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DOI: 10.1007/s00350-013-3530-1 Kommentar zum Sozialgesetzbuch V. Herausgegeben von Eberhard Eichenhofer und Ulrich Wenner. Verlag Luchterhand, Köln 2013, 1964 S., geb., € 129,00 Der SGB V-Kommentar von Eichenhofer/Wenner ist ein wichti- ger Meilenstein bei der Umstellung des bisherigen Loseblattwerks „Wannagat Sozialversicherungsrecht“ auf Einzelbände. Die Heraus- geber stehen für das akademisch profilierte und das höchstrichterlich reflektierte Sozialrecht. Die Autoren entstammen überwiegend der Gerichts-, Verwaltungs- und Anwaltspraxis. Vertreter der universi- tären Sozialrechtswissenschaft (sie bilden die kleinste Gruppe) treten hinzu. In der Zusammenstellung des Autorenkreises spiegelt sich die Absicht der Herausgeber wider, einen „praxisgerechten Kommentar“ (Vorwort) vorzulegen. Nach inhaltlicher Durchdringung und Umfang ist der neue Kom- mentar zwischen kompakt argumentierenden (etwa dem Kommentar von Becker/Kingreen oder dem LPK-SGB V) und umfänglicher di- mensionierten Werken (insb. Hauck/Noftz und juris-Praxiskommen- tar) angesiedelt. Die Texte sind gut lesbar, die Darstellungsweise ist schnörkellos. Die Verweise entstammen weithin der Rechtsprechung. Wohl dosierte Hinweise auf andere Kommentierungen bzw. sonstige Publikationen und die Gesetzgebungsmaterialien treten hinzu. Da die Teilmaterien des SGB V mitunter sehr komplex ausfallen, steht jeder Kommentar vor dem Problem, die rechte Balance zwi- schen der Besinnung auf das Grundsätzliche und der verständnisför- derlichen Vertiefung ins Detail zu finden. Das vertragsärztliche Ver- gütungsrecht etwa lässt sich in einem Kommentar kaum darstellen, weil eigentlich unentwegt auf Regelungsbeispiele aus der Praxis ver- wiesen werden müsste; dazu fehlt der Platz. Die Kommentierung zu § 85 SGB V entscheidet sich deshalb für eine gelungene Einführung in das komplexe System des vertragsärztlichen Vergütungsrechts. Prof. Dr. iur. Stephan Rixen, Universität Bayreuth, Deutschland (2.) einen zusätzlichen Beitrag zur Qualität der Versorgung erbringen, der über den ohnehin durchweg vorhandenen bzw. allgemein zu erwartenden Standard hinausgeht. Da- bei stellt eine Zertifizierung eine Mindestvoraussetzung dar, begründet aber keine Vermutung für die „Zentrums“eigen- schaft (insofern zu weitgehend Felix, GesR 2010, 113, 117; zu weitgehend auch Trefz, a. a. O., S. 60, 65: „Indiz“; zurückhaltender Buchner/Spiegel/Jäger, ZMGR 2011, 57, 62). Ebenso wenig reicht das interdisziplinäre Zu- sammenwirken der Ärzte verschiedener Fachgebiete oder eine zentrale Stellung für die niedergelassenen Ärzte der Region oder für dortige Selbsthilfegruppen aus. Vom Zu- schnitt der Begriffe Zentrum bzw. Schwerpunkt her ist vielmehr vor allem erforderlich, dass die Abteilung eine Zentral- bzw. Schwerpunktfunktion einnimmt: Damit ist nicht die (Mit-)Behandlung der Patienten anderer Kran- kenhäuser gemeint (ebenso Felix, a. a. O., S. 115 f.; Trefz, a. a. O., S. 59), sondern eine Zentralfunktion im Spektrum der stationären Krankenhausversorgung i. S. der Ausrich- tung anderer Krankenhäuser auf dieses Krankenhaus (in dieser Richtung auch VG Dresden v. 28. 9. 2012 – 7 K 584/09 –, juris, Rdnrn. 44 i. V. mit 48; VG Aachen v. 22. 6. 2011 – 8 K 2424/08 –, juris, Rdnr. 66; VG Magdeburg v. 20. 11. 