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Duale Reihe

Pharmakologieund Toxikologie

2., vollständig überarbeitete Auflage

425 Abbildungen

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Bibliografische Information der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Wichtiger Hinweis:

Wie jede Wissenschaft ist die Medizin ständigen Entwicklungen unterworfen. Forschung und klinische Erfahrung erwei-tern unsere Erkenntnisse, insbesondere was Behandlung und medikamentöse Therapie anbelangt. Soweit in diesemWerk eine Dosierung oder eine Applikation erwähnt wird, darf der Leser zwar darauf vertrauen, dass Autoren, Heraus-geber und Verlag große Sorgfalt darauf verwandt haben, dass diese Angabe dem Wissensstand bei Fertigstellung desWerkes entspricht.Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag jedoch keine Gewähr übernom-men werden. Jeder Benutzer ist angehalten, durch sorgfältige Prüfung der Beipackzettel der verwendeten Präparate undgegebenenfalls nach Konsultation eines Spezialisten festzustellen, ob die dort gegebene Empfehlung für Dosierungenoder die Beachtung von Kontraindikationen gegenüber der Angabe in diesem Buch abweicht. Eine solche Prüfung ist be-sonders wichtig bei selten verwendeten Präparaten oder solchen, die neu auf den Markt gebracht worden sind. Jede Do-sierung oder Applikation erfolgt auf eigene Gefahr des Benutzers. Autoren und Verlag appellieren an jeden Benutzer,ihm etwa auffallende Ungenauigkeiten dem Verlag mitzuteilen.Geschützte Warennamen (Warenzeichen ®) werden nicht immer besonders kenntlich gemacht. Aus dem Fehlen einessolchen Hinweises kann also nicht geschlossen werden, dass es sich um einen freien Warennamen handelt.Das Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Gren-zen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Ver-vielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen oder die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Syste-men.

© 2016 Georg Thieme Verlag KGRüdigerstr. 1470469 StuttgartDeutschlandwww.thieme.de

Printed in Germany

Zeichnungen: Fa. willscript Dr. Wilhelm Kuhn, TübingenUmschlaggestaltung: Thieme VerlagsgruppeUmschlagfoto: © icarmen13 – Fotolia.comSatz: L42 Media Solutions, BerlinDruck: Aprinta Druck GmbH, Wemding

ISBN 978-3-13-142862-2 1 2 3 4 5 6

Auch erhältlich als E-Book:eISBN (PDF) 978-3-13-169292-4

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Vorwort zur 2. AuflageIn der 2. Auflage des Lehrbuches „Pharmakologie und Toxiko-logie“ wurde der gesamte Inhalt komplett überarbeitet undaktualisiert. Berücksichtigt wurden dabei insbesondere wich-tige Arzneistoff-Neuzulassungen, z.B. zur Behandlung kardio-vaskulärer Erkrankungen und viraler Infektionen. Unverändertbleibt das didaktische Konzept der Gliederung des Stoffes indie allgemeine Pharmakologie (Teil A), die klinische Pharma-kologie übergreifender Systeme (Teil B), die klinische Pharma-kologie einzelner Organsysteme und wichtiger Indikations-gebiete (Teil C) und die Toxikologie (Teil D). Da im Lehrbuchaus Gründen der Objektivität und Unabhängigkeit die Han-delsnamen nicht genannt werden, befindet sich am Ende desBuches eine Tabelle mit den besprochenen Arzneistoffen undeiner Auswahl an Handelsnamen sowie der zugehörigen Wirk-stoffgruppe (Teil E).Die Mitarbeiter des Thieme Verlags, insbesondere die Fach-redakteurin Frau Amelie Knauß und der ProgrammplanerDr. med. Jochen Neuberger haben uns bei der Erstellung dieser

neuen Auflage engagiert und verständnisvoll betreut. Einherzliches Dankeschön für maßgebliche Beiträge zur Aktuali-sierung des Teiles Toxikologie geht an Herrn Dr. med. HugoKupferschmidt und Frau Dr. med. Katharina Schenk-Jäger vonTox Info Suisse, sowie an Frau Dr. Cornelia Brehmer (Drogen).

Da uns sehr an der Zufriedenheit unserer Leser gelegen ist,möchten wir diese ermuntern, uns Ihre konstruktive Kritikund Verbesserungsvorschläge unter „www.thieme.de/service/feedback.html“ mitzuteilen.

Würzburg/Bonn im Februar 2016

Karl Heinz GraefeWerner LutzHeinz Bönisch

Vorwort zur 2. Auflage 3

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Vorwort zur 1. AuflageDie Pharmakologie und die Toxikologie sind wichtige interdis-ziplinäre Grundlagenfächer der Medizin. Da in nahezu jedemFachgebiet der Medizin Arznei- und damit auch potenzielleGiftstoffe angewendet werden, sind solide Kenntnisse über dieWirkungsweise solcher Stoffe und über pharmakologische undtoxikologische Zusammenhänge für jeden Arzt unerlässlich.Dieses Lehrbuch der Pharmakologie und Toxikologie ist in ers-ter Linie für Studierende der Medizin konzipiert, richtet sichaber auch an Studierende der Pharmazie, Biomedizin und Bio-logie. Darüber hinaus ist es als Informationsquelle für Ärzteund Apotheker geeignet, die sich für eine rationale Arzneimit-teltherapie interessieren. Im Vordergrund unserer Ausführun-gen steht neben der Prüfungsrelevanz die klinisch-praktischeBedeutung der besprochenen Arzneistoffe und toxischen Sub-stanzen, wobei den pharmakotherapeutischen Aspekten häu-figer Erkrankungen eine besonders große Bedeutung bei-gemessen wird.

Im Teil Pharmakologie haben wir Wert auf eine klare Glie-derung gelegt. Nach Vermittlung der Grundlagen der allgemei-nen Pharmakologie (Teil A) wird zunächst die klinische Phar-makologie übergreifender Systeme (Teil B) vorgestellt, alsovon Systemen, die im ganzen Organismus gleichermaßen vor-kommen, wie z.B. das Gefäß-, Immun- oder schmerzverarbei-tende System. Danach wird die klinische Pharmakologie ein-zelner Organsysteme und spezieller Indikationsgebiete behan-delt (Teil C). Bei den Arzneistoffgruppen werden die für dieAnwendung relevanten pathophysiologischen Grundlagen,Wirkmechanismen, erwünschten und unerwünschten Wir-kungen sowie die Indikationen der Arzneistoffe besprochen.Außerdem sind die für die Klinik und Praxis wichtigen Dosie-rungen und pharmakokinetischen Daten (meist in Tabellen-form) sowie die Wechselwirkungen zwischen den einzelnenPharmaka beschrieben. Der Bezug zur Klinik und Praxis wirddurch entsprechende Abbildungen und Fallbeispiele her-gestellt. Unsere kritischen Empfehlungen zur Pharmakothera-pie häufiger Erkrankungen beruhen auf Leitlinien der zustän-digen medizinischen Fachgesellschaften und der fachspezi-fischen angloamerikanischen Literatur. Das vorliegende Lehr-buch ist daher auch ein kritischer und auf „Evidence-basedMedicine“ beruhender Leitfaden für medizinisches Fachper-sonal.

Auch im Teil Toxikologie wurden neue Wege beschritten. DasZiel war, nicht nur examensrelevante Inhalte abzudecken, son-dern auch Kenntnisse zu vermitteln, die im Alltag von Klinikund toxikologischer Beratung nützlich sind. Einleitend werdenallgemeine Fragen zur Risikobewertung, Festlegung und Inter-pretation von Grenzwerten sowie zur Abklärung individuellerBelastungen durch Gefahrstoffe beantwortet. Eine Übersicht

über die Möglichkeiten der Interaktion eines Gefahrstoffs mitseinem biologischen Ziel führt in die Mechanismen toxischerWirkungen ein. Ein zentrales Kapitel zur Vorbereitung auf Exa-mina behandelt die Grundlagen der Vergiftungsbehandlungunter besonderer Berücksichtigung von Symptomkomplexen.Abgerundet wird dieser Abschnitt durch aktuelle Übersichtsta-bellen über „Antidote und ihre Anwendung“. Abschließendwerden Stoffe und Belastungen, die bezüglich Häufigkeit vonVergiftungen und/oder Schweregrad des Verlaufs besondersproblematisch sind, vertieft charakterisiert.

Das Verfassen eines Lehrbuchs ist ohne Hilfe anderer nicht mög-lich. Ein besonderer Dank gebührt unseren Gattinnen Ingrid,Ursula und Angelika, die nicht nur durch Verzicht auf gemein-same Zeit, sondern auch durch kritisches Lesen maßgeblichzum Verständnis der Texte beigetragen haben. Ein herzlichesDankeschön geht auch an Dr. med. Hugo Kupferschmidt, der alsDirektor und Chefarzt des Schweizerischen Toxikologischen In-formationszentrums in Zürich wichtige persönliche Informatio-nen und Quellenverweise gegeben hat. Auch Herrn Dr. med. Jo-hannes-Martin Hahn, der uns die Arzneimittelliste im Anhangzur Verfügung gestellt hat, sei herzlich gedankt. Eine ganz be-sondere Anerkennung verdienen die Mitarbeiter des ThiemeVerlags, insbesondere die Fachredakteure Herr Dr. med. Benja-min Roll, Frau Dr. med. Marie Trendelenburg, Frau Claudia Seitz,Frau Dr. med. Kathrin Feyl und der Programmplaner Herr Dr.med. Jochen Neuberger, die uns engagiert betreut und unsereManuskripte mit konstruktiven Vorschlägen zur gelungenenAusgestaltung geführt haben. In diesem Zusammenhang möch-ten wir die Arbeit des projektverantwortlichen Redakteurs Dr.Benjamin Roll insbesondere wegen seines klaren Konzeptes zurStrukturierung des umfangreichen Stoffes besonders hervor-heben. Auch der Herstellerin Frau Elsbeth Elwing, Frau AnjaJahn von der Grafikabteilung sowie dem Grafiker Herrn Dr. Wil-helm Kuhn danken wir ganz herzlich.

Nun hoffen wir, dass unser Konzept eines modernen, klinischorientierten und gleichzeitig bewältigbaren Lehrbuchs fürPharmakologie und Toxikologie unseren Lesern das Lernen derbeiden Fächer erleichtern und dem Buch zum Erfolg verhelfenwird. Da uns sehr an der Zufriedenheit unserer Leser gelegenist, möchten wir Sie herzlich ermuntern, uns Ihre konstruktiveKritik und Ihre Verbesserungsvorschläge unter „www.thieme.de/service/feedback.html“ mitzuteilen.

Im August 2011

Karl Heinz GraefeWerner LutzHeinz Bönisch

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AnschriftenProf. Dr. med. Karl Heinz GraefeAm Hasensprung 397076 Würzburg

Prof. Dr. sc. techn. Werner LutzJulius-Maximilians-Universität WürzburgInstitut für Pharmakologie und ToxikologieVersbacher Straße 997078 Würzburg

Prof. Dr. rer. nat. Heinz BönischRheinische Friedrich-Wilhelms-Universität BonnUniversitätsklinikumInstitut für Pharmakologie und ToxikologieSigmund-Freud-Straße 2553127 Bonn

Anschriften 5

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Inhaltsverzeichnis

Teil A Allgemeine PharmakologieK. H. Graefe

1 Grundbegriffe und Gebiete derPharmakologie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17

1.1 Grundbegriffe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171.2 Gebiete der Pharmakologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17

2 Pharmakodynamik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182.1 Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182.2 Mechanismen der Pharmakonwirkung . . . . . . . . . . 182.2.1 Rezeptorvermittelte Wirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . 182.2.2 Durch rezeptorähnliche Proteine vermittelte

Wirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232.2.3 Anders vermittelte Wirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 232.3 Quantitative Aspekte der Pharmakonwirkung . . . . 232.3.1 Kinetik der Pharmakon-Rezeptor-Interaktion . . . . 232.3.2 Quantitative Konzentrations- bzw. Dosis-

Wirkungs-Kurven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272.4 Qualitative Dosis-Wirkungs-Kurven . . . . . . . . . . . . . 312.5 Pharmakodynamische Ursachen der Variabilität

von Pharmakonwirkungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332.5.1 Pharmakodynamische Toleranz . . . . . . . . . . . . . . . . 332.5.2 Pharmakodynamische Sensibilisierung und

Potenzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342.5.3 Pharmakodynamische Wechselwirkungen . . . . . . . 35

3 Pharmakokinetik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363.1 Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363.2 Von der Applikation des Arzneimittels bis zum

Eintritt des Pharmakons in den systemischenKreislauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38

3.2.1 Applikation des Arzneimittels und Freisetzung desPharmakons . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38

3.2.2 Resorptionsmechanismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383.2.3 Zusammenspiel von Applikationsart und Resorption 393.3 Verteilung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 433.3.1 Verteilungsräume und Verteilungsmechanismen . 433.3.2 Einflüsse auf das Verteilungsmuster von Pharmaka 433.4 Elimination . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 473.4.1 Elimination durch Metabolisierung (Biotrans-

formation) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 473.4.2 Elimination durch Ausscheidung (Exkretion) . . . . . 513.5 Klinische Pharmakokinetik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 553.5.1 Bioverfügbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 553.5.2 Plasma-Halbwertszeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 573.5.3 Clearance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 583.5.4 Verteilungsvolumen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 593.5.5 Lineare und nicht lineare Kinetik . . . . . . . . . . . . . . . 603.5.6 Pharmakokinetische Berechnungen . . . . . . . . . . . . . 61

3.6 Beziehung zwischen Pharmakokinetik undPharmakodynamik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62

3.6.1 Zeitverlauf der Pharmakonwirkung . . . . . . . . . . . . . 623.6.2 Determinanten der Wirkdauer von Pharmaka . . . . 633.7 Pharmakokinetische Ursachen der Variabilität von

Pharmakonwirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 633.7.1 Pharmakokinetische Toleranz . . . . . . . . . . . . . . . . . . 633.7.2 Pharmakogenetik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 643.7.3 Pharmakokinetische Wechselwirkungen . . . . . . . . . 66

4 Besonderheiten der Pharmakotherapiein bestimmten Lebensabschnitten . . . . . 68

4.1 Pharmakotherapie in Schwangerschaft undStillperiode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68

4.1.1 Schwangerschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 684.1.2 Stillperiode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 684.2 Pharmakotherapie im Kindesalter . . . . . . . . . . . . . . . 694.3 Pharmakotherapie beim alten Menschen . . . . . . . . . 714.3.1 Hohe Anzahl verordneter Pharmaka. . . . . . . . . . . . . 714.3.2 Altersbedingte Veränderungen der Pharmako-

dynamik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 714.3.3 Altersbedingte Veränderungen der Pharmako-

kinetik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71

5 Entwicklung und Anwendung vonArzneimitteln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73

5.1 Arzneimittelentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 735.1.1 Präklinischer Abschnitt der Entwicklung . . . . . . . . . 735.1.2 Klinischer Abschnitt der Entwicklung . . . . . . . . . . . 735.2 Zulassung, Anwendung und Überwachung von

Arzneimitteln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 765.2.1 Zulassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 765.2.2 Anwendung und Überwachung. . . . . . . . . . . . . . . . . 765.3 Rezeptieren von Arzneimitteln . . . . . . . . . . . . . . . . . 775.3.1 Privatrezept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 775.3.2 Kassenrezept und Betäubungsmittelrezept . . . . . . . 78

6 Besondere (alternative)Therapierichtungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80

6.1 Phytotherapie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 806.2 Antiempirische Therapiesysteme . . . . . . . . . . . . . . . 806.2.1 Homöopathische Arzneitherapie. . . . . . . . . . . . . . . . 806.2.2 Anthroposophische Arzneitherapie . . . . . . . . . . . . . 81

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Teil B Klinische Pharmakologie übergreifender SystemeK. H. Graefe

1 Autonomes Nervensystem . . . . . . . . . . . . . . 851.1 Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 851.2 Sympathisches Nervensystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . 851.2.1 Klinische Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 851.2.2 Anatomische und physiologische Grundlagen . . . . . 851.2.3 Sympathomimetika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 921.2.4 α-Rezeptor-Antagonisten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 971.2.5 β-Rezeptor-Antagonisten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 991.2.6 Antisympathotonika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1021.3 Parasympathisches Nervensystem. . . . . . . . . . . . . . . 1041.3.1 Klinische Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1041.3.2 Anatomische und physiologische Grundlagen . . . . . 1051.3.3 Parasympathomimetika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1091.3.4 Muskarinrezeptor-Antagonisten . . . . . . . . . . . . . . . . 1141.3.5 Periphere Muskelrelaxanzien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117

2 Gewebshormone . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .1222.1 Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1222.2 Histamin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1222.2.1 Klinische Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1222.2.2 Physiologische Grundlagen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1232.2.3 Hemmstoffe der IgE-vermittelten Mastzell-

aktivierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1262.2.4 Histaminrezeptor-Antagonisten . . . . . . . . . . . . . . . . 1272.3 Serotonin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1322.3.1 Klinische Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1322.3.2 Physiologische Grundlagen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1322.3.3 5-HT-Rezeptor-Agonisten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1362.3.4 5-HT-Rezeptor-Antagonisten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1382.4 Arachidonsäure-Metabolite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1392.4.1 Klinische Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1402.4.2 Physiologische Grundlagen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1402.4.3 Prostaglandine und Prostaglandin-Analoga . . . . . . . 1442.4.4 COX-Hemmstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1462.4.5 Leukotrienrezeptor-Antagonisten . . . . . . . . . . . . . . . 146

3 Ionenkanäle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .1483.1 Klinische Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1483.2 Physiologische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1483.3 Na+-Kanalblocker . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1493.3.1 Lokalanästhetika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1493.3.2 Antikonvulsiva und Klasse-I-Antiarrhythmika. . . . . 1533.4 Ca2+-Kanalblocker. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1533.4.1 Spannungsabhängige Ca2+-Kanäle und ihre

physiologische Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1533.4.2 L-Kanalblocker . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1543.4.3 Antikonvulsiva (Antiepileptika) . . . . . . . . . . . . . . . . . 1573.5 Pharmaka mit Wirkung auf K+-Kanäle. . . . . . . . . . . . 1573.5.1 K+-Kanäle und ihre physiologische Bedeutung . . . . 1573.5.2 Kv-Kanalblocker . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1593.5.3 KATP-Kanalöffner. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1593.5.4 KATP-Kanalblocker . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161

4 Gefäßsystem. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1624.1 Anatomische und physiologische Grundlagen . . . . 1624.1.1 Regulation des Gefäßtonus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1634.2 Pharmaka mit Wirkung auf das Gefäßsystem. . . . . 1694.2.1 Hemmstoffe des Angiotensin-Konversionsenzyms

(ACE). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1704.2.2 AT1-Rezeptor-Antagonisten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1744.2.3 Fixe Kombination aus Valsartan und Sacubitril . . . 1764.2.4 Aliskiren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1774.2.5 Nitrovasodilatatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1774.2.6 Hemmstoffe der Typ-5-Phosphodiesterase (PDE5) 1814.2.7 Stimulatoren der löslichen Guanylatcyclase . . . . . . 1834.2.8 Endothelinrezeptor-Antagonisten . . . . . . . . . . . . . . 1834.2.9 Dihydralazin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1844.3 Pharmakotherapie ausgewählter Erkrankungen

des Gefäßsystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1854.3.1 Arterielle Hypertonie, koronare Herzkrankheit,

Herzinsuffizienz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1854.3.2 Pulmonal-arterielle Hypertonie (PAH) . . . . . . . . . . 185

5 Immunsystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1885.1 Physiologische und pathophysiologische

Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1885.1.1 Komponenten des Immunsystems. . . . . . . . . . . . . . 1885.1.2 Immunallergische Überempfindlichkeitsreaktionen 1905.2 Immunsuppressiva . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1915.2.1 Zytotoxische Immunsuppressiva . . . . . . . . . . . . . . . 1915.2.2 Immunsuppressiva mit hemmender Wirkung auf

die antigeninduzierte T-Zell-Aktivierung . . . . . . . . 1975.2.3 Immunsuppressiva mit hemmender Wirkung auf

den IL-2-Rezeptor und seine Signaltransduktion. . 2035.2.4 Immunsuppressiva mit unklarem Wirkungs-

mechanismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2075.2.5 Immunologisch wirkende Immunsuppressiva . . . . 2095.3 Immunstimulanzien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2105.3.1 Antigenspezifische Immunstimulation . . . . . . . . . . 2105.3.2 Unspezifische Immunstimulation . . . . . . . . . . . . . . 2105.4 Mediatoren des Immunsystems . . . . . . . . . . . . . . . . 2115.4.1 Immunglobuline (Antikörper). . . . . . . . . . . . . . . . . . 2115.4.2 Interferone (IFN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2115.4.3 Aldesleukin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2135.5 Antagonisten von Mediatoren oder Rezeptoren

des Immunsystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2145.5.1 TNF-α-Antagonisten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2145.5.2 Omalizumab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2165.5.3 Anakinra . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2165.5.4 Tocilizumab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2175.6 Pharmakotherapie ausgewählter

(Auto)-Immunerkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2175.6.1 Rheumatoide Arthritis (RA). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2175.6.2 Systemischer Lupus erythematodes (SLE) . . . . . . . . 2195.6.3 Multiple Sklerose (MS) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2205.6.4 IgE-vermittelte Erkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 2215.6.5 Akutes rheumatisches Fieber . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222

8 Inhaltsverzeichnis

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6 Nozizeptives System. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2236.1 Physiologische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2236.1.1 Mechanismen der Schmerzentstehung und

-verarbeitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2236.1.2 Schmerzformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2266.1.3 Möglichkeiten der Pharmakotherapie von

Schmerzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2276.2 Opioid-Analgetika und andere Opioidrezeptor-

Agonisten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2286.2.1 Nomenklatur und Einteilung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2286.2.2 Struktur und Wirkungsmechanismus . . . . . . . . . . . 2286.2.3 Wirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2296.2.4 Pharmakokinetik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2336.2.5 Indikationen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2346.2.6 Unerwünschte Wirkungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2376.2.7 Kontraindikationen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2396.2.8 Wechselwirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2396.3 Opioidrezeptor-Antagonisten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2396.4 Antitussiva . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2406.5 Nichtopioid-Analgetika: Antipyretische Analgetika 2416.5.1 Wirkprofil der gesamten Wirkstoffgruppe . . . . . . . 242

6.5.2 Allgemeine Aspekte der therapeutischenAnwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243

6.5.3 Antipyretische Analgetika ohne antiphlogistischeWirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246

6.5.4 Antipyretische Analgetika mit antiphlogistischerWirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248

6.6 Nichtopioid-Analgetika: Andere Substanzen . . . . . . 2556.6.1 Flupirtin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2556.6.2 Ketamin. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2566.6.3 Capsaicin. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2566.6.4 Ziconotid. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2566.7 Adjuvante Schmerztherapeutika . . . . . . . . . . . . . . . . 2576.7.1 Antidepressiva . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2576.7.2 Antikonvulsiva . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2576.7.3 Glukokortikoide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2586.7.4 Bisphosphonate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2586.8 Pharmakotherapie ausgewählter Schmerzsyndrome 2586.8.1 Grundlagen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2586.8.2 Kopfschmerzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2606.8.3 Andere akute Schmerzsyndrome . . . . . . . . . . . . . . . 2626.8.4 Andere chronische Schmerzsyndrome . . . . . . . . . . . 263

Teil C Klinische Pharmakologie einzelner Organsystemeund wichtiger IndikationsgebieteK. H. Graefe: C1–C14H. Bönisch: C15

1 Zentrales Nervensystem . . . . . . . . . . . . . . . . 2691.1 Physiologische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2691.1.1 Dopaminerges System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2691.1.2 Glutamaterges System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2711.1.3 GABAerges System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2731.1.4 Glycinerges System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2741.2 Narkose. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2751.2.1 Allgemeine Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2751.2.2 Narkotika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2761.2.3 Andere injizierbare Wirkstoffe in der Anästhesie. . 2831.3 Angststörungen und Spannungszustände . . . . . . . . 2851.3.1 Anxiolytika. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2851.4 Schlafstörungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2911.4.1 Hypnotika. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2911.5 Epilepsie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2941.5.1 Antikonvulsiva. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2951.6 Parkinson-Syndrom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3081.6.1 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3091.6.2 Antiparkinsonmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3101.6.3 Therapie des Parkinson-Syndroms . . . . . . . . . . . . . . 3171.7 Demenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3191.7.1 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3191.7.2 Pharmakotherapie von Demenzen . . . . . . . . . . . . . . 3201.8 Schizophrenie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3211.8.1 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3211.8.2 Neuroleptika (Antipsychotika) . . . . . . . . . . . . . . . . . 3231.8.3 Pharmakotherapie der Schizophrenie . . . . . . . . . . . 3321.9 Affektive Störungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3331.9.1 Depression . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3341.9.2 Manie und bipolare Störung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 348

1.10 Abhängigkeit (Sucht). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3501.10.1 Klinische und pathophysiologische Grundlagen . . . 3501.10.2 Suchterzeugende Stoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3511.10.3 Pharmakotherapie des Abhängigkeitssyndroms . . . 355

2 Hormonelle Systeme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3582.1 Hypothalamus und Hypophyse . . . . . . . . . . . . . . . . . 3582.1.1 Physiologische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3582.1.2 Hormone des Hypothalamus und ihre klinische

Anwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3592.1.3 Hormone der Hypophyse und ihre klinische

Anwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3612.2 Schilddrüse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3662.2.1 Grundlagen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3662.2.2 Wirkstoffe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3682.2.3 Pharmakotherapie ausgewählter Schilddrüsen-

erkrankungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3732.3 Nebennierenrinde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3752.3.1 Grundlagen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3752.3.2 Wirkstoffe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3752.4 Keimdrüsen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3842.4.1 Grundlagen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3842.4.2 Wirkstoffe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3862.4.3 Wichtige Anwendungsgebiete für Sexualhormone. 399

3 Stoffwechsel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4053.1 Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4053.2 Diabetes mellitus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4053.2.1 Pathophysiologische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . 405

Inhaltsverzeichnis 9

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3.2.2 Wirkstoffe zur Behandlung des Diabetes mellitus . . 4103.2.3 Pharmakotherapie des Diabetes mellitus . . . . . . . . . 4173.3 Fettstoffwechselstörungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4213.3.1 Pathophysiologische Grundlagen. . . . . . . . . . . . . . . . 4213.3.2 Hemmstoffe der Cholesterolsynthese (Statine) . . . . 4243.3.3 Hemmstoffe des LDL-Rezeptor-Abbaus . . . . . . . . . . 4273.3.4 Hemmstoffe der intestinalen

Cholesterolresorption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4273.3.5 Colestyramin. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4273.3.6 Fibrate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4283.3.7 Pharmakotherapie der Adipositas . . . . . . . . . . . . . . . 4293.4 Gicht (Hyperurikämie) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4313.4.1 Pathophysiologische Grundlagen. . . . . . . . . . . . . . . . 4313.4.2 Pharmaka mit Wirkung gegen Gicht . . . . . . . . . . . . . 4323.4.3 Rasburicase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4343.5 Knochenstoffwechselstörungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 4353.5.1 Physiologische Grundlagen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4353.5.2 Hemmstoffe der Knochenresorption

(antiresorptive und antikatabol wirkende Stoffe) . . 4373.5.3 Die Knochenneubildung fördernde, osteoanabole

Stoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4413.5.4 Pharmakotherapie ausgewählter Erkrankungen

des Knochens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 442

4 Blutbildendes System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .4444.1 Erythropoese. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4444.1.1 Pathophysiologische und klinische Grundlagen . . . 4444.1.2 Eisen und Eisenmangelanämie. . . . . . . . . . . . . . . . . . 4454.1.3 Vitamin B12 und Vitamin-B12-Mangel-Anämie . . . . 4484.1.4 Folsäure und Folsäuremangelanämie . . . . . . . . . . . . 4504.1.5 Erythropoetin (EPO) und renale Anämie . . . . . . . . . 4524.2 Leukopoese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4534.2.1 Granulozyten-koloniestimulierender Faktor (G-CSF) 4534.3 Plasmaersatzstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4544.3.1 Gelatine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 455

5 Gerinnungssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .4565.1 Physiologische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4565.1.1 Thrombozyten-Aktivierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4565.1.2 Blutgerinnung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4565.2 Hemmstoffe der Thrombozytenaggregation . . . . . . 4585.2.1 Acetylsalicylsäure (ASS) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4595.2.2 ADP-Rezeptor-Antagonisten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4595.2.3 Glykoprotein (GP)-IIb/IIIa-Antagonisten. . . . . . . . . . 4615.3 Antikoagulanzien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4625.3.1 Direkt wirkende Antikoagulanzien . . . . . . . . . . . . . . 4625.3.2 Indirekt wirkende Antikoagulanzien

(Cumarin-Derivate) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4665.4 Fibrinolytika (Thrombolytika). . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4685.4.1 Direkte Fibrinolytika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4685.4.2 Indirekte Fibrinolytika. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4695.5 Antifibrinolytika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 470

6 Niere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .4716.1 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4716.2 Diuretika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4726.2.1 Carboanhydrase-Hemmstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . 473

6.2.2 Schleifendiuretika. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4756.2.3 Thiazid-Diuretika (Thiazide) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4786.2.4 Kaliumsparende Diuretika. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4796.2.5 Andere Diuretika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 481

7 Kardiovaskuläres System . . . . . . . . . . . . . . . 4837.1 Arterielle Hypertonie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4837.1.1 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4837.1.2 Allgemeine Therapieoptionen. . . . . . . . . . . . . . . . . . 4847.1.3 Klinisch-therapeutisches Vorgehen . . . . . . . . . . . . . 4867.1.4 Antihypertensive Therapie bei besonderen

Patientengruppen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4917.2 Koronare Herzkrankheit (KHK) . . . . . . . . . . . . . . . . . 4927.2.1 Klinische und pathophysiologische Grundlagen . . 4927.2.2 Pharmakotherapie der koronaren Herzkrankheit . 4957.2.3 Primär- und Sekundärprävention der KHK. . . . . . . 4997.3 Herzrhythmusstörungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5007.3.1 Tachykarde Rhythmusstörungen . . . . . . . . . . . . . . . 5007.4 Herzinsuffizienz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5127.4.1 Klinische und pathophysiologische Grundlagen . . 5127.4.2 Wirkstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5157.4.3 Therapie der chronischen Herzinsuffizienz. . . . . . . 523

8 Respiratorisches System . . . . . . . . . . . . . . . . 5268.1 Obstruktive Atemwegserkrankungen . . . . . . . . . . . 5268.1.1 Pathophysiologische und klinische Grundlagen. . . 5268.1.2 Therapieprinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5308.1.3 Wirkstoffgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5318.1.4 Therapie des Asthma bronchiale . . . . . . . . . . . . . . . 5398.1.5 Therapie der COPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 541

9 Gastrointestinales System . . . . . . . . . . . . . . 5449.1 Magensäureassoziierte Erkrankungen . . . . . . . . . . . 5449.1.1 Physiologische Grundlagen der

Magensaftsekretion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5449.1.2 Wirkstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5469.1.3 Pharmakotherapie der Ulkuskrankheit . . . . . . . . . . 5509.1.4 Pharmakotherapie der Refluxösophagitis . . . . . . . . 5529.2 Gastrointestinale Motilitätsstörungen . . . . . . . . . . . 5539.3 Obstipation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5539.3.1 Pathophysiologische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . 5539.3.2 Laxanzien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5549.3.3 Behandlung der Obstipation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5559.4 Diarrhö . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5569.4.1 Pathophysiologische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . 5569.4.2 Antidiarrhoika. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5579.4.3 Behandlung der Diarrhö . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5589.5 Übelkeit und Erbrechen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5589.5.1 Pathophysiologische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . 5589.5.2 Wirkstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5609.5.3 Pharmakotherapie ausgewählter Syndrome mit

Übelkeit und Erbrechen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5629.6 Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen . . . . . 5639.6.1 Pathophysiologische und klinische Grundlagen. . . 5639.6.2 Wirkstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5649.6.3 Therapie der chronisch-entzündlichen

Darmerkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 565

10 Inhaltsverzeichnis

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10 Bakterielle Infektionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56810.1 Grundlagen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56810.1.1 Grundprinzipien einer antibakteriellen Pharmako-

therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56810.2 Antibakterielle Wirkstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57110.2.1 Antibiotika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57110.2.2 Antibakteriell wirkende Chemotherapeutika . . . . . 58710.2.3 Antimykobakterielle Stoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59410.3 Pharmakotherapie ausgewählter bakterieller

Infektionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59910.3.1 Pneumonien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59910.3.2 Harnwegsinfektionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60010.3.3 Tuberkulose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 601

11 Pilzinfektionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60411.1 Grundlagen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60411.2 Antimykotika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60411.2.1 Polyen-Makrolide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60511.2.2 Azole . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60711.2.3 Echinocandine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60911.2.4 Flucytosin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61011.2.5 Terbinafin. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61011.2.6 Weitere topische Antimykotika. . . . . . . . . . . . . . . . . 61011.3 Pharmakotherapie ausgewählter Pilzinfektionen. . 61111.3.1 Dermatomykosen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61111.3.2 Pilzinfektionen der Schleimhäute . . . . . . . . . . . . . . . 61211.3.3 Systemische Mykosen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 613

12 Virusinfektionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61412.1 Grundlagen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61412.2 Virustatika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61512.2.1 Wirkstoffe gegen Herpesviren. . . . . . . . . . . . . . . . . . 61512.2.2 Wirkstoffe gegen Influenzaviren. . . . . . . . . . . . . . . . 61912.2.3 Wirkstoffe gegen hepatotrope Viren . . . . . . . . . . . . 62112.2.4 Antiretrovirale Wirkstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62612.3 Pharmakotherapie ausgewählter Virusinfektionen 63212.3.1 Chronische Hepatitis B . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63212.3.2 Chronische Hepatitis C . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63412.3.3 HIV-Infektion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 635

13 Protozoeninfektionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63613.1 Malaria . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63613.1.1 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 636

13.1.2 Antimalariamittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63613.1.3 Pharmakotherapie/-prophylaxe der Malaria . . . . . . 64113.2 Toxoplasmose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64213.2.1 Grundlagen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64213.2.2 Wirkstoffe gegen Toxoplasmen . . . . . . . . . . . . . . . . . 64313.2.3 Pharmakotherapie der Toxoplasmose. . . . . . . . . . . . 64413.3 Amöbiasis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64513.3.1 Grundlagen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64513.3.2 Wirkstoffe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64613.3.3 Pharmakotherapie der Amöbiasis . . . . . . . . . . . . . . . 64613.4 Flagellateninfektionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64613.4.1 Wirkstoffe und Pharmakotherapie . . . . . . . . . . . . . . 646

14 Wurmerkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64814.1 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64814.2 Wirkstoffe gegen Würmer (Anthelminthika). . . . . . 64914.2.1 Praziquantel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64914.2.2 Mebendazol und Albendazol . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65014.2.3 Niclosamid . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65014.2.4 Pyrviniumhemiembonat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65114.2.5 Pyrantelembonat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65114.3 Pharmakotherapie ausgewählter

Wurmerkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65114.3.1 Askariasis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65114.3.2 Echinokokkose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65214.3.3 Schistosomiasis (Bilharziose) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 653

15 Maligne Tumoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65415.1 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65515.2 Unselektiv zytotoxische Chemotherapeutika

(Zytostatika) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65815.2.1 Antimetabolite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66015.2.2 Alkylierende Zytostatika. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66415.2.3 Topoisomerase-Hemmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66915.2.4 Mitosehemmer. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67115.2.5 Zytostatisch wirkende Antibiotika . . . . . . . . . . . . . . 67215.2.6 Sonstige Zytostatika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67415.3 Zielgerichtete Tumortherapeutika . . . . . . . . . . . . . . 67515.3.1 Monoklonale Antikörper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67615.3.2 Tyrosinkinase-Hemmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67815.3.3 Hormone und Hormon-Antagonisten. . . . . . . . . . . . 68115.4 Sonstige Tumortherapeutika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68215.5 Pharmakotherapie ausgewählter Tumor-

erkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 683

Teil D ToxikologieW. Lutz

1 Allgemeine Toxikologie . . . . . . . . . . . . . . . . . 6871.1 Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6871.2 Grundlegende Begriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6871.3 Erkennen von Gefahrstoffen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6881.3.1 Epidemiologische Studien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6881.3.2 Fallberichte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6881.3.3 Toxizitätsprüfung am Tier . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 689

1.4 Toxikologische Risikocharakterisierung . . . . . . . . . . 6891.4.1 Abgrenzung der Begriffe „Gefahr“ und „Risiko“ . . . 6891.4.2 Abschätzung der Potenz für toxische Wirkungen . . 6901.4.3 Probleme bei Persistenz von Gefahrstoffen . . . . . . . 6911.4.4 Dosis-Wirkungs-Beziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6921.4.5 Individuelle Empfindlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6941.4.6 Zeitfenster der Empfindlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 6941.4.7 Toxizität von Gemischen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 694

Inhaltsverzeichnis 11

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1.5 Begrenzung von Gefahrstoffbelastungen . . . . . . . . . 6951.5.1 Bereiche der Grenzwertsetzung. . . . . . . . . . . . . . . . . 6951.5.2 Grenzwerte für den Arbeitsplatz . . . . . . . . . . . . . . . . 6961.5.3 Referenzdosen für Lebensmittel. . . . . . . . . . . . . . . . . 6971.5.4 Gefahrstoffe in Bedarfsgegenständen . . . . . . . . . . . . 6981.5.5 Grenzwerte für die Luft (Umwelt und Innenraum) . 6981.5.6 Schadstoffanalysen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6991.5.7 Probleme der Grenzwertsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . 6991.6 Biomarker . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7001.6.1 Biomarker der Exposition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7001.6.2 Biomarker für Effekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7031.6.3 Biomarker der individuellen Empfindlichkeit . . . . . 704

2 Mechanismen toxischer Wirkung . . . . . . .7052.1 Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7052.2 Interaktionen zwischen Gefahrstoff und

Zielstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7052.2.1 Nicht kovalente Bindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7052.2.2 Kovalente (chemische) Bindung. . . . . . . . . . . . . . . . . 7052.2.3 Photoaktivierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7062.2.4 Radikalbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7062.3 Toxikokinetik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7062.3.1 Aufnahme von Gefahrstoffen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7062.3.2 Metabolische Aktivierung/Inaktivierung . . . . . . . . . 7072.4 Mechanismen akuter Toxizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7102.4.1 Organotropie toxischer Wirkungen. . . . . . . . . . . . . . 7102.4.2 Akute Neurotoxizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7112.4.3 Zytotoxizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7122.4.4 Enzyme als Toxine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7142.4.5 Immunreaktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7152.4.6 Reaktionen der Haut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7162.5 Mechanismen irreversibler Wirkungen . . . . . . . . . . . 7182.5.1 Entwicklungsstörungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7182.5.2 Neurotoxizität. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7202.5.3 Mutagenese und Kanzerogenese . . . . . . . . . . . . . . . . 721

3 Grundlagen derVergiftungsbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . .725

3.1 Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7253.1.1 Vergiftungsepidemiologie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7253.1.2 Erste Schritte bei Vergiftungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . 7263.2 Diagnostik und symptomatische Behandlung . . . . . 7273.2.1 Anamnese und Umfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7273.2.2 Status und Symptomatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7283.2.3 Labor- und apparative Untersuchungen . . . . . . . . . . 7283.2.4 Aufrechterhaltung der Vitalfunktionen. . . . . . . . . . . 7283.3 Vom Symptom zum Gefahrstoff . . . . . . . . . . . . . . . . . 7293.3.1 Cholinerges (parasympathomimetisches) Syndrom 7293.3.2 Anticholinerges (parasympatholytisches) Syndrom 7303.3.3 Syndrom der Opioid-, Sedativa- oder Alkohol-

Intoxikation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7303.3.4 Sympathomimetisches Syndrom . . . . . . . . . . . . . . . . 7313.3.5 Weitere Toxidrome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7313.3.6 Prädiktivität von Toxidromen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7323.4 Prinzipien der Vergiftungsbehandlung . . . . . . . . . . . 7333.4.1 Primäre Dekontamination bei oraler Aufnahme . . . 7333.4.2 Sekundäre Dekontamination und Dekorporations-

antidote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 735

3.4.3 Funktionelle Antidote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7373.4.4 Spezifische Therapieansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7383.5 Übersicht konkreter Therapiemaßnahmen bei

Vergiftungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7393.5.1 Übersicht: Gefahrstoffe und Therapieoptionen . . . 7393.5.2 Übersicht: Antidote und ihre Anwendung . . . . . . . 740

4 Akute Vergiftungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7464.1 Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7464.2 Medikamente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7464.2.1 Antidepressiva . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7474.2.2 Hypnotika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7484.2.3 Neuroleptika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7494.2.4 Analgetika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7504.2.5 Antikonvulsiva . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7524.2.6 Kardiovaskuläres System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7534.2.7 H1-Antihistaminika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7544.2.8 Weitere Wirkstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7554.3 Drogen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7564.3.1 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7564.3.2 Wirkstoffe und Gruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7564.4 Produkte und Stoffe in Haushalt und Gewerbe. . . . 7614.4.1 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7614.4.2 Produkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7634.4.3 Stoffgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7634.5 Vergiftungen durch Gase und Rauch . . . . . . . . . . . . 7684.5.1 Stickgase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7684.5.2 Reizgase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7694.5.3 Gasgemische . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7704.6 Produkte für Landwirtschaft, Gartenbau

und Bauwesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7704.6.1 Herbizide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7714.6.2 Insektizide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7714.6.3 Fungizide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7724.6.4 Rodentizide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7724.7 Pflanzliche Gift- und Inhaltsstoffe. . . . . . . . . . . . . . . 7734.7.1 Nikotin in Tabak . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7744.7.2 Koffein, Theobromin, Theophyllin in Getränken . . 7754.8 Giftpilze, Pilzgifte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7754.9 (Gift-)Tiere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7774.9.1 Giftschlangen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7774.9.2 Nesseltiere und Stachelhäuter . . . . . . . . . . . . . . . . . 7784.10 Nahrungsmittel (akute Ereignisse) . . . . . . . . . . . . . . 7794.10.1 Mikrobielle Kontamination . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7794.10.2 Toxine in Muscheln und Fischen. . . . . . . . . . . . . . . . 7804.10.3 Glykoside . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7804.10.4 Fermentationsprodukte, Glutamat. . . . . . . . . . . . . . 781

5 Chronische Toxizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7825.1 Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7825.2 Krebs und Krebsrisikofaktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . 7825.2.1 Krebsepidemiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7825.2.2 Tabakrauchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7845.2.3 Alkoholische Getränke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7845.2.4 Ernährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7855.2.5 Belastungen am Arbeitsplatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7885.2.6 Luftverschmutzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7905.2.7 Geophysik/Strahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 790

12 Inhaltsverzeichnis

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5.2.8 Unerwünschte Therapieeffekte . . . . . . . . . . . . . . . . . 7915.2.9 Infekte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7925.2.10 Sexualverhalten und Fortpflanzung . . . . . . . . . . . . . 7935.2.11 Genetische Krebsrisikofaktoren . . . . . . . . . . . . . . . . 7935.2.12 Krebsrisiko und Vermeidbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . 7955.3 Metalle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 795

5.3.1 Arsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7955.3.2 Blei. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7965.3.3 Cadmium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7965.3.4 Quecksilber. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7965.3.5 Behandlungsoptionen bei Metallvergiftungen . . . . 7975.4 „Umweltkrankheiten“. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 797

Teil E AnhangH. Bönisch

1 Freinamen der Wirkstoffe, derenHandelsnamen als Arzneimittelund Einordnung in Indikations-und Substanzgruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 800

Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 818

Inhaltsverzeichnis 13

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Allgemeine Pharmakologie

A

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1 Grundbegriffe und Gebiete der Pharmakologie 17

2 Pharmakodynamik 18

3 Pharmakokinetik 36

4 Besonderheiten der Pharmakotherapie in bestimmten Lebensabschnitten 68

5 Entwicklung und Anwendung von Arzneimitteln 73

6 Besondere (alternative) Therapierichtungen 80

Allgemeine Pharmakologie

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1 Grundbegriffe und Gebiete derPharmakologie

A

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1.1 Grundbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171.2 Gebiete der Pharmakologie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17

1.1 Grundbegriffe 1.1 Grundbegriffe

Die Pharmakologie beschreibt die Wechselwirkungen zwischen Arzneimitteln undMensch oder Tier. Genauer gesagt geht es dabei um den im Arzneimittel enthalte-nen Wirkstoff, das Pharmakon. Ein Pharmakon (Arzneistoff) ist ein Wirkstoff, derdazu dient, Krankheiten zu verhüten, zu lindern bzw. zu heilen oder sie zu erken-nen. Pharmaka werden entweder durch chemische Verfahren hergestellt oder ausder Natur gewonnen.Zur Anwendung bei Mensch oder Tier werden Pharmaka vom Pharmazeuten in ge-eignete Zubereitungsformen (Formulierungen) überführt, wie z. B. Tabletten oderZäpfchen, die als Arzneimittel bezeichnet werden. Arzneimittel enthalten nebendem Arzneistoff eine unterschiedliche Anzahl von Hilfsstoffen.Vom Hersteller erhalten Arzneimittel geschützte Fantasienamen (Markennamen),die in aller Regel mit dem von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) festgelegtenFreinamen (generic name) der Pharmaka nichts zu tun haben. In diesem Lehrbuchwerden nur die Freinamen der Pharmaka verwendet. Die Markennamen für diewichtigsten Pharmaka sind aber im Anhang des Lehrbuchs (S.800) tabellarisch zu-sammengefasst. Erst nach Ablauf des Patentschutzes für ein neu zugelassenes Arz-neimittel kommen Zubereitungsformen des Pharmakons in den Handel, die denFreinamen tragen. Solche Arzneimittel sind meist billiger als die erstzugelassenenVarianten und werden als Generika bezeichnet.

