

bislang nicht bekannt. Schon die fehlende Nennung eines anderen Gaues oder einer anderen

Toparchie spricht jedoch für einen eher lokalen Rahmen der Angelegenheit. Keine der bislang

bekannten Personen mit diesem Namen passen räumlich oder zeitlich in unseren Kontext.

5 I.".S . .c .< . *: Diese Art der Tagesangabe war für die ptolemäische Zeit bislang überhaupt nicht

belegt, allerdings kann hier kaum etwas anderes gelesen werden: Für die lange >-Zunge und

das rechts abgerundete " vgl. Z. 4 I"#).7,/)., .<; für das nach links unten gezogene ( und das

kleine oben rechts angefügte < vgl. Z. 6 1Aµ,X-7#1 .[B.](<.

6 C?4?0?6,?-<?: Die Tinte ist hier stark abgerieben und das Patronym daher nicht leicht zu lesen.

Am Ende ist 6,?-< sicher und davor lese ich am ehesten $, doch T#$6,-<, a.$6,-< oder auch

l#$6,-< scheinen ganz unmöglich. Die Form eines 0 mit oben rechts angefügtem Häkchen ist

freilich in diesem Text gang und gäbe, wenngleich nicht so ausgeprägt wie hier. Somit

erscheint mir C?4?0?6,?-< am wahrscheinlichsten und auch gut nachvollziehbar zu sein.

Allerdings ist anzumerken, dass zwar zahlreiche Beispiele für den Wechsel von ( zu > auch in

betonter Silbe vorliegen, jedoch offenbar niemals im Inlaut26. Die verbreitetere, obschon

ebenfalls extrem seltene Form C403,-< begegnet etwa in P.Rain.Cent. 50 (Delta; 1. H. 1. Jh.).

1Aµ,X-7#1.[B.](<: Für diesen Terminus existiert lediglich ein sonstiger Beleg, nämlich SB

VIII 9792, 14–15 (Hermupolis; 162). Dort wird eine Benachrichtigung über einen Diebstahl

E=))A0 | 1#S .,V< 1Aµ,X-7#1B.#0< gesandt; letzte dürften demnach auf Dorfebene agierende

Exekutivkräfte gewesen sein, die einem höheren Dorfbeamten unterstanden – also wohl dem

9$F0X-7#1B.(< oder dem I"04.=.(<. Es scheint mir daher sehr wahrscheinlich, dass wir hier

dieselben Organe vor uns haben, denen wir üblicherweise als X-7#1V.#0 in den Dörfern

begegnen; siehe etwa den Gebrauch dieses Begriffs in Z. 24 unseres Textes. Die Verwendung

des spezifischen Terminus könnte dadurch motiviert gewesen sein, dass eine Abgrenzung zu

höheren Verwaltungsebenen (so in SB VIII 9792) oder eine detaillierte Angabe der Funktion

(etwa zur Identifikation des Herieus in unserem Papyrus) notwendig erschienen. Vgl. P.Sorb.

26 Mayser, Grammatik I §22.

Page 21: Drei neue ptolemäische Papyri und das Amtsarchiv des Demetriosiowp.univie.ac.at/sites/default/files/IOWP_Stern_Deme... · 2014. 7. 25. · Drei neue ptolemäische Papyri und das

Drei neue ptolemäische Papyri und das Amtsarchiv des Demetrios 20

Imperium & Officium: Comparative Studies in Ancient Bureaucracy and Officialdom

III 112, 10 (Arsinoites?; 219): w?3?)?A)# .:) X-7#1B.() .c?< 1+?µ ?(< und BGU VIII 1818, 17–18

(Herakleopolites; 60/59): .,V< .c< | 1+µ(< X-7#1B.#0<.

Für die Ergänzung [*:< 1A]µ,XZ7#10 in P.Bad. II 35, 31 (Thinites; 87 n. Chr.) liegt

kein zwingender Grund vor, da ein 1Aµ,XZ7#Y sonst nirgends belegt ist und der Textverlust

wohl nur drei bis vier Buchstaben beträgt. Es sind zahlreiche Ergänzungen denkbar, da der

Kontext der Phylakie nicht ersichtlich ist.

8 9).73.#<: Vgl. Z. 4 I"#).7,/).,.<. Die genannten Personen dürften als Lohnarbeiter

angeheuert worden sein. Vgl. dazu P.Köln X 413 (Herakleopolites; 142), eine Eingabe an den

Strategen um die Entlohnung von Bewässerungsarbeiten in einem Weinberg, sowie

P.Cair.Zen. II 59176 = C.Ptol.Sklav. II 212 (Arsinoites; 255), eine Abrechnung über

Aufwendungen unter anderem für einen Arbeiter an der Feldbewässerung (Z. 230).

