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EILDIENST 10/2010 Aus dem Inhalt: Schwerpunkt: Wirtschaftsförderung in Krise und Aufschwung Sperrklauseln im Kommunalwahlrecht Rechte von Menschen mit Behinderungen – Auswirkungen der UN-Konvention Das Regionale-Projekt Kulturlandschaft Homburger Ländchen

EILDIENST 10/2010EILDIENST 10/2010 Inhalt Landrat Friedhelm Spieker, Kreis Höxter 379 Vielfältige Chancen, die eigene Region kennenzulernen: Das Regionale-Projekt Kulturlandschaft

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EILDIENST10/2010

Aus dem Inhalt:� Schwerpunkt:

Wirtschaftsförderung in Krise und Aufschwung

� Sperrklauseln im Kommunalwahlrecht

� Rechte von Menschen mit Behinderungen –Auswirkungen der UN-Konvention

� Das Regionale-Projekt Kulturlandschaft Homburger Ländchen

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Auf ein WortAuf ein Wort

Zum 01.01.2011 wird das auch verfassungsrechtlich auf neue Grundlagen ge -stellte SGB II – im allgemeinen Sprachgebrauch nach wie vor bekannter als HartzIV – mit seinen durchgreifend reformierten Organisationsregelungen in Kraft treten.Derzeit werden in den nordrhein-westfälischen Kreisen die Weichen für die zu -künftige Form der Aufgabenwahrnehmung gestellt. In einigen Kreisen war dieWillensbildung zugunsten einer Fortsetzung der Zusammenarbeit mit der Arbeits-verwaltung bei der Betreuung langzeitarbeitsloser Menschen unter dem Dachder künftigen gemeinsamen Einrichtung – als Nachfolgerin der bisherigen Ar -beitsgemeinschaft – rasch abgeschlossen. Die Frage des bisherigen Verlaufs unddamit der Qualität der Zusammenarbeit vor Ort mit der Arbeitsverwaltung seitdem Jahr 2005 war hierfür sicherlich von Bedeutung, allerdings nicht alleinent-scheidend. In allen Kreisen wurde abgewogen, ob eine gemeinsame oder einealleinige Aufgabenwahrnehmung für die Zukunft der richtige Weg ist. Bei alldemwar zu beachten, dass kein freies Wahlrecht für beide Alternativen besteht, son-dern im Fall der ausschließlich kommunalen Aufgabenwahrnehmung ein – wennauch erhöhtes – Limit gilt, so dass bundesweit nicht mehr als ein Viertel der Kreiseund kreisfreien Städte alleiniger SGB II-Träger sein darf.

In NRW haben sich die bisherigen acht Optionskreise – nicht anders als die beiden kreisfreien Städte mit Option – aus-nahmslos für eine dauerhafte Fortsetzung der alleinigen Zuständigkeit ausgesprochen. Wie viele Kommunen ab dem01.01.2012 noch hinzukommen werden, wird sich erst im Frühjahr des kommenden Jahres entscheiden. Angesichts derbereits geäußerten Bekundungen für einen Antrag auf Zulassung als SGB II-Träger in den Kreisen und kreisfreien Städ-ten ist jedenfalls eines klar: Die Nachfrage wird die für NRW absehbaren weiteren acht Plätze deutlich übersteigen.Somit steht das Land vor der verantwortungsvollen Aufgabe, die Eignung aller Antragsteller überprüfen, vergleichenund schließlich eine Auswahl treffen zu müssen. In diesem Wettbewerb der besten Konzepte wird es darauf ankommen,dass der Auswahlprozess durch das Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales (MAIS) möglichst transparent ge -staltet wird. Es muss für alle Beteiligten nachvollziehbar sein, weshalb sich Kommunen für die Runde der neuen zugelas-senen kommunalen Träger qualifizieren konnten, andere jedoch nicht zum Zuge kamen. Auch wenn ihre rekordverdäch-tig technokratische Bezeichnung anderes nahelegt, gibt die „Kommunalträgereignungsfeststellungsverordnung“ nurden Rahmen vor, den es landesseitig auszufüllen gilt. Auch wird es Ermessensspielräume bei der Entscheidung geben,die allerdings nicht von einer nachvollziehbaren Bewertung befreien, bei der für alle Antragsteller die gleichen Kriterienzur Anwendung kommen. Nur auf diese Weise wird das Land die erforderliche Akzeptanz für die Ergebnisse des Aus-wahlprozesses auch bei den nicht berücksichtigten Kommunen gewinnen können, die dann in der gemeinsamen Ein-richtung bleiben werden.Mit Wirkung zum 01.01.2011 wird auch ein neues Landesausführungsgesetz zum SGB II in Kraft treten. Neben denredaktionellen Anpassungen aufgrund des neuen SGB II wird die Neuregelung der Verteilung der Wohngeldersparnis desLandes auf die Kreise und kreisfreien Städte Kernstück dieses Gesetzes sein. Die Neuregelung war erforderlich geworden,nachdem der Verfassungsgerichtshof NRW aufgrund der mangelbehafteten Datengrundlage eine nicht gerechtfertigteUngleichbehandlung der Kommunen festgestellt hatte. Auch hier gilt, dass das Land für Transparenz des Gesetzent-wurfs sorgen muss, damit die Berechnungen im Detail nachvollzogen werden können, zumal sich die Auswirkungen aufdie einzelnen Kreise – und kreisfreien Städte – vor allem bezüglich der Korrekturen für den Zeitraum von 2007 bis 2009sehr unterschiedlich darstellen. Ob und in welchem Umfang Rückforderungen von Überzahlungen mit Hinweis aufeinen fehlenden Vertrauensschutztatbestand gerechtfertigt werden können, wird noch genau zu prüfen sein.Im Laufe des nächsten Jahres ist zudem eine erneute Novellierung des Landesausführungsgesetzes geplant, welche auchdie kommunalen Gestaltungsmöglichkeiten der Verwaltungsorganisation bei der Grundsicherung für Arbeitssuchendein den Fokus nehmen wird. Für die Kreise ist dabei von hoher Bedeutung, dass die Anstalt öffentlichen Rechts als möglicheOrganisationsform im Ausführungsgesetz vorgesehen wird. Rechtliche Hinderungsgründe bestehen nicht, wie sich bei-spielsweise anhand der Ausführungsgesetze in den Ländern Niedersachsen und Hessen zeigt. Bei vergleichbaren kommu-nalverfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen können die Kommunen dort bereits seit dem Jahr 2005 eine Anstalt desöffentlichen Rechts für die Leistungen des SGB II begründen. In dieser Hinsicht besteht in NRW Nachholbedarf.

Dr. Martin KleinHauptgeschäftsführer des Landkreistages Nordrhein-Westfalen

Transparenz und Nachholbedarfals Maßstab: Umsetzung desSGB II in Nordrhein-Westfalen

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Kreise in Nordrhein-Westfalen

EILDIENST 10/2010

InhaltInhalt

342

Gemeinsame Erklärung von kommunalen Spitzenverbänden undLandesregierung zu Kommunalfinanzen 344

Sitzung des Vorstands des Landkreistages NRW am 21.09.2010 am Standort der Landesgartenschau in Hemer im Märkischen Kreis 345

Kreistagsforen des Landkreistages NRW für Kreistagsabgeordnete 346

Duisburger Erklärung: Kommunale Wirtschaftsförderung im Jahr 2010 348

Sich den Herausforderungen erfolgreich stellen – Mittelstandsfreundliche Verwaltung als Standortfaktor 349

Neue Ideen für regionale Impulse – Wirtschaftsförderung im Kreis Lippe 350

Wirtschaftsförderung als Netzwerker für Städte und Gemeinden – Beispiel Kreis Höxter 354

Beratung und Betreuung innovativer Unternehmen im Kreis Borken 356

Internet-Portale der Wirtschaftsförderung in der Städteregion Aachen 358

Virtueller Gewerbeflächenpool im Kreis Kleve schafft Raum für Ansiedlungen 360

Bei Kunststoff ist der Oberbergische Kreis die erste Adresse in NRW 362

Branchenkompetenzen Südwestfalen – Projekt der Regionale 2013 364

Fachkräfte halten und gewinnen – Vereinbarkeit von Familie und Beruf im Kreis Steinfurt 365

Vereinbarkeit von Familie und Beruf Thema von zwei Projekten im Kreis Coesfeld 366

Gedankenblitz – Kreative Köpfe im Schulwettkampf 368

Region Münsterland startet Job-Offensive – Kreise stellen sich vernetzt dem demografischen Wandel 369

Veranstaltung des Freiherr-vom-Stein-Instituts zu Sperrklauseln im Kommunalwahlrecht 371

Brauchen wir wieder eine Sperrklausel im Kommunalwahlrecht? Die Position der Kommunen 372

Sperrklauseln im Kommunalwahlrecht aus Sicht der Landesregierung 374

Die Auswirkungen der UN-Konvention für die Rechte von Menschen mit Behinderungen auf die Kreise 377

ThemenThemen

Thema AktuellThema Aktuell

Aus dem LandkreistagAus dem Landkreistag

Auf ein WortAuf ein Wort 341

Kavalleriestraße 840213 DüsseldorfTelefon 0211/300491-0Telefax 0211/300491-660E-Mail: [email protected]: www.lkt-nrw.de

Impressum

EILDIENST – Monatszeitschriftdes Landkreistages Nordrhein-Westfalen

Herausgeber:HauptgeschäftsführerDr. Martin Klein

Redaktionsleitung:Pressesprecherin Christina Stausberg

Redaktion:Erster Beigeordneter Dr. Marco KuhnBeigeordneter Reiner LimbachReferent Dr. Markus FaberReferentin Dr. Andrea GarrelmannReferentin Dorothée HeimannReferent Dr. Christian von KraackReferent Dr. Kai Zentara

Quelle Titelbild (Fotomontage):© Thomas Neumer – Fotolia.com© Jeanette Dietl – Fotolia.com© Werner Weber – Fotolia.com

Redaktionsassistenz:Heike Schützmann, Monika Dohmen

Herstellung:Druckerei und VerlagKnipping GmbH, Birkenstraße 17,40233 Düsseldorf

ISSN 1860-3319

Schwerpunkt:Wirtschaftsförderung in Krise und AufschwungSchwerpunkt:Wirtschaftsförderung in Krise und Aufschwung

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EILDIENST 10/2010

InhaltInhalt

Landrat Friedhelm Spieker, Kreis Höxter 379

Vielfältige Chancen, die eigene Region kennenzulernen: Das Regionale-Projekt Kulturlandschaft Homburger Ländchen 381

Medien-Spektrum:Aktuelle PressemitteilungenReform von Hartz IV Schritt in die richtige Richtung 383

Neues Abfallgesetz des Bundes: Kommunale Spitzenverbände in NRW warnen vor höheren Müllgebühren und fehlender Umweltorientierung 383

AllgemeinesGVV-Kommunal zieht Bilanz für 2009

Verfügbares Einkommen lag in NRW je Einwohner bei knapp 20.000 Euro 383

Arbeit und SozialesBundesweites Internetportal „Wegweiser Demenz“ eingerichtet 384

Bauen und PlanenNeue Handlungsempfehlung der kommunalen Spitzenverbände zur Vermarktung kommunaler Geodaten erschienen 384

Immobilienmarkt 2009 – Weiter reges Interesse an Wohneigentum 384

EuropaAktive kommunale Teilhabe bei europäischen Entscheidungsprozessen 384

Kreis Steinfurt und Kreis Lippe bei den „Open Days 2010“ in Brüssel 385

Familien, Kinder und Jugend2009 niedrigste Geburtenrate in NRW seit Bestehen des Landes 385

GesundheitLeichter Anstieg der Patientenzahl in NRW-Krankenhäusern 385

UmweltschutzKreis Wesel gründet Klima-Bündnis 385

Jahresbericht 2009 des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW erschienen 386

Kreis Mettmann veröffentlicht Heimatkundebuch der besonderen Art 386

Wirtschaft und VerkehrArbeitskosten in NRW geringfügig unter dem westdeutschen Durchschnitt 386

Rhein-Kreis Neuss erster Fairtrade-Kreis in Deutschland 386

343

KurznachrichteKurznachrichten

Hinweise auf VeröffentlichungenHinweise auf Veröffentlichungen 387

Das PorträtDas Porträt

Im FokusIm Fokus

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Thema aktuellThema aktuell

Gemeinsame Erklärung von kommunalen Spitzenverbänden und Landesregierungzu Kommunalfinanzen

Handlungs- und Zukunfts-fähigkeit der Kommunen gemeinsam nachhaltig sichern

Das Land steht an der Seite der Kommunen1. Die Kommunen befinden sich in der

schwersten Haushaltskrise seit Jahrzehn-ten. Kommunale Handlungsspielräumebestehen kaum noch. Grund dafür sinddie seit Jahren stetig steigenden undkommunal finanzierten Aufwendungenfür soziale Leistungen und die durch dieFinanz- und Wirtschaftskrise wegbre-chenden Steuereinnahmen. Mit Sorgesehen daher Landesregierung und kom-munale Spitzenverbände die hohen Fehl-beträge in den kommunalen Haushaltenin Nordrhein-Westfalen, die sich unteranderem in der Zunahme der Kassen-kredite auf rund 20 Mrd. Euro zum30.06.2010 widerspiegeln.

2. Die Landesregierung strebt eine verläss-liche Zusammenarbeit mit den Kommu-nen an. Dazu wird sie die kommunalenSpitzenverbände frühzeitig und umfas-send bei allen Angelegenheiten mit Aus-wirkungen auf die Kommunen beteiligen.

3. Die Landesregierung wird insbesondere– trotz der auch für das Land schwierigenfinanziellen Rahmenbedingungen – ander Seite der Kommunen stehen und mitdem „Aktionsplan Kommunalfinanzen“für eine spürbare Verbesserung der kom-munalen Finanzausstattung sorgen unddie Kommunen wieder handlungsfähigmachen.

Der „Aktionsplan Kommunalfinanzen“

4. Als Soforthilfe wird die Landesregierungden Kommunen bereits mit dem Nach-tragshaushalt 2010 zusätzlich rund 300Mio. Euro im Gemeindefinanzierungsge-setz 2010 zur Stärkung ihrer Finanzaus-stattung zur Verfügung zu stellen. Dazuwerden die Kommunen nicht mehr mitjährlich 166,2 Mio. Euro an der Konsoli-dierung des Landeshaushalts beteiligt,und die Kommunen werden wieder ander Grunderwerbsteuer beteiligt. Darü-

ber hinaus wird das Land die Mittel desBundes für den Ausbau der Kinderbe-treuung für unter Dreijährige auch fürdie Betriebskosten ungeschmälert an dieKommunen weiterleiten.

5. Die Landesregierung wird – erstmals be-reits im nächsten Jahr – im Rahmen eines„Stärkungspaktes Stadtfinanzen“ eineKonsolidierungshilfe für besonders belas-tete Kommunen leisten. Die Ausgestal-tung steht im Detail noch nicht fest. DieLandesregierung wird nach der Vorlagedes Gutachtens von Prof. Junkernheinrichund Prof. Lenk, die für Anfang Novembervorgesehen ist, mit den kommunalen Spit-zenverbänden darüber in einen intensivenDialog treten. Einig sind sich Landesregie-rung und kommunale Spitzenverbändesowohl darüber, dass Maßnahmen zu ei-ner nachhaltigen Entschuldung von Kom-munen dringend erforderlich sind, als auchdarüber, dass diese Hilfen keine Fehlan-reize auslösen sollen und die Empfänger-kommunen eigene Konsolidierungspo-tenziale konsequent ausschöpfen.

6. Der Bund muss sich dauerhaft und an-gemessen an den auf Bundesrecht beru-henden explodierenden Sozialkosten be-

teiligen. Die kommunalen Spitzenverbändebegrüßen daher die erklärte Absicht derLandesregierung, auf Bundesebene aufeine dauerhafte und spürbare Entlastungder Kommunen im Bereich der sozialenLeistungen hinzuwirken.

7. Für die Leistungen für Unterkunft undHeizung im Bereich des SGB II („HartzIV“) muss eine höhere und gerechte Be-teiligung des Bundes erreicht werden. Imlaufenden Verfahren im Vermittlungs-ausschuss wird die Landesregierung dahereinen fairen Berechnungsmaßstab einfor-dern, der an die tatsächlichen Kosten an-knüpft. Daneben muss wirkungsvoll denKostensteigerungen bei den Leistungenfür behinderte Menschen, bei der Grund-sicherung im Alter und bei der Hilfe zurPflege begegnet werden. Hierzu sind dieEinführung eines bundesfinanzierten Leis-tungsrechts für behinderte Menschen er-forderlich, eine höhere finanzielle Beteili-gung des Bundes bzw. die Übernahme derKosten für die Grundsicherung im Alterund die Inanspruchnahme vorrangiger So-zialsysteme im Bereich der Hilfe zur Pflege.

8. Landesregierung und kommunale Spit-zenverbände treten für die Erhaltung der

Nach einem Spitzengespräch zu den Kommunalfinanzen am 10.09.2010 haben die Präsidenten und Hauptgeschäftsführer der kommu-nalen Spitzenverbände, Ministerpräsidentin Hannelore Kraft und die Minister für Inneres und Kommunikation, Ralf Jäger, und Finanzen,Norbrt Walter-Borjans, eine gemeinsame Erklärung zur Konsolidierung der Kommunalfinanzen abgegeben. Für den LandkreistagNordrhein-Westfalen haben Präsident Landrat Thomas Kubendorff, Kreis Steinfurt, und Hauptgeschäftsführer Dr. Martin Klein andem Gespräch teilgenommen. Die Erklärung im Wortlaut:

Ministerpräsidentin Hannelore Kraft mit (v.l.) LKT-Präsident Landrat Thomas Kubendorf,Städtetags-Vorsitzender Oberbürgermeister Peter Jung und Bürgermeister Erhard Pierlingsfür den Städte- und Gemeindebund NRW

(Quelle: Staatskanzlei NRW/ Foto: Wolfgang Meyer-Piehl)

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Gewerbesteuer ein. Sie ist die wichtigsteEinnahmequelle der Kommunen. Gemein-sames Ziel ist es weiter, die Schwankungendes Gewerbesteueraufkommens durcheine Verbreiterung der Bemessungsgrund-lage zu minimieren.

9. Die Landesregierung unterstützt die Kom-munen gegenüber dem Bund darin, eineBeteiligung der kommunalen Spitzenver-bände an der Kostenfolgeabschätzungvon Gesetzen zu sichern und die Beteili-gungsrechte der kommunalen Spitzen-verbände in Gesetzgebungsverfahren zustärken. Realisiert werden könnte dies z.B.durch ein privilegiertes Anhörungsrechtder kommunalen Spitzenverbände beiAnhörungen im Deutschen Bundestagund die Einführung eines Anhörungsrech

tes im Rahmen der Ausschussberatun-gen im Bundesrat.

10. Im Rahmen der Evaluierung des Soli-darpaktes Ost wird die Landesregie-rung alles tun, damit strukturschwacheRegionen auch in den westdeutschenLändern von diesen Mitteln profitierenkönnen - Solidarleistungen müssen sichnach Bedürftigkeit ausrichten und nichtnach Himmelsrichtungen.

11. Die Landesregierung wird auf Forderun-gen gegen die Kommunen, die sich ausder Abrechnung der Einheitslasten nachdem Einheitslastenabrechnungsgesetzergeben, solange verzichten, bis eine Ent-scheidung des Verfassungsgerichtshofsfür das Land Nordrhein-Westfalen überdie Verfassungsmäßigkeit dieses Geset-

zes vorliegt. Bei der Abrechnung der Ein-heitslasten für das Jahr 2009, die im Jahr2011 durchgeführt werden soll, sagt dieLandesregierung zu, die Forderungengegen die Kommunen zu stunden, diesich nach vorläufigen Schätzungen aufrund 170 Mio. Euro belaufen.

12. Die Landesregierung sagt zu, dass es eineweitere Verlagerung von Aufgaben aufdie kommunale Ebene ohne die Bereit-stellung der erforderlichen Mittel nichtgeben wird. Gemeinsames Ziel ist es,das Konnexitätsprinzip umgehungssi-cher auszugestalten.

EILDIENST LKT NRWNr. 10/Oktober 2010 13.20.20

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In der Vorstandssitzung nahmen die Vor-standsmitglieder zunächst einen Bericht des

Präsidenten über das Gespräch der kommu-nalen Spitzenverbände mit Ministerpräsi-dentin Hannelore Kraft am 10.09.2010 inder Staatskanzlei entgegen (vgl. dazu auchin diesem EILDIENST-Heft S. 344f.).Ausführlich diskutierte der Vorstand über denaktuellen Sachstand nach der Novellierungdes SGB II im Hinblick auf die Vorbereitungvon Anträgen zur Zulassung als neuer kom-munaler Aufgabenträger (Erweiterung derOption). Hierzu gab der Vorstand seiner Er-wartung Ausdruck, dass das Land seine Ent-scheidungskriterien vor dem Eintritt in denAuswahlprozess offenlegt. Das Interesse derKreise an einer alleinigen Zuständigkeit fürdie Leistungen des SGB II ist groß. In mehre-ren Kreisen steht eine entsprechende Be-schlussfassung der Kreistage unmittelbar be-vor bzw. ist bereits erfolgt. Da auch seitensder kreisfreien Städte voraussichtlich mit fünfAnträgen zu rechnen ist, ist absehbar, dassdie Zahl der Anträge die für NRW voraus-sichtlich zur Verfügung stehenden acht Plät-ze deutlich übersteigen wird. Im Hinblick auf die laufende Evaluation derStrukturreform der Versorgungs- und Um-weltverwaltung stellte der Vorstand fest, dassdie Zwischenergebnisse der Evaluierung dergesetzlichen Grundlagen der Kommunalisie-rung der Versorgungs- und Umweltverwal-tung nur teilweise die Bereitschaft des Lan-des erkennen ließen, einen ergebnisoffenen

Evaluierungsprozess durchzuführen. Zudembestehe nur teilweise eine Bereitschaft desLandes, die Kriterien des Verfassungsge-richtshofs NRW für eine verfassungsgemäßeKostenfolgeabschätzung anzuwenden unddie tatsächlichen kommunalen Fallzahlenund Bedarfsmeldungen als Grundlage für

eine Neufassung des Belastungsausgleichsanzuerkennen. Die sich abzeichnenden fi-nanziellen Verbesserungen für die Kreise in-

folge der Neufestsetzung des Belastungsaus-gleichs wurden begrüßt. Kritik fand, dass dervoraussichtliche Belastungsausgleich auchkünftig nicht die tatsächlichen Kosten werdedecken können. Nachdem das Oberverwal-tungsgericht NRW in zwei Berufungsverfah-ren entschieden hat, dass kein rechtswirksa-

mer Übergang des beamteten Personals vomLand auf die kommunalen Aufgabenträgererfolgt ist, ist abzuwarten, wie das Land mit

Thema aktuell / Aus dem LandkreistagThema aktuell / Aus dem Landkreistag

Sitzung des Vorstands des LandkreistagsNRW am 21.09.2010 amStandort der Landesgartenschauin Hemer im Märkischen Kreis

Unter dem Vorsitz von Präsident Landrat Thomas Kubendorff, Kreis Steinfurt, trafen sich die Vorstandsmitglieder des LandkreistagesNordrhein-Westfalen aus Anlass der Landesgartenschau in Hemer/Märkischer Kreis zu einer Sitzung mit anschließender Besichtigung.Die Führung durch das Landesgartenschaugelände übernahm Bürgermeister Michael Esken, Stadt Hemer.

Der Vorstand des Landkreistages NRW tagte anlässlich der Landesgartenschau in Hemer/Märkischer Kreis (10. von links Präsident Landrat Thomas Kubendorff, Kreis Steinfurt; 5.von rechts Landrat Thomas Gemke, Märkischer Kreis, ganz rechts Bürgermeister MichaelEsken, Stadt Hemer (Quelle: Landesgartenschau Hemer 2010 GmbH)

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diesen Entscheidungen verfahren wird. Un-abhängig von der Frage, ob noch ein Revi-sionsverfahren zum Bundesverwaltungsge-richt angestrengt wird, muss möglichst schnellRechtsklarheit für alle Beteiligten hergestelltwerden. Im Hinblick auf den seitens der Landesre-gierung kurzfristig vorgelegten Referenten-entwurf zur Änderung des ÖPNV-GesetzesNRW begrüßte der Vorstand, dass die ineiner Pauschale bei den kommunalen Auf-gabenträgern einschließlich der bisherigenAusgleichsleistungen nach § 45a Personen-beförderungsgesetz (PBefG) zusammenge-führten Finanzmittel bis auf Weiteres nachdem Maßstab des Status quo der bisherigenAusgleichsleistungen verteilt werden sollen.Der Vorstand sprach sich strikt gegen eineRückwirkung der Neuverteilung sowohl derPauschalen aus §11 Abs. 1 ÖPNV-GesetzNRW für den Schienenpersonennahverkehrals auch der Pauschale aus §11 Abs. 2 Satz 1ÖPNV-Gesetz NRW (Pauschale aus der ehe-maligen Fahrzeugförderung) aus. Zudemmüsse bei der Neuverteilung der Pauschalenim Schienenpersonennahverkehr und imstraßengebundenen ÖPNV die Bedeutungdes Nahverkehrs im kreisangehörigen Raum,insbesondere die Erschließungs- und Zubrin-gerfunktion, gegenüber dem großstädti-schen Raum hinlänglich berücksichtigt wer-den. Darüber hinaus setzte sich der Vorstanddafür ein, eine möglichst flexible Verwend-barkeit der ab 01.01.2011 kommunalisier-ten Mittel nach Maßgabe der bisherigenRegelungen des ÖPNV-Gesetzes NRW bei-

zubehalten (zur Weiterleitung an Verkehrs-unternehmen für Zwecke des ÖPNV). Demwiderspreche die in §11a Abs. 2 und 3 desEntwurfs zum ÖPNV-Gesetz NRW vorgese-hene Zweckbindung, die deshalb abzuleh-nen sei. Sofern sich eine umfassende Fle-xibilität der Mittelverwendung allein fürZwecke des ÖPNV im Gesetzgebungsverfah-ren nicht realisieren lasse, müssten zumin-dest so viele Freiräume für die Aufgabenträ-ger verbleiben, dass sie damit angemessenauf neue verkehrliche Anforderungen imSchüler- und Ausbildungsverkehr reagierenkönnten und sie nicht auf ein bestimmtesFörderinstrument festgelegt würden. Im Hinblick auf die anstehende Beschluss-fassung des Landtags zu einem Landesaus-führungsgesetz zum Zensus 2011 forderteder Vorstand, den Kommunen einen umfas-senden Kostenausgleich in Höhe von rund48,3 Millionen Euro zu gewähren und zu-gleich eine ex- post-Nachberechnungsklau-sel in das Landesausführungsgesetz zumZensus 2011 aufzunehmen. Nur dann könnedas Ausführungsgesetz zum Zensus 2011mitgetragen werden.Zu dem von der Bundesregierung am01.09.2010 beschlossenen Entwurf einesKernbrennstoffsteuergesetzes stellten dieVorstandsmitglieder fest, dass dieser letzt-lich keine Steigerung des Steueraufkommensder öffentlichen Hand insgesamt, sondernprimär eine Belastungsverschiebung zwi-schen dem Bund und der kommunalen Ebe-ne bewirken würde. Denn die diesbezüg-lichen Mehreinnahmen des Bundes über den

Konzernverbund der betroffenen energieer-zeugenden Unternehmen würden durch Min-derzahlungen bei der Gewerbesteuer gegen-finanziert. Die zusätzlich zu erwartendenMindereinnahmen bei der Körperschafts-steuer führten zudem zu einem Absinkendes über den obligatorischen Verbund an dieKommunen auszukehrenden Gemeinschafts-steueranteils. Deshalb forderte der Vorstanddie Landesregierung auf, sich auf Bundes-ebene

– für eine Berechnung und Darstellung derzu erwartenden Auswirkungen der ge-planten Steuer auf die Länder und Kom-munen und deren Erörterung in der Ge-meindefinanzkommission des Bundes sowie

– für eine Kompensation der zu erwartendenkommunalen Mindereinnahmen im Wegeder Zuweisung zusätzlicher, an die Kom-munen weiterzuleitender Umsatzsteuer-festbeträge des Bundes an die Länder ein-zusetzen.

