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DRESDEN BERICHTET 03 2020 Mai/Juni 27. Jahrgang AKTUELLE FORSCHUNGSERGEBNISSE Stabile Demokratie in Krisen- zeiten: Lokale Coronafälle haben bei der bayerischen Kommunalwahl die Wähler nicht abgeschreckt Sebastian Blesse, Philipp Kerler und Felix Rösel Aus Nord und Süd und Ost und West – Wie Wanderungs- verhalten in Deutschland von regionalen Mentalitäten abhängt Anna Kremer Der bereinigte Gender Pay Gap: Warum Frauen in Sachsen eigentlich mehr verdienen müssten als Männer Michaela Fuchs, Corinna Lawitzki, Anja Rossen und Antje Weyh IM BLICKPUNKT Auf die lange Bank geschoben: Zum Abschlussbericht der Kommission „Verlässlicher Generationenvertrag“ Joachim Ragnitz Kaum mehr als ein Strohfeuer – Evaluationsstudien zu Abwrackprämien im Überblick Christopher Leisinger und Felix Rösel DATEN UND PROGNOSEN Vierteljährliche VGR für Sachsen ifo Konjunkturumfragen Ostdeutschland und Sachsen AKTUELLE FORSCHUNGSERGEBNISSE Wer macht den Anfang? Regierungsformen und die Reaktionen auf COVID-19 Mona Förtsch und Stefanie Knoll

DRESDEN 2020 BERICHTET · 4 ifo Dresden berichtet 3/2020 Abb. 1 Zögerliche Reaktion demokratischer Staaten hinsichtlich Schulschließungen Anmerkung: Die Abbildung zeigt den Zusammenhang

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Page 1: DRESDEN 2020 BERICHTET · 4 ifo Dresden berichtet 3/2020 Abb. 1 Zögerliche Reaktion demokratischer Staaten hinsichtlich Schulschließungen Anmerkung: Die Abbildung zeigt den Zusammenhang

DRESDEN BERICHTET

032020

Mai/Juni27. Jahrgang

AKTUELLE FORSCHUNGSERGEBNISSE

Stabile Demokratie in Krisen­zeiten: Lokale Coronafälle haben bei der bayerischen Kommunal wahl die Wähler nicht abgeschreckt Sebastian Blesse, Philipp Kerler und Felix Rösel

Aus Nord und Süd und Ost und West – Wie Wanderungs­verhalten in Deutschland von regionalen Mentalitäten abhängtAnna Kremer

Der bereinigte Gender Pay Gap: Warum Frauen in Sachsen eigentlich mehr verdienen müssten als MännerMichaela Fuchs, Corinna Lawitzki, Anja Rossen und Antje Weyh

IM BLICKPUNKT

Auf die lange Bank geschoben: Zum Abschlussbericht der Kommission „Verlässlicher Generationenvertrag“Joachim Ragnitz

Kaum mehr als ein Strohfeuer – Evaluationsstudien zu Abwrackprämien im ÜberblickChristopher Leisinger und Felix Rösel

DATEN UND PROGNOSEN

Vierteljährliche VGR für Sachsen

ifo Konjunkturumfragen Ostdeutschland und Sachsen

AKTUELLE FORSCHUNGSERGEBNISSE

Wer macht den Anfang? Regierungsformen und die Reaktionen auf COVID­19Mona Förtsch und Stefanie Knoll

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ifo Dresden berichtetISSN 0945-592227. Jahrgang (2020)Herausgeber: ifo Institut – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München e. V.,Niederlassung Dresden, Einsteinstraße 3, 01069 DresdenTelefon: 0351 26476-0, Telefax: 0351 26476-20E-Mail: [email protected]: Joachim RagnitzTechnische Leitung: Katrin BehmVertrieb: ifo Institut, Niederlassung DresdenErscheinungsweise: zweimonatlichBezugspreis jährlich: 25,00 EuroPreis des Einzelheftes: 5,00 EuroPreise einschl. Mehrwertsteuer, zzgl. VersandkostenGrafik Design: © ifo Institut MünchenSatz und Druck: c-macs publishingservice DresdenNachdruck und sonstige Verbreitung (auch auszugsweise): Nur mit Quellenangabe und gegen Einsendung eines Belegexemplars

Im Internet: http://www.ifo-dresden.de

Die Niederlassung Dresden des ifo Instituts wird mitfinanziert mit Steuermitteln auf Grund-lage des von den Abgeordneten des Sächsischen Landtags beschlossenen Haushaltes.

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1ifo Dresden berichtet 3/2020

ifo DRESDEN BERICHTET 03/2020

AKTUELLE FORSCHUNGSERGEBNISSE

Wer macht den Anfang? – Regierungsformen und die Reaktionen auf COVID-19 3 Mona Förtsch und Stefanie Knoll

Demokratische Länder zögerten länger, um einige „Social distancing“-Maßnahmen wie Schulschließungen gegen die Aus-breitung des Coronavirus zu verordnen, als autoritäre Staaten. Der Zeitabstand betrug ein bis zwei Wochen. Bei anderen ­Beschränkungen­wie­internationalen­Reisekontrollen­finden­wir­keine­zeitlichen­Unterschiede.­Zudem­haben­föderal­organi-sierte Länder wie Deutschland nicht langsamer gehandelt als Einheitsstaaten wie Frankreich.

Stabile Demokratie in Krisenzeiten: Lokale Coronafälle haben bei der bayerischen Kommunalwahl die Wähler nicht abgeschreckt 7 Sebastian Blesse, Philipp Kerler und Felix Rösel

Am­15.­März­2020­fanden­in­Bayern­die­Kommunalwahlen­statt­–­mitten­in­den­Anfangswochen­der­Coronapandemie­in­Deutsch-land.­In­etwa­einem­Fünftel­der­bayerischen­Landkreise­gab­es­zu­diesem­Zeitpunkt­aber­noch­keinen­bestätigten­Coronafall.­Wir­vergleichen­das­Wahlverhalten­in­diesen­Landkreisen­mit­bayerischen­Landkreisen,­in­denen­bereits­Corona­nachgewiesen­wurde.­Unsere­Ergebnisse­deuten­nicht­darauf­hin,­dass­lokale­Coronafälle­die­Wahlbeteiligung­negativ­beeinflusst­haben.­Die­Wähler haben sich nicht abschrecken lassen.

Aus Nord und Süd und Ost und West – Wie Wanderungsverhalten in Deutschland von regionalen Mentalitäten abhängt 11 Anna Kremer

Ostdeutsche waren nach der Wiedervereinigung deutlich stärker zur Binnenmigration bereit als Westdeutsche. Diese Abwan-derungstendenz­hat­den­Aufholprozess­der­ostdeutschen­Länder­gehemmt.­Gemeinhin­wird­angenommen,­dass­die­starke­Abwanderung­aus­Ostdeutschland­überwiegend­auf­wirtschaftliche­Gründe­zurückzuführen­ist.­Ob­ökonomische­Wanderungs-anreize aber auch tatsächlich vorwiegend Wanderungsentscheidungen bestimmen, ist keineswegs ausgemacht. Daher unter-sucht­dieser­Artikel,­ob­neben­den­bekannten­Ursachen­wie­Arbeitslosigkeit,­Alter­und­Bildung­auch­regionsspezifische­kultu-relle­Unterschiede­die­Binnenmigration­ in­Deutschland­beeinflussen.­Die­ Ergebnisse­ zeigen,­ dass­ nord-­ und­ostdeutsche­Migrierende­stärker­auf­ökonomische­Anreize­reagieren­als­süd-­und­westdeutsche­Migrierende.­Zudem­haben­Ostdeutsche­eine­generell­höhere­Migrationsbereitschaft,­welche­die­Abwanderung­aus­Ostdeutschland­verstärkt­hat.

Der bereinigte Gender Pay Gap: Warum Frauen in Sachsen eigentlich mehr verdienen müssten als Männer 15 Michaela Fuchs, Corinna Lawitzki, Anja Rossen und Antje Weyh

In­Sachsen­verdienen­vollzeitbeschäftigte­Frauen­7,5%­weniger­Lohn­als­vollzeitbeschäftigte­Männer.­Der­größte­Unterschied­in­ der­ Entlohnung­ existiert­ in­ Zwickau­ mit­ 11,6%,­ der­ geringste­ in­ Görlitz­ mit­ 2,1%.­ Diese­ regionalen­ Unterschiede­ im­­ sogenannten­unbereinigten­Gender­Pay­Gap­sind­vor­allem­durch­die­Variation­in­den­Löhnen­der­Männer­getrieben.­Vergleicht­man Männer und Frauen, die hinsichtlich ihrer individuellen, betrieblichen und regionalen Merkmale gleich ausgestattet sind,­ fällt­ der­ bereinigte­ Lohnunterschied­mit­ 11,4%­höher­ als­ der­ unbereinigte­ (7,5%)­ aus.­ Somit­ sind­ Frauen­bezüglich­ ihrer Merkmale besser ausgestattet als Männer. Sie müssten eigentlich mehr verdienen. Warum das dennoch nicht der Fall ist, zeigt dieser Beitrag.

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2 ifo Dresden berichtet 3/2020

IM BLICKPUNKT

Auf die lange Bank geschoben: Zum Abschlussbericht der Kommission „Verlässlicher Generationenvertrag“ 22 Joachim Ragnitz

Die­Bundesregierung­hat­die­Kommission­„Verlässlicher­Generationenvertrag“­damit­beauftragt,­Empfehlungen­zur­Sicherung­der­Nachhaltigkeit­der­Rentenfinanzen­zu­entwickeln.­Der­Kommissionsbericht­bleibt­deutlich­hinter­den­hochgesteckten­­Erwartungen­zurück.­Die­vorgeschlagenen­Maßnahmen­werden­die­Finanzierungsprobleme­der­Gesetzlichen­Rentenversiche-rung­nicht­lösen,­sondern­führen­letzten­Endes­nur­dazu,­dass­der­Bundeszuschuss­an­die­Rentenversicherung­erhöht­werden­muss.­Ohne­eine­weitere­Verlängerung­der­Lebensarbeitszeit­wird­sich­das­Finanzierungsproblem­der­Rentenversicherung­nicht­lösen­lassen,­da­es­für­die­erwerbsfähige­Generation­unerheblich­ist,­ob­sie­über­Steuern­oder­Sozialversicherungsbeiträge­für­die­Rentner­aufzukommen­hat.

Kaum mehr als ein Strohfeuer – Evaluationsstudien zu Abwrackprämien im Überblick 25 Christopher Leisinger und Felix Rösel

Wir­geben­einen­Überblick­über­Studien­zur­Wirkung­von­Abwrack-­und­Kaufprämien­für­Autos.­Diese­Prämien­kurbeln­kurz-fristig­die­Autoverkäufe­an.­Mittelfristig­werden­aber­kaum­mehr­Autos­verkauft.­Viele­Verbraucher­hätten­sich­ohnehin­ein­ Auto­gekauft,­ziehen­den­Kauf­durch­die­Prämie­vor,­oder­geben­nach­dem­Autokauf­weniger­Geld­für­andere­Konsumgüter­aus.­Die­Umweltwirkung­von­Kaufprämien­ist­unklar.

DATEN UND PROGNOSEN

Vierteljährliche VGR für Sachsen: Ergebnisse für das vierte Quartal 2019 28 Wolfgang Nierhaus

ifo Konjunkturumfragen Ostdeutschland und Sachsen 30 Niels Gillmann und Jannik A. Nauerth

AUS DEM ifo DRESDEN

ifo Veranstaltungen 33

ifo Vorträge 33

ifo Veröffentlichungen 34

ifo in den Medien 34

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AKTUELLE FORSCHUNGSERGEBNISSE

ifo Dresden berichtet 3/2020

Mona Förtsch und Stefanie Knoll *

Wer macht den Anfang? – Regierungs formen und die Reaktionen auf COVID-19

Demokratische Länder zögerten länger, um einige „Social distancing“-Maßnahmen wie Schulschließun-gen gegen die Ausbreitung des Coronavirus zu verordnen, als autoritäre Staaten. Der Zeitabstand betrug ein bis zwei Wochen. Bei anderen Beschränkungen wie internationalen Reisekontrollen finden wir keine zeitlichen Unterschiede. Zudem haben föderal organisierte Länder wie Deutschland nicht langsamer ge-handelt als Einheitsstaaten wie Frankreich.

In­Krisenzeiten­bevorzugt­die­Bevölkerung­starke­politische­Führungsqualitäten­und­hofft,­dass­die­Regierung­alle­not-wendigen­Schritte­ergreift,­um­die­Krise­und­ihre­negativen­gesundheitlichen,­sozialen­und­wirtschaftlichen­Folgen­so­gut­wie­möglich­einzudämmen­(Amat­et­al.­2020).­Bei­der­aktuel-len­Coronapandemie­verfolgen­die­Regierungen­verschiede-ner Länder insbesondere zwei Ziele. Zum einen versuchen sie, die­Verbreitung­des­Virus­zu­verlangsamen,­um­die­Gesund-heit­der­Bevölkerung­zu­schützen­und­das­Gesundheitssystem­nicht zu überlasten. Zum anderen möchten sie die Bevölke-rung­in­sozialer­Hinsicht­und­die­Unternehmen­in­wirtschaft-licher­Hinsicht­unterstützen.­So­ergreifen­sie­aktuell­eine­Viel-zahl denkbarer Maßnahmen von verstärktem Testen von Menschen,­die­Symptome­aufweisen,­über­Ausgangbeschrän-kungen, Schulschließungen oder mehrwöchige Quarantäne-regelungen­ für­ Infizierte­ bis­ hin­ zu­ finanziellen­ Hilfen­ für­Unter­nehmen­und­Haushalte.

Jede Regierung geht dabei unterschiedlich schnell und mit unterschiedlicher Regulierungsintensität vor. China rea-gier­te­ –­ nachdem­ die­ Vertuschung­ in­ Wuhan­ bekannt­ ge-worden­war­–­hart,­während­der­autoritär­regierende­weiß-russische­ ­Prä­sident­ bisher­ kaum­ restriktive­ Maßnahmen­erließ,­um­der­Pandemie­entgegenzuwirken.­Spanien­führte­schnell einen weitreichenden Shutdown ein, wohingegen Schweden­auf­Freiwilligkeit­setzte,­um­die­Pandemie­abzu-schwächen. Aus der anekdotischen Evidenz einzelner Länder lässt­ sich­ jedenfalls­noch­kein­eindeutiger­Zusammenhang­zwischen­der­­Regierungsform­und­der­Reaktion­auf­den­Aus-bruch­des­Corona­­virus­feststellen.­Erwartbar­wäre,­dass­auto-ritäre­Regime­das­öffentliche­Leben­schneller­beschränkten,­da­für­sie­der­Rückhalt­der­Bevölkerung­weniger­wichtig­ist­als­in Demokratien. Möglicherweise berücksichtigten auto ritäre Staaten­auch­die­Kosten,­die­mit­den­Maßnahmen­für­die­Be-völkerung ent stehen, weniger.

Allerdings­unterschieden­sich­die­Reaktionen­auf­die­Co-ronakrise nicht nur zwischen verschiedenen Staaten, sondern auch innerhalb der jeweiligen Länder. In Deutschland war Sachsen-Anhalt­ zu­ Beginn­ der­ Krise­ bspw.­ weniger­ stark­­betroffen­als­Bayern,­weshalb­die­Bundesländer­unterschied-liche­ Strategien­ anwendeten,­ um­die­ Krise­ regional­ zu­ be-kämpfen.­Daher­ ist­denkbar,­dass­die­Geschwindigkeit,­mit­der­restriktive­Maßnahmen­auf­nationaler­Ebene­eingeführt­

wurden auch damit zusammenhängt, wie dezentral ein Land regiert wird.

In­diesem­Beitrag­versuchen­wir­systematisch­zu­erklä-ren,­ob­Demokratie­sowie­föderale­Strukturen­einen­Einfluss­auf­die­Geschwindigkeit­hatten,­mit­der­verschiedene­Staaten­auf­nationaler­Ebene­restriktive­Maßnahmen­als­Antwort­auf­den­ersten­bestätigten­COVID-19-Fall­in­ihrem­Land­ergriffen.­Wir beobachten, dass demokratische Staaten länger zöger-ten,­ um­ dem­ Virus­mit­ Schulschließungen­ oder­ Veranstal-tungsverboten entgegenzuwirken. In dezentral organisierten Ländern sehen wir hinsichtlich aller Maßnahmen keine lang-samere Reaktionszeit als in Zentralstaaten.

DEMOKRATISCHE STAATEN ZÖGERN HINSICHTLICH SCHULSCHLIESSUNGEN

Eine­restriktive­Maßnahme,­mit­der­viele­Länder­auf­den­Aus-bruch­der­Coronapandemie­reagierten,­ist­die­Schließung­von­Schulen. Dies ist eine besonders einschneidende Maßnahme, da­Schulschließungen­langfristige­Folgen­für­Kinder­vor­allem­aus­bildungsfernen­Familien­haben­können.­Die­verschiedenen­Staaten ließen dabei unterschiedlich viele Tage zwischen dem ersten­be­kannten­COVID-19-Fall­in­ihrem­Land­und­den­anschlie-ßenden Schulschließungen vergehen. Abbildung 1 zeigt diesen Zu sam menhang mit dem Demokratieindex der Economist In-telligence­Unit­an­der­horizontalen­Achse.­Der­positive­Trend­in­den­Daten­legt­nahe,­dass­mit­zunehmend­ausgeprägter­Demo-kratie auch die Dauer, bis Schulen geschlossen wurden, steigt.

Die­graphische­Darstellung­berücksichtigt­allerdings­nicht,­dass sich das Coronavirus nicht in allen Ländern zeitgleich ausbreitete.­Länder,­deren­erster­Fall­im­weltweiten­Ver­­gleich­relativ­spät­auftrat,­waren­in­der­Lage­schneller­restriktive­Maß-­­­nahmen­ einzuführen,­ da­ sie­ aus­ den­ Erfahrungen­ anderer­­Länder­lernen­konnten.­Daher­führen­wir­Regressionsanalysen­(vgl.­Infobox­1)­durch,­um­ausschließen­zu­können,­dass­die­spätere­Reaktion­von­eher­demokratischen­Staaten­nur­da­rauf­zurückzuführen­ist,­dass­die­ersten­Fälle­dort­zum­Beispiel­im­Vergleich­zu­China­erst­vergleichsweise­spät­auftraten.

*­ ­Mona­Förtsch­und­Stefanie­Knoll­sind­Doktorandinnen­an­der­Niederlassung­Dresden­des­ifo­Instituts­–­Leibniz-Institut­für­Wirtschaftsforschung­an­der­Universität­München­e.­V.

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AKTUELLE FORSCHUNGSERGEBNISSE

4 ifo Dresden berichtet 3/2020

Abb. 1Zögerliche Reaktion demokratischer Staaten hinsichtlich Schulschließungen

Anmerkung: Die Abbildung zeigt den Zusammenhang zwischen der Reaktionsgeschwindigkeit hinsichtlich Schulschließungen in verschiedenen Ländern­und­deren­Demokratieindex.­Die­Reaktionsgeschwindigkeit­ist­die­zeitliche­Differenz­zwischen­dem­ersten­COVID-19-Fall­in­einem­Land­und­der­nationalen­Schließung­von­Schulen.­Der­Demokratieindex­gibt­auf­einer­Skala­von­1­bis­10­an,­wie­demokratisch­ein­Land­ist.­ Je höher der Indexwert, desto demokratischer ist das Land. Die graue Linie zeigt den Trend der Daten.

Quelle:­Hale­et­al.­(2020),­Darstellung­des­ifo­Instituts.­ ©­ifo­Institut

Infobox 1: Methodik und Daten

In­ unseren­ Analysen­ interessieren­ wir­ uns­ für­ den­ Zu-sammen hang zwischen Demokratie bzw. Dezentralität und­ der­ Geschwindigkeit,­ mit­ der­ Regierungen­ auf­ den­Ausbruch des Coronavirus im eigenen Land reagieren. Wir­nutzen­die­Daten­des­Oxford­Coronavirus­Government­­Response­Tracker,­welcher­weltweite­politische­Reaktio-nen­hinsichtlich­der­Verbreitung­des­Coronavirus­sowie­die­Fall-­und­Todeszahlen­tagesgenau­verfolgt­(Hale­et­al.­2020).­Die Reak tionsgeschwindigkeit einer Regierung berechnen wir­als­zeitliche­Differenz­(in­Tagen)­zwischen­dem­ersten­bekannten­COVID-19-Fall­ in­einem­Land­und­der­Einfüh-rung der jeweiligen restriktiven Maßnahme. Letztere stellt in­unserer­Regressionsanalyse­die­abhängige­Variable­dar.­Zur­Erklärung­dieser­Variable­nutzen­wir­eine­Reihe­unab-hängiger­Variablen:­die­Zeitdifferenz­zwischen­dem­ersten­bestätigten­COVID-19-Fall­in­China­und­dem­ersten­Fall­im­je­weiligen­Land,­die­Einwohnerzahl,­das­Bruttoinlandspro-dukt­pro­Kopf,­den­Urbanisierungsgrad­sowie­die­Säuglings-sterblichkeit,­die­als­Proxy­für­die­Qualität­des­jeweiligen­Gesundheitssystems­dient.­Außerdem­nutzen­wir­die­Zeit-spanne­zwischen­dem­ersten­und­fünfzigsten­gemeldeten­COVID-19-Fall­im­jeweiligen­Land­als­Maß­für­die­Ausbrei-tungsgeschwindigkeit­des­Virus.­Die­beiden­zentralen­un­ab-­hängigen­Variablen­sind­der­Demokratieindex­der­Economist­Intelligence­Unit­von­2019­sowie­ein­Index­für­De­zen­­tralität.­Der­Demokratieindex­wird­auf­einer­Skala­von­1­bis­10­gemes-sen­und­basiert­auf­den­folgenden­fünf­Kategorien:­Wahl-prozess­und­Pluralismus,­Funktionsweise­der­Regierung,­

Politische­Teilhabe,­Politische­Kultur,­­Bürgerrechte­(Unit­2020).­Der­Dezentralitätsindex­misst­auf­einer­Skala­von­0­bis­30­die Autorität von Regionalregierungen in vollständigen und­unvollständigen­Demokratien­entlang­der­folgenden­fiskalischen­und­politischen­Dimensionen:­institutionelle­Tiefe,­politische­Reichweite,­fiska­lische­Autonomie,­Kredit-aufnahmeautonomie,­Repräsentation,­Rechtsetzung,­exe-kutive­ Kontrolle,­ fiskalische­ Kontrolle,­ Kreditaufnahme-kontrolle­und­Verfassungsreform­(Hooghe­et­al.­2016).