9)>.4 .R.J(4>): Auch dies ist ein sehr seltenes Wort. Im LSJ s. v. 9)#4,J6A findet sich die

Grundbedeutung scare and make to start up. Eine zu unserem Text analoge Konstruktion

begegnet in P.Enteux. 86, 6 (Arsinoites; 221): .,b< µ=$.-$=< µ,- 9)>4RJ(4>) "=).#<.

m[4.]>.: Die Lücke ist verhältnismäßig lang, doch muss an dieser Stelle die in den Petitionen

geläufige m4.> 1#B-Floskel stehen, welche die Folgen der geschilderten Tat verdeutlicht.

Vermutlich gehört der rechts erkennbare Buchstabenrest zu einer auslaufenden >-Zunge.

8–9 m[4.]>. | 1#S 94" .,$c4#0 µ .,./ .H) 5.c). Vgl. W.Chr. 11 A 8–9 (Pathyrites; 123): "$:< .:

94",$V4#0 (sic) .D ">*B# hµ8) und besonders B 7: m4.> k) *0D .#Z.([)] .[H]) #K.B#)

94",$V[4]#0 (sic) .H) 5c).

14–15 f"#$|.=1A0 .80 I"0µ>7(.c0: Bislang liegen drei weitere Zeugnisse eines Epimeleten

namens Spartakos in edierter Form vor: P.Hels. I 23 II 15 (Herakleopolites; 191/0), P.Köln V

221 C 3 (Arsinoites; ca. 190) sowie P.Tebt. III.2 895 Recto IV 122, vgl. Recto II 60

(Tebtynis; 175). Des Weiteren ist wohl auch der in P.Hels. I 4 C 7 (Herakleopolites; nach

168/7) genannte Spartakos Epimelet (vgl. P.Hels. I 4 D II 13). Angesichts des nicht eben

häufigen Namens sowie der regionalen Eingrenzung der Zeugnisse ist es sehr wahrscheinlich,

dass es sich um ein und dieselbe Person handelt, welche zweifelsohne auch in BGU XX 2840,

[1]. 11. 32 sowie in BGU XX 2841 II 2 und Verso Z. 14 (beide Herakleopolites; 200 oder

176) gemeint ist. Der dortige Spartakos trägt zwar keine Amtsbezeichnung, doch erscheint er

Page 22: Drei neue ptolemäische Papyri und das Amtsarchiv des Demetriosiowp.univie.ac.at/sites/default/files/IOWP_Stern_Deme... · 2014. 7. 25. · Drei neue ptolemäische Papyri und das

Matthias Stern 21

Imperium & Officium: Comparative Studies in Ancient Bureaucracy and Officialdom

in offiziellem Kontext als Verantwortlicher für die Lohnauszahlung von Soldaten. Mir

bekannte Erwähnungen in unpublizierten Texten umfassen etwa P.Duk.inv. 690, einen

Amtsbrief, in welchem auf eine Anweisung des Epimeleten Spartakos verwiesen wird, sowie

P.Duk.inv. 688, eine Petition über Steuerbelange (?), in der eine Entscheidung des Spartakos

erwähnt wird Beide Texte werden im Online-Katalog der Rubenstein Library in den

Arsinoites verwiesen; zeitlich wird der erste Papyrus auf den 25. Juni 192 datiert, während

der zweite kein Datum trägt27.

Was an all diesen Texten auffällt, ist deren unterschiedliche Datierung, wozu ein paar

Bemerkungen angebracht sind. In P.Hels. I 23 wird neben Spartakos noch ein gewisser

Ornymenes erwähnt, den wir sicher in der Amtszeit unseres Dioiketen Athenodoros verorten

können28, was bereits die Herausgeber von P.Mich. XVIII 779 veranlasste, den Helsinki-

Papyrus in das Jahr 191/0 zu datieren, welcher in der editio princeps nach 163 verortet

wird29. Dieser Papyrus wird als Teil des sogenannten Ökonomen-Archivs aus dem

Herakleopolites angesehen, welches als P.Hels. I 4–47 publiziert wurde, doch beruht diese

Einordnung einzig auf der gemeinsamen Herkunft der Kartonage aus demselben

Mumienkopf. Erja Salmenkivi hat jetzt gesehen, dass P.Hels. I 4–5 und 22–23 offenbar aus

einer anderen Kartonage stammen als der Rest des Ökonomen-Archivs30. Dies ermöglicht

einerseits die unproblematische Übernahme der Neudatierung für P.Hels. I 23 sowie eine

frühere Einordnung von P.Hels. I 431, aber auch, dass die Herkunft dieser beiden Papyri nicht

näher bestimmt werden kann: Im ersten Text wird einerseits das Dorf Athribis im Arsinoites

(C 10), andererseits das Dorf Phebichis im Herakleopolites erwähnt (D II 1) und im zweiten

Text begegnen wir zumindest dem Verweis auf Ornymenes, der – wie aus Nr. 1 hervorgeht –

im Arsinoites gewirkt haben muss; in beiden Fällen ist aber eine eindeutige Verortung des

Spartakos nicht möglich.