1.2 Gebiete der Pharmakologie 1.2 Gebiete der Pharmakologie

Die pharmakologische Forschung zu den einzelnen Pharmaka (Spezielle Pharmako-logie) hat zur Formulierung von Gesetzmäßigkeiten geführt, die für alle Pharmakagelten (Allgemeine Pharmakologie). In der frühen Phase der Entwicklung von Arz-neimitteln spielt die Experimentelle Pharmakologie eine wichtige Rolle. Sie schließtTierversuche und Untersuchungen an isolierten Zellen oder Zellbestandteilen undGeweben oder Organen ein. Die Klinische Pharmakologie dagegen beschäftigt sichmit der Anwendung von Arzneimitteln beim Menschen.

Die Pharmakologie beschäftigt sich mit derWirkung eines Arzneistoffs auf Mensch oderTier. Ein Pharmakon (Arzneistoff) dient derVerhinderung, Heilung oder Linderung vonKrankheiten.

Arzneimittel enthalten den Arzneistoff ineiner geeigneten Zubereitungsform (Formu-lierung). Meist enthalten sie auch verschiede-ne Hilfsmittel.

Die Hersteller vermarkten Arzneimittel untergeschützten Markennamen. Von der WHOwerden für alle Pharmaka Freinamen (genericname) festgelegt. Generika sind Arzneimittel,die günstig unter dem Freinamen vermarktetwerden. Dies ist erst nach Ablauf des Patent-schutzes möglich.

Die Allgemeine Pharmakologie beschreibtGesetzmäßigkeiten, die für alle Pharmakagleichermaßen gelten. Die Spezielle Pharma-kologie beschäftigt sich mit Aspekten dereinzelnen Pharmaka. Die ExperimentellePharmakologie beinhaltet Versuche an Tie-ren oder isolierten Zellen. Die Klinische Phar-makologie untersucht die Wirkung am Men-schen.

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2 PharmakodynamikA

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2.1 Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182.2 Mechanismen der Pharmakonwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182.3 Quantitative Aspekte der Pharmakonwirkung . . . . . . . . . . . . . . . 232.4 Qualitative Dosis-Wirkungs-Kurven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312.5 Pharmakodynamische Ursachen der Variabilität von

Pharmakonwirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33

2.1 Definition2.1 Definition

▶Definition. ▶Definition. Die Pharmakodynamik beschreibt den Aspekt der Wechselwirkungenzwischen Arzneimitteln bzw. Pharmaka und Mensch oder Tier, der sich mit denPharmakonwirkungen beschäftigt. Sie untersucht Art und Ort der Pharmakonwir-kungen und widmet sich den Wirkungsmechanismen.

2.2 Mechanismen der Pharmakonwirkung2.2 Mechanismen derPharmakonwirkung

Die meisten Pharmakonwirkungen werden durch Bindung des Pharmakons an zellu-läre Proteine vermittelt. Diese lassen sich in Rezeptoren und rezeptorähnliche Pro-teine (z. B. Enzyme, Transporter) unterteilen. Nur wenige Pharmaka wirken ohneMithilfe eines körpereigenen Proteins.

2.2.1 Rezeptorvermittelte Wirkungen2.2.1 Rezeptorvermittelte Wirkungen

Rezeptoren gehören zu einer Familie zellulärer Proteine, deren Aufgabe es ist, Wir-kungen körpereigener Signalstoffe (z. B. Transmitter, Hormone, Wachstumsfaktoren)zu vermitteln. Sie haben zwei Funktionen:■ Sie binden den Signalstoff.■ Sie initiieren über rezeptorspezifische Transduktionswege ein Signal, das zelluläreFunktionen anregt oder hemmt.

Über viele solche Rezeptoren wirken auch Pharmaka. Man unterscheidet dabei Ago-nisten, die Rezeptoren aktivieren, von Antagonisten, die Rezeptoren nicht aktivierenund/oder in ihrer Funktion unterdrücken. Die verschiedenen Gruppen von Rezepto-ren sind schematisch in Abb. A-2.1 dargestellt. Man kennt membranständige und in-trazelluläre Rezeptoren.

⊙ A-2.1 ⊙ A-2.1 Schematische Darstellung der verschiedenen Rezeptorarten

NH2

HOOC

Pr Y Pr PY

AgonistTransmitter

Insulin,ZytokinANP HormonHormon

Effektor-protein

Zell-membran

Veränderung derGentranskription

innen

außen

A B

54321

R RR

R

α βγ

1: G-Protein-gekoppelte Rezeptoren, 2: Ionenkanal-Rezeptoren, 3: Enzymrezeptoren (am Bei-spiel des Rezeptors für das atriale natriuretische Peptid = ANP), 4: Rezeptoren mit assoziierterTyrosinkinase-Aktivität, 5: intrazelluläre Rezeptoren. R: Rezeptor; α, β und γ: Untereinheitendes heterotrimeren G-Proteins; Pr: Protein; -Y: Tyrosinrest; -Y-P: phosphorylierter Tyrosinrest.

Meist entsteht die Wirkung durch Bindungdes Pharmakons an zelluläre Proteine (v. a.Rezeptoren).

Rezeptoren vermitteln Wirkungen körper-eigener Signalstoffe. Sie haben zwei Funktio-nen:■ Bindung des Signalstoffs■ Initiation eines Signals, das zelluläre Funk-tionen anregt oder hemmt.

Agonisten aktivieren Rezeptoren, Antagonis-ten unterdrücken ihre Funktion. Es gibtmem-branständige und intrazelluläre Rezeptoren(Abb. A-2.1).

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Membranständige Rezeptoren Membranständige Rezeptoren

Man unterscheidet G-Protein-gekoppelte Rezeptoren, Ionenkanal-Rezeptoren, En-zymrezeptoren und Rezeptoren mit assoziierter Tyrosinkinase (Nr. 1–4 inAbb. A-2.1).

G-Protein-gekoppelte Rezeptoren G-Protein-gekoppelte Rezeptoren

▶ Synonym.▶ Synonym. Metabotrope Rezeptoren.

Diese Rezeptoren sind Membranproteine mit sieben transmembranären α-Helicessowie extrazellulärem N- und intrazellulärem C-Terminus (Nr. 1 in Abb. A-2.1). Siewerden auch als heptahelikale Rezeptoren bezeichnet. Sie vermitteln Wirkungenvon vielen Transmittern und Hormonen. Der Signaltransduktionsweg dieser Rezep-toren verläuft in vier Phasen:■ Der Agonist (z. B. Transmitter) bindet an seine extrazelluläre Bindungsstelle amRezeptor und ruft eine Konformationsänderung des Rezeptorproteins hervor(Abb. A-2.2).

■ Die Konformationsänderung des Rezeptors triggert die Aktivierung des mit demRezeptor intrazellulär assoziierten heterotrimeren G-Proteins, indem das an diesesProtein gebundene GDP durch GTP ersetzt wird (G-Protein =Guaninnukleotid-bin-dendes Protein).

■ Das aktivierte G-Protein zerfällt in seine GTP-bindende α-Untereinheit und denβγ-Komplex, die beide jeweils unabhängig voneinander verschiedene membran-ständige Effektorproteine (Enzyme oder Ionenkanäle) aktivieren oder hemmenkönnen (Abb. A-2.2). Die Folge ist ein Konzentrationsanstieg oder -abfall intrazel-lulärer Botenstoffe (Second Messenger).

■ Das durch Bindung des Agonisten an den Rezeptor initiierte Signal wird nach Hy-drolyse von GTP zu GDP beendet (die α-Untereinheit hat GTPase-Aktivität). Da-durch kehrt das G-Protein in seinen inaktiven Zustand (trimerer Proteinkomplexmit gebundenem GDP) zurück.

▶Merke.▶Merke. Die Komplexität des Transduktionsmechanismus von G-Protein-gekop-pelten Rezeptoren erklärt, warum es sich um relativ „langsame“ Rezeptoren han-delt. Trotzdem kommen die durch solche Rezeptoren vermittelten Wirkungen in-nerhalb von Sekunden zustande.

Es gibt eine Vielzahl von G-Protein-gekoppelten Rezeptoren. Hier sollen exempla-risch einige erwähnt werden, und zwar geordnet nach der Art der assoziierten G-Protein-Familie (Tab. A-2.1).

⊙ A-2.2⊙ A-2.2 Schema der G-Protein-vermittelten Signaltransduktion

Regulation derAktivität eines

Effektormoleküls

Bindung an den RezeptorKonformationsänderung

des Rezeptors

Aktivierungdes G-Proteins,Abdissoziation deraktiven α-Untereinheit

Gαβγ Gαβγ

Gα Gβγ

Agonist

Hauptweg

zusätzlicher Aktivierungsweg

Effektor

Gβγ

Effektor

EffektorGα

heptahelikalerRezeptor

(nach Behrends et al., Duale Reihe Physiologie, Thieme, 2012)

Verschiedene Typen sind in Abb. A-2.1(Nr. 1– 4) dargestellt.

Diese Rezeptoren (Nr. 1 in Abb. A-2.1) wer-den aufgrund ihrer Struktur auch als hepta-helikale Rezeptoren bezeichnet. Der Signal-transduktionsweg verläuft in vier Phasen:■ Der Agonist löst durch Bindung an den Re-zeptor eine Konformationsänderung aus(Abb. A-2.2).

■ Dies aktiviert das intrazellulär assoziierteG-Protein.

■ Dieses zerfällt in zwei Proteinuntereinhei-ten (Gβγ und Gα in Abb. A-2.2), welche dieKonzentration intrazellulärer Botenstoffesteigern oder senken können.

■ Das Signal endet durch Hydrolyse von GTP,das G-Protein wird wieder inaktiv.

Wichtige G-Protein-gekoppelte Rezeptorens. Tab. A-2.1.

A 2.2 Mechanismen der Pharmakonwirkung 19

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≡ A-2.1 Familien von G-Proteinen und die von ihnen angesteuerten Effektorproteine

G-Protein Aktivierung z. B. durch Bindung von aktivierte G-Protein-Untereinheit

Auswirkung auf Effektorproteine und SecondMessenger

Gs ■ Noradrenalin an β-Rezeptoren■ Histamin an H2-Rezeptoren

α Aktivierung der Adenylatcyclase (cAMP↑)

Gi/o ■ Noradrenalin an α2-Rezeptoren

■ Acetylcholin an M2-Muskarinrezeptoren

■ Morphin an µ-Opioidrezeptoren

α Hemmung der Adenylatcyclase (cAMP↓)

βγ Öffnung von einwärtsgleichrichtenden K+-KanälenBlockade spannungsabhängiger neuronaler Ca2+-KanäleAktivierung der Isoenzyme β2 und β3 der PhospholipaseCβ (IP3↑ und DAG↑)

Gq/11 ■ Noradrenalin an α1-Rezeptoren

■ Acetylcholin an M1-Muskarinrezeptoren

■ Serotonin (5-HT) an 5-HT2-Rezeptoren

α Aktivierung der Isoenzyme β1 und β4 der PhospholipaseCβ (IP3↑ und DAG↑)

Gs-Protein-assoziierte Rezeptoren: Die Bindung eines Agonisten an den Rezeptor(Beispiele s. Tab. A-2.1) stimuliert über die α-Untereinheit des Gs-Proteins die Ade-nylatcyclase, wodurch die Synthese von zyklischem Adenosin-3´,5´-monophosphat(cAMP) zunimmt. Der Anstieg der intrazellulären cAMP-Konzentration führt zur Ak-tivierung der cAMP-abhängigen Proteinkinase A (PKA), die Serin- und Threoninresteverschiedener Proteine phosphoryliert. PKA-Substrate sind beispielsweise:■ L-Typ-Ca2+-Kanäle in Herzmuskelzellen, deren Phosphorylierung die Öffnungs-wahrscheinlichkeit der spannungsabhängigen Kanäle erhöht und zum Einstromvon Ca2+ führt, der letztlich für eine positiv inotrope Wirkung sorgt;

■ Enzyme des Fett- und Glykogenstoffwechsels in Leber- und Muskelzellen, derenPhophorylierung zur vermehrten Bereitstellung von Glukose führt;

■ eine spezielle Myosinkinase in glatten Gefäßmuskelzellen, deren Phosphorylie-rung zur Erschlaffung glatter Muskelzellen führt.

▶Klinischer Bezug. ▶Klinischer Bezug. Choleratoxin, das Toxin des gramnegativen Bakteriums Vibriocholerae, blockiert in Enterozyten die GTPase der α-Untereinheit von Gs. Dies führtzu einer persistierenden Aktivierung dieses G-Proteins und damit auch der Ade-nylatcyclase und der PKA. Als Folge scheiden die Enterozyten große Mengen vonChlorid, gefolgt von Wasser, ins Darmlumen aus. So kommt es zu massiven wäss-rigen Durchfällen, die unbehandelt zum hypovolämischen Schock mit Nierenver-sagen und dadurch zum Tode führen. Deshalb ist die frühzeitige Therapie durch ora-le und intravenöse Zufuhr der sog. WHO-Lösung sehr wichtig. Sie setzt sich zusam-men aus 20 g Glukose, 3,5 g NaCl, 3 g Natriumcitrat und 1,5 g KCl in 1 l Wasser.

Gi/o-Protein-assoziierte Rezeptoren: Nach Bindung eines Agonisten an den Rezeptor(Beispiele s. Tab. A-2.1) hemmt die α-Untereinheit der Gi/o-Proteine die Adenylatcy-clase, wodurch die Synthese von cAMP abnimmt. Der βγ-Komplex von Gi/o kann meh-rere Effektoren ansteuern und blockieren oder aktivieren (Tab. A-2.1). Die Blockadeneuronaler Ca2+-Kanäle führt zur Hemmung der Transmitterfreisetzung, die Öffnungeinwärtsgleichrichtender K+-Kanäle (z. B. in Herzmuskelzellen oder Neuronen) beein-trächtigt die zelluläre Erregbarkeit. Der βγ-Komplex aktivierter Gi/o-Proteine erhöhtaber auch die katalytische Aktivität einiger membranständiger Enzyme. Das gilt ins-besondere für die Phospholipase Cβ (PLCβ). Dieses Enzym katalysiert die Hydrolysevon Phosphatidylinositol-4,5-bisphosphat (PIP2) zu Inositol-1,4,5-trisphosphat (IP3)und Diacylglycerol (DAG). Letztere fungieren als Second Messenger: IP3 setzt Ca2+ ausintrazellulären Speichern frei, DAG aktiviert verschiedene Isoenzyme der Proteinkina-se C (PKC). Die PKC phosphoryliert Serin- und Threoninreste von Proteinen, die fürdas Zellwachstum und die Zelldifferenzierung von Bedeutung sind.

▶Klinischer Bezug. ▶Klinischer Bezug. Pertussistoxin, das Toxin des gramnegativen Bakteriums Bordetellapertussis, des Keuchhustenerregers, blockiert irreversibel die rezeptorvermittelte Akti-vierung der Familie der Gi/o-Proteine. Die funktionellen Konsequenzen sind vielfältig.So setzen z.B. die B-Zellen der Langerhans-Inseln vermehrt Insulin frei (Folge: Neigungzu Hypoglykämien) und die Lymphozytenmigration wird gehemmt (Folge: Lymphozy-tose, ein typischer Befund bei Keuchhusten). Der Husten ist Folge der bakteriellen Ent-zündung der mit Flimmerepithelien ausgestatteten Schleimhaut der Atemwege.

Gs-Protein-assoziierte Rezeptoren: Der Re-zeptoragonist (s. Tab. A-2.1) stimuliert überdas Gs-Protein die Adenylatcyclase. Die ge-steigerte cAMP-Konzentration aktiviert dieProteinkinase A (PKA). Deren Substratesind:■ Ca2+-Kanäle in Herzmuskelzellen→ positivinotrope Wirkung

■ Enzyme des Fett- und Glykogenstoffwech-sels→ Glukosebereitstellung

■ Myosinkinase in glatten Gefäßmuskelzellen→ Erschlaffung

Gi/o-Protein-assoziierte Rezeptoren: Der sti-mulierte Rezeptor (s. Tab. A-2.1) hemmt dieAdenylatcyclase (cAMP↓). Die Blockadeneuronaler Ca2+-Kanäle hemmt die Trans-mitterfreisetzung, die Öffnung einwärts-gleichrichtender K+-Kanäle beeinträchtigtdie zelluläre Erregbarkeit. Gi/o-Proteine erhö-hen die katalytische Aktivität der Phospholi-pase Cβ (PIP2 → IP3 +DAG). IP3 setzt Ca2+ ausintrazellulären Speichern frei, DAG aktiviertdie Proteinkinase C (PKC), die Zellwachstumund Zelldifferenzierung fördert.

20 A 2 Pharmakodynamik

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Gq/11-Protein-assoziierte Rezeptoren: Nach Bindung eines Agonisten an den Rezep-tor (Beispiele s. Tab. A-2.1) stimuliert die α-Untereinheit der Gq/11-Proteine diePhospholipase Cβ. Die Folge ist eine vermehrte Bildung von IP3 und DAG mit denoben beschriebenen Konsequenzen.

Ionenkanal-Rezeptoren Ionenkanal-Rezeptoren

▶ Synonym.▶ Synonym. Ionotrope Rezeptoren.

Ionenkanal und Rezeptor sind Teil ein und desselben Proteinkomplexes (Nr. 2 inTab. A-2.1). Dieser besteht meist aus 5 Untereinheiten, die so in der Membran ange-ordnet sind, dass ihre α-helikalen Strukturen selbst oder zusätzlich ausgebildete ka-nalbildende Domänen eine zentrale Pore umschließen. Die Bindungsstellen für denendogenen Agonisten (z. B. Transmitter) finden sich extrazellulär an einer der Ka-naluntereinheiten.Typische Beispiele sind:■ Nikotinischer Acetylcholinrezeptor: Er erhöht die transmembranäre Leitfähigkeitfür Na+ und K+ (Beispiel: der nikotinische Rezeptor der motorischen Endplatte,Abb. A-2.3). Die Aktivierung des Rezeptors führt zur Depolarisation und zur zellu-lären Erregung.

■ GABAA-Rezeptor: Dieser Rezeptor für γ-Aminobuttersäure (GABA) erhöht dietransmembranäre Leitfähigkeit für Cl–-Ionen. Die Aktivierung des Rezeptors führtzum Einstrom von Cl–, zur Hyperpolarisation und zur Abnahme der zellulären Er-regbarkeit.

■ Serotoninrezeptor vom Typ 5-HT3 (5-HT3-Rezeptor): Er erhöht die transmembra-näre Leitfähigkeit für Na+und K+ und ruft eine zelluläre Erregung hervor.

▶Merke.▶Merke. Ionotrope Rezeptoren sind „sehr schnelle“ Rezeptoren. Wenn sie durchBindung eines Agonisten erregt werden, treten die vermittelten Wirkungen inner-halb von Millisekunden auf.

Enzymrezeptoren Enzymrezeptoren

Rezeptoren mit inhärenter Enzymaktivität (Nr. 3 in Abb. A-2.1) nennt man Enzym-rezeptoren. Typische Beispiele sind Rezeptoren für natriuretische Peptide(Abb. A-2.4b). Die extrazelluläre Domäne dieser Rezeptoren bindet den Agonisten.Die intrazelluläre Domäne besitzt Guanylatcyclase-Aktivität. Die membrangebunde-ne Guanylatcyclase (GC) wird auch partikuläre GC (GCp) genannt, zur Unterschei-dung von der löslichen GC (GCs), die durch Stickstoffmonoxid (NO) aktiviert wird.Die Stimulation der GC führt zur Bildung des Second Messenger cGMP. cGMP-ab-hängige Proteinkinasen (PKG) phosphorylieren in glatten Gefäßmuskelzellen ganzverschiedene Proteinsubstrate und bewirken so eine Erschlaffung der glatten Gefäß-muskulatur. Typische Proteinsubstrate sind:■ IP3-Rezeptor und ein IP3-Rezeptor-assoziiertes Protein: Dadurch wird die IP3-indu-zierte Freisetzung von Ca2+ aus dem endoplasmatischen Retikulum der Muskelzel-len reduziert.

⊙ A-2.3⊙ A-2.3 Der nikotinische Acetylcholinrezeptor der motorischen Endplatte

extrazellulär

intrazellulär

Acetylcholin Acetylcholin

ε δα1 α1

K+

Na+

β1

Der Rezeptor besteht aus 5 Untereinheiten(2-mal α1 und jeweils 1-mal β1, δ und ε), diealle die Membran viermal durchdringen undzusammen einen Kanal bilden. Die Bindungvon Acetylcholin (Ach) an die beiden α1-Unter-einheiten erhöht die Öffnungswahrscheinlich-keit des Kanals und bewirkt so einen Einstromvon Na+ und einen Ausstrom von K+ und da-mit eine Depolarisation der motorischen End-platte.

Gq/11-Protein-assoziierte Rezeptoren: NachAktivierung des Rezeptors (Tab. A-2.1) stimu-liert die α-Untereinheit die PhospholipaseCβ (mit o. g. Folgen).

Ionenkanal und Rezeptor liegen in einem Pro-teinkomplex (Nr. 2 in Tab. A-2.1). Die Bin-dungsstellen für Liganden befinden sich extra-zellulär.

Beispiele:■ Nikotinischer Acetylcholinrezeptor(Abb. A-2.3): Löst über Na+ und K+ eine De-polarisation und zelluläre Erregung aus.

■ GABAA-Rezeptor: Verursacht über den Ein-strom von Cl–-Ionen eine Hyperpolarisationund Abnahme der zellulären Erregbarkeit.

■ 5-HT3-Rezeptor: Führt über den Einstromvon Na+und Ausstrom von K+ zu zellulärerErregung.

Enzymrezeptoren besitzen eine inhärente En-zymaktivität (Nr. 3 in Abb. A-2.1). Sie besit-zen intrazellulär eine Guanylatcyclase-Aktivi-tät (Abb. A-2.4b), verantwortlich für die Bil-dung des Second Messenger cGMP. cGMP-ab-hängige Proteinkinasen (PKG) führen zurErschlaffung glatter Gefäßmuskulatur überdie Phosphorylierung verschiedener Protein-substrate: IP3-Rezeptoren und ein assoziier-tes Protein, die Myosin-Leichtketten-Phos-phatase und Ca2+-aktivierte K+-Kanäle.

A 2.2 Mechanismen der Pharmakonwirkung 21

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■ Myosin-Leichtketten-Phosphatase: Dadurch wird das Enzym aktiviert und dieleichte Kette des Myosins vermehrt dephosphoryliert.

■ Ca2+-aktivierte K+-Kanäle: Dadurch werden diese Kanäle aktiviert, die Muskelzel-len durch den vermehrten Ausstrom von K+ hyperpolarisiert und spannungs-abhängige Ca2+-Kanäle geschlossen.

Insulinrezeptor: Er besteht aus 2 α- und 2 β-Untereinheiten (Abb. A-2.4a). Insulinbindet an die 2 extrazellulären α-Untereinheiten und bewirkt eine Konformations-änderung der beiden transmembranären β-Untereinheiten. Dadurch wird die Tyro-sinkinase (Y-Kinase) in den β-Untereinheiten aktiviert und phosphoryliert Tyrosin-reste der β-Untereinheiten. Diese Autophosphorylierung generiert an den β-Unter-einheiten Bindungsstellen für die Adapterproteine IRS (Insulinrezeptor-Substrate),die ebenfalls tyrosinphosphoryliert werden. Die phosphorylierten IRS binden an Ef-fektormoleküle (z. B. die Phosphatidylinositol-3-Kinase [PI3-Kinase]) sowie weitereAdapterproteine, die das kleine (monomere) G-Protein Ras aktivieren (Ras steht fürRattensarkomvirus). Die aktivierte PI3-Kinase aktiviert die Proteinkinase B (PKB)und C (PKC), die für insulinbedingte Änderungen im Kohlenhydrat-, Lipid- und Ei-weißstoffwechsel (S.405) verantwortlich sind. So sorgt die PKB z. B. für die vermehr-te Translokation des Glukosetransporters GLUT4 in die Plasmamembran von Ske-lettmuskelzellen und damit für die insulininduzierte Glukoseaufnahme in den Ske-lettmuskel. Die Ras-Kaskade induziert über die Expression zahlreicher Gene dasWachstum und die Differenzierung von Zellen.

Rezeptoren mit assoziierter EnzymaktivitätRezeptoren mit assoziierter Enzymaktivität

Rezeptoren für Erythropoetin, Interferone, viele andere Zytokine und Insulin habenkeine inhärente Enzymaktivität. Sie binden ihre Agonisten und aktivieren dann einemit dem Rezeptorprotein assoziierte Tyrosinkinase, die den Rezeptor selbst undweitere intrazelluläre Substrate tyrosinphosphoryliert (Nr. 4 in Abb. A-2.1).

Intrazelluläre RezeptorenIntrazelluläre Rezeptoren

Steroidhormone, Schilddrüsenhormone, Vitamin D und Retinoide sind so lipophil,dass sie Zellmembranen leicht durchdringen können. Sie binden an intrazelluläreRezeptoren (Nr. 5 in Abb. A-2.1), die im Zytosol an inaktivierende Proteine gebun-den vorliegen. Die Bindung des Agonisten (z. B. Steroidhormon) an den Rezeptorführt zunächst zur Ablösung der inaktivierenden Proteine. Der Agonist-Rezeptor-Komplex bindet dann an einen anderen Agonist-Rezeptor-Komplex und gelangt alsDimer in den Zellkern. Dort bindet der dimere Komplex an für den Agonisten spezi-fische DNA-Sequenzen und fördert oder hemmt die Transkription bestimmter Ziel-gene. Intrazelluläre Hormonrezeptoren steuern auf diesem Wege die Expressionzahlreicher Gene.

⊙ A-2.4 ⊙ A-2.4 Beispiele für Rezeptoren mit assoziierter (a) oder inhärenter (b) Enzymakti-vität

P

P

P

P P

P

P

GTP

Insulin

Rezeptor

cGMP

ANP

PI3-Kinase Proteinkinase Ba b

α α

β β

IRSY-Ki

nase

Y-Ki

nase

GC

a Insulinrezeptor. Y-Kinase: Tyrosinkinase; IRS: Insulinrezeptor-Substrat; PI3-Kinase:Phosphatidylinositol-3-Kinaseb ANP-Rezeptor. ANP: atriales natriuretisches Peptid; GC: Guanylatcyclase(a nach Behrends et al., Duale Reihe Physiologie, Thieme, 2012; b nach Rassow et al., Duale Reihe Biochemie, Thieme, 2012)

Insulinrezeptor: Seine Aktivierung bewirktdie Autophosphorylierung der β-Unterein-heiten (Abb. A-2.4a). Dadurch entstehen Bin-dungsstellen für IRS (Insulinrezeptor-Sub-strate), die ebenfalls tyrosinphosphoryliertwerden. Die phosphorylierten IRS binden anEffektormoleküle und aktivieren über das klei-ne G-Protein Ras die Proteinkinasen B und C,welche für insulinbedingte Änderungen imKohlenhydrat-, Lipid- und Eiweißstoffwechselverantwortlich sind (S.405).

Rezeptoren für Erythropoetin, Interferon β,viele andere Zytokine und Insulin haben keineinhärente Enzymaktivität.

Steroidhormonen, Schilddrüsenhormonen, Vi-tamin D und Retinoide binden an intrazellulä-re Rezeptoren (Nr. 5 in Abb. A-2.1). Der Ago-nist-Rezeptor-Komplex gelangt nach Dimeri-sierung in den Zellkern und steuert dort dieTranskription bestimmter Zielgene.

22 A 2 Pharmakodynamik

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▶Merke.▶Merke. Wirkungen, die durch Aktivierung solcher intrazellulärer Rezeptoren ver-mittelt werden, zeigen typischerweise einen um mehrere Minuten verzögerten Be-ginn und eine auffällige Persistenz der Wirkung. Die Wirkung hält auch dann nochan, wenn das die Wirkung auslösende Pharmakon längst aus dem Körper ver-schwunden ist.

2.2.2 Durch rezeptorähnliche Proteine vermittelteWirkungen

2.2.2 Durch rezeptorähnliche Proteinevermittelte Wirkungen

Der Begriff „rezeptorähnliche Proteine“ umfasst zelluläre Proteine, die nicht dieWirkungen von Transmittern, Hormonen oder Zytokinen vermitteln, sondern ande-re Aufgaben in der Zelle haben. Die Funktion dieser Proteine kann durch Bindungvon Pharmaka verändert werden. Zu ihnen gehören:■ Enzyme, wie z. B. die Na+-K+-ATPase, die durch Digitalisglykoside gehemmt wird,oder die lösliche zytoplasmatische Guanylatcyclase (s. Abb. B-4.4), die durch Ni-trovasodilatatoren aktiviert wird.

■ Ionenkanäle, wie z. B. spannungsabhängige Na+-Kanäle, die durch Lokalanästhe-tika (S.149) blockiert werden, oder ATP-empfindliche einwärtsgleichrichtende K+-Kanäle (s. Abb. B-3.7), die durch KATP-Kanalöffner aktiviert werden.

■ Transporter, wie z. B. die neuronalen Noradrenalin- oder Serotonintransporter, diedurch bestimmte Antidepressiva blockiert werden, und Elektrolyttransporter inden Tubuluszellen der Niere, die durch Diuretika blockiert werden.

■ Zelluläre Strukturproteine, wie z. B. Mikrotubuli, deren vielfältige Funktionendurch Vinca-Alkaloide (z. B. Vinblastin) oder Taxane (z. B. Paclitaxel) blockiertwerden.

2.2.3 Anders vermittelte Wirkungen 2.2.3 Anders vermittelte Wirkungen

Es gibt nur einige wenige Pharmakonwirkungen, die nicht durch Wechselwirkungenmit zellulären Proteinen zustande kommen. Dazu gehören z. B.:■ Antazida: Sie wirken durch Neutralisation der Magensäure.■ osmotisch wirkende Diuretika und Laxanzien: Sie wirken durch Bindung von Was-ser.

■ Aktivkohle und Colestyramin: Beide wirken durch Bindung von Pharmaka oderGallensäuren im Magen-Darm-Kanal.

■ Schwermetallantidote (z. B. EDTA, Deferoxamin): Sie wirken durch Chelatbildung.

2.3 Quantitative Aspekte derPharmakonwirkung

2.3 Quantitative Aspekte derPharmakonwirkung

2.3.1 Kinetik der Pharmakon-Rezeptor-Interaktion 2.3.1 Kinetik der Pharmakon-Rezeptor-Interaktion

Für die Interaktion zwischen Pharmakon und Rezeptor (oder rezeptorähnlichenProteinen) gibt es zwei hypothetische Modellvorstellungen (Abb. A-2.5):■ Das bimolekulare Modell (Abb. A-2.5a) beschreibt die Interaktion zwischen Phar-makon und Rezeptor als reversible Bindung des Pharmakons an den Rezeptor. Esgeht von der Hypothese aus, dass die Bildung des Pharmakon-Rezeptor-Komple-xes zur Aktivierung des Rezeptors führt und über eine Änderung der Funktionnachgeschalteter Effektorproteine die Pharmakonwirkung hervorruft. Bindung anden Rezeptor und Aktivierung des Rezeptors sind zwei aufeinander folgendeSchritte beim Zustandekommen rezeptorvermittelter Wirkungen. Die molekula-ren Mechanismen der Rezeptoraktivierung schließen die im Kap. „Mechanismender Pharmakonwirkung“ (S.18) besprochenen Effektorsysteme ein.

■ Beim Modell der zwei Konformationszustände des Rezeptors (Abb. A-2.5b) stehenein inaktiver (Ri) und ein aktiver (Ra) Konformationszustand des Rezeptors auch inAbwesenheit von Pharmaka in einem Gleichgewicht, das abhängig von der Art desGewebes oder Organs Ri in unterschiedlichem Ausmaß bevorzugt. Pharmaka kön-nen über eine reversible Bindung an die beiden Rezeptorzustände dieses Gleich-gewicht verändern. Das Ausmaß der Aktivierung des Rezeptors wird in diesemModell von der relativen Affinität des Pharmakons für Ri und Ra bestimmt.

Beispiele für „rezeptorähnliche Proteine“:■ Enzyme: Na+-K+-ATPase (Hemmung durchDigitalisglykoside), lösliche Guanylatcyclase(Aktivierung durch Nitrovasodilatatoren,s. Abb. B-4.4).

■ Ionenkanäle: Na+-Kanäle, die durch Lokal-anästhetika (S.149) blockiert werden, ATP-empfindliche K+-Kanäle (s. Abb. B-3.7) (Ak-tivierung durch KATP-Kanalöffner).

■ Transporter: Noradrenalin- oder Serotonin-transporter (Hemmung durch Antidepressi-va), renale Elektrolyttransporter (Hemmungdurch Diuretika).

■ Zelluläre Strukturproteine: Mikrotubuli(Funktionsbeeinträchtigung durch Vinca-Alkaloide/Taxane).

Bei wenigen Pharmaka wird die Wirkung nichtzelluläre Proteine vermittelt. Beispiele sindAntazida, osmotisch wirkende Diuretika undLaxanzien, Aktivkohle und Colestyramin sowieSchwermetallantidote.

Es existieren zwei Modelle (Abb. A-2.5):■ Bimolekulares Modell (Abb. A-2.5a): DieInteraktion von Pharmakon und Rezeptorist reversibel. Im ersten Schritt erfolgt dieBindung, im zweiten Schritt die Aktivie-rung des Rezeptors, s. a. Kap. „Mechanis-men der Pharmakonwirkung“ (S.18).

■ Modell der zwei Konformationszuständedes Rezeptors (Abb. A-2.5b): Ein inaktiver(Ri) und ein aktiver (Ra) Zustand des Rezep-tors stehen in einem Gleichgewicht. EinePharmakonbindung ist an beide Zuständemöglich und verändert das Gleichgewicht.

A 2.3 Quantitative Aspekte der Pharmakonwirkung 23

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▶Merke. ▶Merke. Die Bindung des Pharmakons an den Rezeptor wird von der Affinität desPharmakons zum Rezeptor bestimmt. Für die Intensität der Rezeptoraktivierung istdie intrinsische Aktivität ausschlaggebend.

AffinitätAffinität

▶Definition. ▶Definition. Als Affinität bezeichnet man die Stärke, mit der das Pharmakon an dasRezeptorprotein bindet.

Die Affinität ist eine Eigenschaft des untersuchten Pharmakons und des Rezeptors.In Rezeptor-Bindungs-Experimenten kann die Stärke der Pharmakonbindung anden Rezeptor direkt gemessen werden. Membranfragmente mit hoher Rezeptor-dichte werden mit steigenden Pharmakonkonzentrationen inkubiert und die gebun-dene Pharmakonmenge wird gegen die Konzentration aufgetragen (Abb. A-2.6). Esergeben sich die aus der Enzymkinetik bekannten Sättigungskurven, aus denen dieKonzentration ermittelt werden kann, bei der die Hälfte der verfügbaren Rezepto-ren das Pharmakon gebunden hat. Diese Konzentration entspricht der Dissoziations-konstanten (KD = k –1/k1). Die maximal gebundene Pharmakonmenge sagt etwasüber die Rezeptordichte auf den untersuchten Membranen aus.

▶Merke. ▶Merke. Die Dissoziationskonstante KD – die Pharmakonkonzentration, bei der50% der verfügbaren Rezeptoren mit dem Pharmakon besetzt sind – ist ein Maßfür die Affinität, mit der das Pharmakon an den Rezeptor bindet: je niedriger KD,umso höher die Affinität (Affinität ~1/KD).Eselsbrücke: Ein niedriger KD-Wert geht mit einer niedrigen Dissoziations-geschwindigkeit des Rezeptor-Pharmakon-Komplexes einher, d. h. das Pharmakon„klebt am Rezeptor“ (bindet mit hoher Affinität).

⊙ A-2.5 Kinetische Modelle der Pharmakon-Rezeptor-Interaktion

Ri Ra

PAgonist + R Wirkung PR

Wirkung

+ R PAntagonist PR

Aktivierung(intrinsische Aktivität)

Bindung(Affinität)

k1

k1

k–1

k–1

a

b

a Bimolekulares Modell. P: Pharmakon; PAgonist:Agonist; PAntagonist: Antagonist; R: Rezeptor; PR:Pharmakon-Rezeptor-Komplex; k1: Geschwindig-keitskonstante für die Assoziation des Pharma-kons an den Rezeptor; k– 1: Geschwindigkeits-konstante für die Dissoziation des Pharmakonsvom Rezeptor.b Modell der zwei Konformationszuständedes Rezeptors. Ri: inaktiver Konformations-zustand des Rezeptors; Ra: aktiver Konformati-onszustand des Rezeptors.

⊙ A-2.6 ⊙ A-2.6 Sättigungskinetik der Bindung eines Pharmakons an einen Rezeptor

a b

0

50

100

Pharmakonkonzentration (lineare Skala)

Reze

ptor

bese

tzun

g [%

]

0

50

100

Pharmakonkonzentration (log. Skala)

Reze

ptor

bese

tzun

g [%

]

KDKD

Das Ausmaß der prozentualen Rezeptorbesetzung ist als Funktion der Pharmakonkonzentrati-on dargestellt. Die Dissoziationskonstante KD ist die Pharmakonkonzentration, bei der dieHälfte (50%) der verfügbaren Rezeptoren mit dem Pharmakon besetzt ist.a Lineare Skala der Abszisse.b Logarithmische Skala der Abszisse.

In Rezeptor-Bindungs-Experimenten kann dieStärke der Pharmakonbindung an den Rezep-tor direkt gemessen werden (Abb. A-2.6). Diemaximal gebundene Pharmakonmenge sagtetwas über die Rezeptordichte auf den unter-suchten Membranen aus.

24 A 2 Pharmakodynamik

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Intrinsische Aktivität Intrinsische Aktivität

▶ Synonym.▶ Synonym. Intrinsic activity, relative efficacy.

▶Definition.▶Definition. Die intrinsische Aktivität eines Pharmakons ist eine relative Größe, inder das Maximum der Wirkungsintensität des Pharmakons in Bezug gesetzt wird zuder im untersuchten Gewebe (an den dort vorhandenen Rezeptoren) maximal mög-lichen Wirkungsintensität. Mit anderen Worten, die intrinsische Aktivität einesPharmakons ergibt einen Wert kleiner oder gleich 1,0:

intrinsische Aktivität ¼ maximale Wirkungsintensität des untersuchten Pharmakonsmaximal mögliche Wirkungsintensität im Gewebe

� 1;0

Das Ausmaß der Wirkung eines Pharmakons nimmt mit steigender Pharmakonkon-zentration bis zum Erreichen des Wirkungsmaximums zu. Diese Beziehung wirdKonzentrations-Wirkungs-Kurve (Abb. A-2.7) genannt. Dabei hängt die Intensitätder Wirkung, die die Rezeptoren im untersuchten Gewebe vermitteln, nicht nur vonder Art und der Konzentration des Pharmakons ab, sondern wird auch von der Re-zeptordichte im untersuchten Gewebe mitbestimmt. Die intrinsische Aktivität istalso eine Eigenschaft des Pharmakons und des untersuchten Gewebes oder Organs.

Nach der Höhe der intrinsischen Aktivität unterscheidet man vier Gruppen vonPharmaka, die schematisch mit ihren Konzentrations-Wirkungs-Kurven inAbb. A-2.8a gezeigt sind:■ Volle Agonisten rufen die maximal mögliche Wirkungsintensität hervor (siehez. B. der α-Rezeptor-Agonist Phenylephrin in Abb. A-2.8b). Sie haben also diehöchstmögliche intrinsische Aktivität, die per definitionem 1,0 beträgt(Abb. A-2.8a). Sie sind meist auch besonders effizient, was die Koppelung zwi-schen Rezeptorbesetzung und Aktivierung der zellulären Effektorsysteme angeht.Das ist in Abb. A-2.8c dargestellt, wo gezeigt ist, dass der volle Agonist Phenyleph-rin nur 7% der vorhandenen Rezeptoren besetzen muss, um eine halbmaximaleWirkung zu erzielen. Im Modell der zwei Konformationszustände des Rezeptors(Abb. A-2.5b) sind volle Agonisten durch eine sehr hohe Affinität zu Ra relativ zu Ri

charakterisiert und verschieben das Gleichgewicht zwischen Ra und Ri ganz aufdie Seite von Ra.

⊙ A-2.7 Konzentrations-Wirkungs-Beziehung

a b

1 2 5 10 20 30 40 50 100

GefäßverengungSpannungsentwicklung(für jeweils 1 min)

Konzentration des Wirkstoffs Konzentration(linear)

Konzentration(logarithmisch)

Gefäßfragmente im Organbad

Vasorelaxation VasokonstriktionWirkung

[mm Registriereinheiten]Wirkung

[% der max. Wirkung]

10 20 30 40 50 1 10 1000 50 0

20

40

60

80

100

10

20

30

40

50

a Messung. Gemessen wird das Ausmaß der Gefäßverengung eines Gefäßfragments nach Zusatz unterschiedlicher Konzentrationen einesvasokonstriktorischen Wirkstoffs (für jeweils 1 Minute). Das Gefäß ist so mit einem Schreiber verbunden, dass der Verengungsgrad als Aus-schlag auf Millimeterpapier aufgezeichnet und so quantifiziert werden kann. Das Ausmaß der Gefäßverengung nimmt mit steigender Pharma-konkonzentrationen zu.b Darstellung. Konzentrations-Wirkungs-Kurven, einmal mit linearer und einmal mit logarithmischer Skalierung der x-Achse(nach Lüllmann et al., Taschenatlas Pharmakologie, Thieme, 2014)

Die Konzentrations-Wirkungs-Kurve(Abb. A-2.7) beschreibt die steigende Wir-kung eines Pharmakons bei steigender Kon-zentration bis zum Erreichen des Wirkungs-maximums. Die intrinsische Aktivität hängtvom Pharmakon sowie von der Rezeptordich-te des Organs ab.

Je nach intrinsischer Aktivität unterscheidetman vier Wirkstoffgruppen (Abb. A-2.8a):

■ Volle Agonisten: Sie rufen die maximalmögliche Wirkungsintensität hervor(s. Abb. A-2.8b) und haben eine intrinsi-sche Aktivität von 1,0 (Abb. A-2.8a).Abb. A-2.8c zeigt mit Phenylephrin ein Bei-spiel für eine sehr effiziente Rezeptorbeset-zung. Im Modell der zwei Rezeptor-Konfor-mationszustände (Abb. A-2.5b) sind volleAgonisten durch eine sehr hohe Affinität zuRa relativ zu Ri charakterisiert.

A 2.3 Quantitative Aspekte der Pharmakonwirkung 25

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■ Partielle Agonisten rufen eine geringere als die maximal mögliche Wirkungsinten-sität hervor (siehe die α-Rezeptor-Agonisten Oxymetazolin und Naphazolin inAbb. A-2.8b), haben also eine intrinsische Aktivität, die zwischen 0 und 1 liegt(Abb. A-2.8a). Auch bei Besetzung aller verfügbaren Rezeptoren ist bei partiellenAgonisten die Rezeptor-Effektor-Kopplung wesentlich ineffizienter als bei vollenAgonisten (siehe Oxymetazolin und Naphazolin in Abb. A-2.8c). Das ist auch derGrund, warum die intrinsische Aktivität partieller Agonisten mit zunehmender Re-zeptordichte zunimmt und von Organ zu Organ variiert. Ihre Affinität zu Ra relativzu Ri ist geringer als die der vollen Agonisten. Die Folge ist, dass partielle Agonistenimmer auch kompetitive Antagonisten (S.29) sind. Sie reduzieren (antagonisieren)nämlich rezeptorvermittelte Wirkungen, wenn diese über die partiell-agonistischeEigenwirkung dieser Stoffe hinausgehen. Das gilt auch für Wirkungen, die als Folgeeiner Rezeptoraktivierung durch hohe Konzentrationen eines endogenen Agonistenzustande kommen. So vermindert z. B. der partielle β-Rezeptor-Agonist Pindolol dieerhöhte Herzfrequenz bei körperlicher Belastung, nicht aber die Ruheherzfrequenz.

▶Merke. ▶Merke. Partielle Agonisten sind immer auch kompetitive Antagonisten.

■ Antagonisten binden an den Rezeptor, ohne ihn zu aktivieren. Ihre intrinsischeAktivität ist Null (Abb. A-2.8a). Antagonisten haben die gleiche Affinität zu Ri wiezu Ra, sodass das für jedes Gewebe charakteristische Gleichgewicht zwischen Ri

und Ra (das in Abwesenheit von Agonisten normalerweise Ri bevorzugt;s. Abb. A-2.5b) nicht verändert wird. Durch Bindung an den Rezeptor verhindernAntagonisten eine Rezeptoraktivierung durch volle oder partielle Agonisten undeine Rezeptordeaktivierung durch inverse Agonisten.

