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DWERKSKUNST genmacherin Claudia Rook (rechte Seite) und ein von ihr gebautes Instrument. Es braucht mehr als 150 Arbeitsschritte und 200 Stunden, ehe zuletzt das Griff brett aus Ebenholz montiert und die Sai ten aufgezogen werden.

DWERKSKUNST - sde27db9ba76330e2.jimcontent.com · 51 Geigenbauer allein in Wien, wobei sich die Mitgliedsbetriebe seit 2005 mehr als verdop pelt haben. ... sagt Präsident Peter Tunkowitsch

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genmacherinClaudia Rook (rechteSeite) und ein von ihrgebautes Instrument.Es braucht mehr als150 Arbeitsschritteund 200 Stunden,ehe zuletzt das Griffbrett aus Ebenholzmontiert und die Saiten aufgezogenwerden.

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({Meisterinnendes Wohlklangs

Zwei Geigenmacherinnen haben sich in Wien eine Werkstätteeingerichtet, in der sie ihre Saiten aufziehen. Auf neue Instrumente,

die nach den Vorbildern alter Meister gebaut werden.TEXT: INGRID EDELBACHER FOTOS: PETER RIGAUD

's ist, als hielte ich ein Lebewesen, dasauf alles reagiert-auf mich, meine Hände,meine Stimmung, darauf, ob ich drinnenoder draußen spiele", sagt Violinistin Liselotte Murawatz. Sie hebt ihren Schatz ausdem gepolsterten Geigenkasten, streicheltliebevoll darüber und reicht ihn dann seinerSchöpferin. Die Geigenmacherin inspiziertHals, Schnecke und Griffbrett, entfernt winzige Unreinheiten und bringt das Instrumentsolcherart wieder auf Hochglanz - oder besser gesagt: Hochklang.

HANDWERK MIT GOLDENEM BODENIn der Werkstatt der GeigenbaumeisterinnenKerstin Hoffmann, 49, und Claudia Rook,43, in Wien-Wieden entstehen Instrumente,von denen Musiker träumen. Zur Arbeit derbeiden zählen aber nicht nur Bau, Verkaufund Vermietung neuer Geigen, sonderneben auch Wartung und Restaurierung derInstrumente. Dafür liegt im zweiten Stock

des Eckhauses alles griffbereit an seinemPlatz: Feilen, Raspeln, Hohleisen, Hobel,Zangen, Winkelmesser, Lacke, Pinsel undsogar Skalpelle. An den Wänden hängenInstrumentenformen, Sägen, Schnittzeichnungen und Streichbögen, in den Regalenwarten unterschiedliche Hölzer auf ihreVerwendung.

Dass aus so einem Klotz eine wohlklingende Violine entsteht, kann sich der Laiekaum vorstellen. Es dauert auch. An die150 Arbeitsschritte und 200 Stunden brauchtes mindestens, ehe die Saiten aufgezogenwerden. Und meist wartet längst schon einKunde, der daraufspielen möchte.

Denn die Nachfrage nach neuen Violinenhoher Qualität ist groß. „Seit 15 Jahren gibtes einen richtigen Ansturm", erzählt ClaudiaRook. Der Grund: „Die Instrumente alterMeister sind so teuer geworden, dass sie sichnur noch Betuchte und Institutionen leistenkönnen, die die um Millionen erworbenen

Stradivaris, Amatis oder Guarneris dann gutversichert an Stargeiger verleihen."

Ein gute Alternative ist ein Nachbau dergenau vermessenen und in der Fachliteraturbestens beschriebenen Meisterviolinen. Undgenau daraufhaben sich die Geigenmacherinnen spezialisiert. „Bei unseren Nachbauten handelt sich nicht um idente Kopien. Esgeht vielmehr darum, das Konzept zu durchschauen", erklärt Kerstin Hoffmann.

WIE VOR 300 JAHRENIm Prinzip aber ist der Geigenbau - eineMischung aus Kunst und Handwerk - seit300 Jahren gleich geblieben. „Natürlich haben wir heute besseres Werkzeug und elektrischen Strom, aber die Arbeit ist wie damals. Nur ein paar bauliche Veränderungenwaren nötig, weil heute in größeren Sälengespielt wird und mehr Volumen erforderlich ist", erklärt Claudia Rook. In ihrerGrundkonstruktion ist die Geige unver- •>

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ändert. Ein Erfolgsmodell, das über Generationen bis zur Perfektion entwickelt wurde.

Guarneri und Stradivari haben es denbeiden besonders angetan. So wurde etwaauch die Geige von Liselotte Murawatz imJahr 2013 nach dem Vorbild von Guarneridel Gesüs „Plowden 1735" gebaut.

