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INFERNALE DUO RHODOS/PRASONISI Stürme – sie bringen Verwüstung Leid und Armut Nicht so in Prasonisi am südlichsten Zipfel der Insel Rhodos Hier machte ein heftiger Wintersturm aus einer Halbinsel eine Insel und vereinte zwei getrennte Surfspots zu einem FlachwasserSpeedstrip und Wellenrevier liegen seitdem nur noch einige Surfschläge auseinander

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INFERNALEDUO

RHODOS/PRASONISI

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Der breiteste Strandvon Rhodos: Mit weni-gen Schlägen wechseltman vom Speedstripins Wave-Revier (oben),wo an guten Tagen einbis zwei Meter Welleauflaufen. Die größteSurf-Station (links) liegtdirekt am Flachwasser-Revier (links außen).

995/2001

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100 5/2001

Fotos: Heike Dusswald; Text: Thomas Rögner

Es war einmal ein Surf-Hippie-Dorf, weitweg vom Massentourismus. Das Dorfhatte einen langen, breiten Strand, war

nur über eine kilometerlange, staubige Hol-perpiste zu erreichen, Hotels gab’s keineweit und breit, und das einzige Klo fandman in einer einsamen Taverne. Noch vor einpaar Jahren war Prasonisi, die Halbinsel amSüdzipfel von Rhodos, ausschließlich ein Zielfür Individualisten, die mehrere Wochenfernab von jedem Luxus zufrieden in klappri-gen Womos und eingestaubten Zelten über-lebten und nur eines im Sinn hatten: Surfen.Die Wellenfreunde auf der rechten Seite desSandstreifens, der die Halbinsel mit derHauptinsel verband, die Speeder auf der linkenSeite. Es gab nur zwei Nachteile: Denschnellen Wechsel vom Flachwasser in dieWelle verhinderte ein beschwerlicher Fuß-marsch samt Material über die 500 Meterbreite Sandbank. Und in der Welle bremstentausende Plastiktüten den Schwung immer di-rekt vor dem Absprung.

1998 veränderten zwei Ereignisse das Bildvon Prasonisi nachhaltig. Zuerst wurde dieHolperpiste asphaltiert, und dann riss eingewaltiger Lodos, so nennen die Griechen diewinterlichen Südstürme, ein breites Loch in dieSandbank. Plötzlich konnte man mit wenigenSchlägen auf dem Brett zwischen Speedstripund Welle wechseln, und der Müll im Wasserwurde wie von einem riesigen Staubsaugernach Lee ins offene Meer gezogen.

Für Massentourismus ist Prasonisi aber im-mer noch nicht geeignet. Immerhin kurvtman rund eineinhalb Stunden über kleine,wellige Sträßchen vom Flughafen bis in dentiefen Süden der Dodekanes-Insel. Allerdingserwarten dort komfortverwöhnte Surfer mittlerweile zwei kleine Hotels, einige Ap-partements und drei Tavernen. Und vor allemgibt’s ein üppig ausgestattetes Surf-Center. DieStation mit F2-, JP- und Neil-Pryde-Materialgehört Christof Kirschner, Ex-Vertriebschefvon F2. Der Österreicher entdeckte als ersterdas Potenzial, das der neu entstandeneKombispot hatte: zwei Reviere für nahezujede Windsurfer-Gesinnung und eine gna-denlose Windausbeute. Kirschner entschiedsich, den sicheren Job bei F2 an den Nagel zuhängen und startete das Unternehmen Pra-sonisi. Die komplette Station schipperte er inContainern aus seiner Heimat in die Diasporaund setzte sein Center buchstäblich in denSand.

93 bis 100 Prozent Gleitwind im Juni, Juliund August – so speiste es der Windmesser dieersten zwei Jahre in den Computer – Kir-schner hatte voll ins Schwarze getroffen.Und die beeindruckenden Werte geltennicht für ein paar Minuten am Tag: „Unterzwei Stunden über der Gleitgrenze zählen

die Tage nicht“, sagt der Ex-F2-Mann. Mit Hil-fe von Wetterkarten aus dem Internet er-stellt Kirschner zusätzlich zu den aktuellenDaten täglich eine Drei-Tages-Prognose –während unseres Aufenthalts funktioniertesie erstaunlich genau. Pünktlich nach Vor-hersage setzte am Nachmittag um zwei Uhrder Wind mit perfekten fünf Beaufort ein,um auch die nächsten drei Tage wie aufgezo-gen durchzuarbeiten.

Der Meltemi, der für die Windbeständigkeitin Prasonisi sorgt, ist ein uralter, wenn auch oftunbeliebter Bekannter auf Rhodos. Schondie türkische Flotte, die Genuesen und Piratennutzten gerne diesen Mittelmeer-Föhn, der inden heißen Monaten kontinuierlich ausNordwest bläst, um nach Rhodos zu schippernund ihre griechischen Nachbarn immer malwieder zu überfallen. Die Zeugnisse dieserwechselnden Kulturschocks kann man imbeeindruckenden Palast der Hauptstadt be-sichtigen. Der Koloss von Rhodos, der einstüber der Hafeneinfahrt stand, galt als eines derzehn Weltwunder in der hellenischen Welt.Viele Prasonisi-Urlauber kennen jedoch diekulturellen Höhepunkte von Rhodos oft nuraus dem Reiseführer – es fehlen einfach dieFlautentage für die Kultur-Tour.