2012 – 3 A 105/10 –, juris, Rdnr. 29 [mit allerdings anderer Differenzierung in Rdnr. 32]; Schiedsstelle Sach- sen v. 19. 1. 2009 – SSt. 01/2008 –; – anders nuancierend OVG Nordrh.-Westf. v. 18. 4. 2013 – 13 A 2140/11 –, juris, Rdnrn. 87 ff., und – 13 A 1170/12 –, juris, Rdnrn. 62 ff., sowie weitere Parallelurteile, Revisionen anhängig unter Az. 3 C 8.13, 3 C 9.13, 3 C 12.13, 3 C 13.13, 3 C 14.13 und 3 C 15.13). Mit diesen Anforderungen wird der Funktion des Zentrumszuschlags als Ausnahmetatbestand Rechnung getragen (vgl. hierzu z. B. Felix, a. a. O., S. 116 sub 4., S. 117 sub 5., S. 118; Buchner/Spiegel/Jäger, a. a. O., S. 63; OVG Nordrh.-Westf., a. a. O., Rdnrn. 80 und 92 bzw. Rdnrn. 56 und 67). Ist nach diesen Kriterien „dem Grunde nach“ ein Zen- trum bzw. ein Schwerpunkt gegeben, so können für die Festlegung der Höhe des Zuschlags die mit dieser besonderen Funktion zusammenhängenden Kosten in Betracht kom- men. Während Kosten, deren Ziel vor allem dem sog. Mar- keting zuzuordnen ist, unberücksichtigt bleiben müssen, sind berücksichtigungsfähig evtl. Kosten z. B. für interdis- ziplinäre Fallkonferenzen, Kommunikationstechnologien, Dokumentationen, Führung von Registern, Fortbildungs- und Qualitätssicherungsleistungen; diese Kostenpositionen bedürfen aber in jedem Einzelfall noch näherer Prüfung (zu solchen besonderen Leistungen vgl. z. B. BT-Dr. 15/994, S. 21; 15/3672, S. 13; ebenso schon BR-Dr. 381/94, S. 27; abweichend Felix, a. a. O., S. 117 f., mit Focussierung auf die unmittelbar behandlungs- und versorgungsrelevanten Kosten). Im vorliegenden Fall ist schon dem Grunde nach kein Zen- trum bzw. Schwerpunkt gegeben. Die zu fordernde Ausrich- tung anderer Krankenhäuser auf dieses Krankenhaus ist nicht erkennbar: Nach dem Gesamtbild ist das sog. Brustzentrum der AG seinerseits ausgerichtet auf die gynäkologisch-onkologi- sche Kompetenz der Brustklinik des Universitätsklini- kums Frankfurt; dem entspricht auch der Vertrag über die Zusammenarbeit im Rahmen des Disease-Management- Programms „Brustkrebs“, in dem das Krankenhaus der AG als Kooperations-Krankenhaus und das Klinikum als Koordinations-Krankenhaus bezeichnet ist (vgl. Teilnah- mevereinbarung v. Dez. 2003/Jan. 2004). Anhaltspunkte, andere Krankenhäuser wären auf das Brustzentrum der AG ausgerichtet, bestehen nicht; Unterlagen, die dies belegen könnten, hat die AG nicht vorgelegt. Vorstehende Ausführungen zum Brustzentrum gelten im Ergebnis ebenso für das Begehren nach Zuschlägen für das geriatrische Zentrum bzw. den Schwerpunkt. Dazu wird von der AG geltend gemacht, hier werde durch das zusätzliche geri- atrische Angebot ein umfassendes Behandlungskonzept mit fallabschließender Behandlung unterbreitet; andere Kran- kenhäuser ohne ein derartiges zusätzliches geriatrisches Angebot müssten demgegenüber die Patienten in andere Krankenhäuser verlegen; dies führe zudem durch die zwei- fache Abrechnung der DRG zu einer höheren finanziellen Belastung der Kostenträger. Diese Ausführungen zeigen, dass die AG ihre geriatrische Versorgungsverantwortung ernst nimmt und um beste Versorgung bemüht ist. Die nö- tigen speziellen Voraussetzungen für die Anerkennung als Zentrum oder Schwerpunkt mit besonderen Aufgaben – i. S. des § 2 II 2 Nr. 4 i. V. mit § 5 III KHEntgG – sind aller- dings nicht erfüllt, wie sich anhand der sub b) dargestellten Voraussetzungen zeigt. Rezensionen 702 MedR (2013) 31: 702–703 REZENSIONEN