Tabelle 1 verdeutlicht, dass demokratischere Staaten tenden-ziell­später­mit­Schulschließungen­auf­die­Coronapandemie­reagierten­(Spalte­[1]).­Dieser­Effekt­bleibt­erhalten,­wenn­an-dere­potenzielle­ Einflussfaktoren,­wie­das­ generell­ spätere­Auftreten­des­Virus­im­Land­oder­landesspezifische­Charak-teristika,­berücksichtigt­werden­(Spalte­­[2]).­Würde­sich­bspw.­der­Demokratieindex­der­Ukraine­auf­das­Demokratieniveau­Deutsch lands erhöhen, wäre das mit einer etwa vier Tage ­späteren­Schulschließung­verbunden.1

In einem weiteren Schritt untersuchen wir, ob sich die Reaktionsgeschwindigkeit demokratischer Länder unter schei-det, je nachdem wie zentral oder dezentral das jeweilige Land organisiert­ist.­Wenn­wir­für­unterschiedliche­Einflussfaktoren­kontrollieren, sehen wir keinen Zusammenhang zwischen ­Reaktionsgeschwindigkeit­ und­Dezentralität­ (Spalte­ [4]).­ In­stärker­dezentralisierten­Staaten­wurden­Schulen­auf­natio-naler Ebene also nicht schneller oder langsamer geschlossen als in Zentralstaaten.2

DEU

–60

–40

–20

0

20

40

60

80

100

0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10Demokratieindex

Reaktionsgeschwindigkeit in Tagen

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AKTUELLE FORSCHUNGSERGEBNISSE

ifo Dresden berichtet 3/2020

Tab. 1Zusammenhang zwischen Staatsform und Schulschließungen

Anmerkung:­Die­Tabelle­zeigt­die­geschätzten­Effekte­der­zeitlichen­Differenz­zwischen­dem­ersten­COVID-19-Fall­und­Schulschließungen­auf­einen­Demokratieindex­(Spalten­[1]­und­[2])­bzw.­einen­Dezentralisierungsindex­(Spalten­[3]­und­[4]).­In­den­Schätzungen­in­Spalte­[2]­und­[4]kontrollieren­wir­zusätzlich­für­die­Zeitdifferenz­zwischen­dem­ersten­bestätigten­COVID-19-Fall­in­China­und­dem­ersten­Fall­im­jeweiligen­Land,­die­Einwohner­zahl,­das­Bruttoinlandsprodukt­pro­Kopf,­den­Grad­der­Urbanisierung,­die­Säuglingssterblichkeit­sowie­die­Zeitspanne­zwischen­dem­ersten­und­fünfzigsten­gemeldeten­COVID-19-Fall­im­jeweiligen­Land.­Robuste­Standardfehler­sind­in­Klammern­angegeben.­Koeffizienten­gekennzeichnet­mit­***­sind­signifikant­auf­dem­1-%-Level,­mit­**­sind­signifikant­auf­dem­5-%-Level­und­mit­*­sind­signifikant­auf­dem­10-%-Level.­

Quelle:­Berechnungen­und­Darstellung­des­ifo­Instituts.­ ©­ifo­Institut

DEMOKRATISCHE LÄNDER REAGIERTEN NICHT IMMER LANGSAMER

Neben Schulschließungen wurden in vielen Staaten noch wei-tere­Maßnahmen­ergriffen,­um­die­Verbreitung­des­Corona-virus einzudämmen. Daher untersuchen wir auch, ob sich die Reaktion zwischen den Ländern bei diesen Maßnahmen unter- scheidet. Tabelle 2 zeigt, dass der Zusammenhang von Demo-kratieindex­und­der­Geschwindigkeit,­mit­der­verschiedene­Maßnahmen­implementiert­wurden,­nicht­eindeutig­ist.3­Unter-schiedliche­Reaktionszeiten­zwischen­den­Regierungsformen­

beobachten wir nicht nur bei Schulschließungen, sondern auch bei­der­Absage­öffentlicher­Veranstaltungen.­Demo­kratische­Staaten­ haben­ demnach­ nach­ dem­ Auftreten­ des­ ersten­­COVID-19-Falls­im­eigenen­Land­auch­länger­gezögert,­Veran-stal­tungen­ zu­ verbieten.­ Hinsichtlich­ des­ Verbots­ größerer­Per­sonengruppen,­Betriebsschließungen,­Ausgangs-­oder­Reise-beschrän­kungen­sehen­wir­keine­zeitlichen­Unterschiede.

Bei allen von uns betrachteten Maßnahmen unterschei-det­sich­–­genauso­wie­bei­Schulschließungen­–­die­Reaktions-geschwindigkeit dezentral organisierter Länder nicht von der in eher zentral reagierten Demokratien.

Tab. 2Zusammenhang zwischen Staatsform und Durchsetzungsgeschwindigkeit verschiedener Maßnahmen

Anmerkung:­Die­Tabelle­zeigt­die­geschätzten­Effekte­der­zeitlichen­Differenz­zwischen­dem­ersten­COVID-19­Fall­und­Schulschließungen­(Spalte­[1]),­der­Absage­öffentlicher­Veranstaltungen­(Spalte­[2]),­internationalen­Reisekontrollen­(Spalte­[3]),­dem­Verbot­größerer­Personengruppen­(Spalte­[4]),­Betriebsschließungen­(Spalte­[5])­sowie­Ausgangsbeschränkungen­(Spalte­[6])­auf­einen­Demokratieindex.­In­allen­Schätzungen­kontrollieren­wir­zusätzlich­für­die­Zeitdifferenz­zwischen­dem­ersten­bestätigten­COVID-19-Fall­in­China­und­dem­ersten­Fall­im­jeweiligen­Land,­die­Einwohnerzahl,­das­Bruttoinlandsprodukt­pro­Kopf,­den­Grad­der­Urbanisierung,­die­Säuglingssterblichkeit­sowie­die­Zeitspanne­zwischen­dem­ersten­und­fünfzigsten­gemeldeten­COVID-19-Fall­im­jeweiligen­Land.­Robuste­Standardfehler­sind­in­Klammern­angegeben.­Koeffizienten­gekennzeichnet­mit­***­sind­signifikant­auf­dem­1-%-Level,­mit­**­sind­signifikant­auf­dem­5-%-Level­und­mit­*­sind­signifikant­auf­dem­10-%-Level.

Quelle:­Berechnungen­und­Darstellung­des­ifo­Instituts.­ ©­ifo­Institut

Abhängige­Variable:­zeitliche­Differenz­zwischen­dem­ersten­COVID-19-Fall­und­Schulschließungen

[1] [2] [3] [4]

Demokratieindex 2,395***(0,622)

1,290**(0,493)

Dezentralitätsindex 0,979***(0,164)

0,063(0,203)

Datensatz Gesamter­ Datensatz

Gesamter­ Datensatz

Nur vollständige und unvollständige

Demokratien

Nur vollständige und unvollständige

Demokratien

Mittelwert­abhängiger­Variable 11,177 12,670 17,571 17,571

Mittelwert­unabhängige­Variable 5,664 5,832 10,778 10,778

Beobachtungsanzahl 130 112 49 49

Kontrollvariablen Nein Ja Nein Ja

R² 0,091 0,735 0,304 0,826

Abhängige­Variable:­Differenz­zwischen­erstem Fall und

Schul-schließungen

Absage öffentlicher­

­Veranstaltungen

Internationale Reisekontrollen

Verbot­größerer­Personen-gruppen

Betriebs-schließungen

Ausgangs-beschrän kungen

[1] [2] [3] [4] [5] [6]

Demokratieindex ­­­1,290**(0,493)

1,178**(0,555)

0,943(0,939)

–0,224(1,618)

1,031(0,702)

0,850(0,912)

Mittelwert­abhängiger­Variable 12,670 13,473 2,733 20,686 22,854 24,740

Mittelwert­unabhängiger­Variable 5,832 5,831 5,976 6,358 5,933 6,033

Beobachtungsanzahl 112 112 101 70 96 50

Kontrollvariablen Ja Ja Ja Ja Ja Ja

R² 0,735 0,762 0,402 0,467 0,724 0,757

Page 8: DRESDEN 2020 BERICHTET · 4 ifo Dresden berichtet 3/2020 Abb. 1 Zögerliche Reaktion demokratischer Staaten hinsichtlich Schulschließungen Anmerkung: Die Abbildung zeigt den Zusammenhang

AKTUELLE FORSCHUNGSERGEBNISSE

6 ifo Dresden berichtet 3/2020

DISKUSSION DER ERGEBNISSE

Die von uns verwendeten Daten hinsichtlich der Regierungs-maßnahmen­ könnten­ unter­ Umständen­ verzerrt­ sein.­ Ins-besondere ist unklar, inwieweit bestimmte Staaten Berichte zur­nationalen­Ausbreitung­der­Pandemie­unterdrückten.­Ge-nauso­könnten­unterschiedliche­Testkapazitäten­bzw.­-bereit-schaften­dazu­führen,­dass­erste­auftretende­Fälle­in­einigen­Staaten­länger­unentdeckt­blieben.­Um­diese­beiden­Proble- me teilweise zu umgehen, berechnen wir die Reaktions-geschwindigkeit­auch­basierend­auf­dem­ersten­Todesfall­im­jeweiligen­Land.­Die­Ergebnisse­unserer­Analyse­ändern­sich­dadurch nicht: Demokratischere Staaten reagieren hinsicht-lich­Schulschließungen­und­Veranstaltungsverboten­tenden-ziell­später­auf­den­Ausbruch­des­Coronavirus.­Zudem­kon-zentriert­ sich­ unsere­ Analyse­ auf­ Maßnahmen,­ die­ auf­nationaler­Ebene­eingeführt­wurden.­Es­ist­möglich,­dass­in­eher dezentralen Staaten bereits vorher regionale Maßnah-men­zur­Eindämmung­des­Virus­ergriffen­wurden.­Diese­Maß-nahmen­werden­in­unserer­Analyse­nicht­berücksichtigt.

Aussagen darüber, ob eine schnellere oder auch generell die­Einführung­restriktiver­Maßnahmen­zu­einer­erfolgreiche-ren­Eindämmung­der­Coronapandemie­beiträgt,­können­wir­auf­Grundlage­unserer­Analyse­nicht­treffen.­Die­langfristigen­Auswirkungen­auf­die­Wirtschaft,­die­Gesellschaft­oder­das­Gesundheitssystem­ können­ erst­ in­ der­ Zukunft­ analysiert­werden.­Diese­Untersuchung­ging­auch­nicht­der­Frage­nach,­ob­die­Maßnahmen­effektiv­waren­und­was­die­richtige­Ge-schwindigkeit­der­Politikreaktion­ist.­Allerdings­zeigen­Frey­et­al.­(2020),­dass­autoritäre­Regierungen­strengere­Maßnahmen­erließen, um die Mobilität ihrer Bevölkerung zu reduzieren. Jedoch gelang die Mobilitätsreduktion in demokratischen Ländern mit weniger strikten Beschränkungen besser.

FAZIT

Die meisten Staaten versuchen, die Ausbreitung des Corona-virus­durch­die­Einführung­ restriktiver­Maßnahmen­ zu­ ver-langsamen. Wir haben gezeigt, dass demokratisch regierte

Länder tendenziell zögerlicher mit besonders einschränken-den­Maßnahmen­wie­Schulschließungen­und­Veranstaltungs-verboten­auf­die­Verbreitung­des­Coronavirus­reagierten­als­autoritäre Staaten. Bei anderen Maßnahmen wie Reise- und Ausgangsbeschränkungen reagierten demokratische und autoritäre Staaten ähnlich schnell. Die Reaktionsgeschwindig-keit­ist­unabhängig­vom­Grad­der­Dezentralisierung­innerhalb­der­ demokratischen­ Staaten.­ Eine­ Erklärung­ dafür­ könnte­sein,­dass­demokratisch­gewählte­Politiker­und­Politikerinnen­stärker­auf­die­Unterstützung­der­Bevölkerung­angewiesen­sind­und­auch­die­Kosten­von­Minderheiten­berücksichtigen.­Daher­versuchen­diese­die­Bevölkerung­länger­auf­einschrän-kende Maßnahmen vorzubereiten, um diese erträglicher zu machen.

LITERATUR

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1­ ­Der­Demokratieindex­der­Ukraine­entspricht­mit­einem­Wert­von­5,9­etwa­dem­Mittelwert­der­betrachteten­Länder­in­Spalte­[2]­von­Tabelle­1.­Deutschlands Demokratieindex liegt bei einem Wert von 8,68.

2­ ­Dezentralisierung­lässt­sich­auch­über­fiskalische­Maße­bestimmen.­ Wenn­wir­in­der­Analyse­die­Indizes­für­Einnahmen-­oder­Ausgabende­zen-tra­­lisierung­des­Internationalen­Währungsfonds­nutzen,­kommen­wir­zu­gleichen Ergebnissen.

3­ ­Für­eine­ausführliche­Beschreibung­der­unterschiedlichen­politischen­Maßnahmen­siehe­Hale­et­al.­(2020).

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AKTUELLE FORSCHUNGSERGEBNISSE

ifo Dresden berichtet 3/2020

Sebastian Blesse, Philipp Kerler und Felix Rösel *

Stabile Demokratie in Krisenzeiten: Lokale Coronafälle haben bei der bayerischen Kommunalwahl die Wähler nicht abgeschreckt

Am 15. März 2020 fanden in Bayern die Kommunalwahlen statt – mitten in den Anfangswochen der Coronapandemie in Deutschland. In etwa einem Fünftel der bayerischen Landkreise gab es zu diesem Zeitpunkt aber noch keinen bestätigten Coronafall. Wir vergleichen das Wahlverhalten in diesen Land-kreisen mit bayerischen Landkreisen, in denen bereits Corona nachgewiesen wurde. Unsere Ergebnisse deuten nicht darauf hin, dass lokale Coronafälle die Wahlbeteiligung negativ beeinflusst haben. Die Wähler haben sich nicht abschrecken lassen.

Aktuell­ stellt­ die­ weltweite­ Coronapandemie­ moderne­­demokratische­Gesellschaften­vor­ungeahnte­Herausforde-rungen.­Die­Unsicherheit­über­Länge­und­Ausmaß­der­Pan-demie­ und­ die­ damit­ verbundenen­ gesellschaftlichen­ und­­ökonomischen­Schäden­haben­zu­massiven­politischen­Ein-griffen­geführt­ (für­eine­Übersicht­von­Coronamaßnahmen,­vgl.­ IMF­ 2020).­ Das­ fast­ vollständige­ Herunterfahren­ des­­öffentlichen­Lebens­und­Restriktionen­ für­soziale­Kontakte­soll­die­Ausbreitung­des­Virus­eindämmen.­Regierungen­und­Zentralbanken­bekämpfen­gleichzeitig­mit­Rettungsschirmen­und­Liquiditätshilfen­die­ruinösen­wirtschaftlichen­Dimensio-nen­ der­ Krise.­ Die­ einschneidenden­ Eingriffe­ der­ Politik­ in­­bürgerliche­Freiheiten,­aber­auch­die­Tiefe­der­zu­erwarten-den­wirtschaftlichen­Krise,­machen­die­Coronapandemie­da-mit­ zu­ einem­ bedeutenden­ Stresstest­ für­ die­ Demokratie.

Krisen­unterschiedlicher­Art­haben­schon­häufig­demo-kratische­ Gesellschaften­ vor­ Belastungsproben­ gestellt.­­Finanzkrisen­führen­oft­zu­steigender­Unsicherheit,­erschüt-tern­ das­ Vertrauen­ in­ etablierte­ Institutionen­ und­ bieten­rechtspopulistischen­Parteien­einen­fruchtbaren­Nährboden­(Funke­et­al.­2016).­Andererseits­bieten­Krisen­den­bestehen-den­Regierungen­eine­Chance,­sich­in­den­Augen­der­Öffent-lichkeit­ als­ „Krisenmanager“­ zu­ bewähren.­ In­ schwierigen­Zeiten solidarisiert man sich mit den handelnden Akteuren, die­Neigung­zum­politischen­Wechsel­sinkt.­Mehrere­Studien­finden­Belege,­dass­etwa­Katastrophenhilfen­die­Wiederwahl-chancen­von­Amtsinhabern­erhöhen­(z.­B.­Healy­und­Malhotra­2009­sowie­Bechtel­und­Hainmueller­2011).

Die­Wirkung­von­Pandemien­auf­die­politische­Partizipa-tion wurde bisher nicht untersucht. In diesem Beitrag unter-suchen­wir,­wie­sich­die­aufziehende­Coronapandemie­auf­das­Wahlverhalten­auswirkt.­Am­15.­März­2020­fanden­in­­Bayern­die­Kommunalwahlen­statt­–­mitten­in­den­Anfangswochen­der­Coronapandemie­in­Deutschland.­Befürchtet­wurde,­dass­so­mancher­Wähler­aufgrund­der­Ansteckungs­gefahr­lieber­zu­Hause­bleiben­würde.­In­etwa­einem­Fünftel­der­bayerischen­

Landkreise­gab­es­zum­Zeitpunkt­der­Wahl­aber­noch­keinen­bestätigten­Coronafall­ (dunkelgrüne­ Landkreise­ in­ Abb.­ 1).­Wir vergleichen das Wahlverhalten in diesen Landkreisen mit bayerischen­Landkreisen,­ in­denen­bereits­Corona­nachge-wiesen­wurde­(hellgrüne­Landkreise­in­Abb.­1).­Unsere­Ergeb-nisse­ deuten­ nicht­ darauf­ hin,­ dass­ lokale­ Coronafälle­ die­Wahlbeteiligung­negativ­beeinflusst­haben,­ganz­im­Gegen-teil. Die Wähler haben sich nicht von der Seuche abschrecken lassen­und­gingen­–­je­nach­verwendeter­Datenquelle­–­sogar­etwas zahlreicher zur Wahlurne.

METHODIK

Für­diese­Untersuchung­haben­wir­einen­neuen­Datensatz­aus­zwei Quellen zusammengestellt. Erstens verwenden wir die Situationsberichte­ des­ Robert-Koch-Instituts­ (RKI)­ für­ täg-liche­Zahlen­Coronafällen­in­den­bayerischen­Landkreisen.­Da­es­häufig­zu­Nachmeldungen­und­nachträg­lichen­Än­de­run­gen­der Fallzahlen kam, verwenden wir sowohl tages aktuelle Echtzeitdaten­ als­ auch­ die­ später­ publizierten­ ­revidierten­ Daten.1­Zeitlich­verzögerte­Erfassungen­von­Infektionszahlen­durch­das­RKI­entstehen­durch­die­gesetzliche­Meldekette.­Grundsätzlich­müssen­COVID-19-Verdachtsfälle­und­-erkran-kungen­ zuerst­ an­ das­ zuständige­ Gesundheitsamt­ vor­ Ort­übermittelt­werden,­welches­dann­spätestens­am­Tag­darauf­diese­Informationen­(meist­manuell)­an­die­zuständigen­Lan-desbehörden­ übermittelt.­ Von­ dort­ aus­ werden­ die­ Daten­ an­das­RKI­übermittelt,­wo­die­Corona-Infektionszahlen­ein-mal­ täglich­ aktualisiert­ werden.­ Da­ durch­ diese­ oft­ mehr-tägige­Meldekette­die­offiziellen­Zahlen­des­RKI­den­tatsäch-lichen­Infektionszahlen­etwas­hinterherlaufen,­können­lokal

*­ ­Sebastian­Blesse­ist­Doktorand­am­ZEW­–­Leibniz-Zentrum­für­­Europäische­Wirtschaftsforschung­Mannheim,­Philipp­Kerler­ist­Doktorand­an­der­Universität­Zürich­und­Dr.­Felix­Rösel­ist­wissenschaftlicher­Mitarbeiter­an­der­Niederlassung­Dresden­des­ifo­Instituts­–­Leibniz-Institut­für­Wirtschafts-forschung­an­der­Universität­München­e. V.

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Abb. 1Verbreitung des Coronavirus am Tag der bayerischen Kommunal-wahlen 2020 (15. März 2020)

Hinweis:­Die­Abbildung­zeigt­die­Verbreitung­des­Coronavirus­am­Tag­der­bayerischen­Kommunalwahlen­2020­(Datenstand­16.­März­2020).­Die­dunkelgrünen­Landkreise­hatten­am­Tag­der­Kommunalwahlen­2020­(15.­März­2020)­noch­keinen­bestätigten­Coronafall­(n=22).­In­den hellgrünen Landkreisen bestand mindestens ein bestätigter Co-ronafall­ bis­ zum­14.­März­ 2020­ (n=74).­Die­Datenbasis­hierfür­ sind­Echtzeitdaten­des­Robert-Koch-Instituts­(RKI).

Quelle:­Eigene­Darstellung.­ ©­ifo­Institut­

aktu­ellere­Informationen­vorliegen.­Informationsquellen­sind­­dabei­Gesundheits-­und­Landkreisämter­vor­Ort,­die­bereits­früh­zeitig­ Informationen­ publizieren,­ die­ Lokalpresse,­ die­früh­zeitig­über­Verdachtsfälle­berichtet,­und­auch­die­sozialen­Netzwerke­ und­ Online-Plattformen,­ über­ die­ sich­ solche­­Information­ in­ Echtzeit­ verbreiten.­ Demgegenüber­ stehen­­­ die­ Zahlen­ des­ RKI,­ die­ bundesweit­ die­ wichtigste­ Infor-mationsgrundlage­für­aktuelle­„Pegelstandsmessungen“­zur­­Coronakrise­sind.­Welche­Rolle­die­unterschiedlichen­ Infor-mationsquellen bei der Meinungsbildung über die lokale Gefähr­­dungslage­individuell­spielen,­ist­unklar.­Umso­­wich­tiger ist­ es,­ zu­ kontrastieren,­ welche­ Veränderung­ im­ Wahlver-halten­unter­welcher­Informationslage­messbar­ist.