■ Inverse Agonisten gibt es nur in Systemen mit konstitutiver (spontaner) Rezeptor-aktivität, d. h. Rezeptoraktivität trotz Abwesenheit agonistischer Liganden. Rezep-toren mit konstitutiver Aktivität sind z. B. Histaminrezeptoren, Cannabinoidrezep-toren im ZNS, manchmal auch kardiale β-Rezeptoren und somatisch mutierteTSH-Rezeptoren in der Schilddrüse. Inverse Agonisten unterdrücken die spontaneRezeptoraktivierung. Sie haben eine negative intrinsische Aktivität (Abb. A-2.8a),und ihre Affinität zu Ra relativ zu Ri ist sehr niedrig, d. h. sie binden bevorzugt anRi. Deshalb arretieren sie Rezeptoren im inaktiven Konformationszustand und an-

⊙ A-2.8 Pharmaka mit Unterschieden bezüglich ihrer intrinsischen Aktivität

0

50

100

intrinsische Aktivität Affinität

Niv

eau

der R

ezep

tora

ktiv

ieru

ng[w

illkü

rlich

e Ei

nhei

ten]

Pharmakonkonzentration(log. Skala)

voller Agonist 1 Ra >> Ri

partieller Agonist > 0, < 1 Ra > Ri

Antagonist 0 Ra = Ri

inverser Agonist < 0 Ra << Ri

Wirk

ung

[% d

es M

axim

ums

der P

heny

leph

rinw

irkun

g]

Agonistenkonzentration [mol/l](log. Skala)

Rezeptorbesetzung [%]

0

20

40

60

80

100

Phenylephrin

Naphazolin

Oxymetazolin

10–9 10–8 10–7 10–6 10–50

20

40

60

80

100

Phenylephrin

Naphazolin

Oxymeta-zolin

Wirk

ung

[% d

es M

axim

ums

der P

heny

leph

rinw

irkun

g]

0 20 40 60 80 100

a

b c

7% 45% 100%

a Intensität der Rezeptoraktivierung als Funk-tion der Pharmakonkonzentration (log. Ska-la): Die intrinsische Aktivität des vollen Agonis-ten ist 1,0. Die intrinsischen Aktivitäten der übri-gen Pharmaka sind relativ zu der des vollen Ago-nisten angegeben. Außerdem sind die relativenAffinitäten der verschiedenen Pharmaka zur akti-ven (Ra) bzw. inaktiven (Ri) Rezeptorkonformati-on gezeigt (s. a. Abb. A-2.5b). Die horizontale li-lafarbene Linie für einen Antagonisten gibt auchdas Niveau der konstitutiven (spontanen) Rezep-toraktivität wieder.b Vasokonstriktorische Wirkung verschiede-ner α-Rezeptor-Agonisten in Abhängigkeitvon der Wirkstoffkonzentration: Gemessenwurde die vasokonstriktorische Wirkung vonPhenylephrin, Naphazolin und Oxymetazolin ander Aorta der Ratte.c Vasokonstriktorische Wirkung verschiede-ner α-Rezeptor-Agonisten in Abhängigkeitvon der Rezeptorbesetzung: Die Prozentzahlenan der waagrechten gestrichelten Linie entspre-chen der prozentualen Rezeptorbesetzungdurch die drei Agonisten, bei der die halbmaxi-male Wirkung von Phenylephrin beobachtetwird.

■ Partielle Agonisten: Ihre Wirkung liegt un-ter der maximal möglichen Wirkungsinten-sität (s. Abb. A-2.8b), ihre intrinsische Akti-vität liegt zwischen 0 und 1 (Abb. A-2.8a).Auch bei Besetzung aller verfügbaren Re-zeptoren sind sie ineffizienter als die vollenAgonisten (s. Abb. A-2.8c), auch ist ihre Af-finität zu Ra relativ zu Ri geringer. Sie wirkenimmer auch als kompetitive Antagonisten(S.29).

■ Antagonisten: Sie binden an den Rezeptor,ohne ihn zu aktivieren. Ihre intrinsische Ak-tivität beträgt Null (Abb. A-2.8a) und sie ha-ben die gleiche Affinität zu Ri wie zu Ra

(s. Abb. A-2.5b). Antagonisten verhinderndurch ihre Bindung an den Rezeptor einemögliche Wirkung durch Agonisten.

■ Inverse Agonisten: Bei Rezeptoren mitkonstitutiver (spontaner) Aktivität unter-drücken sie die Rezeptoraktivierung. Sie be-sitzen eine negative intrinsische Aktivität(Abb. A-2.8a) und ihre Affinität zu Ra relativzu Ri ist sehr niedrig. Sie reduzieren alskompetitive Antagonisten (S.29) die Wir-kung voller und partieller Agonisten(Abb. A-2.8a).

26 A 2 Pharmakodynamik

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tagonisieren als kompetitive Antagonisten (S.29) die Wirkung voller und partiellerAgonisten. Wie Abb. A-2.8a zeigt, reduzieren sie die Rezeptoraktivierung über dasNiveau der spontanen Rezeptoraktivität (die horizontale Linie) hinaus auf Null. Ty-pische Beispiele für inverse Agonisten sind Antagonisten von H1- und H2-His-taminrezeptoren.

2.3.2 Quantitative Konzentrations- bzw. Dosis-Wirkungs-Kurven

2.3.2 Quantitative Konzentrations- bzw.Dosis-Wirkungs-Kurven

Agonisten Agonisten

Die Bindung von Pharmaka an Rezeptorproteine kann direkt gemessen werden.Trotzdem ist es in der Regel die Art der Wirkung am isolierten Gewebe im Organbad(in vitro) oder im Gesamtorganismus (in vivo), an der Ärzte interessiert sind. Zurexakten Beschreibung einer Pharmakonwirkung dient die Konzentrations- bzw. Do-sis-Wirkungs-Kurve. Auch wenn das Ausmaß agonistischer Wirkungen quantifizier-bar ist, wird es meist in % der maximalen Wirkung des Pharmakons ausgedrücktund gegen den Logarithmus der Konzentration oder Dosis aufgetragen(Abb. A-2.9a). Es ergeben sich typischerweise S-förmige Kurven. Bei einer linearenSkala auf der Abszisse haben diese Kurven (wie die Bindungskurve in Abb. A-2.6)die Form hyperbolischer Sättigungskurven.

Konzentrations- bzw. Dosis-Wirkungs-Beziehungen sind die wichtigste Grundlagefür die Beschreibung der Wirkung eines Agonisten und für den Vergleich agonisti-scher Pharmaka in Bezug auf zwei pharmakodynamische Eigenschaften: Wirksam-keit und Potenz. Die Wirksamkeit ist auf der Ordinate der Konzentrations- bzw. Do-sis-Wirkungs-Beziehung ablesbar, die Potenz auf der Abszisse.

Wirksamkeit Wirksamkeit

▶ Synonym.▶ Synonym. Effektivität.

▶Definition.▶Definition. Die Wirksamkeit eines agonistischen Pharmakons bemisst sich am Ma-ximum der absoluten Wirkung, die dieses Pharmakon hervorruft. Das Pharmakonhat eine hohe Wirksamkeit, wenn das Maximum seiner absolutenWirkung weit ent-fernt ist vom Ordinatenursprung der Konzentrations- bzw. Dosis-Wirkungs-Kurve.

Bei In-vitro-Versuchen hängt das Maximum der Wirkung hauptsächlich von der in-trinsischen Aktivität des Pharmakons, also auch von der Rezeptordichte im unter-suchten Gewebe ab. Unter den weitaus komplexeren In-vivo-Bedingungen ist diebeobachtete Wirksamkeit häufig das Integral vieler, zum Teil gegenläufiger Effekte.

⊙ A-2.9⊙ A-2.9 Konzentrations-Wirkungs-Kurven

Inte

nsitä

t der

Wirk

ung

[% d

er m

axim

alen

Wirk

ung]

0

50

1000,01 0,1 1 10 100

IC50

Antagonist

Antagonistkonzentration [mmol/l](log. Skala)

0,01 0,1 1 10 100

EC50

Agonist

Agonistkonzentration [mmol/l](log. Skala)

Inte

nsitä

t der

Wirk

ung

[% d

er m

axim

alen

Wirk

ung]

100

50

0

a b

a Agonist: Die EC50 ist die effektive Konzentration, die eine halbmaximale Wirkung hervorruft.b Antagonist: Die IC50 ist die inhibitorische Konzentration, die eine halbmaximale Wirkunghervorruft.

Die Konzentrations/Dosis-Wirkungs-Kurvedient der Beschreibung einer Pharmakonwir-kung. Das Ausmaß agonistischer Wirkungenwird meist in % der maximalen Wirkung desPharmakons ausgedrückt (Abb. A-2.9a).

Mithilfe von Konzentrations- bzw. Dosis-Wir-kungs-Beziehungen lassen sichWirksamkeitund Potenz agonistischer Pharmaka beschrei-ben und vergleichen.

In vitro bestimmt v. a. die intrinsische Aktivi-tät die maximale Pharmakonwirkung. In vivoentsteht die Wirkung meist aus vielen ver-schiedenen Effekten.

A 2.3 Quantitative Aspekte der Pharmakonwirkung 27

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▶Merke. ▶Merke. Pharmaka, die sich im Maximum ihrer Wirkung nicht unterscheiden, sindäquieffektiv. Man spricht beim Vergleich verschiedener Pharmaka auch von äquief-fektiven Dosierungen, wenn das Ausmaß der Wirkung dieser Dosierungen iden-tisch ist.

PotenzPotenz

▶ Synonym. ▶ Synonym. Potency.

▶Definition. ▶Definition. Die Potenz (häufig auch „Wirkstärke“ genannt) eines agonistischenPharmakons bezeichnet den Konzentrations- oder Dosisbereich, in dem das Phar-makonwirkt. Je niedriger die Pharmakonkonzentration oder -dosis, die 50 % der ma-ximalen Wirkung hervorruft (EC50 oder ED50; EC: effective concentration, ED: ef-fective dose), umso höher ist die Potenz des Pharmakons.

Die EC50 (Abb. A-2.9a) oder ED50 (Abb. A-2.10) ist deshalb ein Maß für die Potenzeines agonistischen Pharmakons. Die Potenz entspricht dem reziproken Wert derEC50 bzw. ED50:

Potenz ¼ 1EC50

bzw:1

ED50

▶Merke. ▶Merke. Pharmaka, deren EC50- bzw. ED50-Werte identisch sind, werden als äqui-potent bezeichnet. Ist der ED50-Wert eines Agonisten 1 geringer als der eines Ago-nisten 2, ist Agonist 1 potenter als Agonist 2 (Abb. A-2.10).

Ein in der experimentellen Pharmakologie gebräuchlicher Wert zur Quantifizierungder Potenz agonistischer Pharmaka ist der pD2-Wert. Dieser Wert entspricht demnegativen dekadischen Logarithmus der ED50 bzw. EC50. Er ist hoch bei hoher Potenzund niedrig bei niedriger Potenz. Für eine EC50 von 10– 10 mol/l ergibt sich ein pD2-Wert von 10 und für eine EC50 von 10– 5 mol/l ein pD2-Wert von 5.

▶Merke. ▶Merke. Für den Vergleich der Potenzen zweier agonistischer Pharmaka zieht manäquieffektive Konzentrationen/Dosierungen der beiden Pharmaka heran (z. B. dieEC50-/ED50-Werte der beiden Pharmaka).

Die Potenz eines Agonisten hängt von seiner Affinität zum Rezeptor und von einigenanderen Faktoren ab, unter anderem auch von der Rezeptordichte im untersuchtenGewebe. Die EC50 bzw. ED50 ist also auch gewebe- bzw. organabhängig. In aller Regelbesteht zwischen dem Ausmaß der Rezeptorbesetzung und der Intensität der Wir-kung keine direkte Proportionalität. Der EC50-Wert (die Konzentration, bei der dieWirkung halbmaximal ist) entspricht also in der Regel nicht dem KD-Wert (die Kon-zentration, bei der 50% der Rezeptoren besetzt sind). Für volle Agonisten gilt meist:EC50 <KD. Die Mechanismen, die Rezeptorbesetzung und Wirkung miteinander kop-peln, können nämlich bei vollen Agonisten so effizient sein, dass beim Maximumder Wirkung nur ein Bruchteil der verfügbaren Rezeptoren besetzt ist (siehe Phenyl-ephrin in Abb. A-2.8c). Dieses Phänomen wird als Rezeptorreserve bezeichnet. Par-tielle Agonisten haben im Gegensatz zu vollen Agonisten keine Rezeptorreserve(siehe Oxymetazolin und Naphazolin in Abb. A-2.8c).

⊙ A-2.10 ⊙ A-2.10 Dosis-Wirkungs-Kurven zweier Agonisten mit unterschiedlicher Potenz

100

50

0

Wirk

ung

[% d

er m

ax. W

irkun

g]

0,1 1 10 100Dosis [mg](log. Skala)

Unterschiedin

der Potenz

ED50(2)ED50(1)

Agonist 1 Agonist 2 Die ED50 ist die Pharmakondosis, die einehalbmaximale Wirkung hervorruft.

Zur EC50 s. Abb. A-2.9a, zur ED50

s. Abb. A-2.10.

Der pD2-Wert dient der Quantifizierung derPotenz agonistischer Pharmaka und ent-spricht dem negativen dekadischen Logarith-mus der ED50 bzw. EC50.

Die Potenz eines Agonisten und somit dieEC50/ED50-Werte sind gewebe- bzw. organ-abhängig. Für volle Agonisten gilt meist:EC50 < KD. Es besteht eine „Rezeptorreserve“,d. h., dass die maximale Wirkung bereits auf-tritt, wenn nur ein Bruchteil der verfügbarenRezeptoren besetzt ist (s. Abb. A-2.8c). Par-tielle Agonisten besitzen keine Rezeptorreser-ve (s. Abb. A-2.8c).

28 A 2 Pharmakodynamik

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Unter In-vivo-Bedingungen können neben der Rezeptordichte im untersuchten Ge-webe noch viele andere Faktoren für Unterschiede zwischen EC50 und KD verant-wortlich sein. So entsprechen z. B. die Pharmakonkonzentrationen im Blutplasmapraktisch nie den Konzentrationen am Wirkort (Rezeptor).

Antagonisten Antagonisten

Die Konzentrations- bzw. Dosis-Wirkungs-Kurve für eine antagonistische Wirkungwird auf ähnliche Weise erstellt, wie das für Agonisten in Abb. A-2.7 illustriert ist.Um beim Beispiel eines Gefäßpräparats im Organbad zu bleiben: Ein durch einen α-Rezeptor-Agonisten kontrahiertes Gefäßfragment wird durch steigende Konzentra-tionen eines α-Rezeptor-Antagonisten zunehmend relaxiert. Es ergibt sich eineKonzentrations-Wirkungs-Beziehung, wie sie in Abb. A-2.9b dargestellt ist. Auch beiAntagonisten unterscheidet man zwischenWirksamkeit und Potenz.

▶Definition.▶Definition.

■ Als Wirksamkeit (Effektivität) eines antagonistischen Pharmakons bezeichnetman das Ausmaß, in dem dieses Pharmakon die Aktivierung der Rezeptoren einesGewebes reduzieren kann. Hemmt ein Antagonist 1 die Rezeptoraktivierungdurch einen Agonisten in einem größeren Ausmaß als ein Antagonist 2, so hat An-tagonist 1 eine höhere Wirksamkeit als Antagonist 2.

■ Die Potenz (potency) eines antagonistischen Pharmakons bezeichnet den Konzen-trations- oder Dosisbereich, in dem dieses Pharmakon seine antagonistische Wir-kung entfaltet. Je niedriger die Pharmakonkonzentration/-dosis, die 50% der ma-ximalen inhibitorischen Wirkung hervorruft (IC50/ID50; IC: inhibitory concentrati-on, ID: inhibitory dose), umso höher ist die Potenz des Pharmakons.

Die IC50 (Abb. A-2.9b) oder ID50 ist deshalb ein Maß für die Potenz eines antagonistischwirkenden Pharmakons. Die Potenz entspricht dem reziprokenWert der IC50/ID50:

Potenz ¼ 1IC50

bwz:1

ID50

Ist die IC50/ID50 eines Antagonisten 1 niedriger als die eines Antagonisten 2, so hatAntagonist 1 eine höhere Potenz als Antagonist 2.Neben Wirksamkeit und Potenz interessieren bei Antagonisten weitere pharmako-logische Eigenschaften. Man unterscheidet nämlich zwischen kompetitiven undnicht-kompetitiven Rezeptor-Antagonisten sowie funktionellen Antagonisten.

Kompetitive Rezeptor-Antagonisten:Sie binden meist selektiv an einen bestimmten Typ von Rezeptor und verhindern dieBindung von Agonisten und die Aktivierung des Rezeptors. Man unterscheidet re-versible und irreversible kompetitive Antagonisten:■ Reversible kompetitive Antagonisten konkurrieren mit Agonisten um die gleicheBindungsstelle am Rezeptor. Die Rezeptorbesetzung durch Agonisten und ihre Wir-kung werden reduziert. Diese antagonistischen Wirkungen können aber durch Er-höhung der Agonistkonzentration wieder aufgehoben werden. Fixe Antagonistkon-zentrationen verschieben die Konzentrations- bzw. Dosis-Wirkungs-Kurven fürAgonisten parallel nach rechts, ohne die maximale Wirkung des Agonisten zu ver-mindern (Abb. A-2.11a). Das Ausmaß der Rechtsverschiebung hängt von der Affini-tät des Antagonisten zum Rezeptor ab und nimmt linear mit der Antagonistkonzen-tration zu. Aus dieser linearen Beziehung kann der KD-Wert (bei Antagonisten auchKi-Wert genannt) berechnet werden. Der Ki-Wert und auch die IC50/ID50-Werte sindnicht gewebe- bzw. organabhängig. In der Literatur wird häufig der pA2-Wert ange-geben; er entspricht dem negativen dekadischen Logarithmus der Antagonistkon-zentration, die die Konzentrations-Wirkungs-Kurve für Agonisten um den Faktor 2nach rechts verschiebt (entspricht dem negativen dekadischen Logarithmus von Ki).Beispiele für reversible kompetitive Antagonisten sind der α1-Rezeptor-AntagonistPrazosin, der β-Rezeptor-Antagonist Propranolol, der Muskarinrezeptor-AntagonistAtropin und der Aldosteronrezeptor-Antagonist Spironolacton.

■ Partielle Agonisten (S.26) sind immer auch kompetitive Antagonisten. Die Kon-zentrations-Wirkungs-Kurve eines vollen Agonisten wird in Gegenwart einer fi-xen Konzentration eines partiellen Agonisten parallel nach rechts verschoben(Abb. A-2.12). Wie die Abbildung zeigt, gilt das nur für Wirkungen des vollen Ago-nisten, die über die Eigenwirkungen des partiellen Agonisten hinausgehen.

In vivo herrscht am Rezeptor nicht die gleicheKonzentration des Pharmakons wie im Blut-plasma.

Die Konzentrations/Dosis-Wirkungs-Kurve fürAntagonisten ist in Abb. A-2.9b dargestellt.Auch bei Antagonisten unterscheidet manWirksamkeit und Potenz.

Die IC50 (Abb. A-2.9b) oder ID50 beschreibtdie Potenz eines Antagonisten.

Antagonisten werden unterteilt in kompetiti-ve, nicht-kompetitive und funktionelle Anta-gonisten.

Kompetitive Rezeptor-Antagonisten:■ Reversible kompetitive Antagonistenkonkurrieren mit Agonisten um die glei-chen Rezeptor-Bindungsstellen. Die antago-nistische Wirkung kann durch eine höhereAgonistenkonzentration wieder aufgehobenwerden, es erfolgt eine Verschiebung derKonzentrations/Dosis-Wirkungs-Kurven fürAgonisten parallel nach rechts, ohne Ver-minderung der maximalen Wirkung desAgonisten (Abb. A-2.11a). Beispiele für re-versible kompetitive Antagonisten sind Pra-zosin, Propranolol, Atropin und Spirono-lacton.

■ Partielle Agonisten (S.26) sind immerauch kompetitive Antagonisten(Abb. A-2.12).

A 2.3 Quantitative Aspekte der Pharmakonwirkung 29

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■ Irreversible kompetitive Antagonisten besitzen reaktive Gruppen und binden ko-valent an das Rezeptorprotein. Kovalent modifizierte Rezeptoren sind funktionellinaktiv. Dieser Typ von Antagonist kann sich bei niedrigen Konzentrationen wieein kompetitiver Antagonist (Abb. A-2.11a) und bei hohen Konzentrationen wieein nicht-kompetitiver Antagonist (Abb. A-2.11b) verhalten. Die scheinbar kom-petitive antagonistische Wirkung von niedrigen Konzentrationen solcher Stoffewird bei einer großen Rezeptorreserve beobachtet. Unter diesen Bedingungenkann ein hoher Prozentsatz von Rezeptoren durch kovalente Modifikation inakti-viert sein, ohne dass das Maximum der Agonistwirkung reduziert wird. TypischesBeispiel ist der α-Rezeptor-Antagonist Phenoxybenzamin.

▶Klinischer Bezug. ▶Klinischer Bezug. Es gibt zwei Indikationen für die Anwendung des irreversiblenα1- und α2-Rezeptor-Antagonisten Phenoxybenzamin: Zum einen wird er zur vorü-bergehenden Behandlung neurogener Störungen der Harnblasenentleerung ange-wendet (10 –30mg/d p. o.), um den α-Rezeptor-vermittelten Spasmus des Blasen-sphinkters zu durchbrechen. Zum anderen wird er prä- und intraoperativ beimPhäochromozytom (einem Tumor, der Katecholamine produziert und sezerniert)angewendet (2 × 20–40mg/d p. o.), um Blutdruckkrisen vorzubeugen. Die Wirkun-gen von Phenoxybenzamin halten 2–3 Tage an, weil es der Neusynthese von α-Re-zeptoren bedarf, um die Wirkung zu beenden. Ein Nachteil von Phenoxybenzaminist, dass die Blutdrucksenkung mit einer starken Tachykardie einhergeht. Diese Ta-chykardie ist einerseits eine Barorezeptor-vermittelte Reflextachykardie und ande-rerseits Folge der Unterbrechung des α2-Rezeptor-vermittelten Regelkreises derNoradrenalinfreisetzung (das stark vermehrt freigesetzte Noradrenalin trifft näm-lich im Herzen auf β-Rezeptoren und ruft eine starke Tachykardie hervor).

⊙ A-2.11 Einfluss von Antagonisten auf die Konzentrations-Wirkungs-Kurven eines Agonisten

a b

Wirk

ung

[% d

er m

ax. W

irkun

g] 100

0

50 Antagonistkonzentration1 10 1000

Agonistkonzentration (log. Skala)

Wirk

ung

[% d

er m

ax. W

irkun

g] 100

0

50

Antagonistkonzentration

Agonistkonzentration (log. Skala)

0

1

10

100

a Reversibler kompetitiver Antagonist: In Anwesenheit eines Antagonisten verschieben sich die Konzentrations-Wirkungs-Kurven für einenAgonisten parallel nach rechts, d. h. es ist eine höhere Konzentration des Agonisten erforderlich, um die gleiche Wirkungsintensität zu erzielen.Das Maximum der Wirkung bleibt aber gleich. Das Ausmaß der Rechtsverschiebung ist von der Rezeptoraffinität des Antagonisten abhängigund nimmt linear mit dessen Konzentration zu.b Nicht-kompetitiver Antagonist: Je höher die Konzentration eines nicht-kompetitiven Antagonisten, desto geringer sind die Steigung derKonzentrations-Wirkungs-Kurve und das Maximum der Wirkung eines Agonisten. Durch Dosissteigerung des Agonisten kann die Wirkung desnicht-kompetitiven Antagonisten nicht wieder aufgehoben werden.

⊙ A-2.12 ⊙ A-2.12 Kompetitiv-antagonistische Wirkung eines partiellen Agonisten

Wirk

ung

[% d

er m

ax. W

irkun

g]

100

50

010–10 10–9 10–8 10–7 10–6 10–5

Agonistkonzentration [mol/l]

Dargestellt sind die Konzentrations-Wirkungs-Kurve für einen vollen Agonisten (blau) und dieKonzentrations-Wirkungs-Kurve für den glei-chen Agonisten in Gegenwart einer fixen Kon-zentration eines partiellen Agonisten (rot). Derpartielle Agonist hat in der untersuchten Kon-zentration eine agonistische Wirkung von etwa25% der maximalen Wirkung des vollen Ago-nisten. Seine antagonistische Wirkung tritt erstbei relativ hohen Konzentrationen des vollenAgonisten auf und zeigt sich in Form einer pa-rallelen Rechtsverschiebung der roten Kurve.

■ Irreversible kompetitive Antagonistenbinden kovalent an den Rezeptor, woraufdieser funktionell inaktiv wird. Bei nied-rigen Konzentrationen verhält sich der glei-che Antagonist kompetitiv (Abb. A-2.11a)und bei hohen Konzentrationen nicht-kom-petitiv (Abb. A-2.11b). Beispiel ist Phenoxy-benzamin.

30 A 2 Pharmakodynamik

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Nicht-kompetitive Rezeptor-Antagonisten:■ Sie binden an einer Stelle des Rezeptors, die nicht identisch ist mit dem Bindungs-ort für Agonisten und beeinträchtigen die Rezeptorfunktion auf allosterischemWege.

■ Oder sie hemmen die Signaltransduktion oder noch weiter vom Rezeptor entfern-te Schritte, die für die Agonistwirkung mitverantwortlich sind.

Diese Art von antagonistischen Wirkungen kann durch Erhöhung der Agonistkon-zentration nicht wieder aufgehoben werden. Erstellt man nämlich Konzentrations-Wirkungs-Kurven für einen Agonisten in Gegenwart steigender Konzentrationeneines nicht-kompetitiven Antagonisten, so nehmen die Steigung der Kurve und dasMaximum der Wirkung mit steigender Antagonistenkonzentration immer mehr ab(Abb. A-2.11b). Typische Beispiele sind Memantin (S.321) und Ketamin, die den Io-nenkanal des ionotropen NMDA-Rezeptors für Glutamat (S.272) blockieren, Ca2+-Kanalblocker, die die blutdruckerhöhende Wirkung von Noradrenalin und Angio-tensin II reduzieren sowie einige nicht-kompetitive AT1-Rezeptor-Antagonisten, z. B.Irbesartan (S.174), Telmisartan.

Funktionelle Antagonisten:Diese Stoffe rufen über verschiedene Mechanismen oder Rezeptoren Wirkungenhervor, die die anderer Wirkstoffe konterkarieren. So ist z. B. der Protonenpumpen-Inhibitor Omeprazol (S.546), der die HCl-Sekretion der Magenschleimhaut hemmt,ein funktioneller Antagonist von Histamin, das die HCl-Sekretion steigert. Der Bron-chokonstriktor Histamin ist ein funktioneller Antagonist der β2-Rezeptor-Agonisten(S.531), die eine Bronchodilatation hervorrufen. Die vasodilatierend wirkendenCa2+-Kanalblocker sind in glatten Gefäßmuskelzellen funktionelle Antagonisten vonK+-Ionen, die Gefäßmuskelzellen kontrahieren, weil sie diese Zellen depolarisierenund durch Öffnung spannungsabhängiger Ca2+-Kanäle einen Einstrom von Ca2+ her-vorrufen.

2.4 Qualitative Dosis-Wirkungs-Kurven 2.4 Qualitative Dosis-Wirkungs-Kurven

Die klinische Relevanz quantitativer Dosis-Wirkungs-Kurven für den einzelnen Pa-tienten ist häufig begrenzt. Das liegt vor allem an der meist großen Variabilität unterden Patienten in Bezug auf die Schwere der zu behandelnden Erkrankung und dieEmpfindlichkeit für erwünschte Arzneimittelwirkungen. Dieser Problematik kannRechnung getragen werden, indem man die Dosis eines Arzneimittels zu finden ver-sucht, die für eine vorher definierte Wirkung benötigt wird. Dabei handelt es sichum qualitative „Ja-oder-nein“-Effekte, wie z. B. die Verhinderung eines Ereignisses(Schlaganfall, Myokardinfarkt), die Verminderung der Schmerzintensität um 50%oder die Unterdrückung der Abwehrreaktion auf einen standardisierten Schmerz-reiz. Trägt man in der untersuchten Patientenpopulation die kumulative prozentualeHäufigkeit für das Auftreten von „Ja“-Antworten gegen den Logarithmus der Dosisauf, erhält man eine qualitative Dosis-Wirkungs-Kurve, die auch als Dosis-Häufig-keits-Beziehung bezeichnet werden kann. Je einheitlicher die untersuchte Patienten-population ist, desto steiler ist die qualitative Dosis-Wirkungs-Kurve.Qualitative und quantitative Dosis-Wirkungs-Kurven sehen identisch aus. Manmuss sich aber darüber im Klaren sein, dass die Ordinate der qualitativen Dosis-Wirkungs-Kurve die kumulative Häufigkeit für das Auftreten einer Wirkung zeigtund dass die ED50 eine völlig andere Bedeutung hat. Sie entspricht nämlich der Do-sis, bei der 50% der untersuchten Patienten eine „Ja“-Antwort gegeben haben. Da-mit liegt der wichtigste Unterschied zwischen der qualitativen und der quantitati-ven Dosis-Wirkungs-Kurve in der Art der Information, die diese Kurven erbringen.Erstere gibt Informationen zur Variabilität der Arzneimittelwirkung, während Letz-tere Aussagen über die Wirksamkeit und Potenz von Arzneimitteln zulässt. Qualita-tive Dosis-Wirkungs-Kurven eignen sich für das Ausloten des Spielraums für die Si-cherheit von Arzneimitteln.

▶Definition.▶Definition. Der Abstand der qualitativen Dosis-Wirkungs-Kurven für eine er-wünschte und eine unerwünschte Arzneimittelwirkung auf der Abszisse stellt dietherapeutische Breite dar. Sie entspricht dem Quotienten der ED50-Werte für die un-erwünschte und die erwünschte Wirkung.

Nicht-kompetitive Rezeptor-Antagonisten:■ beinträchtigen die Rezeptorfunktion auf al-losterischem Wege oder

■ wirken über eine Hemmung der Signal-transduktion.

Ihre Wirkung kann nicht durch Erhöhung derAgonistkonzentration aufgehoben werden(Abb. A-2.11b). Beispiele sind Memantin undKetamin, Ca2+-Kanalblocker oder Irbesartan(S.174) und Telmisartan.

Funktionelle Antagonisten: Sie beeinträchti-gen über verschiedene Mechanismen die Wir-kungen anderer Stoffe. Beispiele sind: Ome-prazol (S.546) antagonisiert die HCl-Sekreti-onssteigerung von Histamin; Histamin anta-gonisiert die Bronchodilatation von β2-Rezeptor-Agonisten (S.531); Ca2+-Kanalblo-cker antagonisieren die durch K+-Ionen aus-gelöste Vasokontraktion.

Da sich die Patienten bezüglich der Schwereder Erkrankung und der Empfindlichkeit ge-genüber einer Arznei unterscheiden, ist dieklinische Aussagekraft der quantitativen Do-sis-Wirkungs-Kurven begrenzt. Für die Klinikbesser geeignet ist die qualitative Dosis-Wir-kungs-Kurve bzw. Dosis-Häufigkeits-Bezie-hung, die sich aus der benötigten Dosis füreine vorher festgelegte Wirkung ergibt.

Qualitative und quantitative Dosis-Wirkungs-Kurven sehen gleich aus, Erstere gibt jedochInformationen zur Variabilität der Arznei-mittelwirkung und Letztere lässt Aussagenüber die Wirksamkeit und Potenz von Arznei-mitteln zu.

A 2.4 Qualitative Dosis-Wirkungs-Kurven 31

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Diese Information ist z. B. in den Dosis-Wirkungs-Kurven der Abb. A-2.13 enthalten,mit deren Hilfe die schmerzstillende und die atemdepressive Wirkung von Morphinin zwei Gruppen von Patienten untersucht wurde. Die Häufigkeit des Auftretens vonbestimmten unerwünschten Wirkungen ist eine für die Klinik sehr wichtige Infor-mation. Ein Problem der Bestimmung der therapeutischen Breite ist, dass die Dosis-Wirkungs-Kurven für erwünschte und unerwünschte Wirkungen häufig nicht pa-rallel verlaufen. Das gilt ganz besonders für schwere unerwünschte Wirkungen, fürdie Dosis-Wirkungs-Kurven häufig sehr viel flacher sind als für erwünschte Wir-kungen. Das bedeutet, dass der Dosisquotient für die unerwünschte und die er-wünschte Wirkung im unteren Dosisbereich der Dosis-Wirkungs-Kurven viel klei-ner ist als im oberen Dosisbereich. Diese Problematik bringt es mit sich, dass dietherapeutische Breite eines Pharmakons nur selten präzise bekannt ist. Meist hilftdie klinische Erfahrung dabei, die therapeutische Breite von Pharmaka abzuschät-zen. Sie lehrt uns, dass Pharmaka, bei denen schwere unerwünschte Wirkungen aufdenselben Wirkungsmechanismus zurückgehen wie die erwünschte Wirkung, einegeringe therapeutische Breite haben. Das gilt z. B. für Herzglykoside, Morphin, Theo-phyllin, Lidocain, Phenytoin und Phenprocoumon. Andere Wirkstoffe haben eine ge-ringe therapeutische Breite, weil sie einfach toxisch sind: Li+, Aminoglykoside, Ciclo-sporin und viele Zytostatika. Zur toxikologischen Einordnung dieser Zusammenhän-ge s. a. Kap. „Allgemeine Toxikologie“ (S.687).

▶Merke. ▶Merke. Verlaufen die Dosis-Wirkungs-Kurven für erwünschte und unerwünschteWirkungen nicht parallel, lässt sich die therapeutische Breite nicht exakt bestim-men, weil sie dosisabhängig ist.

▶Klinischer Bezug. ▶Klinischer Bezug. Morphin hat für die analgetische Behandlung von Traumapatien-ten große Bedeutung, weil es das wirksamste Schmerzmittel ist, das dem Arzt zur Ver-fügung steht. Das Problem ist, dass Morphin neben der analgetischen Wirkung aucheine atemdepressive Wirkung hat, die auf eine Hemmung des Atemantriebs durchCO2 zurückgeht. Die atemdepressive Wirkung wird wie die analgetische Wirkung vonμ-Opioidrezeptoren vermittelt. Zum lebensbedrohenden Risiko wird sie aber in derRegel erst bei einer Morphindosierung, die deutlich höher ist als die für die Schmerz-stillung erforderliche Dosierung (Abb. A-2.13a). Bestimmte Patientengruppen reagie-ren jedoch besonders empfindlich auf die atemdepressive Morphinwirkung (S.228).Dazu gehören Patienten mit chronisch-obstruktiver Lungenerkrankung, weil Morphinden durch CO2 bedingten Antrieb des Atemzentrums hemmt, auf den diese Patientenwegen ihrer hohen pCO2-Werte in besonderem Maße angewiesen sind. Deshalb ha-ben Patienten mit chronisch-obstruktiver Lungenerkrankung eine geringere thera-peutische Breite für Morphin als lungengesunde Patienten (Abb. A-2.13b).

⊙ A-2.13 ⊙ A-2.13 Therapeutische Breite am Beispiel von Morphin

100

50

0

Patie

nten

popu

latio

n [%

]

thera-peutischeBreite

Schmerz-stillung

Atem-depression

ED50 ED50

Morphindosis

100

50

0

Patie

nten

popu

latio

n [%

]

Schmerz-stillung

Atem-depression

ED50 ED50

Morphindosis

therapeutischeBreite

a b

Dargestellt sind theoretische Dosis-Wirkungs-Kurven für einen jungen, ansonsten gesundenTraumapatienten (a) und für einen älteren Traumapatienten mit chronisch-obstruktiver Lun-generkrankung (COPD) (b). Die blauen Kurven stehen für die erwünschte analgetische Wir-kung von Morphin, die roten Kurven für die unerwünschte atemdepressive Wirkung. Bei Pa-tienten mit COPD ist die therapeutische Breite von Morphin, messbar am Abstand der beidenKurven zueinander, geringer als bei Patienten mit normaler Lungenfunktion. Konkret bedeutetdies, dass bei Patienten mit COPD bereits bei geringeren Morphindosierungen unerwünschte(atemdepressive) Wirkungen auftreten als bei Patienten mit normaler Lungenfunktion.

Ein Problem der Bestimmung der therapeu-tischen Breite (Abb. A-2.13) ist, dass die Do-sis-Wirkungs-Kurven für erwünschte und (v. a.für schwere) unerwünschte Wirkungen häufignicht parallel verlaufen. Deshalb ist die thera-peutische Breite eines Pharmakons nur seltenpräzise bekannt. Bei der Einschätzung dertherapeutischen Breite hilft die klinische Er-fahrung mit dem jeweiligen Wirkstoff.

32 A 2 Pharmakodynamik

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2.5 Pharmakodynamische Ursachen derVariabilität von Pharmakonwirkungen

2.5 Pharmakodynamische Ursachen derVariabilität von Pharmakon-wirkungen

2.5.1 Pharmakodynamische Toleranz 2.5.1 Pharmakodynamische Toleranz

Die Intensität der Wirkung eines Pharmakons kann sich im Verlauf einer Behand-lung ändern. Meist nimmt sie ab, auch wenn das Pharmakon in gleicher Dosis wei-ter verabreicht wird.

▶Definition.▶Definition. Als Toleranz bezeichnet man das Phänomen, dass die Wirkungsinten-sität eines Pharmakons trotz regelmäßiger Einnahme einer konstanten Dosis ab-nimmt. Die anfängliche Wirkungsintensität kann durch Dosiserhöhung wieder-erlangt werden. Lässt die Wirkung schnell nach (d. h. schon nach der zweiten Dosis),wird auch der Begriff Tachyphylaxie verwendet.

Je nachdem, ob die Entwicklung von Toleranz pharmakodynamische oder pharma-kokinetische Ursachen hat, spricht man von pharmakodynamischer oder pharmako-kinetischer Toleranz. Über die Ursachen einer pharmakokinetischen Toleranz wirdan anderer Stelle berichtet (S.63). Die Mechanismen, die einer pharmakodyna-mischen Toleranz oder Tachyphylaxie zugrunde liegen können, sind vielfältig undnur wenige sind wirklich erforscht. Die Wichtigsten sollen hier besprochen werden.

Rezeptorvermittelte Toleranz Rezeptorvermittelte Toleranz

Diese Art von Toleranz kann zwei Ursachen haben: Desensibilisierung durch Rezep-tor-Phosphorylierung und/oder Verlust von Rezeptoren an der Zelloberfläche.

Desensibilisierung durch Rezeptor-Phosphorylierung: Innerhalb von Sekunden bisMinuten nach Aktivierung von Rezeptoren kann es durch Phosphorylierung intra-zellulärer Teile des Rezeptorproteins zur Rezeptor-Desensibilisierung kommen. Dasgilt z. B. für ionotrope Rezeptoren wie die nikotinischen Acetylcholinrezeptorenoder die Serotoninrezeptoren vom Typ 5-HT3. Bei den heptahelikalen G-Protein-ge-koppelten Rezeptoren sind es verschiedene Proteinkinasen, die für die Phosphory-lierung der Rezeptorproteine sorgen:■ Die durch cAMP aktivierte Proteinkinase A (PKA) phosphoryliert Serinmolekülenahe am zytoplasmatischen C-Terminus von β-Rezeptoren, wodurch auf allosteri-schemWege die Interaktion des Rezeptors mit dem Gs-Protein gestört wird.

■ Die Proteinkinase C (PKC) phosphoryliert Gq/11-gekoppelte Rezeptoren und machtsie unempfindlich für die Aktivierung durch Agonisten.

■ Die GR-Kinase (GRK) phosphoryliert ganz selektiv und spezifisch G-Protein-gekop-pelte Rezeptoren am C-terminalen Ende (s. Abb. A-2.1) und erhöht dadurch dieAffinität des Rezeptors für regulatorische Proteine (Arrestine). An den Rezeptorgebundene Arrestine entkoppeln den Rezeptor vom G-Protein und unterbindenso die Fähigkeit des Rezeptors, Effektorproteine zu aktivieren.

Rezeptorverlust: Rezeptoren, die ständig aktiviert werden, haben die Tendenz, he-runterreguliert zu werden. Sie verschwinden innerhalb von Stunden bis Tagen alsphosphorylierte Proteine von der Zelloberfläche, weil sie durch Endozytose interna-lisiert und intrazellulär sequestriert werden. Sie können intrazellulär abgebaut wer-den oder aber nach einer gewissen Zeit in dephosphorylierter Form an die Zellober-fläche zurückkehren. Bei einigen G-Protein-gekoppelten Rezeptoren spielen Arresti-ne eine wichtige Rolle bei der Internalisierung der Rezeptoren, weil sie die Rezep-tor-Endozytose fördern. Die Herunterregulierung („Down-Regulation“) vonRezeptoren wird z. B. beobachtet für:■ β2-Rezeptoren in den Bronchien als Folge der Behandlung eines Asthma bronchialemit β2-Rezeptor-Agonisten.

■ β1-Rezeptoren im Myokard des linken Ventrikels (als Folge starker sympathischerAktivierung des Herzmuskels wegen Linksherzinsuffizienz) oder im ZNS (als Folgeeiner Behandlung mit trizyklischen Antidepressiva).

■ α2-Rezeptoren auf den peripheren sympathischen Nervenendigungen als Folgeeiner Behandlung mit den α2-Rezeptor-Agonisten Clonidin oder Moxonidin.

Nimmt die Anzahl der Rezeptoren an der Zelloberfläche ab, werden Potenz (volleAgonisten) und/oder Wirksamkeit (partielle Agonisten) reduziert.

Die Wirksamkeit eines Pharmakons kann imVerlauf einer Behandlung abnehmen.

Man unterscheidet je nach Ursache einepharmakodynamische oder pharmakokine-tische Toleranz (S.63). Die wichtigsten Me-chanismen der pharmakodynamischen Tole-ranz oder Tachyphylaxie werden nachfolgendbesprochen.

Desensibilisierung durch Rezeptor-Phos-phorylierung: Sie erfolgt innerhalb von Se-kunden oder Minuten und tritt z. B. bei nikoti-nischen Acetylcholinrezeptoren oder 5-HT3-Serotoninrezeptoren auf. Bei den heptahelika-len G-Protein-gekoppelten Rezeptoren sindverschiedene Proteinkinasen für die Phos-phorylierung verantwortlich:■ PKA → stört die Interaktion von β-Rezepto-ren mit Gs-Protein

■ PKC → blockiert die Aktivierung von Gq/11-gekoppelten Rezeptoren

■ GRK → erhöht die Affinität zu Arrestinen→verminderte Aktivierung von Effektorprotei-nen

Rezeptorverlust: Durch ständige Rezeptor-aktivierung erfolgt eine Herabregulierungder Rezeptoren innerhalb von Stunden bis Ta-gen. Beispiele hierfür sind β2-Rezeptoren derBronchien, β1-Rezeptoren im linken Ventrikeloder im ZNS und α2-Rezeptoren auf den peri-pheren sympathischen Nervenendigungen.Bei verminderter Rezeptorzahl werden Potenz(volle Agonisten) und/oder Wirksamkeit (par-tielle Agonisten) reduziert.

A 2.5 Pharmakodynamische Ursachen der Variabilität von Pharmakonwirkungen 33

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Erschöpfung von MediatorenErschöpfung von Mediatoren

In einigen Fällen von Tachyphylaxie ist das Nachlassen der Wirkung assoziiert mitdem Verlust von Mediatoren, die für die Pharmakonwirkung verantwortlich sind.Amphetamin (S.353) z. B. wirkt durch transportervermittelte Freisetzung neuronalgespeicherten Noradrenalins, Dopamins und Serotonins. Wenn die neuronalenAminspeicher durch wiederholte Amphetamin-Dosierungen entleert sind, verliertAmphetamin seine Wirksamkeit.

Physiologische AdaptationPhysiologische Adaptation

Viele Arzneimittel verlieren ihre Wirkung, weil homöostatische Mechanismen diePharmakonwirkung kompensieren. So ist z. B. die blutdrucksenkende Wirkung vonDiuretika oder Vasodilatatoren limitiert, weil es reflektorisch zu einer Zunahme desSympathikotonus und auf dem Wege der Gegenregulation zur Aktivierung des Re-nin-Angiotensin-Systems kommt. Gegenregulatorische Mechanismen führen meistzu einer sich langsam entwickelnden Toleranz. Eine physiologische Adaptation magauch verantwortlich sein für die häufig gemachte Beobachtung, dass gewisse uner-wünschte Wirkungen (wie z. B. Übelkeit und Müdigkeit) die Tendenz zeigen, trotzfortgesetzter Pharmakotherapie zu verschwinden. Das Phänomen der erlernten To-leranz beim Alkoholiker ist ebenfalls die Folge einer physiologischen Anpassung.Der Alkoholiker lernt es, die durch den Alkoholgenuss hervorgerufenen Gleichge-wichts- und Gangstörungen zu kompensieren. Polizeibeamte sind häufig erstauntüber das Ausmaß der möglichen Kompensation.

2.5.2 Pharmakodynamische Sensibilisierung undPotenzierung

2.5.2 PharmakodynamischeSensibilisierung und Potenzierung

Im Gegensatz zur Toleranzentwicklung kann es im Zuge der Anwendung eines Phar-makons auch zur Entwicklung einer Sensibilisierung oder Potenzierung kommen.

▶Definition. ▶Definition. Als Sensibilisierung bezeichnet man die Zunahme der Wirkung einesStoffes, auch wenn seine Dosis unverändert bleibt. Dieses im Vergleich zur Toleranzseltene Phänomen wird auch als „reverse tolerance“ bezeichnet.

Ein Beispiel ist die Entwicklung einer Sensibilisierung nach Einnahme von Psycho-stimulanzien wie Amphetamin und Kokain (S.354). Die zugrunde liegenden Mecha-nismen sind nicht bekannt.

▶Definition. ▶Definition. Als Potenzierung bezeichnet man die mit der Hochregulierung von Re-zeptoren verbundene Zunahme der Wirkung von Agonisten, die durch eine Behand-lung mit Rezeptor-Antagonisten induziert wird.

So wie eine permanente Aktivierung von Rezeptoren die Rezeptorexpression herun-terreguliert, führt das anhaltende Ausbleiben einer Rezeptoraktivierung zur Hoch-regulierung („Up-Regulation“) der Rezeptorexpression. Typische Beispiele sind:■ Zunahme der Expression von β-Rezeptoren als Folge einer Behandlung mit β-Re-zeptor-Antagonisten.

■ Zunahme der Expression von D2-Dopaminrezeptoren im ZNS als Folge einer Be-handlung mit antipsychotisch wirkenden Dopaminrezeptor-Antagonisten.

■ Zunahme der Expression von H2-Histaminrezeptoren in der Magenschleimhaut alsFolge einer Behandlung mit H2-Rezeptor-Antagonisten.