Es ergeben sich nun sowohl ein zeitliches als auch ein räumliches Problem bei der

‚Ein-Spartakos-Hypothese‘. Zum einen bleibt offen, wie die Nennung des Epimeleten

27 Drei Zeugnisse erwähnen einen Spartakos ohne Amtsbezeichnung und stammen aus dem fraglichen geographischen und chronologischen Umfeld. Es handelt sich um P.Hels. I 3, 11 (Arsinoites; Anf. 2. Jh.), P.Freib. III 28 1ii 15 (Arsinoites; 179/8) sowie BGU VI 1272, 23 (Arsinoites; 173). Im erst- wie im letztgenannten Fall lässt sich keinerlei Hinweis auf eine amtliche Funktion des Betreffenden erkennen. Lediglich in P.Freib. III 28 1ii 15 wäre eine Ergänzung N"&1+O*5) +[>) :")µ3C%+P) prinzipiell denkbar; diese Hypothese scheitert allerdings wohl daran, dass in Z. 11–12 zweifellos N"&1-]|+O*'< zu rekonstruieren ist und somit der Name bereits zuvor genannt wurde – und zwar ohne Funktionsbezeichnung. 28 Siehe Nr. 1, Komm. Z. 34. 29 Siehe P.Mich. XVIII, S. 95, Anm. 13. Der dortige Verweis auf P.Hels. I 25 statt P.Hels. I 23 ist offensichtlich

ein Versehen; auf S. 160 sind dagegen die Zeilennummern falsch zitiert. 30 Siehe BGU XX, S. 6. 31 Wenn man P.Hels. I 4 konsequenterweise näher an die Zeit des Athenodoros datieren möchte, wie es wohl

geboten ist, so ergibt das dort genannte dritte Jahr bei einer Zählung nach Epiphanes das Jahr 203/2 und nach Philometor 179/8. Diese Angabe bezieht sich jedoch explizit auf eine bereits zurückliegende Zeit und ist demnach für die Verortung des im Text genannten Spartakos nur bedingt wertvoll.

Page 23: Drei neue ptolemäische Papyri und das Amtsarchiv des Demetriosiowp.univie.ac.at/sites/default/files/IOWP_Stern_Deme... · 2014. 7. 25. · Drei neue ptolemäische Papyri und das

Drei neue ptolemäische Papyri und das Amtsarchiv des Demetrios 22

Imperium & Officium: Comparative Studies in Ancient Bureaucracy and Officialdom

Spartakos in P.Tebt. III.2 895 zu erklären ist, denn dieser Papyrus ist durch die Nennung des

Epistrategen Hippalos sicher in das Jahr 175 zu datieren, was derart weit von unserem Text

entfernt ist, dass eine so ausgedehnte Amtszeit des Spartakos kaum denkbar erscheint,

obgleich prinzipiell Epimeleten belegt sind, deren Amtszeit sich offenbar über mehrere Jahre

erstreckte32. Ferner stammen P.Tebt. III.2 895 und P.Köln V 221 aus dem Arsinoites; BGU

XX 2840–2841 dagegen aus dem Herakleopolites, während die Herkunft von P.Hels. I 4 und

23, wie gesagt, unsicher ist. Auch in unserem Text hat Spartakos eindeutig einen

herakleopolitischen Amtsbereich inne, denn er fungiert als Zwischenebene zwischen dem

Dioiketen Athenodoros und dem Dorf-Epistaten Ammonios.

Erja Salmenkivi sah diese Probleme bereits anhand von BGU XX 2840–2841 und

bietet zwei mögliche Lösungen an33. Entweder war Spartakos sowohl für den

Herakleopolites als auch für den Arsinoites verantwortlich und seine Amtszeit betrug

mindestens 26 bzw. 18 Jahre (201/0 bzw. 193/2–176/5)34 oder er amtierte zuerst im

Herakleopolites und anschließend im Arsinoites. Die zweite Möglichkeit ist meines Erachtens

unwahrscheinlich, da wir mit unserem Text jetzt ein sicheres Zeugnis aus dem Jahr 191/0 für

den Herakleopolites besitzen. Denn wenngleich die Erwähnung des Spartakos in P.Köln 221

C 3 sich möglicherweise auf einen etwas späteren Zeitraum als das an anderer Stelle genannte

16. Jahr (190/89) bezieht, so mutet ein quasi fliegender Wechsel dennoch merkwürdig an.

Nimmt man stattdessen beide Gaue als Amtsbereich an und datiert BGU XX 2840–2841 in

das Jahr 176, böte sich zudem die Möglichkeit, dass Spartakos zweimal nur wenige Jahre

amtierte – denn dann lägen unsere Zeugnisse in den Jahren 193/2–191/0 und 177/6–176/535.