Wir­verknüpfen­die­zwei­verschiedenen­Informationen­zu­den­Infektionszahlen­mit­Daten­zur­Wahlbeteiligung­bei­den­sechs­bayerischen­Kommunalwahlen­zwischen­1984­und­2020­auf­Ebene­der­kreisfreien­Städte­und­Landkreise.2 Diese lange Zeitreihe erlaubt es uns zu testen, ob sich 2020 die Wahlbetei-ligung­in­Städten­und­Landkreisen­mit­Coronafällen­anders­entwickelt­hat­als­in­Kommunen­ohne­bestätigten­Coronafall. Hierzu­verwenden­wir­einen­Differences-in-differences-­Ansatz (Differenzen-von-Differenzen).­Die­Intuition­dafür­ist­simpel:­Die­Landkreise­unterschieden­sich­auch­bereits­vor­der­Krise­in­der­Wahlbeteiligung.­Diese­systematischen­Unterschiede­rechnen wir heraus und testen, ob sich bei der Wahl 2020 ein zusätzlicher­Effekt­in­Landkreisen­mit­Coronafällen­einstellt.

Wir­schätzen­daher­die­folgende­Regressions­gleichung:

Wahlbeteiligungit = β (Coronai × Wahl2020t )+ αi + δt + εit

Die­Landkreis-­und­Wahl-fixen­Effekte­αi  und δt eliminieren systematische­Unterschiede­im­Wahlverhalten­zwischen­den­Landkreisen­bzw.­im­Zeitverlauf.­β­isoliert­daher­den­Effekt­von­lokalen­Coronafällen­auf­die­Wahlbeteiligung.­Coronai ist eine­Dummy-Variable,­die­den­Wert­1­für­Landkreise­annimmt,­die­zum­Zeitpunkt­der­Wahl­(vor­dem­15.­März­2020)­bereits­mindestens­einen­bestätigten­Coronafall­hatten,­sonst­ist­die­Variable­0.­Die­Dummy-Variable­Wahl2020t nimmt den Wert 1 an­für­die­Kommunalwahl­2020,­vorher­ist­sie­0.­Unter­der­An-nahme, dass sich ohne Corona die Wahlbeteiligung in allen Landkreisen­ mit­ ihren­ Vorkrisen-Trends­ entwickelt­ hätte,­kann­der­Schätzer­für­den­Koeffizienten­β­als­kausaler­Effekt­des­lokalen­Coronaausbruchs­auf­die­Wahlbeteiligung­inter-pretiert­werden.

ERGEBNISSE

Zunächst­betrachten­wir­die­zwei­Gruppen­von­Landkreisen­–­Landkreise­mit­Coronafällen­und­Landkreise­ohne­Corona-fälle­ (vgl.­nochmals­die­Karte­ in­Abb.­1)­–­ in­einer­Graphik.­­Abbildung­2­stellt­die­Wahlbeteiligung­bei­Kommunalwahlen­in­beiden­Landkreisgruppen­zwischen­1984­und­2020­dar.­Zu­erkennen ist in der linken Abbildung, dass Landkreise ohne Coronafälle­ zum­ Zeitpunkt­ der­ Kommunalwahl­ 2020­ eine­niedrigere Wahlbeteiligung hatten als Landkreise mit Corona-fällen­ (57%­bzw.­ 60%).­ Allerdings­ bestand­ ein­Unterschied­auch schon vor dem Coronaausbruch. In Landkreisen ohne Coronafälle­ist­die­Wahlbeteiligung­um­3­Prozentpunkte­ge-stiegen,­ in­Landkreisen­mit­Coronafällen­ jedoch­um­4­Pro-zentpunkte.­Ein­ähnliches­Bild­ergibt­sich,­wenn­wir­unseren­Datensatz­ auf­ Landkreise­ beschränken,­ die­ knapp­um­den­Wahltag­herum­ ihren­ersten­Coronafall­berichteten­ (rechte­Seite­ in­Abb.­2).­Diese­Landkreise­sollten­sich­noch­weniger­systematisch­ voneinander­ unterscheiden.­ Auch­ hier­ sehen­wir,­dass­lokale­Coronafälle­mit­einem­leicht­höheren­­Anstieg­der Wahlbeteiligung einhergingen als in Landkreisen ohne Coronafall­bis­zum­15.­März­2020.Wir­ überprüfen­ unseren­ optischen­ Eindruck­ mithilfe­ von­­Regressionsanalysen.­Wir­ schätzen­ dabei­ das­ in­ der­ oben-stehenden Regressionsgleichung beschriebene Modell in vier­ Spezifikationen.­ Zunächst­ verwenden­ wir­ wie­ in­ den­­Ab­bildungen­1­und­2­die­vom­RKI­publizierten­Echtzeit­daten,­da­diese­den­zentralen­Informationsstand­zum­Zeitpunkt­der­Kommunalwahl­abbilden­(vgl.­Tab.­1,­linkes­Panel).­Hier­do-kumentieren wir einen leichten Anstieg der Wahlbe teiligung (0,7­ Prozentpunkte­ bis­ 1­ Prozentpunkt)­ aufgrund­ lokaler­­Coronafälle,­ der­ jedoch­ statistisch­ nicht­ signifikant­ von­ 0­ unterscheidbar ist.3­Im­Vergleich­dazu­zeigen­wir­die­Er­geb-nisse­ unter­ Verwendung­ der­ revidierten­ Daten­ im­ ­rechten­­Panel­der­Tabelle­ 1.­Hier­finden­wir­ einen­ statistisch­ signi-fikanten­Anstieg­der­Wahlbeteiligung­zwischen­2,2­Prozent-punkten­ und­ 2,4­ Prozentpunkten.­ Zusammengenom­men­­legen­die­Ergebnisse­nahe,­dass­die­befürchtete­Zu­rück­hal-tung­ bei­ der­Wahlbeteiligung­ aufgrund­ lokaler­ Coronafälle­ausgeblieben­ist.­Tendenziell­haben­sich­lokale­ ­Coronafälle­sogar­eher­positiv­auf­die­Wahlbeteiligung­­ausgewirkt.

Mit Corona

Ohne Corona

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AKTUELLE FORSCHUNGSERGEBNISSE

ifo Dresden berichtet 3/2020

SCHLUSSFOLGERUNGEN

Wir­haben­gezeigt,­dass­sich­die­Wähler­bei­der­bayerischen­Kommunalwahl­2020­nicht­von­lokalen­Coronafällen­haben­abschrecken­lassen.­Ganz­im­Gegenteil­–­eher­beobachten­wir­einen stärkeren Anstieg der Wahlbeteiligung in Landkreisen, die­am­Wahltag­bereits­einen­bestätigten­Coronafall­hatten.­Die­Wähler­scheinen­ihre­lokalen­Behörden­und­politischen­

Institutionen­stärken­zu­wollen.­Dieser­Effekt­wurde­bereits­bei­ der­ skandalträchtigen­ Bundespräsidentenwahl­ 2016­ in­Österreich­beobachtet­(Potrafke­und­­Rösel­2019).­In­unsiche-ren­Zeiten­versprechen­die­aktuell­im­Amt­befindlichen­Regie-rungen­Stabilität­und­genießen­Zulauf­(der­sogenannte­„Rally-around-the-flag“-Effekt).­Dazu­passt­auch­das­Ergebnis­von­Leininger­und­Schaub­(2020),­die­einen­positiven­Effekt­lokaler­Coronafall-Betroffenheit­ auf­ die­ Stimmanteile­ der­ CSU­ bei­

Abb. 2Wahlbeteiligung in Landkreisen mit und ohne Coronafälle am Wahltag (in %)

5660

5457

45

50

55

60

65

70

75

80

1984 1990 1996 2002 2008 2014 2020

Alle Landkreise

5761

5558

45

50

55

60

65

70

75

80

1984 1990 1996 2002 2008 2014 2020

Mit Corona Ohne Corona

Erster Coronafall ±4 Tage um Wahltag

Hinweis:­Die­Abbildung­zeigt­die­Entwicklung­der­Wahlbeteiligung­bei­den­bayerischen­Kommunalwahlen­zwischen­1984­und­2020.­Die­hell-grüne­Linie­entspricht­dem­Mittelwert­aller­Landkreise,­die­am­Tag­der­Kommunalwahlen­2020­ (15.­März­2020)­noch­keinen­bestätigten­­Coronafall­hatten.­Die­dunkelgrüne­Linie­zeigt­die­Wahlbeteiligung­in­Landkreisen­mit­mindestens­einem­bestätigten­Coronafall­bis­zum­14.­März­2020­(basierend­auf­Echtzeitdaten,­die­am­16.­März­2020­und­21.­März­2020­von­der­Webseite­des­Robert-Koch-Instituts­herunter-geladen­wurden).­In­der­linken­Abbildung­verwenden­wir­alle­bayerischen­Landkreise­(n=96),­in­der­rechten­Abbildung­nur­Landkreise,­die­den­ersten­bestätigten­Coronafall­in­einem­Zeitfenster­von­±4­Tagen­um­den­Wahltermin­hatten­(n=68).

Quelle:­Eigene­Darstellung.­ ©­ifo­Institut

Tab. 1Effekte von lokalen Coronafällen auf Wahlbeteiligung (in %)

Echtzeitdaten Revidierte Daten

Alle Landkreise Erster­Coronafall­ ±4­Tage­um­Wahltag

Alle Landkreise Erster­Coronafall­ ±4­Tage­um­Wahltag

[1] [2] [3] [4]

Corona 0,967(0,773)

0,669(0,930)

2,386**(0,982)

­­2,176*(1,158)

Landkreis-fixe­Effekte Ja Ja Ja Ja

Jahr-fixe­Effekte Ja Ja Ja Ja

Mittelwert­der­abhängigen­Variable 65,658 66,433 65,658 65,367

Landkreise 96 68 96 42

Beobachtungen 672 476 672 294

Adj. R² 0,907 0,897 0,908 0,925

Hinweis:­Die­Tabelle­zeigt­den­geschätzten­Effekt­von­lokalen­Coronafällen­auf­die­Wahlbeteiligung­bei­den­bayerischen­Kommunalwahlen.­Die­Beobachtungseinheit­sind­die­96­Landkreise­Bayerns­während­der­Kommunalwahlen­1984,­1990,­1996,­2002,­2008,­2014­und­2020.­Die­Variable­Corona­nimmt­den­Wert­1­an­für­Landkreise,­die­am­Tag­vor­der­Kommunalwahl­2020­(14.­März­2020)­mindestens­einen­bestätigten­Coronafall­hatten,­und­sonst­0.­Echtzeitdaten­wurden­am­16.­März­2020­und­21.­März­2020­von­der­Webseite­des­Robert-Koch-Instituts­­heruntergeladen,­revidierte­Daten­stammen­vom­Robert­Koch-Institut­und­Bundesamt­für­Kartographie­und­Geodäsie­(Quellenvermerk:­dl-de/by2-0).­Standardfehler­in­Klammern­(geclustert­auf­Landkreis-Ebene):­***­0,1,­**­0,05,­***­0,01.­

Quelle:­Eigene­Darstellung.­ ©­ifo­Institut

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AKTUELLE FORSCHUNGSERGEBNISSE

10 ifo Dresden berichtet 3/2020

den­bayerischen­Kommunalwahlen­2020­finden.­Der­jüngste­Stimmenanstieg­für­die­„Kanzlerin-­Parteien“­CDU­und­CSU­in­den­Wahlumfragen­seit­Beginn­der­Coronakrise,­die­weltweit­gestiegenen­Zufriedenheitswerte­mit­den­nationalen­Regie-rungen­sowie­die­stark­gestiegene­Nachfrage­nach­etablierten­Tageszeitungen­und­professionellem­Journalismus­ergänzen­dieses Bild.

Weitere­ Forschung­ zu­ den­ längerfristigen­ Folgen­ von­­Corona­für­demokratische­Gesellschaften­ist­nötig.4 In unserer Studie­können­wir­nur­lokale­Unterschiede­in­der­Betroffen-heit­durch­Corona­auswerten.­Keine­Aussage­ist­uns­dagegen­möglich,­ob­die­Wahlbeteiligung­bei­der­Kommunalwahl­2020­in­einer­gänzlich­„Coronafreien“­Welt­nicht­insgesamt­höher­ausgefallen­wäre.­Zudem­fand­die­Kommunalwahl­zu­Beginn­der­ Pandemie­ statt,­ als­ es­ in­ Deutschland­ noch­ weniger­ als­ 7­500­ Coronafälle­ gab.­ Wie­ eine­ Wahl­ in­ Coronazeiten­ aussehen könnte, lässt sich vielleicht bald in Österreich und Polen­beobachten.­Die­ursprünglich­am­22.­März­2020­ange-setzte­Gemeinderatswahl­ in­der­Steiermark­könnte­nun­ im­Juli­2020­stattfinden.­Bizarr­dabei:­Ein­Teil­der­Wähler­hatte­bei einem vorgezogenen Wahltag am 13. März bereits ihre Stimme­abgegeben,­bevor­die­Hauptwahl­abgesagt­wurde.­In­Polen­ soll­ die­ Präsidentschaftswahl­ im­ Mai­ abgehalten­­werden­–­jedoch­nur­als­Briefwahl.­Uns­stehen­digitale­Wahl-kämpfe­ bevor.­ Ob­ dies­ der­ Demokratie­ aber­ nützt­ oder­ schadet, kann erst die Zeit zeigen.

LITERATUR

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1­ ­Tagesaktuelle­„Echtzeit-Daten“­wurden­am­16.­März­2020­(für­Daten­zwischen­dem­09.­und­15.­März­2020)­sowie­am­21.­März­2020­(für­Daten­zwischen­dem­16.­und­20.­März­2020)­von­der­Webseite­des­Robert-Koch-­Instituts­heruntergeladen­(https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Archiv.html).­Die­endgültigen,­revidierten­Daten­stammen­vom­Robert-Koch-Institut­und­vom­Bundesamt­für­Kartographie­und­Geodäsie­(abgerufen­am­8.­April­2020­von­https://www.­arcgis.com/sharing/rest/content/items/f10774f1c63e40168479a1feb6c­7ca74/data,­Quellenvermerk:­dl-de/by2-0).

2­ ­Die­Daten­hierfür­stammen­vom­Bayerischen­Landesamt­für­Statistik­(Kreis-tagswahlen:­Kreise,­Wahlberechtigte,­Wähler,­Wahlbeteiligung,­Stichtag;­14411-001r;­abgerufen­am­16.­März­2020­über­https://www.statistikdaten.bayern.de)­sowie­von­der­Webseite­zur­Kommunalwahl­2020­des­Bayerischen­Landesamt­für­Statistik­(Kommunalwahl­am­15.03.2020;­Wahl­der­Stadträte­und­Kreistage­(Vorläufiges­Ergebnis);­abgerufen­am­21.­Februar­2020­über­https://www.kommunalwahl2020.bayern.de/uebersicht_gremien_stimmen.html).­Informationen­zur­Nutzung­der­Briefwahl­liegen­uns­nicht­vor.

3­ ­Einen­positiven­Punktschätzer­erhalten­wir­auch,­wenn­wir­die­Intensität­der­Betroffenheit­(Coronafälle­je­Einwohner)­als­erklärende­Variable­verwenden.

4­ ­Wrede­(2020)­hat­bspw.­den­umgekehrten­Kanal­untersucht,­ob­die­Kom-mu­­nal­wahl­2020­zu­einer­höheren­Zahl­von­Coronafällen­in­Bayern­geführt­hat.­Ein­anderes­aktuelles­Papier­untersucht­die­Verbreitung­von­Fehlinfor-mationen­über­Covid-19­und­deren­Wirkung­auf­individuelles­Verhalten­und­Gesundheitsergebnisse­(Bursztyn­et­al­2020).

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AKTUELLE FORSCHUNGSERGEBNISSE

ifo Dresden berichtet 3/2020

Anna Kremer *

Aus Nord und Süd und Ost und West – Wie Wanderungsverhalten in Deutschland von regionalen Mentalitäten abhängt

Ostdeutsche waren nach der Wiedervereinigung deutlich stärker zur Binnenmigration bereit als Westdeutsche. Diese Abwanderungstendenz hat den Aufholprozess der ostdeutschen Länder gehemmt. Gemeinhin wird angenommen, dass die starke Abwanderung aus Ostdeutschland überwiegend auf wirtschaftliche Gründe zurückzuführen ist. Ob ökonomische Wanderungsanreize aber auch tatsächlich vorwiegend Wanderungsentscheidungen bestimmen, ist keineswegs ausgemacht. Daher untersucht dieser Artikel, ob neben den bekannten Ursachen wie Arbeitslosigkeit, Alter und Bildung auch regions-spezifische kulturelle Unterschiede die Binnenmigration in Deutschland beeinflussen. Die Ergebnisse zeigen, dass nord- und ostdeutsche Migrierende stärker auf ökonomische Anreize reagieren als süd- und westdeutsche Migrierende. Zudem haben Ostdeutsche eine generell höhere Migrationsbereitschaft, welche die Abwanderung aus Ostdeutschland verstärkt hat.

Binnenmigrationsströme innerhalb eines Landes sind durch Zu- und Abwanderung mitverantwortlich, ob eine Region ­zukunftsfähig­ ist­ oder­ sich­ langsamer­als­ andere­Regionen­entwickelt.­Dies­gilt­insbesondere­für­die­ländlich­geprägten­ostdeutschen Regionen, in denen sich eine schwache wirt-schaftliche­ Entwicklung­ und­ Abwanderungen­ gegenseitig­­negativ­beeinflusst­haben­dürften.­In­diesem­Zusammenhang­stellt sich die Frage, ob ausschließlich eine ungünstige wirt-schaftliche­Lage­und­negative­Zukunftsperspektiven­für­die­Wegzüge aus Ostdeutschland verantwortlich sind oder ob es in Deutschland eine regional unterschiedliche Wanderungs-bereitschaft­gibt.­Wenn­in­Ostdeutschland­eine­grundsätzlich­höhere­Bereitschaft­zur­Binnenmigration­vorliegen­würde­als­in Westdeutschland, dann hätte diese die Abwanderung seit der Wiedervereinigung verstärkt.

Am­Beispiel­Ostdeutschlands­wird­zudem­deutlich,­wel-che Folgen massive Abwanderung hat: Die Region verlor seit der­Wiedervereinigung­bis­2017­stetig­Einwohner*innen­–­und­damit­Arbeitskräfte­–­durch­Abwanderungen­in­den­Westen­(Rösel­2019).­Dadurch­kam­es­zu­einem­Teufelskreis­aus­schwa-­cher­wirtschaftlicher­Leistung,­einem­Mangel­an­Per­spektiven­und­weiterer­Abwanderung­in­die­prosperierenden­Regionen,­insbesondere der jungen und gut ausgebildeten Menschen. Die­oft­diskutierte­Wahrnehmung,­dass­die­Ostdeutschen­„zu-rückgelassen werden“, ist ein Resultat davon und wird in der gesellschaftlichen­Debatte­häufig­als­eine­Erklärung­für­das­extremere Wahlverhalten in Ostdeutschland gesehen.

Migrationsentscheidungen hängen zum Teil, aber nicht ausschließlich von ökonomischen Faktoren ab. Auch indivi-duelle­ Charakteristika,­ die­ persönliche­ Erwartungsbildung­und­bestehende­soziale­Kontakte­spielen­eine­Rolle.­Ein­bis-her­wenig­untersuchter­Einflussfaktor­auf­das­Binnen­wande-rungs verhalten in Deutschland ist die Bedeutung der regio nalen Kultur­mit­ in­Sozialisationsprozessen­erworbenen­Überzeu-gungen und Wertorientierungen. Die verschiedenen deutschen

Regio­nen­ weisen­ unterschiedliche­ regionale­ Kulturen­ auf.­Obwohl­die­Deutschen­eine­Sprache­teilen,­ist­das­Land­nicht­homogen,­da­Deutschland­lange­aus­einem­„Flickenteppich“­bestand.­Kleinere­ räumliche­Einheiten­weisen­daher­histo-risch bedingt kulturelle Eigenheiten, wie Dialekte und Menta-litäten,­ auf.­ Mentalitätsunterschiede­ bleiben­ häufig­ über­­Generationen­hinweg­erhalten,­auch­wenn­sich­die­Rahmen-bedingungen ändern, und sie werden auch durch Wanderun-gen­selbst­höchstens­langfristig­abgeschliffen.

Dieser­ Artikel­ untersucht­ daher,­ ob­ regionsspezifische­kulturelle­Unterschiede­die­Binnenmigration­in­Deutschland­beeinflussen.­Meine­Ergebnisse­zeigen,­dass­Menschen­aus­Norddeutschland in ihren Wanderungsentscheidungen stär-ker­auf­ökonomische­Anreize­reagieren­als­Menschen­aus­Süd-deutschland.­Auch­für­Migrierende­aus­Ostdeutschland­sind­wirtschaftliche­ Aspekte­ wichtiger­ als­ für­ Migrierende­ aus­Westdeutschland. Zudem haben die Ostdeutschen eine hö-here­generelle­Migrationsbereitschaft­als­die­Westdeutschen.

DETERMINANTEN DER BINNENMIGRATION INNERHALB DEUTSCHLANDS

In der bisherigen Literatur wurden bereits zahlreiche Faktoren untersucht,­ die­ (Binnen-)Migrationsentscheidungen­ beein-flussen.­Zu­diesen­zählen­ökonomische­Faktoren,­wie­bspw.­Arbeitslosigkeit­ und­ Löhne­ (Hicks­ 1932,­Harris­ und­ Todaro­1970­sowie­Krugman­1990),­physische­und­kulturelle­Distanz­(Falck­et­al.­2012),­aber­auch­persönliche­Eigenschaften­wie­Alter,­Geschlecht­und­Bildungsstand­ (McCann­2013,­Green-wood­1997).­Außerdem­spielen­Unsicherheiten­über­die­Zu-kunft,­ imperfekte­ Informationen­ und­ soziale­ Beziehungen­eine­Rolle­(Molho­2013).

*­ ­Anna­Kremer­ist­Doktorandin­an­der­Niederlassung­Dresden­des­ifo­Instituts­–­Leibniz-Institut­für­Wirtschaftsforschung­an­der­Universität­München­e.­V.