Neben der ohnehin schon guten Grund-versorgung durch das Mittelmeer-Windkraft-werk kann Prasonisi noch mit einem lokalenVerstärker aufwarten, der die entscheidendePower fürs Surfvergnügen bringt: Durch dieEnge zwischen der vorgelagerten kleinen Inselund der Südspitze von Rhodos wird derMeltemi wie durch eine Düse gezwängt.Wenn die Badeurlauber an anderen Eckender Insel noch ungestraft Sonnenschirmeaufstellen dürfen, pfeift es in Prasonisi oftschon für kleine Segel. „Der Meltemi kommthier rund ein bis zwei Beaufort stärker durchals an anderen Spots auf der Insel“, meintChristof Kirschner. Trotzdem kommen inPrasonisi sogar Aufsteiger auf ihre Kosten.Auf der Leeseite gibt es einen Strandab-schnitt, wo das Wasser 30 Meter weit stehtiefist und der Wind fast sideshore weht. Weiterdraußen dreht die Windrichtung dann zwarauf schräg ablandig, doch wer auch nur eini-germaßen Höhe laufen kann, kommt lockerzum Ausgangspunkt zurück.

Wenn man genug vom Flachwasserheizenhat, schnappt man sich ein großvolumigesWaveboard, zieht von der Station vier, fünfSchläge nach Luv und ist schon in denMittelmeerwellen auf der Westseite von Pra-sonisi. Hackt der Meltemi ohne Atempausemehrere Tage, kann er einen ansehnlichenSwell vom offenen Meer heranschieben. „Aneinem Big Day kommen fast masthohe Klopferherein“, erzählt Kirschner, und zum Beweishält er mir ein Foto unter die Nase. Doch nor-malerweise sind die Wellen eher harmlos:

ein, zwei Meter – gute Rampen zum Springeneben. Ein gewisses Mindestmaß an Erfah-rung sollte man trotzdem mitbringen. Früherbremsten die Plastiktüten, heute macht einemdie Strömung im Kanal zu schaffen. Aberselbst wenn einen die Strömung einmal be-siegt, bekommt man höchsten einen Gratis-Liftins Flachwasser-Revier auf der Ostseite.

An Land wird die Surf-Szene noch immervon den unerschütterlichen Dauer-Campernbestimmt, die auf der riesigen Sandflächegenügend Parkplatz finden. Einen offiziellenCampingplatz gibt es in Prasonisi (noch)nicht, da die Wasserzuleitungen für die be-stehenden Hotels, Gästehäuser und Taver-nen gerade so ausreichen. Da es auch nur we-nige sanitäre Einrichtungen gibt, darf man sichbeim Strandspaziergang hinter den Dünennicht über menschliche Hinterlassenschaftenwundern. Die Low-Budget-Surfer von Prasonisisind denen, die aus Prasonisi einen klinisch rei-nen Urlaubsort machen wollen, ein Dorn imAuge. Allerdings beruht die Abneigung wohlauf Gegenseitigkeit, denn die Puristen bekla-gen die zunehmende Kommerzialisierungebenso heftig. Ihnen fehlt bereits jetzt das al-te Robinson-Feeling in Prasonisi. Trotzdembleibt Prasonisi ein Klasse-Revier, egal, obman Woodstock-Stimmung sucht oder aufsbequeme Pauschal-Surfen steht. Surfen aller-dings sollte bei einem Urlaub in Prasonisiauf der Wunschliste an Nummer eins ste-hen. Und an Nummer zwei, drei…

INFO:Verleih: Pro Center Christof Kirschner,Tel./Fax 0030/244/91045 (Mai-Okt.), www.prasonisi.com. Rund 100 Boards von F2, JP,200 Riggs Neil Pryde. Buchung auch überSun+Fun, Tel. 089/338833, Fax 089/346644, www.surfreisen.de oder surf & actionCompany, Tel. 089/6281670, Fax 089/62816710, www.surfurlaub.com. In Öster-reich: TraWell, Tel. 0043/1/5050457, www.trawell.at. Schweiz: SpinOut, Tel. 0041/1/4554500, www.spinout.ch. RDR-Travel,0041/1/3899292, www.rdr-travel.ch.Prasonisi Fanatic Center, Buchbar über ManolisTours, Tel. 08202/903333, Fax, 08202/903334.Übernachten: Appartements im Lighthouse I+ II, über Pro Center. Oasis, Anna Gianna,Tel./Fax 0030/244/91031.Anreise: Fähre von Triest nach Patras 762Mark für ein Wohnmobil bis sieben Meterund eine Deckpassage (Hin-, und Rück-fahrt), Dauer der Überfahrt: 42 Stunden.Weiter dann von Athen nach Rhodos in un-gefähr 15 Stunden für 229 Mark einfach.Auskünfte: Griechische Zentrale für Frem-denverkehr, Tel. 089/222035.Flug: Aero Lloyd, München-Rhodos, in derHochsaison bis 700 Mark.

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Prasonisi

nachKattavia

Schräg auflandiger Wind und meistens harmloseWellen: das Brandungsrevier von Prasonisi. Die Wind-statistik des Pro Centers von Christof Kirschner(unten) dokumentiert von Mai bis September weitüber 70 Prozent Gleitwind.

RHODOS

TÜRKEI