Diese Hypothese erscheint auch deswegen plausibel, da bei der Besetzung von Ämtern

unterhalb der höchsten hierarchischen Ebenen eher auf das Prinzip der Rotation

zurückgegriffen worden sein dürfte, als dass man Amtszeiten von 18 oder mehr Jahren zu

ermöglicht hätte36.

32 Siehe P.Heid. VII, S. 8–9. 33 BGU XX, S. 6–7 mit einfachen Rechenfehlern bezüglich der ägyptischen bzw. julianischen Jahre. 34 In der ersten Variante bildet die Frühdatierung von BGU XX 2840 (29. Juli 200) den Beginn, in der zweiten

wird die Spätdatierung angenommen, womit dann P.Duk.inv. 690 (25. Juni 192) den frühesten Beleg darstellt; in beiden Fällen ist P.Tebt. III.2 895 mit dem dort genannten sechsten Jahr (176/5) das späteste Zeugnis.

35 Nicht auszuschließen, aber rein hypothetisch wäre auch der Gedanke, dass der Amtsbereich des Spartakos nicht den gesamten Arsinoites und Herakleopolites umfasste, sondern ein spezielles gauübergreifendes Gebiet im südöstlichen Arsinoites und nördlichen Herakleopolites umfasste. Vgl. zur Frage des Amtsbereiches des Epimeleten auch McGing, Illegal Salt (wie Anm. 22) 52, u. a. mit dem Hinweis auf UPZ I 110, 193 (Memphis?; 164): Q05$) :")µ3C%+P) +>$ *O+5{)} +R"5$ +'D N&S+'<.

36 Einen ähnlichen Befund bietet der Fall des Protarchos. Ein Epimelet dieses Namens tritt in P.Stras. II 104, 5–6 (Herakleopolites; 210) sowie in P.Mich. XVIII 774, 1 (Arsinoites; 194/3) auf. W. Clarysse – E. Lanciers, Currency and the Dating of Ptolemaic Papyri: AncSoc 20 (1989) 117–132, hier 127–132, plädierten für eine Datierung von P.Stras. II 104 in das Jahr 211/0; anders zuvor T. Reekmans, Monetary History and the Dating of Ptolemaic Papyri, in: (ohne Hg.), Ptolemaica (Löwen 1948, Studia Hellenistica 5) 15–43, hier 28, der sich für das Jahr 194/3 ausgesprochen hatte. Beide Hypothesen beruhen auf einem Preis- bzw. Lohnvergleich.

Page 24: Drei neue ptolemäische Papyri und das Amtsarchiv des Demetriosiowp.univie.ac.at/sites/default/files/IOWP_Stern_Deme... · 2014. 7. 25. · Drei neue ptolemäische Papyri und das

Matthias Stern 23

Imperium & Officium: Comparative Studies in Ancient Bureaucracy and Officialdom

19 ! [µ>.]# .7#J\): Vom ersten # ist nur der Auslaufstrich sichtbar. In Anbetracht des

Schriftbildes der Zeile füllt [µ>.]# . jedoch den Raum sehr gut aus. Zur eigenartig eckigen

Form des , siehe das sogleich folgende ,^|1.

21–22 "=40) 9.".,?|)6µ>0 1#S .D * .B1#0#: Für diesen Ausdruck gibt es drei weitere ptolemäische

Zeugnisse, in denen die Konstruktion allerdings variiert: P.Ryl. IV 668 Fr2, 2 (unbekannt;

Mitte 2. Jh.): [ -ca.?- .:] *B1#0,) 9",)6µ[>0) -ca.?- ]; P.Mert. I 5, 29f. (Ptolemais; 149–137):

I">0*H 9>S] | *0#.>7>V< "j40 .: *B1#0,) 9",)6µA); OGIS 90a, 19 (Rosetta; 196): !µ,BA< *[ 1#S

.: *B1#0,) "=40) 9"6)>0µ>).