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AKTUELLE FORSCHUNGSERGEBNISSE

12 ifo Dresden berichtet 3/2020

Die meisten Studien zu Binnenmigration in Deutschland unter suchen Migrationsströme zwischen Ost- und West-deutschland. Sie zeigen, dass nach der Wiedervereinigung eine­ hohe­ regionale­ Arbeitslosenquote­ in­ der­ Ursprungs-region Abwanderung begünstigte. Hohe Löhne hingegen hemmten­ die­ Abwanderung­ (Parikh­ und­ van­ Leuvensteijn­2003,­Alecke­et­al.­2010).­Zusätzlich­belegen­die­Studien­den­Einfluss­ individueller­ Faktoren:­ Junge­ ostdeutsche­ Frauen­sind­mobiler­ als­ junge­ ostdeutsche­Männer­ (Leibert­ 2016),­eine abgeschlossene Sekundarschulbildung erhöht die Wan-derungsbereitschaft­ (Melzer­2011)­und­Ältere­werden­mehr­von Arbeitslosigkeit und Jüngere mehr von Löhnen in ihrer Binnenwanderungsentscheidung­ beeinflusst­ (Hunt­ 2006).­ Zudem war Deutschland zunächst durch eine Abwanderung auf­ das­ Land­ in­ den­ 1990er­ Jahren­ und­ dann­ durch­ eine­­zunehmende­ Urbanisierung­ in­ den­ 2000er­ Jahren­ geprägt­­(Sander­2014).

Eine­erste­Untersuchung­zu­den­Auswirkungen­kultureller­Unterschiede­ auf­ Binnenmigrationsströme­ in­ Deutschland­nehmen­Falck­et­al.­(2012)­vor,­indem­sie­die­durchschnittliche­deutsche Binnenmigration zwischen 2000 und 2006 abhängig von­Dialektunterschieden­schätzen.­Sie­zeigen,­dass­Unter-schiede in Dialekten die Binnenwanderung zwischen Regio-nen­hemmen.­Zudem­zeigen­die­Forschung­Hofstedes­(2001)­zu­ortspezifischen­kulturellen­Werten­und­die­Ergebnisse­der­European­Value­Study­(Kaasa­et­al.­2016),­dass­es­in­Deutsch-land­ regionale­ kulturelle­ Unterschiede­ über­ die­ Dialekte­­hinaus­ gibt.­ Meine­Hypothese­ ist­ daher,­ dass­ auch­ andere­­kulturelle­ Unterschiede­ die­ Binnenmigration­ verschieden-artig­beeinflussen.

Infobox: Datenbasis und Methodik

Diese­Studie­beruht­auf­dem­German­ Internal­Migration­Datensatz­(Sander,­2014),­welcher­von­Nikola­Sander­zur­Verfügung­gestellt­wurde­und­auf­der­Wanderungsstatistik­des­ Bundes­ und­ der­ Länder­ (Bundesinstitut­ der­ Bau-,­Stadt-­und­Raumforschung,­Bonn)­beruht.­Er­beinhaltet­die­Anzahl­aller­Umzüge­zwischen­den­deutschen­Landkreisen­und­kreisfreien­Städten.­Für­die­Analyse­wähle­ich­den­Zeit-raum­ 2000­ bis­ 2010,­ da­ in­ dieser­ Zeitspanne­ von­ einer­­gewissen­Normalisierung­der­Umzüge­nach­der­Wiederver-einigung­ausgegangen­werden­kann.­Die­abhängige­Variab-­le­der­Umzüge­zwischen­den­Kreisen­wird­in­der­Schätzung­durch­die­Differenz­von­Faktoren­der­Herkunfts-­und­Ziel-region erklärt, welche Binnenmigration in Deutschland beeinflussen.­ Hierzu­ zählen­ die­ räumliche­ Distanz­ zwi-schen­ den­ Kreisen,­ Unterschiede­ in­ den­ Dialekten­ (vgl.­Falck­ et­ al.­ 2012;­ zur­ Verfügung­gestellt­ von­ Jens­Süde-kum),­Unterschiede­in­den­Einkommen­und­der­Arbeitslo-sigkeit,­Unterschiede­in­der­regionalen­Wirtschaftsstruktur­sowie­der­siedlungsstrukturelle­Typ­der­Region.­Daneben­fließen­Faktoren­vor­dem­Umzug­ein,­welche­die­Wande-rungsbereitschaft­ beeinflussen,­ wie­ der­ Bildungsstand,­das­Durchschnittsalter­und­die­Geschlechterverteilung­in­den­Regionen.­Diese­Daten­wurden­den­Statistikportalen­INKAR,­ Genesis,­ den­ Volkswirtschaftlichen­Gesamtrech-nungen der Länder und der Statistik der Arbeitsagentur

entnommen.­Zusätzlich­verwende­ich­regionale­fixe­Effek-­te,­welche­unbeobachtete­Einflüsse­abbilden,­wie­bspw.­unterschiedliche Migrationsmuster. Da sich die kulturellen Unterschiede­auch­dadurch­ausdrücken,­wie­Einwohner­in­verschiedenen­Regionen­bspw.­auf­Lohnunterschiede­rea gieren, werden zudem Interaktionsvariablen der erklä-renden­Variablen­mit­den­regionalen­Dummyvariablen­ein-gefügt.­So­kann­etwa­die­westdeutsche­Reaktion­auf­Lohn-differenzen­ im­ Unterschied­ zur­ ostdeutschen­ geschätzt­werden. Für­ die­ Schätzung­wird­ das­ Gravitationsmodell­ von­ An-derson­ (2011)­ genutzt.­ Dieses­ Modell­ beruht­ auf­ einer­ Nutzenmaximierung des Individuums, welches die ver-schiedenen Faktoren aller Regionen abwägt. Die Wahr-scheinlichkeit­ eines­ Umzugs­ wird­ dann­ über­ alle­ In­di­-viduen einer Region aggregiert. Als Schätzmethode wird ein­Pseudo-Poisson-­Maximum-Likelihood-Schätzer­(PPML-­Schätzer)­genutzt.­Dieser­ist­bei­der­Schätzung­von­fixen­Effekten­ konsistent,­ wird­ nicht­ durch­ Nullen­ in­ der­ ab-hängigen­Variablen­verzerrt­und­ist­nicht­nur­für­normal-verteilte­Variablen­geeignet­(Shepherd­2016).­Daher­wird­ er­standardmäßig­in­der­Schätzung­von­Gravitationsmo-dellen verwendet.

WIE KULTURELLE UNTERSCHIEDE DIE DEUTSCHE BINNENMIGRATION BEEINFLUSSEN

In­meiner­Untersuchung­verwende­ich­verschiedene­Aggrega-tionslevel­zur­Abgrenzung­von­Regionen­(vgl.­Abb.­1­und­zu-sätzlich­die­Bundesländer),­da­viele­regionalen­Ebenen,­wie­Gemeinden,­Kreise,­Bundesländer­und­der­Nation,­einen­Ein-fluss­auf­die­Menschen­haben­und­Migrationsentscheidungen­verändern können.

Die Einteilung in einen west- und ostdeutschen Landes-teil­beruht­dabei­zum­einen­auf­der­historischen­Teilung­und­zum­anderen­auf­der­Tatsache,­dass­auch­in­der­gesellschaft-lichen Debatte Mentalitätsunterschiede zwischen diesen bei-den Regionen diskutiert werden.

Anhand­der­Sprachräume­der­nieder-,­mittel-­und­ober-deutschen­ Dialekte­ können­ Unterschiede­ zwischen­ Nord-,­Zentral- und Süddeutschland abgegrenzt werden. Da die Laut­verschiebungen­von­geographischen­Linien­beeinflusst­wurden­und­Sprache­und­Kultur­eng­verwoben­sind,­ist­zu­er-warten,­dass­sich­auch­die­Kultur­zwischen­diesen­Regionen­unterscheidet.

Die­Sprachräume­wurden­im­Zeitverlauf­von­den­Verwal-tungseinheiten­überlagert.­Die­heutigen­politischen­Grenzen­sollten­ demnach­ ebenfalls­ einen­ Einfluss­ auf­ Migrations-entscheidungen­ haben.­ Daher­ untersuche­ ich­ mithilfe­ der­Einteilung­in­Nord-,­Zentral-­und­Süddeutschland­die­Diffe-renzen­zwischen­den­Bundesländern,­die­an­der­Küste­liegen­bzw.­an­die­Alpen­grenzen­sowie­abermals­den­dazwischen-liegenden Raum.

Außerdem werden die Bundesländer als regionale Ab-grenzung verwendet, da die meisten Länder seit dem Zweiten Weltkrieg­bestehen­und­teilweise­ebenfalls­durch­eine­eigene­Kultur­geprägt­sind.

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AKTUELLE FORSCHUNGSERGEBNISSE

ifo Dresden berichtet 3/2020

Abb. 1In der Analyse verwendete Einteilungen der Regionen Deutschlands

Quelle:­Darstellung­des­ifo­Instituts.­ ©­ifo­Institut

REGIONALE VERTEILUNG DER WANDERUNGS­BEREITSCHAFT

Abbildung 2 zeigt die durchschnittliche Binnenmigrationsten-denz­der­Bevölkerung­aller­deutschen­Kreise­und­Kreisregio-nen.­Um­diese­Tendenz­abzubilden,­werden­die­Wegzüge­aus­den­Regionen­in­Abhängigkeit­der­erklärenden­Variablen­des­Herkunftsortes­mit­einem­kreisfixen­Effekt­geschätzt.­Da­nur­die­Wegzüge­betrachtet­werden,­werden­die­Gravitationsvari-ablen zu Distanz und Dialektunterschieden außer Acht gelas-sen­und­eine­einfache­Schätzung­auf­Basis­der­Methode­der­kleinsten­Quadrate­(OLS)­genutzt.­Hierdurch­werden­99%­der­Umzüge­erklärt,­wobei­die­hohe­Erklärbarkeit­maßgeblich­auf­den­fixen­Effekten­beruht.

Aus Abbildung 2 ist zu erkennen, dass Deutschland in der Tat­ein­heterogenes­Migrationsmuster­aufweist,­welches­nicht­auf­sozioökonomische­Unterschiede­zurückzuführen­ist.­Für­die­dunkelgrün­gefärbten­Regionen­fallen­die­Wegzüge­bis­zu­215%­ größer­ aus,­ als­ es­ auf­ Grundlage­ der­ sozioökonomi-schen­Faktoren­erwartbar­wäre.­Für­die­hellgrün­gefärbten­Regionen­gilt,­dass­die­Wegzüge­um­bis­zu­73%­geringer­sind­als­auf­Basis­der­sozioökonomischen­Faktoren­angenommen.­Da­ich­die­wesentlichen­ökonomischen­Einflussfaktoren­von­Binnenmigration­ in­die­Schätzung­einfließen­ lasse,­können­die­in­Abbildung­2­dargestellten­Unterschiede­zum­Großteil­auf­regionale­kulturelle­Aspekte­zurückgeführt­werden.

Man­sieht­in­Abbildung­2,­dass­in­großen­Teilen­Bayerns­sowie im Nordosten und in der Region um die hessisch-thü-ringische­Grenze­die­Wegzüge­geringer­ausfallen,­als­es­die­regionalen­ sozioökonomischen­ Gegebenheiten­ vermuten­­lassen.­Andererseits­sind­die­Gegenden­um­die­Städte­Mün-chen, Nürnberg, Stuttgart, Berlin, Bremen, Hamburg sowie die Rhein-Ruhr- und die Rhein-Neckar-Region eher zum ­Wegzug­bereit­als­andere­Gegenden.­In­weiterführenden­Ana-lysen­erweisen­sich­die­Ergebnisse­als­weitestgehend­robust.Die­Gebiete­mit­höher­oder­geringer­ausfallenden­Wegzügen­

als­auf­Grundlage­der­sozioökonomischen­Struktur­angenom-men stimmen jedoch nicht eindeutig mit den in Abbildung 1 dargestellten­geographischen­oder­kulturellen­Grenzen­über-ein. Dennoch können größere zusammenhängende Regionen mit einem gewissen Maß an Heterogenität erkannt werden. Diese werden im Folgenden kurz vorgestellt.

Abb. 2Wegzugsbereitschaft aus den deutschen Kreisen und kreisfreien Städten, 2000–2010

Anmerkungen:­Je­heller­das­Grün,­desto­heimatverbundener­sind­die­Menschen relativ zu den sozioökonomischen Faktoren. Je dunkler das­Grün,­desto­bereitwilliger­verlassen­die­Migrierenden­die­Region.­Bei einem Wert von 0 sind genauso viele Menschen abgewandert, wie aufgrund­ der­ sozioökonomischen­ Faktoren­ erwartbar­ war.­ Die­ in­schwarz­dargestellten­Regionen­dienen­als­Vergleichsregionen­und­wurden­aufgrund­von­Multikollinearität­ausgelassen.

Quelle:­Darstellung­des­ifo­Instituts­auf­Grundlage­des­German­Internal­MigrationDatensatzes­(2014).­ ©­ifo­Institut

West- und Ostdeutschland

nieder-, mittel- undoberdeutsche Dialekte

Nord-, Zentral- undSüddeutschland

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AKTUELLE FORSCHUNGSERGEBNISSE

14 ifo Dresden berichtet 3/2020

Ost­ und westdeutsche AbwandererOstdeutsche haben generell eine höhere Abwanderungs-bereitschaft­als­Westdeutsche.­Zudem­reagieren­sie­stärker­auf­ökonomische­Anreize,­was­die­Bevölkerung­aufgrund­der­wirtschaftlich­ schlechteren­ Lage­ in­ Ostdeutschland­ weiter­ver ringert hat. Anders als die Ergebnisse anderer Autoren ­(Leibert­ 2016,­ Hunt,­ 2006)­ zeigen­ meine­ Ergebnisse,­ dass­ Männer im Osten eine höhere Abwanderungstendenz haben als Männer im Westen und Frauen generell. Zudem ist die Landflucht­relativ­zu­den­sozioökonomischen­Charakteristika­im­Westen­stärker­ausgeprägt­als­im­Osten.

Abwanderer aus Nord­, Zentral­ und SüddeutschlandMeine­Analyse­zeigt­keine­eindeutigen­Unterschiede­in­der­Ab-wanderungsbereitschaft­zwischen­Regionen­der­dialektalen­und­politischen­Einteilung­in­Nord-,­Zentral-­und­Süddeutsch-land. Jedoch reagieren die Menschen in diesen Regionen ­unterschiedlich­auf­die­sozioökonomischen­Ge­gebenheiten.­Der­Norden­reagiert­stärker­auf­ökonomische­Anreize­und­legt­größeren­Wert­ auf­ Dialektähnlichkeit,­ während­ der­ Süden­„ökonomisch irrationaler“ abwandert. Auch Frauen sind hier mobiler als im Norden. Der mittlere Teil Deutschlands da-gegen­weist­durchschnittliche­Abwanderungstendenzen­auf.­Dies könnte damit begründet werden, dass Zentraldeutsch-land in gewisser Weise der Übergang zwischen Nord- und Süd-deutschland ist. Zudem ist Zentraldeutschland kulturell hete-rogener als Nord- oder Süddeutschland. Die Betrachtung der­Bundesländer­als­Untersuchungseinheit­deutet­auf­eine­ Robustheit der Ergebnisse hin.

FAZIT

In diesem Beitrag habe ich gezeigt, dass es in Deutschland regionale­Unterschiede­im­Abwanderungsverhalten­aufgrund­der regionalen Mentalitäten gibt, die nicht mit den gängigen sozioökonomischen Faktoren erklärt werden können. Dabei zeige­ich­sowohl­ein­Ost-West-­als­auch­ein­Nord-Süd-Gefälle­im­Abwanderungsverhalten­auf.­Zusätzlich­reagieren­Ost-­und­Norddeutsche­stärker­auf­ökonomische­Anreize­als­West-­und­Süddeutsche.­Aufgrund­dieser­stärker­ausgeprägten­Abwan-derungsmentalität waren die ostdeutschen Regionen nach

der­Wiedervereinigung­stärker­von­Abwanderung­betroffen,­als es westdeutsche Regionen in einer vergleichbaren Situa-tion gewesen wären.

LITERATUR

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AKTUELLE FORSCHUNGSERGEBNISSE

ifo Dresden berichtet 3/2020

Michaela Fuchs, Corinna Lawitzky, Anja Rossen und Antje Weyh *

Der bereinigte Gender Pay Gap: Warum Frauen in Sachsen eigentlich mehr verdienen müssten als Männer

In Sachsen verdienen vollzeitbeschäftigte Frauen 7,5% weniger Lohn als vollzeitbeschäftigte Männer. Der größte Unterschied in der Entlohnung existiert in Zwickau mit 11,6%, der geringste in Görlitz mit 2,1%. Diese regionalen Unterschiede im sogenannten unbereinigten Gender Pay Gap sind vor allem durch die Variation in den Löhnen der Männer getrieben. Vergleicht man Männer und Frauen, die hinsichtlich ihrer individuellen, betrieblichen und regionalen Merkmale gleich ausgestattet sind, fällt der bereinigte Lohn unterschied mit 11,4% höher als der unbereinigte (7,5%) aus. Somit sind Frauen bezüglich ihrer Merkmale besser ausgestattet als Männer. Sie müssten eigentlich mehr verdienen. Warum das dennoch nicht der Fall ist, zeigt dieser Beitrag.

Dass Frauen in Deutschland nach wie vor weniger verdienen als­Männer,­ist­jedes­Jahr­Thema­am­sogenannten­Equal­Pay­Day.­Dieser­fiel­im­Jahr­2020­auf­den­17.­März­und­kennzeich-net den Tag, bis zu dem Frauen umsonst arbeiten, während Männer bereits ab dem ersten Januar bezahlt werden. Trotz häufiger­Diskussion­der­ungleichen­Entlohnung­von­Frauen­und­Männern­in­Politik­und­Gesellschaft­hat­sich­in­den­letzten­Jahren­nur­sehr­wenig­an­der­Ungleichheit­geändert.­Nach­wie­vor liegt die durchschnittliche Entlohnung der Frauen bei rund­8o%­des­Verdienstniveaus­der­Männer­in­Deutschland.­Dabei­ist­der­sogenannte­Gender­Pay­Gap­(GPG)­in­den­alten­Bundesländern rund dreimal so hoch wie in den ostdeutschen Flächenländern und Berlin.1

Ziel­des­vorliegenden­Beitrags­ist­es,­den­GPG­in­Sachsen­darzustellen­ und­ zu­ erklären,­ worauf­ die­ unterschiedliche­Ent­lohnung­der­Frauen­und­Männer­zurückzuführen­ist.­Dafür­wird­eine­Zerlegung­des­GPG­in­einen­erklärten­und­einen­un-erklärten Teil vorgenommen. Der erklärte Teil ist derjenige Teil der Lohnlücke, der sich anhand der unterschiedlichen beo bachtbaren Charakteristika von Frauen und Männern er-klären­ lässt.­Der­unerklärte­Teil­umfasst­hingegen­den­Teil­ der Lohnlücke, der übrigbleibt, wenn Frauen und Männer mit ähnlichen Charakteristika verglichen werden und der sich ­daher­ aufgrund­ von­ nicht­ beobachteten­ Merkmalen­ und­ Diskriminierung ergibt.

MÖGLICHE GRÜNDE FÜR DIE UNGLEICHE ENTLOHNUNG VON FRAUEN UND MÄNNERN

Die­Gründe­für­eine­ungleiche­Entlohnung­von­Männern­und­Frauen­sind­vielfältig.­So­wird­in­der­Literatur­eine­Vielzahl­an­individuellen­und­betriebsspezifischen­Faktoren­diskutiert.­Bei kleinräumigeren Betrachtungen von Lohnunterschieden besitzen­zudem­auch­regionale­Gegebenheiten­einen­Einfluss.

Als­ein­Hauptgrund­für­Lohnungleichheiten­gilt­die­be-rufliche­Segregation­–­also­die­ungleiche­Verteilung­der­Ge-schlechter­ auf­ die­ Berufe.­ Frauen­ sind­ in­ sozialen­ Berufen­

oder­Büroberufen­überrepräsentiert,­während­es­nur­einen­geringen Frauenanteil in technischen und verarbeitenden ­Berufen­gibt­(Hausmann­und­Kleinert­2014).­Solche­berufs-strukturellen­Muster­ tragen­zu­einem­höheren­GPG­bei,­da­typische­ Frauenberufe­ meist­ geringer­ entlohnt­ werden­(Achatz­ et­ al.­ 2005).­ Die­ Ursachen­ für­ berufliche­ Se­gre-gation können zum einen darin liegen, dass Frauen eher ­solche­ ­Berufe­ wählen,­ die­ eine­ bessere­ Vereinbarkeit­ von­­Familie­und­Beruf­erlauben­(Begall­und­Mills­2013).­Zum­an-deren­ können­ aber­ auch­ die­ geschlechtsspezifische­ Sozia-lisation­ bzw.­ gesellschaftliche­ Rollenerwartungen­ von­ Be-deutung­sein­(Achatz­2018).­Sichtbar­wird­dies­u.­a.­dadurch,­dass­ Frauen­ trotz­ entsprechender­Qualifikationen­weniger­häufig­eine­Führungsposition­innehaben­als­Männer­(Busch­und­Holst­2013).