Eberhard Eichenhofer und Ulrich Wenner (Hrsg.), Kommentar zum Sozialgesetzbuch V

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Page 1: Eberhard Eichenhofer und Ulrich Wenner (Hrsg.), Kommentar zum Sozialgesetzbuch V

DOI: 10.1007/s00350-013-3530-1

Kommentar zum Sozialgesetzbuch V.

Herausgegeben von Eberhard Eichenhofer und Ulrich Wenner. Verlag Luchterhand, Köln 2013, 1964 S., geb., € 129,00

Der SGB  V-Kommentar von Eichenhofer/Wenner ist ein wichti-ger Meilenstein bei der Umstellung des bisherigen Loseblattwerks „Wannagat Sozialversicherungsrecht“ auf Einzelbände. Die Heraus-geber stehen für das akademisch profilierte und das höchstrichterlich reflektierte Sozialrecht. Die Autoren entstammen überwiegend der Gerichts-, Verwaltungs- und Anwaltspraxis. Vertreter der universi-tären Sozialrechtswissenschaft (sie bilden die kleinste Gruppe) treten hinzu. In der Zusammenstellung des Autorenkreises spiegelt sich die

Absicht der Herausgeber wider, einen „praxisgerechten Kommentar“ (Vorwort) vorzulegen.

Nach inhaltlicher Durchdringung und Umfang ist der neue Kom-mentar zwischen kompakt argumentierenden (etwa dem Kommentar von Becker/Kingreen oder dem LPK-SGB  V) und umfänglicher di-mensionierten Werken (insb. Hauck/Noftz und juris-Praxiskommen-tar) angesiedelt. Die Texte sind gut lesbar, die Darstellungsweise ist schnörkellos. Die Verweise entstammen weithin der Rechtsprechung. Wohl dosierte Hinweise auf andere Kommentierungen bzw. sonstige Publikationen und die Gesetzgebungsmaterialien treten hinzu.

Da die Teilmaterien des SGB V mitunter sehr komplex ausfallen, steht jeder Kommentar vor dem Problem, die rechte Balance zwi-schen der Besinnung auf das Grundsätzliche und der verständnisför-derlichen Vertiefung ins Detail zu finden. Das vertragsärztliche Ver-gütungsrecht etwa lässt sich in einem Kommentar kaum darstellen, weil eigentlich unentwegt auf Regelungsbeispiele aus der Praxis ver-wiesen werden müsste; dazu fehlt der Platz. Die Kommentierung zu § 85 SGB V entscheidet sich deshalb für eine gelungene Einführung in das komplexe System des vertragsärztlichen Vergütungsrechts.