Die Hochregulierung von Rezeptoren erhöht die Potenz endogener Agonisten dieserRezeptoren und führt nach Beendigung der Behandlung mit dem Rezeptor-Antago-nisten zu „Entzugssymptomen“, die auch als Rebound-Phänomen bezeichnet wer-den.

Eine Tachyphylaxie kann auch durch den Ver-lust von Mediatoren auftreten. Amphetamin(S.353) z. B. kann nur bei vollen Speichern anNoradrenalin, Dopamin und Serotonin wirken.

Homöostatische Mechanismen können zueiner Kompensation der Pharmakonwirkungführen. So wird z. B. die blutdrucksenkendeWirkung von Diuretika oder Vasodilatatorendurch physiologische Gegenregulation limi-tiert. Eine sog. erlernte Toleranz zeigt sichz. B. beim Alkoholiker, der alkoholbedingteGleichgewichts- und Gangstörungen zu kom-pensieren lernt.

Bei einer Pharmakotherapie kann es zu Sensi-bilisierung oder Potenzierung kommen.

Dies geschieht z. B. bei der Einnahme vonAmphetamin oder Kokain (S.354).

Eine permanente Verhinderung einer Rezep-toraktivierung kann zur Hochregulierung vonRezeptoren führen, z. B. β-Rezeptoren, D2-Dopaminrezeptoren und H2-Histaminrezep-toren. Folgen sind die Potenzerhöhung fürendogene Agonisten sowie nach Beendigungeiner Antagonisten-Therapie das Rebound-Phänomen.

34 A 2 Pharmakodynamik

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▶Klinischer Bezug.▶Klinischer Bezug. Die bei Herzkranken (koronare Herzkrankheit, Linksherzinsuffi-zienz) häufig notwendige Behandlung mit β-Rezeptor-Antagonisten (z. B. Metopro-lol) geht mit einer Hochregulierung kardialer β-Rezeptoren einher. Das hat zur Fol-ge, dass die Potenz der endogenen Liganden dieser Rezeptoren (Noradrenalin, Adre-nalin) ansteigt. Metoprolol unterdrückt die hämodynamischen Konsequenzen die-ser Potenzierung: Tachykardie, tachykarde Rhythmusstörungen, myokardialeIschämie mit Angina-pectoris-Anfällen und hämodynamische Instabilität. Wenn al-lerdings die Behandlung mit Metoprolol abrupt beendet wird, ist das mit Risiken fürden Patienten verbunden, denn die genannten Rebound-Symptome kommen dannvoll zur Geltung. Deshalb muss eine Behandlung mit β-Rezeptor-Antagonisten stetslangsam ausschleichend beendet werden.

2.5.3 Pharmakodynamische Wechselwirkungen 2.5.3 PharmakodynamischeWechselwirkungen

Krankheitsbedingte Wechselwirkungen Krankheitsbedingte Wechselwirkungen

Wirkungen von Pharmaka können krankheitsbedingt zu- oder abnehmen. EinigeBeispiele sollen hier erwähnt werden. Zur Hyperthyreose gehört, dass in den Herz-muskelzellen vermehrt β-Rezeptoren exprimiert werden. Eine Zunahme der Potenzvon endogenen und exogenen β-Rezeptor-Agonisten und ein hohes Risiko für Vor-hofflimmern sind die Folge. Beim Diabetes mellitus vom Typ 2 besteht neben ande-ren Störungen immer auch eine Insulinresistenz. Dadurch ist die Insulinwirkung be-einträchtigt und der Insulinbedarf erhöht. Eine Zunahme des Insulinbedarfs wirdauch bei Adipositas und bei fieberhaften Infekten beobachtet. Auf weitere Beispielefür krankheitsbedingte Veränderungen von Pharmakonwirkungen wird bei der Be-sprechung der einzelnen Pharmaka eingegangen.

Wechselwirkungen zwischen Pharmaka Wechselwirkungen zwischen Pharmaka

Die Vielzahl der pharmakodynamischen Wechselwirkungen zwischen Arzneimittelnbringt es mit sich, dass sie im Rahmen dieses Lehrbuchs immer wieder besprochenwerden. Hier sollen lediglich ganz wenige Beispiele genannt werden, um das Prinzipzu erläutern. Solche Wechselwirkungen können sich auf Rezeptorebene abspielenund einen oder verschiedene Rezeptoren involvieren. Ein Beispiel für Wechselwir-kungen an einem Rezeptor tritt bei Patienten mit Bluthochdruck auf, die mit β-Re-zeptor-Antagonisten behandelt werden: Wenn ein solcher Patient einen anaphylak-tischen Schock erleidet, ist der behandelnde Arzt mit dem Problem konfrontiert,dass das notfalltherapeutisch verabreichte Adrenalin seine Wirkungen (Anstieg vonBlutdruck und Herzfrequenz, Hemmung der Histaminfreisetzung aus Mastzellen)wegen der Behandlung mit β-Rezeptor-Antagonisten nicht entfalten kann. Ein Bei-spiel für Wechselwirkungen, die verschiedene Rezeptoren involvieren, ist die Ver-stärkung der sedierenden Wirkung von Benzodiazepinen durch Opioid-Analgetika.Pharmakodynamische Wechselwirkungen können aber auch völlig unterschiedlicheWirkungsmechanismen betreffen und zur Verstärkung oder Abschwächung vonArzneistoffwirkungen führen. So verstärken Pharmaka, die eine Hypokaliämie her-vorrufen (Diuretika, Laxanzien), die Wirkung von Herzglykosiden, und nichtsteroi-dale Antiphlogistika schwächen die Wirkung von Diuretika und von anderen Anti-hypertensiva ab.

Einige Beispiele:■ Hyperthyreose: Die Zunahme an kardialenβ-Rezeptoren führt zu gesteigerter Potenzvon β-Rezeptor-Agonisten.

■ Typ-2-Diabetes: Die gesteigerte Insulinre-sistenz erhöht den Insulinbedarf.

■ Adipositas oder fieberhafte Infekte: Ge-steigerter Insulinbedarf.

Beispiele für pharmakodynamische Wechsel-wirkungen:■ An einem Rezeptor: Die Gabe von Adrena-lin bleibt bei einem Patienten, der mit β-Re-zeptor-Antagonisten (z. B. gegen Hyper-tonie) vorbehandelt wurde, wirkungslos.

■ An verschiedenen Rezeptoren: Verstär-kung der Sedierung von Benzodiazepinendurch Opioid-Analgetika.

■ Mit unterschiedlichen Wirkungsmecha-nismen: Pharmaka, die eine Hypokaliämieverursachen, verstärken die Herzglykosid-wirkung. NSAR schwächen die Wirkung vonDiuretika.

A 2.5 Pharmakodynamische Ursachen der Variabilität von Pharmakonwirkungen 35

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3 PharmakokinetikA

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3.1 Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363.2 Von der Applikation des Arzneimittels bis zum Eintritt des

Pharmakons in den systemischen Kreislauf . . . . . . . . . . . . . . . . . 383.3 Verteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 433.4 Elimination . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 473.5 Klinische Pharmakokinetik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 553.6 Beziehung zwischen Pharmakokinetik und Pharmakodynamik. . . . . 623.7 Pharmakokinetische Ursachen der Variabilität von Pharmakonwirkungen 63

3.1 Überblick3.1 Überblick

▶Definition. ▶Definition. Die Pharmakokinetik beschreibt den Aspekt der Wechselwirkungenzwischen Arzneimitteln/Pharmaka und Mensch oder Tier, der sich mit der Einfluss-nahme des Lebewesens auf das Pharmakon beschäftigt und sich den zugrunde lie-genden Mechanismen widmet.

Der Kontakt zwischen dem Arzneimittel und dem menschlichen Körper beginnt mitder Verabreichung (Applikation des Arzneimittels). Im Anschluss an die Applikationlöst sich die Darreichungsform (Formulierung) des Arzneimittels (z. B. Tablette, Kap-sel) in ihre Bestandteile – Pharmakon (Wirkstoff) und Hilfsstoffe – auf, d. h. das Phar-makon wird freigesetzt. Bei intravasaler Applikation (intravenös, intraarteriell) ge-langt das Pharmakon direkt ins Blutplasma, bei den anderen Applikationsarten erstnach seiner Resorption. Mit dem Blutplasma wird es im Körper verteilt und erreichtso seinen Wirkort. Während der Verteilung beginnt bereits die Elimination desPharmakons mittels Metabolisierung und/oder Ausscheidung (Abb. A-3.1). Die Me-tabolisierung (Biotransformation), die die Wirksamkeit eines Pharmakons meist er-

⊙ A-3.1 Von der Applikation des Arzneimittels zur Wirkung des Pharmakons

Speicherung Verteilung(im Körper)

Bindung am Wirkort(Rezeptoren, Ionenkanäle, Enzyme,

Transporter, Strukturproteine)

Wirkung

Metabolismus

Exkretion

Applikation des Arzneimittels

Freisetzung des Pharmakons

Resorption(am Ort der Applikation)

Blutplasma Blutzellen

‣ oral (p.o.)‣ sublingual/bukkal (s.l.)‣ rektal‣ nasal‣ transdermal (t.d.)‣ per inhalationem (p.i.)‣ intravenös (i.v.)‣ intraarteriell (i.a.)‣ intramuskulär (i.m.)‣ subkutan (s.c.)

pharmazeutischeTechnologie

(Galenik)

Pharmakokinetik

Pharmakodynamik

Die Abbildung zeigt die Zusammenhänge zwi-schen der Galenik, Pharmakokinetik und Phar-makodynamik. Die Galenik beschäftigt sich mitder Zubereitung und Herstellung von Arzneimit-teln, die Pharmakokinetik mit der Resorption,Verteilung und Elimination (= Ausschei-dung +Metabolisierung) von Pharmaka im bzw.aus dem Körper. Die Pharmakodynamik gibtAuskunft über die Wirkungsmechanismen vonPharmaka und deren Wirkort.

Der Applikation des Arzneimittels folgt dieFreisetzung des Pharmakons. Für die Vertei-lung im Körper sorgt das Blutplasma, dorthingelangt das Pharmakon entweder über Re-sorption oder direkt über intravasale Applika-tion. Bereits während der Verteilung beginntdie Elimination des Pharmakons mittels Me-tabolisierung und/oder Ausscheidung(Abb. A-3.1). Die Metabolisierung (Biotrans-formation) beginnt bei oraler Gabe bereitsdirekt nach der Resorption (Abb. A-3.2).

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heblich reduziert, findet hauptsächlich in der Leber, in geringerem Maße auch imDarmepithel und bei einigen wenigen Pharmaka auch im Kapillarendothel des klei-nen Kreislaufs statt. Deshalb beginnt die Metabolisierung oral applizierter Pharma-ka direkt nach der Resorption und setzt sich nach dem Transport durch die Pfort-ader in der Leber fort, also noch bevor das Pharmakon den systemischen Kreislauferreicht (Abb. A-3.2).

▶Merke.▶Merke. Die Metabolisierung oral oder (in geringerem Ausmaß) rektal applizierterPharmaka in der Darmschleimhaut, in der Leber und im Endothel der Lungen-strombahn bezeichnet man als präsystemische Elimination oder First-Pass-Effekt.

Welcher Anteil der verabreichten Menge eines Pharmakons am Wirkort ankommt,hängt also u. a. davon ab, wie das Arzneimittel appliziert bzw. wo das Pharmakonresorbiert wurde, wo es also in den venösen Schenkel des systemischen Kreislaufsgelangte.An der Ausscheidung (Exkretion) von Pharmaka sind vier Organe beteiligt: Leber,Darm, Niere und Lunge (Letztere nur im Falle der Inhalationsnarkotika). In der Leberwerden lipophile Pharmaka durch die Metabolisierung in eine wasserlöslichereForm gebracht. Anschließend werden sie entweder in die Gallenflüssigkeit sezer-niert und über den Darm mit den Fäzes ausgeschieden oder mit dem Blut in die Nie-re transportiert und –wie hydrophile Pharmaka –mit dem Urin ausgeschieden.

▶Merke.▶Merke. Resorption, Verteilung und Elimination eines Pharmakons entscheidenüber seine Wirkungsintensität und Wirkdauer.

⊙ A-3.2 Von der Applikation des Arzneimittels zur Verteilung des Pharmakons

subkutan (s.c.) intravenös (i.v.)

transdermal

intramuskulär (i.m.)

untere

untere

obere

obere

Hohlvene

AortaVerteilung im Körper

rektal

peroral (p.o.)

sublingual (s.l.)bukkal

Inhalation (p.i.)

re Herz

li Herz

Abhängig von der Applikationsart verteilen sich Arzneimittel bzw. die aus ihnen freigesetzten Pharmaka unterschiedlich im Körper. Zu denparenteralen Applikationsarten gehören all jene, bei denen der Magen-Darm-Trakt ausgelassen wird, also alle außer der oralen und rektalenApplikation. Bei ihnen entfällt nach der Resorption vom Applikationsort die Pfortader- bzw. Leberpassage. Deshalb ist die parenterale Applika-tion besonders bei solchen Pharmaka sinnvoll, die einem hohen First-Pass-Effekt in der Leber unterliegen, da so wesentlich höhere systemi-sche Konzentrationen dieser Pharmaka erzielt werden können.(nach Lüllmann et al., Taschenatlas Pharmakologie, Thieme, 2014)

Die Applikationsart beeinflusst den Anteil desPharmakons, der am Wirkort ankommt.

Vier Organe sind für die Ausscheidung (Ex-kretion) von Pharmaka verantwortlich: Leber,Darm, Niere und Lunge.

A 3.1 Überblick 37

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3.2 Von der Applikation des Arzneimittelsbis zum Eintritt des Pharmakons in densystemischen Kreislauf

3.2 Von der Applikation desArzneimittels bis zum Eintritt desPharmakons in den systemischenKreislauf

3.2.1 Applikation des Arzneimittels und Freisetzung desPharmakons

3.2.1 Applikation des Arzneimittels undFreisetzung des Pharmakons

Die verschiedenen Möglichkeiten, Arzneimittel zu applizieren, zeigen Abb. A-3.1und Abb. A-3.2. Wie schnell das Pharmakon aus dem Arzneimittel freigesetzt wird,hängt von der Zubereitung des Arzneimittels ab, also von der Art der Hilfsstoffe undder Art der „Verpackung“ des Pharmakons. So ermöglichen verschiedene Methodender pharmazeutischen Technologie eine verlangsamte Freisetzung (Retardierung inRetardpräparaten). Diese führt zum einen zu einer über längere Zeit relativ konstan-ten Plasmakonzentration des freigesetzten Pharmakons, zum anderen zu einer Ver-längerung seiner Wirkdauer. Zu diesen galenischen Methoden gehören z. B. die Um-hüllung des Pharmakons mit schwerlöslichen Überzügen, die Einbettung des Phar-makons in Fette oder Wachse und die Verwendung osmotischer Systeme. Im kli-nischen Sprachgebrauch werden Arzneimittel mit verlangsamter Freisetzungunterteilt in■ Retardpräparate (Applikation p. o.) und■ Depotpräparate (Applikation s. c. oder i.m.).

3.2.2 Resorptionsmechanismen3.2.2 Resorptionsmechanismen

▶Definition. ▶Definition. Unter Resorption versteht man den Transfer von Pharmaka vom Ort ih-rer Freisetzung aus dem Arzneimittel in das Blutplasma des systemischen Kreislaufs.Bei intravasaler Verabreichung wird dieser Schritt umgangen.

Resorption bedeutet, dass zelluläre Barrieren (Epithelzellen und/oder vaskuläre En-dothelzellen) und damit Zellmembranen (Lipiddoppelschichten) überwunden wer-den müssen. Dabei sind (nach abnehmender Wichtigkeit angeordnet) folgende Me-chanismen beteiligt: Diffusion durch Lipide von Zellmembranen, Carrier-vermittel-ter Transport, Diffusion durch wassergefüllte Poren und Pinozytose.

Diffusion durch Membranlipide: Dies ist der quantitativ bedeutendste Mechanismusbei der enteralen Resorption, d. h. bei oraler Applikation, der häufigsten Art der Arz-neimittelapplikation. Die Geschwindigkeit der Diffusion durch Zellmembranen wirdbestimmt vom transmembranären Konzentrationsgradienten, der Molekülgrößeund der Löslichkeit des Pharmakons in Membranlipiden. Mit steigendemMolekular-gewicht nimmt die Geschwindigkeit der Diffusion ab, mit steigender Lipidlöslichkeitzu.

▶Merke. ▶Merke. Die Lipidlöslichkeit (Lipophilie) ist die für die Resorption bei Weitemwichtigste physikochemische Eigenschaft von Pharmaka.

Sie lässt sich mithilfe des Octanol-Wasser-Verteilungskoeffizienten abschätzen. ImVerteilungsgleichgewicht, d. h. wenn sich die Pharmakonkonzentrationen in beidenPhasen nicht mehr ändern und konstant bleiben, entspricht der Quotient aus derPharmakonkonzentration in der Octanolphase und der Pharmakonkonzentration inder Wasserphase dem Octanol-Wasser-Verteilungskoeffizienten.Viele Pharmaka sind zudem schwache organische Basen oder Säuren. Deshalb mussauch der Ionisationsgrad der Stoffe berücksichtigt werden, denn:

▶Merke. ▶Merke. Pharmaka sind nur im nicht ionisierten Zustand ausreichend lipidlöslich.

Der Ionisationsgrad basischer und saurer Pharmaka kann mithilfe der Gleichungvon Henderson und Hasselbalch berechnet werden:■ basische Pharmaka:

pH � pKa ¼ log½B�

½BHþ�(B = freie Base; BH+ =protonierte Base)

Verschiedene Applikationsformen zeigenAbb. A-3.1 und Abb. A-3.2. Die Zubereitungeines Arzneimittels bestimmt, wie schnell dasPharmakon freigesetzt wird. Retardpräpara-te (p. o.) oder Depotpräparate (s. c. oderi.m.) ermöglichen bei insgesamt verlängerterWirkdauer eine relativ konstante Plasmakon-zentration über längere Zeit.

Bei der Resorption müssen zelluläre Barrieren,d. h. Zellmembranen überwunden werden.

Diffusion durch Membranlipide: Die Diffusi-onsgeschwindigkeit sinkt mit zunehmendemMolekulargewicht und steigt mit höherer Li-pidlöslichkeit. Einfluss hat auch der trans-membranäre Konzentrationsgradient.

Die Lipidlöslichkeit lässt sich mithilfe desOctanol-Wasser-Verteilungskoeffizientenabschätzen.

Der Ionisationsgrad der Stoffe muss berück-sichtigt werden, denn:

Zur Berechnung des Ionisationsgrads basi-scher und saurer Pharmaka wird die Glei-chung von Henderson und Hasselbalch ver-wendet.

38 A 3 Pharmakokinetik

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■ saure Pharmaka:

pH � pKa ¼ log½S��½SH�

(S– = freie Säure; SH=protonierte Säure)

Carrier-vermittelter Transport: Membranproteine, die einen Transport durch Zell-membranen vermitteln, können an der Resorption beteiligt sein. Einige Transporter„erleichtern“ lediglich einen Konzentrationsausgleich zwischen beiden Seiten derZellmembran und kommen ohne Energie aus (erleichterte Diffusion). Andere kataly-sieren einen aktiven Transport auch gegen einen Konzentrationsgradienten und be-nötigen ATP. Für die enterale Resorption ist ein Carrier-vermittelter Transport nurfür Fe2+ und Ca2+ sowie einige wenige Pharmaka bedeutsam, z. B. für Folsäure, Me-thotrexat, 6-Mercaptopurin, Amoxicillin und L-Dopa.

Diffusion durch wassergefüllte Poren: Die Diffusion durch Membranporen oderdurch parazelluläre Poren spielt bei der Resorption von Pharmaka keine wichtigeRolle. Der Durchmesser der Membranporen ist einfach zu klein (etwa 0,4 nm), umPharmaka, deren Moleküldurchmesser gewöhnlich 1nm übersteigt, passieren zulassen. Parazelluläre Poren haben zwar in den Kapillaren der Haut und der Skelett-muskulatur einen geschätzten Durchmesser von 1–4nm, aber ihr effektiver Durch-messer wird häufig durch Zell-Zell-Kontakte (Tight Junctions) vermindert. Hinzukommt, dass die Porenfläche nur einen Bruchteil der Gesamtfläche ausmacht. Des-halb ist auch die Diffusion durch parazelluläre Poren ohne wesentliche Bedeutungfür die Resorption von Pharmaka.

Pinozytose: Dieser Mechanismus beinhaltet einen vesikulären Transport in Zellenhinein (Endozytose) und aus Zellen heraus (Exozytose). Solch komplexe Vorgängemögen bei einigen Makromolekülen (Insulin, monoklonale Antikörper gegen TNFα)eine gewisse Rolle spielen.

3.2.3 Zusammenspiel von Applikationsart und Resorption 3.2.3 Zusammenspiel von Applikationsartund Resorption

Orale Verabreichung Orale Verabreichung

Die orale Verabreichung (per os = p. o.) ist nicht invasiv und führt bei den meistenPharmaka zur Anflutung ausreichend hoher Konzentrationen im Blutplasma. Des-halb ist sie bei Weitem der häufigste und damit wichtigste Weg, auf dem Arzneimit-teltherapie stattfindet.

▶Merke.▶Merke. Nach oraler Verabreichung ist für die meisten Pharmaka der Dünndarmder Hauptresorptionsort; die Resorption von Pharmaka oberhalb des Dünndarmsist von Ausnahmen abgesehen minimal.

Der Grund hierfür ist die für die Resorption zur Verfügung stehende Fläche, die imDünndarm mit 100 –200m2 gigantisch ist. Im Vergleich dazu bieten Magen undDickdarm (0,2 bzw. 0,4 % der Dünndarmfläche) vernachlässigbare Resorptionsflä-chen. Diewichtigsten Faktoren für die Geschwindigkeit und das Ausmaß der entera-len Resorption von Pharmaka sind die gastrointestinale Motilität, die Art der Formu-lierung und einige physikochemische Faktoren.

Gastrointestinale Motilität: Je rascher der Magen entleert wird, umso schneller ge-langt das Pharmakon in den Dünndarm und kann resorbiert werden.

▶Merke.▶Merke. Die Resorptionsgeschwindigkeit bestimmt das Maximum der Plasmaspie-gel und damit die Intensität der Wirkung: Je schneller ein Pharmakon resorbiertwird, umso höher ist die Intensität seiner Wirkung.

Nahrungsaufnahme verzögert die Magenentleerung und hat deshalb oft einen hem-menden Einfluss auf die Resorptionsgeschwindigkeit. Typisches Beispiel: Nach einerMahlzeit ist Alkohol weniger gut wirksam als im Nüchternzustand. Von dieserFaustregel gibt es jedoch zahlreiche Ausnahmen. So werden lipophile Pharmakahäufig nach einer fettreichen Mahlzeit vollständiger und manchmal auch schnellerresorbiert. Diese Ausnahmen bringen es mit sich, dass der Einfluss der Nahrungsauf-

Carrier-vermittelter Transport: Einige Trans-porter „erleichtern“ ohne Energieverbraucheinen transmembranären Konzentrationsaus-gleich (erleichterte Diffusion). Für einen ak-tiven Transport gegen einen Konzentrations-gradienten wird ATP benötigt.

Diffusion durch wassergefüllte Poren: DieDiffusion durch Membranporen oder durchparazelluläre Poren hat keine große Bedeu-tung für die Resorption von Pharmaka.

Pinozytose: Es gibt einen vesikulären Trans-port in Zellen hinein (Endozytose) und ausZellen heraus (Exozytose).

Die nicht invasive orale Applikation (peros = p. o.) ist die häufigste und wichtigsteForm der Arzneimitteltherapie.

Der Dünndarm bietet mit 100 – 200m2 diegrößte Resorptionsfläche im Magen-Darm-Trakt. Geschwindigkeit und Ausmaß der en-teralen Resorption werden v. a. durch diegastrointestinale Motilität, die Art der Formu-lierung und physikochemische Faktoren be-stimmt.

Gastrointestinale Motilität: Je rascher derMagen entleert wird, umso schneller erfolgtim Dünndarm die Resorption.

Der Einfluss der Nahrungsaufnahme auf dieResorption von Pharmaka ist schwer vorher-sehbar. Es kann sowohl zu einer Vermin-derung als auch zu einer Beschleunigung derResoption kommen.

A 3.2 Arzneimittelapplikation bis Eintritt d. Pharmakons in den systemischen Kreislauf 39

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nahme auf das Ausmaß der Resorption und die Resorptionsgeschwindigkeit vonPharmaka als schwer vorhersehbar gilt.

▶Klinischer Bezug. ▶Klinischer Bezug. Einige Erkrankungen (Migräne, diabetische Polyneuropathie)verzögern die Magenentleerung und verlangsamen so die Resorption. BestimmtePharmaka können die Magenentleerung beschleunigen (Metoclopramid) oder ver-langsamen (Atropin, trizyklische Antidepressiva) und auf diesemWege die Resorpti-on anderer Pharmaka beschleunigen oder verlangsamen.

Art der Formulierung: Die Darreichungsform (Formulierung des Pharmakons alsTablette, Kapsel oder Dragee) hat einen starken Einfluss auf die Resorptions-geschwindigkeit. So wird z. B. ein Pharmakon aus einer Gelatinekapsel, die denWirkstoff in gelöster Form flüssig enthält, sehr schnell resorbiert. Tabletten- oderKapselformulierungen, die das Pharmakon als Pulver oder in mikronisierter Formenthalten, setzen den Wirkstoff umso schneller frei, je kleiner die Partikel sind. DieGeschwindigkeit, mit der Pharmaka aus der Formulierung freigesetzt werden, be-stimmt auch die Resorptionsgeschwindigkeit. So hat die pharmazeutische Technolo-gie eine Vielzahl von Möglichkeiten, auf die Resorptionsgeschwindigkeit von Phar-maka Einfluss zu nehmen.

Physikochemische Faktoren: Polare, gut wasserlösliche Stoffe werden nach oralerGabe meist schlecht oder unvollständig resorbiert. Die Resorption von Tetrazyklinenkann in Gegenwart von Ca2+ (z. B. bei gleichzeitiger Gabe von Milchprodukten oderCa2+-haltigen Arzneistoffen) durch Bildung schwerlöslicher Chelate erheblich beein-trächtigt werden.

Sublinguale oder bukkale VerabreichungSublinguale oder bukkale Verabreichung

Die sublinguale/bukkale Applikation ist für lipophile Pharmaka mit ausgeprägterpräsystemischer Elimination insbesondere in Notfallsituationen sinnvoll. Arzneimit-telformulierungen wie Zerbeißkapseln und Sublingualtabletten führen zur Resorpti-on des freigesetzten Pharmakons in der Mundhöhle und dadurch auf kürzestemWege zum Eintritt in den venösen Schenkel des systemischen Kreislaufs(Abb. A-3.2). Darüber hinaus ist die bukkale Applikation indiziert, wenn eine lokaleWirkung in der Mundhöhle oder im Rachen erwünscht ist (z. B. Lutschtabletten beiHalsschmerzen).

▶Merke. ▶Merke. Die sublinguale/bukkale Applikation dient also in der Regel der Vermei-dung einer präsystemischen Elimination. Das Pharmakon kommt nicht nur in höhe-rer Konzentration, sondern auch schneller amWirkort an als bei oraler Applikation,muss aber ausreichend lipophil sein.

Pharmaka, die sublingual/bukkal appliziert werden sollen, müssen lipophil sein undin niedrigen Dosen wirken, da die zur Verfügung stehende Resorptionsfläche (etwa0,02m2) klein ist. Typische Beispiele sind Glyceroltrinitrat, Buprenorphin und Fenta-nyl.

▶Klinischer Bezug. ▶Klinischer Bezug. Glyceroltrinitrat wird sublingual verabreicht zur Behandlung deshypertensiven Notfalls (S.491), des Angina-pectoris-Anfalls und des kardialenLungenödems, weil es das linke Herz durch Reduktion der Vorlast sehr schnell ent-lastet, vgl. Nitrovasodilatatoren (S.177). Buprenorphin und Fentanyl sind in Formvon Sublingualtabletten wegen der schnell einsetzenden Schmerzstillung therapeu-tische Optionen bei starken Schmerzen, wie z. B. beim Herzinfarkt oder nach einemTrauma.

Art der Formulierung: Die Darreichungsformbeeinflusst die Resorptionsgeschwindigkeit.Eine schnelle Resorption erfolgt z. B. bei flüssi-gem Wirkstoff mit Gelantinekapsel. Die Wirk-stofffreisetzung aus Tabletten oder Kapselnist umso schneller, je kleiner die Partikel sind.

Physikochemische Faktoren: Polare wasser-lösliche Stoffe werden p. o. meist schlecht re-sorbiert. Ca2+ (z. B. Milch) beeinträchtigt dieResorption von Tetrazyklinen.

Die sublinguale/bukkale Applikation eignetsich gut in Notfallsituationen, da die Resorp-tion bereits in der Mundhöhle erfolgt(Abb. A-3.2). Sie dient aber auch der lokalenBehandlung von Mundhöhle und Rachen.

Für eine sublinguale/bukkale Applikationmüssen die Pharmaka lipophil sein und inniedrigen Dosen wirken.

40 A 3 Pharmakokinetik

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Rektale Verabreichung Rektale Verabreichung

Rektal werden Pharmaka verabreicht, wenn lokale Wirkungen im unteren Dickdarmerwünscht sind, wie bei der Behandlung der Colitis ulcerosa mit antiphlogistischwirkenden Stoffen, oder wenn die orale Applikation schwierig (z. B. bei Säuglingenund Kleinkindern) oder unmöglich (z. B. bei Übelkeit und Erbrechen) ist. Nach rek-taler Applikation ist das Ausmaß der Resorption häufig unvorhersehbar und erheb-lich geringer als nach oraler Verabreichung, weil die Resorptionsfläche (etwa0,06 m2) klein ist und andere Einflussfaktoren (Füllungszustand, Defäkation) schwerkontrollierbar sind. Trotzdem ist es unter den oben genannten Bedingungen sinn-voll, Rektalzäpfchen zu verabreichen.

▶Merke.▶Merke. Nach rektaler Applikation ist die präsystemische Elimination relativ ge-ring, da das venöse Blut aus dem unteren Abschnitt des Rektums über die Vv. ilia-cae in die V. cava inferior und somit unter Umgehung der Leber direkt in den syste-mischen Kreislauf gelangt (Abb. A-3.2).

Nasale Verabreichung Nasale Verabreichung

Die nasale Applikation wird für eine lokale Therapie genutzt (z. B. schleimhaut-abschwellende Nasentropfen bei Erkältung), aber auch zur systemischen Therapiemit Peptidhormonen. Bei oraler Applikation würden Peptidhormone im Magen-Darm-Trakt enzymatisch abgebaut und dadurch unwirksam. Nach Applikation inForm von Nasensprays und Resorption über die Nasenschleimhaut gelangen sie da-gegen auf direktemWeg in den systemischen Kreislauf.

▶Merke.▶Merke. Bei nasaler Applikation findet keine präsystemische Elimination statt.

▶Klinischer Bezug.▶Klinischer Bezug. Als Nasenspray verabreicht man z. B.■ das natürliche Hypothalamushormon Gonadorelin (GnRH) zur Behandlung desHodenhochstandes bei Jungen zwischen dem 12. und 24. Lebensmonat,

■ das synthetische ADH (Vasopressin)-Analogon Desmopressin bei zentralem Dia-betes insipidus (ADH-Mangel infolge einer hypothalamischen oder hypophysärenLäsion nach Operation oder Schädel-Hirn-Trauma),

■ das natürliche Schilddrüsenhormon Kalzitonin bei der postmenopausalen Osteo-porose zur Verminderung der Osteoporose-Schmerzen und des Risikos von ver-tebralen Frakturen.

Verabreichung von Augentropfen Verabreichung von Augentropfen

Augentropfen, die in den Konjunktivalsack des Auges appliziert werden, dienen übli-cherweise der lokalen Therapie von Augenkrankheiten. Aus Augentropfen werdenPharmaka aber nicht nur über die Konjunktiva resorbiert, sondern nach Passage desTränenkanals auch über die Nasenschleimhaut. Augentropfen, die lipophile Pharma-ka wie Clonidin und Timolol enthalten, haben deshalb auch systemische Wirkungen.

Transdermale Verabreichung Transdermale Verabreichung

Die transdermale (t.d.) Applikation von Pharmaka in Form von Salben, Cremes oderGelen dient meist der lokalen Therapie. Nur sehr lipophile Pharmaka werden resor-biert und gelangen ohne präsystemische Elimination direkt in den systemischenKreislauf. Dies hat zur Entwicklung transdermaler therapeutischer Systeme (TTS)geführt, die lipophile Wirkstoffe mit konstanter Geschwindigkeit freisetzen und zurtransdermalen Resorption bringen.

▶Klinischer Bezug.▶Klinischer Bezug. Solche Pflaster-Formulierungen haben sich z. B. durchgesetzt inder Raucherentwöhnung mit Nikotin, der Therapie chronischer Schmerzen mit denOpioidanalgetika Fentanyl und Buprenorphin, der Therapie klimakterischer Be-schwerden mit Östrogenen und der Therapie koronarer Durchblutungsstörungenmit Glyceroltrinitrat.

Sie erfolgt wenn eine lokale Wirkung im un-teren Dickdarm erwünscht, oder die oraleApplikation nicht möglich ist. Allerdings istdas Ausmaß der Resorption großen Schwan-kungen unterworfen.

Sie dient der lokalen Therapie oder der sys-temischen Therapie mit Peptidhormonen,die bei oraler Applikation vorzeitig abgebautwerden würden.

Sie werden zur lokalen Therapie von Augen-krankheiten angewendet. Zu beachten ist,dass sie auch systemische Wirkungen habenkönnen.

Die transdermale Applikation (t.d.) dient v. a.der lokalen Therapie. Nur stark lipophilePharmaka können als transdermale thera-peutische Systeme (TTS) angewendet wer-den.

A 3.2 Arzneimittelapplikation bis Eintritt d. Pharmakons in den systemischen Kreislauf 41

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Inhalative VerabreichungInhalative Verabreichung

Diese Applikationsform, die oft auch mit dem Begriff „per inhalationem (p. i.)“ be-zeichnet wird, ist typisch für Inhalationsnarkotika. Dabei handelt es sich um volatileSubstanzen oder Gase. Über die Kinetik ihrer Aufnahme in den systemischen Kreis-lauf wird an anderer Stelle ausführlich berichtet (S.276). Andere Pharmaka werdenin fein verteilter Form als Aerosol inhaliert (S.530), wenn lokale Wirkungen auf dieAtemwege erwünscht sind, z. B. in der Asthmatherapie mit Glukokortikoiden, β2-Re-zeptor-Agonisten und/oder Muskarinrezeptor-Antagonisten (S.114). Die Größe derTeilchen im Aerosol entscheidet darüber, in welchem Abschnitt der Lunge die Wirk-stoffe deponiert werden und wirken: Bei einem Durchmesser von >10µm werdennur die oberen Atemwege erreicht, bei einem Durchmesser von 2–10µm die Bron-chien und Bronchiolen und bei einem Durchmesser von <2 µm die Alveolen. Wer-den die Alveolen erreicht, ist die für eine Resorption zur Verfügung stehende Fläche(80 –100m2) sehr groß. Dann muss man mit systemischen Wirkungen rechnen, dieso rasch einsetzen wie nach intravenöser Verabreichung.

Intravasale, intramuskuläre und subkutane VerabreichungIntravasale, intramuskuläre und subkutaneVerabreichung

▶Definition. ▶Definition. Die intravasale, intramuskuläre und subkutane Injektion werden imklinischen Sprachgebrauch als parenterale Applikationsarten bezeichnet (parente-ral = unter Umgehung des Magen-Darm-Trakts). Streng genommen sind aber aucheinige andere Applikationsformen, die den Magen-Darm-Trakt umgehen (nasal,konjunktival, transdermal, inhalativ) als parenteral zu bezeichnen.

Intravasale Verabreichung: Bei dieser Applikationsart unterscheidet man die intra-venöse (i. v.) und die intraarterielle (i. a.) Injektion. Bei beiden entfällt die Resorpti-on, denn das Pharmakon gelangt direkt in den systemischen Kreislauf. Der wichtigs-te Unterschied zwischen i. v.- und i. a.-Applikation ist, dass es nach i. v.-Injektion zueiner raschen Verdünnung des injizierten Wirkstoffs kommt, während bei i. a.-Injek-tion die injizierten Stoffe in Höchstkonzentrationen bis in die Endstrombahn gelan-gen.

▶Merke. ▶Merke. Die i. v.-Gabe ist der schnellste Weg, systemische Wirkungen von Arznei-mitteln zu erzielen. Die dabei erreichten Spitzenkonzentrationen im Blutplasmahängen entscheidend von der Geschwindigkeit der Injektion ab. Mit einer i. v.-Infu-sion kann die Wirkstoffkonzentration im Blutplasma beliebig variiert werden.

Intramuskuläre und subkutane Verabreichung: Die intramuskuläre (i.m.) und diesubkutane (s. c.) Injektion sind häufig genutzte Wege der Arzneimittelapplikation.Bei ihnen erfolgt die Resorption schneller als bei oraler Gabe.Die wichtigsten Faktoren, die die Geschwindigkeit der Resorption vom Injektionsortlimitieren, sind■ die Löslichkeit des Pharmakons und■ die lokale Durchblutung.Die Resorption erfolgt am raschesten aus wässrigen Lösungen und bei guter lokalerDurchblutung. Die Resorption kann erheblich verlangsamt werden, wenn das Phar-makon in unlöslicher Form (Salz, Komplex) oder in öliger Lösung in schlecht durch-bluteten Arealen verabreicht wird. Es gibt eine Vielzahl von anderen Methoden, dieResorption aus i.m.- oder s. c.-Injektionsdepots zu verzögern.

▶Klinischer Bezug. ▶Klinischer Bezug. Ein prominentes Beispiel ist die Gabe von Noradrenalin oderAdrenalin zusammen mit Lokalanästhetika. Die dadurch erzielte lokale Vasokon-striktion verlängert die Wirkungsdauer der Lokalanästhetika und vermindert dieResorption vom Applikationsort und damit das Risiko systemischer Wirkungen.

▶Merke. ▶Merke. Die Applikationsart bestimmt, wie rasch die Pharmakonwirkung nach Ap-plikation einsetzt. Der Wirkungsbeginn verzögert sich in folgender Reihenfolge:i. v. < i.m. < s. c. < p. o.

Näheres im Kap. „Inhalationsnarkotika“(S.276). Andere Pharmaka werden zur loka-len Wirkung auf die Atemwege als Aerosolinhaliert (S.530). Bei größeren Aerosol-Teil-chen werden nur die oberen Atemwege er-reicht, bei abnehmendem Durchmesser auchdie Bronchiolen und Alveolen. Bei Letzterensind rasch eintretende systemische Wirkun-gen möglich.

Intravasale Verabreichung: Dabei gelangtdas Pharmakon direkt in den systemischenKreislauf. Bei i. v.-Injektion kommte es zueiner raschen Verdünnung, bei i. a.-Injek-tion gelangt die Höchstkonzentration bis indie Endstrombahn.

Intramuskuläre und subkutane Verabrei-chung: Bei intramuskulärer (i.m.) und sub-kutaner (s. c.) Injektion erfolgt die Resorpti-on schneller als bei oraler Verabreichung.Die Resorptionsgeschwindigkeit vom Injek-tionsort steigt mit der Löslichkeit des Phar-makons und mit der lokalen Durchblutung.

42 A 3 Pharmakokinetik

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3.3 Verteilung 3.3 Verteilung

3.3.1 Verteilungsräume und Verteilungsmechanismen 3.3.1 Verteilungsräume und Verteilungs-mechanismen

Verteilungsräume Verteilungsräume

Man unterscheidet drei anatomisch definierte Verteilungsräume mit jeweils definier-tem Wassergehalt. In ihnen können sich Pharmaka – auch schlecht wasserlösliche –

zeitlich in der genannten Reihenfolge verteilen und so an denWirkort gelangen:■ Intravasaler Raum: Er enthält 3–3,5 l Wasser und entspricht ca. 4 % des Körper-gewichts.

■ Interstitieller Raum: Er enthält 11–13 l Wasser und entspricht ca. 15% des Körper-gewichts.

■ Intrazellulärer Raum: Er enthält 30 –35 l Wasser und entspricht ca. 40% des Kör-pergewichts.

Das Wasser im Extrazellularraum macht demnach 19%, das Gesamtkörperwasser59% des Körpergewichts aus.

▶Merke.▶Merke. Nach der intravasalen Injektion bzw. der Resorption verteilen sich Phar-maka zunächst im intravasalen Raum. Dabei werden die am besten durchblutetenOrgane (Gehirn, Herz, Nieren, Leber) zu Beginn bevorzugt. Es folgt eine Umvertei-lung in Gewebe mit geringerer Durchblutung, also die relativ gut durchbluteteMuskulatur und das schlecht durchblutete Fettgewebe.

▶Klinischer Bezug.▶Klinischer Bezug. Bei sehr lipophilen Pharmaka wie den Injektionsnarkotika (z. B.Thiopental) sorgt einerseits sowohl die zunächst ausgeprägte Anflutung im Gehirnals auch die schnelle Permeation durch Membranen für eine rasche Passage derBlut-Hirn-Schranke und damit für einen schnellen Wirkungseintritt. Andererseits istdie Umverteilung in die Muskulatur und das Fettgewebe für ein rasches Wirkungs-ende verantwortlich. Näheres siehe Injektionsnarkotika (S.279).

Verteilungsmechanismen Verteilungsmechanismen

Der Verteilung von Pharmaka liegen die gleichen Mechanismen zugrunde wie derResorption (S.38). Die Permeation von Membranen erfolgt mittels Diffusion durchMembranlipide, Diffusion durch wassergefüllte Poren (d. h. Membranporen oder pa-razelluläre Poren), Carrier-vermittelten Transport oder mittels Pinozytose.

3.3.2 Einflüsse auf das Verteilungsmuster von Pharmaka 3.3.2 Einflüsse auf das Verteilungsmustervon Pharmaka

Im Verteilungsgleichgewicht, d. h. wenn sich die Pharmakonkonzentration in denverschiedenen Verteilungsräumen nicht mehr ändert und konstant bleibt, bestim-men mehrere Faktoren darüber, wie sich ein Pharmakon auf diese Räume verteilt:■ die Permeabilität des Kapillarendothels und anderer Barrieren,■ die Proteinebindung von Pharmaka,■ die pH-Verteilung,■ der Fettgehalt des Gewebes und■ Affinität zum Knochengewebe.

Permeabilität des Kapillarendothels und anderer Barrieren Permeabilität des Kapillarendothels undanderer Barrieren

Verteilungsbarrieren: Der Verteilung von Stoffen zwischen den drei Verteilungsräu-men stehen folgende Barrieren entgegen:■ Zwischen intravasalem und interstitiellem Raum befindet sich das Kapillarendo-thel. Je nach anatomischer Lokalisation des Kapillarsystems besitzen die Endothel-zellen undurchlässige Zell-Zell-Kontakte oder Membranporen (Abb. A-3.3a), sindalso unterschiedlich durchlässig:– Die Zellmembranen des Kapillarendothels im Gehirn sind durch Tight Junctionsso flächig miteinander verbunden, dass ein parazellulärer Transport über diesesog. Blut-Hirn-Schranke (Abb. A-3.3b) unmöglich ist.

– Das Kapillarendothel der Leber weist große parazelluläre Poren (Abb. A-3.3;Durchmesser 100nm) auf, und es fehlt eine Basalmembran.

Pharmaka verteilen sich nacheinander in dreianatomisch definierten Verteilungsräumenund gelangen so an ihren Wirkort:■ intravasaler Raum: enthält 3– 3,5 l Wasser■ interstitieller Raum: enthält 11 –13 l Was-ser

■ intrazellulärer Raum: enthält 30 –35 lWasser

Die Verteilung von Pharmaka erfolgt durchDiffusion, Carrier-vermittelten Transport oderPinozytose.

Im Verteilungsgleichgewicht bestimmenmehrere Faktoren über die Verteilung einesPharmakons auf die verschiedenen Räume.

Verteilungsbarrieren:■ Kapillarendothel (Abb. A-3.3a): Zwischenintravasalem und interstitiellem Raum. Esist unterschiedlich durchlässig:– Im Gehirn verhindern Tight Junctions ei-nen parazellulären Transport→ Blut-Hirn-Schranke (Abb. A-3.3b).

– In der Leber existieren große parazellu-läre Poren (Abb. A-3.3c) bei fehlenderBasalmembran.

A 3.3 Verteilung 43

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■ Zwischen interstitiellem und intrazellulärem Raum befindet sich die Zellmembran.■ Spezialfall: Zwischen fetalem und mütterlichem Intravasalraum befindet sich diePlazentarschranke. Sie besteht aus dem fetalen Kapillarendothel, der es umgeben-den Basalmembran, Zottenbindegewebe sowie dem Synzytiotrophoblasten unddem Trophoblasten und weist relativ große parazelluläre Poren auf.

Permeabilität für lipophile Substanzen: Lipophile Stoffe, d. h. Stoffe mit hohem Octa-nol-Wasser-Verteilungskoeffizienten, durchdringen Membranen mittels Diffusion.Deshalb sind alle Barrieren für sie leicht zu überwinden (hohe Permeabilität).

Permeabilität für hydrophile Substanzen: In den Kapillaren der Leber sind die para-zellulären Poren so groß, dass auch große hydrophile Moleküle wie Albumin (Mole-külmasse 68 kDa) durchtreten können. Leberzellen exprimieren Transporter für or-ganische Anionen und Kationen, die einige Pharmaka (z. B. Statine) benötigen, umihren intrazellulären Wirkort zu erreichen (S.51).Die Blut-Hirn-Schranke ist für hydrophile Pharmaka praktisch impermeabel. Deshalbwirken Pharmaka mit quartärem Stickstoff (→ hydrophil), wie die Muskarinrezeptor-Antagonisten N-Butylscopolamin und Ipratropiumbromid, nur in der Peripherie,während Pharmaka mit tertiärem Stickstoff (→ lipophil), z. B. die Muskarinrezeptor-Antagonisten Atropin und Scopolamin (S.114), auch im ZNSwirken.