Darüber hinaus befasste sich der Vorstandmit der Vorbereitung der Großen Landkreis-versammlung am 27.10.2010 in Herten/Kreis Recklinghausen sowie der Besetzungvon Gremien des Freiherr-vom-Stein-Instituts,der wissenschaftlichen Forschungsstelle desLKT NRW an der Universität Münster.

EILDIENST LKT NRWNr. 10/Oktober 2010 00.10.00

346

Der Präsident des Landkreistages NRW,Landrat Thomas Kubendorff, Kreis Stein-

furt, hob in seiner Begrüßung hervor, dassdie im September 2009 bezogene neue Ge-schäftsstelle des Landkreistages NRW erst-malig die Möglichkeit biete, auch eine grö-ßere Anzahl von Gästen zu Sitzungen undZusammenkünften zu empfangen. DieseMöglichkeit werde nunmehr auch Delegier-ten aus den Kreistagen eröffnet. In seinem Referat zur kommunalen Finanz-lage und den möglichen Perspektiven zurNeuordnung des Gemeindefinanzausgleichsfür die Kreise skizzierte Hauptgeschäftsfüh-rer Dr. Martin Klein zunächst die allgemeinekommunale Finanzlage und den kommuna-len Finanzierungssaldo zwischen Einnahmenund Ausgaben, der sich mit Ausnahme der

Jahre der Hochkonjunktur 2006, 2007 und2008 zunehmend negativ entwickelt habe.Für die Jahre 2010 bis 2014 wird sowohlnach Einschätzung des Bundes als auch nachEinschätzung der kommunalen Spitzenver-bände das kommunale Defizit kumuliert aufcirca 60 bis 70 Milliarden Euro anschwellen.Die Dynamik der vor allem durch Soziallas-ten geprägten Ausgabeverpflichtungen derKommunen sprenge alle Dimensionen desbislang Vorstellbaren. Allein die Kassenkre-dite – der Stand der Kredite zur Liquiditäts-sicherung als „Dispokredit“ der Kommunenfür laufende Ausgaben - belaufe sich inzwi-schen auf knapp 40 Milliarden Euro, wovonfast die Hälfte auf die NRW-Kommunenentfiele. Die Kostentreiber in diesem Bereichbestünden vor allem in den Kosten der

Aus dem LandkreistagAus dem Landkreistag

Der Präsident des Landkreistages NRW,Landrat Thomas Kubendorff, begrüßt dieKreistagsabgeordneten.

Kreistagsforen des Landkreistages NRWfür Kreistagsabgeordnete

Am 04.10. und am 07.10.2010 fanden zwei Kreistagsforen in der Geschäftsstelle des Landkreistages NRW für Kreistagsabgeordnetestatt. Über 150 Personen aus den 30 NRW-Kreisen sowie der Städteregion Aachen nahmen an den beiden Terminen teil, um sich überdie aktuellen Handlungsfelder des Landkreistages NRW unter besonderer Schwerpunktsetzung auf die Finanzlage der Kreise, Städteund Gemeinden in Nordrhein-Westfalen zu informieren.

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Unterkunft und Heizung für Hartz IV-Emp-fänger (KdU), den Kosten der Eingliede-rungshilfe für Menschen mit Behinderungen,den Kosten der Grundsicherung im Alterund bei Erwerbsminderung sowie den Kos-ten der Hilfe zur Pflege. Darüber hinaus

seien gewaltige Kostensteigerungen im Be-reich der Kinderbetreuung für Unterdreijäh-rige sowie im Bereich der Hilfen zur Erzie-hung in der Jugendhilfe zu verzeichnen.Die Ausgabendynamik bei den Soziallastensei in Nordrhein-Westfalen verglichen mitden anderen Bundesländern überproportio-nal. Im kreisangehörigen Raum seien dieKreise zu über 80 Prozent Träger der Kostender sozialen Sicherung. Angesichts der im-mensen Ausgabendynamik führe dies ver-stärkt zu Auseinandersetzungen über dieHöhe der Kreisumlage, aus der sich die Krei-se mangels eigener Steuereinnahmen undrelativ geringer Zuweisungen des Landes zufinanzieren hätten. Die Konstruktion desKreisfinanzausgleichs in Nordrhein-Westfa-len und die derzeitige Finanzierungsstrukturüber den Zuweisungsmechanismus des Ge-meindefinanzierungsgesetzes führe zu Ver-werfungen und Unwuchten insbesonderedeshalb, weil die finanzielle und sozialeSchwäche von Gemeinden zu höherenSchlüsselzuweisungen an diese Gemeindenführe, obwohl Trägerin der entsprechendeAusgabelasten die Kreise seien. Den Kreisenwiederum gerieten die höheren Schlüsselzu-weisungen des Landes für finanzschwacheGemeinden zum Nachteil, da der Kreis beider Umlagekraftberechnung finanziell undsozial stark erscheine, so dass er geringereSchlüsselzuweisungen erhalte. Diese Wir-kungen des geltenden Gemeindefinanzie-rungssystems liefen der Zielrichtung deskommunalen Finanzausgleichs, Finanzmittelaufgabengerecht zuzuordnen, zuwider. AlsAbhilfe für die strukturelle Unterfinanzierungder kommunalen Ebene gerade mit Blick auf

die Soziallasten gebe es nur eine deutlichhöhere Dotierung des kommunalen Finanz-ausgleichs im Rahmen des jährlichen Ge-meindefinanzierungsgesetzes (GFG). Die Be-messung der Finanzmittel im GFG habe mitdem kommunalen Aufgabengrad in Nordr-

hein-Westfalen und der damit verbundenenAusgabendynamik in den letzten Jahren undJahrzehnten bei weitem nicht Schritt gehal-ten. Zugleich müssten die über den Soziallas-tenansatz im GFG erfolgenden Umwegfinan-zierungswirkungen beseitigt werden. Wennanerkennt werde, dass die Kreise die wesent-lichen Träger der sozialen Lasten im kreisan-gehörigen Raum sind, müssten ihnen auch

die Mittel dafür unmittelbar zur Verfügunggestellt werden. Dies könne mittels einerentsprechenden Grunddatenanpassung, dasheißt einer Anpassung der Aufteilung derSäulen im kommunalen Finanzausgleich andie tatsächlichen Zuschussbedarfe der ein-zelnen Gemeindetypen sowie mittels einerÄnderung bei der Soziallastenentgeltung ge-

schehen. Dies erfordere eine deutliche Er-höhung des Soziallastenansatzes bei der Ge-wichtung des Finanzbedarfs und zudem eineVerortung des Soziallastenansatzes bei derEbene, die auch die Lasten dafür unmittel-bar trage, nämlich die Kreisebene. Die Eck-punkte dazu seien im Positionspapier desLandkreistages NRW zur Reform des Ge-meindefinanzierungssystems mit entspre-chenden Erläuterungen aufgeführt (vgl. dazuEILDIENST LKT NRW Nr. 5/Mai 2010, S.170 ff). Im Anschluss an das Referat kam es zu einerintensiven Diskussion im Hinblick auf mög-liche Lösungswege zur Bewältigung der tief-greifenden kommunalen Finanzkrise. Hoff-nung setzten die Teilnehmer vor allem aufdie Arbeit der Gemeindefinanzkommissionauf Bundesebene, die sowohl die Einnah-men– als auch die Ausgabenseite der Kom-munen unter Beteiligung der kommunalenSpitzenverbände beleuchtet und zu konkre-ten Vorschlägen kommen soll. Sowohl eineverstärkte Beteiligung des Bundes an bundes-rechtlich verankerten Leistungen wie die Kos-ten der Unterkunft im Bereich von Hartz IVals auch eine Diskussion zur Überprüfungvon sozialen Standards, die von den Kom-munen zu finanzieren seien und deren Zu-sammenstellung die Gemeindefinanzkom-mission bereits veranlasst hat, seien Beiträgezur Sicherstellung eines Mindestmaßes ankommunaler Handlungsfähigkeit. Die Kreis-tagsabgeordneten seien wie die kommuna-len Hauptverwaltungsbeamten aufgerufen,die sich immer weiter zuspitzende desaströ-

se Situation der Kommunalfinanzen gegen-über den politischen Entscheidungsträgernauf Bundes- und auf Landesebene deutlichzu machen.

EILDIENST LKT NRWNr. 10/Oktober 2010 20.10.01

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Aus dem LandkreistagAus dem Landkreistag

Reges Interesse am Kreistagsforum: LKT-Hauptgeschäftsführer Dr. Martin Klein informiertüber die Lage der Kommunalfinanzen.

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Präambel

Die Arbeitsgemeinschaft Kommunale Wirt-schaftsförderung in Nordrhein-Westfalen(AGKW NRW) sieht angesichts der Wirt-schaftskrise für ein Engagement der Kom-munen zur Stärkung des Wirtschaftsstand-orts keine Alternative. Auch wenn Bund undLand die Rahmenbedingungen für die Unter-nehmen festlegen, sind doch die Kommunender physische Standort für die Unterneh-men. Sie tragen mit vielfältigen Aktivitätenzur Förderung des Standorts bei.

Forderungen an Landtag undneue Landesregierung

Dieser kommunale Beitrag zum Wirtschafts-tandort NRW ist durch die katastrophale Fi-nanzlage vieler Kommunen gefährdet. DieAGKW NRW erwartet deshalb von Landtagund neuer Landesregierung, dass sie diekommunale Finanzmisere zu einem Schwer-punkt ihrer Politik machen und die Voraus-setzungen schaffen, dass kommunale Ein-nahmen und Ausgaben ins Gleichgewichtgebracht werden können. Nur handlungs-fähige Kommunen können im Rahmen ihrerWirtschaftsförderung einen elementaren Bei-trag zur Bewältigung der Wirtschaftskriseleisten. Hierzu bedarf es der Beseitigung derstrukturellen Mängel der Unterfinanzierungder Kommunen und der Schaffung des nö-tigen Finanzierungsspielraums für freiwilligekommunale Aufgaben. Die ´Regional Per-formance´ ist kein naturgegebenes Schicksal,sondern kann aktiv beeinflusst und gestaltetwerden. Es gibt aussichtsreiche strategischeAnsatzpunkte für Wirtschaftsförderungs-maßnahmen, die wesentlich dazu beitragen,Unternehmen in Krisensituationen zu unter-stützen und den Wirtschaftsstandort stärken.

Aktivitäten der kommunalen Wirtschafts-fördereinrichtungen

1. Der Kommunalen Wirtschaftsförderungist trotz verschiedener Organisations- undRechtsformen gemeinsam, dass mit derFörderung der Unternehmen im Wesent-lichen folgende Ziele verfolgt werden:

● Sicherung bestehender und Schaffungneuer Arbeitsplätze,

● Schaffung einer ausgewogenen Wirt-schaftsstruktur und eines guten Wirt-schaftsklimas sowie

● Sicherung und Stärkung der Finanz-kraft der Kommune sowie Stärkung der Standorte im regionalen Wettbe-werb insgesamt.

2. Um diese Ziele zu erreichen, ist die Wirt-schaftsförderung Moderator und Koordi-nator der Anliegen der Wirtschaft gegen-über Verwaltung und Politik, um dieRahmenbedingungen für die Unterneh-men vor Ort positiv zu gestalten. Die kom-munale Wirtschaftsförderung wirkt damitgegenüber der lokalen Wirtschaft als Ser-viceeinrichtung und Ratgeber in Förder-und Finanzierungsfragen, bei der Siche-rung und Pflege des Gewerbebestandes,bei der Förderung von Neugründung oderder Akquisition von Ansiedlungen.

3. Globalisierung und Internationalisierunghaben die kommunale Wirtschaftsförde-rung verändert und erfordern eine stär-kere internationale Orientierung und einestärkere fachliche Querschnittsorientie-rung von Wirtschaftsförderung. Dies be-dingt auch eine stärkere Vernetzung undKooperation mit den Wirtschaftsförder-einrichtungen von Bund und Land. Auchin Zukunft gilt es, national und interna-

tional als attraktiver Arbeitsmarkt Men-schen für den Standort Deutschland zugewinnen. Hierzu sind auch gezielte Stra-tegien zur Qualifizierung von Menschenmit Migrationshintergrund zu entwickeln.

4. Der Strukturwandel wird von den kom-munalen Wirtschaftsförderungen z. B.durch Förderung der Cluster- und Kompe-tenzfeldstrategien von Wachstumsbran-chen oder durch Förderung von neuerenEntwicklungen, die die Investitions- undTechnologiepolitik des Standorts verstär-ken, unterstützt. Die Flächenvermarktungist mit einem professionellen, kunden-orientierten Gewerbeflächen- und Immo-bilienvermarktungskonzept zu realisieren.

5. Innenstädte werden durch ein attraktivesInnenstadtangebot gestärkt, das ggf.durch eine stadtteilorientierte Wirtschafts-förderung mit Beratungs- und Unterstüt-zungsangeboten für klein- und mittelstän-dische Betriebe ergänzt wird.

6. Im verstärkten Standort- und Regionen-wettbewerb werden neben der Pflege undWeiterentwicklung der harten Standort-faktoren konkrete Maßnahmen zur Ver-besserung der weichen Standortfaktorenangeregt und eine Vernetzung der rele-vanten Akteure gefördert (Wohnen, Kul-tur und Freizeit). Die Sicherung und derAusbau der Standortqualität ist auch imHinblick auf den gespaltenen Arbeits-markt, der durch Personalengpässe imhöher qualifizierten Bereich und durchVermittlungsprobleme von gering quali-fizierten Arbeitslosen gekennzeichnet ist,erforderlich.

7. Zur Förderung der Innovationskraft alsGrundlage der Wettbewerbsfähigkeit unddes regionalen Wohlstandes unterstütztdie Wirtschaftsförderung Unternehmen– auch auf einzelbetrieblicher Ebene –, uminnovationsfördernde Maßnahmen zu im-

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Schwerpunkt: Wirtschaftsförderung in Krise und AufschwungSchwerpunkt: Wirtschaftsförderung in Krise und Aufschwung

Duisburger Erklärung:Kommunale Wirtschaftsförderungim Jahr 2010

Angesichts der problematischen Finanzsituation der Kommunen in Nordrhein-Westfalen stellt sich für die kommunalen Wirtschafts-förderer die Frage, wie mit den zur Verfügung stehenden finanziellen Mitteln ein möglichst großer Wert für die kommunale Wirtschaftvor Ort in den Kreisen der Städte und Gemeinden geschaffen werden kann. Die kommunalen Wirtschaftsförderer sind vor diesemHintergrund, aber auch im Hinblick auf eine von Politik und Öffentlichkeit stets geforderter Transparenz gezwungen, sich in zuneh-mender Weise stärker mit den Wirkungen der Tätigkeit der kommunalen Wirtschaftsförderung auseinanderzusetzen. Deshalb hat am8. Juli 2010 die Arbeitsgemeinschaft Kommunale Wirtschaftsförderung Nordrhein-Westfalen die diesjährige Jahrestagung zum Thema„Ziele, Maßnahmen, Wirkungen: Die Bedeutung kommunaler Wirtschaftsförderung“ veranstaltet. Im Rahmen der Veranstaltung wurdeein von verschiedenen Vertretern aus Wirtschaftsförderungseinrichtungen erstelltes gemeinsames Papier verabschiedet, dass die Stärkenund die Bedeutung der kommunalen Wirtschaftsförderung deutlich macht. Dieses Papier ist dazu bestimmt, sowohl den kommunalenEntscheidungsträgern als auch der interessierten Öffentlichkeit als Grundsatzpapier über die Aktivitäten der kommunalen Wirtschafts-förderung, die Herausforderungen, Instrumente und Wirkweisen zu informieren. Der Text der Duisburger Erklärung ist im Folgendenim Wortlaut abgedruckt. Eine Langfassung hierzu kann im Internet unter www.lkt-nrw.de, dort unter Themen, Wirtschaft und Verkehrheruntergeladen werden.

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plementieren. Hierzu zählt auch das The-ma Ressourcen- und Energieeffizienz alszukünftiges Geschäftsfeld, das mit Blickauf internationale Märkte entwickelt wird.

8. Den besonderen Rahmenbedingungenund Herausforderungen im ländlichenRaum wird sowohl inhaltlich als auch inBezug auf die erforderlichen Abstim-mungsprozesse zwischen Kreisen undkreisangehörigen Gemeinden Rechnunggetragen – dies betrifft insbesondere denErhalt und den zeitgemäßen Ausbau derInfrastruktur, Perspektiven für die Fach-kräfteentwicklung und die besonderenAnforderungen der Bestandspflege aufdie stärker mittelständisch ausgerichteteWirtschaftsstruktur. Mit den eigenenkommunalen Anstrengungen ist die For-derung an das Land verbunden, die ent-sprechenden landesplanungsrechtlichenHandlungsspielräume zu gewährleisten.

Sicherung der Wirtschaftsförderaktivitätender Kommunen

9. Die fachlichen Aufgaben und Anforde-rungen an die Wirtschaftsförderung sinderheblich gewachsen, sie nehmen bedeu-

tende Moderatoren- und Koordinato-renfunktionen zwischen den Unterneh-men vor Ort und der Verwaltung wahrund stellen damit wesentlich die Pro-sperität der Kommunen sicher.

10. Wirtschaftsförderung ist umso erfolg-reicher, je langfristiger und nachhaltigersie planen kann. Viele Städterankingsund Experteneinschätzungen der letztenJahre zeigen, dass die wirtschaftlicheProsperität von Städten oder Regionenkein naturgegebenes Schicksal seinmuss, sondern durch gutes Manage-ment grundsätzlich positiv zu beein-flussen ist. Dies erfordert allerdings einenlangen Atem und damit eine verbind-liche Ressourcenausstattung und poli-tische Unterstützung jenseits von po-litischen Konjunkturzyklen.

11. Wirtschaftsförderung sollte sich bei derpersonellen Ausstattung in Menge undQualifikation den Wirtschaftsförderungs-themen jedes Standortes anpassen. Hier-bei muss sich die Anzahl der Mitarbeiteran den bisher geleisteten Aufgaben so-wie an den neuen Herausforderungenund zusätzlichen Aufgaben orientieren.Die Anforderungen an die Qualifikationdes Personals lassen sich mit der übli -

chen TVöD-Vergütung nur schwer um-setzen. Darüber hinaus sind die Aus- undWeiterbildung der Wirtschaftsförderersicherzustellen.

12. Von der Wirtschaftsförderung werdenämter- und fachübergreifende Kompe-tenzen seitens der Wirtschaft erwartet,auf die die Kommunen adäquat reagie-ren müssen. Die moderne Wirtschafts-förderung ist daher mit verwaltungsin-ternen, ressortübergreifenden Entschei-dungskompetenzen auszustatten, um imSinne der Kundenorientierung zeitnaheEntscheidungen auf der Verwaltungs-ebene herbeiführen zu können.

13. Trotz der finanziellen Engpässe der Kom-mune müssen die Standorte gerade jetztin ihre „Zukunft“ investieren. Daher soll-ten Spielräume für interkommunale Zu-sammenarbeit in der Wirtschaftsförde-rung ausgelotet, Synergien durch Zu-sammenarbeit auf „Augenhöhe“ ge-schaffen und eine entsprechende Ar-beitsteilung und/oder Finanzierung vor-gesehen werden.

EILDIENST LKT NRWNr. 10/Oktober 2010 80.12.01

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Mitglieder der Gütegemeinschaft Mittel-standsorientierte Kommunalverwaltun-

gen e.V. sind hinsichtlich dieser Forderungenallen übrigen Kommunen einen entschei-denden Schritt voraus. Sie haben durch eineÜberprüfung ihrer Verwaltungsvorgängeihre Geschäftsprozesse optimiert, Bearbei-tungszeiten reduziert und damit die entschei-denden Voraussetzungen für eine wirtschafts-förderliche Verwaltungspraxis geschaffen.Um dem eigenen Interesse als Wirtschafts-standort zu dienen, haben sie die kommu-

nalen Leistungen am Nutzen der Unterneh-men ausgerichtet.Zertifizierungsverfahren gehören in der Wirt-schaft bereits zu den Wettbewerbsvorteilenund sind dort Qualitäts- und Gütemaßstab.Mit dem RAL-Gütezeichen wurde ein ver-gleichbares Instrument erstmals für den öf-fentlichen Bereich geschaffen. Um denUnternehmen ein Höchstmaß an Qualität imUmgang mit ihrer Kommunalverwaltung zugarantieren, wurde die Bewertungslatte zurErlangung des Gütezeichens hoch gelegt.

Zertifizierte Kommunen haben mit einerQualitätsoffensive im Dienstleistungsbereichdie richtigen Akzente gesetzt und präsen-tieren sich nachweislich als mittelstands-freundliche Verwaltungen. Zwölf Kommunen aus Deutschland habenim April 2006 die Gütegemeinschaft Mittel-standsorientierte Kommunalverwaltungene.V. gegründet – darunter auch der KreisPaderborn als erste Kommune in Ostwest-falen-Lippe. Sie entwickelten 13 messbareKriterien für die Überprüfung der Leistungs-

Schwerpunkt: Wirtschaftsförderung in Krise und AufschwungSchwerpunkt: Wirtschaftsförderung in Krise und Aufschwung

Gerade in Zeiten, die durch wirtschaftliche Schwierigkeiten geprägt sind, erwarten die Inhaber mittelständischer Unternehmen vonden Kommunalverwaltungen für sich und ihre Beschäftigten unbürokratische und rasche Hilfe. Wenn das wirtschaftliche Umfeld sichrasant ändert und Entwicklungs- wie Entscheidungszyklen tendenziell immer kürzer werden, wird erwartet, dass Verwaltungen Rahmen-bedingungen schaffen, die den wirtschaftlichen Erfolg unterstützen und helfen, Arbeitsplätze zu erhalten und neue zu schaffen. Imzunehmend globalen Wettbewerb müssen Unternehmen auf Marktanforderungen flexibel und schnell reagieren und wollen dahernicht unnötig auf endlos lange behördliche Benachrichtigungen, Entscheidungen oder Genehmigungen warten. Immer wieder fordernUnternehmen transparente Genehmigungs- und Entscheidungswege, die Schaffung zentraler Anlaufstellen bei den Kommunen,beschleunigte Verwaltungsabläufe sowie eine zielorientierte Betreuung vor Ort.

Sich den Herausforderungen erfolgreich stellen –MittelstandsfreundlicheVerwaltung als StandortfaktorVon Manfred Müller,Landrat des Kreises Paderborn und 1. Vorsitzenderder Gütegemeinschaft MittelstandsorientierteKommunalverwaltungen e.V.