Prof. Dr. iur. Stephan Rixen, Universität Bayreuth, Deutschland

(2.) einen zusätzlichen Beitrag zur Qualität der Versorgung erbringen, der über den ohnehin durchweg vorhandenen bzw. allgemein zu erwartenden Standard hinausgeht. Da-bei stellt eine Zertifizierung eine Mindestvoraussetzung dar, begründet aber keine Vermutung für die „Zen trums“eigen-schaft (insofern zu weitgehend Felix, GesR 2010, 113, 117; zu weitgehend auch Trefz, a. a. O., S. 60, 65: „Indiz“; zurückhaltender Buchner/Spiegel/Jäger, ZMGR 2011, 57, 62). Ebenso wenig reicht das interdisziplinäre Zu-sammenwirken der Ärzte verschiedener Fachgebiete oder eine zentrale Stellung für die niedergelassenen Ärzte der Region oder für dortige Selbsthilfegruppen aus. Vom Zu-schnitt der Begriffe Zentrum bzw. Schwerpunkt her ist vielmehr vor allem erforderlich, dass die Abteilung eine Zentral- bzw. Schwerpunktfunktion einnimmt: Damit ist nicht die (Mit-)Behandlung der Patienten anderer Kran-kenhäuser gemeint (ebenso Felix, a. a. O., S. 115 f.; Trefz, a. a. O., S. 59), sondern eine Zentralfunktion im Spektrum der stationären Krankenhausversorgung i. S. der Ausrich-tung anderer Krankenhäuser auf dieses Krankenhaus (in dieser Richtung auch VG Dresden v. 28. 9. 2012 – 7 K 584/09 –, juris, Rdnrn. 44 i. V. mit 48; VG Aachen v. 22. 6. 2011 – 8  K 2424/08  –, juris, Rdnr.  66; VG Magdeburg v. 20. 11. 2012 – 3 A 105/10 –, juris, Rdnr. 29 [mit allerdings anderer Differenzierung in Rdnr. 32]; Schiedsstelle Sach-sen v. 19. 1. 2009 – SSt. 01/2008 –; – anders nuancierend OVG Nordrh.-Westf. v. 18. 4. 2013 – 13 A 2140/11 –, juris, Rdnrn. 87 ff., und – 13 A 1170/12 –, juris, Rdnrn. 62 ff., sowie weitere Parallelurteile, Revisionen anhängig unter Az. 3 C 8.13, 3 C 9.13, 3 C 12.13, 3 C 13.13, 3 C 14.13 und 3 C 15.13). Mit diesen Anforderungen wird der Funktion des Zentrumszuschlags als Ausnahmetatbestand Rechnung getragen (vgl. hierzu z. B. Felix, a. a. O., S. 116 sub 4., S. 117 sub 5., S. 118; Buchner/Spiegel/Jäger, a. a. O., S. 63; OVG Nordrh.-Westf., a. a. O., Rdnrn. 80 und 92 bzw. Rdnrn. 56 und 67).

Ist nach diesen Kriterien „dem Grunde nach“ ein Zen-trum bzw. ein Schwerpunkt gegeben, so können für die Festlegung der Höhe des Zuschlags die mit dieser besonderen Funktion zusammenhängenden Kosten in Betracht kom-men. Während Kosten, deren Ziel vor allem dem sog. Mar-keting zuzuordnen ist, unberücksichtigt bleiben müssen, sind berücksichtigungsfähig evtl. Kosten z. B. für interdis-

ziplinäre Fallkonferenzen, Kommunikationstechnologien, Dokumentationen, Führung von Registern, Fortbildungs- und Qualitätssicherungsleistungen; diese Kostenpositionen bedürfen aber in jedem Einzelfall noch näherer Prüfung (zu solchen besonderen Leistungen vgl. z. B. BT-Dr.  15/994, S. 21; 15/3672, S. 13; ebenso schon BR-Dr. 381/94, S. 27; abweichend Felix, a. a. O., S.  117 f., mit Focussierung auf die unmittelbar behandlungs- und versorgungsrelevanten Kosten).

Im vorliegenden Fall ist schon dem Grunde nach kein Zen-trum bzw. Schwerpunkt gegeben. Die zu fordernde Ausrich-tung anderer Krankenhäuser auf dieses Krankenhaus ist nicht erkennbar:

Nach dem Gesamtbild ist das sog. Brustzentrum der AG seinerseits ausgerichtet auf die gynäkologisch-onkologi-sche Kompetenz der Brustklinik des Universitätsklini-kums Frankfurt; dem entspricht auch der Vertrag über die Zusammenarbeit im Rahmen des Disease-Management-Programms „Brustkrebs“, in dem das Krankenhaus der AG als Kooperations-Krankenhaus und das Klinikum als Koordinations-Krankenhaus bezeichnet ist (vgl. Teilnah-mevereinbarung v. Dez. 2003/Jan. 2004). Anhaltspunkte, andere Krankenhäuser wären auf das Brustzentrum der AG ausgerichtet, bestehen nicht; Unterlagen, die dies belegen könnten, hat die AG nicht vorgelegt.