▶Merke. ▶Merke. Ausnahmen sind die zirkumventrikulären Organe im ZNS, z. B. die chemo-rezeptive Triggerzone im Bereich der Area postrema. Hier ist das Kapillarendothelfür hydrophile Substanzen frei permeabel (weil die Endothelzellen zwar durchTight Junctions verbunden sind, aber Fenestrationen aufweisen). Ansonsten sindhydrophile Pharmaka (z. B. L-DOPA) auf spezifische Transporter angewiesen, um insZNS zu gelangen.

Die Schrankenfunktion der Blut-Hirn-Schranke wird durch Expression eines ATP-verbrauchenden Efflux-Transporters (S.51) weiter verstärkt. Es handelt sich um denMulti-Drug-Resistance-Transporter MDR1, der auch als P-Glykoprotein (P-Gp) be-kannt ist.

▶Klinischer Bezug. ▶Klinischer Bezug. P-Gp wird in der luminalen Membran der Kapillarendothelzellender Blut-Hirn-Schranke exprimiert und sorgt für einen aktiven Efflux von Pharmakazurück ins Blut, nachdem sie bereits von den Endothelzellen aufgenommen wurden.P-Gp kann auf diesem Wege Wirkungen von Pharmaka im ZNS verhindern. Daskann erwünscht (z. B. fehlende analgetische Wirkung von Loperamid) oder uner-wünscht sein (z. B. Resistenz gegenüber den Wirkungen von Antikonvulsiva). DieArzneistoffe, die als Substrate oder Hemmstoffe von P-Gp fungieren oder seine Ex-pression induzieren, sind in Tab. A-3.2 aufgelistet.

⊙ A-3.3 Verteilungsbarriere Kapillarendothel

E

Z

D

LumenInterzellularspalten

Poren (Fenestrationen)

Basalmembran

Kern der Endothelzelle

Erythrozyt

a b c

a Aufbau der Kapillarwand.b Blut-Hirn-Schranke: Die Kapillarendothelzellen sind durch Tight Junctions (Zonula occludens, Z) miteinander „vernietet“. E: Erythrozyt.c Kapillarendothel der Leber mit parazellulären Poren (Pfeile; D: Disse-Raum).(a: aus Aumüller et al., Duale Reihe Anatomie, Thieme, 2014. b + c: aus Lüllmann et al., Taschenatlas Pharmakologie, Thieme, 2014)

■ Zellmembran: Zwischen interstitiellem undintrazellulärem Raum.

■ Spezialfall Plazentarschranke: Zwischenfetalem und mütterlichem Intravasalraum.Sie verfügt über relativ große parazellulä-re Poren.

Permeabilität für lipophile Substanzen: Siehaben eine hohe Permeabilität.

Permeabilität für hydrophile Substanzen:Durch die parazellulären Poren der Leber kön-nen auch hydrophile Moleküle gelangen. Or-ganische Anionen und Kationen brauchenTransporter (S.51).

Die Blut-Hirn-Schranke ist für hydrophileStoffe praktisch impermeabel. HydrophilePharmaka wirken nur peripher, lipophile Phar-maka auch zentral (S.114).

Die Blut-Hirn-Schranke wird durch denMDR1-Transporter (S.51), auch P-Glykopro-tein (P-Gp) genannt, verstärkt.

44 A 3 Pharmakokinetik

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Die parazellulären Poren der Plazentarschranke sind relativ groß, sodass auch hy-drophile Stoffe bis zu einer Molmasse von 1000 Da (wenn auch langsam) passierenkönnen.

Proteinbindung von Pharmaka Proteinbindung von Pharmaka

In den oben genannten Verteilungsräumen liegen Pharmaka gewöhnlich in freierund gebundener Form vor. Pharmaka binden reversibel mit unterschiedlicher Affini-tät an eine Vielzahl von gelösten und membranständigen Proteinen. Durch die Bin-dung an gelöste Proteine des Blutplasmas (Plasmaeiweißbindung=PEB) und der in-terstitiellen und intrazellulären Flüssigkeit verbessert sich die Löslichkeit von Phar-maka erheblich. Im intravasalen und im interstitiellen Raum sind v. a. Albumin unddas saure α1-Glykoprotein an der Bindung von Pharmaka beteiligt.

▶Merke.▶Merke. Saure Pharmaka (z. B. Penicilline, Phenprocoumon und Salicylsäure) bin-den v. a. an Albumin, das aber auch andere lipophile Substanzen (z. B. Digitoxin)hochaffin bindet. Basische Stoffe (z. B. Propranolol und Imipramin) binden dagegenhauptsächlich an das saure α1-Glykoprotein.

▶ Exkurs.▶ Exkurs. Bindungskapazität von AlbuminJedes Albuminmolekül hat zwei Domänen, an die Pharmaka binden können. Da die Albumin-konzentration im Plasma 0,6mmol/l beträgt, hat das Plasma-Albumin eine Bindungskapazitätvon 1,2mmol/l. Für die meisten Pharmaka liegt die Plasmakonzentration für erwünschte Wir-kungen weit unterhalb von 1,2mmol/l. Deshalb ist die Bindung an Albumin normalerweise voneiner Sättigung weit entfernt.

Albumin spielt als Bindungsort auch im interstitiellen Raum eine wichtige Rolle, dasich etwa 50% des insgesamt vorhandenen Albumins in der interstitiellen Flüssig-keit befinden. Über Membranproteine und intrazelluläre Proteine, die Pharmakabinden, ist wenig bekannt. Man weiß jedoch, dass besonders lipophile, schwach ba-sische Pharmaka mit hoher Affinität von zellulären Proteinen gebunden werden.

▶Merke.▶Merke. Auch wenn die Bindung reversibel ist, kann sich nur das ungebundenePharmakon im Körper verteilen und wirken. Eine hochaffine Bindung in einemKompartiment, z. B. die Bindung von Digitoxin, Phenprocoumon und Salicylsäurean Plasmaproteine, kann deshalb die Verteilung dieser Stoffe in ein anderes Kom-partiment behindern.

Eine hochaffine Plasmaproteinbindung beeinträchtigt nicht nur die Verteilung (z. B.zumWirkort), sondern verlangsamt auch die Elimination des Pharmakons (Abb. A-3.4).

pH-Verteilung (Ionenfalle) pH-Verteilung (Ionenfalle)

Bei schwachen Basen und Säuren besteht ein Gleichgewicht zwischen den ionisier-ten und nicht ionisierten Molekülformen. Die Position dieses Gleichgewichts hängtvom pH ab, s. Henderson-Hasselbalch-Gleichung (S.38). Da nur das ungeladeneMolekül Diffusionsbarrieren rasch überwinden kann, ergeben sich zwischen Flüs-sigkeitsräumen mit unterschiedlichem pH erhebliche Unterschiede bezüglich derKonzentration der ionisierten Moleküle. Abb. A-3.5 zeigt exemplarisch die theoreti-schen Konzentrationen für Imipramin und Salicylsäure in drei Flüssigkeitsräumen.

▶Klinischer Bezug.▶Klinischer Bezug. Schwache Säuren reichern sich bei relativ hohem pH (wie im Zy-tosol der Epithelzellen der Magenschleimhaut; pH 7,4) und schwache Basen beiniedrigem pH (wie im Magensaft; pH 2) erheblich an (Abb. A-3.5). Bei Vergiftungenmit trizyklischen Antidepressiva (z. B. Imipramin) lohnt es sich daher, den Magenwiederholt zu spülen. Die Anreicherung der Salicylsäure in den Epithelzellen derMagenschleimhaut trägt zur Schädigung des Schleimhautepithels durch solche Säu-ren und dem hohen Risiko von Schleimhautblutungen aus Erosionen oder Ulzera(s. Abb. B-6.12) bei. Darüber hinaus kann man sich in der klinischen Praxis das Prin-zip der Ionenfalle zur Verbesserung der renalen Ausscheidung von Arzneistoffen zu-nutze machen. So kann z. B. die renale Ausscheidung von Salicylsäure durch Gabevon Bikarbonat und/oder Acetazolamid beschleunigt werden, weil durch die Alkali-sierung des Urins die tubuläre Rückresorption von Salicylsäure verringert wird.

Die Plazentarschranke ist auch für kleinerehydrophile Stoffe passierbar.

Pharmaka liegen frei und gebunden vor. Einereversible Bindung an gelöste Proteine ver-bessert ihre Löslichkeit, im intravasalen undinterstitiellen Raum erfolgt dies v. a. an Al-bumin und saure α1-Glykoproteine.

Etwa 50% des gesamten Albumins befindetsich im interstitiellen Raum. Pharmakabin-dende Membranproteine und intrazelluläreProteine sind bislang wenig erforscht.

Näheres zur hochaffinen Plasmaproteinbin-dung siehe Abb. A-3.4.

Bei schwachen Basen und Säuren existiert einpH-abhängiges Gleichgewicht zwischen derionisierten und nicht ionisierten Form,s. Henderson-Hasselbalch-Gleichung (S.38).Nur ungeladene Moleküle können Diffusions-barrieren rasch überwinden (s. a. Abb. A-3.5).

A 3.3 Verteilung 45

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⊙ A-3.4 Wirkung und Elimination von Pharmaka in Abhängigkeit von ihrer Plasmaproteinbindung

Pharmakon wirdnicht an die Plasma-proteinmoleküle imBlut gebunden

Effektorzelle

Effekt Metabolisierung renale Exkretion

Plas

mak

onze

ntra

tion

freies Pharmakon

Zeit

Plas

mak

onze

ntra

tion

freies Pharmakon

gebundenes Pharmakon

Zeit

Pharmakon wirdstark an die Plasma-proteinmoleküle imBlut gebunden

Effektorzelle

Effekt Metabolisierung renale Exkretion

a

b

a Keine oder geringe Plasmaeiweißbindung: Solche Pharmaka erreichen sehr schnell eine hohe Plasmakonzentration und dadurch eine star-ke Wirkung im Zielgewebe (Effektorzelle). Sie werden aber auch sehr schnell eliminiert, da sie rasch in andere Kompartimente verteilt unddabei metabolisiert oder direkt renal ausgeschieden werden.b Hohe Plasmaeiweißbindung: Solche Pharmaka erzielen eine schwächere Wirkung in den Effektorzellen, da nur der freie (ungebundene)Anteil ins Zielgewebe gelangen kann. Aus diesem Grund werden sie auch nur langsam eliminiert. Das hat zur Folge, dass die Wirkung längeranhält, da länger wirksame Plasmakonzentrationen vorhanden sind. Der Anteil des freien Pharmakons, der in der Leber metabolisiert oderrenal ausgeschieden wird, wird aus der gebundenen Fraktion des Pharmakons nachgeliefert, da freies und gebundenes Pharmakon in einemdynamischen Gleichgewicht stehen.

⊙ A-3.5 ⊙ A-3.5 Theoretische Verteilung einer schwachen Base (a) und einer schwachen Säure(b) in drei verschiedenen Flüssigkeitsräumen mit unterschiedlichem pH

100 100

101

102

103

104

105

106

101

102

103

104

105

106

107

108

Konz

entr

atio

n vo

n Sa

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e [μ

g/l]

Konz

entr

atio

n vo

n Im

ipra

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[μg/

l]

Magen-saft

Plasma Urin Magen-saft

Plasma Urin

a b

pH 2 pH 7,4 pH 8 pH 2 pH 7,4 pH 8

Für die nicht ionisierten Formen von Imipramin (a) und Salicylsäure (b) wurde die Annahmegemacht, dass im Verteilungsgleichgewicht in allen drei Wasserräumen eine Konzentrationvon 1µg/l vorliegt. Die gezeigten Konzentrationen für die ionisierten Formen von Imipramin(pKa 9,5) und Salicylsäure (pKa 3,0) wurden unter Berücksichtigung der angegebenen pH-Werte mithilfe der Henderson-Hasselbalch-Gleichung (S.38) berechnet.

46 A 3 Pharmakokinetik

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Fettgehalt des Gewebes Fettgehalt des Gewebes

Körperfett repräsentiert ein nicht polares Kompartiment. In der Praxis ist es als Teilvon berechneten Verteilungsräumen (S.43) meist ohne große Bedeutung, denn diemeisten lipophilen Pharmaka haben zu niedrige effektive Fett-Wasser-Verteilungs-koeffizienten. Hinzu kommt, dass die schlechte Durchblutung des Fettgewebes eineVerteilung ins Körperfett erheblich verzögert und letztlich auch begrenzt. Unter denNarkotika gibt es allerdings Stoffe, die sich im Körperfett anreichern können, z. B.das Inhalationsnarkotikum Halothan und das Injektionsnarkotikum Thiopental. BeiLetzterem (S.279) trägt die Anreicherung im Fettgewebe infolge der Umverteilungauch zum Wirkungsende bei.

Affinität zum Knochengewebe Affinität zum Knochengewebe

Einige wenige Pharmaka haben aufgrund ihrer physikochemischen Eigenschafteneine hohe Affinität zum Knochengewebe. Beispiele:■ Tetrazykline: Sie bilden mit Ca2+ Chelate und lagern sich dann in der Epiphysenfu-ge und im Zahnschmelz ab. Dadurch führen sie zu Wachstumsstörungen und zurfleckigen Gelbfärbung der Zähne. Deshalb sind sie in der Schwangerschaft und beiKindern unter 8 Jahren kontraindiziert.

■ Strontium (Sr2+): Es wird wie Ca2+ ins Knochengewebe eingebaut. Strontiumrane-lat, das Strontiumsalz der Ranelinsäure, wurde lange Zeit zur Therapie der Osteo-porose verwendet.

■ Bisphosphonate: Wegen ihrer hohen Affinität zum Hydroxylapatit bleiben sielangfristig im Knochen und werden hier von Osteoklasten aufgenommen, derenFunktion sie hemmen. Sie werden zur Behandlung der Osteoporose und von Kno-chenmetastasen angewendet.

3.4 Elimination 3.4 Elimination

Pharmaka werden mittels Metabolisierung (Biotransformation) und/oder Ausschei-dung (Exkretion) eliminiert.

3.4.1 Elimination durch Metabolisierung(Biotransformation)

3.4.1 Elimination durch Metabolisierung(Biotransformation)

Hydrophile Pharmaka werden durch Ausscheidung über die Nieren eliminiert. Lipo-phile Stoffe können den Körper auf diesem Wege nicht verlassen, da sie im Zuge derHarnkonzentrierung im Tubulussystem der Nieren durch Rückresorption aus demPrimärharn entfernt werden. Sie werden deshalb durchMetabolisierung – in der Re-gel v. a. in der Leber, in geringerem Maße in der Dünndarmschleimhaut – eliminiert.Bei einigen wenigen Pharmaka findet die Metabolisierung in der Niere oder im Blut-plasma statt.

▶Klinischer Bezug.▶Klinischer Bezug. Das depolarisierende Muskelrelaxans Suxamethonium und dasnicht depolarisierende Muskelrelaxans Mivacurium werden von der unspezifischenCholinesterase (Pseudocholinesterase) abgebaut, einem im Blutplasma gelösten En-zym, das in der Leber gebildet und ins Plasma sezerniert wird. Bei Leberfunktions-störungen oder einem Defekt des Enzyms (Gendefekt) kann die Wirkdauer von nor-malerweise 7 bzw. 15min stark verlängert sein, sodass der Betroffene postoperativstundenlang beatmet werden muss.

▶Merke.▶Merke. Die Metabolisierung in der Leber bzw. in der Dünndarmschleimhaut istentscheidend für die schnelle Elimination lipophiler Pharmaka.

Ihre lipophilen Eigenschaften erleichtern es vielen Stoffen, die intrazellulär lokali-sierten metabolisierenden Enzyme zu erreichen. Bei einigen Pharmaka (z. B. Statinewie Simvastatin) helfen Transporter bei der Überwindung der Zellmembran. Als Fol-ge der Metabolisierung geht die Wirksamkeit von Pharmaka meist verloren oderwird deutlich reduziert. Von dieser Regel gibt es zwei wichtige Ausnahmen:

Das nicht polare Kompartiment des Körper-fettes ist bei der Berechnung von Verteilungs-räumen (S.43) meist unwichtig. Die schlech-te Durchblutung begrenzt die Verteilung insFettgewebe, eine Ausnahme stellen be-stimmte Narkotika dar (S.279).

Pharmaka mit hoher Affinität zum Knochen-gewebe sind z. B.:■ Tetrazykline■ Strontium■ Bisphosphonate

Sie erfolgt über Metabolisierung und/oderAusscheidung.

Lipophile Stoffe können nicht über die Nie-ren ausgeschieden werden. Sie werden des-halb durch Metabolisierung eliminiert.

Die Lipophilie ermöglicht das Erreichen dermeist intrazellulär lokalisierten metabolisie-renden Enzyme. Außnahmen der normaler-weise inaktivierenden Metabolisierung sind:

A 3.4 Elimination 47

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▶Merke. ▶Merke. Einerseits kann die Metabolisierung zur Bildung wirksamer Metabolitenführen, die zur Wirksamkeit eines Pharmakons beitragen. Andererseits kann dieMetabolisierung die entscheidende Voraussetzung für das Wirksamwerden einesPharmakons sein. Die unwirksame Ausgangssubstanz wird dann als Pharmakonvor-stufe oder Prodrug bezeichnet.

Ein Beispiel für die Bildungwirksamer Metabolite ist die Metabolisierung des Anxio-lytikums Diazepam (S.285): Dieses wird zum ebenfalls wirksamen N-Desmethyldia-zepam (Nordiazepam) umgesetzt, das wiederum in das gleichfalls wirksame Oxaze-pam umgewandelt wird. Nordiazepam wird sehr viel langsamer eliminiert als Dia-zepam und verlängert deshalb die Wirkdauer von Diazepam. Oxazepam ist ein kurzwirkendes Anxiolytikum und wird auch selbst als Arzneistoff angewendet.Einige wenige Beispiele für Prodrugs sind:■ Enalapril, das in der Leber durch Hydrolyse in die als ACE-Hemmer wirkende Ena-laprilsäure (Enalaprilat) umgewandelt wird.

■ Omeprazol, das pH-abhängig in die als Protonenpumpenhemmer wirkende Sub-stanz Omeprazol-Sulfenamid umgewandelt wird.

■ Das weitgehend unwirksame Codein, das zum wirksamen Morphin O-demethy-liert wird.

■ Das Antiöstrogen Tamoxifen, das CYP2D6- und CYP3A4-vermittelt zu dem für dieWirkung verantwortlichen Metaboliten 4-Hydroxy-N-Desmethyltamoxifen (En-doxifen) abgebaut wird.

■ Sulfasalazin (S.207), das bei Colitis ulcerosa angewendet wird. Es wird von Bakte-rien im Kolon in das Antiphlogistikum 5-Aminosalicylsäure (Mesalazin) und Sul-fapyridin gespalten. Sulfapyridin ist für viele unerwünschte Wirkungen von Sulfa-salazin verantwortlich und sorgt bei anderen Indikationen (rheumatoide Arthritis,Spondylitis ankylosans) vermutlich auch für erwünschte Wirkungen.

Bei der Metabolisierung von Pharmaka unterscheidet man zwei aufeinander folgen-de Phasen enzymatisch katalysierter Reaktionen: Phase-I- und Phase-II-Reaktionen.

Phase-I-ReaktionenPhase-I-Reaktionen

Phase-I-Reaktionen überführen lipophile Substanzen durch Einführung oder Freile-gung funktioneller, meist polarer Gruppen (z. B. -OH, -NH2, -COOH) in hydrophilereSubstanzen, die entweder direkt oder erst im Anschluss an eine Phase-II-Reaktionrenal oder biliär ausgeschieden werden (Abb. A-3.6). Phase-I-Reaktionen sind kata-

⊙ A-3.6 Metabolisierung von Pharmaka

Konjugate(wasserlöslich, unwirksam)

Metabolite(besser wasserlöslich, z.T. wirksam)

Pharmaka(schlecht wasserlöslich, wirksam)

Hydroxylierung, hydrolytische Spaltung, Reduktion,Desaminierung, Desalkylierung, Epoxid-Bildung, Desulfurierung, Methylierung

Phase-I-Reaktionen (Umwandlungsreaktionen)

Glukuronidierung, Amidierung, Veresterung mit SulfatPhase-II-Reaktionen (Konjugationsreaktionen)

Substrat-induktion

Substrat-induktion

Urin Galle

+

+

Durch Phase-I-Reaktionen werden Pharmaka inbesser wasserlösliche, z. T. noch wirksame Meta-bolite umgewandelt. Diese werden dann durchPhase-II-Reaktionen in unwirksame Konjugateüberführt, die renal oder biliär ausgeschiedenwerden können. Auf beiden Reaktionsstufenkann eine Substratinduktion stattfinden, d. h.die Pharmaka bzw. Metabolite können die Ex-pression der Enzyme, über die sie selbst verstoff-wechselt werden, induzieren.

Durch Metabolisierung können wirksameMetabolite, z. B. wird Diazepam zu den Meta-boliten Nordiazepam und Oxazepam.

Beispiele für Prodrugs sind:■ Enalapril → Enalaprilsäure (Enalaprilat)■ Omeprazol→ Omeprazol-Sulfenamid■ Codein → Morphin■ Tamoxifen (Antiöstrogen) → 4-Hydroxy-N-Desmethyltamoxifen (Endoxifen)

■ Sulfasalazin (S.207) → 5-Aminosalicylsäure(Mesalazin) und Sulfapyridin

Die Metabolisierung von Pharmaka läuft inzwei aufeinander folgenden Phasen ab.

In dieser katabolen Phase-I-Reaktion werdenlipophile Substanzen, durch Einführung oderFreilegung funktioneller Gruppen, in hydrophi-lere Substanzen umgewandelt (Abb. A-3.6).

48 A 3 Pharmakokinetik

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bole Reaktionen, die durch Cytochrom-P450-Enzyme oder durch andere Oxidations-enzyme katalysiert werden.

▶Merke.▶Merke. Cytochrom-P450-Enzyme (CYP-Enzyme) sind membrangebundene Protei-ne, die v. a. im glatten endoplasmatischen Retikulum der Leberzellen vorkommen,aber auch (besonders CYP3A4) in den Epithelzellen der Dünndarmschleimhaut(Tab. A-3.1). Sie katalysieren durch Übertragung von atomarem Sauerstoff die Oxi-dation, Hydroxylierung, Desalkylierung, Desaminierung oder Dehalogenierung vonPharmaka.

CYP-Enzyme haben eine sehr breite Substratspezifität. Häufig wird ein Pharmakonvon mehreren CYP-Enzymen abgebaut (Tab. A-3.1).Neben den CYP-Enzymen gibt es andere Oxidationsenzyme, die Phase-I-Reaktionenkatalysieren. Dazu gehören die Xanthinoxidase, Alkohol- und Aldehyddehydrogena-sen, flavinabhängige Monooxygenasen, Aminoxidasen, Reduktasen und Hydrolasen.Letztere bauen z. B. Acetylsalicylsäure zu Acetat und Salicylsäure ab. Auch diese En-zymsysteme werden in Leberzellen exprimiert, kommen aber nicht nur in Leberzel-len vor.

≡ A-3.1 Die wichtigsten Cytochrom-P450-Isoenzyme (CYP-Isoenzyme) und einige typische Substrate, Inhibitoren und Induktoren

CYP-Isoenzym Vorkommen Substrate Inhibitoren Induktoren

CYP1A2 Leberzellen ■ Amitriptylin, Imipramin

■ Clozapin, Olanzapin

■ Koffein

■ Östradiol

■ Fluvoxamin

■ Haloperidol

■ Naproxen

■ Paracetamol

■ Theophyllin

■ Verapamil

■ Fluvoxamin

■ Ciprofloxacin

■ Cimetidin

■ Amiodaron

■ Fluorchinolone

■ Grapefruitsaft

■ Hyperforin/Hypericin1)

■ Brokkoli

■ Rosenkohl

■ Insulin

■ Tabakrauch

■ Omeprazol

CYP2B6 Leberzellen ■ Cyclophosphamid

■ Efavirenz

■ Bupropion

■ Methadon

■ Thiotepa

■ Ticlopidin

■ Phenobarbital

■ Rifampicin

■ Phenytoin

CYP2C8/9 Leberzellen ■ Losartan, Irbesartan

■ nichtsteroidale Antiphlogistika

■ Sulfonylharnstoffe

■ Repaglinid, Nateglinid

■ Amitriptylin

■ Fluoxetin

■ Fluvastatin

■ Paclitaxel

■ Phenprocoumon, Warfarin

■ Tamoxifen

■ Gemfibrozil

■ Fluconazol

■ Trimethoprim

■ Amiodaron

■ Fenofibrat

■ Fluvastatin

■ Fluvoxamin

■ Sertralin

■ Probenecid

■ Sulfamethoxazol

■ Rifampicin

■ Phenobarbital

■ Bosentan

CYP2C19 Leberzellen ■ Amitriptylin, Imipramin

■ Clopidogrel

■ Diazepam

■ Citalopram

■ Fluoxetin, Sertralin

■ Moclobemid

■ Progesteron

■ Propranolol

■ Protonenpumpen-Hemmer

■ Phenobarbital, Phenytoin

■ Cimetidin

■ Omeprazol

■ Fluconazol

■ Fluoxetin, Paroxetin

■ Fluvoxamin

■ Isoniazid

■ Topiramat

■ Voriconazol

■ Carbamazepin

■ Prednisolon

■ Rifampicin

■ Hyperforin1)

Häufig wird ein Pharmakon von mehrerenCYP-Enzymen abgebaut (Tab. A-3.1).

Es sind aber auch noch andere Oxidations-enzyme an der Phase-I-Reaktion beteiligt.

A 3.4 Elimination 49

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≡ A-3.1 Die wichtigsten Cytochrom-P450-Isoenzyme (CYP-Isoenzyme) und einige typische Substrate, Inhibitoren und Induktoren(Fortsetzung)

CYP-Isoenzym Vorkommen Substrate Inhibitoren Induktoren

CYP2D6 Leberzellen ■ Tamoxifen

■ β-Rezeptor-Antagonisten■ Antidepressiva (z. B. Amitriptylin, Imipramin)

■ viele Neuroleptika

■ Codein, Tramadol, Oxycodon

■ Metoclopramid

■ Amphetamin, Methylphenidat

■ Klasse-I-Antiarrhythmika

■ Bupropion

■ Fluoxetin, Paroxetin

■ Chinidin

■ Sertralin, Citalopram

■ Duloxetin

■ Terbinafin

■ Amiodaron

■ Cimetidin

■ Rifampicin

■ Dexamethason

CYP2E1 ■ Leberzellen

■ Magen-Darm-Trakt

■ volatile Inhalationsnarkotika

■ Alkohol

■ Paracetamol

■ Theophyllin

Disulfiram ■ Alkohol

■ Isoniazid

CYP3A4 ■ Leberzellen

■ Enterozyten(Dünndarm)

60% aller Pharmaka, wichtige Beispiele:■ Ciclosporin, Tacrolimus und Sirolimus

■ HIV-Protease-Hemmer

■ Makrolide

■ Benzodiazepine

■ Ca2+-Kanalblocker

■ Statine

■ Ethinylestradiol, Progesteron

■ Hydrocortison

■ Prednisolon

■ Dexamethason

■ Aripripazol, Pimozid, Haloperidol, Risperidon

■ Sildenafil

■ Fentanyl

■ HIV-Protease-Hemmer

■ Clarithromycin

■ Telithromycin

■ Itraconazol

■ Voriconazol

■ Aprepitant

■ Erythromycin

■ Fluconazol

■ Verapamil

■ Diltiazem

■ Grapefruitsaft

■ Hyperforin/Hypericin1)

■ Carbamazepin

■ Oxcarbazepin

■ Glukokortikoide

■ Phenytoin

■ Phenobarbital

■ Pioglitazon

■ Rifampicin

■ Nevirapin

■ Efavirenz

■ HIV-Protease-Hemmer

1) wichtige Inhaltsstoffe in Johanniskrautextrakten.

Phase-II-ReaktionenPhase-II-Reaktionen

Phase-II-Reaktionen sind synthetische Reaktionen und beinhalten die Konjugationvon im Phase-I-Metabolismus eingeführten funktionellen Gruppen mit körpereige-nen Molekülen. Manche Stoffe sind bereits primär (d. h. ohne vorausgegangene Pha-se-I-Reaktion) Substrate für Konjugationsreaktionen. Phase-II-Reaktionen erleich-tern die renale und biliäre Ausscheidung, weil ihre Produkte in aller Regel wesent-lich besser wasserlöslich sind als die Ausgangssubstanzen (Abb. A-3.6).

▶Merke. ▶Merke. Wichtige Phase-II-Reaktionen sind die Glukuronidierung, Sulfatierung,Methylierung, Acetylierung und die Konjugation mit Aminosäuren oder Glutathion.

Die verantwortlichen Enzyme werden Transferasen genannt. Dazu gehören die Uri-dindiphosphat-Glukuronosyltransferasen (UGT, von denen es 17 Isoformen gibt),Sulfotransferasen (SULT, von denen es 13 Isoformen gibt), Methyltransferasen (dieN-, O- oder S-Methylierungsreaktionen katalysieren), Typ-I- und Typ-II-N-Acetyl-transferasen und Glutathion-S-Transferasen (GST, die stark reaktive Verbindungendurch Konjugation mit dem endogenen Tripeptid Glutathion entgiften). Sie kommenin der Leber und meist auch in vielen anderen Organen und Geweben vor.

▶Klinischer Bezug. ▶Klinischer Bezug. Ein geringer Anteil des Analgetikums Paracetamol wird in einerPhase-I-Reaktion zu einem stark reaktiven Metaboliten oxidiert, der normalerweisedurch Konjugation mit dem SH-Gruppen-Donator Glutathion entgiftet wird. Bei Ta-gesdosierungen von mehr als 7,5 g – bei Leberschäden oder bei Enzyminduktiondurch andere Pharmaka (S.246) auch bei niedrigeren Tagesdosierungen – kann eszur Erschöpfung der hepatischen Glutathionreserven und infolgedessen zu Leber-zellnekrosen kommen. Diese können solche Ausmaße annehmen, dass sie zu Leber-versagen führen. Deshalb ist nach Überdosierung von Paracetamol die frühzeitigeVerabreichung des SH-Gruppen-Donators N-Acetylcystein (S.247) wichtig.

In dieser synthetischen Phase werden diefunktionellen Gruppen mit körpereigenenMolekülen konjugiert. Die resultierende bes-sere Wasserlöslichkeit erleichtert die renaleund biliäre Ausscheidung (Abb. A-3.6).

Die beteiligten Enzyme sind Transferasen. Siekommen in der Leber und in zahlreichen an-deren Geweben vor.

50 A 3 Pharmakokinetik

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3.4.2 Elimination durch Ausscheidung (Exkretion) 3.4.2 Elimination durch Ausscheidung(Exkretion)

An der Ausscheidung von Pharmaka sind vier Organe beteiligt: Niere, Leber, Darmund Lunge. Die Lunge fungiert nur bei Inhalationsnarkotika als Ausscheidungsorgan.Und nur in diesem Falle werden Pharmaka durch reine Diffusion ausgeschieden. Inallen übrigen Ausscheidungsorganen erfolgt die Ausscheidung (abgesehen von derglomerulären Filtration) transportervermittelt.

▶Merke.▶Merke. Die für die Ausscheidung von Pharmaka wichtigen Transporter sind akti-ve, ATP-verbrauchende Transporter.

Aktive Transporter verbrauchen Energie – gewonnen aus der Hydrolyse von ATP –

und katalysieren Transporte durch Zellmembranen gegen einen Konzentrationsgra-dienten („Bergauftransport“). Man unterscheidet zwischen primär- und sekundär-aktivem Transport:■ Primär-aktive Transporter sind immer auch ATPasen, d. h. sie selbst hydrolysierenATP. Typische Beispiele sind die Na+/K+-ATPase, die K+/H+-ATPase und ABC-Trans-porter (ABC steht für ATP-binding Cassette). Letztere transportieren körpereigeneSubstanzen (Testosteron, Progesteron, Aldosteron) oder Pharmaka (s. u.) immeraus der Zelle in den Extrazellularraum; es sind also stets Efflux-Transporter (Aus-wärtstransporter).

■ Sekundär-aktive Transporter sind keine ATPasen. Sie beziehen ihre Energie ausdem elektrochemischen Gradienten von Ionen (meist Na+), der durch einen pri-mär-aktiven Transport unter ATP-Hydrolyse aufgebaut wurde. Der Energietransfergelingt dadurch, dass der Transporter den Bergabtransport von Na+ (erstes Sub-strat) mit dem Bergauftransport von z. B. Glukose oder Serotonin (zweites Sub-strat) koppelt. Wenn der Transporter beide Substrate in dieselbe Richtung trans-portiert, spricht man von einem Kotransporter oder Symporter, bei entgegen-gesetzten Transportrichtungen beider Substrate von einem Counter-Transporteroder Antiporter. Viele Symporter transportieren aus dem Extrazellularraum in dieZelle, sind also Influx-Transporter (Einwärtstransporter), wie z. B. der SGLT 1 (derNa+ und Glukose aus dem Dünndarmlumen in Enterozyten transportiert) oder derSERT (der Na+ und Serotonin aus dem Plasma in Thrombozyten oder aus dem sy-naptischen Spalt in serotoninerge Neurone transportiert).

Die für die Ausscheidung von Pharmaka wichtigsten Transporter sind zusammenmit einigen ihrer Substrate und Inhibitoren in Tab. A-3.2 zusammengestellt. DerMDR1-Transporter, im klinischen Sprachgebrauch P-Glykoprotein (P-Gp) genannt,und die MRP-Transporter (MRP steht für Multidrug Resistance-associated Protein)sind ABC-Transporter, die einen aktiven Auswärtstransport von ungeladenen Stoffenoder organischen Kationen (P-Gp) bzw. organischen Anionen (MRP-Transporter) ka-talysieren. Sie wurden ursprünglich in Tumorzellen beschrieben und verursachendort eine Resistenz gegen eine Vielzahl von Zytostatika. OA- und OC-Transporter da-gegen sind zwei Gruppen von sekundär-aktiven Transportern für organische An-ionen (OA) oder Kationen (OC).

Renale Ausscheidung Renale Ausscheidung

Die renale Elimination von Pharmaka erfolgt durch Ausscheidung im Urin. Von ganzwenigen Ausnahmen abgesehen (z. B. Insulin, Imipenem, Nitrofurantoin) ist die Nie-re kein Organ, in dem Arzneimittel abgebaut werden.

▶Merke.▶Merke. Man spricht deshalb nur dann von renaler Elimination eines Pharmakons,wenn es unverändert mit dem Urin ausgeschieden wird. Wenn Metaboliten diesesPharmakons im Urin erscheinen, bedeutet das nicht, dass das Pharmakon, sonderndass seine Metaboliten renal eliminiert werden. Die häufig getroffene Feststellung,ein Pharmakon werde in Form von Metaboliten renal eliminiert, ist somit falschund hochgradig verwirrend.

Die Niere hat zwei Möglichkeiten, Pharmaka auszuscheiden, nämlich durch glome-ruläre Filtration und durch tubuläre Sekretion.

Pharmaka werden von der Niere, der Leber,dem Darm und der Lunge ausgeschieden; inder Lunge durch Diffusion, sonst v. a. trans-portervermittelt.

Für einen Transport gegen einen Konzentrati-onsgradienten („Bergauftransport“) werdenenergieverbrauchende aktive Transporterbenötigt:■ Primär-aktive Transporter sind immerauch ATPasen, z. B. Na+/K+-ATPase undABC-Transporter (Auswärtstransporter).

■ Sekundär-aktive Transporter gewinnenihre Energie aus dem Ionen-Gradienten, derdurch primär-aktive Transporter aufgebautwurde. Hierzu wird der Bergabtransportvon Na+ (erstes Substrat) mit dem Berg-auftransport eines zweiten Substrats ge-koppelt. Es gibt Kotransporter bzw. Sym-porter und Counter-Transporter bzw. Anti-porter. Symporter sind häufig Einwärts-transporter.

Tab. A-3.2 zeigt wichtige Transporter. DerMDR1-Transporter bzw. das P-Glykoprotein(P-Gp) und die MRP-Transporter sind ABC-Transporter, die einen Auswärtstransport ka-talysieren. OA- und OC-Transporter sind se-kundär-aktive Transporter für organischeAnionen oder Kationen.

Die renale Elimination erfolgt durch Aus-scheidung im Urin.

A 3.4 Elimination 51

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≡ A-3.2 Transporter, die an der renalen, biliären und intestinalen Ausscheidung von Pharmaka beteiligt sind

Transporter Vorkommen Substrate Inhibitoren Induktoren

MDR11) ■ Dünndarm-Enterozyten

■ Nierentubuluszellen

■ Leberzellen

■ Endothelzellen der Blut-Hirn-Schranke

■ Antikonvulsiva (z. B. Carbamazepin, Phenytoin,Gabapentin, Lamotrigin, Topiramat)

■ Anthrazykline

■ Vinca-Alkaloide

■ Taxane

■ Ciclosporin, Tacrolimus

■ Steroide (z. B. Prednisolon, Dexamethason,Testosteron, Progesteron)

■ Digoxin, Digitoxin

■ Chinidin

■ Erythromycin, Clarithromycin

■ Levofloxacin

■ Fexofenadin, Cimetidin

■ HIV-Protease-Hemmer

■ Loperamid

■ Simvastatin, Lovastatin

■ Verapamil, Diltiazem

■ Amiodaron

■ Chinidin

■ Ciclosporin

■ Erythromycin,Clarithromycin

■ Ritonavir

■ Spironolacton

■ Verapamil

■ Hyperforin/Hypericin2)

■ Rifampicin

MRP3) ■ Nierentubuluszellen

■ Dünndarm-Enterozyten

■ Leberzellen

■ Antikonvulsiva (z. B. Carbamazepin, Phenytoin,Valproinsäure)

■ Adefovir, Tenofovir

■ Glukuronsäurekonjugate

■ Schwefelsäurekonjugate

■ Folsäure

■ Methotrexat

■ Saquinavir, Ritonavir, Indinavir

■ ACE-Hemmer

Rifampicin

OA-Transporter4) ■ Nierentubuluszellen

■ Leberzellen

organische Anionen, z. B.:■ ACE-Hemmer

■ Methotrexat

■ nichtsteroidale Antiphlogistika

■ Penicilline

■ Atorvastatin, Rosuvastatin

■ Fibrate

■ Thiazid-Diuretika

■ Glukuronsäurekonjugate

■ Schwefelsäurekonjugate

■ Urat und PGE2

Probenecid

OC-Transporter5) ■ Nierentubuluszellen

■ Leberzellen

organische Kationen, z. B.:■ Chinidin

■ Cimetidin, Ranitidin

■ Amphetamin, Dopamin

■ Ethambutol

■ Metformin

■ Nikotin

■ Triamteren, Amilorid

■ Vecuronium

■ Cimetidin

■ N-Acetylpro-cainamid

1) Multi Drug Resistance 1 (identisch mit P-Glykoprotein); 2) sind wichtige Inhaltsstoffe in Johanniskrautextrakten; 3) Multidrug Resistance-associated Protein;4) Organische Anionentransporter; 5) Organische Cationentransporter.

Glomeruläre FiltrationGlomeruläre Filtration

Etwa 20% des renalen Plasmaflusses werden glomerulär filtriert. Die Filtration istein isoosmotischer Transfer von Plasmawasser und allen gelösten und nicht an Plas-maproteine gebundenen Stoffen bis zu einer Molmasse von 20 kDa. Von einigen Ma-kromolekülen wie z. B. Heparin (Molmasse 750–1000 kDa) abgesehen, werden allePharmaka glomerulär filtriert. Die Pharmakonkonzentration im Filtrat (Primärharn)entspricht der Konzentration des freien (nicht gebundenen) Pharmakons im Plasma.

Ca. 20% des renalen Plasmaflusses werdenglomerulär filtriert. Die glomeruläre Filtrationerfasst das Plasma und alle darin gelösten,d. h. nicht gebundenen Pharmaka bis zu einerMolmasse von 20 kDa.

52 A 3 Pharmakokinetik

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▶Merke.▶Merke. Die Konzentrierung des Primärharns im renalen Tubulussystem (nur 1%des Filtratvolumens erscheint im Urin) führt zur passiven Rückresorption aller lipo-philen Stoffe. Bei organischen Säuren und Basen werden nur die nicht ionisiertenMoleküle tubulär rückresorbiert.

Der ionisierte Anteil und andere polare Stoffe (z. B. Digoxin) erscheinen etwa 100-fach konzentriert im Urin. Das Ausmaß der Ionisierung und damit das Ausmaß derrenalen Ausscheidung von sauren und basischen Pharmaka hängt nach der Hender-son-Hasselbalch-Gleichung entscheidend vom Urin-pH ab: Basen werden amschnellsten im sauren und Säuren am schnellsten im basischen Urin ausgeschieden.

Tubuläre Sekretion Tubuläre Sekretion

Der Anteil der Pharmaka, der nicht filtriert wird (mindestens 80% der den Nierenangebotenen Pharmakonmenge), gelangt in die peritubulären Kapillaren des pro-ximalen Tubulus. Aus dem Kapillarblut werden die Pharmaka in die Epithelzellendes proximalen Tubulus und von dort ins Tubuluslumen transferiert – jeweils mit-hilfe von Transportern: Tubulusepithelzellen exprimieren u. a. zwei voneinander un-abhängige Gruppen von Transportern mit breitem Substratspektrum, die Moleküle– z. B. Pharmaka – mit einer Molmasse≤400 Da transportieren. Es handelt sich umTransporter für organische Anionen (OA-Transporter), solche für organische Kat-ionen (OC-Transporter) und einige andere Transporter (Abb. A-3.7).

▶Merke.▶Merke. Die tubuläre Sekretion organischer Anionen und Kationen wird vermitteltdurch das Zusammenspiel von Influx-Transportern (Einwärtstransporter) auf derBlutseite der Tubuluszellen und Efflux-Transportern (Auswärtstransporter) auf derUrinseite der Tubuluszellen.

Die Influx-Transporter (Abb. A-3.7) sind:■ OA-Transporter, die den Anionen-Influx mit dem Efflux von α-Ketoglutarat kop-peln. α-Ketoglutarat gelangt über einen auf der Blutseite der Tubuluszellen operie-renden Kotransporter zusammen mit Na+ aus dem Extrazellularraum in die Tubu-luszellen und wird dort entsprechend dem Na+-Gradienten angereichert.

■ OC-Transporter, die das Membranpotenzial als treibende Kraft für den Kationen-Influx nutzen.

Die Efflux-Transporter (Abb. A-3.7) sind:■ OA-Transporter mit noch nicht abschließend geklärtem Transportmodus (sicherist aber, dass ein Antiporter den Efflux von organischen Anionen mit dem Influxvon Urat koppelt).

■ OC-Transporter, die den Kationen-Efflux mit einem H+-Influx koppeln.■ Außerdem sind P-Gp (MDR1) (für organische Kationen) und MRP-Transporter (fürorganische Anionen) als Efflux-Transporter beteiligt.

Diese Transportsysteme transferieren ionisierte organische Basen und Säuren gegenhohe elektrochemische Gradienten ins Tubuluslumen. Sie sind so effizient, dass diePlasmakonzentration der sezernierten Stoffe im venösen Nierenblut auf nahezu Nullabfallen kann.

⊙ A-3.7 Influx- und Efflux-Transporter im Tubulussystem der Nieren

ATP ADP ADP

Blutseite

Urinseite

Tubu

lusz

elle

n

OA–

OAT MRP

OAT

OA–

OA–

ATP

OCT

P-GpOCT

OC+ OC+

H+

MP(–70mV)

α-KG

OC+

Influx-Transporter

Efflux-Transporter

Urat–

Die an der tubulären Sekretion von Pharmakabeteiligten Transporter sind schematisch dar-gestellt. OA–: organisches Anion (z. B. Penicilline,Pravastatin); OAT: organischer Anionentranspor-ter; α-KG: α-Ketoglutarsäure; MRP: MultidrugResistance-associated Protein; OC+: organischesKation (z. B. Cimetidin, Metformin); OCT: organi-scher Kationentransporter; MP: Membranpoten-zial; P-Gp: P-Glykoprotein.

Der ionisierte Anteil sowie polare Stoffe er-scheinen ca. 100-fach konzentriert im Urin.Die Ausscheidung ist pH-abhängig: Basenwerden im sauren und Säuren im basischenUrin am schnellsten ausgeschieden.

Der nicht filtrierte Anteil der Pharmaka ge-langt im proximalen Tubulus mit Hilfe vonTransportern ins Lumen. Es gibt u. a. OA-Transporter und OC-Transporter(Abb. A-3.7).

Influx-Transporter (Abb. A-3.7):■ OA-Transporter: Koppeln den Influx von OAmit dem Efflux von α-Ketoglutarat.

■ OC-Transporter: Nutzen das Membran-potenzial.

Efflux-Transporter (Abb. A-3.7):■ OA-Transporter.■ OC-Transporter: Koppeln den OC-Efflux anden H+-Influx.

■ P-Gp (MDR1) und MRP-TransporterDer Transport erfolgt gegen hohe elektroche-mische Gradienten.

A 3.4 Elimination 53

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▶Merke. ▶Merke. Im Gegensatz zur glomerulären Filtration wird nicht nur der freie, son-dern auch der im Plasma gebundene Anteil der Pharmaka (nach Dissoziation vonden Plasmaproteinen) tubulär sezerniert.

