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| E D I TO R I A L
© 2009 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim www.biuz.de 3/2009 (39) | Biol. Unserer Zeit | 143
Liebe Leserin, lieber Leser,
Volker Storch ist Professor für Zoologiean der Universität Heidelberg und Kurator von Biologie in unserer Zeit.
Einhundertfünfzig Jahre nach dem Erscheinen des epocha-len Werkes „Über den Ursprung der Arten“ von Charles
Darwin ist durch Forschungsaktivitäten in Geologie und Palä-ontologie, Biologie, Chemie und Physik ein differenziertesBild von der Entwicklung der Organismen auf der Erde ent-standen. Der faszinierende Fundus an Tatsachen und Ideen derEvolutionsbiologie beeinflusst in zunehmendem Maße nichtnur unser Menschenbild, sondern wirft auch ein Licht auf dieKulturleistungen des modernen Homo sapiens.
Angesichts dieser Sachlage erhob sich die Frage, wie einSchwerpunktheft „Evolutionsforschung“ von BIUZ zu ge-
stalten sei. Wegen des doppelten Darwin-Jubiläums in diesemJahr (200. Geburtstag, 150 Jahre nach seinem Hauptwerk)und der zahlreichen Publikationen aus diesem Anlass habenwir davon abgesehen, Historisches noch einmal aufzugreifen.Im Fokus stehen vielmehr Beiträge, die die Augen für Neuesöffnen, aber auch zur Diskussion anregen sollen. Letzteres giltinsbesondere für den Artikel über unsere nahen Verwandtenim Tierreich. Volker Sommer will mit seinem Beitrag „Men-schenaffen wie wir“ Denkanstöße geben und aufrütteln. Seinmit besonders eindrucksvollenPhotos illustrierter Beitrag führtuns in ein Grenzgebiet von Pri-matologie, Anthropologie undEthik.
Michael Hofreiter ist auf„Spurensuche in alter
DNA“ und beschreibt spannend die Irrungen und Wirrungenin der Geschichte der Analyse alter DNA. Dieser Wissen-schaftszweig ist erst etwa ein Vierteljahrhundert alt undkommt jetzt in eine Phase, in der man Evolutionsvorgängeüber Zeiträume von mehreren 10.000 Jahren molekularbiolo-gisch analysieren kann. Derzeit geht es noch vorwiegend umdie Genealogie in eng umschriebenen Taxa, sei es bei Mam-mut und Afrikanischem Elefanten, Höhlen- und Tüpfelhyäne,Neandertaler und modernem Menschen, aber über populati-onsgenetische Analysen wird man ein viel differenzierteresBild über Arealverschiebungen und Koevolution entwerfen.Am Ende könnte sogar ein Verständnis für die Umgestaltungganzer Ökosysteme in der jüngeren Erdgeschichte stehen.
Eine der großen unbeantworteten Fragen der Evolutions-biologie ist die Frage nach der Entstehung des Lebens auf
der Erde. Seit dem Erscheinen von Oparins umfangreichemWerk sind über sieben Jahrzehnte vergangen, Millers Experi-mente zur abiogenen Entstehung von organischen Verbindun-gen liegen über fünf Jahrzehnte zurück, Eigen publizierte sei-ne Gedanken zum Hyperzyklus vor 30 Jahren, Schopfs „Cradle of Life“ erschien vor einem Jahrzehnt. Klarheitherrscht bis heute nicht. Lebewesen gibt es seit über 3,5 Mil-
liarden Jahren auf der Erde; soweit reicht der sichere Fossil-befund. Über 4 Milliarden Jahre altes Leben wird als unwahr-scheinlich angesehen. Es bleibt also ein Zeitabschnitt von et-wa 500 Millionen Jahren, in dem „es“ passiert sein muss, dasist etwa so lange, wie die Evolution der Vielzeller gedauerthat…
William Martin stellt in dieser schwierigen Sachlage eineinteressante Sichtweise dar: Hydrothermalquellen als
Geburtsstätten des Lebens. Hydrothermalquellen waren diewissenschaftliche Entdeckung der späten 1970er Jahre. Sieoffenbarten eine Organismenfülle am Grunde des Ozeans, wieman sie bis dahin nur von den tropischen Korallenriffen kann-te. Allerdings verbleibt diesen Oasen der Tiefsee an ein undderselben Stelle immer nur eine kurze Lebensdauer – viel-leicht nur Jahrzehnte.
Die Produkte der Evolution können auch einfach als Quel-le der Freude angesehen werden. Die – in unseren Au-
gen – wunderbaren Landschaften der Erde haben eine langeGeschichte hinter sich, ehemaliger Meeresgrund wurde zu
Gebirgszügen aufgetürmt. AlsKonsequenz findet man zum Bei-spiel auf der Zugspitze Fossilienvon Meerestieren aus dem Erd-mittelalter, aber auch eine überJahrmillionen angepasste terres-trische Flora. In anderen Regio-nen der Alpen, beispielsweise im
Geopark Karnische Region, wo Österreich, Italien und Slo-wenien aneinander grenzen, können sogar die fossilhaltigenSedimente des Erdaltertums in klarer Abfolge vom Ordovizi-um über das Silur bis zum Devon bewundert werden. Darü-ber hat sich auch hier eine ganz spezielle Pflanzenwelt aus-gebreitet.
Jürg Stöcklin berichtet über die Anpassungen an das Leben
in großer Höhe. Hansjörg Küster konnte für die Mitarbeit
an dem Beitrag „Die Evolution im Spiegel von Landschaft und
Architektur“ gewonnen werden.
Evolution offenbart sich überall, in unseren Genen, un-
seren Gedanken, unseren Landschaften, unseren Bau-
werken.
Viel Spaß beim Lesen wünscht Ihnen Ihr
VOLKER STORCH
„ZUR DISKUSSION ÜBER EVOLUTION
ANREGEN – DIE AUGEN FÜR NEUES
ÖFFNEN: DAS IST ZIEL DER BEITRÄGE IN
DIESEM BIUZ-SCHWERPUNK THEF T.“