Weiterhin­können­als­Gründe­ für­die­ungleiche­Entloh-nung von Männern und Frauen unterschiedliche Arbeitszeiten und­die­Dauer­und­Häufigkeit­von­Erwerbsunterbrechungen­angeführt­werden.­ Frauen­arbeiten­häufiger­ in­Teilzeit,­ die­oftmals­mit­der­geschlechtertypischen­Rollenerwartung­bei­der­familiären­Aufgabenteilung­zusammenhängt­(Klenner­et­al.­2010).­Selbst­wenn­Frauen­nach­einer­familiären­Erwerbs-unterbrechung­wieder­eine­Vollzeittätigkeit­ausüben,­ist­die­Entlohnung teils niedriger als vor der Erwerbsunterbrechung (Beblo­et­al.­2006).­Wichtig­an­dieser­Stelle­zu­erwähnen­sind­die­grundsätzlichen­Unterschiede­in­der­Gleichstellung­und­dem­ Selbstverständnis­ der­ Geschlechter­ auf­ dem­ Arbeits-markt­ zwischen­ Ost-­ und­Westdeutschland.­ Die­ Vollzeiter-werbstätigkeit­von­Frauen­mit­Kindern­stellte­in­der­DDR­eine­Selbstverständlichkeit dar, während die in der BRD weitver-breitete­ Teilzeittätigkeit­ als­ atypische­ Beschäftigungsform­wahr­genommen­wurde­(Kreyenfeld­und­Geisler­2006).­Nach­

*­ ­Dr.­Michaela­Fuchs­ist­wissenschaftliche­Mitarbeiterin­am­Institut­für­Arbeits-markt-­und­Berufsforschung­(IAB)­Sachsen-Anhalt-Thüringen­in­Halle­(Saale),­Dr.­Anja­Rossen­ist­wissenschaftliche­Mitarbeiterin­am­IAB­Bayern­in­Nürnberg,­Corinna­Lawitzky­arbeitet­als­Mitarbeiterin­und­Dr.­Antje­Weyh­als­wissen-schaft­liche­Mitarbeiterin­am­IAB­Sachsen­in­Chemnitz.

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dem Fall der Mauer haben ostdeutsche Frauen ihre hohe Erwerbsbeteiligung im Wesentlichen beibehalten, die west-deutschen­ Frauen­ haben­ hingegen­ deutlich­ aufgeholt.­ Die­Erwerbsquoten­lagen­in­2017­bei­77%­bzw.­73%­(WSI­2020).­ In­ Bezug­ auf­ Müttererwerbstätigkeit­ und­ Kinderbetreuung­existieren­ jedoch­ immer­noch­markante­Unterschiede­ zwi-schen­Ost-­und­Westdeutschland­(vgl.­BMFSFJ­2015).

Als­individuelle­Faktoren,­die­einen­Einfluss­auf­die­Lohn-unterschiede von Männern und Frauen besitzen, jedoch nur schwer oder gar nicht messbar sind, gelten unterschiedliche Formen von Diskriminierung gegenüber weiblicher Arbeit. Vorurteile­ gegenüber­ einer­ bestimmten­ Gruppe,­ hier­ der­Frauen,­können­zu­einer­Bevorzugung­einer­anderen­Gruppe,­hier­ der­ Männer,­ führen­ (Becker­ 1971).­ Zum­ Beispiel­ wird­Frauen­aufgrund­familiärer­Verpflichtungen­möglicherweise­eine geringere Arbeitsleistung unterstellt, die im Ergebnis dazu­ führt,­Männer­ vorzuziehen.­ Eine­weitere­ Form­ ist­ die­­sogenannte­statistische­Diskriminierung­(Arrow­1974).­Bspw.­können­ aufgrund­ von­ Informationsasymmetrien­ zum­ Zeit-punkt­von­Rekrutierungsentscheidungen­Arbeitgeber­unbe-wusst­statt­der­konkreten­Person­einfach­den­Durchschnitt­einer­ jeweiligen­ Gruppe­ heranziehen.­ Lohndiskriminierung­von­Frauen­findet­in­diesem­Fall­deswegen­statt,­weil­Frauen­im­Durchschnitt­häufiger­aufgrund­der­Fürsorge­ für­Kinder­und­Angehörige­Erwerbsunterbrechungen­aufweisen.­Sicht-bar wird die statistische Diskriminierung auch bei Oesch et al. (2017),­die­zeigen,­dass­die­Lohneinbuße­bei­ jungen­Frauen­mit­Kindern­größer­ist­als­bei­Müttern,­die­über­40­Jahre­alt­sind,­weil­bei­jüngeren­Frauen­mit­Kindern­im­Durchschnitt­mit weiteren Erwerbsunterbrechungen gerechnet wird. Da-neben­existiert­noch­die­evaluative­Diskriminierung­(Petersen­und­Morgan­1995),­in­der­es­um­die­unterschiedliche­Bewer-tung der Arbeit von Frauen und Männern geht. Hierbei wird Frauen­in­der­Gesellschaft­im­Vergleich­zu­Männern­ein­nied-rigerer­ sozialer­ Status­ zugesprochen.­ In­Bezug­auf­ Entgelt-unterschiede wurde dies in der sogenannten Devaluations-hypothese­formuliert:­Die­unterschiedlichen­Kompetenz-­und­Statuszuweisungen­beeinflussen­die­Verdienste­in­typischen­Frauen-­und­Männerberufen­(England­1992).­Dabei­überträgt­sich­der­niedrigere­Status­von­Frauen­auf­die­von­ihnen­ausge-übten­Tätigkeiten,­was­zu­einer­geringeren­Entlohnung­führt.­Für­gleiche­oder­gleichwertige­berufliche­Anforderungen­und­Belastungen werden Frauen geringer entlohnt als Männer (Klammer­et­al.­2018).

Neben­den­beschriebenen­Faktoren,­die­sich­auf­die­in-dividuelle­Ebene­beziehen,­gibt­es­auch­betriebsspezifische­Faktoren, die die Lohnungleichheit von Frauen und Männern beeinflussen.­Unklar­bleibt­dabei­der­Einfluss­der­Betriebs-größe. Einerseits können unter kleinen Betrieben eine stär-kere­berufliche­Segregation­(Hammermann­und­Schmidt­2015)­sowie­ fehlende­Tarifverträge­und­Betriebsräte­ (Heinze­und­Wolf­2006)­zu­einem­höheren­Wert­des­GPG­führen.­Anderer-seits nimmt das Entgelt von Männern mit steigender Betriebs-größe zu, während sich die Löhne von Frauen kaum nach der Betriebsgröße­unterscheiden­ (Frodermann­et­al.­ 2018).­Mit­geringeren­Aufstiegschancen­und­dem­Zugang­zu­höher­ent-lohnten Tätigkeiten hängt ein weiteres betriebliches Merkmal, nämlich das allgemeine Lohnniveau im Betrieb, zusammen. In Betrieben­mit­hohem­Lohnniveau­ist­der­GPG­höher­(Heinze­

und­ Wolf­ 2006).­ Ein­ Grund­ hierfür­ ist,­ dass­ Männer­ meist­­bessere­Aufstiegschancen­im­Unternehmen­haben­als­Frauen.­Da­der­Entgeltunterschied­zwischen­hochqualifizierten­Frauen­und­hochqualifizierten­Männern­größer­ist­als­bei­geringem­und­mittlerem­Qualifikationsniveau­(Boll­et­al.­2016),­ ist­zu­erwarten,­dass­mit­einem­höheren­Anteil­Hochqualifizierter­im­Betrieb­auch­der­GPG­größer­ist.

Betrachtet­man­den­GPG­auf­der­kleinräumigen­Ebene,­so­spielen­regionale­Merkmale­ebenfalls­eine­Rolle­(Fuchs­et­al.­2019).­Bisher­konnte­gezeigt­werden,­dass­der­GPG­in­Groß-städten­und­Ballungsgebieten­geringer­ist­als­auf­dem­Land­(Busch­und­Holst­2008).­Dies­hängt­auch­damit­zusammen,­dass­ Frauen­ seltener­ als­ Männer­ dazu­ bereit­ sind,­ für­ die­­Arbeit­zu­pendeln­(Dauth­und­Haller­2018).­Da­Frauen­meist­aufgrund­ größerer­ familiärer­ Verpflichtungen­ auf­ eine­ Be-schäftigung­ in­ wohnortnahen­ Betrieben­ angewiesen­ sind,­schlägt­sich­das­durch­Monopolstellungen­der­Arbeitgeber­in­ländlichen Räumen in einer geringeren Entlohnung von Frauen nieder­(Hirsch­et­al.­2009).

DATEN UND METHODE

Der Berechnung des regionalen Entgeltunterschiedes zwi-schen­den­Geschlechtern­liegt­die­Beschäftigtenhistorik­(BeH)­des­Instituts­für­Arbeitsmarkt-­und­Berufsforschung­(IAB)­zu­Grunde.­Diese­beinhaltet­taggenaue­Meldungen­der­Arbeit-geber­zu­allen­sozialversicherungspflichtig­(SV-)Beschäftigten­seit­1975­und­zu­allen­geringfügig­entlohnten­Beschäftigten­seit­1999.­Für­die­vorliegende­Analyse­werden­die­Informa­tio­nen­zur­Person,­zur­Beschäftigung­und­zum­Entgelt­zum­Stichtag­30.­Juni­2017­betrachtet.­Neben­diesen­und­anderen­indivi-duellen Faktoren werden sämtliche Merkmale des Betriebes, in­dem­eine­Person­tätig­ist,­in­die­Untersuchung­­einbezogen:­u.­a.­die­Qualifikationsstruktur­oder­die­Branchenzugehörig-keit.­Generell­betrachten­wir­hier­nur­SV-Beschäftigte­im­Alter­von­ 18­ bis­ unter­ 65­ Jahren­ in­ einer­ Vollzeitbeschäftigung.­Diese­Einschränkung­der­Personengruppe­ist­notwendig,­da­eine­Teilzeitbeschäftigung­in­den­Daten­zwar­erfasst­ist,­über­den­zeitlichen­Umfang­dieser­Teilzeitbeschäftigung­aber­keine­Informationen­vorhanden­sind.­Da­weiterhin­die­Arbeitgeber­Entgelte nur bis zur Beitragsbemessungsgrenze melden müs-sen,­führt­dies­bei­Nichtberücksichtigung­in­den­Analysen­zu­einer­Verzerrung­im­oberen­Lohnbereich.­Deswegen­bereini-gen­wir­mittels­Imputation­die­zensierten­Entgelte­nach­dem­Verfahren­von­Gartner­(2005).­Relevant­für­unsere­Untersu-chung­des­GPG­ist­natürlich­nicht­nur­die­Information­zum­o.­g.­Stichtag,­sondern­auch­die­frühere­Erwerbsbiographie,­wes-wegen­Informationen­z.­B.­zu­Erwerbsunterbrechungen­aus­den­Integrierten­Erwerbsbiografien­(IEB)­des­IAB­ergänzt­werden.­Regionale­Informationen­stammen­vom­Statistischen­Bundes-amt,­ der­ Statistik­ der­ Bundesagentur­ für­ Arbeit­ und­ dem­­Bundesinstitut­für­Bau-,­Stadt-­und­Raumforschung.

Für­ die­ Berechnung­ des­ unbereinigten­ GPG­ wird­ die­­Differenz­aus­den­durchschnittlichen­logarithmierten­Tages-entgelten der Männer und Frauen gebildet und mit dem Fak-tor­100­multipliziert.­Ein­negativer­Wert­besagt­dabei,­dass­Frauen mehr als Männer verdienen. Der beobachtete Entgelt-unterschied­(unbereinigter­GPG)­wird­mit­Hilfe­der­sogenannten­Oaxaca-Blinder-Zerlegung­ in­ einen­ erklärten­ (Ausstattung)­

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und­einen­unerklärten­Teil­(Bewertung­oder­bereinigter­GPG)­zerlegt­ (Blinder­ 1973­ und­ Oaxaca­ 1973).­ Der­ erklärte­ Teil­­umfasst­den­Teil­des­GPG,­der­sich­aufgrund­der­unterschied-lichen Ausstattung und der damit verbundenen unterschied-lichen Entlohnung von Frauen und Männern ergibt. Der be-reinigte­GPG­beziffert­den­Lohnunterschied,­der­selbst­dann­noch besteht, wenn Frauen und Männer mit gleichen Merk-malen verglichen werden. Somit sagt dieser etwas über die unterschiedliche­Bewertung­für­sonst­gleiche­Merkmale­aus.­Zudem­enthält­der­unerklärte­Teil­die­Konstante,­die­solche­Faktoren­umfasst,­welche­in­der­Berechnung­aufgrund­feh-lender­ Informationen­ nicht­ berücksichtigt­ werden­ können­(z.­B.­die­Durch­setzungsfähigkeit­bei­Gehaltsverhandlungen).­Die­ Oaxaca-­Blinder-Zerlegung­ wird­ für­ Deutschland,­ Ost-deutschland,­Sachsen­und­die­einzelnen­sächsischen­Kreise­durchgeführt.

DER UNBEREINIGTE UND BEREINIGTE GPG IN SACHSEN UND DEUTSCHLAND

In­Sachsen­verdienen­Frauen­im­Durchschnitt­7,5%­weniger­als­Männer.­ Sachsen­weist­damit­ einen­unbereinigten­GPG­auf,­ der­ deutlich­ unter­ dem­ deutschen­ Durchschnitt­ von­20,8%­liegt.­Der­Unterschied­im­bereinigten­GPG­ist­zwischen­Sachsen­ und­ Deutschland­ wesentlich­ geringer­ (Sachsen:­11,4%,­Deutschland:­14,7%).

Abbildung 1 zeigt die Ergebnisse der Oaxaca-Blinder-Zerle-gung­für­Sachsen,­Ostdeutschland­und­Deutschland.­Der­er-klärte­Teil­liegt­in­Sachsen­bei­–3,9­Prozentpunkten.­Das­be-deutet, dass Frauen bezüglich ihrer Summe der beobachteten individuellen, betrieblichen und regionalen Merkmale besser ausgestattet sind als Männer und deswegen eigentlich mehr verdienen müssten als diese. Der unerklärte Teil, also der ­bereinigte­GPG,­liegt­bei­11,4­Prozentpunkten.­Dabei­findet­ j edoch hinsichtlich der beobachteten Faktoren keine Diskri-minierung­statt­–­die­Bewertung­der­einbezogenen­Merkmale­fällt­zu­Gunsten­der­Frauen­aus­(–6,4%).­Das­bedeutet,­dass­Frauen,­die­gleiche­Eigenschaften­aufweisen­wie­ihre­männ-lichen­Kollegen,­nicht­aufgrund­einer­geringeren­Bewertung­dieser­Eigenschaften­schlechter­entlohnt­werden.­Die­Konstan­te­als­eine­Komponente­des­unerklärten­Teils­hat­dem gegenüber mit­17,8­Prozentpunkten­einen­hohen­Anteil­am­bereinigten­GPG.­Nicht­beobachtbare­bzw.­nicht­messbare­Faktoren­sind­damit­für­den­Lohnunterschied­von­Männern­und­Frauen­in­Sachsen­verantwortlich.­Dieser­recht­hohe­Anteil­der­Kons-tante ist bei den verwendeten Daten nicht überraschend. So fehlen­z.­B.­Informationen­zum­Familienstand­oder­der­Haus-haltskonstellation­–­zum­Teil­zentrale­Faktoren,­die­bei­Lohn-unterschieden­zwischen­Frauen­und­Männern­eine­Rolle­spielen.­Alternative Datensätze, wie z. B. das Sozio- Ökonomische ­Panel­(SOEP),­enthalten­zwar­solche­Informa­tionen,­können­für­kleinräumige­Analysen­allerdings­nicht­verwendet­werden.

Abb. 1GPG in Sachsen, Ostdeutschland und Deutschland – Ergebnisse der Oaxaca-Blinder-Zerlegung

Anmerkung:­Die­Berechnungen­beziehen­sich­auf­Vollzeitbeschäftigte­(ohne­Auszubildende)­im­Alter­von­18­bis­unter­65­Jahren­zum­Stichtag­30.­Juni­2017.

Quelle:­Beschäftigtenhistorik­des­IAB;­eigene­Berechnungen. ©­IAB

–3,9 –4,8

6,211,4 10,9

14,7

7,56,1

20,8

Sachsen Ostdeutschland Deutschland

Erklärter Teil Unerklärter Teil Gender Pay Gap

23,2

–11,5

17,8

–6,4

42,1

–24,6

Bewertung der einbezogenen FaktorenKonstante

Bewertung der einbezogenen FaktorenKonstante

Bewertung der einbezogenen FaktorenKonstante

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Beim­ Vergleich­ zwischen­ Sachsen­ und­ Ostdeutschland­ er-geben­sich­nur­minimale­Unterschiede.­Der­erklärte­Teil­ist­in­Sachsen etwas geringer, während der unerklärte Teil gering-fügig­ höher­ als­ in­Ostdeutschland­ ausfällt.­ Größere­Unter-schiede­ zeigen­ sich­ vielmehr­ bei­ einem­ Vergleich­mit­ dem­gesamtdeutschen­GPG.­Die­unterschiedliche­Ausstattung­von­Frauen und Männern hinsichtlich der einbezogenen Merkmale wirkt­in­Deutschland­insgesamt­zu­Ungunsten­der­Frauen.­Die­Bewertung­der­Faktoren­fällt­zwar­zu­Gunsten­der­Frauen­aus­und­wirkt­ GPG-reduzierend.­ Dennoch­ bleibt­ die­ bereinigte­Lohnlücke­positiv,­da­auch­hier­nicht­beobachtbare­und­nicht­messbare­Faktoren­eine­große­Rolle­spielen.­Damit­ist­auch­der­bereinigte­GPG­im­deutschen­Durchschnitt­größer­als­im­sächsischen Schnitt. Wichtiger ist jedoch, dass die in die Ana-lyse­einbezogenen­Faktoren­ in­Summe­in­Deutschland­und­Sachsen vollkommen gegenteilig wirken und Frauen damit in Sachsen­eigentlich­mehr­als­Männer­verdienen­müssten­(vgl.­Fuchs­et­al.­2019).­Dies­lässt­sich­im­Übrigen­auch­für­alle­an-de­ren­ostdeutschen­Bundesländer­feststellen.­Die­ in­Abbil-dung­1­dargestellten­Unterschiede­zwischen­Ostdeutschland­und Deutschland insgesamt lassen sich dabei zu einem großen Teil­auf­die­unterschiedlichen­Gleichstellungsarrangements­in­Ost-­und­Westdeutschland­sowie­auf­Unterschiede­in­den­lohnrelevanten­Eigenschaften­von­Frauen­und­Männern­zurück-führen.­Minkus­et­al.­ (2018)­zeigen,­dass­ in­Ostdeutschland­

Frauen­eine­bessere­Ausstattung­mit­Humankapital­aufweisen­als­ Männer,­ was­ zu­ dem­ negativen­ erklärten­ Teil­ des­ GPG­führt.­In­Westdeutschland­hingegen­haben­Frauen­insbeson-dere­weniger­Berufserfahrung­als­Männer,­was­sich­dort­ in­dem­positiven­erklärten­Teil­widerspiegelt.

Abbildung­2­zeigt­im­Detail­den­Einfluss­individueller,­be-trieblicher­ und­ regionaler­ Merkmale­ auf­ den­ sächsischen­GPG.­Unter­den­individuellen­Faktoren­haben­der­Beruf­und­die­Qualifikation­einer­Person­den­größten­Einfluss.­Die­nega-tiven­Vorzeichen­bedeuten,­dass­Frauen­hinsichtlich­dieser­Merkmale­besser­ausgestattet­sind­als­Männer­und­der­GPG­alleine­auf­Basis­dieser­Merkmale­negativ­ ist.­Das­negative­Vorzeichen­der­Berufsvariable­kann­zudem­darauf­hinweisen,­dass in den neuen Bundesländern gut bezahlte Jobs in der Industrie­(wie­es­sie­in­Westdeutschland­gibt),­von­denen­vor­allem­Männer­profitieren,­fehlen­(vgl.­Fuchs­et­al.­2019).­Eine­bessere­Ausstattung­von­Frauen­gegenüber­Männern­findet­sich­auch­hinsichtlich­der­regionalen­Arbeitsmarkterfahrung­(hier­definiert­als­der­Anteil,­den­die­Person­ in­den­ letzten­ 20­Jah­ren­in­der­Region­verbracht­hat)­und­der­Betriebszu­-gehö rigkeitsdauer. Im Einklang mit der Literatur steht die schlechtere Ausstattung von Frauen hinsichtlich Erwerbsun-terbrechungen­und­dem­Innehaben­einer­Führungsposition.­Auch­die­im­Vergleich­zu­Männern­geringeren­Möglichkeiten­zu­pendeln,­erhöhen­den­GPG.

Abb. 2Erklärungsfaktoren (sog. Ausstattungseffekt) des GPG in Sachsen

Anmerkung:­Die­Berechnungen­beziehen­sich­auf­Vollzeitbeschäftigte­(ohne­Auszubildende)­im­Alter­von­18­bis­unter­65­Jahren­zum­Stichtag­30.­Juni­2017.

Quelle:­Beschäftigtenhistorik­des­IAB;­eigene­Berechnungen.­ ©­IAB

0,270,000,00

–0,06–0,29

0,850,39

–0,01–0,77

–0,840,27

0,160,15

0,070,05

0,02–0,06

–0,23–0,34

–1,55–2,12

ArbeitsplatzdichteArbeitslosenquote

Anteil römisch-katholischBetriebsdichte

ArbeitsortAnteil mittlere Qualifikation

Anteil hohe QualifikationBetriebsgröße

Lohn im BetriebStreuung des Lohns im Betrieb

PendlerAlter

BefristungFührungsposition

ErwerbsunterbrechungRegionswechsel

Deutsche StaatsangehörigkeitBetriebszugehörigkeitsdauer

Regionale ArbeitsmarkterfahrungQualifikation

Beruf

Regionale MerkmaleBetriebliche MerkmaleIndividuelle Merkmale

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Hinsichtlich­betrieblicher­Merkmale­wirkt­sich­für­Frauen­die­Lohnhöhe sowie die Streuung des Lohnes innerhalb eines ­Betriebes­ebenfalls­vorteilhaft­aus.­Die­betriebliche­Lohnhöhe­wurde­als­ein­Maß­für­die­Produktivität­des­Betriebes­in­die­Zerlegung­des­GPG­aufgenommen.­Mit­Hilfe­der­Lohnstreuung­in­einem­Betrieb­sollen­z.­B.­die­Karrieremöglichkeiten­inner-halb des Betriebes abgebildet werden. Frauen scheinen sich in­Sachsen­also­häufiger­in­produktivere­Betriebe­mit­mehr­Karrieremöglichkeiten­einzusortieren­als­Männer.­Sehr­wahr-schein lich steht dies im Zusammenhang mit dem negativen Vorzeichen­bei­der­Berufsvariable.­ Im­Gegensatz­dazu­sind­Frauen­bei­den­betrieblichen­Merkmalen­Anteil­hohe­Qualifika-tion­und­Anteil­mittlere­Qualifikation­schlechter­„ausgestat­tet“.­Dies­wirkt­zu­Ungunsten­der­Frauen­und­erhöht­den­GPG.