Biliäre AusscheidungBiliäre Ausscheidung

Leberzellen transferieren verschiedene polare Pharmaka und endogene Substanzen(z. B. Gallensäuren) vom Blutplasma ins Lumen intrahepatischer Gallengänge. Auchhier sorgen Influx-Transporter auf der Blutseite der Leberzelle (OC-Transporter fürorganische Kationen; OA-Transporter für organische Anionen) für die Aufnahme indie Leberzelle und Efflux-Transporter auf der Gallenseite der Leberzelle (P-Gp[MDR1] für organische Kationen; MRP-Transporter für organische Anionen) für dieAusscheidung in die Galle.

▶Klinischer Bezug. ▶Klinischer Bezug. Mithilfe eines OA-Transporters (OATP1B1) werden z. B. die Stati-ne (beispielsweise Simvastatin) aus dem Blut in die Leberzelle geschleust. Dort hem-men sie die Cholesterinsynthese (S.424). Eine seltene, dosisabhängige unerwünsch-te Wirkung der Statine ist die Myopathie: Skelettmuskelzellnekrosen führen inleichteren Fällen zu Muskelschmerzen und Muskelschwäche, im schwersten Fall zurMyolyse und Myoglobinurie mit akutem Nierenversagen (infolge Präzipitation vonMyoglobin im Tubuluslumen). Wie die Skelettmuskelzellnekrosen zustande kom-men, ist unbekannt. Klar ist jedoch, dass eine bestimmte Punktmutation im Gen desOATP1B1-Transporters das Myopathierisiko des Mutationsträgers erhöht: Die Muta-tion reduziert nämlich die Transporterfunktion auf nahezu Null, sodass die Statinenicht in die Leberzelle, sondern in den systemischen Kreislauf gelangen und diePlasma-Statinkonzentration und mit ihr das Myopathierisiko steigt. HeterozygoteMutationsträger (ca. 30% der Bevölkerung) haben ein 4-fach erhöhtes, homozygote(ca. 1–2% der Bevölkerung) ein 16-fach erhöhtes relatives Myopathierisiko.Unabhängig vom Genotyp des Betroffenen ist das Myopathierisiko stets erhöht, wennder Patient gleichzeitig mit einem Inhibitor des Statin-metabolisierenden EnzymsCYP3A4 behandelt wird (z. B. Itraconazol, HIV-Protease-Inhibitoren oder Grape-fruitsaft [s. Tab. A-3.1]) und dadurch die systemische Verfügbarkeit der Statine dras-tisch ansteigt.

Wie bei den Tubuluszellen der Nieren gelangen viele Stoffe durch Diffusion in dieLeberzelle. Anders als in den Tubuluszellen werden die Stoffe in den Leberzellenaber metabolisiert und dann als polare Metaboliten (z. B. die große Gruppe von sau-ren Konjugationsprodukten) biliär ausgeschieden. Ein anderer Unterschied zur Nie-re ist das bevorzugte Molekulargewicht, das für die biliäre Ausscheidung bei > 400Da liegt. Biliär ausgeschiedene Glukuronsäurekonjugate von Pharmaka gelangen inden Darm und können dort durch bakterielle Enzyme (β-Glukuronidasen) gespaltenwerden. Das frei werdende Pharmakon kann dann erneut resorbiert und in der Le-ber wieder glukuronidiert werden. Ein solcher enterohepatischer Kreislauf kann einReservoir rezirkulierender Pharmaka darstellen und die Wirkdauer dieser Stoffedeutlich verlängern. Dies gilt z. B. für Morphin, Ethinylestradiol und Digitoxin.

Intestinale AusscheidungIntestinale Ausscheidung

Die Epithelzellen der Dünndarmschleimhaut exprimieren auf ihrer luminalen SeiteP-Glykoprotein (P-Gp =MDR1). Dieser ABC-Transporter vermittelt einen aktiven Ef-flux von bereits in Enterozyten aufgenommenen Pharmaka zurück ins Darmlumenund reduziert auf diese Weise die Resorption und Bioverfügbarkeit (S.55) dieserStoffe (z. B. Digoxin, Loperamid, Verapamil, Ciclosporin; s. a. Tab. A-3.2).

Influx-Transporter sorgen auf der Blutseitefür die Aufnahme der Substanzen in die Le-berzelle, auf der Gallenseite sind Efflux-Trans-porter für die Ausscheidung in die Galle ver-antwortlich.

In den Leberzellen werden die Substanzen inpolare Metaboliten umgewandelt und dannbiliär sezerniert. Bevorzugt werden Stoffe miteinem MG>400 Da sezerniert. Pharmaka, dieals Glukuronsäurekonjugate mit der Galle inden Darm gelangen, können einem entero-hepatischen Kreislauf unterliegen, mit deut-lich verlängerter Wirkdauer.

Die Dünndarmschleimhaut kann über den lu-minalen Transporter P-Gp (MDR1) bereits auf-genommene Pharmaka wieder zurück ins Lu-men abgeben, s. Bioverfügbarkeit (S.55) undTab. A-3.2.

54 A 3 Pharmakokinetik

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3.5 Klinische Pharmakokinetik 3.5 Klinische Pharmakokinetik

Die klinische Pharmakokinetik liefert die für die Klinik wichtigen pharmakokineti-schen Kenngrößen für Pharmaka, nämlich Bioverfügbarkeit, Plasma-Halbwertszeit,Clearance und Verteilungsvolumen. Bioverfügbarkeit und Verteilungsvolumen bzw.Bioverfügbarkeit und Clearance sind so wichtig für die Praxis, weil sich mit ihrerHilfe die therapeutisch effektive Dosis eines Pharmakons zu Beginn der Behandlungbzw. in ihrem Verlauf errechnen lässt (S.61). Die Plasma-Halbwertszeit (S.57) ist beikontinuierlicher Gabe von Pharmaka von entscheidender Bedeutung für die Ver-weildauer des Pharmakons im Körper und damit auch für eine etwaige Kumulationdes Pharmakons im Körper. Bei wiederholter Applikation des Pharmakons bildet siedie Grundlage für die Bestimmung des Dosisintervalls.

3.5.1 Bioverfügbarkeit 3.5.1 Bioverfügbarkeit

▶Definition.▶Definition. Die Bioverfügbarkeit (BV) ist der Anteil einer extravasal (z. B. p. o., s. c.,i.m.) verabreichten Dosis eines Pharmakons, der den systemischen (großen) Kreis-lauf erreicht und damit am Wirkort verfügbar ist. Für die Wirkung verfügbar (wennauch nicht unmittelbar, sondern mit Verzögerung) ist auch der Teil des Pharmakons,der reversibel an Plasmaproteine gebunden vorliegt. Das Formelzeichen der Biover-fügbarkeit ist F.

Gemäß dieser Definition sind intravasal (d. h. i. v. und i. a.) verabreichte Pharmakazu 100% bioverfügbar. Die in den systemischen Kreislauf aufgenommene Pharma-konmenge kann nicht direkt gemessen werden. Man weiß aber, dass die Fläche un-ter der Kurve, die die Pharmakonkonzentration im venösen Blutplasma als Funktionder Zeit beschreibt (Konzentrations-Zeit-Kurve), direkt proportional zu der in densystemischen Kreislauf gelangten Pharmakonmenge ist. Diese Fläche wird AUC(Area under the Curve) genannt (Abb. A-3.8).

Absolute Bioverfügbarkeit: Die absolute Bioverfügbarkeit (Fabs) ergibt sich aus demVerhältnis der AUC-Werte nach extravasaler Gabe (AUC) und nach i. v.-Gabe(AUCi. v.). Da die verabreichten Dosierungen für die extravasale Gabe (D) und die i. v.-Applikation (Di. v.) meist nicht identisch sind, müssen die AUC-Werte mit der Dosisnormiert werden:

Fabs ¼AUC � Di:v:

AUCi:v: � D

Die Bioverfügbarkeit wird also in Bruchteilen von 1 (1 entspricht 100%) angegeben.Ihr Wert bezieht sich immer auf eine bestimmte Zubereitungsform (Formulierung)eines Pharmakons. In den Tabellen des Lehrbuchs wird Fabs mit BV abgekürzt.Bei Pharmaka, die renal eliminiert werden (d. h. unverändert im Urin erscheinen),kann Fabs auch aus Urindaten ermittelt werden: Man dividiert die mit dem Urin aus-geschiedene Pharmakonmenge (ausgedrückt in % der verabreichten Dosis) nach ex-travasaler Gabe durch den entsprechenden Wert nach i. v.-Gabe.

⊙ A-3.8⊙ A-3.8 Konzentrations-Zeit-Kurve nach p. o.-Gabe eines Pharmakons

Zeit

Konz

entr

atio

n im

Pla

sma

Cmax

Tmax

AUC

Die Pharmakonkonzentration im venösen Blut-plasma ist gegen die Zeit nach p. o.-Gabe auf-getragen. AUC: Area Under the Curve; Cmax:Spitzenkonzentration; Tmax: Zeit bis zum Errei-chen von Cmax.

Wichtige Kenngrößen in der klinischen Phar-makokinetik sind zum einen die Bioverfüg-barkeit, die Clearance und das Verteilungs-volumen von Pharmaka, die zur Berechnungder therapeutisch wirksamen Dosis notwen-dig sind (S.61). Zum anderen informiert sieüber die Plasma-Halbwertszeit (S.57), diezur Bestimmung des Dosisintervalls und zurVermeidung einer Kumulation erforderlich ist.

Demnach gelten intravasal verabreichte Phar-maka als 100% bioverfügbar. Die Fläche AUC(Abb. A-3.8) in der Konzentrations-Zeit-Kurve,ist proportional zum systemisch verfügbarenPharmakonanteil.

Absolute Bioverfügbarkeit (Fabs): Die AUC-Werte für extravasale (D) und i. v.-Gabe (Di. v.)müssen mit der Dosis normiert werden.Die Bioverfügbarkeit gilt immer nur für einebestimmte Formulierung eines Pharmakons.Ihr Wert wird in Bruchteilen von 1 (1 = 100%)angegeben.Bei renal eliminierten Pharmaka kann Fabsauch aus Urindaten bestimmt werden.

A 3.5 Klinische Pharmakokinetik 55

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Ist die absolute Bioverfügbarkeit nach p. o.-Gabe < 100%, kann das zwei Gründe ha-ben:■ Die Resorption des Pharmakons ist unvollständig und/oder■ das Pharmakon wird auf dem Weg zum systemischen Kreislauf eliminiert, d. h. inder Dünndarmschleimhaut (CYP3A4), in der Leber (CYP3A4 und andere CYP-Iso-enzyme, s. Tab. A-3.1) oder im kleinen Kreislauf. Man spricht dann von präsyste-mischer Elimination oder First-Pass-Effekt. Eine präzise Angabe zum Ausmaß desFirst-Pass-Effekts kann nur dann gemacht werden, wenn die meist unbekannteResorptionsquote ermittelt wurde.

▶Klinischer Bezug. ▶Klinischer Bezug. Die Bedeutung der absoluten Bioverfügbarkeit (Fabs) für die ärzt-liche Tätigkeit ergibt sich zwangsläufig, wenn man sich vor Augen hält, dass eineausreichend hohe Fabs für die Wirkung von Arzneistoffen essenziell ist. Die in derSelbstmedikation angewendeten Johanniskrautextrakte rufen z. B. eine Enzym-induktion (S.64) hervor, die die präsystemische Elimination des Immunsuppressi-vums Ciclosporin so massiv steigern kann, dass dieser Arzneistoff wegen zu nied-riger Fabs-Werte seine Wirkung verliert (Folge: Organabstoßung nach Transplantati-on). Andererseits können Pharmaka die präsystemische Elimination so stark hem-men (z. B. Itraconazol, Clarithromycin, s. Tab. A-3.1), dass es wegen zu hoher Fabs-Werte zur Intoxikation mit gleichzeitig angewendeten anderen Stoffen kommt (z. B.Ciclosporin, Simvastatin). Es lohnt sich also, die Bioverfügbarkeit der Arzneistoffe zukennen, die man anwendet und mit den Möglichkeiten vertraut zu sein, die zu Än-derungen der Fabs-Werte führen.

Relative Bioverfügbarkeit: Will man die orale Formulierung eines Pharmakons(Standardformulierung der Pharmafirma A, FStand) durch eine andere (Testformulie-rung der Pharmafirma B, FTest) ersetzen, muss man die relative Bioverfügbarkeit(Frel) der Testformulierung bestimmen:

Frel ¼FTestFStand

Dabei werden identische Dosierungen von beiden oralen Formulierungen vergli-chen. Die Werte für Frel können durchaus 1,0 überschreiten.

Bioäquivalenz: Werden zwei dosisgleiche orale Formulierungen ein und desselbenPharmakons (hergestellt von zwei verschiedenen Pharmafirmen) miteinander ver-glichen, gelten beide als bioäquivalent, wenn sie sich sowohl in Bezug auf das Aus-maß ihrer Bioverfügbarkeit (d. h. bezüglich ihrer AUC-Werte) als auch in Bezug aufdie Geschwindigkeit ihrer Bioverfügbarkeit um ≤25% unterscheiden. Die Geschwin-digkeit der Verfügbarkeit im systemischen Kreislauf ergibt sich aus den Werten fürTmax und Cmax (Abb. A-3.8). Je schneller ein Pharmakon resorbiert wird und im syste-mischen Kreislauf anflutet, umso kürzer ist Tmax und umso höher ist Cmax. Die nachoraler Gabe geringsten Tmax- und höchsten Cmax-Werte werden dann beobachtet,wenn das Pharmakon in gelöster Form (z. B. Tropfen) verabreicht wird. Hohe Cmax-Werte gehen immer auch mit hoher Wirkungsintensität einher. Hohe Cmax-Wertesind nicht immer erwünscht. Wenn sie aber erwünscht sind (z. B. bei der Therapievon Kopfschmerzen), sollten Arzneistoffe in gelöster Form oral angewendet werden.Das In-Lösung-Bringen von Pharmaka ist für Pharmazeuten nicht immer einfach.

▶Kritisch betrachtet. ▶Kritisch betrachtet. Wirksamkeit von Generika im Vergleich mit OriginalpräparatenNeue Pharmaka (Wirkstoffe in neu entwickelten Arzneimitteln) sind ab dem Datum der Patent-anmeldung für die Dauer von 20 Jahren patentgeschützt. Nach Ablauf des Patentschutzes kön-nen diese Pharmaka auch von anderen Pharmafirmen als sog. Generika vermarktet werden. DieZulassung der Generika durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte(BfArM) ist an den Nachweis der Bioäquivalenz mit dem patentgeschützten Arzneimittel ge-knüpft. Patentgeschützte Arzneimittel sind meist wesentlich teurer als die Generika mit glei-chem Wirkstoff. Trotzdem verschreiben viele Ärzte bevorzugt patentgeschützte Arzneimittelund nicht Generika, obwohl Generika keinesfalls minderwertige Arzneimittel sind.

Für eine absolute Bioverfügbarkeit < 100%nach p. o.-Gabe können verantwortlich sein:■ Unvollständige Resorption und/oder■ präsystemische Elimination oder First-Pass-Effekt.

Relative Bioverfügbarkeit (Frel): Hier werdengleiche Dosierungen zweier oraler Formulie-rungen verglichen, einer bekannten oralenFormulierung (FStand) und einer Testformulie-rung (FTest). Frel kann auch > 1,0 sein.

Bioäquivalenz: Zwei gleiche Substanzen vonz. B. verschiedenen Firmen gelten als bioäqui-valent, wenn sie sich im Ausmaß ihrer Bio-verfügbarkeit und in der Geschwindigkeitihrer Bioverfügbarkeit um≤ 25% unterschei-den. Letztere ergibt sich aus den Werten fürTmax und Cmax (Abb. A-3.8). Besonders schnellverfügbar sind Pharmaka in gelöster Form.

56 A 3 Pharmakokinetik

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3.5.2 Plasma-Halbwertszeit 3.5.2 Plasma-Halbwertszeit

▶Definition.▶Definition. Die Plasma-Halbwertszeit (HWZ) ist die Zeit, in der während der Eli-minationsphase der Konzentrations-Zeit-Kurve (Abb. A-3.9) die Pharmakonkonzen-tration im Blutplasma halbiert wird; sie wird auch als Eliminationshalbwertszeit be-zeichnet.

Eine präzise Darstellung der Eliminationsphase der Konzentrations-Zeit-Kurve istnur nach i. v.-Gabe (und nicht nach p. o.-Gabe) mit großer Sicherheit möglich.Abb. A-3.9 zeigt den typischen, biphasisch-exponentiellen Abfall der Konzentrationim Plasma in Abhängigkeit von der Zeit nach i. v.-Gabe eines Pharmakons. Der rela-tiv schnelle initiale Abfall der Konzentration (α-Phase) geht auf die Verteilung desPharmakons im Gewebe zurück. Der relativ langsame spätere Abfall der Konzentra-tion (β-Phase) spiegelt die Elimination des Pharmakons wider. Die Steigung der β-Phase (k) erlaubt die Berechnung der Plasma-Halbwertszeit (t½):

t½ ¼ log 2k

Bei einigen Arzneistoffen erfolgt die Elimination in zwei Phasen (z. B. Amphoteri-cin B, viele Zytostatika, Ergotamin, Fentanyl, Methotrexat) und kann deshalb nurmit zwei Halbwertszeiten beschrieben werden.

Terminale Halbwertszeit: Nach oraler Gabe von Pharmaka kann für die Spätphaseder Konzentrations-Zeit-Kurve häufig nur eine terminale Halbwertszeit ermitteltwerden. Diese Halbwertszeit ist nur dann mit der Eliminationshalbwertszeit iden-tisch, wenn die Resorption rasch beendet ist und nicht bis in die Eliminationsphasehinein andauert. Bei langsamer Resorptionskinetik (wie z. B. im Fall von Retard-For-mulierungen) kann die Resorption geschwindigkeitslimitierend für die terminaleHalbwertszeit werden und diese beträchtlich verlängern. Die terminale Halbwerts-zeit nach oraler Applikation ist deshalb häufig länger als die Eliminationshalbwert-szeit und nur im günstigsten Fall mit dieser identisch.

▶Klinischer Bezug.▶Klinischer Bezug. Die Plasma-Halbwertszeit ist ein pharmakokinetischer Parame-ter, der beim Umgang mit Pharmaka eine besonders große Bedeutung hat. Sie be-stimmt nämlich die Verweildauer des Pharmakons im Körper und damit auch seineWirkdauer (S.63). Bei der fortlaufenden Anwendung eines Pharmakons hat der Arztdie wichtige Aufgabe zu entscheiden, mit welchem Dosierungsintervall (DI, Formel-zeichen τ) der Patient behandelt wird. Wenn bei dieser Entscheidung die Halbwerts-zeit unberücksichtigt bleibt, besteht bei zu kurzem Dosisintervall das Risiko einerAnreicherung des Arzneistoffes im Organismus (Kumulation) und die Gefahr einerÜberdosierung oder Intoxikation. Andererseits kann bei zu langem Dosisintervalldas wünschenswerte Kontinuum der Pharmakonwirkung verloren gehen.

⊙ A-3.9⊙ A-3.9 Konzentrations-Zeit-Kurve nach i. v.-Gabe eines Pharmakons

Konz

entr

atio

n im

Pla

sma

(log.

Ska

la) α-Phase

β-Phase

Zeit

Die Pharmakonkonzentration im venösen Blut-plasma ist gegen die Zeit nach i. v.-Gabe auf-getragen. Die α-Phase spiegelt die Vertei-lungsphase und die β-Phase die Eliminations-phase wider.

Abb. A-3.9 zeigt den Verlauf der Pharmakon-konzentration. Der schnellere initiale Abfall(α-Phase) ist Folge der Verteilung des Phar-makons im Gewebe, der langsamere spätereAbfall (β-Phase) spiegelt die Elimination desPharmakons wider.Bei einigen Arzneistoffen erfolgt die Eliminati-on mit zwei Halbwertszeiten.

Terminale Halbwertszeit: Nach p. o.-Gabeist eine präzise Bestimmung der Eliminations-halbwertszeit oft nicht möglich. Häufig kannnur eine terminale Halbwertszeit angegebenwerden. Diese ist häufig länger als die Elimi-nationshalbwertszeit, v. a. bei Retard-Präpara-ten.

A 3.5 Klinische Pharmakokinetik 57

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3.5.3 Clearance3.5.3 Clearance

▶Definition. ▶Definition. Die Clearance eines Pharmakons (gemessen in Einheiten von ml/min)ist das Plasmavolumen, das pro Zeiteinheit von dem Pharmakon befreit wird. Sieentspricht dem Proportionalitätsfaktor, mit dem man die Konzentration im Plasmamultiplizieren muss, um die pro Zeiteinheit eliminierte Pharmakonmenge (Elimina-tionsgeschwindigkeit) zum Zeitpunkt der Konzentrationsmessung zu erhalten.

Plasmaclearance (Cltot, Gesamtkörperclearance): Die Plasmaclearance ist die Summeder Clearance-Werte aller an der Elimination beteiligten Organe (z. B. Leber, Niere).Sie wird folgendermaßen ermittelt:

Cltot ¼ D � FabsAUC

(D: Dosis; Fabs: absolute Bioverfügbarkeit; D × Fabs = bioverfügbare Dosis; AUC: AreaUnder the Curve)Nach i. v.-Gabe eines Pharmakons kann Cltot ohne Wissen von Fabs ermittelt werden,weil Fabs für i. v. applizierte Arzneistoffe 1 ist. Für das Verständnis von Cltot ist eswichtig zu wissen, dass Cltot maximal so hoch sein kann wie das Herzzeitvolumenvon Plasma. In diesem theoretischen Fall wird das Pharmakon bei einer einzigenPassage durch den großen Kreislauf vollständig aus dem Plasma entfernt. Es gibtnur einige wenige Wirkstoffe, die annähernd so hohe Clearance-Werte haben: z. B.Glyceroltrinitrat, Dopamin und Noradrenalin.

▶Merke. ▶Merke. Die Plasmaclearance ist ein Maß für die Geschwindigkeit, mit der ein Phar-makon aus dem Blutplasma verschwindet. Bei vorwiegend metabolisch eliminiertenStoffen hängt die Höhe von Cltot von der Kapazität der metabolisierenden Enzyme,bei vorwiegend renal eliminierten Stoffen v. a. von der Nierendurchblutung ab.

Renale Clearance (Clren): Die renale Clearance ist der Teil von Cltot, der durch renaleElimination des Pharmakons zustande kommt. Für ihre Bestimmung benötigt manentweder die während einer Urin-Sammelperiode im Urin ausgeschiedene Pharma-konmenge (PMurin) und die AUC für die Dauer der Sammelperiode (AUC) oder dierenale Ausscheidungsgeschwindigkeit (AGren) und die Konzentration im Plasma zurMitte der Urin-Sammelperiode (KP):

Clren ¼ PMUrin

AUC¼ AGren

KP

Die renale Clearance kann maximal so hoch werden wie der renale Plasmafluss. Erentspricht der Plasmaclearance von p-Aminohippursäure (600–700ml/min), einerModellsubstanz, die nicht an Plasmaproteine gebunden wird und durch glomeruläreFiltration und tubuläre Sekretion eliminiert wird. Pharmaka, die glomerulär filtriertund nicht tubulär rückresorbiert oder sezerniert werden, haben eine Clren =GFR× fu(GFR = glomeruläre Filtrationsrate; fu = ungebundene Fraktion des Pharmakons imPlasma). Für Pharmaka, die tubulär sezerniert werden, gilt Clren >GFR× fu.

Nicht renale Clearance (Clnren): Diese Clearance ist der Teil von Cltot, der durch nichtrenale Elimination (in Leber, Darm, Lunge, Schweißdrüsen und allen weiteren ander Elimination beteiligten Organen) zustande kommt. Sie entspricht der Differenzzwischen Cltot und Clren.

▶Klinischer Bezug. ▶Klinischer Bezug. Die Gesamtkörperclearance (Cltot) ist der pharmakokinetischeParameter, mit dem die Geschwindigkeit der Elimination eines Pharmakons unab-hängig von der Art der Elimination, also Ausscheidung und/oder Metabolisierung,quantifiziert wird. Der Wert von Cltot ist abhängig von der Funktion der an der Eli-mination beteiligten Organe, in erster Linie Nieren und Leber. Deshalb schlagen sichEinschränkungen der Leber- und Nierenfunktion in einer Reduktion von Cltot nieder.Da die Nierenfunktion direkt quantifiziert werden kann (z. B. durch Messung derKreatinin-Clearance) und mit dem Alter abnimmt, ist das Wissen über den Beitragder Clren an Cltot für den behandelnden Arzt von Bedeutung. Neben der Dosierungsind Cltot und/oder Clren die entscheidenden Determinanten für die Höhe des Phar-makonspiegels im Plasma. Deshalb führt eine Erniedrigung der Clearance ganz un-mittelbar zu einer Erhöhung des Plasmaspiegels, die nur mit einer Dosisreduktionkorrigiert werden kann. Außerdem sollte man sich klarmachen, dass die Plasma-Halbwertszeit ganz wesentlich von der Höhe von Cltot abhängt: Eine niedrige Cltotgeht mit einer langen und eine hohe Cltot mit einer kurzen Halbwertszeit einher.

Plasmaclearance (Cltot, Gesamtkörperclea-rance): Die Cltot entspricht der Summe derClearance-Werte aller beteiligten Organe.Für i. v.-Gabe gilt Fabs = 1. Cltot kann maximalso hoch werden wie das Herzzeitvolumen vonPlasma. Die Plasmaclearance hängt von derKapazität der metabolisierenden Enzyme bzw.von der Nierendurchblutung ab.

Renale Clearance (Clren): Dies ist der renaleliminierte Anteil von Cltot. Die Bestimmungkann entweder aus dem Urin (PMUrin) odermithilfe der renalen Ausscheidungsgeschwin-digkeit (AGren) und der Plasmakonzentration(KP) erfolgen.

Nicht renale Clearance (Clnren): Clnren ent-spricht der Differenz zwischen Cltot und Clren.

58 A 3 Pharmakokinetik

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3.5.4 Verteilungsvolumen 3.5.4 Verteilungsvolumen

▶Definition.▶Definition. Das Verteilungsvolumen (Vd) ist jenes hypothetische Volumen, dasnotwendig wäre, um die im Körper befindliche Pharmakonmenge (PMKörper) in derKonzentration aufzunehmen, die im Blutplasma vorliegt (KP):

Vd ¼ PMKörper

KP

Aus dieser Formel lässt sich Folgendes ableiten:■ Vd entspricht einem Proportionalitätsfaktor, mit dem die Konzentration im Plas-ma multipliziert werden muss, um die Pharmakonmenge im Körper zum Zeit-punkt der Konzentrationsmessung zu erhalten.

■ Es ist hypothetisch anzunehmen, dass die Pharmakonkonzentration im ganzenKörper identisch ist mit der im Plasma. Vd wird deshalb auch als „scheinbares (ap-parentes)“ Verteilungsvolumen bezeichnet.

Der Quotient PMKörper/KP kann nicht zur Bestimmung von Vd herangezogen werden,weil PMKörper nicht beliebig messbar ist. Wie wird Vd dann ermittelt? Abb. A-3.10 il-lustriert schematisch, dass Vd dem Verteilungsvolumen für die β-Phase der Konzen-trations-Zeit-Kurve entspricht. Abb. A-3.10a zeigt die Zeitverläufe für die Pharma-konmenge im Körper und die Konzentration im Plasma. Abb. A-3.10b zeigt den Zeit-verlauf für das Verteilungsvolumen, wenn es wie oben definiert berechnet wird. Eswird deutlich, dass das Verteilungsvolumen erst dann einen konstanten Wert er-reicht, wenn sich der Quotient PMKörper/KP nicht mehr ändert, nämlich in der β-Pha-se. Für das Verteilungsvolumen (Vd) in der β-Phase gilt:

Vd ¼ Cltot �t1=2ln 2

▶Merke.▶Merke. Diese Gleichung ist für die klinische Pharmakokinetik und damit für diePraxis aus zwei Gründen sehr wichtig: Sie dient einerseits der Bestimmung desVerteilungsvolumens und zeigt andererseits, dass das Verteilungsvolumen propor-tional mit der Plasma-Halbwertszeit zunimmt und umgekehrt proportional mit derPlasmaclearance abnimmt.

Bei einigen Pharmaka (z. B. Digitoxin, Phenprocoumon, Salicylsäure) ist das schein-bare Verteilungsvolumen relativ klein, weil diese Stoffe mit hoher Affinität an Albu-min binden, wodurch ihre Verteilung auf extrazelluläre Räume beschränkt wird.Dieses Phänomen führt zu dem paradoxen Befund, dass das lipophile Digitoxin(Plasmaeiweißbindung ≥95%) ein kleineres Verteilungsvolumen hat als das hydro-phile Digoxin (Plasmaeiweißbindung ≤30%). Es muss allerdings betont werden, dasseine hohe Plasmaeiweißbindung nicht grundsätzlich mit einem kleinen Verteilungs-volumen vergesellschaftet ist. Gerade lipophile basische Pharmaka haben häufigeine hohe Plasmaeiweißbindung und ein großes Verteilungsvolumen.

⊙ A-3.10 Ermittlung des Verteilungsvolumens (Vd)

Zeit

Phar

mak

onm

enge

im K

örpe

r (PM

Körp

er)

Konz

entr

atio

n im

Pla

sma

(Kp)

(log.

Ska

la)

PMKörperα

β

Steigung: k

Steigung: k

Kp

Zeit

Vd

Vert

eilu

ngsv

olum

en

a b

a Pharmakonmenge im Körper (PMKörper) und Konzentration im Plasma (KP) als Funktion der Zeit nach i. v.-Gabe eines Pharmakons. Inder β-Phase der Konzentrations-Zeit-Kurve ist die Steigung k der beiden Kurven identisch. In dieser Phase ist der Quotient aus PMKörper und KP,der definitionsgemäß Vd entspricht, also konstant. In der β-Phase gilt also: Vd = PMKörper/KP.b Verteilungsvolumen (PMKörper/KP) als Funktion der Zeit. Die Kurve verdeutlicht, dass das Verteilungsvolumen erst dann einen konstantenWert erreicht, wenn sich der Quotient PMKörper/KP nicht mehr ändert, also in der β-Phase.

Das bedeutet:■ Vd entspricht einem Proportionalitätsfak-tor.

■ Vd wird auch als „scheinbares (apparen-tes)“ Verteilungsvolumen bezeichnet, dadie Pharmakonkonzentration nicht überallgleich ist.

PMKörper ist nicht beliebig messbar.Abb. A-3.10 zeigt, dass Vd dem Verteilungs-volumen für die β-Phase der Konzentrations-Zeit-Kurve entspricht. Erst in der β-Phase,wenn sich der Quotient PMKörper/KP nichtmehr ändert, erreicht das Verteilungsvolu-men einen konstanten Wert.

Einige Pharmaka, die mit hoher Affinität anz. B. Albumin binden, haben ein relativ kleinesscheinbares Verteilungsvolumen, weil ihreVerteilung auf extrazelluläre Räume be-schränkt bleibt. Eine hohe Plasmaeiweißbin-dung führt aber nicht grundsätzlich zu einemkleinen Verteilungsvolumen.

A 3.5 Klinische Pharmakokinetik 59

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3.5.5 Lineare und nicht lineare Kinetik3.5.5 Lineare und nicht lineare Kinetik

▶Definition. ▶Definition. Der linearen Kinetik liegt eine Kinetik 1. Ordnung zugrunde. Das be-deutet, dass die Resorptionsgeschwindigkeit linear mit der Konzentration des Phar-makons am Ort der Resorption zunimmt und dass die Verteilungs- und Eliminati-onsrate linear mit der Pharmakonkonzentration im Plasma zunimmt.Bei der nicht linearen Kinetik (Kinetik 0. Ordnung) nehmen die Resorptions-, Vertei-lungs- und Eliminationsrate mit zunehmender Pharmakonkonzentration nach Arteiner Sättigungskinetik zu und sind bei therapeutisch relevanter Pharmakonkon-zentration häufig von dieser unabhängig und konstant.

Eigenschaften der linearen Kinetik: Für eine lineare Kinetik ist charakteristisch, dasssich die Konzentrations-Zeit-Kurven mit Exponentialfunktionen beschreiben lassen(Abb. A-3.11). Dazu gehört, dass Fabs, t½, Cltot, Clren und Vd von der Dosis unabhängigund konstant sind. Im Unterschied dazu nehmen die Konzentrationen im Plasmaund die AUC-Werte linear mit der Dosis zu. Die meisten Pharmaka haben eine linea-re Kinetik für Resorption, Verteilung und Elimination.

Eigenschaften der nicht linearen Kinetik: Es gibt nur einige wenige Beispiele für einenicht lineare Kinetik. So zeigt z. B. die Bioverfügbarkeit von Propranolol eine nichtlineare Kinetik, denn die Beziehung zwischen AUC und der oralen Propranololdosisist nicht linear (Sättigung des First-Pass-Effekts von Propranolol). Phenytoin, Salicyl-säure und Ethanol haben eine nicht lineare Eliminationskinetik (Abb. A-3.12). DieKonzentrationen dieser Stoffe im Plasma fallen linear mit der Zeit ab, wenn die Kon-zentrationsachse eine lineare Skala aufweist. Für eine nicht lineare Eliminations-kinetik gibt es keine echte Plasma-Halbwertszeit. Trotzdem ist in diesen Fällen dieBeobachtung typisch, dass die ermittelten Pseudo-Halbwertszeiten mit steigenderDosis oder Konzentration im Plasma immer länger werden.

⊙ A-3.11 ⊙ A-3.11 Elimination nach einer linearen Kinetik (Kinetik 1. Ordnung)

t1/2 t1/2 t1/2t1/2 t1/2 t1/2 t1/2 t1/2 t1/2

0,5

1

2

4

8

Konz

entr

atio

n im

Pla

sma

(log.

Ska

la)

a bZeit Zeit

Konz

entr

atio

n im

Pla

sma

(line

are

Skal

a)

0,50

12

4

8

Die Konzentration eines Wirkstoffs im venösen Blutplasma ist gegen die Zeit nach i. v.-Gabeaufgetragen, links mit linear skalierter (a) und rechts mit logarithmisch skalierter Ordinate(b). Die Konzentrationsangaben sind dabei willkürlich.

⊙ A-3.12 ⊙ A-3.12 Elimination nach einer nicht linearen Kinetik (Kinetik 0. Ordnung)

Konz

entr

atio

n im

Pla

sma

(line

are

Skal

a)

Konz

entr

atio

n im

Pla

sma

(log.

Ska

la)

t1/2 t1/2t1/2 Zeit t1/2 t1/2t1/2 Zeit0

0,512

4

8 8

4

2

1

0,5

a b

Die Konzentration eines Wirkstoffs (z. B. Ethanol oder Phenytoin) im venösen Blutplasma istgegen die Zeit nach i. v.-Gabe aufgetragen, links mit linear skalierter (a) und rechts mit loga-rithmisch skalierter Ordinate (b). Die Konzentrationsangaben sind dabei willkürlich.

Eigenschaften der linearen Kinetik: DieKonzentrations-Zeit-Kurven gehorchen Expo-nentialfunktionen (Abb. A-3.11). Fabs, t½,Cltot, Clren und Vd sind von der Dosis unab-hängig und konstant. Diese Kinetik gilt fürdie meisten Pharmaka.

Eigenschaften der nicht linearen Kinetik:Abb. A-3.12 zeigt schematisch ein Beispiel füreine nicht lineare Eliminationskinetik. Obwohles hier keine echte HWZ gibt, ist es in diesemFall typisch, dass die ermittelten Pseudo-Halb-wertszeiten mit steigender Dosis oder Kon-zentration im Plasma länger werden.

60 A 3 Pharmakokinetik

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3.5.6 Pharmakokinetische Berechnungen 3.5.6 Pharmakokinetische Berechnungen

Bedeutung der Halbwertszeit Bedeutung der Halbwertszeit

Die Halbwertszeit (HWZ, t½) hat bei kontinuierlicher Gabe von Pharmaka, d. h. beii. v.-Infusion oder anhaltender p. o.-Gabe mit gleichbleibender Dosis und konstan-tem Dosisintervall, eine entscheidende Bedeutung für die Zeit bis zum Erreichendes Verteilungsgleichgewichts, die Verweildauer des Pharmakons im Körper und dieKumulation des Pharmakons im Körper.

Zeit bis zum Erreichen des Verteilungsgleichgewichts: Die im Verteilungsgleichge-wicht konstant bleibende Konzentration im Plasma wird umso schneller erreicht, jekürzer die Plasma-Halbwertszeit ist.

▶Merke.▶Merke. In jedem Falle sind nach 5 Halbwertszeiten 96,9 % der Gleichgewichtskon-zentration erreicht. Das gilt auch für die Einstellung eines neuen Verteilungsgleich-gewichts, wenn die Dosis erhöht oder erniedrigt wird.

Verweildauer im Körper: Nach einem Behandlungsstopp sind innerhalb von 5 Halb-wertszeiten 96,9 % der aufgenommenen Pharmakonmenge aus dem Körper elimi-niert.

Kumulation im Körper: Kontinuierlich verabreichte Pharmaka können sich im Kör-per anreichern. Dieses Phänomen wird als Kumulation bezeichnet. Zur Quantifizie-rung der Kumulation wurde der Kumulationsfaktor (FKum) als Quotient aus der imVerteilungsgleichgewicht (steady state, ss) im Körper befindlichen Pharmakonmen-ge (PMSS) und der bioverfügbaren Dosis (Fabs ×D) definiert. Die Höhe dieses Faktorswird entscheidend vom Quotienten „Halbwertszeit (t½)/Dosisintervall (τ)“ be-stimmt:

FKum ¼ PMSS

Fabs � D¼ t1=2

ln 2� �

▶Merke.▶Merke. Das Ausmaß der Kumulation eines Pharmakons hängt ausschließlich vomVerhältnis der Halbwertszeit zum Dosisintervall ab.

Immer dann, wenn τ kurz ist relativ zu t½, wird FKum größer als 1,44 (1/ln 2). Mitanderen Worten: Ist τ identisch mit t½ (τ = t½), ist FKum = 1,44. Wenn aber τ um denFaktor 2 kürzer ist als t½ (2 τ = t½), dann steigt FKum auf einen Wert von 2,89.

Initialdosis und Erhaltungsdosis Initialdosis und Erhaltungsdosis

Bei der therapeutischen Erstanwendung von Pharmaka stellt sich häufig die Frage,mit welcher Dosis die Behandlung begonnen (Initialdosis) und mit welcher Dosis siefortgesetzt (Erhaltungsdosis) werden soll. Die Beantwortung dieser Frage setzt vo-raus, dass die für ein optimales Behandlungsergebnis erforderliche Konzentrationdes Pharmakons im Plasma und die Werte für die wichtigen pharmakokinetischenParameter dieses Pharmakons (Fabs, Cltot und Vd) bekannt sind.

Initialdosis (loading dose): Die bioverfügbare Dosis (Dinitial × Fabs), mit der die Be-handlung begonnen wird, sollte eine Konzentration im Plasma erzeugen, die im Ver-teilungsgleichgewicht (steady state, ss) als Zielwert angestrebt wird (KPss). Diese Do-sis ist vom Verteilungsvolumen (Vd) abhängig:

Dinitial � Fabs ¼ Vd � KPSS

Erhaltungsdosis (maintenance dose): Die bioverfügbare Erhaltungsdosis ist eine Do-sierungsrate (D× Fabs/τ), mit der das durch Elimination verloren gegangene Pharma-kon ersetzt werden muss, um KPss konstant zu halten. Diese Dosierungsrate ist vonder Plasmaclearance (Cltot) abhängig:

D � Fabs�

¼ Cltot � KPSS

Die HWZ (t½) ist entscheidend für die Zeit biszum Erreichen des Verteilungsgleichgewichts,für die Verweildauer und für die Kumulationdes Pharmakons im Körper.

Verteilungsgleichgewicht: Es wird umsoschneller erreicht, je kürzer die Plasma-Halb-wertszeit ist.

Verweildauer im Körper: 5 HWZ nach Be-handlungsstopp sind 96,9 % der aufgenom-menen Wirkstoffmenge eliminiert.

Kumulation im Körper: Pharmaka könnensich im Körper anreichern. Mithilfe einer For-mel kann dies quantifiziert werden.

Zur Festlegung der Initialdosis und der Erhal-tungsdosis eines Pharmakons müssen einigepharmakokinetische Parameter bekannt sein.

Initialdosis (loading dose): Die bioverfüg-bare Initialdosis (Dinitial × Fabs) ist vom Vertei-lungsvolumen (Vd) abhängig.

Erhaltungsdosis (maintenance dose): DieseDosierungsrate (D × Fabs/τ) ist von der Plasma-clearance (Cltot) abhängig.

A 3.5 Klinische Pharmakokinetik 61

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▶ Fallbeispiel. ▶ Fallbeispiel. Dosisfindung bei DigoxinEinem 75kg schweren Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz soll das Digitalis-glykosid Digoxin verabreicht werden. Relevante pharmakokinetische Parameter fürdiesen Arzneistoff: Fabs = 0,7 (70%), Vd =563 l (7,5 l/kg) und Cltot = 100ml/min. Der op-timale Digoxin-Plasmaspiegel (KPss) sollte zwischen 0,5 und 0,8μg/l liegen, deshalbwird in der folgenden Berechnung ein Zielwert für KPss von 0,65µg/l verwendet.Laut der Gleichung „Dinitial × Fabs = Vd × KPss“ entspricht die bioverfügbare Dosis(Dinitial × Fabs), mit der die Behandlung begonnen werden soll, dem Produkt aus Vd

und KPss. Sie beträgt also 366 μg = 0,366mg. Die Initialdosis Dinitial ergibt sich dannaus 0,366mg/Fabs und beträgt 0,523mg. Weil Digoxin eine lange Halbwertszeit hat(39 h), wird diese Dinitial üblicherweise auf zwei Einzeldosierungen verteilt, die imAbstand von 24 h eingenommen werden.Die Erhaltungsdosis, eine Dosierungsrate (D× Fabs/τ), wird aus dem Produkt von Cltotund KPss berechnet: Multipliziert man dieses Produkt (0,065μg/min) mit dem Dosie-rungsintervall τ (1 Tag = 1440min), ergibt sich ein Wert von 0,094mg pro Tag, dernach Berücksichtigung der Bioverfügbarkeit einer Dosierungsrate D/τ von 0,134mgpro Tag entspricht. Diese Erhaltungsdosis nimmt der Patient ab dem 3. Tag der Be-handlung ein.

3.6 Beziehung zwischen Pharmakokinetik undPharmakodynamik

3.6 Beziehung zwischenPharmakokinetik undPharmakodynamik

Untersuchungen, die das Studium der Beziehungen zwischen Wirkung und Plasma-konzentration eines Pharmakons oder Wirkung und Zeit nach Verabreichung zumInhalt haben, stoßen häufig an Grenzen. Einerseits können Metaboliten in variablemAusmaß an der Wirkung beteiligt sein und andererseits kann das Verteilungsgleich-gewicht im Plasma wesentlich schneller erreicht sein als in dem für die Wirkungverantwortlichen Kompartiment (mit der Folge, dass die Wirkung mit erheblicherzeitlicher Verzögerung einsetzt). Trotzdem sollen hier zwei grundsätzliche Aspekteder Beziehung zwischen Wirkung und Zeit angesprochen werden.

3.6.1 Zeitverlauf der Pharmakonwirkung3.6.1 Zeitverlauf der Pharmakonwirkung

Die Plasmakonzentration eines Pharmakons ändert sich mit der Zeit nach Applika-tion meistens entsprechend der Kinetik 1. Ordnung, während die Wirkung einesPharmakons in Abhängigkeit von der Zeit nach Applikation in aller Regel nicht einersolchen Kinetik gehorcht. Abb. A-3.13 illustriert diesen Sachverhalt. Abb. A-3.13azeigt die β-Phase einer Konzentrations-Zeit-Kurve und Abb. A-3.13b die Beziehungzwischen Wirkung und Zeit nach Applikation der höchsten der in Abb. A-3.13a er-fassten Konzentrationen. Danach nimmt die Wirkung nicht gemäß einer Kinetik 1.Ordnung, sondern nach einer komplexen Funktion mit der Zeit nach Applikation ab.Eine wichtige Schlussfolgerung: Die Halbwertszeiten, die Konzentrations-Zeit-Kur-ven charakterisieren, gibt es für Wirkungs-Zeit-Kurven grundsätzlich nicht. Die Stei-gung des linearen Abschnitts der Wirkungs-Zeit-Kurve in Abb. A-3.13bwird von derPlasma-Halbwertszeit und der Steigung der Konzentrations-Wirkungs-Kurve be-stimmt.

⊙ A-3.13 Zeitverlauf der Pharmakonwirkung

Zeit Zeit

Phar

mak

onko

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Wirk

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a b

Die Beziehungen zwischen Konzentration undZeit nach Applikation (a) sowie Wirkung undZeit nach Applikation (b) sind schematisch dar-gestellt. Der Kurvenverlauf in a entspricht der β-Phase einer Konzentrations-Zeit-Kurve, b zeigtdie komplex verlaufende Wirkungs-Zeit-Kurvefür die höchste der in a erfassten Konzentratio-nen.

Beziehungen zwischen Wirkung und Zeit nachVerabreichung eines Pharmakons werden vonvielen Faktoren beeinflusst. Dennoch sollenzwei grundsätzliche Aspekte besprochen wer-den.

Die Plasmakonzentration eines Pharmakonsändert sich meist, im Gegensatz zur Wirkung,entsprechend der Kinetik 1. Ordnung(Abb. A-3.13). Abb. A-3.13a zeigt die β-Phaseeiner Konzentrations-Zeit-Kurve undAbb. A-3.13b die Beziehung zwischen Wir-kung und Zeit.Wichtig: Für Wirkungs-Zeit-Kurven existieren keine Halbwertszeiten(S.57).

62 A 3 Pharmakokinetik

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▶Merke.▶Merke. Da Wirkungs-Zeit-Kurven (Abb. A-3.13b) nicht der Kinetik 1. Ordnung fol-gen, gibt es für das Abklingen der Wirkung nach Applikation auch keine Halbwerts-zeit (S.57).