Vorstehende Ausführungen zum Brustzentrum gelten im Ergebnis ebenso für das Begehren nach Zuschlägen für das geriatrische Zentrum bzw. den Schwerpunkt. Dazu wird von der AG geltend gemacht, hier werde durch das zusätzliche geri-atrische Angebot ein umfassendes Behandlungskonzept mit fallabschließender Behandlung unterbreitet; andere Kran-kenhäuser ohne ein derartiges zusätzliches geriatrisches Angebot müssten demgegenüber die Patienten in andere Krankenhäuser verlegen; dies führe zudem durch die zwei-fache Abrechnung der DRG zu einer höheren finanziellen Belastung der Kostenträger. Diese Ausführungen zeigen, dass die AG ihre geriatrische Versorgungsverantwortung ernst nimmt und um beste Versorgung bemüht ist. Die nö-tigen speziellen Voraussetzungen für die Anerkennung als Zentrum oder Schwerpunkt mit besonderen Aufgaben – i. S. des § 2 II 2 Nr. 4 i. V. mit § 5 III KHEntgG – sind aller-dings nicht erfüllt, wie sich anhand der sub b) dargestellten Voraussetzungen zeigt.

Rezensionen702 MedR (2013) 31: 702–703

R E Z E N S IO N E N

Page 2: Eberhard Eichenhofer und Ulrich Wenner (Hrsg.), Kommentar zum Sozialgesetzbuch V

Nicht nur hier werden Fragen des Leistungserbringerrechts, konzen-triert auf das Wesentliche, überzeugend dargestellt (s. etwa zur demo-kratischen Legitimation des Gemeinsamen Bundesausschusses: § 91, Rdnrn. 30 ff., die zu Recht bejaht wird; sowie zum Rechtsschutz gegen Richtlinien des GBA: § 135, Rdnrn. 40 ff.). Die Ausführun-gen zum Beitragsrecht, für jeden Kommentator eine wahre Fron, kommen ebenso verdichtet zum Punkt wie jene zum Leistungs- oder Organisationsrecht.

Rechtsprechungsänderungen (etwa das Konzept des gesetzlichen Vergütungsanspruchs der Apotheker, vgl. § 129, Rdnrn. 52 ff., das noch immer nicht vollends bekannt sein dürfte) werden präzise erläutert. Manche Vorschrift, die in anderen Kommentaren kaum wahrgenommen wird, gerät ins Blickfeld (vgl. etwa zu § 31 Abs. 5 [bilanzierte Diäten zur enteralen Ernährung]: § 31, Rdnrn. 54 ff.). Ungeklärte Rechtsfragen auch in Randmaterien des SGB  V wer-den kundig aufbereitet (s.  zur Schiedsperson im Bereich der häus-lichen Krankenpflege: § 132 a, Rdnr.  40). Neuere Bestimmungen, zu denen es noch kaum Praxisbeispiele gibt, werden vergleichswei-se ausführlich dargestellt (vgl. die Kommentierung zur Erprobung von Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, § 137 e SGB  V). Wissenschaftlich (zumindest auf den ersten Blick) wenig aufregen-de Fragestellungen, die für die Praxis aber von enormer Bedeutung sind, werden gebührend problematisiert (s. die Ausführungen zum Einwendungsausschluss nach Verstreichen der 6-Wochen-Frist bei der Abrechnung von Krankenhausleistungen: § 275, Rdnrn. 27 ff.).

Die eine oder andere Kommentierung könnte noch ausgebaut werden, z. B. jene zur Kosten-Nutzen-Bewertung von Arzneimit-teln (§ 35b), zur sinngemäßen Anwendung des Kartellrechts (vgl. § 69, Rdnrn. 29 ff.; ausführlicher hingegen die Ausführungen zum Vergaberecht: § 69, Rdnrn. 37 ff., § 130 a, Rdnrn. 52 ff.) oder zu § 111 b SGB  V (Landesschiedsstellen für Vergütungsvereinbarungen zwi-schen Krankenkassen und Reha-Einrichtungen), wo insb. das Lan-desrecht (für Bayern s. etwa die Reha-Schiedsstellenverordnung v. 21. 3. 2012, GVBl. 2012, S. 141) noch berücksichtigt werden sollte. Wichtige Gerichtsentscheidungen, die zum Zeitpunkt der Druck-legung (das Vorwort ist auf Juli 2012 datiert) noch nicht vorgelegen haben, können erst in der nächsten Auflage nachgetragen und kri-tisch beleuchtet werden (s. etwa zur Mindestmengenregelung gem. § 137 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 die Urteile des BSG v. 12. 9. 2012 – B 3 KR 10/12 R – und v. 18. 12. 2012 – B 1 KR 34/12 R –, hierzu von Wolff, NZS 2013, 231 f., 536 ff.).