4. Amtliche Anweisung bezüglich eines Getreidetransports

P.Vindob. G 56640 30,4 L ? cm 10. Aug.–8. Sep. 206 oder

Herakleopolis oder Arsinoites 5. Aug.–3. Sep. 189

Von diesem dunkelbraunen Papyrus, der transversa charta beschrieben ist, sind vier

Fragmente erhalten. Das größte davon bildet Fr1 (30,4 L 13,9 cm), welches das Ende des

Textes enthält. In diesem sind der untere sowie der rechte und linke Rand erhalten. Es finden

sich bedingt durch den Gebrauch als Kartonage, mehrere Ausschnitte sowie ausgewaschene

Stellen, jedoch ist die Tinte im Allgemeinen deutlich zu lesen. Das Verso ist stark

abgewaschen; es finden sich jedoch schemenhafte dunkle Spuren, welche von Abdrücken

stammen könnten. Deutlich als Schrift erkennbar ist hier nur eine Zeile am oberen Rand des

Stückes, in der sich ganz links sowie zentral Schriftspuren erkennen lassen. Fr2 (5,2 L 7,2 cm)

lässt sich rechts oben (Recto) an Fr1 anfügen und führt den rechten Rand weiter. Auf dem

Verso ist in der unteren Mitte Tinte zu erkennen; ob diese zu einem Vermerk gehört, lässt sich

Aufgrund des Zusammenhangs des Straßburger Textes mit P.Köln XI 448 (Herakleopolites; 211 oder 210) erscheint jetzt die Frühdatierung plausibler. P.Mich. XVIII 774 gehört dagegen dem Dossier des Goldschmieds Menches an, dessen Datierung aufgrund der Nennung des Dioiketen Athenodoros in P.Mich. XVIII 778, 1 gesichert ist (siehe zum Kontext P.Mich. XVIII, S. 93–94 sowie auch S. 112–113). Die große Zeitspanne lässt sich nun auf zweierlei Weise erklären: Entweder handelt es sich bei den ‚Protarchoi‘ um zwei verschiedene Personen – so tritt der Name in den Papyri auch wesentlich häufiger auf als „Spartakos“ – oder aber derselbe Mann bekleidete zweimal den Posten eines Epimeleten – zunächst im Herakleopolites, später im Arsinoites bzw. in beiden Fällen ein diese Gaue überschneidendes Gebiet (siehe Anm. 35). Mit beiden Erklärungen fiele die lange Amtsdauer des Protarchos von acht Jahren fort und die Hypothese einer mehrmaligen Ausübung des Amtes des örtlichen Epimeleten durch Spartakos würde noch ein Stück wahrscheinlicher.

Page 25: Drei neue ptolemäische Papyri und das Amtsarchiv des Demetriosiowp.univie.ac.at/sites/default/files/IOWP_Stern_Deme... · 2014. 7. 25. · Drei neue ptolemäische Papyri und das

Drei neue ptolemäische Papyri und das Amtsarchiv des Demetrios 24

Imperium & Officium: Comparative Studies in Ancient Bureaucracy and Officialdom

nicht eruieren, da der umliegende, Fr1 angehörende Teil zu stark abgewaschen ist. In Fr3 (6,7

L 8,8 cm) ist der obere Rand des Papyrus erhalten. Das Stück lässt sich nicht unmittelbar an

Fr1+2 anfügen; der Umfang des verlorenen Textes im Mittelteil muss daher offenbleiben. Auf

der Rückseite lassen sich in vier Zeilen Tintenspuren erkennen, die ebenfalls von Abdrücken

stammen könnten. Fr4 (5,8 L 3,1 cm) lässt sich ebenfalls nirgends anfügen; dem

unbeschriebenen linken Teil des Fragments fehlt die obere Papyruslage, daher muss es sich

nicht um den linken Rand handeln. Da auf diesem Fragment allerdings unter Z. 2 nichts mehr

gestanden zu haben scheint, sollte es wohl entweder gegen Ende der Zeilen 9–10 von Fr1 oder

aber am äußersten Ende der Zeilen über Fr1 platziert werden.

Die erkennbare Hand unterstreicht die aus dem Format herrührende Vermutung, dass

wir es mit einem amtlichen Schreiben zu tun haben. Der Schriftduktus gehört dem späten 3.

Jh. an, wobei jedoch zahlreiche jüngere Buchstabenformen eine eher spätere Verortung

nahelegen. Exemplarisch zeigen (, " und . die Verbindung von älteren und jüngeren

Buchstabenformen in unserem Text und machen eine Einordnung in das frühe 2. Jh.

wahrscheinlich. Die Orientierung an der Zeilenoberlinie ist noch deutlich spürbar.

Fr1+2

x 1 [ ] . [ 5–6 ] .

2 [ ] . [ ] A .) [ 5–6 ] #.0

3 [ 8–10 ] . #?$?F .[ 7–8 ] . [ ca. 6 ] 7?0?µ ?[ca. 6] ? .# .H.) . [3–4]7.H)

4 5.>) ? ?[ ? ? ] ?*0 9": l .>.F>.S .$ . J. >. .[2–3 .]D? 5.>µ>0r .[Rµ]>)# "#?$#F?[$]cµ#

5 I1"[6]µ .".>4'#0 y< µ677.>0 . .' ! *0#5>5$ .#µµ .[6]) .,< U4> .[4]'#0 I) . ..c0

6 ["R7>0] oA< W">SX 7. E0: 1# .7.8 .<. ".,.0 .34>0< "$ .,),(?'.>S< "[>]$ .S ? ? ?#.