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fähigkeit der kommunalen Verwaltungenwie etwa die Vorgabe von Fristen und Ziel-werten bei der Zahlung von Rechnungen(innerhalb von 15 Arbeitstagen) oder Bear-beitungs- und Informationsfristen bei Einga-ben und Beschwerden. Darüber hinaus stel-len die Kriterien klare Anforderungen beiAnfragen oder Anträgen von Unternehmenwie beispielsweise im Rahmen eines Bau-genehmigungsverfahrens: Rückruf oderAntwortmail nach einem Arbeitstag, Ein-gangsbestätigung unter Nennung eines zu-ständigen Ansprechpartners nach drei Ar-beitstagen und Entscheidung über dasgewerbliche Bauvorhaben nach 40 Arbeits-tagen.Alle zwei Jahre werden die Leistungen derMitgliedskommunen von der TÜV Nord CertGmbH als unabhängigem Auditor auf Über-einstimmung mit den Güte- und Prüfbes-timmungen überprüft. Nur wer sich dieser

Herausforderung eines regelmäßigen Auditsstellt und die 13 Prüfkriterien auch weiter-hin erfüllt, kann den RAL-geprüften und zer-tifizierten Status einer mittelstandsorientier-ten Kommune auch weiterhin führen. DerKreis Paderborn wird im Frühjahr 2011 be-reits zum zweiten Mal rezertifiziert. Grund-lage der Zertifizierung sind die Güte- undPrüfbestimmungen für mittelstandsorien-tierte Kommunalverwaltungen, die gemein-sam vom Deutschen Institut für Gütesiche-rung und Kennzeichnung e.V. (RAL) undder Gütegemeinschaft entwickelt wurden. Die Unternehmen profitieren gerade in wirt-schaftlich schwierigen Zeiten als Kunden derKommunalverwaltungen von einer Straffungvon Verwaltungsabläufen. Das RAL-Güte-zeichen bietet als deutschlandweit anerkann-tes Qualitätsmerkmal eine sichere Orientie-rung für den Mittelstand. Zudem geltenmittelstandsorientierte Kommunalverwaltun-

gen als wesentlicher Vorteil im Standortwett-bewerb. Die Verlässlichkeit im Umgang mitder Behörde schafft einen erheblichen Stand-ort-Mehrwert für die Unternehmen. Der wirt-schaftliche Erfolg einer Region und seinerUnternehmen ist untrennbar mit einer leis-tungs- und kundenorientierten Verwaltungverbunden.

www.gmkev.de

EILDIENST LKT NRWNr. 10/Oktober 2010 80.10.04

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I. Stadt und Land

Der grundsätzliche Unterschied zwischengroßstädtisch geprägten Verwaltungsstruk-turen und denen im kreisangehörigen Raumliegt in den aufgeteilten Zuständigkeiten.Umso schwieriger ist es, den Kunden derWirtschaftsförderung Dienstleistungen auseiner Hand anzubieten. Für größere kreis-angehörige Städte mag sich diese Fragenicht so sehr stellen wie für kleinere Ge-meinden. Oft sind es auch große kreisange-hörige Städte, um die herum die Kreise umeine eigene Identität kämpfen müssen. Inder Regel ist es aber genau anders herum,dass kleinere Kommunen nicht in der Lagesind, entsprechende Kompetenzen für eineeffektive Wirtschaftsförderung aufzubauen.In solchen Fällen ist es dann zumeist dieKreisverwaltung, die diese Funktionen – inwelcher Organisationsform auch immer –wahrnehmen muss.

II. Harte Standortfaktoren

Ein wesentlicher Unterschied zwischen demländlichen und dem städtischen Raum isteine Kernaufgabe kommunaler Wirtschafts-

Schwerpunkt: Wirtschaftsförderung in Krise und AufschwungSchwerpunkt: Wirtschaftsförderung in Krise und Aufschwung

Harte Zeiten für die Wirtschaft bedeuten auch steigende Anforderungen an die kommunale Wirtschaftsförderung. Dabei stellen sichdie Herausforderungen einer Kreiswirtschaftsförderung deutlich anders dar als in den großen Metropolregionen. Die Kreise balancierenin ihren Herausforderungen zwischen den eher traditionellen Strukturen von mittelständisch geprägten Wirtschaftsregionen und einerzunehmenden Internationalisierung der heimischen Industrie. Oft sind es sogar noch familiengeführte Unternehmen, deren Identifikationmit dem Standort eher emotional geprägt ist, anstatt diesen Aspekt ausschließlich unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu beurteilen.

Neue Ideen für regionale Impulse –Wirtschaftsförderung im Kreis LippeVon Thomas Wolf-Hegerbekermeier,Leiter des Bürger- und Unternehmerservicesdes Kreises Lippe

Gemeinsam mit allen kreisangehörigen Städten und Gemeinden, der BezirksregierungDetmold, den Kammern und weiteren für Unternehmen wichtigen Institutionen beschleunigtder Kreis Lippe Genehmigungen für gewerbliche Bauvorhaben innerhalb garantierter Fristen.

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förderung, nämlich die Vermarktung vonGewerbeflächen. Kreisangehörige Städteund Gemeinden sind zumeist nicht nur Ei-gentümer der erforderlichen Flächen, son-dern auch Träger der kommunalen Planungs-hoheit. In diesen Kernbereich kommunalerSelbstverwaltung wird sich keine Kommu-ne gerne von einem anderen hineinredenlassen, und das zu Recht. Allenfalls beiinterkommunalen Gewerbegebieten kommtden Kreisen in ihrer Funktion als Planungs-aufsicht eine koordinierende, unter Umstän-den sogar eine fördernde Rolle zu, die aber

an der grundsätzlichen Aufgabenzuordnungnichts ändert.Neben den Grundstücken sind es oft diesteuerlichen Hebesätze, die als harte Stand-ortfaktoren ins Feld geführt werden. Wieman in der aktuellen Diskussion zur Gewer-besteuer auch stehen mag, ist die Hebe-satzautonomie ein Kernstück der kommuna-len Finanzhoheit und damit der kommunalenSelbstverwaltung. Kreise verfügen über kei-ne eigenen Einnahmequellen, sondern fi-nanzieren sich zum großen Teil über eineUmlage, die sie von ihren kreisangehöri-gen Städte und Gemeinden erheben. Fürderen Bemessung wird zwar auch die Steu-erkraft der Kommunen und damit auch dasGewerbesteueraufkommen berücksichtigt,als Steuerungsinstrument der kommuna-len Wirtschaftsförderung ist sie jedoch fürdie Ebene der Kreise nicht geeignet.

III. Wirtschaftsnahe Verwaltung

In der regelmäßigen „Konkurrenz um dieKunden“ zwischen kommunaler Wirtschafts-

förderung und den Kammern, die sich alsSelbstverwaltungseinrichtung der Wirtschaftstets als erster Ansprechpartner der Betriebebegreifen, ist eine Tatsache nicht von derHand zu weisen: Genehmigungen gibt esnur bei der Behörde, seien es Baugenehmi-gungen, wasser- oder bodenrechtliche Er-laubnisse oder immissionsrechtliche Fragen.Kommunale Wirtschaftsförderung ist alsoimmer zunächst wirtschaftsnahe Gestaltungder notwendigen Genehmigungsverfahren.Die Unternehmen erwarten von ihrer Stand-ortverwaltung vor allen Dingen Zuverlässig-

keit und Schnelligkeit. Niemand kann voneiner öffentlichen Verwaltung verlangen,rechtswidrige Genehmigungen zu erteilen.Aber im Rahmen des rechtlich möglichensind die Verwaltungen aufgefordert, mög-lichst wirtschaftsnah zu handeln. Hier kommtder Wirtschaftsförderung oft eine Art „Me-diatorenrolle“ zu.Sie vermittelt im konkreten Einzelfall zwi-schen den betrieblichen Interessen und denpolitischen Zielsetzungen der anzuwenden-den Vorschriften. Diese Betriebsberatung imSinne des öffentlich-rechtlich Machbaren istein wichtiger Baustein im Portfolio kommu-naler Wirtschaftsförderung.

IV. Subsidiarität auf Kreisebene

Doch auch das Anforderungsprofil an eineklassische Wirtschaftsförderung ist auf Kreis-ebene ein ganz anderes als in kreisfreienStädten. Während es dem großstädtischenLiegenschaftsamt – abgesehen von inner-städtischen Planungsprozessen – grundsätz-lich egal sein dürfte, an welcher Stelle der

Stadt der Unternehmer sich ansiedelt, kannein Wirtschaftsförderer auf Kreisebene nichtin eigener Selbstherrlichkeit entscheiden, inwelche Kommune sie ein ansiedlungswilli-ges Unternehmen lenken möchte. Hierfürsind aufwändige Abstimmungsprozesse zwi-schen dem Unternehmen und den Kommu-nen erforderlich.Die Rolle einer Kreiswirtschaftsförderungorientiert sich demnach grundsätzlich an-hand eines Subsidiaritätsprinzips: Immerdann, wenn die kreisangehörige Kommunedie konkrete Dienstleistung nicht erbringen

kann oder will, kommt die Kreisebene insSpiel. Daraus folgt, dass die Rolle der Krei-se im Bereich der Wirtschaftsförderung vorallem in der Beratung und der Netzwerkar-beit liegt. Diese Beratung kann sich auf Fi-nanzierungsfragen und Fördermittel füransiedlungswillige oder ansässige Unterneh-men beziehen oder auf kommunale Themenwie regionales oder überregionales Stand-ortmarketing. Auch vor dem Hintergrundder Clusterpolitik des Landes NRW zur Um-setzung der Ziel-2-Strategie der EU sitzendie Experten für die Projektentwicklung undAntragstellung zumeist in den Kreishäusernund weniger in den Rathäusern kleinerKommunen.Das bedeutet, dass die kreisangehörigenKommunen einen direkteren Einfluss auf dieharten Standortfaktoren haben und die Krei-se als regionale Bündelungsbehörde eher imBeratungssektor tätig sind. In den Gesprä-chen mit den Kommunen wird schnell deut-lich, dass immer dort, wo kreisangehörigeStädte und Gemeinden über eigenen Sach-verstand für die Wirtschaftsförderung ver-fügen, die Rolle der Kreise in erster Linie als

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Schwerpunkt: Wirtschaftsförderung in Krise und AufschwungSchwerpunkt: Wirtschaftsförderung in Krise und Aufschwung

Für die kommunale Wirtschaftsförderung steht ihre Kernaufgabe ei-nes wirtschaftsnahen Genehmigungsmanagements im Mittelpunkt.

Effektive kommunale Wirtschaftsförderung funktioniert in Lippenur im Netzwerk der vorhandenen regionalen Partner.

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Motor zur Entwicklung weicher Standortfak-toren gesehen wird. Dazu zählen vor allem:

● Regionales Tourismus- und Standort-marketing

● Aufbau überkommunaler Bildungs-strukturen und Steuerung regionalenBildungsmanagements

● Entwicklung der landschaftlichenFreiräume als attraktiver Freizeitfaktor

● Vereinbarkeit von Familie und Beruf● Ortsnahe Gesundheitsversorgung auf

hohem medizinischem Niveau

V. Arbeitenim Netzwerk

Herausforderungen der Unternehmen, dieeinen inhaltlichen Berührungspunkt mitkommunaler Wirtschaftsförderung haben,finden sich an vielerlei Punkten. Oft ist essogar die Funktion eines „Anwalts in derRegion“, den die Wirtschaftsförderung aufbesonderen Wunsch in der eigenen Verwal-tung und darüber hinaus einnehmen kann.Es wäre jedoch vermessen zu glauben, mitder Wirtschaftsförderung einer Kreisverwal-tung den ganzheitlichen Ansprechpartnerfür betriebliche Probleme gefunden zu ha-ben. Dem setzen schon die Tarifautonomie,die Selbstverwaltungsstrukturen der Wirt-schaft oder auch die Kreditwirtschaft of-fensichtliche Grenzen. Immer wieder auf´sNeue gilt es, den richtigen Partner zu finden,Allianzen zu schmieden oder Beratungsan-gebote zu vermitteln. Deswegen funktio-niert kommunale Wirtschaftsförderung nurim Netzwerk der vorhandenen Akteure.Nicht alle Regionen verfügen über die iden-tische Trägerstruktur für sämtliche Themen-felder der regionalen Entwicklung. In derRegel arbeiten kommunale Wirtschaftsför-derungen zusammen mit:

● Regionalen Wirtschaftskammern und-verbänden

● Banken und Kreditinstitute1

● Träger der regionalen Arbeitsmarkt-und Beschäftigungspolitik

● Tarifparteien ● Hochschulen und hochschulnahe Institute● Bildungsträger

Aus der heterogenen Struktur der Städteund Gemeinden resultiert auch die Fragenach der nötigen Kompetenz. Wirtschafts-förderung gehört kommunalverfassungs-

rechtlich immer noch zum Bereich der frei-willigen Selbstverwaltungsaufgaben, auchwenn das EA-Gesetz NRW2 davon in Tei-len jetzt eine Ausnahme gemacht hat.Deswegen werden sich vor allem kleinereKommunen in Zeiten des Neuen kommuna-len Finanzmanagements und wirtschaftlicherKrise besonders schwer tun, die erforderli-che Beratungskompetenz zu allen Fragenentlang einer betrieblichen Firmenbiogra-fie vorzuhalten. Hier macht es Sinn, solcheKompetenzen im Rahmen der Ausgleich-funktion der Kreise auf der nächsten Ebe-ne anzusiedeln. Leider nehmen gerade klei-nere Unternehmen die Kreise ausschließlichals Genehmigungs- und Verwaltungsbe-hörde wahr, denn als helfender und för-dernder Berater und Partner.

VI. 5-Säulen–Modell des Kreises Lippe

Vor diesem Hintergrund hat der Kreis Lippefür die bei ihm als Stabsstelle geführte Wirt-schaftsförderung gemeinsam mit den ihrstrukturell verbundenen Partnern und Be-teiligungen ein 5-Säulenmodell entwickelt,mit dem er die zuvor beschriebenen Her-ausforderungen bearbeitet (Abb. rechts):

VI.1 Betriebsberatung

In der Betriebsberatung bündelt der KreisLippe das klassische Handlungsfeld einerkommunalen Wirtschaftsförderung. Ein gro-ßes Augenmerk richtet er dabei auf die Ver-mittlungsfunktion zwischen den wirtschaft-lichen Interessen der Unternehmen auf dereinen Seite und der notwendigen Umset-zung rechtlicher Vorgaben durch die Ver-waltung auf der anderen Seite. Die Erfah-rungen zeigen, dass es in der Regel durchausmöglich ist, solche Interessen in Überein-kunft zu bringen. Doch oft wissen die Unter-nehmen nicht, wen sie zum Fürsprecher ihrerIdeen und Vorhaben in der Verwaltung ma-chen können. Hier springt die Wirtschafts-förderung des Kreises Lippe ein und ver-mittelt Gespräche, macht Lösungsvorschlägeund kommuniziert mit den Beteiligten. Der andere Schwerpunkt der Betriebsbera-tung liegt in der Unterstützung der Unter-nehmen in konkreten Einzelvorhaben, seies die Suche nach einschlägigen Förderpro-grammen oder sei es die Vermittlung rich-tiger Ansprechpartner im gesamten öffent-lichen Sektor. Als dienstleistungsorientierter„Interessenmakler“ hilft die Kreiswirtschafts-förderung so bei der Unterstützung von In-vestitionsvorhaben, Prozessentwicklungenbis hin zu Personalmaßnahmen. Immer wich-tiger wird zudem die Frage nach Beratun-gen im Bereich der Kreditfinanzierungen.Für die Unternehmen ist sicherlich die Haus-bank stets der erste Ansprechpartner, wenn

es um Finanzierungsfragen geht. Die Wirt-schaftsförderung des Kreises Lippe hält Kon-takte zu den Förderbanken des Bundes unddes Landes Nordrhein-Westfalen sowie derihr verbundenen Kreditwirtschaft vor Ort undkann so vielleicht den ein oder anderen Hin-weis geben, den das Unternehmen von sei-ner Hausbank nicht ungefragt erhält. (Wei-tere Infos: www.kreis-lippe.de/wirtschaft)

VI.2 Regionalagentur Ostwestfalen-Lippe

Ein Mitarbeiter die Regionalagentur OWLerweitert vor Ort das Beratungsspektrum derWirtschaftsförderung des Kreises Lippe. DieRegionalagentur OWL ist eine Transferstellezwischen dem Ministerium für Arbeit, Inte-gration und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen und der Region Ostwestfalen-Lippe.Sie ist verantwortlich für die Abstimmungund Umsetzung der Landesarbeitspolitik vorOrt, das heißt. sie entwickelt, berät und ko-ordiniert Förderungen für kleine und mitt-lere Unternehmen, für junge Menschen aufdem Weg in den Beruf und für Benachteiligteam Arbeitsmarkt. Dabei werden regionaleStärken und besondere Herausforderungenin OWL besonders berücksichtigt. Entspre-chend der thematischen Prioritäten des Ope-rationellen Programms zur Umsetzung desEuropäischen Sozialfonds in NRW teilen sichdie Programme des Ministeriums für Arbeit,Integration und Soziales in drei Themen-felder:

● Förderung der Beschäftigungsfähigkeit● Jugend und Berufsausbildung● Integration besonderer Zielgruppen in

den Arbeitsmarkt

Themenfeldübergreifend werden innovativeVorhaben als regionale Leuchtturm-Projek-te vom Ministerium für Arbeit, Integrationund Soziales NRW gefördert. Mit Hilfe vonBildungsschecks und -prämien und mit derFörderung durch Potenzialberatungen unter-stützt die Regionalagentur OWL die Be-schäftigungsfähigkeit, in dem sie die Weiter-bildungs- und Innovationsaktivität vonBeschäftigten und Unternehmen steigert,damit die für betriebliche Entwicklungen be-nötigten Qualifikationsprofile bereitgestelltwerden können. Vielfältige Projekte unter-stützen die Bemühungen der Region zurSteigerung der Ausbildungsmöglichkeitenund -fähigkeiten von Jugendlichen sowiezur Integration von Frauen oder auch Mi-granten in den regionalen Arbeitsmarkt. ImJahr 2009 flossen so über zehn Millionen Eu -ro an Fördergeldern über die Regionalagen -tur OWL nach Ostwestfalen-Lippe. (WeitereInfos: www.regionalagentur-owl.de)

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Schwerpunkt: Wirtschaftsförderung in Krise und AufschwungSchwerpunkt: Wirtschaftsförderung in Krise und Aufschwung

1 Vgl. dazu den interessanten Beitrag der „anderenSeite“: Brandt, Arno und Skubowius, Alexander,Regionale Kreditinstitute und Wirtschaftsförde-rung, in: RegioPol - Die Krise, Zeitschrift für Re-gionalwirtschaft, Heft 2, 2009, S. 159 ff.

2 Gesetz zur Bildung Einheitlicher Ansprechpartnerin Nordrhein-Westfalen

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VI.3 Institut für den Mittelstandin Lippe (IML)

Seit nahezu zehn Jahren unterhält der KreisLippe gemeinsam mit der privaten Fach-hochschule des Mittelstands in Bielefeld(FHM) ein Institut für den Mittelstand inLippe (IML). Das IML ist als Stiftungsinstitutfür die Förderung der mittelständischen Wirt-schaft im Kreis Lippe tätig. Wissenschaftlichfundierte Analyse und Beratung in der mittel-ständischen Wirtschaft sowie auf den Mittel-stand orientierte Lehre sind die Kernkom-petenzen des Instituts.Als einer der ersten Anbieter in OWL instal-lierte das IML eine akademische und berufs-begleitende Weiterbildungsmöglichkeit zumMaster of Business Administration (MBA),den das IML mittlerweile im Bereich derUnternehmensführung und des Umwelt-managements anbietet. Diesen akademi-schen Anspruch setzt das IML aktuell durchdie deutschlandweit vorbildliche Implemen-tierung eines berufsbegleitenden Doktor-andenprogramms zum Doctor of BusinessAdministration (DBA) fort.

Den Kernkompetenzen des Kreises Lippeals Tourismusdestination trägt das IML durchdas Angebot eines Tourismus-BetriebswirtesRechnung. Das IML ist Ausrichter der regel-mäßig stattfindenden Unternehmensfrüh-stücke des Kreises Lippe. Mit zahlreichen

Förderprojekten trägt das IML zur Entwick-lung strategischer Managementkompeten-zen der heimischen Unternehmen bei. In Fi-nanzmarktstudien untersuchte das IML zumBeispiel das Finanzanlageverhalten von klei-nen und mittleren Unternehmen, um soSchlussfolgerungen zu finanzmarktlichenMaßnahmen vor Ort ziehen zu können. DasIML ist ein wichtiger Wirtschaftsförderungs-baustein für eine nachhaltige Strukturent-wicklung in Lippe, denn durch die ausgewie-sene Kompetenz des wissenschaftlichenPersonals und eine strategische Verknüp-fung mit den Ressourcen einer regionalenHochschule bieten sich außergewöhnlicheMöglichkeiten der Projektarbeit für die re-gionale Entwicklung. (Weitere Infos: www.iml-fhm.de)

VI.4 Lippe Tourismus & Marketing AG

Das Marketing für den WirtschaftsstandortLippe hat der Kreis Lippe seiner Lippe Tou-rismus & Marketing AG (LTM) übertragen.Die LTM ist in Form einer Aktiengesellschaftorganisiert, an der sowohl lippische Unter-

nehmen als auch die die öffentlichen Handbeteiligt sind. Die LTM steht im Kreis Lippefür ein ganzheitliches und zukunftsweisen-des Tourismus- und Wirtschaftsstandortmar-keting. Als Marketinggesellschaft stützt siesich dabei auf die Bereiche Tourismusmarke-

ting, Veranstaltungsmanagement und Wirt-schaftsmarketing. In vielfältigen Koopera-tionen nimmt die LTM Aufgaben für dasStadtmarketing beauftragender Kommu-nen wahr oder ist Auftragnehmer für dieVermarktung konkreter Gewerbeflächen,wie etwa das neue interkommunale Ge-werbegebiet der Städte Blomberg, Schie-der-Schwalenberg und Horn-Bad Meinberg.Ein Schwerpunkt der Arbeit der LTM imJahre 2009 lag sicherlich in der Umsetzungdes internationalen Kulturprogramms „Her-mann2009“. Im Jahr 2009 jährte sich dieVarusschlacht, auch bekannt als Schlacht imTeutoburger Wald, zum zweitausendstenMal. Für den Kreis Lippe war dies ein guterGrund, sich mit der Geschichte um Armi-nius und Varus mit zahlreichen Veranstal-tungen, Aktionen und Ausstellungen zuwidmen. Das Varusjahr brachte 2009 nichtnur besonders intensive mediale bundes-weite Aufmerksamkeit und viele Besucherin den Kreis Lippe, sondern schmiedete dieeinheimische Bevölkerung und Wirtschaftzusammen.Die umfangreichen Aktivitäten konnte dieLTM nur durch außergewöhnliche und nach-haltige Kooperationen mit der heimischenWirtschaft umsetzen. Insgesamt wurde in141 verschiedenen Medien über das Va-rusjahr und den Kreis Lippe berichtet. Elfüberregionale Printmedien berichteten ininsgesamt 76 Artikeln über das Programmzum Hermann2009. Von der damit erreich-ten Steigerung des Bekanntheitsgrades pro-fitieren auch die heimischen Unternehmen.(Weitere Infos: www.land-des-hermann.de)

VI.5 EU.NRW.OWL –Projektbüro desKreises Lippe

Wer hilft weiter, Informationen über För-derprogramme zu beschaffen und zu kom-munizieren? Wie kann Projektentwicklungund Lobbyarbeit für die Region effektivund nutzbringend eingesetzt werden?Seit Frühjahr dieses Jahres ist der Kreis Lippeim EU-Verbindungsbüro des Landkreista-ges NRW in Brüssel vertreten und berich-tet vor allem über kreisrelevante Entwick-lungen auf europäischer Ebene, beschafftInformationen insbesondere zu den verschie-denen Förderprogrammen und unterstütztAntragsteller im Rahmen ihrer Möglichkeitenbei der Einwerbung von Fördermitteln fürkonkrete Projekte. Ein wesentliches Ziel des Projektbüros ist es,durch innovative Projektentwicklung För-dermittel für die Region zu akquirieren. Die-se innovative Form der Regionalentwicklunghat sich allein im laufenden Jahr in insges-amt 20 entwickelten Projekten mit einembeantragten Fördervolumen von sieben Milli-onen Euro niedergeschlagen. Aktuell hat das

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Schwerpunkt: Wirtschaftsförderung in Krise und AufschwungSchwerpunkt: Wirtschaftsförderung in Krise und Aufschwung

Das 5-Säulenmodell der lippischen Kreiswirtschaftsförderung und ihr strukturell verbundenerPartner nach den Grundsätzen der kommunalen Selbstverwaltung, wirtschaftsnahenGenehmigungsverwaltung und Subsidiarität auf Kreisebene.

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Projektbüro des Kreises Lippe einen Schwer-punkt auf den für die Region so wichtigenTourismusbereich gelegt und allein hierfüracht eigene Projekte mit einem Fördervo-lumen von 3,5 Millionen Euro über den Eu-ropäischen Fonds für regionale Entwicklung(EFRE) beantragt. Ebenfalls als wichtigesThema des Projektbüros haben sich dieTransferaktivitäten mit der Hochschule OWLherausgestellt. Zurzeit betreuen der KreisLippe und die Hochschule OWL sechs dortentwickelte EFRE-Projekte mit einem För-dervolumen von 1,4 Millionen Euro und pla-nen neue Formen des Innovationsmanage-ments für Lippe. Das Themenspektrumreicht von Existenz- über Innovationsförde-rung bis hin zu Themen wie Umwelt- undEnergieeffizienz. Diese Form der Koopera-tion wird dadurch möglich, dass Kreis undHochschule das Know-How für Projektent-wicklung und Förderanträge gebündelt ha-ben und gemeinsam in den DüsseldorferMinisterien auftreten. (Weitere Infos: www.kreis-lippe.de/wirtschaft/eu-projektbuero)

VI. Fazit

Die Aufgaben einer Kreiswirtschaftsförde-rung sind geprägt vom Miteinander der

Kreise und der kreisangehörigen Städte undGemeinden. Das kommunale Dienstleis-tungsspektrum ist immer erst durch dasZusammenspiel von kommunaler und Kreis-ebene vollständig darstellbar. Die Kernauf-gabe liegt nach wie vor in der Gestaltungund Begleitung wirtschaftsnaher Genehmi-gungsprozesse sowie der Vermittlung zwi-schen betrieblichen Interessen auf der einenSeite und rechtlichen Rahmenbedingungenauf der anderen Seite. Gleichwohl verfügenvor allem die kleineren Gemeinden oft nichtüber das notwendige Knowhow, um imkommunalen Standortwettbewerb mithal-ten zu können. Hier bieten sich die Kreiseangesichts eines immer komplizierter wer-denden Förderdschungels und der zuneh-menden Bedeutung der Europäischen Unionfür regionale Entwicklungsprojekte als Be-ratungs- und Kompetenzzentren für kom-munale Entwicklungsaufgaben an.

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Als eine der wenigen Wirtschaftsförde-rungsgesellschaften in Nordrhein-West-

falen hat die GfW bereits seit 1996 auch diezentrale touristische Vermarktung unter derDestinationsmarke „Kulturland Kreis Höxter“übernommen. Gerade auch zu diesem fürden Kreis Höxter wichtigen Wirtschaftssek-tor folgen später noch einige Hinweise ausder Praxis zur Zusammenarbeit mit unserenStädten.