Aufgewachsen sind Kerstin Hoffmannund Claudia Rook in der damaligen DDR. InMarkneukirchen, einem Instrumentenbau-Städtchen, haben sie das Geigenmachen gelernt. Kerstin erzählt, dass ihr Werdegangeigentlich ihrem Gitarrenlehrer zu verdanken ist: „Er hat mir gezeigt, wie Instrumenterepariert werden. Einfach faszinierend."Und Claudia erlernte das Handwerk alsÜberbrückung, weil sie für das Musikstudium damals noch zu jung war. „Das habe ichzwar auch noch absolviert, aber der Geigenbau ist meine Passion geworden."

ZWEI FRAUEN AUF WANDERSCHAFTNach der Ausbildung gingen sie auf Wanderschaft. Auf ihrer Walz studierten und arbeiteten sie unabhängig voneinander inDeutschland, den Niederlanden, Österreichund den USA, blieben dabei aber stets verbunden. Nachdem sie ihr Handwerk perfektioniert hatten und jede einen internationalen

GEIGENBAU EINST UND JETZT

Der Geigenbau entwickelte sich im 16. Jh. inNorditalien, wo er von Familien betrieben wurde. Zu den ersten berühmten Geigenbauernzählten Andrea Amati (etwa 1505 bis 1577)aus Cremona und Gasparo da Salb (1542 bis1609) aus Brescia. Amati baute für den französischen König vor allem Violinen. Da Salöstellte Violinen, Bratschen und Kontrabässeher. Besonders begehrt sind heute seine Bratschen als Soloinstrumente. Diesen Pionierenfolgten Maggini, Rogeri, Goffriller und Guarneri, um nur einige zu nennen.

Als König der Geigenbauer gilt Antonio Stradivari (1648 bis 1737). Er war aber auch ein guter Geschäftsmann und beschäftigte an diezehn Mitarbeiter, die erstklassige Instrumentebauten.

In Österreich wird Jakob Stainer (1618 bis1683) aus Absam als großer Meister verehrt.In Wien wirkten Johann Georg Thir (1710 bis1781), Franz Geissenhof (1753 bis 1821) undMartin Stoss (1778 bis 1838).

Originalgeigen werden von ihren Besitzern anWeltstars verliehen. Der österreichische Stargeiger Julian Rachlin etwa spielt derzeit aufder Originalgeige „ex Liebig" von Stradivari.

Eine der bestes Geigerinnen der Welt, dieDeutsche Anne-Sophie Mutter, besitzt selbstzwei Stradivaris - die „Emiliani 1703" und die„Lord Dunn-Raven".

Derzeit herrscht eine neue Blütezeit im Geigenbau. In Österreich gibt es laut Wirtschaftskammer mehr als 100 Meisterbetriebe, davon51 Geigenbauer allein in Wien, wobei sich dieMitgliedsbetriebe seit 2005 mehr als verdoppelt haben. Das Handwerk kann bei einemMeister oder an einer Schule erlernt werden. InHallstatt gibt es eine HTL für Instrumentenbau.

Namhafte Meisterinnen und Meister gehörendem seit 1910 bestehenden Verband österreichischer Geigenbauer an, der derzeit 29 Mitglieder zählt. Hier wird nur aufgenommen,wer viel Erfahrung hat und neben der Meisterprüfung perfekt gebaute Instrumente undzwei Bürgen vorweisen kann. „Unser Ziel istder Austausch untereinander und auch international sowie Fortbildung und Schulung, damit wir immer auf dem neuesten Stand sind",sagt Präsident Peter Tunkowitsch. Er hat inder Wiener Innenstadt seine Werkstatt, istauf Geigen nach Geissenhof und Stoss spezialisiert und spielt bei den Wiener Salon-schrammeln die Kontragitarre.

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Preis eingeheimst und die Meisterprüfungabgelegt hatte, eröffneten sie 1999 eine gemeinsame Werkstatt in Magdeburg, in der siesieben Jahre Geigen bauten und reparierten.

„Mit der Zeit griff es sich dort aber ab.Wir suchten neue Anreize", erzählt ClaudiaRook. Und Kerstin ergänzt: „Wien, die Stadtder Musik, war genau das Richtige für uns.Am 1. November 2006 haben wir uns hierselbständig gemacht."

WIE HOLZSTÜCKE ZU GEIGEN WERDENFür den Geigenbau verwenden die beidenFichte, Ahorn, Ebenholz und auch Weide.Der Boden der Geige wird aus einem Ahornbrett geschnitten, die Decke aus Fichte. Dannfallen gehörig Späne, wenn mit Stemmeisenund Hobel die Wölbung „gestochen" wird.Die gewünschten Rundungen des Zargenkranzes (Rahmen) entstehen mit Hilfe vonBiegeeisen und Feuchtigkeit. Das Skalpellwiederum kommt beim Schneiden der Nutam Rand des Korpus zum Einsatz.