Im Vorwort heißt es treffend, der Gesetzgeber des SGB V mache es den Kommentatoren schwer. In der Tat werden in einer wünschens-werten Neuauflage manche Gesetzesänderungen nachzutragen sein. Dessen ungeachtet erweist sich der „Eichenhofer/Wenner“ als verlässli-cher Lotse auf dem unendlich erscheinenden Meer des SGB V mit all seinen Klippen, verborgenen Strudeln und plötzlich sich auftuenden Untiefen. Auf diesen Lotsen sollte niemand verzichten, der die Ori-entierung behalten will.

Fazit: Der „Eichenhofer/Wenner“ ist eine wirkliche Bereicherung der Kommentarlandschaft zum SGB V.

Betäubungsmittelgesetz.

Von Klaus Weber. Verlag C. H. Beck, 4. Aufl. München 2013, XXXIII u. 2076 S., Ln., € 109,00

Auf den ersten Blick bedarf das besprochene Werk gar keiner Vor-stellung mehr. 1999 erstmals erschienen, ist es inzwischen glänzend eingeführt und zählt im besten Sinne zu den Standardkommentaren des Betäubungsmittelrechts. Das zeigt sich einerseits an seiner – oft allseitigen – Heranziehung in „Drogenprozessen“ einer Strafkammer für Rauschgiftsachen, andererseits an seiner regelmäßigen Zitierung in höchstrichterlichen Entscheidungen. Sein Erfolg ruht auf drei Säu-len, die auch die Neuauflage tragen und prägen. Zusammengefasst (vgl. Schmidt, NJW 2003, 3110 zur 2. Auflage) sind das:

ein durchdachtes Konzept, das sich vor allem – aber eben nicht allein – an Fragen der Alltagspraxis orientiert und fallrelevante Erläuterungen intuitiv oder mit Hilfe des umfassenden Stich-wortverzeichnisses schnell auffinden lässt;

eine leichte Erfassbarkeit der Texte, die systematisch aufgebaut, verständlich formuliert und übersichtlich präsentiert sind;

sowie hohe Aktualität und absolute Verlässlichkeit, die dem Le-ser sowohl zu „Basics“ als auch zu vertieften Problemen fundier-ten Rat bieten.

Gleichwohl lohnt es, sich der neuen Ausgabe intensiver zu wid-men. Sie enthält nicht allein die immerhin vier Jahre nach Erscheinen der Vorauflage fälligen Aktualisierungen, etwa aufgrund veränderter gesetzlicher Grundlagen oder weiter entwickelter Rechtsprechung. Als augenfälligste Neuerung werden erstmals die strafrechtlich re-levanten Vorschriften des AMG kommentiert. Damit folgt Weber einem Wunsch aus der Praxis, die zunehmende Verflechtungen zwi-schen AMG und BtMG registriert (Vorwort, S. V).

Gerade dieser Aspekt durchzieht mit Recht in mehrerlei Hinsicht den AMG-Teil. So werden mit Bezug zum Tatsächlichen die Berüh-rungs- und Schnittpunkte von illegalen Drogen und Arzneimitteln beleuchtet, etwa bei den um sich greifenden „Designerdrogen“ und „Legal Highs“ (AMG, Einl., Rdnrn. 8 ff.). Im Rechtlichen beschreibt Weber bei Bedarf Parallelen und Unterschiede zwischen beiden Ge-setzen; ein Beleg statt vieler sind die differenzierenden Ausführungen vor §§ 95 ff. AMG, Rdnr. 12, zu den Begriffen „Handeltreiben“ und „Bewertungseinheit“ (dieses Stichwort fehlt leider im Sachverzeich-nis AMG).