HerausforderungBreitbandversorgung

Vorab ist aber ein aktuelles kreisweites Pro-jekt in den Vordergrund zu stellen, das die

Arbeit der GfW als Netzwerker für die Städ-te und Ortschaften im Kreis Höxter sehr gutverdeutlicht. Die Breitbandversorgung ist für die länd-lichen Gebiete ein entscheidender Infrastruk-turfaktor für die Zukunft. Diese Aussagewurde von Politik und Gremien kreisweitaufgenommen und auf die Agenda der Dis-kussionen gesetzt. Nach einer entsprechenden Beschlussfassungdurch den Kreistag erhielt die GfW den Auf-trag, eine kreisweite Bedarfserhebung zurBreitbandversorgung durchzuführen, dieseDaten in eine Konzept- und Machbarkeits-studie zu überführen und Vorbereitungsar-beiten für eine Ausschreibung zu leisten. Mit

diesem Projekt, an dem sich neun der zehnStädte im Kreisgebiet beteiligt haben, wurdeerstmals eine neue Dienstleistungsebene fürdie Wirtschaftsförderungsgesellschaft for-muliert. Insgesamt stellte die neue Aufgabefür das gesamte Projektteam eine neue Her-ausforderung dar, da vor allem technischeAspekte in den Vordergrund der Diskussionzu rücken waren.

GemeinsameZiele und Strategien

Die gemeinsame Zielsetzung aller handeln-den Akteure ist es, die vom Kreis und vonden Städten für den Breitbandausbau aus

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Schwerpunkt: Wirtschaftsförderung in Krise und AufschwungSchwerpunkt: Wirtschaftsförderung in Krise und Aufschwung

Das Varusjahr 2009 war von herausragenderBedeutung für das Standortmarketing desKreises Lippe; konkrete Ergebnisse finden sichin der veröffentlichen Evaluation der LTM AG.

Die Gesellschaft für Wirtschaftsförderung im Kreis Höxter mbH (GfW) hat sich seit ihrer Gründung im Jahr 1991 fest in der Strukturder Dienstleister für unterschiedliche Zielgruppen im Kreis Höxter etabliert. Neben den klassischen Geschäftsfeldern im Bereich derWirtschaftsförderung wie zum Beispiel dem Angebot einer Qualitätsberatung im Feld Gründung und Festigung als StartercenterNRW und dem umfangreichen Angebot von Informations- und Beratungsleistungen kommen immer neue Tätigkeitsbereiche zurtäglichen Arbeit des GfW-Teams hinzu.

Wirtschaftsförderung als Netzwerkerfür Städte und Gemeinden – Beispiel Kreis HöxterVon Dipl.-Kaufmann Michael Stolte, Geschäftsführer der Gesellschaft für Wirtschaftsförderung im Kreis Höxter mbH

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dem Konjunkturpaket II reservierten Mittelnachhaltig für eine Kommunikationsinfras-trukturlösung einzusetzen. Eine Ausbauquote von 90 Prozent plus X imKreis Höxter wurde als strategische Ziel-setzung formuliert. Hinzu kommt die klareAnforderung, eine technische Lösung zupräsentieren, die nachhaltig ist. Bei der Tech-nologienachhaltigkeit haben wir uns selbsthohe Ziele gesetzt, nämlich eine deutlichbessere Übertragungsqualität als die vomBund und Land in diversen Leitlinien gefor-derten Mindestraten von 2 MBit/s. Der Auf-bau einer möglichst störungsfreien und fürdie nächsten Jahre bei der Wartung kosten-minimalen Lösung wurde von den Städtenund vom Kreis Höxter eingefordert.

Umsetzung in enger Kooperation mit Kreis und KommunenAm Beginn der Arbeiten steht ein Zuwen-dungsbescheid des Landes NRW über dieFörderung einer Machbarkeitsstudie für denKreis Höxter. Hier waren wir landesweit einerder ersten Kreise, die eine solche Zuwendungfür externe, technische Beratungsleistungen

erhalten haben. Anschließend erfolgte dieAusschreibung der Leistungen und die Ver-gabe an einen Dienstleister. Zeitgleich hierzuführte die Hochschule OWL, Abteilung Höx-ter, eine kreisweite Befragung der Haushalteim November 2009 zur Breitbandversorgungdurch. Als Ergebnis hieraus ergab sich einewichtige Bedarfserhebung, die auch den Gradder Unterversorgung mit Breitbandtechno-

logie und den damit verbundenen Hand-lungsbedarf deutlich machte. Die GfW hat indieser Phase alle wichtigen Informationenzusammengeführt und permanent mit denBreitbandbeauftragten der Städte kommu-niziert. Anschließend wurde ab März 2010die Infrastrukturanalyse der vorhandenenTechnologien durchgeführt. Hieraus ergabensich für die Städte wichtige Informationen zurvorhandenen und zukünftigen Struktur derBreitbandversorgung in den Kernstädten undOrtsteilen. Auf der Basis dieser Informationenund der Bedarfserhebung platzierte die GfWim Juni 2010 eine europaweite Ausschrei-bung für den Breitbandausbau im Auftragder Städte sowie des Kreises Höxter. Nacheiner ersten Auswertung der eingegangenenAngebote wird deutlich, dass die im Anfangformulierten Problemstellungen lösbar sindund wir somit dem Gesamtziel des kreiswei-ten Breitbandausbaus näher kommen.

Synergien durch ZusammenarbeitWas wird mit dieser Beschreibung eines Pro-jektprozesses deutlich? Gut aufgestellte undorganisierte Wirtschaftsförderungen können

für die am Projekt beteiligten Kommuneneinen echten Synergieeffekt und einen Mehr-wert leisten. Gerade bei organisatorisch,wirtschaftlich und technologisch komplexenThemen können die Synergien durch dieBündelung des Wissens und der Informatio-nen an einer Stelle sofort für alle Beteiligtensichtbar werden. Das Rad muss also nicht,wie im Fall des Kreises Höxter und seiner

Kommunen, zehn Mal neu erfunden werden.Hinzu kommt eine ausführliche und kom-plette Projektdokumentation, die es möglichmacht, auch in weiteren Diskussionen undAusbauschritten in den Folgejahren daraufzurückzugreifen. Somit ist als weiteres Ergeb-nis auch ein „Zukunftsatlas Breitbandver-sorgung im Kreis Höxter“ entstanden.

Erfolgsfaktor Qualität im Tourismus

Neben dieser technologischen Entwicklungist der Tourismusbereich eine zentrale Ebe-ne der Zusammenarbeit und des Netzwerksmit den Kommunen. Vor allem durch eingeändertes Konsumverhalten der Urlaubs-gäste und eine erhöhte Anforderung an dieQualität des Angebots ergeben sich kon-krete Anknüpfungspunkte für die Zu-sammenarbeit. Nicht nur, dass alle lokalenTouristinfos konsequent die gedruckten Pu-blikationen des Kreises einsetzen, sondernauch die Tatsache, dass ein kreisweites Ver-zeichnis der Unterkünfte und Pauschalen-angebote geschaffen wurde, sprechen fürdie gute Kooperation. Weiterhin sind abgestimmte und gemeinsamorganisierte Messeaktivitäten über den ge-samten Jahresverlauf ein wichtiges Elementder Zusammenarbeit. Als neuer und auch mitAlleinstellungsmerkmal versehener Arbeits-bereich ist das Thema der Zertifizierung zusehen. Hier ist die GfW vom Deutschen Tou-rismus Verband (DTV) als Zertifizierungsor-ganisation anerkannt. Auch hier arbeitet dieGfW eng mit den Städten zusammen. Ge-meinsam mit den Tourismusfachkräften vorOrt werden einzelne Objekte zertifiziert. Im Rückblick auf die bereits gelaufenen ge-meinsamen Vorgänge eine wirklich wichtigeund nachhaltige Maßnahme zur Qualitäts-sicherung in der Tourismuswirtschaft.

Fazit

Beide zuvor gezeigten Netzwerkebenen ma-chen deutlich, dass eine Wirtschaftsförde-rungsgesellschaft wie die GfW Kreis Höxterwichtige Impulse für die Infrastrukturent-wicklung aufnehmen und gemeinsam mitKreis und Städten umsetzen kann. Als Weiterentwicklung dieser Arbeitsebenenläuft derzeit im Kreis Höxter, hier insbeson-dere im Kreistag und in den Räten der Städte,die Diskussion um die strategische Neuaus-richtung der GfW. Anlass und Ansatz hier-für ist auch die Entwicklung eines neuenStandortmarketingkonzepts für den Kreis alsWirtschaftsstandort und Lebensraum. ImIdealfall bedeutet dies, dass zukünftig dieklassische Wirtschaftsförderung neben dertouristischen Vermarktung und der vielfälti-gen Projektarbeit auch ein neues Geschäfts-feld in Form des Standortmarketings erhält.

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Schwerpunkt: Wirtschaftsförderung in Krise und AufschwungSchwerpunkt: Wirtschaftsförderung in Krise und Aufschwung

Bestandsaufnahme und Machbarkeitsstudie sind wichtige Etappen beim Ausbau derBreitbandinfrastruktur. GfW-Geschäftsführer Michael Stolte und Berater Oliver Verhoe-ven erörtern mit Blick auf die Karte nächste Schritte. (Foto: GfW Höxter)

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Der besondere Stellenwert von Innova-tion und Technologie im Kreis Borken

wird aus der wirtschaftlichen Entwicklungder Vergangenheit verständlich. Bis vor 30Jahren war der Kreis Borken eher einseitigstrukturiert. Die periphere Lage des Kreisesmit einer 108 km langen und damals wirt-schaftlich noch wenig durchlässigen Grenzezu den Niederlanden war ein deutlich nach-teiliger Standortfaktor. Textil und Bekleidung– also tendenziell stark rückläufige Branchen– dominierten das wirtschaftliche Leben,ebenso die Landwirtschaft. Die wirtschaftli-che Zukunftsfähigkeit wurde als gefährdeteingeschätzt.Für den Kreis Borken galt es daher, auf einegrundlegende wirtschaftliche Neuausrich-

tung hinzuwirken. Mitte der 80er Jahre wur-de die Innovationsförderung als zusätzlichezentrale Säule der Wirtschaftsförderungsge-sellschaft für den Kreis Borken mbH (WFG)systematisch aufgebaut.

UnternehmensnaheAusrichtung

Die Innovationsförderung im Kreis Borken istkonsequent unternehmensnah ausgerichtet.Es geht in der praktischen Arbeit darum, dieweit überwiegend mittelständischen Unter-nehmen im Kreisgebiet in ihrer nationalenund internationalen Wettbewerbsfähigkeitzu stärken. Dies geschieht nicht in Form vonöffentlichkeitswirksamen Großprojekten,

sondern individuell ausgerichtet auf die Be-dürfnisse des Mittelstandes, in der Regel aufkooperativer Basis.

Innovationsförderprogramme

Wer sich mit Innovationsförderung beschäf-tigt, richtet den Blick meistens zunächst aufdie finanzielle Förderung. Dies gilt auch fürdie Arbeit der WFG. Staatliche Innovations-förderprogramme gibt es zahlreich, allerdingshängen die „Fördertrauben“ recht hoch. Fürmittelständische Unternehmen, die in ihremTagesgeschäft voll gefordert werden, ist eskaum möglich, an diese Fördermittel ohneprofessionelle Unterstützung heranzukom-men. Es ist eine durchaus anspruchsvolle Auf-

Mit diesen vier Säulen der strategischen Ge-schäftsfelder wird für den Kreis Höxter einhandlungsfähiges und qualitätsorientiertesServiceunternehmen für Wirtschaft, Kom-munen und Bürger geschaffen und weiter-

entwickelt. Die Leistungen kommen aus einerHand, sind aufgrund von Zielvereinbarungenmit den Gesellschaftern der GfW kontrollier-bar und tragen dazu bei, die Attraktivität desStandortes zu erhöhen.

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Touristinnen in Bad Driburg.

Es gibt wohl kaum eine Region in Nordrhein-Westfalen, die in den letzten 30 Jahren einen so gravierenden Strukturwandel soerfolgreich bewältigt hat wie der Kreis Borken. Einer der Schlüssel für diese beispielhafte Entwicklung war und ist die Innovations-dynamik der mittelständischen Wirtschaft, die durch eine gezielte kommunale Innovationsförderung systematisch fortentwickelt undunterstützt wird. Auch jetzt gilt es, den beginnenden konjunkturellen Aufschwung durch Innovationsimpulse zu stützen.

Beratung und Betreuung innovativerUnternehmen im Kreis BorkenVon Dr. Heiner Kleinschneider,Geschäftsführer der Wirtschaftsförderungs-gesellschaft für den Kreis Borken mbH

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gabe, in jedem Einzelfall die jeweiligen prin-zipiellen Fördermöglichkeiten zu eruierenund die individuelle Förderfähigkeit syste-matisch auszuloten. Dabei beschränkt sichdie Dienstleistung der WFG nicht nur auf dieWegweisung zu den Förderprogrammen.Die WFG betreut die Unternehmen auf demgesamten Antrags- und Förderweg, von derkonkreten Vorbereitung von Antragstellun-gen, während der Antragsbearbeitung undbis zum vollständigen Projektabschluss.

Projektmanagement

Innovationsförderung ist aber noch viel mehr,zumindest für die WFG. Ansatzpunkt ist undbleibt auch bei den weiteren Schritten immerdas einzelne Unternehmen mit seinen indi-viduellen Innnovations-Bedürfnissen. Wenn ein Unternehmen in der Praxis denKontakt zur WFG aufnimmt, ist das jeweiligeInnovationsprojekt in den seltensten Fällenvorher klar abgegrenzt und definiert. ImGegenteil: In aller Regel wird die WFG in ei-ner sehr frühen Phase einbezogen. So kanndie WFG von Anfang an mithelfen, die je-weiligen Projektziele konkret zu fassen, dieeinzuschlagenden Wege auszuloten, dievorzusehenden Projektschritte festzulegen,Projektpartner – soweit dies sinnvoll ist –einzubinden, Hindernisse im Vorfeld zu er-kennen und so letztlich den Weg zum Erfolgzu ebnen. Auch dann, wenn einmal Sand ins Projekt-getriebe kommt, gilt es für die WFG, Unter-stützung zu leisten, zum Beispiel als „Feu-erwehr“ einzuspringen und gemeinsam mitden beteiligten Unternehmen die weitereProjektentwicklung auf das richtige Gleis zusetzen (und „entgleisungssicher“ zu gestal-ten). Die reine finanzielle Förderung ausstaatlichen Förderprogrammen ist also nurein Element von mehreren – allerdings einsehr wichtiges – im Gesamtverständnis derbetriebsbezogenen Innovationsberatungder WFG.Eine so verstandene umfassende Innova-tions-Betreuungsfunktion für mittelständi-sche Unternehmen ist nur möglich, wennzwischen den Betrieben und dem Innova-tionsberater der WFG ein absolutes Vertrau-ensverhältnis besteht. Der Innovationsbera-ter muss – das ist selbstverständlich – auchin der Lage sein, das Innovationsvorhabentechnisch zu erfassen und zutreffend einzu-schätzen.Er muss zugleich die Unternehmensland-schaft in der Region ebenso wie möglicheKooperationspartner aus Forschungsinstitu-ten und Hochschulen (sowie deren Kompe-tenzen und deren Kooperationsbereitschaft)genau kennen, wenn er externe Know-how-Träger in Kooperationsprojekte einbeziehenwill. Dass die detaillierte Kenntnis der Förder-landschaft und der Förderverfahren ebenso

wie direkte Kontakte „auf Augenhöhe“ zuden Förderstellen ebenfalls dazugehören,versteht sich von selbst.

Innovations – Infrastruktur

Die anspruchsvolle Funktion der WFG als In-novationsdrehscheibe für den Mittelstand imKreis Borken ist aber nur eine Seite der Me-daille. Auf der anderen Seite steht der Be-griff Innovations-Infrastruktur, ein zentralesSchlüsselwort für die Strukturentwicklung ei-ner Region. Es geht darum, aufbauend aufden konkreten Bedürfnissen der mittelstän-dischen Unternehmen fachliche Kompetenzin die Region zu holen, die ortsnah von den

Betrieben abgerufen werden kann. Hierzuhat die WFG in den letzten 15 Jahren schritt-weise – in der Regel in Verbindung mit grenz-überschreitenden INTERREG-Förderprojekten– anwendungsorientierte Kompetenzzentrenin der Region initiiert.Ein besonders interessantes Beispiel ist dasMechatronik-Institut Bocholt (MIB), das imBereich der Querschnittstechnologie Me-chatronik in enger Zusammenarbeit mit derAbteilung Bocholt der Fachhochschule Gel-senkirchen sowie niederländischen Hoch-schulpartnern aufgebaut worden ist. Einähnlicher Weg wird derzeit in dem zukunfts-gerichteten Themenfeld Bionik vorbereitet.Unverzichtbar ist bei all diesen Aktivitäten,dass die Kompetenzzentren von der örtlichenWirtschaft nicht nur akzeptiert, sondern auchaktiv mitgetragen werden. Und das ist imKreis Borken gängige Praxis. Wo gibt esschon anderswo beispielsweise eine För-dergemeinschaft von 23 mittelständischen

Unternehmen, die sich auf Initiative der WFGverbindlich verpflichtet haben, gemeinsameine Stiftungsprofessur im Fach Bionik in Bo-cholt zu finanzieren – und das zu einer Zeit,in der Bionik bei vielen Betrachtern nochweitgehend „mittelstandsfern“ eingeschätztwird? Die WFG ist in enger Zusammenarbeitmit den fördernden Unternehmen über-zeugt, dass dieses Thema in wenigen Jahrenaus seinem bisherigen „Dornröschenschlaf“heraustreten wird und dem Mittelstand er-hebliche Impulse geben wird. Hierbei Vorrei-ter zu sein ist eine durchaus erstrebenswerteund auch dankbare Rolle.Man sieht also: Innovationsförderung imKreis Borken bedeutet nicht nur die finanziel-

le Förderung betrieblicher Innovationspro-jekte, sondern auch die Koordination von In-frastruktur-Projekten, bei denen die Betriebeselbst als Fördergeber auftreten – im Interes-se ihrer eigenen Zukunft, aber auch im Inter-esse der Region selbst.

Wissensintensive Dienstleistungen

Die Förderung innovativer Unternehmens-projekte und die Errichtung innovativer Kom-petenzzentren, das sind – wie gesagt – zweiSeiten einer Medaille. Für die WFG kommtaber noch eine weitere Dimension hinzu:Der Mittelstand braucht, wenn er erfolgreichInnovationen realisieren will, sehr oft Ver-bündete. Gemeint ist damit externes Exper-tenwissen – oft auch aus anderen Branchen.Wer kann es sich als Mittelständler dennschon leisten, ein breites fachliches Entwick-lungsspektrum mit eigenem Personal dau-

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Das Team der Wirtschaftsförderungsgesellschaft für den Kreis Borken mbH (WFG).

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Gewerbeimmobilien

Jeder, der bereits eine (Gewerbe-) Immobilieangeboten oder gesucht hat, kennt und nutztdie marktführenden Internet-Portale wie Im-mobilienscout oder Immonet. Diese hochpro-fessionellen und allseits bekannten Internet-Portale weisen jedoch den Nachteil auf, dasssie einerseits nicht hinreichend auf den je-weiligen Wirtschaftsraum, also hier die Städ-

teregion Aachen, zugeschnitten sind und an-dererseits nicht die Fragen, die ein Unter-nehmer, der seinen Zukunftsstandort re-cherchiert, umfassend beantworten (z. B.Gewerbesteuerhöhe) können. Die WFG legtaber Wert darauf, diese entscheidungsrele-vanten Informationen unmittelbar und ohnezusätzlichen Suchaufwand mitzuliefern. DieFrage war, ob der Softwaremarkt Platz fürein regionales Gewerbeimmobilienportal ne-

ben den vorgenannten „Platzhirschen“ bie-tet. Unsere Meinung hierzu war, dass dieStädteregion Aachen (ein Wirtschaftsraumfast so groß wie Hamburg, mit genauso vie-len Einwohnern wie Düsseldorf und mehrStudierenden als Harvard) durchaus genü-gend „kritische Masse“ bietet. Der Markthat unsere Einschätzung bestätigt.Der Suchende möchte heutzutage schnell,präzise und mit höchster Kundenfreundlich-

erhaft vorzuhalten? Oft wird die Zusammen-arbeit mit externen Experten auf den BegriffTechnologietransfer und damit auf die Zu-

sammenarbeit mit Hochschuleinrichtungenreduziert, doch das ist zu kurz gesprungen.Die Branche der wissensintensiven Dienst-leistungen ist auf den Vormarsch, auch ineher ländlich erscheinenden Regionen. DerKreis Borken hat aus der Historie heraus nocheinen Nachholbedarf, der allerdings seit Jah-ren – nicht zuletzt auch mit Hilfe der WFG– Schritt für Schritt aufgearbeitet wird.

Inzwischen kann der Kreis Borken durchausinteressante Standortbedingungen für wis-sensintensive Dienstleister bieten. Es gibt eindichtes Geflecht an produzierenden und ver-arbeitenden Betrieben, die derartige Dienst-leistungen zunehmend vor Ort oder zumin-dest in der Region einkaufen. Hier ist einlebendiger privatwirtschaftlicher Markt er-standen, der sich stetig ausweitet.

Clusterorientierte Vernetzung

Wenn man das Fördergeschäft als erste Stu-fe der Innovationsberatung der WFG be-zeichnen will, die Technologieinfrastruktur-Entwicklung als zweite und die Stärkungwissensintensiver Dienstleister als dritte Stu-fe, ist eine weitere, also die vierte Stufe aufder Innovationsberatungs-Pyramide in Ar-beit: die „clusterorientierte Vernetzung“ desMittelstands. Dies beinhaltet eine neue, bis-her in dieser Form in der Region noch nichtpraktizierte Art einer intensiven partner-schaftlichen und kooperativen Zusammen-arbeit ansässiger mittelständischer Unterneh-men im Innovationsgeschäft. Der Begriff „Clusterorientierung“ meint hier-bei nicht die übliche Eingrenzung auf Bran-chen oder Produktfelder, sondern es geht umeine Bedarfs- oder Interessens-Orientierung.In diesem Cluster machen also „nur“ dieje-nigen Firmen mit, die konkrete Interessen for-mulieren und bereit sind, sich auch selbstnachhaltig einzubringen. Die oben dargestell-te „Fördergemeinschaft für Bionik“ ist eineArt Basis-Modell für eine solche clusterorien-tierte Vorgehensweise.

Eine solche anspruchsvolle Zielrichtung kannnur gelingen, wenn die Partner sich unterein-ander absolutes Vertrauen entgegenbringenund wenn der Prozess einen Moderator hat,der die Fäden in die Hand nimmt und vonallen Beteiligten in seiner Rolle rückhaltlosakzeptiert wird. Mit seiner 25jährigen In-novationsberatungs-Tätigkeit und der Er-fahrung aus vielen hundert betrieblichenInnovationsprojekten ist dem WFG-Innova-tionsberater Hermann-Josef Raatgering dieseRolle auf den Leib geschrieben. Seine Wert-schätzung im innovativen Mittelstand zeigtbeispielsweise auch die Auszeichnung als„Wirtschaftsförderer des Jahres 2006“ derOskar-Patzelt-Stiftung.Insgesamt betritt die WFG mit dieser viertenStufe Förderneuland in der Region. Aktuellwird die Basis dafür gelegt, dass thematischeInnovations-Netzwerke entstehen. WelcherTechnik-Hintergrund könnte dabei derzeitspannender und zugleich zielführender seinals die Bionik? Die weiteren Schritte in dieseRichtung stehen jetzt an, der Weg ist aller-dings noch weit – und er wird ohne Zweifelmühsam sein. Wir werden hierbei einen lan-gen Atem brauchen.Gerade dort, wo Kooperation wächst, woMenschen zunächst untereinander Vertrauenaufbauen und entwickeln müssen, braucht esZeit zum Wachsen und Reifen. Nachhaltig-keit geht vor Schnelligkeit, schrittweisesWachstum vor Strohfeuer. Auch das ist einPrinzip der WFG.

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Schwerpunkt: Wirtschaftsförderung in Krise und AufschwungSchwerpunkt: Wirtschaftsförderung in Krise und Aufschwung

Kreis und WFG pflegen den engen Kontaktzur Wirtschaft: Landrat Dr. Kai Zwicker(rechts) und WFG-Geschäftsführer Dr. Hei-ner Kleinschneider (links) im Gespräch mitdem mittelständischen Unternehmer RolfF. Schneider, Stadtlohn.

Angesichts des Spardrucks wächst auch oder gerade bei der Wirtschaftsförderung die Notwendigkeit von Rationalisierungsprojekten.Mit einer neuen Softwaregeneration können gleichzeitig Rationalisierungseffekte und Transparenz in der Wirtschaftsförderung erzieltwerden. Die umfassende und aus Komponenten bestehende Portalstrategie der Wirtschaftsförderungsgesellschaft StädteregionAachen (WFG) generiert einen Zusatznutzen für alle Beteiligten.

Internet-Portale der Wirtschaftsförderung inder Städteregion AachenVon Dr. Axel Thomas, Geschäftsführer undMichael Eßers, M. A., Wirtschaftsförde-rungsgesellschaft Städteregion Aachen mbH

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keit die für ihn interessanten Immobilien fin-den. Das Portal liefert ihm alle relevantenInformationen aus einer Hand.

Für den Immobilienanbieter ist das Gewer-beimmobilienportal für die StädteRegion Aa-chen aber mindestens genauso interessantwie für die Nachfrageseite. Der Anbieterkann zielgerichtet den für ihn interessantenregionalen Markt bedienen. Die WFG unter-stützt somit kostenneutral und mit hoherProduktqualität das Marketing der durch dieKrise Gebeutelten, gleich, ob es sich beimAnbieter um Privatpersonen, Makler oderBetriebe handelt, die ihr Immobilienangebothochwertig präsentieren möchten. Waren esdirekt zu Beginn mehr als 400 Objektan-gebote, die ins Immo-Portal eingepflegtwurden, so hat sich der Bestand nach 18Monaten wegen der Markterfolge und desAufschwungs auf eine Größenordnung vonetwa 260 bis 280 Objektangeboten einge-pendelt. Ein Großteil der Angebote konntealso einer neuen Nutzung zugeführt werden.Die Verkaufs- oder Vermietungserlöse gene-riert vollständig und ausschließlich der An-bieter. Darüber hinaus herrscht ein reger Aus-tausch auf der Objektanbieterseite, was zeigt,dass die regionale Immobilienwirtschaft daskostenlose Vermarktungsinstrument ange-nommen hat. Die durchschnittliche Verweil-dauer auf dem Portal von mehr als siebenMinuten ist ebenfalls mehr als zufrieden-stellend.