Wie in der Abbildung 2 ersichtlich, üben die regionalen Merkmale­direkt­nur­einen­sehr­geringen­Effekt­auf­die­Lohn-lücke­ aus­ bzw.­ heben­ sich­ in­ Summe­ untereinander­ auf.­­Während­die­Arbeitsplatzdichte­den­Lohnunterschied­zu­Un-gunsten­der­ Frauen­erhöht,­ reduziert­der­Kreisdummy­ (Ar-beits­ort),­der­alle­nicht­beobachtbaren­Merkmale­der­Region­beinhaltet,­ diesen.­ In­ Summe­ spielen­ regionale­ Merkmale­somit­ lediglich­eine­untergeordnete­Rolle­ für­die­Erklärung­

der Entgeltunterschiede zwischen Frauen und Männern in Sachsen bzw. die einbezogenen individuellen und betrieb-lichen­Faktoren­spiegeln­die­vor­Ort­vorhandenen­Wirtschafts-­und Betriebsstrukturen teils bereits wider. Allerdings gibt es aufgrund­ der­wenigen­ Kreise­ auch­ nur­wenig­ beobachtete­Einheiten­ innerhalb­Sachsens,­ so­dass­die­Variation­ in­den­­Regionalvariablen­recht­gering­ausfällt.

DER UNBEREINIGTE UND BEREINIGTE GPG IN DEN SÄCHSISCHEN KREISEN

Die Entgeltlücke zwischen Frauen und Männern unterscheidet sich­recht­stark­zwischen­den­sächsischen­Kreisen.­Während­in­Görlitz­Frauen­im­Durchschnitt­nur­2,1%­weniger­als­Männer­verdienen,­ist­der­GPG­mit­11,6%­in­Zwickau­vergleichsweise­hoch­(vgl.­Abb.­3).­Dennoch­fallen­diese­Werte­im­­Vergleich­mit­allen­Kreisen­Deutschlands­immer­noch­recht­gering­aus.­So­verdienen­z.­B.­ im­Bodenseekreis­Frauen­über­40%­weniger­als­Männer­(vgl.­Fuchs­et­al.­2019).­Interessant­ist,­dass­sich­das­in­der­Literatur­gefundene­Muster­eines­niedrigeren­GPG­in­Städten­bzw.­eines­höheren­GPG­in­ländlichen­Räumen­für­Sachsen nicht zeigt.

Abb. 3Unbereinigter GPG in den sächsischen Kreisen

Anmerkung:­Die­Berechnungen­beziehen­sich­auf­Vollzeitbeschäftigte­(ohne­Auszubildende)­im­Alter­von­18­bis­unter­65­Jahren­zum­Stichtag­30.­Juni­2017.

Quelle:­Beschäftigtenhistorik­des­IAB;­eigene­Berechnungen.­ ©­IAB

Bautzen4,7 %

Görlitz2,1 %

Leipzig5,9 %

Meißen6,9 %

Mittelsachsen10,0 %

Leipzig (Stadt)9,7 %

Chemnitz9,3 %

Erzgebirgskreis8,6 %

Zwickau11,6 %

Nordsachsen6,5 %

Vogtlandkreis7,9 %

Sächs. Schweiz-Osterzgebirge8,6 %

Dresden10,1 %

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Die­Zerlegung­der­Lohnlücke­zeigt­im­Großen­und­Ganzen­für­die­sächsischen­Kreise­dasselbe­Bild­wie­für­Sachsen­insge-samt. Der erklärte Teil ist überall negativ, so dass der berei-nigte­GPG­überall­größer­ist­als­der­unbereinigte­(vgl.­Weyh­et.­al.­2019).­In­allen­sächsischen­Kreisen­sind­Frauen­also­bezüg-lich ihrer Summe aus individuellen und betrieblichen Merk-malen besser ausgestattet und müssten eigentlich mehr ­verdienen­als­Männer.­Dabei­wirken­wiederum­hauptsäch-lich­der­gewählte­Beruf­und­die­Qualifikation­zu­Gunsten­der­Ent lohnung von Frauen.

Die Zerlegung teilt den übrigbleibenden bereinigten GPG­ noch­ in­ die­ beiden­ Bestandteile­ „Bewertung­ der­ ein-bezogenen­Faktoren“­und­„Konstante“­auf­(vgl.­auch­Abb.­1).­

Hierbei zeigt sich, dass das große Bild über alle sächsischen Kreise­ sich­ doch­ auf­ recht­ unterschiedliche­ Weise­ ergibt.­ In­7­der­13­ sächsischen­Kreise­ fällt­die­Bewertung­der­ein-bezogenen­ Faktoren­ zu­ Gunsten­ der­ Frauen­ aus­ und­ der­ höhere Wert des bereinigten gegenüber dem unbereinigten GPG­ ist­ allein­ auf­ Faktoren­ zurückzuführen,­ die­ in­ dieser­­Analyse­nicht­enthalten­sind­ (vgl.­Weyh­et­al.­ 2019).­ In­den­­anderen­sechs­Kreisen­fällt­die­Bewertung­der­einbezogenen­Faktoren­zu­Ungunsten­der­Frauen­aus.­Besonders­groß­ist­ die­Differenz­ zwischen­dem­unbereinigten­und­bereinigten­GPG­ in­ den­ Landkreisen­ Görlitz­ und­ Bautzen,­ sehr­ klein­ in­ den­ beiden­ kreisfreien­ Städten­ Dresden­ und­ Leipzig­ (vgl.­Abb.­4).

Abb. 4Bereinigter GPG in den sächsischen Kreisen

Anmerkung:­Die­Berechnungen­beziehen­sich­auf­Vollzeitbeschäftigte­(ohne­Auszubildende)­im­Alter­von­18­bis­unter­65­Jahren­zum­Stichtag­30.­Juni­2017.

Quelle:­Beschäftigtenhistorik­des­IAB;­eigene­Berechnungen.­ ©­IAB

FAZIT

In­Sachsen­verdienen­vollzeitbeschäftigte­Frauen­7,5%­weni-ger­Lohn­als­vollzeitbeschäftigte­Männer.­Damit­fällt­der­unbe-reinigte­GPG­in­Sachsen­deutlich­geringer­aus­als­der­deut-sche­Durchschnitt­von­20,8%.­Der­größte­GPG­ist­dabei­mit­11,6%­in­Zwickau­zu­finden.­Den­geringsten­Wert­weist­der­Kreis­Görlitz­mit­2,1%­auf.

Diese­Betrachtung­des­sogenannten­unbereinigten­GPG­be-rücksichtigt nicht, dass Frauen und Männer unterschiedliche Berufe­ausüben­oder­unterschiedliche­Positionen­innerhalb­eines­Unternehmens­innehaben.­Mit­Hilfe­der­Oaxaca-Blinder-­Zerlegung­findet­dies­Berücksichtigung.­Der­sogenannte­be-reinigte­GPG­erreicht­in­Sachsen­11,4%­und­ist­damit­­so­gar­höher­als­der­unbereinigte­GPG.­Im­Gegensatz­dazu­ist­deutsch-landweit­der­bereinigte­GPG­mit­14,7%­deutlich­geringer­als­

Bautzen12,8 %

Görlitz8,4 %

Leipzig10,4 %

Meißen12,2 %

Mittelsachsen13,4 %

Leipzig (Stadt)10,2 %

Chemnitz12,1 %

Erzgebirgskreis12,9 %

Zwickau12,8 %

Nordsachsen11,3 %

Vogtlandkreis12,3 %

Sächs. Schweiz-Osterzgebirge10,2 %

Dresden10,4 %

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AKTUELLE FORSCHUNGSERGEBNISSE

ifo Dresden berichtet 3/2020

der­unbereinigte­Wert.­Frauen­verfügen­somit­in­Sachsen­über­lohnrelevante­Eigenschaften,­die­den­Ent­geltunterschied­zu­ihren­Gunsten­reduzieren.­Anders­ausgedrückt,­Frauen­müss-ten­in­Sachsen­aufgrund­ihrer­Merkmale­eigentlich­mehr­ver-dienen­ als­ Männer.­ Der­ Großteil­ der­ beo­bachtbaren­ Lohn-lücke­ist­damit­auf­Faktoren­zurückzuführen,­die­nicht­in­die­Analyse­einbezogen­bzw.­nicht­messbar­sind.­Dies­spricht­für­das­Vorhandensein­institutioneller­und­kultureller­Rahmen-bedingungen, die sich in einer indirekten Benachteiligung von­Frauen­auf­dem­Arbeitsmarkt­in­Sachsen­äußern­und­zu­ge­ringeren­ Löhnen­ führen­können.­ Es­ gilt­ somit,­weiter­ an­ der­beruflichen­Gleichstellung­von­Frauen­und­Männern­zu­­ar­beiten.­In­Verbindung­hiermit­ist­es­wichtig,­dass­die­Auf-stiegs­chancen­nicht­über­die­Geschlechter­ungleich­verteilt­sind.­Hinzu­kommt,­dass­Erwerbstätigkeit­und­Mutterschaft­noch besser vereinbar sein müssten, auch wenn Sachsen und die­ ostdeutschen­ Bundesländer­ hier­ eine­ Vorreiterrolle­ in­Deutsch­land­ innehaben.­ Zudem­ sollte­ es­ auch­ für­ Männer­besser möglich sein, Erwerbsunterbrechungen zur Fürsorge für­die­Kinder­und­Angehörige­vorzunehmen.­Es­sollten­eben-falls­sowohl­für­Frauen­als­auch­für­Männer­Anreize­geboten­werden,­Berufe­ in­geschlechtsuntypischen­Branchen­zu­er-greifen,­um­die­berufliche­Segregation­zu­verringern­und­Ge-schlechterstereotypen­auf­dem­Arbeitsmarkt­entgegen­zu­tre-ten.­Generell­müssen­weiterhin­Maßnahmen­ergriffen­werden,­um mögliche Diskriminierungen gegen Frauen abzubauen und­deren­Position­gegenüber­Arbeitgebern­zu­stärken.

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1­ ­Vgl.­Pressemitteilung­Nr.­097­vom­16.­März­2020­des­Statistischen­Bundes-amtes,­https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2020/03/PD20_097_621.html­(zuletzt­abgerufen­am­31.­März­2020).

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IM­BLICKPUNKT

Joachim Ragnitz *

Auf die lange Bank geschoben: Zum Abschlussbericht der Kommission „Verlässlicher Generationenvertrag“1

Die Bundesregierung hat die Kommission „Verlässlicher Generationenvertrag“ damit beauftragt, Empfeh-lungen zur Sicherung der Nachhaltigkeit der Rentenfinanzen zu entwickeln. Der Kommissionsbericht bleibt deutlich hinter den hochgesteckten Erwartungen zurück. Die vorgeschlagenen Maßnahmen werden die Finanzierungsprobleme der Gesetzlichen Rentenversicherung nicht lösen, sondern führen letzten Endes nur dazu, dass der Bundeszuschuss an die Rentenversicherung erhöht werden muss. Ohne eine weitere Verlängerung der Lebensarbeitszeit wird sich das Finanzierungsproblem der Rentenversicherung nicht lösen lassen, da es für die erwerbsfähige Generation unerheblich ist, ob sie über Steuern oder Sozialversicherungsbeiträge für die Rentner aufzukommen hat.

In­ ihrem­ Koalitionsvertrag2­ hatte­ die­ Große­ Koalition­ aus­CDU/CSU­und­SPD­die­Einsetzung­einer­Rentenkommission­„Verlässlicher­Generationenvertrag“­vereinbart,­die­Empfeh-lungen­für­die­nachhaltige­Sicherung­und­Fortentwicklung­der­bestehenden­Alterssicherungssysteme­(Gesetzliche­Renten-versicherung,­betriebliche­Alterssicherung­und­private­Alters-vorsorge)­vorlegen­sollte.­Insbesondere­sollte­es­darum­gehen,­die­Stellschrauben­der­Gesetzlichen­Rentenversicherung­(GRV)­in­ein­langfristig­tragfähiges­Gleichgewicht­zu­bringen,­ohne­die­Beitragszahler­zu­überfordern­oder­die­Partizipation­der­Rentner­an­der­allgemeinen­Wirtschaftsentwicklung­ zu­ge-fähr­den.­ Die­ Kommission­ hat­ ihren­ Abschlussbericht­ vor­ wenigen Wochen3­vorgelegt­–­was­aber­angesichts­der­aktu-ellen­Diskussion­um­die­Folgen­der­Coronapandemie­in­der­­öffentlichen­Wahrnehmung­ in­den­Hintergrund­gerückt­ ist.­Angesichts­der­langfristigen­Bedeutung­des­Themas­ist­dies­bedauerlich.

Worum­geht­es?­Die­Bevölkerung­in­Deutschland­wird­in­den­kommenden­Jahrzehnten­massiv­altern,­weil­die­Gebur-ten­rate­ schon­ seit­ dem­ Ende­ der­ 1960er­ Jahre­ unter­ dem­B­estandserhaltungsniveau­ von­ zwei­ Kindern­ je­ Frau­ liegt.­­Aktuell­liegt­sie­bei­knapp­1,6­Kindern­je­Frau.­Jede­Genera-tion­ist­damit­um­beinahe­ein­Viertel­kleiner­als­die­jeweilige­Elterngeneration,­was­dazu­führt,­dass­die­Zahl­der­Personen­im­erwerbsfähigen­Alter­zumindest­für­eine­Übergangsphase­schneller zurückgeht als die Zahl der Rentner: Der Alters-koeffizient,­der­die­Relation­dieser­beiden­Größen­ausdrückt,­wird­deshalb­nach­der­14.­Koordinierten­Bevölkerungsvoraus-berechnung des Statistischen Bundesamtes von derzeit etwa 36­bis­zum­Ende­der­2030er­Jahre­auf­dann­rund­54­zuneh-men.4­Reichen­die­Steuer-­und­Beitragszahlungen­einer­Per-son­im­erwerbsfähigen­Alter­heute­noch­zur­Deckung­der­Ein-kommen­von­drei­Personen­ im­Rentenalter­aus,­so­können­damit zum Ende des kommenden Jahrzehnts nur noch zwei Rentner­finanziert­werden.­Es­ist­offenkundig,­dass­dies­bei­grundsätzlicher­Beibehaltung­des­bestehenden­Systems­der­GRV­(Beschäftigte­finanzieren­durch­ihre­laufenden­Renten-

versicherungsbeiträge­und­Steuern­die­laufenden­Rentenaus-zahlungen­ an­ die­ ältere­ Generation)­ nur­ aufrechterhalten­werden kann, wenn entweder die Rentenversicherungsbei-träge­ bzw.­ die­ steuerfinanzierten­ Bundeszuschüsse­ an­ die­GRV­angehoben­werden,­die­(relative)­Rentenhöhe­abgesenkt­wird oder die Lebensarbeitszeit verlängert wird.

Im ersten Fall trägt allein die jeweilige Erwerbsgenera-tion die Last, im zweiten Fall die jeweilige Rentnergeneration, und­im­dritten­Fall­die­künftigen­Rentner­(was­den­heutigen­Erwerbstätigen­entspricht).5 Eine andere Lösung gibt es grund-sätzlich­nicht,­solange­man­nicht­vom­geltenden­Grundsatz­der­ „Beitragsäquivalenz“­ in­ der­ GRV­ abweichen­ will.6 Denn auch wenn man kurzzeitig Entlastung durch eine Erhöhung der Erwerbsquote, durch Einbeziehung von Beamten und Selbständigen­in­die­GRV­oder­auch­durch­vermehrte­Zuwan-derung­ von­ Erwerbspersonen­ nach­ Deutschland­ schaffen­könnte,­werden­diese­langfristig­auch­eigene­Rentenansprü-che­erwerben,­so­dass­das­Problem­der­fehlenden­Nachhaltig-keit­der­GRV­lediglich­zeitlich­verschoben,­aber­nicht­gelöst­würde.

Die­Rentenkommission­stellt­diese­Tatbestände­zutref-fend­dar,­die­Empfehlungen,­die­sie­daraus­ableitet,­sind­aber­kaum­ geeignet,­ für­ die­ genannten­ Probleme­ der­ GRV­ eine­­Lösung­zu­finden.­Dies­wird­erkennbar,­wenn­man­die­von­der­Kommission­„Verlässlicher­Generationenvertrag“­vorge­schla-genen Maßnahmen im Detail betrachtet. Relevant sind in ­diesem­Zusammenhang­dabei­lediglich­die­beiden­folgenden­Empfehlungen7:

­ ­Das­derzeitige­ System­der­ „verbindlichen“­bzw.­ „pers-pektivischen“­Haltelinien­für­Rentenniveau­und­Beitrags-satz soll auch nach 2025 beibehalten werden. Dabei wird für­ die­ verbindliche­ Haltelinie­ des­ Standardrentenni-veaus­(vor­Steuern)­bis­zum­Jahr­2032­eine­Spannbreite­

*­ ­Prof.­Joachim­Ragnitz­ist­stellvertretender­Geschäftsführer­der­Niederlassung­Dresden­des­ifo­Instituts­–­Leibniz-Institut­für­Wirtschaftsforschung­an­der­Universität­München­e.­V.

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IM­BLICKPUNKT

von­ 44%­ bis­ 49%­ des­ durchschnittlichen­ verfügbaren­Einkommens­­(aktuell:­48%)­vorgeschlagen,­für­den­Bei-tragssatz­ein­Wert­von­20%­bis­24%­(aktuell:­20%).8 Damit sollen die Belastungen der zunehmenden Alterung ganz offenkundig­zwischen­Beitragszahlern­und­Rentnern­ge-teilt werden. Letzten Endes erscheint dies auch durchaus vertretbar. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die ­Generation­der­Beitragszahler­zusätzlich­auch­durch­die­Finanzierung­des­steuerfinan­zierten­Bundeszuschusses­an­die­GRV­überproportional­belastet­ist,­der­nach­den­Schätzungen­der­Kommission­in­den­kommenden­Jahren­ohnehin deutlich steigen wird.9

Kritisch­ist­allerdings­zu­sehen,­dass­die­Spannbreiten­für­Si-cherungsniveau und Beitragssatz recht breit angelegt sind und­nur­für­eine­kurze­Frist­(7­Jahre)­vorgegeben­werden­sollen.­Wie­die­von­der­Kommission­vorgelegten­Projektionsrechnun-gen zeigen, wird das Rentenniveau schon zur Mitte der 2030er Jahre­unter­die­Untergrenze­des­vorgeschlagenen­Korridors­fallen.­Insoweit­erfüllt­die­Kommission­an­dieser­Stelle­ihren­Auftrag­ganz­offensichtlich­nicht,­Vorschläge­für­die­Stabilisie-rung­des­Rentensystems­in­der­langen­Frist­vorzulegen.

­ ­Der­bereits­existierende­Sozialbeirat­soll­nach­den­Vor-stellungen­ der­ Kommission10 zu einem „Alterssiche-rungsbeirat“ weiterentwickelt werden. Dieser soll u. a. Empfehlungen­zu­den­Haltelinien­und­zur­weiteren­An-passung­des­Renten­eintrittsalters­abgeben,­jedoch­erst­zu­Beginn­des­Jahres­2026.­Mit­Blick­auf­die­Planungssi-cherheit­von­Unternehmen­und­Versicherten­erscheint­dies­zu­spät.

Weitere­Anpassungen­zur­Sicherung­der­Nachhaltigkeit­des­Alterssicherungssystems­werden­von­der­Kommission­zwar­diskutiert;­es­werden­jedoch­keine­(abschließenden)­Empfeh-lungen abgegeben:

Als erste Möglichkeit wird eine Beschränkung des Ren-tenzu­wachses­für­die­Bestandsrentner­auf­die­Inflations-rate diskutiert.11 Dies hätte zur Folge, dass zwar die reale Kaufkraft­der­Renten­erhalten­bliebe,­jedoch­die­Bezieher­von Altersrenten nicht mehr an den allgemeinen Wohl-fahrtssteigerungen­ (wie­ seit­ der­ Rentenreform­ 1957­prak­tiziert)­partizipieren­könnten.­Die­Bestandsrentner­hätten­ somit­ im­ Vergleich­ zum­ geltenden­ Recht­ einen­­höheren­ Beitrag­ an­ den­ Kosten­ der­ Alterung­ zu­ über-nehmen,­der­Beitragssatz­könnte­auf­niedrigerem­Niveau­stabilisiert­werden.­Problematisch­erscheint­allerdings,­dass­nach­dem­diskutierten­Kommissionsmodell­die­An-passung­der­Rentenanwartschaften­weiterhin­entspre-chend­der­ Lohnsteigerungen­erfolgen­ soll,­ so­dass­die­individuelle­ Rente­bei­ gleicher­ Entgeltpunktzahl­ umso­höher­ausfällt,­ je­später­der­Renteneintritt­erfolgt.­Das­Prinzip­ der­ „Teilhabeäquivalenz“­ würde­ damit­ außer­Kraft­gesetzt.­Dies­spräche­eher­dafür,­den­Anstieg­des­Rentenwerts­für­alle­Gruppen­(Bestandsrentner­und­Neu-rentner)­zu­begrenzen,­z.­B.­durch­eine­stärkere­Berück-sichtigung­ des­ Nachhaltigkeitsfaktors­ in­ der­ Renten-anpassungsformel.12

­ ­­Seltsam­kurz­ fallen­die­Überlegungen­der­Kommission­zur­Anpassung­der­Regelaltersgrenze­ab­dem­Jahr­2031­aus. Zugestanden wird lediglich, dass angesichts weiter steigender­Lebenserwartung­die­finanzielle­Tragfähigkeit­umlagefinanzierter­Rentensysteme­nicht­gewährleistet­ist;13­weitergehende­Schlussfolgerungen­werden­hieraus­aber­nicht­gezogen.­Vielmehr­wird­darauf­verwiesen,­dass­bei einer Entscheidung hierüber die Arbeitsmarktbe din-gungen­für­ältere­Beschäftigte­sowie­für­besondere­Risi-kogruppen­(z.­B.­für­Personen­mit­körperlich­anspruchs-vollen­ Tätigkeiten)­ besonders­ berücksichtigt­ werden­müssten­und­dass­auch­die­„sozialdifferenzielle“­Lebens-erwartung­(also­dass­bestimmte­Personengruppen­auf-grund­ihrer­Einkommenssituation­oder­ihrer­Berufswahl­eine­geringe­Lebenserwartung­aufweisen­und­deswegen­in­ihrer­Gesamtlebenszeit­niedrigere­Rentenauszah­lun-gen­hinzunehmen­haben­als­Gruppen­mit­ längerer­ Le-benserwartung)­bei­einer­Entscheidungsfindung­einzu-beziehen­sei.­Empfehlungen­zur­weiteren­Anhebung­der­Regelaltersgrenze sollen hingegen dem noch zu grün-denden­Alterssicherungsbeirat­(ab­dem­Jahr­2026)­vor-behalten bleiben. Man kann sich des Eindrucks nicht ­erwehren,­dass­die­Kommissionsmitglieder14 angesichts unterschiedlicher Interessenlagen sich an dieser Stelle nicht­zu­einer­klareren­Empfehlung­haben­durchringen­können und deswegen die Entscheidung hierüber vertagt haben.15

­ ­Die­ in­ der­ öffentlichen­ Diskussion­ vielfach­ geforderte­ obligatorische Einbeziehung von Selbständigen und Be-amten­in­die­GRV­wird­von­der­Kommission16 aus gutem Grund­abgelehnt.­Abgesehen­von­technischen­Schwierig-keiten­würde­dies­bestenfalls­kurzfristig­die­Finanzlage­der­ Rentenversicherung­ entspannen,­ da­ dem­ länger-fristig­dann­höhere­Rentenausgaben­gegenüberstehen.­­Zudem­dürfte­selbst­der­temporäre­Einspareffekt­für­die­öffentlichen­Haushalte­insgesamt­weniger­stark­ausfallen­als­vielfach­vermutet,­da­der­Bund­und­auch­einige­Län-der­bereits­heute­für­die­künftigen­Pensionslasten­ihrer­Beamten­eine­Versorgungsrücklage­aufbauen.