3.6.2 Determinanten der Wirkdauer von Pharmaka 3.6.2 Determinanten der Wirkdauer vonPharmaka

Die Wirkdauer eines Pharmakons ist der Zeitraum, in dem die Konzentration desPharmakons am Ort der Wirkung oberhalb eines kritischen Wertes, der minimaleneffektiven Konzentration, liegt. Diese Konzentration wird initial als Folge von Re-sorption und Verteilung überschritten und am Ende der Wirkdauer als Folge der Eli-mination unterschritten. Grundsätzlich verlängert sich die Wirkdauer mit zuneh-mender Halbwertszeit und Dosis. Um die Komplexität der Gesetzmäßigkeiten über-schaubar zu halten, ist die folgende Diskussion zur Wirkdauer von Pharmaka aufStoffe beschränkt, deren Verteilung zum Ort der Wirkung relativ zur Elimination soschnell erfolgt, dass jederzeit ein konstantes Verhältnis zwischen den Konzentratio-nen im Plasma und am Wirkort besteht. Außerdem sollen die im Rahmen der Elimi-nation gebildeten Metaboliten unwirksam sein. Unter diesen Bedingungen verlän-gert sich die Wirkdauer eines Pharmakons mit jeder Verdoppelung der Dosis umeine Halbwertszeit. Mit anderen Worten, die Wirkdauer nimmt mit dem Logarith-mus der Dosis linear zu. Diese Gesetzmäßigkeit ist in Abb. A-3.14 illustriert.

▶Merke.▶Merke. Die Wirkdauer eines Pharmakons ist anders als die Halbwertszeit keinedosisunabhängige Konstante, sondern ändert sich mit der Dosis: Eine Verdoppe-lung der Dosis verlängert die Wirkdauer um eine Halbwertszeit.

3.7 Pharmakokinetische Ursachen derVariabilität von Pharmakonwirkungen

3.7 Pharmakokinetische Ursachen derVariabilität von Pharmakon-wirkungen

3.7.1 Pharmakokinetische Toleranz 3.7.1 Pharmakokinetische Toleranz

▶Definition.▶Definition. Nimmt die Wirkungsintensität eines Pharmakons trotz unveränderterDosierung im Laufe der Behandlung aus pharmakokinetischen Gründen ab, sprichtman von pharmakokinetischer Toleranz.

Über die Ursachen einer pharmakodynamischen Toleranz (S.33) wird an andererStelle des Buches berichtet. Der der pharmakokinetischen Toleranz zugrunde liegen-de Mechanismus ist die Enzyminduktion.

⊙ A-3.14⊙ A-3.14 Bedeutung der Dosis für die Wirkdauer eines Pharmakons

Zeit [Vielfaches der HWZ]0 1 2 3

0,5

1

2

4

8

Phar

mak

onm

enge

im K

örpe

r [m

g](lo

g. S

kala

)

minimaleffektive

Pharmakon-menge

Die Pharmakonmenge im Körper ist alsFunktion der Zeit dargestellt. Die Ordi-nate zeigt die Pharmakonmenge im Kör-per auf einer logarithmischen Skala;zum Zeitpunkt 0 entspricht die Pharma-konmenge im Körper der verabreichtenDosis. Die Zeit ist auf der Abszisse als 0-,1-, 2- und 3-fache Halbwertszeit (HWZ)angegeben. Die minimal effektive Phar-makonmenge ist 1mg. Bei einer Dosisvon 2mg wird die minimal effektivePharmakonmenge nach 1 HWZ unter-schritten, d. h. diese Dosis hat eine Wirk-dauer von 1 HWZ. Eine Verdopplung derDosis auf 4mg verlängert die Wirkdauerauf 2 HWZ.

Die Wirkdauer beschreibt den Zeitraum, indem die Pharmakonkonzentration oberhalbder minimalen effektiven Konzentrationliegt. Grundsätzlich verlängert sich die Wirk-dauer eines Pharmakonsmit jeder Verdop-pelung der Dosis um eine Halbwertszeit(Abb. A-3.14).

Pharmakokinetische Toleranz entsteht durchEnzyminduktion, s. pharmakodynamischeToleranz (S.33).

A 3.7 Pharmakokinetische Ursachen der Variabilität von Pharmakonwirkungen 63

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▶Definition. ▶Definition. Unter Enzyminduktion versteht man die vermehrte Bereitstellung vonPharmaka abbauenden Enzymen durch Aktivierung der Transkription der entspre-chenden Zielgene oder durch Stabilisierung dieser Enzyme infolge Hemmung desProteinabbaus.

Die meisten Induktoren aktivieren Transkriptionsfaktoren und erhöhen dadurch dieExpressionsraten für Enzyme. Das einzige wichtige Beispiel für einen anderen Me-chanismus ist die Enzymstabilisierung infolge Hemmung des Proteinabbaus durchdie alkoholvermittelte Induktion von CYP2E1. Die Bindung von Alkohol an diesesEnzym hemmt nämlich dessen Phosphorylierung, die normalerweise den Protein-abbau einleitet. Dadurch kann der CYP2E1-Gehalt der Leberzellen bis um den Fak-tor 5 ansteigen. Da die Bildung des hepatotoxischen Metaboliten von Paracetamolauch auf die Aktivität dieses Enzyms zurückgeht, kommt es als Folge der Induktionvon CYP2E1 bei Alkoholikern nicht nur zur verbesserten Alkoholtoleranz, sondernauch zur Zunahme des Risikos einer Paracetamol-Intoxikation (S.247) mit schwerenLeberschäden.Die Enzyminduktion ist nicht nur für die pharmakokinetische Toleranz, sondernauch für zahlreiche pharmakokinetische Arzneimittelinteraktionen verantwortlich.Viele Induktoren erhöhen die Transkriptionsraten einer ganzen Batterie von Zielge-nen und beschleunigen durch vermehrte Enzymexpression den Abbau mehrererPharmaka (s. Tab. A-3.1). Tabakrauch z. B. induziert die Expression von CYP1A2 undmehreren Glutathion-S-Transferasen. Rifampicin ist ein sehr effektiver Induktor: Esinduziert die Transkription der Gene für mehrere CYP-Enzyme (s. Tab. A-3.1), Glu-kuronosyltransferasen und ABC-Transporter (s. Tab. A-3.2). Die Enzyminduktion er-reicht üblicherweise innerhalb von einigen Tagen ein Maximum und bildet sichnach Absetzen des Induktors innerhalb von Tagen bis Wochen zurück.

▶Klinischer Bezug. ▶Klinischer Bezug. Johanniskrautextrakte haben mit ihren verschiedenen Zuberei-tungsformen in der Selbstmedikation von Schlafstörungen und psychogenen De-pressionen eine große Bedeutung. Dass damit auch Schaden angerichtet werdenkann, ist in der Bevölkerung weniger gut bekannt. Die Inhaltsstoffe Hyperforin undHypericin induzieren nämlich die Expression von CYP3A4 und P-Gp und beschleuni-gen so die Elimination der Wirkstoffe der Anti-Baby-Pille sowie die von Ciclosporinund Digoxin. Bei den genannten Pharmaka kann der Verlust an Wirkung dramati-sche Folgen haben: ungewollte Schwangerschaft, Abstoßung einer transplantiertenNiere, lebensbedrohliche Verschlimmerung einer Herzschwäche.

3.7.2 Pharmakogenetik3.7.2 Pharmakogenetik

Wie schnell Pharmaka metabolisch eliminiert werden, lässt sich nicht vorhersagen,weil die hepatozelluläre und die intestinale Enzymausstattung einer ausgeprägteninterindividuellen Variabilität unterliegt. Für diese Variabilität sind z. T. genetischePolymorphismen für Pharmaka abbauende Enzyme verantwortlich. Die vier wich-tigsten dieser Polymorphismen sollen hier besprochen werden.

CYP2D6-Polymorphismus: CYP2D6 ist für den Abbau sehr vieler Pharmaka bedeut-sam (s. Tab. A-3.1). Bei einigen dieser Pharmaka sorgt CYP2D6 für die Bildung vonMetaboliten, die einen Großteil der Wirkung hervorrufen (z. B. O-Demethylierungvon Codein zu Morphin). In Bezug auf die hepatozelluläre CYP2D6-Enzymaktivitätgibt es in der europäischen Bevölkerung drei Klassen von Individuen. 85–90% derEuropäer haben eine normale Enzymausstattung und werden als „schnelle Metabo-lisierer“ typisiert. Bei 7–10% wird CYP2D6 in geringem Maße oder überhaupt nichtexprimiert, woraus der Phänotyp des „langsamen Metabolisierers“ resultiert. 1–10% der Europäer erweisen sich aufgrund einer Amplifikation des CYP2D6-Gens als„ultraschnelle Metabolisierer“. Zur CYP2D6-Typisierung wird häufig Dextro-methorphan verwendet, das CYP2D6-vermittelt zu Dextrorphan abgebaut wird.

Die meisten Induktoren erhöhen über Tran-skriptionsfaktoren die Expressionsrate derEnzyme. Das einzige Beispiel für eine Hem-mung des Proteinabbaus ist die ethanolver-mittelte Induktion von CYP2E1. Dadurchkommt es bei Alkoholikern zu vermehrterEthanol-Toleranz, aber auch zu einem gestei-gerten Risiko für Paracetamol-Intoxikationen(S.247) mit schweren Leberschäden.

Die Enzyminduktion ist auch für zahlreicheArzneimittelinteraktionen verantwortlich,weil sie den Abbau bestimmter Pharmaka be-schleunigt (s. Tab. A-3.1 und Tab. A-3.2).

Die metabolische Elimination verläuft in je-dem Organismus unterschiedlich schnell, z. T.bedingt durch genetische Polymorphismender abbauenden Enzyme.

CYP2D6-Polymorphismus: Die Enzymaktivi-tät von CYP2D6 (s. Tab. A-3.1) ist bei Europä-ern unterschiedlich. 85–90% haben eine nor-male Enzymausstattung und sind „schnelleMetabolisierer“. 7– 10% sind „langsameMetabolisierer“ und 1–10% sind „ultra-schnelle Metabolisierer“.

64 A 3 Pharmakokinetik

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▶ Fallbeispiel.▶ Fallbeispiel. Patientin mit CYP2D6-PolymorphismusEine 49-Jährige wird um 0Uhr mit dem Rettungswagen in die Notfallaufnahme ein-geliefert. Sie ist nicht ansprechbar und reagiert nicht auf Schmerzreize. Atemfre-quenz 7/min, arrhythmischer Puls 120/min, systolischer Blutdruck 80mmHg, Pupil-len isokor weit. Im Rettungswagen hat die Patientin einen tonisch-klonischen Anfallgehabt. Der Ehemann berichtet, er sei aufgewacht, weil seine Frau neben ihm unge-wöhnlich tief geatmet und sich heiß angefühlt habe. Sie habe am Abend erstmalig100mg Trimipramin (S.337) – und damit eine „normale“ Dosis eines trizyklischenAntidepressivums – eingenommen, das ihr der Psychiater wegen einer mittelschwe-ren depressiven Episode verschrieben habe. Der Notarzt stellte eine hohe Körper-temperatur, eine trockene Mundschleimhaut, eine tachykarde Herzrhythmusstö-rung und das völlige Fehlen von Darmgeräuschen fest. Die Patientin wurde noch inder Wohnung intubiert, im Rettungswagen schockgelagert und es wurden ihr überzwei großvolumige peripher-venöse Zugänge 1000ml Ringerlaktat infundiert und1mg Physostigmin langsam i. v. verabreicht. In der Folge erholte sich die Patientinvollständig.Da die Patientin keine Überdosis eingenommen hatte, stellt der behandelnde Arztdie Verdachtsdiagnose „langsame Metabolisiererin mit Vergiftungssymptomen alsFolge der atropinartigen Wirkungen von Trimipramin“. Diese Diagnose wird durcheine Analyse des CYP2D6-Genotyps bestätigt. Trimipramin wird durch das trizykli-sche Antidepressivum Amitriptylin ersetzt (in niedriger Dosierung: 25mg abends),das im Vergleich zu Trimipramin ein schlechteres Substrat von CYP2D6 ist.

CYP2C19-Polymorphismus: Bei 2–5% der Europäer (und 15–23% der Asiaten) wirdein funktionell defizientes CYP2C19-Enzym exprimiert. Typische CYP2C19-Substra-te (s. Tab. A-3.1) werden dann langsamer metabolisiert als normal. Die Störungwird autosomal-rezessiv vererbt.

▶Klinischer Bezug.▶Klinischer Bezug. Bedeutsam ist der CYP2C19-Defekt für folgende Arzneistoffe:■ Omeprazol: Dieser Protonenpumpen-Hemmer (S.546) wirkt wegen des Enzym-mangels dann bereits bei sehr niedriger Dosis.

■ Clopidogrel (S.459): Dieser Thrombozytenaggregations-Hemmstoff ist eine Phar-makonvorstufe (Prodrug) und wird erst durch CYP2C19 in einen wirksamen Thiol-metaboliten umgewandelt. Ist die Funktion von CYP2C19 aufgrund eines Gende-fekts reduziert oder aufgehoben, nützt dem Betroffenen die Einnahme von Clopi-dogrel (z. B. zur Sekundärprävention eines Myokardinfarktes) nichts.Unabhängig von Genotyp des Betroffenen unterbleibt die Umwandlung von Clopi-dogrel in den wirksamen Metaboliten auch dann, wenn der Betroffene gleichzeitigeinen Inhibitor von CYP2C19 einnimmt (z. B. Omeprazol, s. Tab. A-3.1).

N-Acetyltransferase-II-Polymorphismus: Die N-Acetyltransferase Typ II ist z. B. fürdie Acetylierung und Inaktivierung von Dihydralazin, Hydralazin, Isoniazid, Clona-zepam, Metamizol, Sulfonamide und Koffein verantwortlich. Etwa 50% der Europäerund 20% der Japaner und Chinesen exprimieren ein defizientes Enzym, das die ge-nannten Substrate nur langsam umsetzen kann („langsame Acetylierer“). Die Folgensind eine Zunahme der Hepatotoxizität (Isoniazid), ein gehäuftes Auftreten von Lu-pus erythematodes (Dihydralazin, Hydralazin) und ein hohes Risiko für schwere al-lergische Reaktionen nach Gabe von Sulfonamiden oder Sulfasalazin.

Thiopurin-Methyltransferase-Polymorphismus: Die Thiopurin-Methyltransferase in-aktiviert das zytotoxische Immunsuppressivum 6-Mercaptopurin (und damit indi-rekt auch seine Vorstufe Azathioprin). Das Enzym kann in defekter Form exprimiertwerden. Etwa 0,3 % der Europäer sind bezüglich dieses Gendefekts homozygot undetwa 10% heterozygot, s. Kasuistik (S.194). Der Mangel an Enzymaktivität kann inErythrozyten nachgewiesen werden. Trotz der Seltenheit des Enzymdefekts ist einsolcher Nachweis sinnvoll, da dem erhöhten Risiko einer Knochenmarkschädigungmit einer Dosisanpassung begegnet werden kann.

CYP2C19-Polymorphismus: Bei 2– 5% derEuropäer und 15– 23% der Asiaten wird eindefektes CYP2C19-Enzym exprimiert(s. Tab. A-3.1).

N-Acetyltransferase-II-Polymorphismus:Etwa 50% der Europäer sowie 20% der Asia-ten sind bei defizienter Enzymbildung „lang-same Acetylierer“. Hier können einige Arz-neimittel schwere Nebenwirkungen verursa-chen.

Thiopurin-Methyltransferase-Polymorphis-mus: Ist dieses Enzym defekt (S.194), wirddas zytotoxische Immunsuppressivum 6-Mer-captopurin (Azathioprin) nicht inaktiviertund das Risiko für Knochenmarksschädigun-gen steigt enorm.

A 3.7 Pharmakokinetische Ursachen der Variabilität von Pharmakonwirkungen 65

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3.7.3 Pharmakokinetische Wechselwirkungen3.7.3 PharmakokinetischeWechselwirkungen

Wechselwirkungen zwischen Pharmaka und ErkrankungenWechselwirkungen zwischen Pharmakaund Erkrankungen

Leberinsuffizienz: Lebererkrankungen können die metabolische Clearance (Clnren)von Pharmaka reduzieren. Das gilt hauptsächlich für Wirkstoffe mit hohem First-Pass-Effekt (z. B. Ca2+-Kanalblocker, Lidocain, Fentanyl, Glyceroltrinitrat, Metoprolol,Propranolol). Eine vorhersagbare Dosisanpassung ist aber nicht möglich, weil es kei-nen Funktionstest gibt, der für alle Pharmaka Rückschlüsse auf das Ausmaß der Be-einträchtigung von Clnren zulässt. Deshalb sind eine strenge Indikationsstellung undeine sorgfältige klinische Überwachung bezüglich unerwünschter Wirkungen dieeinzig gangbaren Strategien.

Niereninsuffizienz: Die renale Elimination von Pharmaka ist bei Patienten mit Nie-reninsuffizienz in vorhersagbarer Weise reduziert. Das Ausmaß der Niereninsuffi-zienz wird mithilfe der Kreatinin-Clearance (ClKrea) gemessen. Bei renal eliminiertenPharmaka mit geringer therapeutischer Breite (z. B. Digoxin, Aminoglykoside, Me-thotrexat) kann ein Faktor (F) berechnet werden, mit dem die Dosis (D) oder dasDosisintervall (DI, Formelzeichen τ) an die Bedingungen einer Niereninsuffizienz(NI) angepasst werden kann:

DNI ¼ D� F und �NI ¼ �

F

Der Faktor F wird folgendermaßen ermittelt:

F ¼ EFren �ClKreaðNIÞClKrea

þ EFnren

EFren: renale Eliminationsfraktion; EFnren: nicht renale Eliminationsfraktion (EFnren =1 –EFren); ClKrea: normale Kreatinin-Clearance (für die Berechnung von F wird einNormwert von 100ml/min verwendet); ClKrea(NI): Kreatinin-Clearance bei Nierenin-suffizienz; DNI: Dosis bei Niereninsuffizienz; τNI: τ bei Niereninsuffizienz).Die Werte für EFren sind in diesem Lehrbuch für die wichtigsten Pharmaka in denTabellen gelistet, die pharmakokinetische Daten für die einzelnen Wirkstoffgruppenzusammenfassen (z. B. EFren für Digoxin 0,7; für Aminoglykoside 0,98 und für Me-thotrexat 0,81). Es gibt allerdings auch Pharmaka, die bei schwerer Niereninsuffi-zienz (ClKrea < 10ml/min) nicht verordnet werden dürfen (z. B. Ergotamin, Thiazide,Amilorid, Triamteren, Spironolacton, Metformin, Allopurinol, Bisphosphonate, Cis-platin).

Wechselwirkungen zwischen PharmakaWechselwirkungen zwischen Pharmaka

Wechselwirkungen zwischen Pharmaka, die pharmakokinetische Ursachen haben,spielen in der Pharmakotherapie eine zunehmend wichtige Rolle. Das Risiko solcherInteraktionen ist umso höher, je mehr Pharmaka gleichzeitig angewendet werden.

▶Merke. ▶Merke. Wichtige pharmakokinetische Interaktionen betreffen v. a. Pharmaka miteiner geringen therapeutischen Breite (orale Antikoagulanzien, Sulfonylharnstoffe,Herzglykoside, Theophyllin, Ciclosporin, Zytostatika).

Pharmakokinetische Wechselwirkungen können sich in allen Bereichen der Phar-makokinetik abspielen, d. h. die Resorption, Verteilung und Elimination betreffen.Sie können häufig (aber nicht immer) vorhergesagt und vermieden werden, wenndie pharmakokinetischen Eigenschaften der betroffenen Pharmaka bekannt sindund beachtet werden.

Wechselwirkungen im Rahmen der Resorption: Die enterale Resorption einigerPharmaka kann durch andere Pharmaka behindert oder beschleunigt werden.Antazida können z. B. die Resorption von Tetrazyklinen, Fluorchinolonen, Bisphos-phonaten und Fe2+-Salzen durch Bildung schwer löslicher Chelate oder Komplexeerheblich beeinträchtigen. Sie verschlechtern auch die Resorption vieler andererPharmaka (z. B. Cephalosporine, Theophyllin, H2-Rezeptor-Antagonisten, Captopril,Levothyroxin), verbessern aber die Resorption schwacher Säuren (z. B. Glibenclamid,Levodopa). Metoclopramid kann durch Beschleunigung der Magenentleerung dieenterale Resorption einiger Analgetika (z. B. Paracetamol, Ibuprofen, Acetylsalicyl-

Leberinsuffizienz: Die metabolische Clea-rance (Clnren) von Pharmaka kann vermindertsein. Da es keinen Funktionstest für Clnrengibt, ist eine Berechnung der Dosisanpas-sung nicht möglich. Wichtig sind eine stren-ge Indikationsstellung und eine klinischeÜberwachung.

Niereninsuffizienz: An der Kreatinin-Clea-rance (ClKrea) lässt sich das Ausmaß der Nie-reninsuffizienz ablesen. Die Dosisanpassungvon renal eliminierten Pharmaka kann berech-net werden.Der Faktor F wird ebenfalls mithilfe einer For-mel ermittelt.Die Werte für EFren sind in diesem Buch je-weils bei den einzelnen Wirkstoffgruppen auf-geführt. Einige Pharmaka sind bei schwererNiereninsuffizienz auch gänzlich kontraindi-ziert.

Das Risiko für Wechselwirkungen steigt mitder Anzahl der gleichzeitig angewendetenPharmaka.

Wechselwirkungen können in den BereichenResorption, Verteilung und Elimination auftre-ten.

Wechselwirkungen im Rahmen der Resorp-tion: Antazida können z. B. die enterale Re-sorption anderer Pharmaka erheblich vermin-dern oder steigern. Metoclopramid kannüber eine beschleunigte Magenentleerungdie enterale Resorption bestimmter Analge-tika verbessern und durch eine beschleunigteDarmpassage die Resorption von Digoxin he-rabsetzen.

66 A 3 Pharmakokinetik

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säure) verbessern und durch Beschleunigung der Darmpassage die Resorption vonDigoxin infolge der Verkürzung der Kontaktzeit beeinträchtigen.

Wechselwirkungen im Rahmen der Verteilung: Wechselwirkungen, die mit Ände-rungen der Verteilung von Pharmaka einhergehen, sind klinisch ohne große Bedeu-tung. So ist z. B. die Bindung von Pharmaka an Plasmaproteine in ihrer Bedeutungfür pharmakokinetische Wechselwirkungen lange überschätzt worden. Es hat sichnämlich gezeigt, dass die Verdrängung aus der Bindung die Elimination des ver-drängten Pharmakons beschleunigt, sodass es lediglich zu einer vorübergehendenErhöhung der Konzentration des ungebundenen Pharmakons kommt. Welchen Ein-fluss Hemmstoffe des Efflux-Transporters P-Gp (s. Tab. A-3.2) auf die Aufnahme vonPharmaka (z. B. Antikonvulsiva) in das ZNS haben, ist nicht gut untersucht.

Wechselwirkungen im Rahmen der Elimination: Wechselwirkungen dieser Art wer-den am häufigsten beobachtet. Bei der Elimination durch Metabolisierung sind dieEnzyminduktion und die Hemmung des Abbaus von Pharmaka von großer kli-nischer Bedeutung. Die Enzyminduktion (häufig kombiniert mit einer Induktion desABC-Transporters P-Gp) ist verantwortlich für den Wirkverlust hormoneller Kontra-zeptiva und von Ciclosporin oder Digoxin nach Gabe von Rifampicin oder Selbst-medikation mit Johanniskrautextrakten (s. Tab. A-3.1 und Tab. A-3.2). Die Hem-mung des Abbaus von Pharmaka geht auf Substanzen zurück, die in Tab. A-3.1 alsInhibitoren der CYP-Enzyme gelistet sind. Die meisten sind alternative Substrate,die mit hoher Affinität an das Enzym binden und umgesetzt werden. Ausnahmenvon dieser Regel sind Chinidin (kompetitiver Inhibitor, aber kein Substrat vonCYP2D6) sowie die Inhaltsstoffe des Grapefruitsafts Bergamottin und Dihydroxyber-gamottin (irreversible Inhibitoren von CYP3A4). Die Hemmung der metabolischenElimination von Pharmaka verlängert ihre Plasma-Halbwertszeit und ist häufig as-soziiert mit einer Zunahme ihrer oralen Bioverfügbarkeit (Cerivastatin, Ciclosporin,Ergotamin). Die Intensität der Wirkung und das Risiko für unerwünschte Wirkun-gen können dadurch erheblich ansteigen. Bei der Elimination durch Ausscheidunggibt es ebenfalls bedeutsame Wechselwirkungen. So kann Clarithromycin bei Pa-tienten mit Herzinsuffizienz eine Digoxin-Intoxikation hervorrufen (weil Clarithro-mycin die P-Gp-vermittelte enterale Ausscheidung von Digoxin hemmt) oder Ace-tylsalicylsäure oder Ibuprofen eine Methotrexat-Intoxikation verursachen (weil die-se Säuren die renale Elimination von Methotrexat hemmen).

Wechselwirkungen im Rahmen der Vertei-lung: Solche Wechselwirkungen sind klinischohne große Bedeutung. Noch weitgehend un-bekannt ist, welchen Einfluss Hemmstoffe desEfflux-Transporters P-Gp (s. Tab. A-3.2) aufdie Aufnahme von Pharmaka ins ZNS haben.

Wechselwirkungen im Rahmen der Elimi-nation: Diese Art kommt am häufigsten vor.Wechselwirkungen sind z. B. Folge der En-zyminduktion (s. Tab. A-3.1 und Tab. A-3.2)oder der Hemmung des Abbaus von Phar-maka (s. Tab. A-3.1). Letztere ist häufig asso-ziiert mit einer Zunahme der Bioverfügbarkeitmit Steigerung von Wirkung und uner-wünschten Wirkungen. Auch die Eliminationdurch Ausscheidung kann bedeutsameWechselwirkungen hervorrufen, wie z. B. eineDigoxin-Intoxikation durch Clarithromycinoder eine Methotrexat-Intoxikation durchAcetylsalicylsäure oder Ibuprofen.

A 3.7 Pharmakokinetische Ursachen der Variabilität von Pharmakonwirkungen 67

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4 Besonderheiten derPharmakotherapie inbestimmten Lebensabschnitten

A

© Andreas Keudel – Shotshop

4.1 Pharmakotherapie in Schwangerschaft und Stillperiode . . . . . . . . . 684.2 Pharmakotherapie im Kindesalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 694.3 Pharmakotherapie beim alten Menschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71

4.1 Pharmakotherapie in Schwangerschaftund Stillperiode

4.1 Pharmakotherapie inSchwangerschaft und Stillperiode

4.1.1 Schwangerschaft4.1.1 Schwangerschaft

Die Anwendung von Pharmaka in der Schwangerschaft ist reich an Risiken, weil dieklinisch-pharmakologische und -toxikologische Forschung für den intrauterinen Le-bensabschnitt noch in den Kinderschuhen steckt.

▶Merke. ▶Merke. Für die meisten Pharmaka stellt die Plazentarschranke keine echte Barrie-re dar (Ausnahme: hoch- und niedermolekulares Heparin). Deshalb sollten Phar-maka in der Schwangerschaft grundsätzlich gemieden werden – das gilt ganz be-sonders für das erste Trimenon.

Bei bestimmten mütterlichen Erkrankungen (z. B. Diabetes mellitus, Hypertonie,Epilepsie) ist eine solche Strategie allerdings nicht akzeptabel. Deshalb ist es sinn-voll, die Pharmaka zu kennen, die vor dem Hintergrund epidemiologischer Studienund einer langjährigen klinischen Erfahrung in der Schwangerschaft als unbedenk-lich gelten (Tab. A-4.1).Eine Schwangerschaft ist mit typischen physiologischen Veränderungen assoziiert,die einen Einfluss auf die Pharmakokinetik von Pharmaka haben können. Dazugehören der Anstieg des Plasmavolumens, des Ganzkörperwassers und der glome-rulären Filtrationsrate sowie die Abnahme der Plasma-Albuminkonzentration.Trotzdem ist es nach dem heutigen Stand des Wissens unmöglich, allgemein gültigeVorhersagen zu schwangerschaftsbedingten Änderungen der Pharmakokinetik zumachen.

4.1.2 Stillperiode4.1.2 Stillperiode

Auch in der Stillperiode sollte man mit der Gabe von Pharmaka zurückhaltend sein,da die meisten in die Muttermilch übergehen können. Die Bestimmung der Pharma-konkonzentration in der Muttermilch kann im Einzelfall die Entscheidung für einePharmakotherapie während der Stillperiode erleichtern. Berechnungen der mit derMuttermilch aufgenommenen Pharmakonmengen haben gezeigt, dass nur seltenwirksame Dosierungen beim Kind erreicht werden. Deshalb ist eine wirklich not-wendige Pharmakotherapie in aller Regel kein Grund, das Stillen zu beenden odervom Stillen abzuraten.

▶Merke. ▶Merke. Einige Pharmaka sind allerdings in der Stillperiode kontraindiziert. Hierzuzählen z. B. Morphin, Cotrimoxazol, Fluorchinolone, Ergotamin und Dihydroergota-min, Makrolid-Antibiotika, Immunsuppressiva und Zytostatika. Dopaminrezeptor-Agonisten und Diuretika sollten in der Stillperiode nicht verordnet werden, da siedie Milchproduktion vermindern.

Die Anwendung von Pharmaka in derSchwangerschaft ist risikoreich, da weit-gehend unerforscht.

Bei risikoreichen mütterlichen Erkrankungenkann allerdings nicht auf eine Therapie ver-zichtet werden. Einige Pharmaka werden alsunbedenklich eingestuft (Tab. A-4.1).

Die physiologischen Veränderungen wäh-rend einer Schwangerschaft beeinflussenauch die Pharmakokinetik von Pharmaka.

Die meisten Pharmaka können in die Mutter-milch übergehen. Untersuchungen der Mut-termilch haben jedoch gezeigt, dass nur sel-ten wirksame Dosierungen beim Kind erreichtwerden.

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≡ A-4.1≡ A-4.1 Pharmaka, die in der Schwangerschaft als unbedenklich gelten

Indikation Pharmaka

Schmerzen, Fieber Paracetamol

Acetylsalicylsäure1)

bakterielle Infektionen Penicilline

Cephalosporine

Erythromycin

Tuberkulose Ethambutol

Isoniazid2)

Rifampicin3)

Autoimmunerkrankungen(z. B. systemischer Lupus erythematodes)

Prednisolon

Gestationsdiabetes Insulin

Glibenclamid (im 2. und 3. Trimenon)

Hypothyreose, euthyreote Struma Levothyroxin

Hyperthyreose Atenolol

Asthma bronchiale inhalative Glukokortikoide

inhalative β2-Mimetika

Hypertonie α-Methyldopa

Dihydralazin

Metoprolol

Hyperemesis gravidarum Diphenhydramin

Thrombose Heparin4)

Herzinsuffizienz, Vorhofflimmern Digoxin

Digitoxin

koronare Herzkrankheit Glyceroltrinitrat

Isosorbiddinitrat

Isosorbid-5-Mononitrat

Sodbrennen Antazida

Obstipation Bisacodyl1) im 3. Trimenon kontraindiziert; 2) muss in der Schwangerschaft mit Pyridoxin p. o. (50mg/d)kombiniert werden; 3) Neugeborene von mit Rifampicin behandelten Müttern sollen in den erstenbeiden Lebenswochen (zusätzlich zu den bei den Vorsorgeuntersuchungen U1, U2 und U3 üblichenVitamin-K1-Dosierungen von jeweils 2mg p. o.) 3-mal pro Woche 1mg Vitamin K1 p. o. erhalten(Enzyminduktion durch Rifampicin → Vitamin-K-Mangel); 4) gilt für unfraktioniertes und fraktioniertes(niedermolekulares) Heparin.

4.2 Pharmakotherapie im Kindesalter 4.2 Pharmakotherapie im Kindesalter

Das Kindesalter ist v. a. durch pharmakokinetische Besonderheiten charakterisiert,die die Resorption, Verteilung und Elimination von Pharmaka betreffen. Die klinischrelevanten Besonderheiten sollen hier angesprochen werden.

Resorption:■ Die Magenentleerung ist bis zum 6. Lebensmonat häufig verlangsamt, was die en-terale Resorption bei einigen Stoffen verzögert.

■ Die Resorption über die Haut kann während der ersten Lebensmonate wegen derguten Hautdurchblutung und wegen des Fehlens der Hornhaut erheblich gestei-gert sein, was bei topisch angewendeten Pharmaka und bei der Anwendung vonDesinfektionsmitteln auf der Haut (z. B. Borsäure) von Bedeutung sein kann.

Im Kindesalter existieren Besonderheiten be-züglich Resorption, Verteilung und Eliminati-on.

Resorption:■ < 6. LM: Verlangsamte Magenentleerung →

verzögerte enterale Resorption.■ Erste Lebensmonate: Gesteigerte Resorpti-on über die Haut.

A 4.2 Pharmakotherapie im Kindesalter 69

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▶Klinischer Bezug. ▶Klinischer Bezug. Die verzögerte Magenentleerung bei Säuglingen hat keinen ne-gativen Einfluss auf die enterale Resorption von Penicillinen, beeinträchtigt aber dievon antipyretischen Analgetika wie Paracetamol. Deshalb ist, nicht nur aus Gründender Praktikabilität, die Applikation von Paracetamol-Zäpfchen im Säuglingsalterdurchaus sinnvoll.Bei der lokalen Anwendung von Arzneistoffen (z. B. Glukokortikoide) auf der Hautvon Säuglingen und Kleinkindern muss wegen der Möglichkeit einer sehr guten per-kutanen Resorption auf einemöglichst kleine Anwendungsfläche (< 10% der Körper-oberfläche) geachtet werden.

Verteilung:■ Im ersten Lebensmonat ist der Wassergehalt des Extrazellularraums mit 40–45%des Körpergewichts im Vergleich zum Erwachsenen (20% des Körpergewichts)deutlich vergrößert. Das kann für hydrophile Pharmaka ein vergrößertes Vertei-lungsvolumen (ausgedrückt in l/kg) und eine verlängerte Halbwertszeit bedeuten.

■ Außerdem sind Neugeborene in den ersten zwei Lebenswochen darauf angewie-sen, dass Plasmaalbumin das in dieser Phase des Lebens reichlich vorhandene un-konjugierte Bilirubin mit hoher Affinität bindet.

▶Klinischer Bezug. ▶Klinischer Bezug. Werden in den ersten zwei Lebenswochen Pharmaka ver-abreicht, die wie unkonjugiertes Bilirubin an Plasmaalbumin binden (z. B. Ceftria-xon, Cotrimoxazol) und so dessen Bindungskapazität limitieren, besteht die Gefahreines Kernikterus (Bilirubinenzephalopathie). Unkonjugiertes Bilirubin ist lipidlös-lich und kann deshalb, wenn es nicht an Albumin gebunden ist, die Blut-Hirn-Schranke passieren. Es ist auch zytotoxisch und kann sich beim Neugeborenen imGehirn, v. a. in den Basalganglien (daher „Kernikterus“), ablagern und irreversibleneurologische Störungen (z. B. schrilles Schreien, Hyperreflexie, Krampfneigung, In-telligenzminderung, Taubheit) hervorrufen. Zur Prophylaxe des Kernikterus wirdeine Fototherapie mit blauem Licht durchgeführt (beim reifen Neugeborenen abeiner Gesamtbilirubinkonzentration von ca. 20mg/dl, bei Frühgeborenen schon bei10mg/dl). Die Fototherapie überführt unkonjugiertes Bilirubin in eine wasserlösli-che Form, die die Blut-Hirn-Schranke nicht mehr passieren kann. In schweren Fällenist eine Austauschtransfusion nötig.

Elimination: In den ersten zwei Lebensmonaten sind die metabolische Kapazität derLeber und die Nierenfunktion im Vergleich zum Erwachsenen deutlich reduziert.Das kann erhebliche Konsequenzen für die metabolische und die renale Eliminationvon Pharmaka haben. So ist z. B. die Plasma-Halbwertszeit von Digoxin in der erstenLebenswoche im Vergleich zu der beim Erwachsenen um den Faktor 2–5 verlän-gert. Erst am Ende des sechsten Lebensmonats können Leber- und Nierenfunktionin Bezug auf die Pharmakon-Elimination als ausgereift betrachtet werden. Die enzy-matische Aktivität der CYP-Enzyme und die glomeruläre Fitrationsrate erreichenam frühesten Normalwerte. Die Fähigkeit zur Glukuronidierung und zur Glycinkon-jugation sowie die tubuläre Sekretionsleistung sind am spätesten ausgereift. In derZeit vom sechsten Lebensmonat bis zum achten Lebensjahr ist die Clearance einigerPharmaka im Vergleich zum Erwachsenen sogar erhöht. Das wurde z. B. für die nichtrenale Clearance von Theophyllin und Sulfamethoxazol und für die renale Clearancevon Trimethoprim nachgewiesen.

▶Klinischer Bezug. ▶Klinischer Bezug. Die komplexe Entwicklung der für die Pharmakon-Eliminationverantwortlichen Mechanismen im ersten Lebensjahr macht es sehr schwierig, all-gemein gültige Empfehlungen zur Dosierung von Pharmaka bei Kindern zu geben.Ein praktisch wichtiges Beispiel für eine der Entwicklung der metabolischen Elimi-nation angepasste altersabhängige Dosierung ist die Dosierung von Theophyllin (einArzneistoff mit geringer therapeutischer Breite): Die Tagesdosis beträgt 3mg/kgbeim Neugeborenen, 25mg/kg beim Kleinkind und 15mg/kg bei größeren Kindernund Erwachsenen. Im Unterschied zum Erwachsenen werden Pharmaka im Kindes-alter häufig auf das Körpergewicht bezogen dosiert. So beträgt die orale Dosierungvon Paracetamol im Kleinkindalter 10mg/kg 3- bis 4-mal pro Tag und beim Erwach-senen 500 –1000mg 3- bis 4-mal pro Tag.

Verteilung:■ 1. Lebensmonat: hoher Wassergehalt imExtrazellularraum → größeres Verteilungs-volumen für hydrophile Pharmaka und ver-längerte Halbwertszeit.

■ 1. und 2. Lebenswoche: Plasmaalbuminwird benötigt, um das unkonjugierte Biliru-bin zu binden.

Elimination: In den ersten 2 Lebensmona-ten sind die Stoffwechselleistung der Leberund die Nierenfunktion deutlich reduziert.Erst nach dem 6. Lebensmonat sind sie fürdie Pharmakon-Elimination ausgereift. Vom6. Lebensmonat bis zum 8. Lebensjahr ist dieClearance einiger Pharmaka im Vergleich zumErwachsenen sogar erhöht.

70 A 4 Besonderheiten der Pharmakotherapie in bestimmten Lebensabschnitten

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4.3 Pharmakotherapie beim alten Menschen 4.3 Pharmakotherapie beim altenMenschen

Altersbedingte Veränderungen haben Auswirkungen auf die Anwendung von Phar-maka. Man spricht in diesem Zusammenhang ab einem Alter von 65 Jahren vom„alten“ Menschen. Die Pharmakotherapie ist in diesem Lebensabschnitt durch dreiBesonderheiten charakterisiert:■ Die wegen Multimorbidität häufig hohe Zahl gleichzeitig verabreichter Pharmakaerhöht das Risiko von Wechselwirkungen;

■ altersbedingte Veränderungen der Pharmakodynamik und■ altersbedingte Veränderungen der Pharmakokinetik.

4.3.1 Hohe Anzahl verordneter Pharmaka 4.3.1 Hohe Anzahl verordneter Pharmaka

Die hypothetische Anzahl von Interaktionsmöglichkeiten (N) nimmt mit der Zahlder angewendeten Pharmaka (n) zu (Tab. A-4.2) und kann mithilfe der folgendenGleichung berechnet werden:

N ¼ n!2� n� 2ð Þ! ð! bedeutet FakultätÞ

N ist eine mathematisch ermittelte Zahl, die nichts mit der Häufigkeit von mögli-chen Wechselwirkungen zwischen den Pharmaka zu tun hat.

≡ A-4.2≡ A-4.2 Bedeutung der Zahl der eingenommenen Pharmaka (n) für die hypotheti-sche (mathematisch ermittelte) Anzahl von Interaktionsmöglichkeiten (N)

n = Zahl der eingenommenen Pharmaka N=Anzahl der Interaktionsmöglichkeiten

2 1

3 3

4 6

5 10

6 15

7 21

8 28

4.3.2 Altersbedingte Veränderungen derPharmakodynamik

4.3.2 Altersbedingte Veränderungen derPharmakodynamik

Die Empfindlichkeit für Pharmakonwirkungen kann im Alter zu- oder abnehmen. Sokommt es typischerweise beim alten Menschen zu einem Nachlassen der Wirksam-keit von β-Rezeptor-Agonisten und -Antagonisten. Eine Zunahme der Wirksamkeitvon Pharmaka hat häufig pharmakokinetische Ursachen. Hinzu kommt, dass alteMenschen zu paradoxen Wirkungen neigen, wie z. B. nach Gabe von Benzodiazepi-nen (paradoxe Erregungszustände) oder Koffein (paradoxe Zunahme des Schlafbe-dürfnisses). Außerdem sind homöostatische Regulationsmechanismen im Altermeist weniger effektiv. So wurde z. B. eine altersabhängige Abnahme der Empfind-lichkeit des Barorezeptorreflexes beobachtet. Dieser Befund erklärt, weshalb Anti-hypertensiva beim alten Menschen häufiger als beim jungen eine orthostatische Hy-potension verursachen.

4.3.3 Altersbedingte Veränderungen der Pharmakokinetik 4.3.3 Altersbedingte Veränderungen derPharmakokinetik

Pharmakokinetische Besonderheiten stehen auch beim alten Menschen ganz imVordergrund.

Resorption: Größere Veränderungen der enteralen Resorption sind trotz verminder-ter Motilität und Durchblutung des Magen-Darm-Kanals nicht zu erwarten. FürPharmaka, die s. c. (z. B. Insulin) oder auch i.m. appliziert werden, ist ein verzöger-ter Wirkungsbeginn möglich, weil die Gewebedurchblutung im Alter häufig vermin-dert ist.

Ab einem Alter von 65 Jahren spricht manvom „alten“ Menschen. Besonderheiten:■ Vermehrte Wechselwirkungen durch häufighohe Zahl an Pharmaka.

■ veränderte Pharmakodynamik■ veränderte Pharmakokinetik

Die Anzahl von Interaktionsmöglichkeiten(Tab. A-4.2) wird mithilfe einer Formel be-rechnet.

Die Empfindlichkeit für Pharmakonwirkun-gen kann im Alter zu- oder abnehmen. AlteMenschen neigen zudem zu paradoxen Wir-kungen. Des Weiteren sind die homöostati-schen Regulationsmechanismen meist we-niger effektiv.

Resorption: In der Regel treten keine Verän-derungen der enteralen Resorption auf. Beis. c.- oder i.m.-Gabe ist ein verzögerter Wir-kungsbeginn möglich.

A 4.3 Pharmakotherapie beim alten Menschen 71

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Verteilung: Mit steigendem Alter nimmt der Fettanteil des Körpers zu, das Körper-wasser sowie die fettfreie Körpermasse (v. a. Muskelmasse) nehmen ab. Außerdemnimmt im Plasma die Albuminkonzentration ab, die Konzentration des sauren α1-Glykoproteins zu. Diese Veränderungen können einen Einfluss auf die Verteilungvon Pharmaka haben. Klinisch relevant sind:■ Zunahme des Körperfetts: Sie verursacht eine Vergrößerung des Verteilungsvolu-mens und damit eine Verlängerung der Halbwertszeit für einige lipophile Wirk-stoffe wie z. B. Diazepam.

■ Abnahme der fettfreien Körpermasse: Sie ruft eine Verkleinerung des Verteilungs-volumens von Digoxin hervor.

▶Klinischer Bezug. ▶Klinischer Bezug. Die beim alten Patienten beobachteten Veränderungen der Phar-makokinetik von Diazepam (Verteilungsvolumen↑, Halbwertszeit↑) sind nebenden bei diesen Patienten befürchteten paradoxen Reaktionen gewichtige Gründe,bei der Dosierung von Diazepam Vorsicht walten zu lassen und niedrig zu dosieren.Die altersbedingte Verkleinerung des Verteilungsvolumens von Digoxin äußert sichnicht in einer Verkürzung der Halbwertszeit dieses Arzneistoffs, weil die mit demAlter nachlassende Nierenfunktion die renale Digoxin-Elimination zunehmend ver-langsamt (Halbwertszeit↑). Das ist auch der wesentliche Grund, warum beim altenMenschen auch Digoxin eher niedrig dosiert werden soll.

Elimination: Auch wenn eine altersabhängige Abnahme der Lebergröße und der Le-berdurchblutung die Reduktion der metabolischen Clearance (die wichtigste Deter-minante der nicht renalen Clearance: Clnren) einiger Pharmaka bei alten Menschenerklären kann, ist die Bedeutung der altersbedingten Verminderung von Clnren fürdie meisten Pharmaka eher gering. Hinzu kommt, dass das Ausmaß solcher Verän-derungen nicht vorhersagbar ist. Völlig anders verhält es sich mit der renalen Clea-rance (Clren) von Pharmaka. Die Anzahl der Nephrone nimmt altersabhängig ab, unddie glomeruläre Filtrationsrate (GFR) fällt ab dem 30. Lebensjahr etwa um 1ml/minpro Jahr. Entsprechend verringert sich die Clren von Pharmaka altersabhängig in vor-hersagbarer Weise. Als gutes Maß für die GFR gilt die Kreatinin-Clearance (ClKrea inml/min), für die ein Schätzwert ermittelt werden kann, wenn die Serum-Kreatinin-Konzentration (in mg/dl) bekannt ist:

ClKrea ¼ 140� Alterf � Serum-Kreatinin� Gewicht

Das Alter wird in Jahren, das Gewicht in kg angegeben. f ist 72 bei Männern und84,7 bei Frauen. Schätzwerte < 50ml/min sind relativ genau, bei Schätzwer-ten> 50ml/min ist die Schätzung ungenau.Das Ergebnis einer solchen Schätzung zeigt, welches Ausmaß die Beeinträchtigungder Nierenfunktion erreicht hat (Normalwert für ClKrea ≥100ml/min). Bei renal eli-minierten Pharmaka mit geringer therapeutischer Breite (z. B. Digoxin, Aminoglyko-side, Methotrexat) kann dann die Dosis oder das Dosisintervall wie beschrieben an-gepasst werden (S.58).