Einfacher und eigenständigerAblauf als Schlüssel zum Erfolg

Wer eine Gewerbeimmobilie anbieten will,erhält von der WFG einen Zugangslink. MitHilfe dieses Schlüssels und der benutzer-freundlichen Bedienerführung ist der Kundein der Lage, seine Immobilie in das Vermark-

tungssystem der WFG einzustellen. Die WFGerkennt an, dass Immobilienscout Marktfüh-rer ist und versucht erst gar nicht, der besse-re Immoscout zu werden, sondern die regio-nale Stärke zu betonen und die Vorteile vonImmoscout zu nutzen. Der User muss sichnicht zwischen zwei konkurrierenden Sys-temen entscheiden. Immoscout ist keinWettbewerber, sondern wir sehen uns als Er-gänzung. Die Schnittstelle zu Immobiliens-cout unterstreicht das. Hierdurch hat der An-wender keinen doppelten Pflegeaufwand.Die Datenübernahme geschieht vielmehrdurch entsprechende Doppelklicks. Auch inder Darstellung der Objekte überzeugt dasPortal: Panoramabilder, Fotogalerien, Rund-um-Ansichten und vor allem virtuelle Rund-gänge konnten von Beginn an eingebundenwerden. Unsere regionale Pionierfunktion indiesem Bereich wird zudem dadurch unter-strichen, dass die Wirtschaftsförderungsge-sellschaften der Nachbarkreise Düren und

Euskirchen das Gewerbeimmobilienportal derWFG Städteregion auf ihren jeweiligenStandort individualisiert adaptiert haben.

Gewerbegrundstücke

Das Gewerbeimmobilienportal wurde imFrühsommer 2010 um den Bereich der Ge-werbegrundstücke in der Städteregion Aa-chen erweitert. Auf dem Gewerbegrund-stücksportal erwarten den Kunden visuellsehr ansprechend aufbereitete Informatio-nen zur Städteregion, zu deren Gewerbe-gebieten und zu den darin enthaltenen Ge-werbegrundstücken. Die Gewerbegebietesind einerseits direkt über die Bilddarstel-lungen anzuwählen. Andererseits kann auchüber eine Suchmaske recherchiert werden,die alle wichtigen grundstückrelevanten In-formationen abfragt.

Waren zahlreiche grafische Geoinforma-tionssysteme bisher vornehmlich auf Stadt-planer/Architekten zugeschnitten, so setzenwir mit unserem Angebot auf einen breitenKundennutzen. Es wurde eine Lösung konzi-piert, die dem Kunden ohne Spezialwissendie Daten zur Verfügung stellt, die er für sei-ne Bedürfnisse benötigt. Schnell und be-quem findet der suchende Investor eine de-taillierte Übersicht über das Flächenangebotder Region.

„Gegründet, gewachsen, gut beraten!“ in24 / 7- Verfügbarkeit Wirtschaft entwickelt sich in Wellen, die maleine Aufwärtstendenz, aber auch mal eineSeitwärtsbewegung aufzeigen oder sogarmal negatives Wachstum bedeuten. In jederPhase kann der Unternehmer Beratung gutgebrauchen. Die WFG bietet seit Anfang desJahres 2010 auf ihrer Homepage ein Bera-tungsportal an, auf dem der suchende Grün-der und/oder Unternehmer umfangreicheInformationen zu allen Unternehmensberei-chen erhält. Das Beratungsportal ist eine„runde Sache“ in Anspielung auf die Anord-nung der einzelnen Arbeitskapitel im Uhr-zeigersinn. Am Anfang des Unternehmenssteht die Gründung. Im Portal auf „null Uhr“erhalten Interessierte umfangreiche Infor-mationen zum Thema „Gründerschritte“.Neben generellen Informationen zu den ein-zelnen Gründungsphasen wie beispiels-weise die Finanzierungsphase findet er zu-dem interessante Tools und Werkzeuge wiezum Beispiel Geschäftsplanmuster, eine Vor-lage zur Finanzplanung oder Verlinkungen

zu You Tube. Kundenfreundlich ist zudem,dass die dort zu findenden Muster und In-formationsbroschüren einheitliche Formular-

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Der virtuelle Gewerbeflächenpool fasstdie Gewerbeflächen aller Städte und

Gemeinden im Kreis Kleve zu einem Ganzenzusammen. So kann eine Kommune bei einerUnternehmensansiedlung aus diesem Topfdie Menge an Fläche nehmen, die sie braucht,natürlich unter bestimmten Voraussetzun-gen, wie zum Beispiel der ökologischen Ver-tretbarkeit. Vorteil ist unter anderem, dass dasbereits im Gebietsentwicklungsplan darge-stellte Potenzial ohne eine Erweiterung derGesamtgewerbefläche optimal genutzt wird.So sorgt der virtuelle Gewerbeflächenpool füreinen sparsamen Umgang mit Freiflächen.Bislang ist die durch den Gebietsentwick-lungsplan begrenzte Gesamtgewerbefläche

des Kreises Kleve fest auf die einzelnen Kom-munen aufgeteilt. Insgesamt ist die Größeder Gewerbeflächen zwar ausreichend, je-doch ist der Bedarf der einzelnen Kommu-nen sehr unterschiedlich. Während einigeStädte und Gemeinden noch über genügendReserven verfügen, gehen die Gewerbeflä-chen bei anderen zur Neige. Die Folge ist,dass Firmen bei einer möglichen Ansiedlungihren Wunschstandort nicht verwirklichenkönnen und damit für die Region und meistauch für Nordrhein-Westfalen verloren sind.Mit der Schaffung des virtuellen Gewerbe-flächenpools sind eine flexible Vermarktungder Gewerbeflächen und somit eine effektiveWirtschaftsförderung möglich. Der Gewerbe-

flächenpool vermeidet Infrastruktur-Fehlin-vestitionen und beschleunigt Planungs- undGenehmigungsverfahren.

Anlass und Ziel

Der virtuelle Gewerbeflächenpool ist der Aus-weg aus dem kreisweit festzustellenden Di-lemma von Flächenüberhängen in einigenTeilen des Kreises Kleve und Flächenengpäs-sen an anderen Standorten. Andere Lösungs-ansätze versagen, denn:

● Zusätzliche Flächenausweisungen im Re-gionalplan sind nicht zu erwarten, da derBedarf kreisweit rechnerisch gedeckt ist.

vorlagen für die gesamte Region darstellen.Das heißt, dass die Tools bei allen Beraternverwendet werden können – egal, ob in derStädteregion Aachen oder den Nachbarkrei-sen Düren, Euskirchen oder Heinsberg. Dieweiteren „Uhrzeiten“ beschäftigen sich mitden weiteren Themen, die im Lebenszykluseines Unternehmens relevant werden kön-nen – sozusagen eine Begleitung von der„Wiege bis zur Nachfolgeregelung“. Auchdiese Rubriken sind jeweils mit entsprechen-den Checklisten, Informationen und nütz-lichen Links versehen. Darüber hinaus gibt esein Newsmodul, in dem aktuelle Nachrichtenausschließlich aus dem Geschäftsfeld Unter-nehmensberatung abgebildet werden. Auchbei dieser Entwicklung stand die Kunden-sichtweise im Vordergrund: „Der Suchendemöchte heutzutage schnell, präzise und mithöchster Zeitautonomie und Kundenfreund-lichkeit informiert werden.

Zeiteinsparung auf Anbieter- und Kundenseite

Mit dem im Portal generierten Wissen lassensich anschließend in den Beratungsgesprä-chen die relevanten Themen detailliert undeffizient durcharbeiten, da der Beratendeweitaus besser informiert ist. Einen Bera-tungsterminwunsch oder konkrete Fragestel-lungen können direkt auf dem Portal mit derMailadresse [email protected]

beim Beratungsteam der WFG platziert wer-den. Diese Anfrage wird direkt an das Bera-tungsteam gesandt, damit eine schnelle Re-aktionszeit garantiert ist. Als zusätzlicheFunktion für die Wirtschafsförderer der Städ-teregion Aachen bietet das Portal einen inter-nen Kommunikationsbereich. Dadurch wirdder Austausch (insbesondere mit der kom-munalen Seite) über die vielen verschiede-nen Fördermittelprogramme bzw. – kondi-tionen verbessert.

UnternehmensnaheVeranstaltungen und Seminare

Wir haben seit 2008 unser Seminarangebotstark ausgebaut. Alleine für die zweite Jah-reshälfte 2010 sind 18 Seminarveranstaltun-gen angesetzt, in Summe werden es in 2010weit über 30 sein. Alle unsere Seminarange-bote sind für die Teilnehmer kostenlos. Eshandelt sich dabei nicht ausschließlich, aberschwerpunktmäßig um betriebswirtschaftlicheThemen und um Fortbildungsveranstaltungenin den Bereichen des Gesundheitswesensund der Baubranche. Diese Fortbildungs-veranstaltungen sind durch die zuständigenKammern zertifiziert. Die Teilnahme wird aufden jährlichen Qualifizierungsnachweis dereinzelnen fortbildungspflichtigen Berufsgrup-pen wie Ärzte, Apotheker, Pflege- und Ge-sundheitsdienste und Architekten angerech-net. Mit diesen Maßnahmen werden diese

Branchen nicht nur umfangreich informiert,sondern auch finanz- und zeitmanagement-technisch unterstützt. Zur Vervollständigung des Angebots wird abDezember 2010 ein Seminarportal den Ge-schäftsbereich ergänzen. Der Kundenutzen(einfache und unkomplizierte Anmeldungohne Medienbrüche) steht bei der Erstel-lung wiederum im Vordergrund.

Fazit und Ausblick

Wir sind von dem im Jahr 2008 begonnenenWeg der Portalfamilie überzeugt. Die Mit-arbeiter werden von Routinevorgängen ent-lastet und können sich auf das anspruchs-volle Beratungsgeschäft konzentrieren. DerNutzer wird unabhängiger von den Büro-zeiten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.Angesichts der erzielten Prozessoptimierungund den damit verbundenen Rationalisie-rungseffekten sowie aufgrund der hohenAkzeptanz im Markt (hohe Zugriffsraten undpositive Resonanz) sehen wir uns bestätigt. Diesen Weg werden wir zukünftig weiter be-schreiten. Die nächste Maßnahme wird dasSeminarportal sein, weitere Schritte werdenim Rahmen der Gesamtstrategie folgen.

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Schwerpunkt: Wirtschaftsförderung in Krise und AufschwungSchwerpunkt: Wirtschaftsförderung in Krise und Aufschwung

Im Kreis Kleve liegen mehr als 500 Hektar verfügbare Gewerbefläche. Durch ein kreisweites Zusammenwirken der Städte undGemeinden, die mehr als 200 Hektar ihrer Flächenreserven „in einen Topf“ werfen, wird man nun alle Standortvorteile gebündelt aufden Markt bringen können, kundengerecht auf die Wünsche der Investoren flexibel reagieren. Es ergeben sich ganz neue Möglichkeitender Gewerbeansiedlung im Kreis Kleve – und zwar durch den virtuellen Gewerbeflächenpool.

Virtueller Gewerbeflächenpool im Kreis Kleve schafft Raum für AnsiedlungenVon Hans-Josef Kuypers, Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung Kreis Kleve GmbH

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In diesem Fall sieht der Landesentwick-lungsplan vor, dass vorrangig die Möglich-keiten eines übergemeindlichen Flächen-ausgleichs genutzt werden.

● Der Flächenaustausch auf bilateraler Ebe-ne scheiterte jedoch in der Vergangen-heit an kommunalen Vorbehalten.

Das „regionale Poolen“ von Ausweisungs-rechten und deren Nutzung nach transpa-renten Spielregeln sichert die nachfrage- unddamit marktgerechte Bedienung der Inves-toreninteressen. Keine Kommune verliert da-bei, alle gewinnen!Die vorbereitende gutachterliche Untersu-chung hat zum Datenstand 2006 ergeben,dass nur in vier von sechzehn Städten undGemeinden ein ausgewogenes Verhältnisvon Flächenangebot und Nachfrage besteht.Für den Kreis Kleve bestand damit erheb-licher Handlungsbedarf.

SpielregelnDas Füllen des Pools

Alle Städte und Gemeinden im Kreis Kleveverpflichten sich, Ausweisungsrechte zu fol-genden Flächenkategorien einzubuchen:

1. Flächen, die im Regionalplan und Flächen,die im Regional- und im Flächennut-zungsplan der Kommune als Bereich fürdie gewerbliche und industrielle Ansied-lung dargestellt sind, aber für die nochkein Bebauungsplan existiert.

2. Zusätzlich werden Flächen eingebucht, fürdie zwar ein Bebauungsplan existiert, dieaber noch nicht erschlossen sind und diesich nicht im Eigentum der Kommune be-finden. Zusätzlich dürfen mit dieser Flächekeine Erlöserwartungen verbunden sein,so dass der Bebauungsplan entschädi-gungsfrei aufgehoben werden kann.

Der „virtuelle Gewerbeflächenpool KreisKleve“ wird – den obigen Kriterien folgend– eine Startgröße von 200 Hektar haben. Weitere 300 Hektar stehen für Ansiedlungs-und Erweiterungsvorhaben – über Bebau-ungspläne gesichert – sofort zur Verfügung.

Die Entnahme

Eine Stadt bzw. Gemeinde kann für gewerb-liche Ansiedlungen Ausweisungsrechte ausdem Pool entnehmen, wenn

● die Ansiedlung eine Fläche von wenigerals 10 ha umfasst,

● sie an das bestehende Siedlungsgefü-ge anschließt und nicht innerhalb vonRestriktionsräumen (Natur-, Land-schaftsschutz u.ä.) liegt und

● für die ein konkretes Nutzungsinteresseeines Investors vorliegt.

Für diesen Fall reicht eine Abbuchungsanzei-ge. Eine Bedarfsprüfung seitens der Regio-nalplanung erfolgt nicht. Das Pool-Verfahren sichert zudem eine adä-quate Angebotsplanung: Sind in absehbarerZeit alle Gewerbeflächenangebote einer Stadtaufgebraucht, kann für eine Angebotspla-

nung ein durchschnittlicher Jahresverbrauchaus dem Gewerbeflächenpool entnommenwerden. Alle Ein- und Ausbuchungen sind der Bezirks-regierung Düsseldorf vorzulegen und wer-den von dieser erfasst.

Beispiel„Investorenanfrage“Ausgangssituation:Ein Investor tritt an die Kommune heran underkundigt sich nach der Möglichkeit zur Nut-zung von circa 8 ha Gewerbefläche an einemStandort am Siedlungsrand, auf einer Fläche,die bislang nicht für eine gewerbliche Nut-zung vorgesehen war und demzufolge we-der im Regionalplan der Bezirksregierungnoch im Flächennutzungsplan der Kommu-ne als solche gewidmet war.

Lösung:Ohne Gewerbeflächenpool könnte eine der-artige Anfrage nicht bedient werden, da imKreis nachweislich ausreichend Flächenreser-ven vorhanden sind. Mit Einrichtung des Flä-chenkontos kann der Anfrage entsprochenund damit der Wunschstandort des Investorsentsprochen werden, falls keine Restriktions-flächen berührt sind.

Beispiel„Angebotssicherung“Ausgangssituation:Eine Kommune möchte aus dem virtuellen Ge-werbeflächenpool abbuchen, um im kleinerenUmfang eine Angebotsplanung betreiben

zu können. Ein aktuelles Nutzungsinteresseliegt nicht vor. Jedoch ist zu erwarten, dassinsbesondere ortsansässige Betriebe nacheiner schnellstmöglichen Bereitstellung vonBauland anfragen werden.

Lösung:Nach Status-Quo (ohne Flächenpool) könn-ten diejenigen Kommunen, die noch überReserveflächen im Flächennutzungsplan ver-fügen, Baurecht schaffen. Anderen Kommu-nen, die über keine Reserven mehr verfügen,sind gegenwärtig die Hände gebunden. Mitder Realisierung des virtuellen Gewerbeflä-chenpools kann der Anfrage sofort entspro-chen werden, wenn der Nachweis fehlenderFlächenreserven geführt werden kann.

Vorteile und Erwartungen

Vom virtuellen Gewerbeflächenpool KreisKleve werden folgende Vorteile erwartet:

● Ansiedlungswünsche können räumlich fle-xibler erfüllt werden.

● Das regionale, im Regionalplan gesicher-te Flächenkontingent kann besser ge-nutzt werden, Fehlinvestitionen in Infra -strukturen an unattraktiven Standortenwerden vermieden.

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Schwerpunkt: Wirtschaftsförderung in Krise und AufschwungSchwerpunkt: Wirtschaftsförderung in Krise und Aufschwung

Abschluss deslandesplanerischenVertrages

Änderung des Ziels1.3 des Regional-plans GEP 99

Aufhebung vonFNP Darstellungendurch Gemeinden

Aufhebung der GIBDarstellungen imRegionalplan

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Einbuchungen indas Flächenkonto

Abbuchungen ausdem Flächenkontobei Nachfrage

Sukzessive Aufhebungvon Bebauungsplänen, beidenen noch keinErschließung stattfand

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Auffüllung Flächen-konto durch dieRegionalplanung

SukzessiveRenaturierungvon Gewerbe-brachen

Anzeige beiRegionalplanung

Schema zur Projektumsetzung

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Mit über 100.000 Beschäftigten in rund3.000 Unternehmen und Organisatio-

nen sowie einem Jahresumsatz von rund 25Milliarden Euro ist die Kunststoffindustriein Nordrhein-Westfalen einer der bedeutend -sten Wirtschaftszweige und NRW deutsch-landweit an der Spitze der Kunststoffbranche.Die durchgängige Wertschöpfungskettereicht von Rohstofferzeugern, Kunststoff-ver- und -bearbeitern sowie Maschinen- undWerkzeugbauern über eine breite Wissen-schafts-, Forschungs-, Weiterbildungs- undDienstleistungslandschaft bis hin zu einemgroßen Spektrum von Anwendern.Wer die regionale Ballung der Unternehmenaus der Kunststoffbranche betrachtet, demsticht sofort der Oberbergische Kreis ins Au -ge: Über 240 Betriebe bilden die weltweiteinmalige Wertschöpfungskette der kunst-stoffverarbeitenden und kunststoffnahen In-dustrie mit momentan rund 6.000 Beschäf-tigten und machen ihn zum herausragendenKunststoffkompetenzstandort in NRW.

Breit aufgestellt sind die Unternehmen imOberbergischen Kreis. Die Produkt- und Leis-tungspalette reicht von der Compoundie-rung1 von Kunststoffgranulaten für Quali-tätsprodukte und Spezialanwendungen biszur Herstellung von hochpräzisen und hoch-wertigen Produkten für die Automobilindus -trie, die Medizin und Messtechnik und fürnahezu alle Bereiche des täglichen Lebens.Kaum ein Heimwerker, der seine Wohn-raumfarbe nicht in Eimern der jokey plastikWipperfürth GmbH nach Hause trägt. Kaumein Haushalt, dessen Jogurt nicht auch ausBechern der GIZEH Verpackungen GmbH &Co. KG genossen wird.Um die Wettbewerbsfähigkeit der Unter-nehmen dieser Branche weiter zu stärken,wurde im März 2009 die Kunststoff Initia-tive Oberberg KIO e. V. gegründet. Haupt-aufgabe und Ziel von KIO ist es, Unterneh-men zu vernetzen, Erfahrungsaustauschund Kooperationen zu fördern und durchFachveranstaltungen mit unterschiedlichen

Themenschwerpunkten Informationen wei -terzugeben, sich über neue Technologienauszutauschen und Innovationspotentiale,auch durch Kopperationen, an den Marktzu befördern.Die Gründung des Vereins steht als großerErfolg am Ende einer Anschubphase, mit derdie Unternehmen die Netzwerkgeschickeselbst übernommen haben. Begonnen hat-te der Clusterprozess im Jahr 2006, in demLandrat Hagen Jobi die Wirtschaftsförderungdes Oberbergischen Kreises auf der Grund-lage eines Masterplans mit der Clusterent-wicklung im identifizierten KompetenzfeldKunststoffverarbeitung beauftragte. Im Rahmen eines Prozesses galt es zunächstherauszufinden, mit welchen Instrumentenin der entstehenden regionalen Netzwerk-struktur eine zusätzliche Wertschöpfung fürdie Unternehmen zu erzielen ist. Gerade

● Planungs- und Genehmigungsprozessewerden beschleunigt.

● Die Wettbewerbsfähigkeit des Kreises Kle-ve als Investitionsstandort verbessert sichdurch eine stärkere Nachfrage- und Markt -orientierung. Die Anforderungen der In-vestoren sind die Orientierungspunkte.Gleichzeitig werden natürliche Ressourcengeschont.

Umsetzung und Realisierung

Funktionsweise und Spielregeln des virtuel-len Gewerbeflächenpool Kreis Kleve sind ineinem landesplanerischen Vertrag geregelt.Dieser wurde am 22. September 2010 vonRegierungspräsidentin Anne Lütkes, demLandrat des Kreises Kleve, Wolfgang Spreenund allen sechzehn Bürgermeistern im KreisKleve unterzeichnet. Der Vertrag regelt

● die Verpflichtung der Kommunen, Flä-chen einzubuchen,

● Rechte und Regularien zum Ausbuchenvon Flächen,

● die Verpflichtung der Bezirksregie-rung, dem Regionalrat die notwendigeRegionalplanänderung vorzuschlagen,

● die Verpflichtung der Bezirksregie-rung, Aktivitäten zur Wiederauffüllung

des Pools bei einem drohenden „Leer-laufen“ zu entfalten und

● dass die Bezirksregierung das Monito-ring für Ein- und Ausbuchungsvorgängeübernimmt.

Der Vertrag sieht eine Laufzeit von fünf Jah-ren mit automatischer Verlängerung vor, fallsnicht eine der Vertragsparteien – erstmalignach fünf Jahren möglich – eine Kündigungausspricht. Eine erste Projektevaluierung sollnach vier Projektjahren erfolgen.Die Gremien und Fachabteilungen der Be-zirksregierung Düsseldorf waren fortlaufendin den Bearbeitungs- und Entscheidungs-prozess eingebunden. Mit Unterzeichnung der landesplanerischenVereinbarung startet das Regionalplanände-rungsverfahren. Die Anerkennung der Zie-länderung im Regionalplan durch die Lan-desplanung wird für Mitte 2011 erwartet.Hiernach wird der virtuelle Gewerbeflächen-pool Kreis Kleve rechtskräftig – erste Flä-chenentnahmen können getätigt werden.

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Schwerpunkt: Wirtschaftsförderung in Krise und AufschwungSchwerpunkt: Wirtschaftsförderung in Krise und Aufschwung

Wir begegnen ihm täglich: Beim Kaffeekochen, wenn wir ins Auto einsteigen, das Telefon zur Hand nehmen, am Computer sitzen,zum Sport gehen, mit den Kindern spielen – Kunststoff ist aus unserem Leben nicht mehr wegzudenken.