­ ­Schließlich­beschäftigt­sich­die­Kommission­–­wenn­auch­eher­am­Rande­–­mit­der­betrieblichen­Altersvorsorge­so-wie­der­Förderung­privater­Vorsorge.­Die­Empfehlungen­beschränken­sich­aber­im­Wesentlichen­auf­Prüfanträge;­Entscheidungen­(z.­B.­über­die­Einführung­einer­Pflicht­zur­ zusätzlichen­ Altersvorsorge)­ sollen­ nach­ Kommis-sionsauffassung­erst­nach­dem­Jahr­2025­beschlossen­werden.

Alles­in­allem­bleibt­der­Kommissionsbericht­damit­hinter­den­Erwartungen­zurück,­die­der­Koalitionsvertrag­geweckt­hat.­Die vorgeschlagenen Maßnahmen werden die Finanzierungs-probleme­ der­ GRV­ nicht­ lösen,­ sondern­ verschieben­ sie­­bestenfalls­auf­die­Bundesebene,­da­die­Festlegung­verbind-licher­ Haltelinien­ für­ Beitragssatz­ und­ Rentenhöhe­ letzten­Endes­dazu­führt,­dass­der­Bundeszuschuss­an­die­Rentenver-sicherung­erhöht­werden­muss­–­mit­Verteilungs-­und­Wachs-tumswirkungen,­ die­ von­ der­ Kommission­ überhaupt­ nicht­

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24 ifo Dresden berichtet 3/2020

IM­BLICKPUNKT

thematisiert­werden.­Die­von­der­Kommission­angeführten­Projektionsrechnungen­ zeigen,­ dass­ der­ Finanzbedarf­ der­GRV­selbst­dann­stark­zunehmen­wird,­wenn­keine­weiterge-henden­Reformen­umgesetzt­werden.­Dass­es­für­die­erwerbs-fähige­ Generation­ allerdings­ unerheblich­ ist,­ ob­ sie­ über­­Steuern­ oder­ Sozialversicherungsbeiträge­ für­ die­ Rentner­aufzukommen­hat,­wird­nicht­thematisiert­–­allenfalls­spricht­für­eine­verstärkte­Steuerfinanzierung­der­Rente,­dass­damit­die­ Finanzierungslasten­ breiter­ verteilt­ werden­ können;­­system­gerecht­ist­dies­aber­nicht.

Begründet­wird­der­Verzicht­auf­weitergehende­Empfeh-lungen­ damit,­ dass­ diese­ „komplexe­ Folgewirkungen­ nach­sich­ziehen­würden,­die­(…)­teilweise­positiv,­im­Hinblick­auf­andere Auswirkungen aber auch negativ bewertet wurden.“17 Dass es zu solchen Folgewirkungen kommt, ist dabei nicht weiter­verwunderlich;­dass­die­Kommission­sich­aber­nicht­einmal­zu­Empfehlungen­hat­durchringen­können­(die­ja­noch­keine­politische­Entscheidung­implizieren),­ist­ärgerlich.­Ihrem­Auftrag­wurde­die­Kommission­damit­ganz­offenkundig­nicht­gerecht.­Es­wäre­schön,­wenn­es­wenigstens­in­der­(wissen-schaftlichen­und­politischen)­Öffentlichkeit­im­Nachgang­zu­einer Diskussion käme, die dieses so wichtige Thema weiter-bringt und Lösungen vorbereitet, die dann weit vor dem Jahr 2026­(dem­von­der­Kommission­genannten­Datum)­umgesetzt­werden können.

1­ ­Eine­erste­Fassung­dieses­Beitrags­erschien­am­9.­Mai­2020­als­Online-­Fassung­in­„Wirtschaftliche­Freiheit­–­Das­ordnungspolitische­Journal“,­vgl.­http://wirtschaftlichefreiheit.de/wordpress/?p=27177#more-27177

2­ ­Vgl.­CDU/CSU­und­SPD­(Hrsg.)­(2018),­Koalitionsvertrag­für­die­19.­Legislatur­periode,­Berlin,­S.­92.

3­ ­Vgl.­Kommission­„Verlässlicher­Generationenvertrag“­(Hrsg.)­(2020),­Abschlussbericht­Teil­1:­Empfehlungen,­27.­März­2020,­Berlin­(im­Folgenden­zitiert­als­„Kommissionsbericht“).

4­ ­Vgl.­Kommissionsbericht,­S.­49.­Zu­beachten­ist­dabei,­dass­diesem­„Alterskoeffizient“­eine­Regelaltersgrenze­von­65­Jahren­zugrunde­liegt.­Die­bereits­beschlossene­Anhebung­des­Renteneintrittsalters­auf­67­Jahre­bis­zum­Jahr­2031­dämpft­zwar­den­Anstieg­des­Alterskoeffizienten,­ändert­aber­nichts­an­der­grundsätzlichen­Problematik.

5­ ­Die­heutigen­Beschäftigten­arbeiten­zwar­länger,­erwerben­aber­dadurch­auch­höhere­monatliche­Rentenansprüche.­Da­die­­Rentenbezugsdauer­aber abnimmt, sinkt insgesamt der Barwert der Rentenzahlungen. Deswegen wird die Belastung in diesem Fall ausschließlich von den zukünftigen­­Rentnern­getragen.­Vgl.­Schubert,­A.­(2012),­„Rente­mit­67:­Auswirkungen­auf­die­Höhe­des­Rentenanspruchs“,­ifo­Dresden­berichtet,­Heft­6/2012,­S.­9–13.

6­ ­Unter­Beitragsäquivalenz­versteht­man­den­Grundsatz,­dass­die­Höhe­der­individuellen­Rente­proportional­zur­Höhe­der­in­der­Erwerbsphase­gezahlten Beiträge sein soll. Denkbar wäre es, die Höhe der Rente nach oben­zu­begrenzen,­also­ein­(zusätzliches)­Umverteilungselement­in­die­GRV­einzuführen.

7­ ­Weitere­Empfehlungen­der­Kommission­beziehen­sich­auf­die­Neudefinition­der­sozialstaatlichen­Bezugsgrößen­(S.­69­ff.),­zur­unterjährigen­Liquidi-tätssicherung­(S.­94ff.),­zur­Verbesserung­der­Arbeitsmarktintegration­von­Älteren­(S.­105­ff.)­und­zur­Gesundheitsprävention­(S.­107­ff.).

8­ ­Die­gleichen­Korridore­werden­auch­für­die­perspektivischen­Haltelinien­bis­zum­Jahr­2040­vorgeschlagen.

9­ ­Vgl.­Kommissionsbericht,­S.­61.

10­ ­Vgl.­Kommissionsbericht,­S.­75.­

11­ ­Vgl.­Kommissionsbericht­S.­80–82.­Daneben­werden­auch­Mischmodelle­präsentiert,­die­Elemente­der­Lohnorientierung­wie­der­Inflations-orientierung­des­Rentenanstiegs­kombinieren,­bspw.­durch­Beibehaltung­der­geltenden­Berechnungsweise­nur­für­einen­Teil­der­erworbenen­Rentenansprüche,­vgl.­Kommissionsbericht,­S.­82–90.

12­ ­Der­Nachhaltigkeitsfaktor­begrenzt­den­Anstieg­des­Rentenwerts,­wenn­sich die Relation von Rentnern zu Beitragszahlern ungünstig entwickelt. Allerdings wird der Anstieg des Rentnerquotienten derzeit nur mit einem Viertel­berücksichtigt.­Dieser­Gewichtungsfaktor­wäre­dann­entsprechend­zu erhöhen.

13­ ­Vgl.­Kommissionsbericht,­S.­92.

14­ ­Von­den­zehn­Kommissionsmitgliedern­waren­fünf­aktive­oder­frühere­Politiker,­zwei­Vertreter­der­Sozialpartner­sowie­drei­Wissenschaftler.

15­ ­In­diese­Richtung­lassen­sich­jedenfalls­Presseberichte­zur­Kommissions-arbeit­deuten;­vgl.­z.­B.­Waschinski,­G.­(2020),­„Die­Rentenkommission­steht­vor­dem­Scheitern“,­Handelsblatt­vom­17.­Februar­2020,­ www.handelsblatt.com/politik/deutschland/alterssicherung-die-­rentenkommission-steht-vor-dem-scheitern-und-mit-ihr-die-rentenpolitik-der-groko/25551478.html?ticket=ST-1623140-6PUpQF3fln2mQtuzF65g-ap4

16­ ­Vgl.­Kommissionsbericht,­S.­98–104.

17­ ­Vgl.­Kommissionsbericht,­S.­76.

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25ifo Dresden berichtet 3/2020

IM­BLICKPUNKT

Christopher Leisinger und Felix Rösel *

Kaum mehr als ein Strohfeuer – Evaluations studien zu Abwrackprämien im Überblick

Wir geben einen Überblick über Studien zur Wirkung von Abwrack- und Kaufprämien für Autos. Diese Prämien kurbeln kurzfristig die Autoverkäufe an. Mittelfristig werden aber kaum mehr Autos verkauft. Viele Verbraucher hätten sich ohnehin ein Auto gekauft, ziehen den Kauf durch die Prämie vor, oder geben nach dem Autokauf weniger Geld für andere Konsumgüter aus. Die Umweltwirkung von Kaufprämien ist unklar.

Im­ April­ 2020,­ dem­wohl­ bisher­ am­ stärksten­ von­ Corona-­Schutzmaßnahmen­geprägten­Monat­des­Jahres,­stürzten­die­Fahrzeugneuzulassungen­in­Deutschland­um­40%­zum­Vor-monat­und­um­mehr­als­60%­zum­Vorjahresmonat­ab­(KBA­2020).­Vor­diesem­Hintergrund­und­angesichts­der­weltweit­einbrechenden­Konjunktur­werden­inzwischen­wieder­Forde-rungen­nach­einer­Neuauflage­der­Abwrackprämie­von­2009­laut.­In­der­Finanz-­und­Wirtschaftskrise­von­2008/2009­führ-ten­zahlreiche­Länder­einen­Zuschuss­für­den­Erwerb­eines­Neufahrzeugs­gegen­die­Verschrottung­des­alten­Autos­ein.­Inzwischen wurden zahlreiche datengestützte Studien vor-gelegt,­die­die­Effekte­dieser­Abwrack-­bzw.­Kaufprämien­eva-luiert haben. Dieser Beitrag gibt einen kurzen Überblick über diese­Studien­(vgl.­Tab.­1).

MEHR AUTOS HEUTE, ABER WENIGER AUTOS MORGEN

Alle­von­uns­gesichteten­Studien­zeigen,­dass­Kaufprämien­kurzfristig­zu­mehr­Autoverkäufen­führen.­Auf­die­Party­folgt­jedoch­der­Kater.­Studien­zur­deutschen­und­US-amerikani-schen­Abwrackprämie­belegen,­dass­nach­Auslaufen­der­Prä-mien­die­Autoverkäufe­spürbar­einbrechen.­Abwrackprämien­bedeuten­mehr­Autokäufe­heute,­aber­weniger­morgen.­Viele­Verbraucher­hätten­sich­außerdem­ohnehin­ein­Auto­gekauft­(„Mitnahmeeffekt“)­oder­haben­ihren­Autokauf­einfach­vorge-zogen­ („Vorzieheffekt“).­ Copeland­ und­ Kahn­ (2012)­ zeigen­zudem,­dass­die­US-Kaufprämie­nicht­in­der­Lage­war,­die­Pro-duktion­anzukurbeln.­Verkäufe­wurden­vor­allem­aus­Bestän-den­getätigt.­Einige­Studien­finden­aber­auch,­dass­durch­die­Prämie­unter­dem­Strich­mehr­Autos­verkauft­wurden.

(ZU) TEURER UMWELTSCHUTZ

Klößner­und­Pfeifer­(2018)­berechnen,­dass­sich­durch­die­Ab-wrackprämie­der­CO₂-Ausstoß­der­deutschen­Fahrzeugflotte­erhöht­ hat,­ da­ trotz­ der­ offiziellen­ Bezeichnung­ „Umwelt-prämie“­kaum­Anreize­zum­Kauf­verbrauchsarmer­Fahrzeuge­bestanden.­In­anderen­Ländern­waren­die­Prämien­stärker­an­Umweltkriterien­geknüpft.­Die­Verbraucher­folgten­diesen­An-reizen­und­kauften­bevorzugt­kleinere­und­verbrauchs­ärmere­

Autos.­Mit­kuriosen­Effekten:­Für­die­USA­finden­Hoekstra­et­al.­(2017),­dass­durch­den­Wechsel­auf­kleinere­Fahrzeuge­die­Autoausgaben­der­Verbraucher­stärker­sanken­als­durch­die­staatliche­Prämie­zusätzlich­in­den­Markt­gepumpt­wurde.­Für­die­USA­können­Studien­durch­das­„Downgrading“­der­Flotte­auch­substanzielle­Einsparungen­bei­Emissionen­und­Kraft-stoffverbrauch­belegen.­Mehrere­Studien­zeigen­jedoch,­dass­die­CO₂-Einsparung­teuer­erkauft­wurde.­In­anderen­Sektoren­hätte­mit­ den­ gleichen­ Staatsausgaben­deutlich­mehr­CO₂­eingespart­werden­können.

PREISEFFEKTE UNKLAR

Die­Effekte­der­Abwrackprämie­auf­die­Autopreise­sind­nicht­eindeutig­belegt.­Kaul­et­al.­(2016)­finden,­dass­in­Deutschland­die­Abwrackprämie­im­Schnitt­an­die­Verbraucher­weiterge-geben­ wurde­ –­ in­ niedrigeren­ Preissegmenten­ sanken­ die­­Autopreise­allerdings­weniger­als­die­Höhe­der­Prämie.­Auch­in­Spanien­kompensierten­Autohändler­die­Abwrackprämie­durch­eine­Preissteigerung­in­fast­gleicher­Höhe­des­Prämien-beitrags­der­Automobilindustrie­(Jiménez­et­al.­2016).­Zudem­hinterlässt­ die­ Abwrackprämie­ auf­ dem­ Gebrauchtwagen-markt­Spuren.­Die­Preise­„abwrackfähiger“­Autos­stiegen;­die­Preise­jüngerer­gebrauchter­Autos,­für­deren­Verschrottung­keine­Prämie­gezahlt­worden­wäre,­sanken­hingegen.

VERBRAUCHER KAUFEN MEHR AUTOS, ABER WENIGER MÖBEL

Kaufprämien­für­Autos­haben­branchenübergreifende­Neben-wirkungen.­Wenn­die­ Verbraucher­ ihre­Ausgaben­ für­ Autos­erhöhen,­sinken­die­Ausgaben­für­andere­Konsumgüter­wie­Möbel oder Elektronikartikel, wie Studien zeigen konnten. Das Instrument wirkt aber auch grenzüberschreitend. Ein ­beachtlicher­ Teil­ der­ deutschen­ Abwrackprämie­ kam­ der­tschechischen­Wirtschaft­zu­Gute­(Maleček­und­Melcher­2016).­

*­ ­Christopher­Leisinger­war­Praktikant,­Dr.­Felix­Rösel­ist­wissenschaftlicher­Mitarbeiter­an­der­Niederlassung­Dresden­des­ifo­Instituts­–­Leibniz-Institut­für­Wirtschaftsforschung­an­der­Universität­München­e.­V.

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26 ifo Dresden berichtet 3/2020

IM­BLICKPUNKT

Notation: ▲­=­Anstieg/Vorhandensein;­▼­=­Reduktion/Nicht-Vorhandensein;­•­=­geringe­oder­mehrdeutige­Effekte.­a)­AR:­Autoregressives­­Modell;­VAR:­Vektorautoregressives­Modell;­DiD:­Differenz-von-Differenzen-Modell;­Reg:­Konventionelles­Regressionsmodell­ohne­fixe­Effekte­(OLS,­Probit,­Tobit);­VECM:­Vektor-Fehlerkorrekturmodell;­SYN:­Synthetische­Kontrollgruppe;­ARIMA:­Autoregressives-Integriertes-Moving-Average-­Modell;­FE:­Fixed-Effects-Modell;­RDD:­Regressions-Diskontinuitäten-Design;­PG:­Partielles­Gleichgewichtsmodell

Quelle:­ifo­Institut.­ ©­ifo­Institut

Studie

Böck

ers­e

t­al.­(201

2)

Gürtler­e

t­al.­(201

6)

Kaul­et­a

l.­(201

6)

Maleč

ek­und

­Melch

er­(2

016)

Klöß

ner­u

nd­Pfeife

r­(20

18)

Leuw

er­und

­Süs

smuth­(201

8)

Heimes

hoff­un

d­Müller­(20

13)

Grigolon

­et­a

l.­(201

6)

Mian­un

d­Su

fi­(201

2)

Cope

land

­und

­Kah

n­(201

2)

Li­et­a

l.­(201

3)

Hoe

kstra­et­al.­(201

7)

Miller­et­a

l.­(202

0)

Cantos

-Sán

chez

­et­a

l.­(201

5)

Jimén

ez­et­a

l.­(201

6)

Land DEU DEU DEU DEU DEU DEU OECD EU USA USA USA USA USA ESP ESP

Methodikᵃ AR, VAR DiD Reg VECM SYN ARI-

MA FE DiD FE DiD,VECM DiD RDD PG Reg DiD

Neuwagenabsatz, -zulassungen, -nachfrage oder -produktion

Während­Förderperiode ▲ ▲ ▲ ▲ ▲ ▲ ▲ ▲ ▲ ▲ ▲

Nach­Ende­der­Förderperiode • ▼ ▼ • • ▼ ▼ ▼ ▼ ▼

Während­und­nach­Förderperiode­(netto) ▲ ▲ ▲ ▲ • • • • •„Vorzieheffekte“ • ▲ ▲ • ▲ ▲ ▲ ▲ ▲

„Mitnahmeeffekte“ ▲ ▲ ▲ ▲

Umwelt

(Flotten-)Emission ▲ ▼ • •Kraftstoffverbrauch • ▼

Kosteneffizienz­der­Emissionsreduktion ▼ ▼

Verbraucherverhalten

Geförderte­Fahrzeugtypen • ▲

Inländische Fahrzeugmarken ▲ •Zahlungsbereitschaft­für­Autos ▼ ▼

Preise

Neuwagen ▼ ▲

Gebrauchtwagen­„abwrackfähig“ ▲

Gebrauchtwagen­nicht­„abwrackfähig“ ▼

Gesamtwirtschaft

Anderer­Konsumgüter ▼ ▼

Wirtschaftswachstum­im­eigenen­Land •Wirtschaftswachstum­im­Nachbarland ▲

Arbeitslosigkeit,­Immobilienpreise,­ Verbraucherinsolvenzen •

Tab. 1Ökonomische Effekte von Abwrackprämien

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27ifo Dresden berichtet 3/2020

IM­BLICKPUNKT

Die­ fehlende­ gesamtwirtschaftliche­ Treffsicherheit­ der­ Ab-wrack­prämie­könnte­erklären,­warum­Studien­keinen­signifi-kanten­Beitrag­der­Prämie­zur­Reduktion­der­Arbeitslosigkeit­und­Verbraucherinsolvenzen­oder­Änderungen­von­Immobili-enpreisen­nachweisen­können.

FAZIT

Die­Idee­einer­Abwrack-­oder­Kaufprämie­für­Autos­ist­einfach,­die­wirtschaftlichen­Folgen­sind­jedoch­komplex,­vielschichtig­und­nicht­zwingend­zum­Vorteil­der­Automobilindustrie.­Ab-wrack­prämien­kurbeln­zwar­kurzfristig­die­Autoverkäufe­an,­mittelfristig­werden­aber­insgesamt­kaum­mehr­Autos­ver­kauft.­Kaufprämien­entfachen­also­tendenziell­eher­ein­Strohfeuer.­Ob­ die­ Prämie­ langfristig­ zur­ Nachhaltigkeit­ des­ Verkehrs-sektors­beiträgt,­ist­unklar.­Mit­dem­gleichen­Geld­könnte­in­anderen­Bereichen­mehr­CO₂­eingespart­werden.­Verbraucher­reduzieren­außerdem­die­Ausgaben­für­andere­hochwertige­Konsumgüter­wie­Möbel,­weshalb­auch­die­gesamtwirtschaft-lichen­Konjunktureffekte­unklar­sind.­Schließ­lich­reduziert­das­Verschrotten­von­funktionsfähigen­Fahr­zeugen­den­volkswirt-schaftlichen­Kapitalstock.­Es­dürfte­effizientere­und­treffsi-cherere­Maßnahmen­zur­Stimulierung­der­Konjunktur­geben.