Sind die Hauptteile verleimt, muss dasRohinstrument ruhen, damit sich allesverbindet. In dieser Zeit wird der Hals desInstruments aus einem Holzstück herausgearbeitet und die Schneckenwindung geschnitzt. Dann geht's ans Lackieren. •*

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WIE ES DER GEIGE AM BESTEN GEHT

Eine Geige will gepflegt sein. Sie reagiert aufdas unterschiedliche Klima, das im Konzertsaal oder im Proberaum, in der Kirche oderim Freien herrscht, auf Temperatur- und Luftfeuchtigkeitsschwankungen. Speziell Trockenheit und Hitze setzen den Instrumenten zu.Das Holz beginnt zu arbeiten, wodurch sichLeimverbindungen lösen und Risse entstehenkönnen. Der Lack kann bei hohen Temperaturen (etwa im Auto) erweichen und dasInstrument ruinieren. Gutes Raumklima istalso erforderlich. Am besten geht es der

Geige bei einer Luftfeuchtigkeit zwischen50 und 70 Prozent. Deshalb sind moderneGeigenkästen mit einem Hygrometer als Kontrollsystem ausgestattet. Bei Trockenheitsalarm wird der ebenfalls im Kasten angebrachte Befeuchter mit Wasser gefüllt, damitdas Instrument bei richtiger Luftfeuchtigkeitwieder atmen kann.

Übrigens: Die Geige heißt auf Italienisch Violine, das Cello Violoncello. Die Bratsche, diegroße Schwester der Geige, ist die Viola.

Der Lack wird nach alter Rezeptur ausdem 17. Jahrhundert angerührt, die Pinselstriche verleihen der Geige den typischenbernsteinfarbenen Glanz. Er dient aber nichtnur Optik und Schutz, er sorgt auch für guten Klang. Schließlich werden die Wirbeleingesetzt, der Stimmstock, die Seele desInstruments, eingepasst, das Griffbrett angebracht, die Saiten aufgezogen. Dann endlichkann die Violine gestimmt werden.

DIE SPRACHE DER MUSIK VERSTEHEN

Die größte Herausforderung bei all dem seiaber die Zusammenarbeit mit den Musikern,so die beiden Geigenbauerinnen. „Gibt mannämlich zwei Musikern dasselbe Instrumentin die Hand, klingt es bei jedem anders. EineGeige ist dann richtig für ihren Besitzer,wenn er mit ihr ausdrücken kann, was erausdrücken möchte." Das herauszufindenist nicht immer einfach. Aber hier kommtClaudia das Cellostudium zugute: „Es erleichtert meine Arbeit, weil ich die Musikersprache verstehe und weiß, was unsere Kunden meinen, auch wenn sie es oft mit Wortennicht wiedergeben können."

Pro Jahr entstehen fünf bis sieben neueInstrumente, die Wartezeit beträgt mehrereMonate. Eine Geige kostet 14.400, eine Bratsche 15.600, ein Cello 26.400 Euro. Für Anfänger gibt es auch günstigere Instrumenteaus Serienfertigung ab 800 Euro pro Geige.

Kerstin macht übrigens auch Bögen. „Dafür habe ich eine Extraausbildung absolviert", sagt sie. Erst der perfekte Bogenmacht die Musik, denn bei der hohen Kunstspielen zu je einem Drittel die Geige, derBogen und der Spieler die Hauptrollen.

Geigerin Liselotte Murawatz führt vor,was damit gemeint ist. Sie schiebt ihr frischpoliertes „Lebewesen" unters Kinn, nimmtden Bogen und lässt „Liebesleid" von FritzKreisler erklingen. Dann entschwindet siezur Probe des Tonkünstler-Orchesters Niederösterreich, dem sie angehört.

NEUES PROJEKT, NEUE GEIGE

Es herrscht wieder Ruhe in der Werkstatt.Die Meisterinnen können sich ihrem neuenProjekt widmen. Es soll eine Guarneri-Geigenachgebaut werden, die sie kürzlich gehörthaben. Es wird ein langwieriges Prozedere,das all ihre Energie und Erfahrung, ihr Können und Feingefühl erfordert. Das jedocham Ende die Meisterinnen zufrieden undeinen Geiger glücklich machen wird. ffc>

'l' Kerstin Hoffmann, Claudia Rook1040 Wien, Ziegelofengasse 6,Tel.: +43/1/966 1756, www.geigenmacher.at

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