7 [5–6] ? 0 .) 91,7,Z'A< .,V< I">.4.#7.µ .[6),]0<. z>5$=?X#µ>) *[ 1#S

8 [&",77]A)BA0 .80 ,K1,)RµA0 1#S g>.,4 .B .$>0 .80 J# .4070180 5$ .#.µ .µ .#...[>S]

9 [">$S .]8 .) #^ ..8). E0#4=X>0 *% hµV) I"0µ>78< 1#S > . [5–6] ?

10 IµJ7('{ 1#S |0 . k) hµ6$#0 . 5>µB4s ..< .: "7(':<. 2 .".[7–8]

11 ;"A< >K*8µ>). _$$A4,. (_.,-<) 0< W">.[SX 1–2]

4. 5>µ0rRµ>)# 11. / pap.

Verso:

(2. Hand?)

Page 26: Drei neue ptolemäische Papyri und das Amtsarchiv des Demetriosiowp.univie.ac.at/sites/default/files/IOWP_Stern_Deme... · 2014. 7. 25. · Drei neue ptolemäische Papyri und das

Matthias Stern 25

Imperium & Officium: Comparative Studies in Ancient Bureaucracy and Officialdom

N 12 ?F ? ?

Fr3

(1. Hand)

x 1 ] ?0) &'()?[,*+$-?

2 ] . .,/ J#407?[

3 .H)] .#FB4.(.[)

4 ] ".$:< .H) ?[ . . .] .[

5 ] .,-?<? µ ?>? ? ? ? ?[

Fr4

x 1 ]5.,4 ?[

2 ]>Y[

Fr1

„[–––] (w. 4) seit dem 2. Mecheir [–––] das Geladene unverzüglich fortzuschicken, damit es

geschieht, dass [–––] das Eingezahlte in der Hauptstadt sein wird bis zum 30. Epeiph.

Folglich wirst du richtig handeln, wenn du Sorge trägst für [–––] entsprechend der

Anordnungen. Wir haben sowohl dem Ökonomen Apollonios als auch dem Königlichen

Schreiber Petosiris in dieser Angelegenheit geschrieben. Gib uns also bekannt, sorgfältig und

[–––] geladen wird und am selben Tag du füllst die Menge [–––] damit wir Bescheid wissen.

Leb wohl. 16. Jahr, x. Epeiph.“

Der Schreiber dieses Briefes mahnt die Notwendigkeit an, dass eine Ladung die

Gauhauptstadt erreicht, und trägt dem Adressaten auf, ebendies zu gewährleisten und

Informationen über den Umfang des Verladenen an den Absender zurückzuleiten. Des

Weiteren werden sowohl der Gauökonom als auch der Königliche Schreiber über die

Angelegenheit in Kenntnis gesetzt. Es besteht ferner die Möglichkeit, dass es sich bei Fr1+2

nur um ein weitergeleitetes Schreiben handelt und Fr3 die eigentliche Mitteilung enthält. Die

im Text genannten, die Angelegenheit gewissermaßen eingrenzenden Daten lassen sich nicht

mit einer der traditionellen Schwellen des ägyptischen Kalenders (Überschwemmung;

Aussaat; Ernte) in Verbindung bringen und daher bleibt unklar, ob es sich um einen regulären

Page 27: Drei neue ptolemäische Papyri und das Amtsarchiv des Demetriosiowp.univie.ac.at/sites/default/files/IOWP_Stern_Deme... · 2014. 7. 25. · Drei neue ptolemäische Papyri und das

Drei neue ptolemäische Papyri und das Amtsarchiv des Demetrios 26

Imperium & Officium: Comparative Studies in Ancient Bureaucracy and Officialdom

Transport handelt oder ob die vorliegende Anweisung durch außergewöhnliche Umstände

veranlasst worden ist.