Die spezifisch arzneimittelrechtlichen Erläuterungen sind – in Struktur und Sprache dem überzeugenden Vorbild des BtMG-Teils folgend – übersichtlich und instruktiv gelungen. Naturgemäß kann eine neu angelegte Kommentierung auf Anhieb kaum den gleichen Fundus an Informationen liefern wie eine solche, die über viele Jah-re gewachsen ist. Aber schon jetzt zeigt sich, dass der Leser zuver-lässige Hilfe selbst in Detailfragen des AMG findet. Exemplarisch: Die Anmerkung zur Strafzumessung beim Doping enthält auch den vom BGH (NStZ 2012, 218, 219) in einer „Segelanweisung“ erteil-ten Hinweis auf die Chancengleichheit im Wettkampf (§ 95 AMG, Rdnr. 130).

An Aktualität mangelt es der neuen AMG-Kommentierung eben-falls nicht. Selbst das Grundsatzurteil des BGH vom 4. 9. 2012 zum Inverkehrbringen eines Fertigarzneimittels ohne Zulassung (BGHSt 57, 312 = MedR 2013, 174) konnte in den einschlägigen Erläuterun-gen bei § 4 AMG, Rdnr. 4 (dort kurz zum Merkmal „im Voraus“) und vor allem Rdnr. 31 (dort zum Merkmal „Herstellen“), berück-sichtigt werden. Vielleicht wäre für das intuitive Auffinden noch ein zusätzlicher Querverweis im Abschnitt über die Abgrenzung zwi-schen Fertig- und Rezepturarzneimitteln (§ 4 AMG, Rdnrn. 5 ff.) hilfreich.

Insgesamt ist die Erweiterung des Werkes um die AMG-Kom-mentierung ein echter Gewinn. Über die schnelle Lösung konkreter Rechtsfragen hinaus bietet sie – deutlich als solche gekennzeichnet – eigene Stellungnahmen von Weber bis in rechtspolitische Bereiche, auch und gerade dann, wenn er von der „herrschenden Meinung“ ab-weicht. Wiederum exemplarisch sei das Plädoyer zur strafrechtlichen Bedeutung sportethischer Grundsätze genannt (§ 6 a AMG, Rdnrn. 13 ff.). Stets bleiben aber Zweck und Rahmen einer auf praktischen Nutzen gerichteten Kommentierung gewahrt.

Die bewährte Erläuterung des BtMG erfüllt mit den eingangs genannten Vorzügen ebenfalls die hochgesteckten Erwartungen an Inhalt, Darstellung und Aktualität. Wie im bisherigen Bestand wer-den auch die Neuerungen in der Rechtslage prägnant behandelt, mögen sie auf Gesetzesnovellen beruhen – etwa den zwischenzeit-lichen Änderungen des § 13 BtMG bis zur palliativmedizinischen Regelung vom 19. 10. 2012 (BGBl.  I S.  2192; dazu § 13 BtMG, Rdnrn. 91 ff.) – oder auf gewandelten bzw. fortgeführten Erkennt-nissen in Rechtsprechung und Literatur. Engagiert setzt sich Weber beispielsweise mit der jüngeren Judikatur zu Täterschaft und Bei-hilfe beim Handeltreiben auseinander. So analysiert er skeptisch die neue Linie, Kuriere „nur“ als Gehilfen zu betrachten (§ 29 BtMG, Rdnrn. 721 ff.): Bereits in der Vorauflage galt seine Kritik einer dahin gehenden Tendenz, nun setzt er sich detailliert mit der „sich verfestigenden“ Rechtsprechung auseinander. Nicht minder eindrucksvoll warnt Weber vor einer parallel hierzu aufkommen-den Kasuistik bei der Beteiligung an Vermittlungsgeschäften (§ 29 BtMG, Rdnrn. 655 ff.), wobei er sogar schon den einschlägigen Be-schluss des BGH vom 4. 9. 2012 (NStZ-RR 2013, 46) einarbeiten konnte.

Fazit: Wer „unverzichtbar“ bisher für nicht steigerungsfähig hielt, wird durch die Neuauflage eines Besseren belehrt. Mit seiner zu-verlässigen Kompetenz gehört das frisch aktualisierte und erweiterte Werk mehr denn je zum notwendigen Rüstzeug eines jeden, der sich mit dem Betäubungs- oder Arzneimittelrecht befasst.

VorsRiLG Dr. iur. Detlev Schmidt, Berlin, Deutschland

Rezensionen MedR (2013) 31: 703 703