LITERATUR

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Klößner,­S.­und­G.­Pfeifer­(2018),­Synthesizing­Cash­for­Clunkers:­Stabilizing­the­Car­Market,­Hurting­the­Environment?,­MPRA­Paper­88175,­München.

Leuwer,­D.­und­B.­Süssmuth­(2018),­Assessing­Temporary­Product-Specific­Subsidies:­A­Time­Series­Intervention­Analysis,­CESifo­Working­Paper­6946,­München.

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28 ifo Dresden berichtet 3/2020

DATEN­UND­PROGNOSEN

Wolfgang Nierhaus *

Vierteljährliche VGR für Sachsen: Ergebnisse für das vierte Quartal 20191

Das­preisbereinigte­Bruttoinlandsprodukt­(BIP)­ist­im­vierten­Vierteljahr­2020­nur­0,4%­gestiegen,­nach­einem­deutlichen­An-stieg­von­1,2%­im­dritten­Quartal­(vgl.­Tab.­1).­Im­Jahresdurch-schnitt­beläuft­sich­die­Zuwachsrate­auf­0,5%.­Im­Produzieren-den­Gewerbe­(ohne­Baugewerbe)­hat­sich­der­Rückgang­der­

Bruttowertschöpfung­wieder­beschleunigt.­Im­Baugewerbe­konnte­das­Vorjahresniveau­erstmals­nicht­mehr­erreicht­wer-den­(–3,8%).­Die­Trend-Konjunktur-Komponente­des­BIP­ist­gegen Jahresende leicht abwärtsgerichtet, nach einem leich-ten­Anstieg­in­den­ersten­drei­Quartalen­2019­(vgl.­Abb.­1).

Tab. 1Bruttoinlandsprodukt und Bruttowertschöpfung in Sachsen (preisbereinigt)

Jahr, Quartal

Brutto- inlands- produkt

Gütersteuern­abzüglich Subven- tionen

Bruttowert- schöpfung­

aller Wirtschafts-

bereiche

Bruttowertschöpfung

Land- und Forstwirt- schaft,­

Fischerei

Produzieren-des­Gewerbe­

ohne Baugewerbe

Baugewerbe

Handel,­Ver-kehr,­Gastge-werbe,­Infor-mation und Kommuni-

kation

Grundstücks-­u. Wohnungs-

wesen, Finanz-­u.­Un-ternehmens-

dienstl.

Öffentl.­u.­sonstige

Dienstleister, Erziehung u. Gesundheit

Veränderungsrate­gegenüber­dem­Vorjahr­in­%

2017 2,1 1,4 2,2 –7,8 3,3 –1,5 3,8 0,8 2,5

2018 1,2 1,5 1,1 –4,4 0,7 3,2 1,6 0,8 1,1

2019 0,5 1,4 0,4 1,3 –3,9 4,5 2,8 1,1 0,9

1­I­2017 2,9 2,0 3,1 –2,8 4,8 –1,8 5,0 1,5 3,0

2­I­2017 0,8 2,1 0,7 –9,3 –0,2 –2,1 2,7 –0,8 2,2

3­I­2017 1,9 0,6 2,0 –8,4 2,3 –1,2 4,0 1,1 2,4

4­I­2017 2,8 1,1 3,0 –10,3 6,4 –0,9 3,4 1,2 2,4

1 I 2018 1,3 0,2 1,5 –5,3 2,1 0,8 2,1 1,1 1,3

2 I 2018 2,3 2,5 2,3 –3,9 4,0 3,2 2,3 1,5 1,2

3 I 2018 0,9 2,1 0,7 –4,4 0,0 3,3 0,9 0,4 1,0

4­I­2018 0,2 1,3 0,0 –4,0 –3,2 5,3 1,2 0,2 1,0

1­I­2019 0,8 1,9 0,6 –0,8 –3,0 7,8 2,6 0,6 1,1

2­I­2019 –0,4 0,3 –0,4 0,6 –6,6 4,3 2,4 0,8 0,9

3­I­2019 1,2 2,3 1,1 2,4 –2,2 4,4 3,7 1,4 0,9

4­I­2019 0,4 1,3 0,3 2,9 –3,8 2,1 2,4 1,7 0,6

Quelle:­Arbeitskreis­Volkswirtschaftliche­Gesamtrechnungen­der­Länder,­Berechnungen­des­ifo­Instituts.­ ©­ifo­Institut

* Dr.­Wolfgang­Nierhaus­ist­wissenschaftlicher­Mitarbeiter­des­ifo­Instituts­–­ Leibniz-Institut­für­Wirtschaftsforschung­München­an­der­Universität­­München­e.­V.

1 ­Die­Bereitstellung­vierteljährlicher­Ergebnisse­für­Sachsen­erfolgt­in­Ver­ant­­­­wortung­des­ifo­Instituts.­Die­Berechnungen­fußen­auf­den­amtlichen­Länder­daten,­die­vom­Arbeitskreis­VGR­der­Länder­ermittelt­werden.­Zudem­werden seitens des Statistischen Landesamtes des Freistaates Sachsen aktuelle­konjunkturstatistische­Informationen­bereitgestellt.­Dies­erfolgt­im­Rahmen­der­2007­unterzeichneten­Kooperationsvereinbarung­mit­der­Nieder­lassung­Dresden­des­ifo­Instituts.­In­dieser­Ausgabe­werden­erstmals­die­­Ergebnisse­für­das­vierte­Vierteljahr­2019­nachgewiesen.­Die­Berechnungen­sind­ab­ge­stimmt­auf­die­vom­Arbeitskreis­VGR­der­Länder­am­30.­März­2020­veröffentlichten­Jahresergebnisse,­die­methodisch­auf­der­Generalrevision­der­VGR­2019­beruhen.­Allerdings­unterbleibt­eine­bundesweite­Koordinierung,­

wie dies bei den amtlichen Daten des Arbeitskreises üblich ist. Der voll ständige Datensatz­für­den­Zeitraum­Q1/1996­bis­Q4/2019­steht­auf­der­ifo­Dresden­Homepage­zum­Download­zur­Verfügung.­Zur­Methodik­vgl.­Nierhaus,­W.­(2019),­„Vierteljährliche­Volkswirtschaftliche­Gesamtrechnungen­für­den­Freistaat­Sachsen­mit­Hilfe­temporaler­Disaggregation“,­Statistik­in­Sachsen,­1/2008,­S.­1–15.

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29ifo Dresden berichtet 3/2020

DATEN­UND­PROGNOSEN

Abb. 1Trend-Konjunktur-Komponenten von Bruttoinlandsprodukt und Bruttowertschöpfung in ausgewählten Wirtschaftsbereichen in Sachsen (preisbereinigt, verkettet)a

–4

–2

0

2

4

95

98

100

103

105

2014 2015 2016 2017 2018 2019

Grundstücks­ und Wohnungswesenc

Kettenindex, 2015 = 100 %

Laufende Rate(rechte Skala)

–2

–1

0

1

2

95

100

105

110

115

2014 2015 2016 2017 2018 2019

Kettenindex, 2015 = 100 %

Laufende Rate(rechte Skala)

Öffentliche und sonstige Dienstleisterd

–4

–2

0

2

4

90

95

105

100

110

115

2014 2015 2016 2017 2018 2019

BaugewerbeKettenindex, 2015 = 100 %

–4

–2

0

2

4

80

90

100

110

120

2014 2015 2016 2017 2018 2019

Handel, Verkehr, Gastgewerbeb

Kettenindex, 2015 = 100 %

Laufende Rate(rechte Skala)

Laufende Rate(rechte Skala)

–2

–1

0

1

2

90

95

100

105

110

2014 2015 2016 2017 2018 2019

BruttoinlandsproduktKettenindex, 2015 = 100 %

–6

–3

0

3

6

80

90

100

110

120

2014 2015 2016 2017 2018 2019

Produzierendes Gewerbe ohne BauKettenindex, 2015 = 100 %

Laufende Rate(rechte Skala)

Laufende Rate(rechte Skala)

a)­Saisonbereinigt­nach­Census­X-12-ARIMA.­–­­b)­Einschließlich­Information­und­Kommunikation.­– c)­Einschließlich­Finanz-­und­Unternehmensdienstleister.­–­d)­Einschließlich­Erziehung­und­Gesundheit.

Quelle:­Arbeitskreis­Volkswirtschaftliche­Gesamtrechnungen­der­Länder,­Berechnungen­des­ifo­Instituts.­ ©­ifo­Institut

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30 ifo Dresden berichtet 3/2020

DATEN­UND­PROGNOSEN

Niels Gillmann und Jannik A. Nauerth *

ifo Konjunkturumfragen Ostdeutschland und Sachsen

Das ifo Geschäftsklima Ostdeutschland basiert auf ca. 1 700 monatlichen Meldungen von Unternehmen, von denen ca. 500 aus Sachsen stammen. Die Befragungsteilnehmer kommen aus dem Verarbeitenden Gewerbe, dem Dienstleistungssektor, dem Handel und dem Bauhauptgewerbe. Die Unternehmer werden gebeten, ihre gegenwärtige Geschäftslage zu beurteilen und ihre Erwartungen für die nächsten sechs Monate mitzuteilen.

*­ ­Niels­Gillmann­und­Jannik­A.­Nauerth­sind­Doktoranden­an­der­Nieder-lassung­Dresden­des­ifo­Instituts­–­Leibniz-Institut­für­Wirtschaftsforschung­an­der­Universität­München­e.­V.

Abb. 1ifo Geschäftsklima Ostdeutschland und Sachsen (2015­=­100,­saisonbereinigt)

2017 2018 2019 2020

Geschäftsklima Geschäftslage Geschäftserwartungen

Ostdeutschland

2017 2018 2019 2020

Sachsen

Indexwerte, 2015 = 100

Geschäftsklima Geschäftslage GeschäftserwartungenIndexwerte, 2015 = 100

70

75

80

85

90

95

100

105

110

115

70

75

80

85

90

95

100

105

110

115

Quelle:­ifo­Konjunkturumfragen,­Mai­2020.­­ ©­ifo­Institut

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31ifo Dresden berichtet 3/2020

DATEN­UND­PROGNOSEN

Abb. 2ifo Geschäftsklima nach Wirtschaftsbereichen (Salden,­saisonbereinigt­und­geglättet)

Quelle:­ifo­Konjunkturumfragen,­Mai­2020.­­ ©­ifo­Institut

Abb. 3ifo Beschäftigungserwartungen ­(Salden,­saisonbereinigt­und­geglättet)

2017 2018 2019 2020

Ostdeutschland SachsenIndexwerte, 2015 = 100, Saisonbereinigt

85

90

95

100

105

110

Quelle:­ifo­Konjunkturumfragen,­Mai­2020.­­ ©­ifo­Institut

2017 2018 2019 2020

Verarbeitendes Gewerbe BauhauptgewerbeHandel Dienstleistungssektor

Ostdeutschland

Salden

–30

–20

–10

0

10

20

30

2017 2018 2019 2020

Verarbeitendes Gewerbe BauhauptgewerbeHandel Dienstleistungssektor

Sachsen

Salden

–30

–20

–10

0

10

20

30

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32 ifo Dresden berichtet 3/2020

DATEN­UND­PROGNOSEN

Quelle:­ifo­Konjunkturumfragen,­Mai­2020.­ ©­ifo­Institut

Abb. 4Ausgewählte Indikatoren aus dem ifo Konjunkturtest für Ostdeutschland und Sachsen Saisonbereinigt­(außer­Handelsumsätze)­und­geglättet

2017 2018 2019 20202017 2018 2019 2020

2017 2018 2019 20202017 2018 2019 2020

2017 2018 2019 20202017 2018 2019 2020

Geräteauslastung im Bauhauptgewerbe

in %

76

78

80

82

84

86

Kapazitätsauslastung im Verarbeitenden Gewerbe

in %

2,5

3,0

3,5

4,0

4,5

Auftragsbestand imVerarbeitenden Gewerbe

Monate

2,5

3,0

3,5

4,0

4,5

Auftragsbestand im Bauhauptgewerbe

Monate

Exporterwartungen im Verarbeitenden Gewerbe

Salden

–20

–5

–10

–15

0

5

10

15

20

25

Handelsumsatz imVergleich zum Vorjahresmonat

Salden OstdeutschlandSachsen

OstdeutschlandSachsen

OstdeutschlandSachsen

OstdeutschlandSachsen

OstdeutschlandSachsen

OstdeutschlandSachsen

–20

–25

–30

–15

–10

–5

0

5

10

15

74

76

78

80

82

87

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33ifo Dresden berichtet 3/2020

AUS­DEM­ifo DRESDEN

ifo Veranstaltungen

Der­für­den­3.­und­4.­September­2020­geplante­ifo Dresden Workshop Regional Economy ist abgesagt. Wann bzw. ob die abgesagten­Veranstaltungen­nachgeholt­werden,­finden­Sie­zu­einem­späteren­Zeitpunkt­auf­der­Homepage­von­ifo­Dresden­(www.ifo-dresden.de)­unter­der­Rubrik­Veranstaltungen.

ifo Vorträge

Ragnitz, Joachim: „Und was wird morgen sein? Shared Economy und Strukturwandel – erleben wir das Ende des Ka pi talismus?“,­Online-Podiumsdiskussion­der­Sächsischen­Landeszentrale­ für­ Politische­ Bildung,­ 27. April 2020 und 19. Mai 2020, Dresden.

Ragnitz, Joachim: „Fiskalischer Handlungsbedarf im Frei-staat Sachsen nach der Corona Krise“,­Vortrag­anlässlich­einer­Tagung­des­Haushaltsausschusses­der­CDU-Landtags-fraktion­Sachsen,­11. Mai 2020, Dresden.

Ragnitz, Joachim: „Auswirkungen der Coronapandemie auf Ostdeutschland und wirtschaftspolitischer Handlungs - be darf“, Webinar des Ostdeutschen Bankenverbands, 14. Mai 2020, Dresden.

Ragnitz, Joachim: „Raus aus dem Corona-Loch!“,­Podiums-diskussion­beim­Industrie-­und­Innovationsausschuss­der­IHK­Chemnitz­(Online-Veranstaltung),­28. Mai 2020, Chemnitz.

Rösel, Felix: „Forced migration, stayers, and new societies: Evidence from ethnic cleansing in Czechoslovakia“, Online- Vortrag­ beim­ 3rd­ UZH­Workshop­ on­ Political­ Economy­ and­­Development,­29. Mai 2020, Zürich.

Ragnitz, Joachim: „Regionalentwicklung außerhalb von Me-tropolregionen“,­Podiumsdiskussion,­Unternehmerverband­Altenburg, 5. Juni 2020, Altenburg.

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34 ifo Dresden berichtet 3/2020

AUS­DEM­ifo DRESDEN

ifo Veröffentlichungen

Dorn,­Florian,­Gäbler,­Stefanie­und­Felix­Rösel­(2020),­„Ineffec-tive­ fiscal­ rules?­ The­ effect­ of­ public­ sector­ accounting­­standards­ on­ budgets,­ efficiency,­ and­ accountability“,­ Public­Choice,­im­Erscheinen.

Farzanegan,­Mohammad­und­Marcel­Thum­(2020),­„Does­Oil­Rents­ Dependency­ Reduce­ the­ Quality­ of­ Education?“,­­Empirical­Economics­58,­S.­1­863–1­911.

Frei,­ Xenia,­ Langer,­ Sebastian,­ Lehmann,­ Robert­ und­ Felix­ ­Rösel­ (2020),­ „Electoral­ externalities­ in­ federations­ –­ Evidence­ from­ German­ opinion­ polls“,­ Kyklos­ 73­ (2),­ S.­227–252.

Knabe,­ Andreas,­ Schöb,­ Ronnie­ und­ Marcel­ Thum­ (2020),­­„Alles­ im­grünen­Bereich?“,­ ifo­ Schnelldienst­ 73­ (4),­ S.­3–6.

Knabe,­ Andreas,­ Schöb,­ Ronnie­ und­ Marcel­ Thum­ (2020),­­„Alles­im­grünen­Bereich?­Prognistizierte­und­tatsäch­liche­Be-­schäftigungswirkungen­des­Mindestlohns“,­Ökonomenstimme,­14.­Mai­2020,­online­abrufbar­unter­oekonomenstimme.org.

Knabe,­ Andreas,­ Schöb,­ Ronnie­ und­ Marcel­ Thum­ (2020),­­„Prognosen­und­empirische­Befunde:­Wie­groß­ist­die­Kluft­beim­Mindestlohn­ wirklich?,­ Perspektiven­ der­ Wirtschafts-politik,­21­(1),­S.­25–29.

Konrad,­Kai­A.­und­Marcel­Thum­(2020),­„Never­Let­a­Good­­Crisis­Go­to­Waste!“,­SUERF­Policy­Briefs­6,­May­2020.

Konrad,­Kai­A.­und­Marcel­Thum­(2020),­„The­Better­Route­to­Global­ Tax­ Coordination:­ Gradualism­ or­ Multilateralism?“,­­Canadian­Journal­of­Economics,­im­Erscheinen.

Lehmann,­Robert­und­Joachim­Ragnitz­ (2020),­„Wirtschaft-liche­ Folgen­ der­ Coronakrise:­ Szenarienrechnung­ für­ die­­einzelnen­Bundesländer“,­ifo­Schnelldienst­digital­73­(4).

Ochsner,­Christian­und­Felix­Rösel­ (2020),­„Migrating­extre-mists“, The Economic Journal, im Erscheinen.

Pilny,­Adam­und­Felix­Rösel­(2020),­„­Are­Doctors­Better­Health­Ministers?“,­American­Journal­of­Health­Economics,­im­­Erscheinen.

Pilny,­Adam­und­Felix­Rösel­(2020),­Are­Doctors­Better­Health­Ministers?,­ifo­Working­Paper­328,­München.

Potrafke,­ Niklas­ und­ Felix­ Rösel­ (2020),­ „Opening­ hours­ of­­pol­ling­stations­and­voter­turnout:­Evidence­from­a­natural­ex­periment“,­The­Review­of­International­Organizations­15­(1),­S.­133–163.

Ragnitz,­Joachim­(2020),­„Auferstanden­aus­Ruinen­–­Sachsen­nach­ der­ Wiedervereinigung“,­ in:­ Spring,­ Thomas­ (Hrsg.),­Boom. 500 Jahre Industriekultur in Sachsen. Sandstein ­Verlag,­Dresden,­S.­315–322.

Thum,­Marcel­und­Alfons­Weichenrieder­(2020),­„Corona-Bonds­und­ihre­Alternativen“,­SAFE­Policy­Letters­83.

ifo in den Medien

Heisig,­Katharina­und­Larissa­Zierow,­„First­12­Months­with­Mum:­Will­You­Be­Happier­Later­On?“,­Podcast,­DIAL,­8.­April­2020.

Herbst, Torsten und Joachim Ragnitz, „Wie bedrohlich ist die Coronakrise­für­Sachsens­Wirtschaft?“,­Videochat­unter­www.fpd-sachsen.de,­16.­April­2020.

Rösel,­Felix,­„Gebt­den­Dörfern­die­Macht­zurück!“,­Podcast­Digitale­Provinz,­4.­März­2020.

Thum,­Marcel­ und­Kai­ A.­Konrad,­ „Corona­ und­ der­ Tunnel-blick“,­Frankfurter­Allgemeine­Zeitung,­3.­April­2020.

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Hinweis für externe Autor*innenDie Redaktion von „ifo Dresden berichtet“ möchte an dieser Stelle darauf hinweisen, dass es auch für externe Autor*innen die Möglichkeit gibt, in unserer Zeitschrift zu publizieren. Wir möchten ausdrücklich dazu ermuntern, neue wissenschaftliche Befunde in unserem Medium zu veröffentlichen. Vorzugsweise sollte es sich um Beiträge handeln, die sich mit regionalökonomischen Themen mit Ostdeutschlandbezug befassen.Mögliche Beiträge können jederzeit per E-Mail an die Niederlassung Dresden unter [email protected] eingereicht werden. Die eingereichten Aufsätze durchlaufen ein Auswahl-verfahren durch die Redaktion der Zeitschrift „ifo Dresden berichtet“.

Formale Anforderungen:

Der Leser*innenkreis der Zeitschrift „ifo Dresden berichtet“ umfasst neben Akademiker*innen vor allem Entscheider*innen aus Unternehmen, Behörden, Politik und Presse in Ostdeutsch-land. Sie sind an Ergebnissen interessiert und weniger an der methodischen Vorgehensweise. Daher sollte der Schwerpunkt des Textes ergebnisorientiert sein. Die Datengewinnung und methodische Vorgehensweisen dürfen kurz abgehandelt werden. Der Text sollte auch für interessierte Laien verständlich sein.

Es sollte auf ein ausgewogenes Verhältnis von Text und Abbildungen geachtet werden. Gibt es zu viele Abbildungen für zu wenig Text, rutschen Abbildungen mehrere Seiten nach hinten und der Aufsatz wird sehr schwer lesbar.

• Textlänge zwischen 5 und 10 Seiten• Text als Word-Datei (Fließtext einspaltig)• Abbildungen und Tabellen als Excel-Dateien (mit zugrundeliegenden Daten)• Grafiken als pdf- oder jpg-Dateien in möglichst hoher Auflösung• Das Heft erscheint in den Farben Schwarz/Grün (bitte beim Einfärben der Abbildungen

und Grafiken beachten)

Die Autor*innen werden immer ausschließlich nach dem Alphabet sortiert, nicht nach „Rang“ der Autoren oder Anteil der Mitarbeit am Text.

Für jede ifo Publikation bitten wir um die Anfertigung eines Abstracts, dies meint eine kurze inhaltliche Zusammenfassung von maximal 12 Zeilen Umfang.

Da die Beiträge nicht sehr lang sind, sollten die Überschriften möglichst nicht nummeriert werden (nur gleichrangige Teilüberschriften, nicht zu viele Stufungen verwenden).

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