Die Zugehörigkeit des Stückes zum Archiv des Demetrios lässt sich nicht beweisen,

jedoch scheint mir eine solche Vermutung durchaus plausibel. Das Schriftstück legt bereits

durch Format und Schrift einen amtlichen Ursprung nahe und die im Text genannten

Beamten, der Ökonom und der Königliche Schreiber, verdeutlichen das hohe staatliche

Interesse an besagtem Transport, bei dem es sich nur die Verladung der Getreideabgaben

handeln kann. Der Adressat des Briefes dürfte somit in derselben Verantwortung

angeschrieben sein wie die als ,i "#$D N. N. .,/ *0,01(.,/ titulierten Beamten Achilleus

(BGU XVIII.1 2739), Apion (BGU XIV 2422) und Demetrios (Nr. 2; siehe den dortigen

Kommentar). Überdies könnte die in Fr3, 1 genannte Person gerade der dem Demetrios

vorgesetzte Dioiket Athenodoros sein. Das Schriftbild sehr gut in die fragliche Zeit zu passen

und das genannte 16. Jahr schließt überdies eine spätere Zeit als Epiphanes aus37. Die

Identifikation der im Text genannten Personen Apollonios und Petosiris mit Beamten aus dem

Arsinoites (siehe den Zeilenkommentar) ist rein hypothetisch und muss daher nicht gegen die

Zugehörigkeit sprechen, zumal wir in Nr. 1 gesehen haben, dass die Angelegenheiten, mit

denen sich Demetrios beschäftigte, nicht auf den Herakleopolites beschränkt bleiben mussten.

Akzeptiert man die Ergänzung von Fr3, 1, so stellt unser Text das bislang älteste (Datierung

nach Philopator) bzw. späteste Zeugnis (Datierung nach Epiphanes) für die Amtszeit des

Dioiketen Athenodoros dar. Wenn unser Text darüber hinaus dem Archiv des Demetrios

angehört, so erweitert er dessen Amtsführung auf das Jahr 190/89.

3 [3–4]7.H): Wahrscheinlich ist [IµJ,]7H) zu rekonstruieren, doch denkbar wäre auch

[I).,]7H).

4 >. .[2–3 .]D?: Möglicherweise ist o.A .[< 1–2 .]D herzustellen, sodass in der Lücke eine ein- bis

zweistellige Zahl verloren ist.

5 . .': Vielleicht ist µ ?>?'’ zu lesen.

! *0#5>5$ .#µµ .[6]) .,<: Zur Bedeutung an dieser Stelle vgl. P.Tebt. III.1 703, 184–188

(Tebtynis; 210): 1#S .H[)] "7>B4.() 4",-*H) ",0,/ ;|"A< ; .> 4?V?.,< I) #^.,V< "?#$?>?[4F(]µ6),<

37 Vgl. die Einleitung mit Anm. 8.

Page 28: Drei neue ptolemäische Papyri und das Amtsarchiv des Demetriosiowp.univie.ac.at/sites/default/files/IOWP_Stern_Deme... · 2014. 7. 25. · Drei neue ptolemäische Papyri und das

Matthias Stern 27

Imperium & Officium: Comparative Studies in Ancient Bureaucracy and Officialdom

| }[0] µ6F$0 .8) F7A$8[)], 1#S >K< [.],b< µR4F,-?<? | 9)#7B41(.#?0? !? *?0?#?5[>]5$#µµ6),< 1#'@

h|[µ]6$#).

5–6 I) . ..c0 | ["R7>0]. Sowohl "R7>0 und 1+µ(0 als auch F+$#0 erscheinen denkbar, wobei

letzteres meines Erachtens nur mit Mühe in die Lücke passt, insbesondere, da am

Zeilenanfang die Buchstaben in der Regel breiter ausgeführt werden. Die Konjektur 1+µ(0

benötigt einen bereits erwähnten Dorfnamen, der im erhaltenen Text nicht zu finden ist,

jedoch freilich zu Beginn des Dokuments gestanden haben könnte. In Anbetracht des

Kontextes scheint mir jedoch nur die Konjektur "R70< denkbar, welche zugleich wunderbar

mit den Platzverhältnissen harmoniert. Dabei kann Alexandria oder aber die Gauhauptstadt

gemeint sein, wobei letztere eigentlich nicht den Status einer "R70< besitzt, jedoch trotzdem

oft einfach als solche bezeichnet wird; doch sollte ohne gewichtige Gegenargumente zunächst

stets von einem lokalen Rahmen solcher Angelegenheiten ausgegangen werden.

6–7 "[>]$ .S ? ? ?# . | [5–6] ? 0 .): Man denkt aufgrund der Kürze zuerst an eine Floskel wie ">$S

.8) *>R).A), doch dürften 0 .) und #., das in unserem Text einen sehr charakteristischen Zug

besitzt, sicher sein. Sowohl " als auch 0 .) scheinen über notdürftig getilgtem Text geschrieben

worden zu sein; der Rest des Passus ist selbst zu stark abgewaschen, so dass sich dies hier

nicht mehr feststellen lässt.

8 [&",77]A)BA0 .80 ,K1,)RµA0: Die Rekonstruktion ergibt sich aus der Länge des verlorenen

Textes, da [&µµ]A)BA0 zu kurz ist und [g,4>0*]A)BA0 als zu lang erscheint. Dies ist weniger

der Größe der Buchstaben als deren Anzahl geschuldet, da gerade die Zwischenräume in

unserem Text in der Regel verhältnismäßig breit sind, insbesondere zu Beginn der Zeilen.