▶Klinischer Bezug. ▶Klinischer Bezug. Hilfe bei der Auswahl von Arzneistoffen, die für alte Menschengeeignet sind, bietet z. B. die deutsche PRISCUS-Liste (www.priscus.net). Sie enthältpotenziell ungeeignete Arzneistoffe (inkl. den Grund für die mangelnde Eignung) so-wie Alternativen bzw. Maßnahmen für den Fall, dass es keine Alternative zum po-tenziell ungeeigneten Arzneistoff gibt.

Verteilung: Klinische relevante Veränderun-gen sind die Zunahme des Körperfetts (Ver-teilungsvolumen und HWZ einiger lipophileWirkstoffe↑) und die Abnahme der fettfrei-en Körpermasse (Verteilungsvolumen für Di-goxin↓).

Elimination: Die altersabhängige Reduktionder metabolischen Clearance ist für diemeisten Pharmaka von geringer Bedeutung.Die renale Clearance (Clren) von Pharmakanimmt aber altersabhängig in vorhersagbarerWeise ab. Als gutes Maß für die GFR gilt dieKreatinin-Clearance (ClKrea in ml/min).

So lässt sich die Beeinträchtigung der Nieren-funktion abschätzent (Normalwert:ClKrea≥ 100ml/min). Bei renal eliminiertenPharmaka müssen ggf. Dosis oder Dosisinter-vall (S.58) angepasst werden.

72 A 4 Besonderheiten der Pharmakotherapie in bestimmten Lebensabschnitten

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5 Entwicklung und Anwendungvon Arzneimitteln

A

© creativ collection

5.1 Arzneimittelentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 735.2 Zulassung, Anwendung und Überwachung von Arzneimitteln. . . . . . 765.3 Rezeptieren von Arzneimitteln. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77

5.1 Arzneimittelentwicklung 5.1 Arzneimittelentwicklung

5.1.1 Präklinischer Abschnitt der Entwicklung 5.1.1 Präklinischer Abschnitt derEntwicklung

Die Arzneimittelentwicklung beginnt mit der Suche nach neuen Wirkstoffen. Dabeikommen ausgeklügelte Testsysteme zum Einsatz, mit denen die Interaktion einerVielzahl von Stoffen mit krankheitsrelevanten Zielproteinen untersucht wird. Beidiesen Screening-Verfahren bedient man sich pharmakologischer, biochemischerund molekularbiologischer Methoden. Ausgewählte Substanzen werden dann imReagenzglas sowie in isolierten Zellen, Geweben und Organen in Bezug auf ihrepharmakologischen Eigenschaften weiter untersucht (Abb. A-5.1). Auch wenn vieleFragen mit In-vitro-Versuchen beantwortet werden können, sind Tierversuche füreine weiterführende präklinische Entwicklung vielversprechender Wirkstoffe un-verzichtbar. Wichtige Fragen in Bezug auf die pharmakokinetischen und toxikologi-schen Eigenschaften ausgewählter Substanzen und bezüglich des pharmakologi-schen Wirkprofils auf die verschiedenen Organsysteme eines intakten Lebewesenskönnen nur mit Tierversuchen beantwortet werden. Die Gesamtheit der in dieserPhase der Entwicklung eines Arzneimittels durchgeführten Untersuchungen wirdoft auch als präklinische Studien bezeichnet.

5.1.2 Klinischer Abschnitt der Entwicklung 5.1.2 Klinischer Abschnitt derEntwicklung

▶Definition.▶Definition. Der klinische Abschnitt der Arzneimittelentwicklung dient dem Nach-weis der therapeutischen Wirksamkeit und der Unbedenklichkeit des Arzneistoffsfür einen ganz bestimmten Anwendungsbereich (Indikation).

Die klinische Prüfung von Arzneimitteln beim Menschen ist an Bedingungen ge-knüpft, die im Arzneimittelgesetz (AMG), in der Deklaration des Weltärztebundsvon Helsinki und in den Richtlinien für eine „Good Clinical Practice for Trials onMedical Products“ (GCP-Richtlinien) festgeschrieben sind. Vor Anwendung neuerArzneimittel beim Menschenmüssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:■ Der Arzneistoff muss in präklinischen Studien (einschließlich Tierversuchen) aus-reichend pharmakologisch und toxikologisch untersucht sein.

■ Die Risiken für teilnehmende Patienten oder Probanden (gesunde Freiwillige)müssen in einem ärztlich vertretbaren Verhältnis zum voraussichtlichen thera-peutischen Nutzen des geprüften Arzneistoffs stehen.

■ Eine unabhängige Ethik-Kommission muss die geplante klinische Studie auf derBasis der präklinischen Ergebnisse, eines Studienprotokolls und einer an die be-troffenen Probanden/Patienten gerichteten schriftlichen Information und Einver-ständniserklärung zustimmend bewerten (positives Votum). Die schriftliche Infor-mation und Einverständniserklärung muss die Freiwilligkeit der Studienteilnahmebetonen und klar zum Ausdruck bringen, dass eine einmal gegebene Einwilligungzur Studienteilnahme jederzeit ohne Angabe von Gründen und ohne Nachteile fürden Betroffenen widerrufen werden kann.

■ Für die betroffenen Patienten/Probanden muss eine Versicherung abgeschlossenwerden.

Zu Beginn wird ein Screening-Verfahren ein-gesetzt. Ausgewählte Substanzen werden inIn-vitro-Versuchen (Abb. A-5.1) genauer un-tersucht. Meist sind anschließend aber auchTierversuche notwendig. Die Untersuchun-gen dieser Phase werden auch als präkli-nische Studien bezeichnet.

Die Rahmenbedingungen der klinischen Prü-fung von Arzneimitteln am Menschen sinddurch mehrere Gesetze und Richtlinien gere-gelt. Folgende Voraussetzungen müssen er-füllt sein:■ Abgeschlossene präklinische Studien.■ Medizinisch vertretbares Verhältnis vonvoraussichtlichem therapeutischen Nutzenund den Risiken für den Probanden/Patien-ten.

■ Genehmigung durch eine unabhängigeEthik-Kommission anhand der präkli-nischen Studienergebnisse, des Studien-protokolls und der schriftlichen Informa-tion und Einverständniserklärung für denProbanden/Patienten.

■ Abgeschlossene Versicherung für die Pro-banden/Patienten.

■ Genehmigung der klinischen Studie durchdie zuständigen Bundesbehörden BfArModer PEI und Anmeldung bei den örtlichenGesundheitsbehörden.

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■ Die klinischen Studien müssen den zuständigen Bundesbehörden, dem Bundes-institut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) oder dem Paul-Ehrlich-In-stitut (PEI), angezeigt und von ihnen genehmigt werden. Das BfArM ist dabei fürArzneimittel und Medizinprodukte, das PEI für Sera und Impfstoffe zuständig. Kli-nische Studien müssen vor ihrem Beginn auch bei den örtlichen Gesundheits-behörden angemeldet werden.

Phasen der klinischen PrüfungPhasen der klinischen Prüfung

Die klinische Prüfung eines Arzneimittels erfolgt in vier Phasen (Abb. A-5.1).

Phase I: In dieser Phase geht es um die Erstanwendung am Menschen und damit umden Nachweis der Sicherheit für die Anwendung beim Menschen. Studienteilneh-mer sind in der Regel gesunde Probanden (20 –50), nur bei potenziell toxischenWirkstoffen (z. B. Zytostatika) Patienten. Es werden die Verträglichkeit, pharmakoki-netische Eigenschaften und falls möglich auch pharmakodynamische Eigenschaftenuntersucht.

Phase II: In dieser Phase wird der Arzneistoff erstmals am Patienten angewendet,denn es geht um den Nachweis der Wirksamkeit im angestrebten Indikationsgebiet.Im Vordergrund stehen Bemühungen, bei einer begrenzten Anzahl von Patienten(wenige hundert) den Dosisbereich zu eruieren, in dem der Arzneistoff wirkt.

Phase III: Diese Phase dient dem biometrisch abgesicherten Nachweis der Wirksam-keit und Unbedenklichkeit an einer großen Zahl von Patienten (1000 –3000). Pha-se-III-Studien sind praktisch immer multizentrisch durchgeführte, prospektive undkontrollierte Interventionsstudien (S.75). Nach Beendigung der Phase III wird dieZulassung des Arzneimittels bei den Gesundheitsbehörden beantragt.

Phase IV: Studien in der Phase nach Zulassung des Arzneimittels dienen v. a. demZiel zu zeigen, wie sicher ein neues Arzneimittel ist. Zum Zeitpunkt der Zulassungist nämlich lediglich eine vorläufige Schätzung der mit dem neuen Arzneimittel ver-bundenen Risiken möglich. Die Anzahl der in Phase II und III behandelten Patientenist einfach zu gering, um selten auftretende unerwünschte Wirkungen erfassen zukönnen. Wenn z. B. eine schwere unerwünschte Wirkung mit einer Häufigkeit von1:10 000 auftritt, müsste man wenigstens 40 000 behandelte Patienten beobachten,um diese unerwünschte Wirkung mit einer Irrtumswahrscheinlichkeit von <5% er-fassen zu können. Da nach der Zulassung des Arzneimittels die Zahl der behandeltenPatienten weitaus größer ist als in Phase III, ermöglichen Phase-IV-Studien genauereAussagen über die Häufigkeit seltener, schwerer unerwünschter Wirkungen. Gleich-zeitig kann man die Intensität erwünschter Wirkungen an einer großen Patienten-zahl beobachten, woraus sich evtl. Konsequenzen (z. B. eine Dosisanpassung) erge-ben.

⊙ A-5.1 Die Phasen der Arzneimittelentwicklung

präklinischeEntwicklung/Prüfung

klinischeEntwicklung/Prüfung

Tierversuche und In-vitro-Versuche mit dem Wirkstoff

‣ Erstanwendung beim Menschen

‣ wenige (20–50), meist ge-sunde Versuchspersonen

‣ Untersuchungen zurVerträglichkeit,Dosisfindung,Pharmakokinetik undevtl. Pharmakodynamik

‣ wenige hundert kranke Versuchspersonen

‣ Untersuchungen zur Wirk-samkeit im angestrebten Indikationsgebiet und zurDosisfindung

‣ Erstanwendung am Patienten

‣ Vergleich mit bisherigerStandardtherapie (sog.Goldstandard) oder Plazebo

‣ bei positiven Ergebnissenanschließend Beantragungder Zulassung

‣ Wirksamkeits- und Unbe-denklichkeitsnachweis bei vielen Patienten (1000–3000)

‣ Untersuchungen nachZulassung

‣ große Patientenzahl

‣ Untersuchungen zu Lang-zeitrisiken/-unverträglich-keit und seltenen uner-wünschten Wirkungen

Phase I Phase II Phase III Phase IV

Die präklinische Entwicklung umfasst den Nachweis von Wirkungen des Arzneistoffs im Reagenzglas (In-vitro-Versuche) und beim Tier (Tier-versuche). Die klinische Entwicklung beschäftigt sich mit der Erfassung von Arzneistoffwirkungen beim Menschen.

Die vier Phasen der klinischen Prüfung zeigtAbb. A-5.1.Phase I: Dies ist die Erstanwendung amMenschen. Sie dient dem Nachweis der Si-cherheit. An Probanden werden Verträglich-keit und pharmakokinetische Eigenschaftenuntersucht.

Phase II: Die Wirksamkeit im angestrebten In-dikationsgebiet wird erstmals am Patientenuntersucht. Ermittelt wird v. a. der wirksameDosisbereich.

Phase III: An einer großen Zahl von Patien-ten wird biometrisch abgesichert die Wirk-samkeit und Unbedenklichkeit untersucht. ImAnschluss wird die Zulassung bei den Gesund-heitsbehörden beantragt.

Phase IV: Sie umfasst Studien nach Zulas-sung des Arzneimittels. Durch die deutlichgrößere Patientenanzahl können genauereErkenntnisse über seltene unerwünschte Ne-benwirkungen sowie über die Intensität er-wünschter Wirkungen gewonnen werden. Da-durch können z. B. die Dosierungsempfehlun-gen angepasst werden.

74 A 5 Entwicklung und Anwendung von Arzneimitteln

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Methoden der klinischen Prüfung Methoden der klinischen Prüfung

Zur klinischen Prüfung von Arzneistoffen werden klinische Studien durchgeführt,von denen es verschiedene Arten gibt.

Kontrollierte und nicht kontrollierte Studien: Das Wesen der kontrollierten kli-nischen Studie besteht in dem Mitführen einer Kontrollgruppe (Behandlung miteinem bereits etablierten Therapieverfahren und/oder Plazebo). Gemäß einer detail-lierten Versuchsplanung, die in einem Studienprotokoll niedergelegt wird, erfolgteine randomisierte Zuteilung der Patienten zu einer Behandlungsgruppe oder einerKontrollgruppe. Beide Gruppen unterscheiden sich nur hinsichtlich der Behandlungund werden zeitgleich beobachtet. Phase-II- und Phase-III-Studien sind typischer-weise kontrollierte Studien. Studien, bei denen alle Patienten die gleiche Behand-lung erhalten, sind nicht kontrollierte oder offene Studien.

Prospektive und retrospektive Studien: Bei prospektiven Studien werden Ergebnissenach einem vorher festgelegten Versuchsplan und nach einer vorher festgelegtenArt der Datenerhebung und -auswertung erhoben, nachdem die Studie begonnenhat (typisches Beispiel: kontrollierte klinische Studie). In retrospektiven Studienanalysiert der Forscher Datenmaterial, das bei Beginn der Studie bereits vorliegt(typisches Beispiel: Metaanalyse). Wirklich aussagekräftige klinische Studien sindprospektive Studien.

Interventionsstudien: Von einer Interventionsstudie spricht man, wenn der Effekteiner Behandlungsintervention in einer prospektiven, kontrollierten klinischen Stu-die untersucht wird. Vor Studienbeginn wird in einem Studienprotokoll festgelegt,welche Patienten an der Studie teilnehmen (Ein- und Ausschlusskriterien), wie vielePatienten untersucht werden (Fallzahlplanung), welche Behandlungs- und Kontroll-gruppen gebildet werden, welches Design für den Vergleich der Gruppen gewähltwird (interindividueller Vergleich: Parallelgruppen-Design; intraindividueller Ver-gleich: Cross-over-Design) und ob die Patienten in die Behandlungsplanung einge-weiht werden (unverblindet) oder nicht (verblindet). Um eine bestimmte Erwar-tungshaltung oder eine Voreingenommenheit beim Patienten oder beim Unter-sucher (Rosenthal-Effekt) auszuschließen, sollten nach Möglichkeit Doppelblindstu-dien durchgeführt werden. Dabei weiß weder der Patient noch der Arzt, ob derPatient zur Behandlungs- oder zur Kontrollgruppe gehört. Interventionsstudien bil-den das Rückgrat der vier Phasen der klinischen Entwicklung.

Epidemiologische Studien (Beobachtungsstudien): Epidemiologische Studien dienender Erhebung, Speicherung und Verarbeitung personenbezogener Daten, ohne dassbei den betroffenen Personen therapeutisch interveniert wird. Die beiden wichtigs-ten Studientypen der analytischen Epidemiologie sind Kohorten- und Fall-Kontroll-Studien.■ Kohorten-Studien sind prospektive Beobachtungsstudien. Personen werden be-züglich einer Exposition (z. B. Arzneimittel) ausgewählt (Kohorte) und über dieZeit mit nicht exponierten Personen (Kontrollgruppe) in Bezug auf die Inzidenzvon Ereignissen (Erkrankungen oder Tod) verglichen.

■ Fall-Kontroll-Studien sind retrospektive Beobachtungsstudien. Dabei werden neuerkrankte Personen (inzidente Fälle) mit nicht erkrankten Personen (Kontrollen)in Bezug auf bestimmte Risikofaktoren (z. B. Exposition mit einem Arzneimittel)verglichen. Die Auswahl der Kontrollen ist bei dieser Studienart besonders kri-tisch.

Kohortenstudien und Fall-Kontroll-Studien sind in der Phase IV der klinischen Ent-wicklung von großer Bedeutung.

▶Kritisch betrachtet.▶Kritisch betrachtet. AnwendungsbeobachtungenAnwendungsbeobachtungen sind Beobachtungsstudien der Phase IV. Sie sind dazu bestimmt,Erkenntnisse bei der Anwendung neu zugelassener Arzneimittel (z. B. Art und Häufigkeit vonunerwünschten Wirkungen) zu sammeln. Die Behandlung und die Überwachung der Patientenfolgen dabei nicht einem vorab festgelegten Prüfplan und werden ohne Kontroll- bzw. Ver-gleichsgruppe durchgeführt. Es handelt sich also um nicht kontrollierte Studien, die nur in sehrbegrenztem Maße zumwissenschaftlichen Erkenntnisgewinn beitragen. Außerdemwerden An-wendungsbeobachtungen häufig als Marketinginstrument genutzt und dienen damit vornehm-lich der Verkaufsförderung.

Es gibt verschiedene Arten klinischer Studi-en.

Kontrollierte und nicht kontrollierte Studi-en: Bei einer kontrollierten klinischen Studieexistiert neben der Behandlungsgruppe aucheine Kontrollgruppe, die Zuteilung erfolgtrandomisiert nach einem vorher festgelegtenStudienprotokoll. Bei nicht kontrolliertenoder offenen Studien erhalten alle Patientendie gleiche Therapie.

Prospektive und retrospektive Studien: Beiprospektiven Studien erfolgt die Datenerhe-bung nach einem vorher festgelegten Plan(Bsp.: kontrollierte klinische Studie). In re-trospektiven Studien werden bereits vorlie-gende Daten analysiert (Bsp.:Metaanalyse).

Interventionsstudien: Sie bilden das Rück-grat der klinischen Entwicklung: untersuchtwird der Effekt einer Behandlungsinterven-tion. Vor Studienbeginn wird über Ein- undAusschlusskriterien, Fallzahlen, Behandlungs-und Kontrollgruppen, Studiendesign und einemögliche Verblindung entschieden.

Epidemiologische Studien (Beobachtungs-studien): Sie dienen der Erhebung personen-bezogener Daten. Die untersuchten Personenwerden dabei nicht medizinisch behandelt.Wichtige Studientypen sind:■ Kohorten-Studien: Prospektiv werden ex-ponierte mit nicht exponierten Personenhinsichtlich der Inzidenz von Ereignissenverglichen.

■ Fall-Kontroll-Studien: Retrospektiv wer-den neu erkrankte mit nicht erkranktenPersonen hinsichtlich bestimmter Risikofak-toren verglichen.

A 5.1 Arzneimittelentwicklung 75

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Ergebnisse klinischer StudienErgebnisse klinischer Studien

Der Auftraggeber oder Sponsor einer klinischen Studie ist verpflichtet, die Ergebnis-se der Studie unabhängig von ihrem Ausgang zu veröffentlichen (Veröffentlichungs-pflicht). Als Ergebnis von klinischen Studien wird häufig angegeben, in welchemAusmaß eine Intervention (z. B. Pharmakotherapie) die prozentuale Ereignisrate re-lativ zur Kontrolle verändert. Wenn z. B. ein negatives Ereignis (Myokardinfarkt) inder Interventionsgruppe bei 5% der Patienten und in der Kontrollgruppe bei 10%der Patienten auftritt, beträgt die relative Risikoreduktion 50%. Die Zahlen für dierelative Risikominderung sind häufig sehr beeindruckend. Für den Arzt wichtiger istaber die absolute Risikoreduktion, also die absolute Differenz zwischen den Ereig-nisraten in der Interventions- und der Kontrollgruppe (im obigen Beispiel10%–5%=5%). Mithilfe der absoluten Risikodifferenz kann nämlich berechnet wer-den, wie viele Patienten behandelt werden müssen, um bei einem Patienten das ne-gative Ereignis zu verhindern. Diese Zahl wird „number needed to treat“ (NNT) ge-nannt. Sie ergibt sich aus NNT=100/absolute Risikoreduktion. In unserem Beispielist NNT=100/5, d. h. es müssen 20 Patienten behandelt werden, um einen Myokard-infarkt zu verhindern. Eine nach dem gleichen Prinzip berechnete Zahl gibt es auchfür unerwünschte Wirkungen: „number needed to harm“ (NNH).

5.2 Zulassung, Anwendung und Überwachungvon Arzneimitteln

5.2 Zulassung, Anwendung undÜberwachung von Arzneimitteln

5.2.1 Zulassung5.2.1 Zulassung

Nach Beendigung der Phase III der klinischen Entwicklung werden die Ergebnisseder präklinischen und der klinischen Prüfung zusammengefasst und eine Zulassungbeantragt. Der Antrag auf Zulassung muss alle verfügbaren Daten zur pharmazeuti-schen Qualität, therapeutischen Wirksamkeit und Unbedenklichkeit enthalten. Fürdie Zulassung zuständig sind entweder die Europäische Arzneimittelagentur in Lon-don (EMEA = European Medicines Evaluation Agency) oder die nationalen BehördenBfArM (Arzneimittel und Medizinprodukte) und PEI (Sera und Impfstoffe). Manspricht von einem zentralen Verfahren, wenn die Zulassung über die EMEA erfolgt,und von einem dezentralen Verfahren, wenn die Zulassung zunächst über die natio-nale Behörde erfolgt und nachträglich weitere Mitgliedstaaten der EU durch gegen-seitige Anerkennung hinzukommen. Das zentrale Verfahren der Zulassung wird sichin Zukunft durchsetzen. Bei der Zulassung durch die Behörden wird vor allem ge-prüft, ob die unerwünschten Wirkungen in einem angemessenen Verhältnis zurWirksamkeit des Arzneimittels (Nutzen-Risiko-Verhältnis) stehen. Die Zulassung fürdas In-Verkehr-Bringen eines Arzneimittels gilt immer nur für das beantragte Indi-kationsgebiet und zunächst für einen Zeitraum von 5 Jahren.

5.2.2 Anwendung und Überwachung5.2.2 Anwendung und Überwachung

In den ersten 5 Jahren nach Zulassung eines Arzneimittels gilt automatisch Ver-schreibungspflicht. Neu zugelassene Arzneimittel müssen also vom Arzt unter Be-achtung der zugelassenen Indikationen verschrieben werden und dürfen nicht zurSelbstmedikation vom Apotheker verkauft werden. Die zur Selbstmedikation ohneRezept verkauften Arzneimittel werden OTC-Arzneimittel genannt (OTC=over thecounter).Im Rahmen der dem Arzt zugestandenen Therapiefreiheit dürfen Arzneimittel auchaußerhalb der zugelassenen Indikationen und damit zulassungsüberschreitend ver-ordnet werden, wenn die Einwilligung des Patienten vorliegt (Off-Label-Use). DasHaftungsrisiko trägt dann allerdings nicht der Hersteller, sondern der Arzt. Beispielefür einen solchen Off-Label-Use sind z. B. die Anwendung von Doxycyclin (S.641) inder Malariatherapie, die Behandlung des Clusterkopfschmerzes mit dem Ca2+-Kanal-blocker Verapamil (S.156) und die intraokuläre Anwendung von Bevacizumab beider altersabhängigen feuchten (neovaskulären) Makuladegeneration (AMD).

Für die Ergebnisse einer klinischen Studie be-steht Veröffentlichungspflicht. Häufig wirddie relative Risikoreduktion einer Interven-tion gegenüber der Kontrollgruppe angege-ben. Für den Arzt ist aber die absolute Risi-koreduktion aussagekräftiger, da sie einekonkrete Prognose erlaubt, wie viele Patien-ten behandelt werden müssen, um ein nega-tives Ereignis zu verhindern („numberneeded to treat“ =NNT). Analog dazu gibt esfür unerwünschte Wirkungen die „numberneeded to harm“ (NNH).

Der Zulassungsantrag wird nach Phase III ge-stellt und muss alle verfügbaren Daten zurpharmazeutischen Qualität, therapeutischenWirksamkeit und Unbedenklichkeit enthalten.Die Zulassung kann in einem dezentralenVerfahren über die nationalen BehördenBfArM bzw. PEI oder in einem zentralen Ver-fahren über die Europäische Arzneimittel-agentur (EMEA) erfolgen. In beiden Fällenwird v. a. das Nutzen-Risiko-Verhältnises ge-prüft. Die Zulassung gilt nur für die beantrag-ten Indikationen und ist zunächst auf 5 Jahrebeschränkt.

Während der ersten 5 Jahre nach Zulassungsind Arzneimittel immer verschreibungs-pflichtig. Sog. OTC-Arzneimittel dienen derSelbstmedikation ohne Rezept.

Dem Arzt wird prinzipiell Therapiefreiheitgewährt, d. h. er darf Arzneimittel mit Einwil-ligung des Patienten auch außerhalb der zu-gelassenen Indikationen, also zulassungs-überschreitend, verordnen (Off-Label-Use).Das Haftungsrisiko liegt dann allerdings beimArzt.

76 A 5 Entwicklung und Anwendung von Arzneimitteln

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▶Kritisch betrachtet.▶Kritisch betrachtet. Bevacizumab – preisgünstige Alternative zur Off-Label-Anwendung beider AMD?Bevacizumab (S.676) ist ein humanisierter monoklonaler IgG-Antikörper gegen den vaskulärenendothelialen Wachstumsfaktor (VEGF). In Deutschland ist er zusammen mit Fluorourazil undFolinsäure nur zur i. v.-Behandlung metastasierender kolorektaler Karzinome zugelassen. Dieintravitreale Anwendung von Bevacizumab bei Patienten mit altersabhängiger feuchter Maku-ladegeneration (AMD; Dosierung: 1mg alle 4 Wochen) wurde lebhaft diskutiert, weil der kom-plette Antiköper Bevacizumab wesentlich billiger ist als sein Fab-Fragment, das als Ranibizumaberhältlich und ausschließlich zur topischen Therapie der AMD zugelassen sind. Für beide Anti-körper-Präparate ist eine gleichwertige Wirkung bei AMD-Patienten nachgewiesen.

Unter ganz besonderen Bedingungen ist in der alleinigen Verantwortung des Arztesauch die Anwendung nicht zugelassener Wirkstoffe aus Mitgefühl möglich (Compas-sionate Use). Das gilt z. B. für die Anwendung von noch nicht zugelassenenWirkstof-fen.

▶Merke.▶Merke. Neu zugelassene Arzneimittel sind mit einem besonders hohen Risiko be-haftet.

Das hat folgende Gründe:■ Bei der begrenzten Anzahl von Patienten, die vor der Zulassung behandelt wur-den, ist die Wahrscheinlichkeit gering, schwere, aber relativ selten auftretende un-erwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW) zu erfassen.

■ Bei den klinischen Phase-II/III-Studien werden sehr homogene Patientengruppenrelativ kurz behandelt, während nach der Zulassung eine wesentlich heterogenerePatientenpopulation meist länger behandelt wird. Die Heterogenität betrifft Alter,Begleiterkrankungen und Begleitmedikation der Patienten.

■ Beim Off-Label-Use neu zugelassener Arzneistoffe werden Patienten exponiert,deren individuelles Risiko für UAW völlig unbekannt ist.

Deshalb ist eine effektive Überwachung neu zugelassener Arzneimittel (Pharmako-vigilanz) von großer Bedeutung. Zur Pharmakovigilanz gehören alle Aktivitäten, diedie Analyse und Abwehr von Arzneimittelrisiken zum Ziel haben. Hierzu zählen ins-besondere:■ Publikation klinischer Studien der Phase IV der Arzneimittelentwicklung.■ Publikation von Kasuistiken zu neu zugelassenen Arzneimitteln.■ Spontanerfassung unerwünschter Arzneimittelwirkungen durch ärztliche Berich-te. Entsprechende Formblätter sind im Deutschen Ärzteblatt enthalten und sollengemäß Berufsordnung der Ärzte ausgefüllt und an die Arzneimittelkommissionder deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) geschickt werden. Die AkdÄ sorgt für die Publi-kation der Berichte und die Meldung an das BfArM/PEI (s. o.).

■ Spontane Einzelfallmeldungen und regelmäßige Berichte des Herstellers zur Si-cherheit des Arzneimittels an die europäische Gesundheitsbehörde EMEA oder dienationalen Behörden BfArM oder PEI. Die regelmäßigen Berichte erfolgen halb-jährlich in den ersten 2 Jahren und jährlich in den folgenden 3 Jahren nach Zulas-sung. Unerwünschte Wirkungen neuer Arzneimittel müssen in der Ärzteschaftpublik gemacht werden und dürfen nicht wie ein Industriegeheimnis gehütetwerden.

Die Ergebnisse der Pharmakovigilanz können zur Änderung der vom Hersteller ab-gefassten Fachinformation über das Arzneimittel, zur Änderung der Packungsbeila-ge, zum Fortschreiben der Zulassung für weitere 5 Jahre oder zum Ruhen oder Wi-derruf der Zulassung führen.

5.3 Rezeptieren von Arzneimitteln 5.3 Rezeptieren von Arzneimitteln

5.3.1 Privatrezept 5.3.1 Privatrezept

Das Privatrezept erfordert kein besonderes Formblatt, es kann prinzipiell auf jedemStück Papier niedergeschrieben werden (Abb. A-5.2). Folgende Informationen müs-sen enthalten sein:■ Name, Berufsbezeichnung und Adresse des Arztes■ Datum■ Anrede an den Apotheker: „Rp.“ steht für „recipe“ (= nimm)

Werden nicht zugelassene Wirkstoffe aus Mit-gefühl und auf eigene Verantwortung desArztes verabreicht, wird das CompassionateUse genannt.

Unter Pharmakovigilanz versteht man dieÜberwachung neu zugelassener Arzneimittel.Sie obliegt den zuständigen Behörden undhat das Ziel, Arzneimittelrisiken zu analysierenund abzuwehren. Die entsprechenden Infor-mationen stammen aus der Publikation vonPhase-IV-Studien und von Kasuistiken, ausärztlichen Berichten und Berichten des Her-stellers. Anhand der Ergebnisse kann es zurKorrektur von Fachinformationen und Pa-ckungsbeilagen, ggf. aber auch zum Widerrufeiner Zulassung kommen.

Ein Privatrezept kann auf jedem Stück Papierausgestellt werden (Abb. A-5.2) und mussfolgende Informationen enthalten: Berufs-bezeichnung und Adresse des Arztes, Datum,Name und Anschrift des Patienten, Anrede anden Apotheker, Verordnung, Gebrauchs-anweisung (Signatur) und Arztunterschrift.

A 5.3 Rezeptieren von Arzneimitteln 77

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■ Verordnung: Name des Arzneimittels, Einzeldosis, Darreichungsform, Abgabe-menge

■ Gebrauchsanweisung für den Patienten (Signatur): „S.“ steht für „signatura“■ Name und Anschrift des Patienten■ Unterschrift des ArztesEs handelt sich um ein Dokument. Deshalb sind das Datum und die Unterschrift desArztes essenzielle Bestandteile des Rezepts. Der Arzt kann auf dem Rezept auch An-weisungen für den Apotheker unterbringen (meist nach der Signatur). Das geschiehtdann in lateinischer Sprache, wie z. B. „aut idem“ (oder Gleiches) oder „aut simile“(oder Ähnliches), wenn das verschriebene Arzneimittel durch eines mit demselbenWirkstoff, aber von einem anderen Hersteller, oder durch ein ähnliches Arzneimittelersetzt werden kann.

5.3.2 Kassenrezept und Betäubungsmittelrezept5.3.2 Kassenrezept und Betäubungsmit-telrezept

Kassenrezepte sind vorgefertigte, in Bälde wohl auch von Praxis-Verwaltungspro-grammen generierte Rezeptformulare, die mittels EDV ausgefüllt werden. Der ein-zige handgeschriebene Teil des Rezepts ist die Unterschrift des Arztes (Abb. A-5.3).Zusätzlich zu den beim Privatrezept erwähnten Inhalten kommen verwaltungstech-nisch relevante Angaben hinzu, wie z. B. Kostenträger, Kassennummer, Versicher-tennummer, Vertragsarztnummer und einige mehr.Das Betäubungsmittelrezept dient der Verschreibung von Stoffen, die im Sinne desBetäubungsmittelgesetztes ein hohes Abhängigkeitspotenzial aufweisen (Betäu-bungsmittel, BtM). Auch hierfür wird ein vorgefertigtes Rezeptformular (ein dreitei-liges amtliches Formblatt) verwendet, das maschinell ausgefüllt wird (Abb. A-5.4).Die Formulare werden bei der Bundesopiumstelle des BfArM angefordert. Der Arzterhält dann eine BtM-Nummer und fortlaufend nummerierte Rezeptformulare(„Kodierzeile“ in Abb. A-5.4). Die Bestimmungen zur BtM-Verschreibung sind in derBetäubungsmittelverschreibungsverordnung (BtMVV) niedergelegt, die in der „Ro-ten Liste“ veröffentlicht und über das Internet für jeden Arzt verfügbar ist. Dort fin-det sich auch eine Liste (Tabelle A) über die Höchstmenge der einzelnen BtM, dieinnerhalb von 30 Tagen für einen Patienten auf einem oder mehreren BtM-Rezeptenverschrieben werden darf. Außerdem ist dort festgelegt, welches BtM in welcherHöchstmenge zur Substitutionstherapie bei heroinsüchtigen Patienten für bis zu 7(normal) oder 30 Tage (bei Auslandsreisen) verordnet werden darf. Auch alle wei-teren Formalien und gesetzlichen Bestimmungen, die die Verschreibung von BtMbetreffen, sind in der BtMVV ausführlich beschrieben.

⊙ A-5.2 ⊙ A-5.2 Privatrezept

Unterschrift des Arztes

fürHerrn Philipp BreitmüllerLilienstraße 4570439 Stuttgart

28.08.15

Enalapril 20 mg Tabl. N1Rp.

1 × tgl. 1 Tabl. mit Wasser einnehmenS.

Dr. med. Frederik MayerhoferFacharzt für AllgemeinmedizinEmdener Straße 4770439 Stuttgart

Ein Arzneimittelrezept ist ein Dokument. Au-ßerdem können Anweisungen für den Apo-theker vermerkt werden, wie „aut idem“oder „aut simile“.

Kassenrezepte sind vorgefertigte Rezeptfor-mulare. Sie enthalten auch verwaltungstech-nische Angaben. Sie werden mittels EDV aus-gefüllt und müssen handschriftlich vom Arztunterzeichnet werden (Abb. A-5.3).

Ein Betäubungsmittelrezept wird für Stoffemit hohem Abhängigkeitspotenzial benötigt(Betäubungsmittel, BtM). Die dreiteiligenamtlichen Rezeptformulare der Bundesopi-umstelle sind fortlaufend nummeriert („Ko-dierzeile“ in Abb. A-5.4). Alle Besonderheitender BtM-Verschreibung sind in der Betäu-bungsmittelverschreibungsverordnung(BtMVV) festgelegt.

78 A 5 Entwicklung und Anwendung von Arzneimitteln

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⊙ A-5.3⊙ A-5.3 Kassenrezept

AOK Stuttgart

Breitmüller, PhilippLilienstraße 4570439 Stuttgart 15.07.1949

1234567 987654321 1000

123498765 456987123 28.08.15

Metformin XYZ Tabl. 850 mg N2

Enalapril ABC Tabl. 20 mg N3

Dr. med. Frederik MayerhoferFacharzt für AllgemeinmedizinEmdener Straße 4770439 StuttgartTel.: 0711/1234987Fax.: 0711/123498861/123456789

XXXXXXXXX

Das exemplarisch ausgefüllte Rezept enthält zwei Verordnungen. „XYZ“ bzw. „ABC“ stehendabei jeweils für eine bestimmte Herstellerfirma. Das Kreuz im „aut idem“-Feld am linkenRand der zweiten Verordnung bedeutet nicht „trifft zu“, sondern „gestrichen“. Dem Patientenmuss also genau dieses Medikament ausgehändigt werden und der Apotheker darf es nicht –wie bei der oberen Verordnung – gegen ein vergleichbares Präparat eines anderen Herstellersmit dem gleichen Wirkstoff austauschen.

⊙ A-5.4⊙ A-5.4 Betäubungsmittelrezept

Breitmüller, PhilippLilienstraße 4570439 Stuttgart 15.07.1949

1234567 987654321 1000

Morphin XYZ Retardtabl., 20 mg, 50 St.3 × tgl. 1 Tabl. einnehmen

12/14

2456987123 456987123 8 0 8 1 5

Dr. med. Frederik MayerhoferFacharzt für AllgemeinmedizinEmdener Straße 4770439 StuttgartTel.: 0711/1234987Fax.: 0711/123498861/123456789XXXXXXXXXXXXXXЧ

XXXXXXX

Das BTM-Rezept ist ein dreiteiliges amtliches Formblatt. Dargestellt ist ein exemplarisch aus-gefülltes 1. Blatt, das vom Patienten zusammen mit dem 3. Blatt in der Apotheke vorgelegtwerden muss. Das 2. Blatt bleibt beim verschreibenden Arzt. Auf einem BTM-Rezept dürfenmaximal zwei Betäubungsmittel gleichzeitig verordnet werden. Es ist nur acht Tage lang gül-tig. Das unkenntlich gemachte Feld in der untersten Zeile des Rezepts ist die Kodierzeile, diesich von links nach rechts wie folgt zusammensetzt: 7-stellige BTM-Nummer, technisches Da-tum, 9-stellige Rezeptnummer. Das „XYZ“ steht für eine bestimmte Herstellerfirma.

A 5.3 Rezeptieren von Arzneimitteln 79

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6 Besondere (alternative)Therapierichtungen

A6.1 Phytotherapie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 806.2 Antiempirische Therapiesysteme. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80

6.1 Phytotherapie6.1 Phytotherapie

▶Definition. ▶Definition. Die Phytotherapie ist die Anwendung von Pflanzen oder pflanzlichenZubereitungen zur Behandlung von Krankheiten.

Isolierte, chemisch definierte Wirkstoffe pflanzlicher Herkunft sind ein bedeutendesStandbein der Pharmakotherapie. Viele Pharmaka gehören dazu: Atropin aus derTollkirsche, Koffein aus der Kaffeebohne, Morphin aus der Schlafmohnkapsel, Digo-xin aus dem Fingerhut, Penicillin aus dem Schimmelpilz, Paclitaxel aus der Eibe undviele mehr.Phytopharmaka im engeren Sinne sind Vielstoffgemische einer variablen stofflichenZusammensetzung, die wegen ihrer „natürlichen“ Stoffkomposition auch als Natur-heilmittel bezeichnet werden. Es handelt sich um Zubereitungen (z. B. Extrakte) ausden verschiedensten sog. Heilpflanzen, die bezüglich ihrer Wirkungen häufig miteinem Etikett versehen werden, das nur selten ausreichend wissenschaftlich be-gründet ist. Zubereitungen aus Pflanzen mit ähnlichem Etikett werden auch kom-biniert, ohne dass der Nachweis erbracht wird, dass Stoffgemische aus mehrerenPflanzen für den Patienten von größerem Nutzen sind als Stoffgemische aus einerPflanze. Naturheilmittel erfreuen sich in Deutschland großer Beliebtheit, sie sindeine tragende Säule der Selbstmedikation. In der Werbung wird häufig versprochen,dass die therapeutische Wirkung ohne unerwünschte Wirkungen zu erreichen sei.Die Pharmakologie lehrt uns aber, dass alle Stoffe, die wirken, auch unerwünschteWirkungen haben. Immer wieder veröffentlichte Berichte über z. T. schwere uner-wünschte Wirkungen von Naturheilmitteln sind deshalb nicht verwunderlich, z. B.schwere allergische Reaktionen (Extrakte aus Echinacea purpurea und Johannis-kraut), Leberschädigungen (Naturheilmittel aus Schöllkraut, Kava-Kava, Fenchel-holz, Huflattich und Borretsch) und Nierenschädigungen (chinesische Naturheilmit-tel reich an Aristolochiasäure).Einige möglicherweise wirksame Naturheilmittel pflanzlicher Herkunft werden inden entsprechenden Kapiteln des Buches besprochen.

6.2 Antiempirische Therapiesysteme6.2 Antiempirische Therapiesysteme

Einigen Arzneitherapien fehlt eine feste empirische Basis. Sie haben deshalb mit na-turwissenschaftlich begründeter Heilkunde nichts gemein. Dazu gehören die ho-möopathische und die anthroposophische Arzneitherapie.

6.2.1 Homöopathische Arzneitherapie6.2.1 Homöopathische Arzneitherapie

Von Samuel Hahnemann (1755 –1843) begründet, stützen sich homöopathischeHeilverfahren auf zwei Dogmen:■ Simileprinzip: Demnach dürfen nur solche Arzneistoffe in niedrigen Dosierungenverwendet werden, die in höheren Dosierungen beim Gesunden ein dem zu be-handelnden Krankheitsbild ähnliches Symptombild („Arzneimittelbild“) hervor-rufen.

■ Dynamisierung und Potenzierung: Das Prinzip des Dynamisierens und Potenzie-rens der Heilkraft durch Verdünnung basiert auf der Annahme, dass die Lebens-tätigkeit durch schwache Reize gefördert und durch starke Reize gehemmt wird.Demnach ist das Verdünnen von flüssigen oder festen Stoffen (durch Zugabe undVerschüttelung von Alkohol-Wasser-Gemischen oder Verreibung von Milch-

Bedeutende Beispiele für chemisch definier-te Wirkstoffe pflanzlicher Herkunft sindAtropin, Koffein, Morphin, Digoxin, Penicillinund Paclitaxel.

Phytopharmaka im engeren Sinne werdenwegen ihrer „natürlichen“ Stoffkompositionauch als Naturheilmittel bezeichnet. Obwohlihre therapeutische Wirkung selten wissen-schaftlich nachgewiesen ist, werden sie häufigzur Selbstmedikation angewendet. Naturheil-mittel können trotz unsicherer Wirkungschwere unerwünschte Wirkungen hervor-rufen, wie z. B. allergische Reaktionen, Leber-und Nierenschädigungen.

Sie wurde von Samuel Hahnemann(1755 –1843) begründet und stützt sich aufzwei Dogmen. Nach dem Simileprinzip wer-den Arzneistoffe in niedrigen Dosierungenverwendet, die in höheren Dosierungen beimGesunden ein der behandelten Krankheit ähn-liches Symptombild hervorrufen. Das Prinzipdes Dynamisierens und Potenzierens derHeilkraft durch Verdünnung basiert auf derAnnahme, dass die Lebenstätigkeit durchschwache Reize gefördert und durch starkeReize gehemmt wird.

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zucker) ein wichtiger Akt der homöopathischen Arzneistoffzubereitung. Durch diemechanische Bearbeitung beim Verdünnen (Schütteln und Reiben) sollen die er-wünschten Wirkungen von Arzneistoffen verstärkt und zugleich ihre uner-wünschten Wirkungen auf ein Minimum reduziert werden.

Homöopathische Arzneimittel werden beim Bundesinstitut für Arzneimittel undMedizinprodukte (BfArM) registriert und nicht zugelassen. Bei der Registrierungmüssen Unbedenklichkeit und pharmazeutische Qualität nachgewiesen werden,nicht aber therapeutische Wirksamkeit. Homöopathische Arzneimittel dürfen des-halb auch kein Indikationsgebiet beanspruchen.

6.2.2 Anthroposophische Arzneitherapie 6.2.2 Anthroposophische Arzneitherapie

Sie geht auf die Lehren von Rudolf Steiner (1861–1925) zurück und versteht sichals geisteswissenschaftliche Erweiterung der naturwissenschaftlichen Medizin.Nach den Vorstellungen der Anthroposophen gehen Krankheiten auf ein Ungleich-gewicht zwischen den vier prägenden Wesensgliedern des Menschen zurück: demphysischen Leib (mineralische Grundlage), dem Ätherleib (Grundlage des Lebendi-gen), dem Astralleib (Grundlage der Empfindungen) und dem Ich (Grundlage desindividuellen Geistes). Anthroposophische Arzneimittel sollen das gestörte Gleich-gewicht wiederherstellen. Sie werden nach speziellen Verfahren hergestellt undsind mineralischen, pflanzlichen oder tierischen Ursprungs. Die bekannteste Heil-pflanze der anthroposophischen Medizin ist die Mistel. Durch ihre unnatürliche Le-bensweise (sie wurzelt nicht in der Erde und blüht im Winter) soll sie in der Lagesein, das unkontrollierte Wachstum von Krebszellen zu unterdrücken.

Homöopathische Arzneimittel werden beimBfArM registriert, erhalten aber keine Zulas-sung. Deshalb sind für sie keine Indikationengenannt. Für die Registrierung ist nur ein Un-bedenklichkeits- und Qualitätsnachweis erfor-derlich, kein Wirksamkeitsnachweis.

Sie geht auf Rudolf Steiner (1861 –1925) zu-rück und versteht sich als geisteswissen-schaftliche Erweiterung der naturwissen-schaftlichen Medizin. Die Arzneimittel sindmineralischen, pflanzlichen oder tierischenUrsprungs und sollen das gestörte Gleichge-wicht der Wesensglieder des Menschen wie-derherstellen. Am bekanntesten ist die Krebs-therapie mit der Mistelpflanze.

A 6.2 Antiempirische Therapiesysteme 81

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Klinische Pharmakologieübergreifender Systeme B