Bei Kunststoff ist derOberbergische Kreis die ersteAdresse in NRWVon Dipl.-Ing. Wilfried Holberg, Wirtschaftsförderung Obergergischer Kreis

1 Veredelung von Kunststoffen durch die Beimischungvon Zuschlagstoffen

Page 24: EILDIENST 10/2010EILDIENST 10/2010 Inhalt Landrat Friedhelm Spieker, Kreis Höxter 379 Vielfältige Chancen, die eigene Region kennenzulernen: Das Regionale-Projekt Kulturlandschaft

am Anfang gab es viele kontaktanbahnen-de Gespräche mit Unternehmen, ohne dassihnen ein greifbarer Mehrwert aus einerNetzwerkbeteiligung angeboten werdenkonnte. „Was habe ich denn davon“, warin der Anfangszeit die obligatorische Frageder Unternehmerinnen und Unternehmeran den Clustermanager. Mittlerweile nimmt die Netzwerkarbeit inKIO erkennbare Formen an. Unternehmen,die sich zuvor nicht kannten, haben über F&E-Kooperationen (Forschung und Entwicklung)bereits gemeinsam Innovationen zur Markt-reife geführt. Beispielhaft ist hier die BARLOGplastics GmbH zu nennen, die als Compoun-deur gemeinsam mit der Egon Vogel GmbH,einem Unternehmen für Oberflächenvered-lung, eine 3-D-Effektlackierung entwickeltund am Markt platziert hat. Ergebnis derBegegnung auf einer KIO -Veranstaltung! Die Bündelung von Unternehmerinteres-sen gehört zum Kern der Arbeit von KIO.Dies gilt für die Organisation von Fachver-anstaltungen ebenso wie für die Unterstüt-zung bei der Akquise von Fördermitteln. Die inzwischen 24 Mitgliedsunternehmenentwickeln KIO tatkräftig von innen heraus.Neben den Mitgliedsbeiträgen werden er-hebliche Personal- und Zeitressourcen ein-gebracht, um den Verein zum Beispiel inMarketingfragen voranzubringen. Herausra-gende Innovations- und Gestaltungskraft deroberbergischen Unternehmen wird beimjährlichen, international besuchten Engels-kirchener Kunststoff Technologietag der Bar-log plastics GmbH deutlich.Aber auch große nationale Auftritte helfendem Kunststoffkompetenzstandort Ober-berg dabei, bekannt zu werden. Durch die gutfunktionierende Infrastruktur der Mitglieds-unternehmen war es KIO möglich, neben elfBranchenunternehmen aus der Region aufder internationalen Messe für Kunststoff-verarbeitung Fakuma in Friedrichshafen inden Jahren 2008 und 2009 präsent zu sein. Hier präsentierte KIO auf dem Gemein-schaftsstand des WirtschaftsministeriumsNRW mit einem Produktspektrum von über30 Kunststoffverarbeitern einen durchwegüberzeugenden Querschnitt oberbergischerKunststoffkompetenz. Grundlegender Schwerpunkt der Arbeit vonKIO ist die Vernetzung der Unternehmen derKunststoffwertschöpfungskette durch inten-sive Aufschließung. Hierbei liegt das Augen-merk auf der Vermittlung der Möglichkeitendes Cluster, zur individuellen Wertschöpfungder Unternehmen beizutragen. Während des Clusterentwicklungsprozesseskommt es zwangsläufig zur Fortschreibungder anfangs definierten Ziele. Zum Beispielsteht die Öffnung für oberbergische Unter-nehmen hin zu den Geschäftsfeldern der Ge-sundheitswirtschaft auf der KIO-Agenda derfolgenden Jahre. Die unternehmensseitig vor-

handenen Hemmschwellen, sich diesem Me-gamarkt zuzuwenden, können über die Fak-tenvermittlung der Zugangsvoraussetzungenminimiert werden. Intention ist, die Chancenfür neue Geschäftsfelder zu identifizieren unddie Wege dorthin ebnen zu helfen. Hilfreichhierbei ist es, auf vorhandenes Know-howderjenigen KIO-Unternehmen zurückgreifenzu können, die diesen Weg bereits erfolg-reich beschritten haben. Hierbei wird dieBedeutung und Praktikabilität des Netzwerk-gedankens offenkundig.Spürbar hat die Wirtschafts- und Finanzkri-se des Jahres 2009 auch die Kunststoffin-dustrie in der Region getroffen und Narbenhinterlassen, allerdings in sehr unterschied-

licher Ausprägung. Die im OberbergischenKreis sehr heterogene Kunststoffbranche be-dient als Kunden unter anderem die Auto-mobilindustrie, den Verpackungsmarkt, dieHersteller von Investitionsgütern und die Ge-sundheitswirtschaft. In einer geschützten Ge-sprächsrunde mit Branchenvertretern, dieKIO Mitte des Jahres 2009 veranstaltet hat-te, wurde deutlich, dass bei Umsatzeinbußenein starkes Gefälle quer durch die beschrie-benen Bereiche zu verzeichnen ist. Die Ein-bußen beliefen sich damals auf durchaus 45Prozent gegenüber dem Vorjahr bei Auto-motivebeteiligung, über fünf bis zehn Pro-zent im Verpackungssegment bis nahezugegen Null im Medizintechniksektor.Was der Region und den Unternehmen bis-her zur Überwindung der Krise geholfen hat,ist einerseits das Instrument der Kurzarbeit,um unter erhöhtem Kostendruck die quali-fizierten Arbeitskräfte im Unternehmen haltenzu können und andererseits die überwie-gend grundsoliden Unternehmensstrukturen,die auf eine gute Eigenkapitalquote und eine

verlässliche, auch innerbetriebliche Unterneh-menskultur zurückgreifen können.Eine berechtigte Fragestellung in diesem Zu-sammenhang ist, ob ein Branchennetzwerkwie KIO seinen Unternehmen in Zeiten einerweltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise un-mittelbar helfen kann? Ehrlich gesagt, sehrbedingt!In einem Round Table Gespräch hatte KIOden örtlichen Branchenvertretern angeboten,unter Beteiligung von Finanzierungsexper-ten sowie Vertretern von kunststoffland.NRW und NRW-Bank die eigene Situationzu erörtern. 18 Unternehmen nahmen dieGelegenheit wahr, mit einem Höchstmaßan Offenheit in Krisenzeiten überhaupt mit-

einander zu sprechen, sich die eigenen Nötesagen und teilen zu dürfen sowie seitens derInstitutionen alle erdenklichen Möglichkei-ten zur Hilfestellung angeboten zu bekom-men. Kein Heilmittel vielleicht, aber maxima-le institutionelle Unterstützung.Hiermit vergleichbar hatte die Wirtschafts-förderung des Oberbergischen Kreises imJahr 2009 in einer modularen Veranstal-tungsreihe „Wirtschaftsstandort Oberbergin Zeiten weltweiter Rezession“ die Krise the-matisiert und jede Menge Expertenwissen zuunterschiedlichen Themen aufgeboten. DasAngebot wurde dankbar und bestens be-sucht angenommen. Im Zuge der sich erholenden wirtschaftlicheLage werden dem Clustermanagement häu-fig „hellseherischen Fähigkeiten“ abverlangt.Wie wird die Zukunft der Branche gesehen?Gibt es Trends? Mit Antworten auf diesezwingenden Fragen tun sich selbst die Bran-chenkenner schwer. Eins ist allerdings sicher:Die Offenheit und Begeisterung der KIO-Unternehmen für ihr eigenes Geschäftsfeld,

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Schwerpunkt: Wirtschaftsförderung in Krise und AufschwungSchwerpunkt: Wirtschaftsförderung in Krise und Aufschwung

Gegründet wurde der Verein Kunststoff Initiative Oberberg KIO e.V. am 18. März 2009von elf Unternehmen aus dem Oberbergischen Kreis. Der Kreis selber ist Mitglied im Verein kunststoffland NRW, dem Clustermanagementdes Landescluster NRW.Kunststoff, zu dem KIO engen Kontakt hält. KIO e.V. hat derzeit 24 Mitglieder.Fünf Unternehmer und Experten der Kunststoffindustrie bilden den Vorstand des Ver-eins: Dr. Hans Marenbach (PFLITSCH GmbH & Co. KG, Hückeswagen), Dipl. Ing. Chris-tian Bruns MBA (GIRA Giersiepen GmbH&Co.KG, Radevormwald), Werner Barlog(BARLOG plastics GmbH, Engelskirchen), Dipl. Ing. Hartwig Langenberg (KB Kunst-stofftechnik, Gummersbach), Michael Schnippering (ONI Wärmetrafo GmbH, Lindlar)Kontakt:Kunststoff Initiative Oberberg KOI e.V.Moltkestraße 34, 51643 GummersbachTelefon +49 (0)2261-88 68 06Telefax +49 (0)2261-88 97 26 [email protected]

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dieser absolut spannenden und vielfältigenWelt der Kunststoffe, führt zu der Einschät-zung, dass es um deren unternehmerischeKreativität und Innovationskraft nach wievor bestens bestellt ist. Wenn zum BeispielKunststoffe in der Lage sind, Metalle an tech-

nologisch anspruchsvollen Stellen im Auto-mobilbau zu ersetzen, oder wenn es ge-lingt, chirurgische Instrumente als Einweg-produkt aus Kunststoff zu entwickeln undeinzusetzen, sind dieser Branche erheblicheBeteiligungen an den Megatrends der Zu-

kunft zuzutrauen. Nicht umsonst hat sichKIO als Branchennetzwerk den Slogan ge-geben: „Wir formen Zukunft“.

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Konkrete Maßnahmen beginnen jetzt imZuge des Projektes „Brachenkompeten-

zen Südwestfalen“. Einen entsprechendenFördermittelbescheid zum ersten umset-zungsreifen Projekt der Regionale 2013 über-reichte am 5. Mai Dr. Jens Baganz, Staatsse-kretär im NRW-Wirtschaftsministerium, in derFachhochschule in Iserlohn. Mit diesem offi-ziellen Startschuss investieren öffentliche Handund die beteiligten Kammern über 660.000Euro in zwei Jahren. Ein Ziel des Projektesist insbesondere der Aufbau von Koopera-tionen, vor allem auf der technischen Ebene.Die Diplom-Ingenieure Andreas Becker undHans-Joachim Hagebölling werden als „Tech-nologiescouts“ technologische Problemstel-lungen und Bedürfnisse in Unternehmenermitteln, um dann gezielt Lösungen zu erar-beiten. Gemeinsam mit „Problemlösern“ ausHochschulen und Instituten sollen dann Pro-jekte für und vor allem mit den südwestfä-lischen Unternehmen entwickelt werden. Die„Technologiescouts“ bringen damit Partneraus Wirtschaft und Wissenschaft zusammen!Bei ihrer Arbeit helfen wird den Technolo-giescouts der „Transferverbund Südwestfa-len“. Mit dieser Kooperationsvereinbarungvon Hochschulen, Unternehmen, Kammernund Wirtschaftsförderungseinrichtungen sollder Wissenstransfer in Südwestfalen weiter-entwickelt werden.

Aktivitäten der beteiligten Einrichtungen wer-den in diesem Zusammenhang stärker auf-einander abgestimmt und vorhandene Kräf-te gebündelt. Oberstes Ziel ist es, gemeinsamInnovationen zu fördern und Wissen auszu-tauschen.Auf der vertrieblichen Ebene setzt als Markt-lotse Jürgen Scherf an. Der Betriebswirt hatlangjährige Erfahrungen als Key-Account-Manager in der Automobil-Zulieferindustrie.Er soll neue Absatzmärkte und zukunftsfähi-ge Distributionssysteme erkennen und bran-chenübergreifend nach neuen Marketing–und Vertriebsstrategien suchen. In themen-spezifischen Workshops, Branchendialogenund Informationsveranstaltungen werdenheimische Unternehmen die Möglichkeit ha-ben, sich zu informieren und wertvolle Kon-takte zu knüpfen.Zum Umgang mit dem Thema „Fachkräfte-mangel in Südwestfalen“ gibt bereits vieleAktivitäten zahlreicher Akteure. Im Rahmeneiner umfassenden Recherche wird Raumpla-nerin Kirsten Staubach bestehende Maßnah-men erfassen und analysieren, um anschlie-ßend Best-Practice-Beispiele vorzustellen.Am Ende der Projektlaufzeit soll ein schlüs-siges Gesamtkonzept gegen einen sich inder Region abzeichnenden Fachkräfteman-gel vorgestellt werden. Erste Eckpfeiler desKonzeptes sind bereits festgelegt: Neben ei-

ner gezielten Ansprache von Hochschulab-solventen sollen Partnerschaften zwischenSchulen und Betrieben ausgeweitet werden.Staatssekretär Baganz unterstrich den beson-deren Charakter des Projektes „Branchenkom-petenzen Südwestfalen“. Es handele es hier-bei um ein Gemeinschaftsprojekt, bei demKooperationen im Mittelpunkt stehen. Umden Anforderungen der nächsten Jahre ge-recht zu werden, sei dies genau der richtigeAnsatz, „bei dem die Landesregierung sehrschnell davon überzeugt war, dass es sichhier um ein unterstützungswürdiges Projekthandelt“.Träger des Vorhabens sind die fünf regionalenBranchennetzwerke in enger in Kooperationmit der Wirtschaftsförderung SüdwestfalenAG, in der die Wirtschaftsförderungsein-richtungen der Kreise Soest, Olpe, Siegen-Wittgenstein, Hochsauerlandkreis und desMärkischen Kreises, die Industrie- und Han-delskammern Arnsberg, Hagen und Siegen,die Handwerkskammern Südwestfalen undDortmund sowie die Hochschulen der Re-gion Südwestfalen vertreten sind. Die Feder-führung hat die Gesellschaft zur Wirtschafts-und Strukturförderung im Märkischen Kreis.

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Schwerpunkt: Wirtschaftsförderung in Krise und AufschwungSchwerpunkt: Wirtschaftsförderung in Krise und Aufschwung

Die südwestfälischen Unternehmensnetzwerke aus den Bereichen Automotive, Metall- und Maschinenbau, Gebäudetechnik, Gesund-heitswirtschaft und Holzwirtschaft, in denen mittlerweile rund 400 Unternehmen engagiert sind, wollen künftig gemeinsam anund mit neuen Technologien arbeiten und neue Vertriebswege für heimische Unternehmen aufzeigen – auch branchenübergreifend.Sie stellen dazu personellen Sachverstand bereit und arbeiten eng mit heimischen Hochschulen und Instituten zusammen.

Branchenkompetenzen Südwestfalen –Projekt der Regionale 2013 Von Jochen Schröder,Gesellschaft zur Wirtschafts- undStrukturförderung im Märkischen Kreis mbH (GWS)

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Da muss man sich als Unternehmen in-zwischen schon etwas einfallen lassen,

um gute Mitarbeiter zu bekommen, aberauch, um sie langfristig zu halten“, erklärtWolfgang Bischoff, Geschäftsführer derWirtschaftsförderungs- und Entwicklungs-gesellschaft Steinfurt (WESt). „Familien-freundliches Engagement im Betrieb kannhier ein echter Pluspunkt für die Unterneh-men sein.“Seit einigen Jahren informiert die WESt überMöglichkeiten, die Vereinbarkeit von Berufund Familie für Mitarbeiter und Mitarbei-terinnen zu verbessern, nimmt Anregungenauf, stellt gute Beispiele vor und entwickeltthemenspezifische Leitfäden. Dabei stehtdie Wirtschaftsförderung im engen Dialogmit den Unternehmen im Kreis.Ende 2008 wurde der Wettbewerb „Betriebs -plus Familie“ gestartet, in dem die Un ter-nehmen im Kreis aufgerufen wurden, ihrfamilienfreundliches Engagement vorzu-

stellen. Das war der erste Aufschlag, ummit den Unternehmen in Kontakt zu kom-men und festzustellen, ob von Seiten derWirtschaft überhaupt Interesse an diesemThema besteht. Die Resonanz war ausge-sprochen positiv. 24 Unternehmen haben

teilgenommen. Nicht nur die Quantität,auch die Qualität der Beiträge war über-zeugend. Jeder Teilnehmer hat mit ganz in-dividuellen Maßnahmen und überzeugen-den Lösungen einen völlig eigenen Zugangzum Thema gefunden.Mit dem Wettbewerb wurde die Basis für ei-nen aktiven Austausch von WESt und Unter-nehmen geschaffen, von dem die Unterneh-men bis heute regen Gebrauch machen.Über mangelnde Themen, zu denen Infor-mations- und Unterstützungsbedarf ange-meldet werden, kann sich die WESt nicht be-klagen. Kinderferienbetreuung, Pflege undKommunikation sind nur die am meistengenannten Beispiele. Ganz oben auf derWunschliste der Unternehmen stehen auchMöglichkeiten, sich vor Ort mit anderen spe-ziell zum Thema Familienfreundlichkeit aus-zutauschen. Dazu das Projektteam: „Für unsist es sehr wichtig, dass wir Rückmeldungenund Anfragen von den Unternehmen be-

kommen. Nur so haben wir die Sicherheit,dass wir bedarfsgerechte Angebote entwi-ckeln und nicht nur irgendein Modethemabesetzen.“Im letzten Jahr lag der Schwerpunkt im Be-reich Pflege. Im Mai wurde eine Informa-

tionsveranstaltung bei der Firma OKE inHörstel mit über 80 Teilnehmern organisiert.Wichtige Rückmeldung aus dem Teilnehmer-kreis: Kurzfristig fehlt es an Informationsma-terial, was der Arbeitgeber seinem Beschäf-tigten an die Hand geben kann, um in das

Thema einzuführen und gegebenenfalls ei-nen Experten vor Ort zu ermitteln.Nach dieser Anregung entwickelte die WEStin Zusammenarbeit mit dem Sozialamt zweiFaltblätter, in denen die Problematik von Pfle-ge und Beruf aus Unternehmer- und Arbeit-nehmersicht kurz vorgestellt wird. Zusätzlichwerden die Ansprechpartner bei den Pfleges-tützpunkten im Kreis vorgestellt, die einekostenfreie und individuelle Beratung anbie-ten. Auf der Betriebsplusfamilie Projektho-mepage kann unter der Rubrik „Service-Pfle-ge“ neben den beiden Flyern auch weiteresallgemeines Informationsmaterial herunter-geladen werden.Die Resonanz aus der Wirtschaft war wiede-rum positiv. Im Herbst organisierte die WESteinen kostenpflichtigen Kleinworkshop fürUnternehmen, die sich noch intensiver mitder Thematik befassen wollten.Grundvoraussetzung für einen so erfolgrei-chen Dialog ist der Aufbau von Kompetenz.

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Schwerpunkt: Wirtschaftsförderung in Krise und AufschwungSchwerpunkt: Wirtschaftsförderung in Krise und Aufschwung

Der Kreis Steinfurt konkurriert seit Jahren mit den Nachbarkreisen des Münsterlandes um die niedrigste Arbeitslosenquote in NRW.5,1 Prozent im August 2010 – Tendenz fallend. Nach der Krise ist vor dem Aufschwung. Betroffen sind dabei nahezu alle Branchen –von der Fleischerei, die händeringend Auszubildende sucht, über IT-Schmieden bis zum Maschinenbauer, der hochqualifizierte Inge-nieure sucht. Der demografische Wandel und der damit einhergehende Fachkräftemangel machen sich bereits heute bemerkbar.

Fachkräfte halten und gewinnen –Vereinbarkeit von Familie und Berufim Kreis Steinfurt Von Ingmar Ebhardt, Wirtschaftsförderungs und Entwicklungsgesellschaft Steinfurt (WESt)

Interessiertes Publikum bei OKE: Über 80 Teilnehmerinnen und Teilnehmer informieren sich überdas neue Pflegezeitgesetz und Maßnahmen zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie.

Hoher Besuch. BundesfamilienministerinKristina Schröder informiert sich über denEntwicklungsstand im Kreis Steinfurt.

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Vereinbarkeit von Arbeitund Pflege fördern

Bereits heute sind 23 Prozent der Pflegen-den erwerbstätig. Die Zahl der Pflegebedürf-tigen steigt in den kommenden Jahren kon-tinuierlich an – manche Prognosen sprechenvon einem Anstieg um bis zu 40 Prozentbis zum Jahr 2030. Zukünftig wird dahereine wachsende Anzahl von Berufstätigendamit konfrontiert sein, ihre Arbeit und diePflege von nahen Angehörigen miteinanderverbinden zu müssen. Wenn Unternehmenpflegende Angehörige gezielt entlasten,schöpfen sie daraus auch betriebliche Vor-teile. Flexible Arbeitszeitmodelle lindern bei-spielsweise die Zeitnot, die sich im Alltag zwi-schen Erwerbsarbeit und Pflege oft einstellt.Der Arbeitgeber profitiert im Gegenzug zum

Beispiel von der Reduzierung von Fehlzei-ten sowie dem Erhalt von Leistungsfähigkeitund Motivation der Mitarbeiter. Das Projekt PFAU schafft ein neuartigesAngebot zur Information, Beratung und Ver-mittlung für Erwerbstätige mit pflegebedürf-tigen Angehörigen, um in Akutsituationendie Vereinbarkeit von Pflege und Beruf inUnternehmen zu erleichtern. Das kanndazu beitragen, die Wettbewerbsfähigkeitzu stärken, indem durch die Verbesserungder Produktivität, der Verringerung von Ar-beitsausfallzeiten und der stärkeren Mitar-beiterbindung Kosteneinsparungs- und Nut-zeneffekte für die Unternehmen entstehen.

Unternehmens- und Mitarbei-terbefragung im Projekt PFAU– erste Ergebnisse

Durch die Unternehmensbefragung, die imFrühjahr 2010 stattfand, wurden erste Er-kenntnisse über den Umgang mit der Ver-

einbarkeit von Pflege und Beruf in der be-trieblichen Praxis gewonnen. Eine Frage war,ob in den Unternehmen bereits spezifischeAngebote für Erwerbstätige mit pflegebe-dürftigen Angehörigen bereitgehalten wer-den und welche Unterstützungsleistungen(Beratung, Information, Medien, etc.) kleineund mittlere Unternehmen benötigen, umdie Vereinbarkeit von Pflege und Beruf fürihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu ver-bessern oder zu ermöglichen. Mit der Befra-gung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter,die im Sommer 2010 durchgeführt wurde,sollte die Sichtweise zur Vereinbarkeit mitdem Beruf von bereits pflegenden Beschäf-tigten erfasst werden, sowie die Erwartun-gen von zukünftig pflegenden Mitarbeiter-innen und Mitarbeitern. Im Blickpunkt desInteresses stand dabei die aktuelle Unter-stützungssituation am Arbeitsplatz sowieder Bedarf an Unterstützungsleistungen undHilfestellungen, die die Arbeitgeber derzeitnoch nicht anbieten.

Durch die intensive Arbeit am Thema Ver-einbarkeit von Beruf und Familie steht dieWESt deshalb in regem Austausch mit an-deren Institutionen. Im Münsterland erfolgt

ein reger Austausch der Wirtschaftsförde-rungen im Rahmen des Projektes „Familie,Arbeit, Mittelstand im Münsterland“ (FAMM).Der Kreis Steinfurt ist in der glücklichen Si-tuation, dass wir hier mit den Institutionenvor Ort ein sehr partnerschaftliches und kol-legiales Verhältnis gepflegt wird. Beispiels-weise mit der Industrie- und Handelskammer,der Handwerkskammer und der Kreishand-werkerschaft. Man kennt sich und, was nochviel wichtiger ist, man unterstützt sich gegen-seitig.Auf Bundesebene steht die WESt in regemAustausch mit dem Büro des Unternehmens-netzwerks „Erfolgsfaktor Familie“. Eine sehr

gute und unkomplizierte Zusammenarbeit,etwa wenn es um Fachreferenten oder Hilfebei speziellen Problemstellungen geht. Wieim Fall der Spedition Dachser aus Rheine, die

ein Mutter-Kind-Zimmer einrichten wollteund sich über die haftungsrechtlichen Be-dingungen unklar war. Diese Informationenlagen bei der WESt so natürlich nicht vor.Das Problem konnte aber mit einer kurzenAnfrage in Berlin direkt geklärt werden.Vorläufiger Höhepunkt der Zusammenarbeitmit Erfolgsfaktor Familie war die Ausrichtungeiner gemeinsamen Regionalkonferenz imKreis Steinfurt mit über 180 Teilnehmern.In zwei Gesprächsrunden wurden gemein-sam mit den Unternehmen die ThemenKinderbetreuung und Pflege aufgearbeitet.Landrat Thomas Kubendorff freute sich, alsbesonderes Highlight die Bundesfamilienmi-

nisterin Dr. Kristina Schröder begrüßen zukönnen: „Eine schöne Auszeichnung für un-seren Kreis. Daran kann man sehen, dass un-ser Engagement auch auf übergeordneterEbene wertgeschätzt wird.“Auch wenn die Zwischenbilanz für das Projekt„Betriebsplus Familie“ bereits sehr positivausfällt – eine echte Standortbestimmungerfolgt mit der Neuauflage des Unterneh-menswettbewerbs im Oktober 2010. Mög-liche Themen für 2011 sind schon identifiziertund mit dem neuen Wettbewerb kommengarantiert noch weitere dazu. Es gibt vielzu tun!Weitere Informationen zum Wettbewerbund zum Projekt „Betriebsplus Familie“ gibtes im Internet unter www.betriebsplusfa-milie.de. Dort kann auch die Wettbewerbs-broschüre aus 2008 heruntergeladen wer-den, in der alle Wettbewerbsteilnehmer undihre Konzepte vorgestellt werden.

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Schwerpunkt: Wirtschaftsförderung in Krise und AufschwungSchwerpunkt: Wirtschaftsförderung in Krise und Aufschwung

Im Kreis Coesfeld werden aktuell zwei kreisweite Projekte durchgeführt, die Unternehmen bei der Umsetzung familienfreundlicherMaßnahmen unterstützen. Im Projekt FAMM – Familie – Arbeit – Mittelstand im Münsterland steht die Vereinbarkeit von Arbeit undKinderbetreuung im Zentrum der Arbeit, im Rahmen des Projektes PFAU – Pflege – Arbeit – Unternehmen wird auf Grundlage einerUnternehmens- und Mitarbeiterbefragung ein sogenannten „Pflegekoffer“ entwickelt, der Arbeitgeber und Arbeitnehmer bei der Verein-barkeit von Arbeit und Pflege unterstützt. Flankiert wird die Arbeit vom Aufbau eines Netzwerks „Arbeit und Pflege“. Im vorliegendenBeitrag werden erste Ergebnisse der Befragung und Ansätze für den Pflegekoffer vorgestellt

Vereinbarkeit von Familie und Beruf Thema von zwei Projekten im Kreis Coesfeld Von Dr. Kirsten Tacke-Klaus, Wirtschaftsförderung Kreis Coesfeld GmbH1

1 An dem Artikel ebenfalls mitgearbeitet haben Dr.Floriane Schmied, INFA-ISFM e.V., Ahlen und Hil-degard Streyl, FBS Dülmen

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Die Auswertung der Befragungen ist nochnicht endgültig abgeschlossen. Im Folgendenwerden erste Ergebnisse hieraus dargestellt.

Unternehmen erkennenStellenwert der Vereinbarkeitvon Pflege und Beruf

Den derzeitigen Stellenwert von Vereinbar-keit von Pflege und Beruf im Betrieb bezeich-nen 43 Prozent der Unternehmen als sehrwichtig (Abbildung). 71 Prozent der befrag-ten Unternehmen äußern die Auffassung,dass die Vereinbarkeit von Pflege und Be-ruf den gleichen Stellenwert bekommen sollwie die Vereinbarkeit von Kindererziehung

und Beruf, dass das Thema enttabuisiertwerden und mehr Aufmerksamkeit daraufgelenkt werden soll. Keines der befragtenUnternehmen glaubt, dass Vereinbarkeit vonPflege und Beruf eine reine Privatangele-genheit ist und dass das Thema hinsichtlichseiner Bedeutung überschätzt wird. Diese dargestellten Einschätzungen zeigen,dass die Unternehmen im Kreis Coesfeld be-reits ein Problembewusstsein hinsichtlich derVereinbarkeit von Arbeit und Pflege aufwei-sen. 43 Prozent der befragten Unternehmengeben an, dass sie den Beschäftigten explizitMaßnahmen zur Vereinbarkeit von Pflegeund Beruf anbieten. Dabei handelt es sich umAngebote aus den Bereichen der Arbeitsor-ganisation, zum Beispiel flexible Arbeitszeit-regelungen, Teilzeitregelungen, Sonderurlaub.Spezifisch zugeschnittene Maßnahmeange-bote für pflegende Angehörige, die sich mitdem Thema Pflege beschäftigen, sind hin-gegen die Ausnahme.