Aufgrund der Häufigkeit des Namens ist an eine sichere Identifikation nicht zu denken,

allerdings ist in P.Yale I 36 (Arsinoites; 190) ein Schreiben des Dioiketen Athenodoros an

einen Apollonios erhalten, welches dieser wiederum an den Toparchen Leon weiterleitet. Der

Text betrifft die Vorbereitungen der jährlichen Aussaat und es erscheint denkbar, dass es sich

bei unserem Apollonios um dieselbe Person handeln könnte. Ein ebenfalls in öffentlicher

Funktion unter dem Epimeleten Spartakos agierender Apollonios ist ferner in P.Duk.inv. 690

(Arsinoites; 192) bezeugt. In P.Tebt. III.2 893, 7 (Tebtynis; 2. Jh. v. Chr.) begegnet dagegen

ein explizit als Ökonom betitelter Apollonios. Vgl. Z. 8 g>.,4 .B .$>0 .80 J# .4070180 5$ .#.µ .µ .#...[>S].

g>.,4 .B .$>0 .80 J# .4070180 5$ .#.µ .µ .#...[>S]: Charikleia Armoni führt in ihrer Monographie über den

Page 29: Drei neue ptolemäische Papyri und das Amtsarchiv des Demetriosiowp.univie.ac.at/sites/default/files/IOWP_Stern_Deme... · 2014. 7. 25. · Drei neue ptolemäische Papyri und das

Drei neue ptolemäische Papyri und das Amtsarchiv des Demetrios 28

Imperium & Officium: Comparative Studies in Ancient Bureaucracy and Officialdom

dieses Amt einen Königlichen Schreiber namens Petosiris aus dem Arsinoites an38. Der

entsprechende Papyrus aus der Kölner Sammlung ist unediert und vor dem 4. Mai 184 zu

datieren, allerdings ist der Name Petosiris zu häufig, um eine Identifikation zu sichern. Vgl.

Z. 8. [&",77]A)BA0 .80 ,K1,)RµA0.

9 > . [5–6] ? : Zu Beginn deutet alles auf >0? und damit wohl >K?[< hin. Da die umliegenden

Zeilen leicht aufsteigen, scheint am Zeilenende >? wahrscheinlich, doch auch die

Überstreichung einer Zahl ist denkbar.

Fr3

1 ] ?0): Ein - vor ) ist unwahrscheinlich, da dieses im Fr1 niemals so gebildet wird. Zu

welchem Buchstaben der unmittelbar hinter der Lücke noch erkennbare Auslaufstrich gehört,

kann nicht gesagt werden. Ungewöhnlich ist, dass dieser hier wie auch in der Folgezeile

abwärts geführt wird, was im Fr1 nur ganz vereinzelt bei # und ) begegnet; siehe etwa

5.>µ>0r .[Rµ]>)# in Fr1, 4; dafür ist die Abwärtsbewegung des # zum nächsten Buchstaben

deutlicher im folgenden J#407?[. Reizvoll wäre sicherlich, F#B$]>?0) anzunehmen, doch > ist

hier kaum möglich.

1 &'()?[,*+$-?: Das ) scheint sicher. Zur hypothetischen Rekonstruktion siehe die Einleitung

zum Text.

2 ] . .,/ J#407?[ : Zu Beginn ist derselbe ungewöhnliche abwärts gezogene Auslaufstrich wie

in Z. 1 zu erkennen, weshalb I]1? .,/ J#407?[01,/ ausgeschlossen ist. Falls eine Genitivendung

vorliegt, so ist eher o]-? als o]<? zu lesen. Am Ende ist mit Fr1, 8 möglicherweise .,/

J#407?[01,/ 5$#µµ#.6A<, mit Nr. 2, 4 .,/ J#407?[01,/ 4B.,- oder aber generell "#$]D? .,/

J#407?[6A< herzustellen.

4 .H)] .#FB4.( .[): Diese Rekonstruktion scheint ohne Alternative zu sein, verwundert jedoch

aufgrund der Ausführung von 4, welche dem Stil unseres Textes sonst gänzlich fremd ist; vgl.

etwa in Z. 5 ".$:< .H) mit der Verbindung von < zu .. Die Lesung .=F04.#? ist aufgrund der

deutlich sichtbaren Vertikalhaste am Ende ausgeschlossen.

38 C. Armoni, Studien zur Verwaltung des ptolemäischen Ägypten. Das Amt des Basilikos Grammateus

(Paderborn 2012; Pap.Col. 36) 252, Nr. 30.