Arbeit und Pflege –für Mitarbeiter ein sehr wichtiges ThemaVon den teilnehmenden Mitarbeiterinnenund Mitarbeitern waren aktuell 23 Prozentin einer Pflegesituation und somit von derFrage der Vereinbarkeit von Pflege und Be-ruf direkt betroffen. Überraschend ist, dassder derzeitige Stellenwert von Vereinbarkeit

von Pflege und Beruf auch von derzeit nichtpersönlich von Pflege Betroffenen als sehrhoch eingeschätzt wird. Tatsächlich würdensich sogar 60 Prozent für einen Arbeitgeberentscheiden, der pflegende Beschäftigteunterstützt. Auf der anderen Seite wissen 77Prozent der Mitarbeiter, die bereits pflegenund die mit der Übernahme einer Pflegetä-tigkeit in den nächsten Jahren rechnen, nicht,ob im Unternehmen Angebote für pflegen-de Angehörige zur Verfügung stehen, selbstwenn die Unternehmen bereits entsprechen-de Angebote bereitstellen. Mitarbeiterinnenund Mitarbeiter wünschen sich vor allemAngebote, die sich an der individuellen Situ-ation ausrichten (49 Prozent) bzw. die unbü-

rokratisch und zeitnah vom Unternehmenangeboten werden (49 Prozent).

Erste aus den Befragungen abgeleitete Be-darfe der Beschäftigten sind nachfolgenddargestellt:

Mitarbeiterinnenund MitarbeiterwünschenHilfestellungen/Angebote im Unternehmenzur Vereinbarkeit von Pflege und Beruf, die● individuell an die Situation angepasst sind,● unbürokratisch und zeitnah erfolgen,● von Führungskräften getragen werden.

brauchen

Flexibilität am Arbeitsplatz, zumBeispiel mit Hilfe von● flexiblen Arbeitszeiten,● Teilzeitangeboten,● Sonderurlaub.

fordern

Unterstützung zu pflegespezifischenThemen seitens des Unternehmens, wie

● Vermittlung/Angebotezur Pflegeberatung,

● Weiterbildung zur Pflegetechnik.

Unterstützung für Unterneh-mensleitungen undBeschäftigte: Ansätze fürden „Pflegekoffer“Die Befragungsergebnisse lassen vor allemdrei Ansatzpunkte zur guten Vereinbarkeitvon Arbeit und Pflege erkennen:

● Flexibilisierung der Arbeitszeit, ● Informationen und Vermittlung

von Un terstützungsleistungen undAnsprechpartnern,

● Vereinbarkeit von Pflege und Beruf indie Unternehmenskultur einbinden.

Neben der Erreichbarkeit am Arbeitsplatz istdie flexible Arbeitszeitgestaltung die wich-tigste Grundlage für Mitarbeiter, Pflegeauf-gaben leisten zu können. Gerade zu Beginnder Pflegebedürftigkeit oder bei unerwarte-

ter Verschlechterung des Gesundheitszus-tandes des zu Pflegenden benötigen Be-schäftigte oft kurzfristig Zeit, die Pflege neuzu organisieren. Tritt die Pflegebedürftigkeiteines Angehörigen plötzlich und unvorher-gesehen ein, ist eine schnelle Orientierungzu Unterstützungs- und Beratungsangebo-ten – zum Beispiel mittels einer Checkliste zuden ersten Schritten und Anlaufstellen – not-wendig. Die mühsame Suche nach Informa -tionen, die Zeit und Kraft kostet, entfällt.Hilfreich sind Informationen über finan-zielle, pflegerische, rechtliche und sonstigepraktische Hilfen – insbesondere mit den

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Schwerpunkt: Wirtschaftsförderung in Krise und AufschwungSchwerpunkt: Wirtschaftsförderung in Krise und Aufschwung

Das Projekt FAMM „Familie – Arbeit – Mittelstand im Münsterland“ verfolgt eine gemein-same münsterlandweite Strategie zur nachhaltigen Verbesserung der Vereinbarkeit vonFamilien- und Arbeitsleben im ländlichen Raum. Das auf drei Jahre angelegte Projekt wirdmit Unterstützung des Landes Nordrhein-Westfalen und der Europäischen Gemeinschaftim Rahmen des ESF durchgeführt. Es wird von den vier Kreisen des Münsterlandes kofi-nanziert.Das Projekt PFAU soll helfen, in den Unternehmen bessere Rahmenbedingungen für dieVereinbarkeit von Pflege und Beruf zu schaffen. Es gehört zu den 19 Gewinnern des lan-desweiten Förderwettbewerbs „[email protected]“. Gesucht wurden innovati-ve Konzepte zur Verbesserung der Familienfreundlichkeit in den Unternehmen. Das aufknapp zwei Jahre angelegte Projekt wird finanziert aus Mitteln des Landes Nordrhein-Westfalen und des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung sowie mit Unterstüt-zung des Kreises Coesfeld, der Sparkasse Westmünsterland und der Stadt Dülmen.

Wichtigkeit der Vereinbarkeit von Pflege und Beruf für Unternehmen und Beschäftigte

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wichtigsten lokalen Beratungsstellen undPflegekursen – sowie haushaltsnahe undfamilienunterstützende Dienstleitungen.Wichtig ist dabei die Vernetzung unter-schiedlicher Beratungsstellen, Ansprechpart -ner und Dienstleister zu einem Netzwerk„Arbeit und Pflege“, um unbürokratischund zeitnah ein umfangreiches Angeboteanbieten zu können. Darüber hinaus kön-nen Ansprechpartner als „Pflegelotsen“ imBetrieb eine Unterstützung bei der Organi-sation von Arbeit und Pflege leisten.

Eine pflegefreundliche Unternehmens-kultur ist notwendig,

● um die vom Unternehmen angebotenenHilfen annehmen zu können, insbeson-dere auch das frühzeitige, offene Ge-spräch mit dem Vorgesetzten,

● um in einer plötzliche auftretenden Pfle-gesituation handlungsfähig zu bleiben,

● um Unstimmigkeiten durch die zeitwei-lige Rücksichtnahme im Team in der Ar-beitsorganisation entgegenzuwirken.

Eine Unternehmenskultur, in der die Pflegevon Angehörigen ernst genommen wirdund Anerkennung findet, kann z.B. syste-matisch gefördert werden, beispielsweisedurch die kontinuierliche Kommunikationdes Themas im Intranet, in der Mitarbeiter-zeitung, am schwarzen Brett oder bei Mit-arbeiterinformationsveranstaltungen.

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Die Initiative entstammt einer gemeinsa-men Initiative der Wirtschaftsförderung

Kreis Soest GmbH (wfg) und der Stiftung zurFörderung von Bildung, Wissenschaft undTechnologie (BWT). Fakt ist: Gerade im tech-nischen und naturwissenschaftlichen Bereichliegt ein hohes Zukunftspotenzial – nicht nurfür die gesamte Bundesrepublik sondern be-sonders für den Kreis Soest.Der Mangel an qualifizierten Fachkräftenwird zunehmend zum Problem vieler Unter-nehmen. Diese Entwicklung spüren vor al-lem kleine und mittlere Betriebe sowie dasproduzierende Gewerbe. Die regionale In-novations- und Wettbewerbsfähigkeit wirddadurch langfristig stark gefährdet.Durch die Teilnahme am Schulwettkampfsoll der Nachwuchs zielgruppengerecht aufkreative und spielerische Weise an natur-wissenschaftlich-technische Fragestellungenherangeführt werden. Die Unternehmen imKreis Soest erhoffen sich, in Zukunft ausrei-chendes Potenzial an qualifizierten und inter-essierten jungen Menschen gewinnen zukönnen.Die Entwicklung einer Region ist zu einemnicht unerheblichen Teil davon abhängig,junge Menschen zum Bleiben zu bewegen.Insbesondere in eher ländlich geprägtenRäumen wie dem Kreis Soest ist es dahernotwendig, lokale berufliche Perspektivenaufzuzeigen.Die Verdeutlichung der Möglichkeiten inBezug auf Ausbildung, Studium und Berufspielt eine wesentliche Rolle bei der Gewin-nung hochqualifizierter Arbeitskräfte.Entwickeln Schülerinnen und Schüler einfrühzeitiges Interesse an regionalspezifischenThemen kann es gelingen, eine engere Bin-dung zum regionalen Umfeld aufzubauen

und somit Abwanderung einzudämmen.Dies ist – neben anderen Gründen – ein gu-ter Grund, einen attraktiven und zeitgemä-ßen Schulwettbewerb durchzuführen. Dar-über hinaus ist es auch ein guter Grund, umdaran teilzunehmen.So unterstützten auch Schulleitungen undLehrer diese Idee von Anfang an. Die Initiati-ve zum Mitmachen ging jedoch größtenteilsvon den Schülerinnen und Schülern aus,denn als besonderer Anreiz galt der zu ge-winnende Hauptpreis: Der Auftritt der ange-sagten deutschen Pop-Band Culcha Candelabei einem exklusiven Schulhofkonzert. Einsolcher Gewinn, der unter „normalen“ Um-ständen wohl unmöglich wäre, sollte nichtnur die Teilnehmer, sondern alle Schülerinnenund Schüler der Gewinnerschule motivieren.Und so bildeten zur Premiere bereits 486Mädchen und Jungen der Sekundarstufe I(Klassen 5 bis 10) insgesamt 33 Schulteams.Bei der Lösung der Aufgaben – die in engerZusammenarbeit mit den Hochschulen imKreis entwickelt wurden – war Kreativität,handwerkliches Geschick und Originalitätgefragt. Unter anderem mussten 3D-Bildererstellt, Bootsantriebe und Brücken gebaut,Nachrichten gemorst oder Eier transportiertwerden, ohne dass diese beschädigt wurden.Für die faire Beurteilung wurde eine kom-petente Jury gewonnen. Sie bestand unteranderem aus Professoren der Hochschulenund Vertretern großer und kleinerer Wirt-schaftsunternehmen aus dem Kreisgebiet.Nach zwei Vorrunden hatten drei Teams dasgroße Finale erreicht. Die Schüler einer Ge-samtschule, einer Realschule und eines Gym-nasiums lieferten sich, angefeuert von ihrenlautstarken Anhängern, einen dramatischenWettbewerb. Nach drei spannenden Auf-

gaben stand dann der Sieger fest – das Ge-dankenblitz-Team der Realschule Anröchte.Auf dem umjubelten Schulhof-Konzert mitCulcha Candela konnten sich alle Mitglie-der dieser Gruppe, 21 Jungen und Mädchenaus allen Klassen der 5. bis 10. Jahrgangstu-fe, zu Recht feiern lassen.Die Organisatoren belohnten die engagier-ten Schüler aber auch noch mit weiterenaußergewöhnlichen Preisen. So hielt Profes-sor Kersten von der Hochschule Hamm-Lippstadt für alle Teilnehmer in einem Kinoeine hochinteressante Schülervorlesung zumThema 3D-Effekte. Und die besten elf Te-ams wurden von der Lippstädter Firma Hel-la zu einer exklusiven Firmenführung ein-geladen, auf der sie nicht nur die zahlreichenAusbildungsberufe des Industrieunterneh-mens kennengelernt haben, sondern auchdas Herzstück des Betriebes, den weltgröß-ten Lichtkanal bestaunen konnten.Eine kurzweilige Video-Dokumentation desgesamten Wettbewerbs ist auf der Internet-seite www.gedankenblitz-schulwettkampf.dezu sehen.Wenn es nach der Wirtschaftsförderung KreisSoest geht, soll der Gedankenblitz keine ein-malige Aktion bleiben, sondern soll auch inden kommenden Jahren durchgeführt wer-den. Denn auch die lokale Wirtschaft, die jaspäter den Nachwuchs brauchen wird so-wie insbesondere die Stiftung für Bildung,Wissenschaft und Technologie im KreisSoest haben sich besonders für den Gedan-kenblitz engagiert. Eine Neuauflage hängtvon einer erneuten Beteiligung dieser undweiterer Sponsoren ab.

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Schwerpunkt: Wirtschaftsförderung in Krise und AufschwungSchwerpunkt: Wirtschaftsförderung in Krise und Aufschwung

Mädchen und Jungen frühzeitig Interesse an naturwissenschaftlich-technischen Fragestellungen zu vermitteln war erklärtes Ziel desregionalen Schulwettkampfes „Gedankenblitz“ im vergangenen Schuljahr.

Gedankenblitz – Kreative Köpfe im Schulwettkampf Von Volker Ruff, Geschäftsführer Wirtschaftsförderung Kreis Soest GmbH

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Studien und Analysen, unter anderem derPrognos AG, haben gezeigt, dass viele

Absolventen und junge Fachkräfte an denUniversitäten und Fachhochschulen imMünsterland nur wenig darüber wissen,welche Wirtschaftsakteure in ihrem direk-ten Umfeld Stellen anbieten und welcheEntwicklungsmöglichkeiten dort bestehen.Die primären Ziele von Absolventen sindoft bekannte Großunternehmen in Groß-städten. Zudem weist die Region generelleinen negativen Saldo bei der Bildungs-wanderung für die Gesamtregion auf.Dabei hält das Münsterland viele so ge-nannte „hidden champions“ in ganz unter-schiedlichen Branchensegmenten bereit. DieStellen in diesen vornehmlich mittelstän-disch geprägten Unternehmen versprechenoftmals gute Aufstiegs- und Weiterbildungs -möglichkeiten. Auch Familienfreundlich-keit und ein gutes Arbeitsklima werden inden Betrieben der Region großgeschrieben.Die Region bildet mit Ihren ausgezeichnetenHochschulen und Weiterbildungsmöglich-keiten genügend Fach- und Führungskräfteaus und es sind auch genügend interessanteund erfolgreiche Unternehmen vorhanden,die auf diese angewiesen sind, sie findennur oft nicht zueinander. Gerade mittelständische Unternehmen in derRegion bekommen das jetzt schon zu spü-ren, wenn sie nach hochqualifizierten Ar-beitskräften suchen. Die Resonanz auf ihreStellenanzeigen ist oft gering.An dieser Stelle setzt der Münsterland e.V.mit dem Karriereservice an und versucht,den Arbeitsmarkt für Fach- und Führungs-kräfte in den Vordergrund zu stellen und zubeleben.Den Stein ins Rollen brachte der Ziel 2-Pro-jektaufruf des Wirtschaftsministeriums NRWim März 2009 zur Stärkung der regionalenWettbewerbs- und Innovationsfähigkeit.Dieser Aufruf motivierte die Wirtschaftsför-dererkonferenz des Münsterlandes (sieheInfobox), gemeinsam Ideen für ein indivi-duelles, auf die Bedürfnisse der Region ab-gestimmtes Konzept zu entwickeln. Am Ende dieses Abstimmungsprozesses

stand das „Regionale EntwicklungskonzeptMünsterland“. Dabei kristallisierten sich zweiwesentliche Handlungsfelder heraus: Ein re-gionales Clustermanagement und ein Karrie-reservice für das Münsterland, um den es hiergehen soll. Das Regionale Entwicklungskon-

zept ist seit Oktober 2010 in der zweijährigenProjektphase und wird vom Wirtschaftsmi-nisterium NRW mit 600.000 Euro bezu-schusst, die aus dem Europäischen Fonds fürRegionalentwicklung (EFRE) finanziert wer-den. Das Team der Karriereservice bestehtdabei aus vier Mitarbeitern, die sich 1,75Stellen teilen.Der Münsterland e.V. setzt bei der Umset-zung des Karriereservice zuallererst auf Trans-parenz. Mit dem neuen Online-Stellenportaljobwunderland.com, das vom Karriereservicekonzipiert und realisiert wurde, haben inter-

essierte Fach- und Führungskräfte einen ein-fachen und schnellen Zugang zu diesen Stel-len im Münsterland. Mit dem Job-Radarkönnen Sie sich zudem über Ihre spezifischenSuchanfragen per E-Mail auf dem Laufen-den halten. Momentan hält jobwunder-

land.com über 420 Job- und Praktikums-stellen aus dem Münsterland für Akademiker,Techniker, Meister und Fachkräfte in Lei-tungsposition bereit. Diese sind aufbereitetmit interessanten Informationen zu denUnternehmen und zum Standort Münster-land.Eine weitere Maßnahme, die vom Karriere-service umgesetzt wird, sind so genannte„Matching-Veranstaltungen“ bei denen Ab-solventen und andere arbeitsuchende Fach-und Führungskräfte auf regionale Unterneh-men treffen. In zehn- bis fünfzehnminütigen

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Schwerpunkt: Wirtschaftsförderung in Krise und AufschwungSchwerpunkt: Wirtschaftsförderung in Krise und Aufschwung

Mit dem Karriereservice hat sich der Münsterland e.V. als Marketing-Inititiative der Kreise, Kommunen und der Unternehmen imMünsterland einer drängenden Frage gestellt – wie lässt sich der vielbesagte drohende Fachkräftemangel in den ländlich geprägtenRegionen Deutschlands zukünftig abfedern? Wer diese Aufgabe lösen kann, sichert den regionalen Unternehmensbestand und somitdie wirtschaftliche und schließlich auch gesellschaftliche Zukunft der Region. Sicherlich kein einfaches Unterfangen.

Region Münsterland startet Job-Offensive –Kreise stellen sich vernetzt demdemografischen WandelVon Klaus Ehling, Geschäftsführer und Sprecher Münsterland e.V.

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Gesprächen haben beide Seiten Zeit sich un-verbindlich kennenzulernen, wie bei einemSpeeddating. Der Münsterland e.V. arbeitetbei diesen Veranstaltungen eng mit den Wirt-schaftsförderungen der Kreise und mit den

Kammern und Hochschulen zusammen. DieAuftaktveranstaltung in Bocholt (Kreis Bor-ken) verlief mit zwanzig Bewerbern und übervierzig Gesprächen erfolgreich. Pro Jahr fin-den zwei bis drei dieser Matching-Veranstal-tungen in den jeweiligen Kreisen statt. DieTeilnahme ist für Unternehmen und Bewer-ber kostenlos. Die dritte Maßnahme setzt bereits vor derBerufswahl an. Bei den Schulworkshops „Ju-gend denkt Münsterland“ geht es darum,Schüler der Klassen neun bis zwölf in die po-sitive Entwicklung ihrer Heimatregion zu in-tegrieren und ihnen auf der anderen Seite zuzeigen, welche Möglichkeiten das Münster-land jetzt schon bietet. Auch diese Maßnahmewird gemeinsam mit den Wirtschaftsförde-rungen und den regionalen Entscheidungs-trägern umgesetzt. So konnten beispiels-weise die im letzten Schulworkshop inWadersloh (Kreis Warendorf) erarbeitetenIdeen direkt dem örtlichen Bürgermeistervorgestellt werden – ein konstruktiver Aus-tausch der Generationen für eine attraktiveRegion der Zukunft. Begleitend zu diesen drei Maßnahmen desKarriereservice Münsterland sind die Mitar-beiter des Karriereservice auch auf zahlrei-

chen Jobmessen und Netzwerkveranstal-tungen vertreten, um auch hier auf dieUnternehmen und Jobperspektiven im Mün-sterland hinzuweisen und zu werben. Be-sonders positiv reagieren die Absolventen

auf den regionalen Bezug der Jobsuche.Auch die Rückmeldung der Unternehmenaus dem Münsterland ist sehr positiv. Vielesind an den Aktivitäten des Karriereservicesinteressiert und möchten sich beteiligen.

Richtungsweisend für die Umsetzung derProjektkonzeption erwies sich der „Arbeits-kreis Karriereservice Münsterland“, demwichtige Kooperationspartner wie die Agen-tur für Arbeit, die Bezirksregierung Münster,die Handwerkskammer Münster, die IHKNord Westfalen, Wirtschaftsförderungen, dieFachhochschulen Münster und Gelsenkir-chen und die Regionalagentur Münsterlandangehören. Gemeinsam mit den Landrätenund dem Oberbürgermeister der Stadt Mün-ster unterzeichneten sie Absichtserklärungen,die eine Unterstützung bei der Projektums-etzung zusichern. Und auch während derlaufenden Projektphase arbeitet der Karrie-reservice eng mit dem Arbeitskreis zusam-men, um die Themen effektiv in die Teilre-gionen zu bringen. Somit sind die Akteure im Münsterland fürden demografischen Wandel und das The-ma Fachkräftemangel sensibilisiert und ha-ben erste Instrumente und Maßnahmen, ihmentgegenzuwirken. Die gute Kooperation mit

den Teilregionen und in der Wirtschaftsförd-erkonferenz hat dies ermöglicht.

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Schwerpunkt: Wirtschaftsförderung in Krise und AufschwungSchwerpunkt: Wirtschaftsförderung in Krise und Aufschwung

Gespräch auf einer Matching-Veranstaltung zur Arbeitsvermittlung

Die Arbeitsgemeinschaft Wirtschaftsförderung Münsterland(awm) und die Wirtschaftsfördererkonferenz Münsterland Die Arbeitsgemeinschaft Wirtschaftsförderung Münsterland (awm) ist ein Zusammen-schluss der Wirtschafsförderungsgesellschaften der Kreise Borken, Coesfeld, Steinfurt,Warendorf, der Stadt Münster und des Münsterland e.V. Die einzelnen Partner arbeiten engzusammen. In regelmäßigen Treffen aller Beteiligten werden Positionen des Münsterlan-des gegenüber Dritten abgestimmt. Darüber hinaus wird im Sinne der Region eine gemein-same Öffentlichkeitsarbeit betrieben.In der Wirtschaftsfördererkonferenz Münsterland sind neben den awm-Mitgliedern nochdie Industrie- und Handelskammer (IHK) Nord Westfalen, die Handwerkskammer (HWK)Münster, die Bezirksregierung Münster, die Westfälische Wilhelms-Universität, die Fach-hochschule Münster, die Fachhochschule Gelesenkirchen sowie die Regionalagentur Mün-sterland Mitglied. Die Wirtschaftsfördererkonferenz Münsterland tagt drei bis vier Mal proJahr. In den Sitzungen werden alle zentralen regionalen Themen der Wirtschafts- undStrukturpolitik abgestimmt.

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Bei der von Dr. Martin Klein, Hauptge-schäftsführer des Landkreistages Nord -

rhein-Westfalen, geleiteten Diskussionherrschte weitgehende Einigkeit zwischenden Referenten und Diskussionsteilnehmernhinsichtlich der Frage der Verringerung derSitzzahlen in den Räten als Alternative zurSperrklausel. Auch Frithjof Kühn stimmtedem Vorschlag einer Verkleinerung grund-sätzlich zu, wies jedoch auf den enormen Ar-beitsaufwand in den Kommunalvertretungenhin. Ein großes Parlament mit entsprechendgroßen Fraktionen sei grundsätzlich leis-tungsfähiger, da Aufgaben untereinanderverteilt werden könnten, wohingegen einkleiner Rat und damit kleinere Fraktionendie Arbeit im Rat erschweren würden. Diedadurch entstehende Mehrarbeit verbliebedann bei der Verwaltungsspitze. Zudem seiendie Gemeindevertretungen teilweise schonjetzt überfordert, da sie sich zunehmend mitvöllig nichtigen Themen auseinandersetzenmüssten. Er forderte eine Entlastung der Rätedahingehend, dass diese nur noch für wich-tige Entscheidungen zuständig sein sollten.Staatssekretär Karl Peter Brendel bestätigteaufgrund eigener Erfahrungen, dass in denRäten viele „Kleinstfragen“ die Ratsarbeit er-schwerten. Er sprach sich auch für eine Ver-ringerung der Anzahl der Gemeindevertreteraus, bezweifelte aber wie Prof. Dr. JanberndOebbecke, Geschäftsführender Direktor desFreiherr-vom-Stein-Instituts, die politischeBereitschaft zur Umsetzung. Aus den Reihender Teilnehmenden wurde auf die vielenmöglichen alternativen Stellschrauben, diedas Kommunalrecht biete, wie zum Beispieldas Rückholrecht des Rates gem. § 41 Abs.3 Gemeindeordnung, verwiesen. Im Hinblickauf die am Beispiel des Münsteraner Stad-trates, der mit seiner Größe die eines kleinenLandtages erreiche bzw. sogar übertreffe,geführte Diskussion, ob ein Zusammenhangzwischen der Größe eines Gremiums unddessen Leistungsfähigkeit besteht, zeichne-te sich keine Einvernehmlichkeit ab. Für Prof.Janbernd Oebbecke ist schließlich die schwa-che Stellung des Hauptverwaltungsbeamten

in Nordrhein-Westfalen eine Ursache der vonProf. Dr. Jörg Bogumil in seinem Vortrag ge-schilderten „Konkurrenzdemokratie“ in dennorddeutschen Bundesländern. Sodann führte Martin Klein in den zweitenDiskussionsschwerpunkt „Wiedereinführungeiner Sperrklausel“ ein. Prof. Jörg Bogumilsprach sich dafür aus, die Überhangmanda-te in den Räten zu beseitigen und die vor-nehmlich in süddeutschen Bundesländernübliche Form der Stimmabgabe durch Pan-aschieren (Möglichkeit bei Personen-Mehr-stimmwahlsystemen mit freier Liste, seineStimmen auf Kandidaten verschiedener Lis-ten zu verteilen) zu übernehmen. Zudemsetzte er sich für eine höhere Aufwandsent-schädigung der Ratsmitglieder in Nordrhein-Westfalen ein, die im Vergleich gerade zuanderen süddeutschen Bundesländern sehrgering ausfalle. Eine Anhebung mache dasRatsmandat attraktiver und führe somit zu

mehr Konkurrenz unter den Kandidaten. Da-neben kritisierte er den Verfassungsgerichts-hof Nordrhein-Westfalen, der in seiner Ent-scheidung vom Dezember 2008 durch dieVerwendung unbestimmter Rechtsbegriffe(Gefährdung der Funktionsfähigkeit) die Vor-aussetzungen für die kommunale Sperrklau-sel immunisiert hätte. Dies wurde aus denReihen der Teilnehmer bestätigt; des Weite-ren wies er darauf hin, dass nur noch für dieWahl der Stadtbürgerschaft in Bremen eine

Fünf-Prozent-Klausel und für die Stadtstaa-ten Berlin und Hamburg eine Drei-Prozent-Klausel gelte. Die von Jörg Bogumil ange-

sprochenen unterschiedlichen politischenund demografischen Strukturen zwischenden einzelnen Bundesländern als Argumentfür die Wiedereinführung der Sperrklauselüberzeugten jedoch nicht alle Teilnehmer,vielmehr hätten sich die Verhältnisse einan-der angeglichen. In anderen Flächenländernohne Sperrklausel habe man teilweise sogarüber Jahrzehnte gute Erfahrungen gemacht.Aus den Reihen der Diskussionsteilnehmerwurde berichtet, dass seit der Abschaffungder Sperrklausel im Kommunalwahlgesetzbei den Rechtsstreitigkeiten das Fragerechtder Gemeindevertreter betreffend ein leich-ter Anstieg und bei den Verfahren die finan-zielle und sachliche Ausstattung der Grup-pen und Fraktionen betreffend ein rasanterAnstieg zu verzeichnen sei. Hinsichtlich derBildung von Fraktionen und Gruppen wur-de deutlich gemacht, dass die Betroffeneneine grundsätzliche politische Übereinstim-mung durch gemeinsame Aktionen nach-weisen müssten. Die Praxis lasse jedoch ineinem weiten Maße ungeprüft Zusammen-schlüsse zu.

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ThemenThemen

Das Für und Wider einer Sperrklausel im Kommunalwahlrecht diskutierten Vertreter aus Wissenschaft und Praxis in den Räumlichkeitendes Schlosses der Universität Münster im Rahmen der Veranstaltung „Brauchen wir wieder eine Sperrklausel im Kommunalwahlrecht?“des Freiherr-von-Stein-Instituts, wissenschaftliche Forschungsstelle des Landkreistages NRW. Frithjof Kühn, Landrat des Rhein-Sieg-Kreises, konnte aus Sicht eines „Betroffenen“ seinen Eindruck der zunehmenden Zersplitterung und Funktionsunfähigkeit in den Ge-meindevertretungen schildern, Prof. Dr. Jörg Bogumil von der Universität Bochum beleuchtete die Auswirkungen der Abschaffung derSperrklausel auf das konkurrenzdemokratisch geprägte System in Nordrhein-Westfalen von der politikwissenschaftlichen Seite undKarl Peter Brendel, Staatssekretär des Innenministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen, rundete die Vortragsveranstaltung mitseiner politischen Einschätzung der geringen Chancen einer Wiedereinführung einer Sperrklausel ab.

Veranstaltung des Freiherr-vom-Stein-Instituts zu Sperrklauselnim Kommunalwahlrecht Von Katharina Kallerhoff, wissenschaftlicheReferentin beim Freiherr-vom-Stein-Institut

Diskussionsveranstaltung im MünsteranerSchloss

Prof. Jörg Bogumil

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1. Einleitung

Die Anforderungen an die Zulässigkeit vonkommunalwahlrechtlichen Sperrklauseln er-geben sich aus dem Urteil des Bundesverfas-sungsgerichtes (BVerfG) zur 5 Prozent-Sperr-klausel in Schleswig –Holstein (Urteil vom13.02.2008, 2 BvK 1/07) sowie aus den Ent-scheidungen der Landesverfassungsgerich-te, in NRW speziell aus den Entscheidungendes Verfassungsgerichtshofes für das LandNordrhein-Westfalen (VerfGH NRW) vom06.07.1999 (14/98, 15/98) zur 5 Prozent-Sperrklausel und vom 16.12.2008 (12/08)zur sog. „Ein-Sitz-Sperrklausel“ nach demKWahlG 2007. In allen genannten Entschei-dungen wurde eine Verletzung des Grund-satzes der Gleichheit der Wahl sowie desGrundsatzes der Chancengleichheit derWahlbewerber bejaht. Zwar kann nach der verfassungsgerichtlichenRechtsprechung die Funktionsfähigkeit auchvon Kommunalvertretungen grundsätzlichdurch Sperrklauseln gesichert werden, hier-zu muss der Gesetzgeber aber eine konkreteGefährdung nachweisen. Die bloße „Erleich-terung“ oder „Vereinfachung“ der Beschluss-fassung reicht als Rechtfertigung nicht aus.Vielmehr ist darauf abzustellen, welche Auf-gaben des zu wählenden Organs konkretnicht mehr effektiv erfüllt werden können.Hierbei kommt es maßgeblich auf die Aus-gestaltung des jeweiligen Kommunalver-fassungsrechtes an. Entscheidendes Gewichthat das Bundesverfassungsgericht in diesemZusammenhang der Direktwahl der Bürger-meister und Landräte in hauptamtlich ver-walteten Gemeinden und Landkreisen ein-geräumt. Damit sei ein zentrales Argument,das bislang die Sperrklauseln gestützt habe,weggefallen, da der hauptamtliche Bürger-meister/Landrat institutionell unabhängig seiund damit unabhängig von den politischenMehrheitsverhältnissen in der Kommunal-vertretung eine funktionierende Gemeinde-vertretung gewährleistet sei. Zudem sei zuberücksichtigen, dass die kommunalen Ver-tretungen keine Parlamente im staatsrecht-lichen Sinne seien. Die Gemeindevertretungsei ein Organ der Verwaltung und übe an-ders als die staatlichen Parlamente keine Ge-setzgebungstätigkeit aus.

Nach der Entscheidung des Landesverfas-sungsgerichtshofes scheiterte die Beibehal-tung der 5 Prozent-Sperrklausel in Nordr-hein-Westfalen daran, dass der Gesetzgeberdie Möglichkeit einer Beeinträchtigung derFunktionsfähigkeit der Kommunalvertretun-gen nicht hinreichend konkret begründethabe, sondern nur mit einer abstrakten, the-oretischen Möglichkeit der Beeinträchtigung.Insbesondere habe der Gesetzgeber nichtnachvollziehbar dargelegt, ob und warumsich die von ihm aufgezählten Unterschiedein den Kommunalverfassungen in einerWeise auf die Ratsarbeit auswirken würden,die eine Sperrklausel in den süddeutschenBundesländern als verzichtbar, in NRW hin-gegen als unverzichtbar erscheinen lasse.Damit hat der VerfGH aber zugleich dieMöglichkeit einer zulässigen Sperrklauselaufgezeigt, wenn diese sich aus den Be-sonderheiten des Kommunalverfassungs-rechtes begründen lässt. Zudem haben so-wohl das Bundesverfassungsgericht als auch

der Verfassungsgerichtshof aufgezeigt, dassdie Entscheidung zur Zulässigkeit einer Sperr-klausel nicht statisch ist, sondern sich durchneue Entwicklungen auch ändern kann.In der Entscheidung vom 16.12.2008 hat derLandesverfassungsgerichtshof sich explizitmit der Stellungnahme des Landrates desRhein-Sieg-Kreises anlässlich der öffentlichenAnhörung im Gesetzgebungsverfahren 2007befasst. Der Landrat hatte in der Anhörungeine die Arbeitsfähigkeit beeinträchtigende

Zersplitterung des Kreistages geschildert, dieim weiteren Verlauf der parlamentarischenBeratungen wiederholt aufgegriffen wordenist. Der Landesverfassungsgerichtshof hat indiesem Zusammenhang darauf hingewiesen,dass der Gesetzgeber für den Fall, dass erFunktionsstörungen für einzelne Kommunal-vertretungen erwarte, die in Rede stehendewahlrechtliche Zugangsschranke für dasSitzzuteilungsverfahren gegen die Bedeu-tung der Wahlrechts- und Chancengleich-heit für alle Kommunalvertretungen abwä-gen müsse.

2. Situation im Rhein-Sieg-Kreis

Die ersatzlose Abschaffung der Sperrklauselim Kommunalwahlgesetz (KWahlG) hat einedeutliche Zersplitterung in den Kommunal-parlamenten zur Folge.Speziell im Rhein-Sieg-Kreis stellt sich die Si-tuation wie folgt dar:

Nach der Kommunalwahl 2004 waren imKreistag neben der CDU (36 Sitze), der SPD(19 Sitze), den GRÜNEN (8 Sitze) und derFDP (6 Sitze) die NPD, die PDS und die Par-tei „Ab jetzt …Bündnis für Deutschland“jeweils mit einem Sitz vertreten.Aufgrund der Ergebnisse der Kommunal-wahlen vom 30.08.2009 ist eine weitere Zer-splitterung zu beobachten. So gesellen sichnunmehr im Kreistag des Rhein-Sieg-Kreiseszu den bisherigen vier Fraktionen eine Grup-

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ThemenThemen

Brauchen wir wieder eine Sperrklausel im Kommunalwahlrecht?Die Position der Kommunen Von Landrat Frithjof Kühn1,Rhein-Sieg-Kreis

1 An dem Aufsatz mitgewirkt hat Dr. Gabriele Neu-gebauer, Rechtsamt Rhein-Sieg-Kreis

Sitze Wähler Wähler pro Sitz

CDU 32 109975 3437

SPD 17 57860 3404

Grüne 10 34792 3479

FDP 9 32646 3627

Linke 2 7858 3929

NPD 1 2581 2581

Volksabstimmung 1 3390 3390

FUW 1 4677 4677

BfM 1 1821 1821

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Ergebnisse der Kommunalwahlen 2009 im Rhein-Sieg-Kreis

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pe DIE LINKE (3,1 Prozent Stimmenanteil)sowie vier Einzelabgeordnete der NPD (1,0Prozent), der Partei „Ab jetzt…Bündnis fürDeutschland“ für Demokratie durch Volks-abstimmung (1,3 Prozent), der Bürger fürMeckenheim (BfM, 0,7 Prozent) und der„Freien Unabhängigen Wählergemeinschaft“(FUW, 1,8 Prozent). Die BfM sind nur in zweivon insgesamt 36 Kreiswahlbezirken ange-treten. Ihrem Kandidaten reichten zum Ein-zug in den Kreistag 1.821 Stimmen von ins-gesamt 255.600 abgegebenen gültigenStimmen aus, was einem Stimmenanteil von0,7 Prozent entspricht (zum Vergleich benö-tigten CDU 3.437 Stimmen, SPD 3.404 Stim-men, GRÜNE 3.479 Stimmen, FDP 3.627Stimmen für je einen Sitz). Bereits 1.727Stimmen hätten ausgereicht, um mit einemSitz in den Kreistag des Rhein-Sieg-Kreiseseinzuziehen.

3. Argumente aus der kommunalen Praxis

Die Rechtsprechung fordert die Kommunal-politik heraus, ein verfassungsrechtlich an-erkanntes Bedürfnis für die Wiedereinfüh-rung einer Sperrklausel nachzuweisen.

Auslegung der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes

Die Herstellung oder Aufrechterhaltung derFunktionsfähigkeit kommunaler Vertretun-gen wird vom Verfassungsgerichtshof alsGrund für die Einführung einer Sperrklauselfür zulässig erachtet. Hingegen reicht die blo-ße Schwerfälligkeit bei der Meinungsbildungnicht aus. Eine trennscharfe Abgrenzung lässtsich daraus allerdings nicht ableiten. Es gehtdarum, konkret darzulegen, dass die sachge-rechte Wahrnehmung der einer Kommunal-vertretung obliegenden Aufgaben konkret inFrage steht. Dabei gibt es insbesondere auchkeine konkreten Vorgaben, in wieviel Pro-zent der Kommunen die Funktionsfähigkeiterheblich beeinträchtigt sein muss.

Empirische Ergebnisse

Die Zahl der Ratsfraktionen sowie der Grup-pierungen und Einzelbewerber ohne Frak-tionsstatus hat seit der Abschaffung der Sperr-klausel durchschnittlich um jeweils vier proStadt zugenommen, so dass aktuell durch-schnittlich knapp 8 Fraktionen und Gruppie-rungen im Kommunalparlament der typischnordrhein-westfälischen Großstadt sitzen(vgl. Gutachten Bogumil/Grohs/Holtkamp,Auswirkungen der Abschaffung der kom-munalen 5 Prozent-Sperrklausel auf daskommunalpolitische Entscheidungssystem inNRW, April 2009). Zudem gibt es nach Ab-schaffung der Sperrklausel in Räten undKreistagen so viele Überhangmandate wienie. In Bonn hat sich die Zahl der Ratsmit-glieder durch neue Splitterparteien und Über-

hangmandate von 66 auf 80, in Münster von74 auf 80, in der Städteregion Aachen von56 auf 72 und in Siegen von 62 auf 70 Man-date erhöht. Im Rhein-Erft-Kreis ist die Zahlder Mandatsträger von 66 auf 80, im Rhein-Sieg-Kreis von 72 auf 74 (ein Überhangman-dat, ein Ausgleichsmandat) angestiegen.

Funktion der Räte/Kreistage

Das Bundesverfassungsgericht begründet dieVerfassungswidrigkeit der 5 Prozent-Klauselunter anderem damit, dass die Räte/Kreis-tage keine Parlamente im staatsrechtlichenSinne seien. „Bei gesetzgebenden Körper-schaften seien klare Mehrheiten zur Siche-rung einer politisch aktionsfähigen Regierungunentbehrlich. Dies sei aber bei Gemeinde-vertretungen und Kreistagen, die keine Ge-setzgebungszuständigkeit ausüben, nichtder Fall.“ Diese Schlussfolgerung verkennt die Zustän-digkeiten der Kreistage und Gemeinderäte.Nach § 2 GO NRW/§ 2 KrO NRW sind dieGemeinden/Kreise ausschließliche und ei-genverantwortliche Träger der öffentlichenVerwaltung zur Wahrnehmung der auf ihrGebiet begrenzten örtlichen/überörtlichenAngelegenheiten. Der Kreistag, neben demLandrat und dem Kreisausschuss als eigen-ständiges Organ, trifft Entscheidungen, sou.a über den Haushalt, Satzungen, Verord-nungen sowie über wirtschaftliche Betäti-gungen und für die wirtschaftliche Entwick-lung wichtige Infrastrukturmaßnahmen, diesich mittelbar oder unmittelbar auf die Bür-ger/innen des jeweiligen Kreises auswirken.Beim Erlass von Satzungen und Rechtsver-ordnungen steht ihm im Rahmen der recht-lichen Vorgaben ein „gesetzgeberisches Er-messen“ zu. Zahlreiche Entscheidungenmüssen zum Teil sogar innerhalb gesetzlicherFristen getroffen werden, das heißt sie kön-nen nicht wie Gesetzesvorhaben „auf dielange Bank geschoben“ werden. Um die Handlungsfähigkeit der Kommunenaufrecht zu erhalten, müssen wichtige Ent-scheidungen getroffen werden, die keinenAufschub dulden, wie z.B. die Verabschie-dung des Haushalts und die Beschlussfassungüber die Haushaltssatzung, für die Einnahmender Kommunen wichtige Beschlüsse überdie Erhebung der Grundsteuer und die He-besätze zur Gewerbesteuer sowie Beschlüs-se über Gebührensatzungen, die Gründungvon Zweckverbänden und wirtschaftlicheBeteiligungen. Gerade Beschlüsse über wirt-schaftliche Beteiligungen sind besonderswichtig, weil die Kommunen einen großenTeil ihrer Aufgaben durch Gesellschaften,Zweckverbände etc. wahrnehmen. Alle die-se Entscheidungen setzen die Aktions- undHandlungsfähigkeit des Kreistages voraus.Wenngleich Gemeindevertretungen undKreistage nicht Parlamente im staatsrecht-lichen Sinn sind, verhalten sich die Fraktionen

in Kommunalparlamenten wie im Landtagund Bundestag, zum Beispiel durch Abschlussvon Vereinbarungen. Deshalb kann der obengenannten Auslegung und Wertung desBundesverfassungsgerichtes so nicht gefolgtwerden. Die Bedeutung und Tragweite kom-munaler Selbstverwaltung für die Belangeder Bürger/innen – und die Wahrnehmungvon Demokratie vor Ort – wird auf bundes-und landespolitischer Ebene deutlich unter-schätzt.

Direktwahl der Bürgermeister und Landräte

Ein weiteres wesentliches Argument, dasvom Bundesverfassungsgericht für die Ver-fassungswidrigkeit der Sperrklausel im Kom-munalwahlgesetz Schleswig-Holsteinangeführt wird, ist die Direktwahl der Bür-germeister und Landräte und die damit ver-bundene institutionelle Unabhängigkeit.Dem ist entgegen zu halten, dass insbeson-dere in großen Städten die Stadträte durchdie Allzuständigkeit des Stadtrates und dasRückholrecht erheblichen Einfluss auf vieleBereiche der Verwaltung haben. Zudem kön-nen sie durch die Wahl der Beigeordnetenund die Definition ihrer Geschäftsfelder dieKompetenzen des hauptamtlichen Bürger-meisters maßgeblich einschränken. Die Un-abhängigkeit des direkt gewählten Bürger-meisters entspricht deshalb nicht derkommunalen Wirklichkeit. Zudem ist das di-rekte Mandat für manche Fraktionen ehereine Herausforderung, die eigene Machtgegenüber dem hauptamtlichen Bürgermeis-ter zu demonstrieren. Einzelabgeordnete können je nach denMehrheitsverhältnissen das „Zünglein an derWaage“ sein. Beim Rhein-Sieg-Kreis sinddie Einzelbewerber zwar bisher nicht für dieMehrheitsbildung ausschlaggebend gewesenund es gab auch keine Blockadesituation. Dasliegt aber daran, dass die drei Einzelabgeord-neten, die nach der Kommunalwahl 2004 imKreistag vertreten waren, aufgrund ihrer po-litischen Provenienz von den Fraktionen aus-gegrenzt wurden. Die anderen Fraktionenhaben sich in ihrer Zusammenarbeit daraufeingerichtet. Die Situation wäre möglicher-weise anders, wenn es sich um Einzelabge-ordnete aus dem allgemeinen demokrati-schen Lager handeln würde. Hier bleibtabzuwarten, wie sich die neue Zusammen-setzung des Kreistages 2009 mit zwei weite-ren Einzelabgeordneten auswirkt.

Verminderte Sitzungs- und Verwaltungseffizienz

Konkret bedeutet die Zersplitterung der Gre-mien eine erhebliche Behinderung der effek-tiven Arbeit. Entscheidungsprozesse werdenverzögert, Arbeitskraft der Verwaltung wirddurch Anfragen, Anträge und Wortbeiträgein erheblichem Maße gebunden, obwohldiese letztlich keine Entscheidungsrelevanz

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ThemenThemen

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Meinen Bemerkungen zum Thema „Sperr-klauseln im Kommunalwahlrecht“

möchte ich vier Thesen voranstellen:

1. Sperrklauseln sind im Kommunalwahl-recht nicht grundsätzlich ausgeschlossen,sie sind aber nur bei drohender Funkti -onsunfähigkeit rechtlich zulässig.

2. Das gilt auch für Sperrklauseln unterhalbvon fünf Prozent.

3. In Nordrhein-Westfalen wurden bisherkeine belastbaren Belege für eine drohen-de Funktionsunfähigkeit beigebracht undwerden sich durch eine Erhebung auch imgeforderten Umfang nicht belegen lassen.

4. Alternativ zu einer Sperrklausel kommteine Sperrwirkung durch Reduzierungder Sitzzahlen in Betracht.

Im Einzelnen:

1. Zulässigkeit nur bei drohen-der Funktionsunfähigkeit

Wer sich dem Thema „Sperrklauseln im Kom-munalwahlrecht“ nähern will, sollte dies mitBlick auf die dazu ergangene Rechtsprechungtun. Kaum eine Frage des Kommunalwahl-rechts ist so gründlich – und ich meine auchso eindeutig – judiziert. Der nordrhein-westfälische Verfassungsge-richtshof hat insbesondere 1999 und dasBundesverfassungsgericht insbesondere2008 die Grenzen für die Zulässigkeit kom-munalwahlrechtlicher Fünf-Prozent-Sperr -klauseln abgesteckt. Beide Gerichte nehmenaufeinander Bezug und stimmen miteinander

überein – ich meine: sehr deutlich überein.Ich will versuchen, die an Hinweisen undMaßgaben überaus reichhaltige Rechtspre-chung kurz zusammenzufassen:Der Ausschluss kleiner Parteien und Wäh-lergruppen aus kommunalen Vertretungendurch eine Sperrklausel bedeutet einen Ein-griff in die Chancengleichheit, in den An-spruch auf gleiche demokratische Teilhabean der politischen Willensbildung auf kom-munaler Ebene. Ein solcher Eingriff lässt sichnur durch zwingende Gründe rechtfertigen.Als zwingenden Grund für kommunale Sperr-klauseln akzeptiert die Rechtsprechung imErgebnis allein eine drohende Funktionsun-fähigkeit kommunaler Vertretungen. Die Pro-gnose hierfür muss empirisch nachvollzieh-bar begründet sein.

haben. Die Dauer der Ratssitzungen hat sichin den größeren Kommunen seit Abschaf-fung der Sperrklausel maßgeblich verlängert.Von fraktionslosen Gruppierungen werdenhäufig in den Ratssitzungen Angelegenhei-ten der Fachausschüsse thematisiert, da sienur in einem Ausschuss mit beratender Stim-me vertreten sind. Dadurch wird die vorbe-reitende und damit auch die beschleunigen-de Funktion der Ausschüsse in Frage gestellt.

Ehrenamtlichkeit

Es steht zu befürchten, dass sich infolge vonlangen ineffektiven Sitzungen immer weni-ger Bürger/innen bereit erklären, ein Mandatzu übernehmen. Insbesondere dürfte es im-mer schwerer sein, in den Kommunalparla-menten einen Querschnitt durch alle Berufs-gruppen aufrecht zu erhalten, da die langenSitzungen kaum mit einer Vollzeittätigkeit zuvereinbaren sind.

Kosten

Mit der zunehmenden Größe der Kommu-nalparlamente steigen in der Summe auchdie Kosten für die Aufwandsentschädigun-gen der Abgeordneten. Dies trifft letztlich dieGesamtheit der Steuerzahler.

Ungleichheit durch „faktische Sperrklausel“

Während der für einen Sitz nötige Mindest-stimmenanteil in größeren Kommunen inAbhängigkeit von den kandidierenden Listendeutlich unter 1 Prozent liegt (Rhein-Sieg-Kreis 0,7 Prozent), ist in kleineren Kommu-nen unter Umständen ein Stimmenanteil von3 Prozent (oder mehr) für einen Sitz in der

Kommunalvertretung erforderlich. Zudemergibt sich, wie das Beispiel des Rhein-Sieg-Kreises zeigt, auch dadurch eine deutlicheStimmenungleichheit, als die kleineren Par-teien mit nur einem Sitz zum Teil deutlichweniger Stimmen benötigen, um einen Sitzim Kreistag zu erhalten als die großen Par-teien (siehe NPD und BfM). Nach Auffas-sung des Landkreistages Nordrhein-West-falen liegt darin eine verfassungsrechtlichbedenkliche Beeinträchtigung der Erfolgs-wertgleichheit. Diese Ungleichbehandlungkönnte durch die Einführung einer 2 Pro-zent-Sperrklausel, die alle Kommunen unab-hängig von ihrer Größe erfasst und damitdie Unterschiede durch die faktische Sperr-klausel weitestgehend beseitigen würde, er-heblich verringert werden. Der Landesver-fassungsgerichtshof hat weder mit seinerEntscheidung aus dem Jahre 1999 noch mitder daran anknüpfenden Entscheidung vom16.12.2008 Sperrklauseln als generell un-zulässig eingestuft. Ausgangspunkt derrechtlichen Bewertung durch den Landes-verfassungsgerichtshof war die 5 Prozent-Sperrklausel. Daraus kann nicht automatischgeschlossen werden, dass auch eine andere(niedrigere) Sperrklausel unzulässig wäre.

Zunahme extremer Parteien

Mit dem Wegfall der Sperrklausel ist sowohleine Zunahme „exotischer“ Parteien ohneklare Ziele, insbesondere aber auch eine Zu-nahme extremer Parteien in den Kommu-nalparlamenten zu verzeichnen. Für rechts-extreme wie auch linksextreme Parteien gehtes in den Gemeindeparlamenten in der Re-

gel nicht um eine erfolgreiche parlamenta-rische Arbeit, sondern der „Kampf um dieParlamente“ dient im wesentlichen anderenZielen, wie die eigene Sichtbarkeit zu stei-gern und für die eigene Ideologie zu werben,oder die Vertreter der anderen Parteien an-zuprangern (vgl. Roth, das Thema: RechteParteien und Organisationen, Provokationfür die Demokratie?, das rathaus 2010, 42ff.). Genau dies zeigen die Erfahrungen imKreistag. Das polemische Auftreten der ex-tremen Parteien hat zur Folge, dass die De-batten in den kommunalen Parlamentenmöglichst kurz gehalten werden, um den ex-tremen Parteien keine Plattform für ihresachfremden Ziele zu gewähren, zum Bei-spiel über geschäftsordnungsmäßige Ein-schränkungen des Rederechtes. Dadurchaber wird zu Lasten der anderen Parteienund damit zu Lasten der Bürgerinnen undBürger, die die Vertretungen gewählt haben,ein offener demokratischer Prozess durch ei-nen fairen und sachlichen Austausch der Ar-gumente in den Sitzungen eingeschränkt.

4. Ausblick

Der Gesetzgeber sollte deshalb den Mutaufbringen und wieder eine Sperrklauseleinführen, die bei mindestens zwei Prozentliegen sollte. Die Verfassungsgerichtsbarkeithat dem bisher keine grundsätzliche Absageerteilt.

EILDIENST LKT NRWNr. 10/Oktober 2010 10.20.04

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Sperrklauseln im Kommunalwahlrechtaus Sicht der Landesregierung Von Staatssekretär Karl Peter Brendel, Innenministerium des Landes Nordrhein-Westfalen

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Eine abstrakte Betrachtung und eine theore-tische Möglichkeit der Funktionsunfähigkeitgenügen nicht. Drohen schwerwiegendeFunktionsstörungen nur in einzelnen Vertre-tungen, muss nach dem Grundsatz der Ver-hältnismäßigkeit die Sperrklausel gegen dieBedeutung der Wahlrechts- und Chancen-gleichheit für alle Kommunalvertretungenabgewogen werden. Dies ist also die nächste Hürde. Dann reichtauch der – sonst natürlich zutreffende – Hin-weis von Bogumil nicht, dass Nordrhein-Westfalen besonders viele Großstädte hat.NRW hat nicht nur Großstädte und nicht inallen Großstädten gibt es eine Zersplitterung.Eine bloße Erleichterung von Mehrheitsbe-schlüssen legitimiert eine Sperrklausel nicht.Zur Demokratie gehört das Aufeinander-treffen verschiedener Positionen und das Fin-den von Kompromissen dazu – anders alsLandrat Frithjof Kühn würde ich auch nichtsagen, dass Kompromisse meistens schlechtsind. Ich finde, dass Kompromisse oft auchzu guten Ergebnissen führen.Speziell im Hinblick auf die nordrhein-west-fälischen Großstädte hat unser Verfassungs-gerichtshof im Urteil vom 6. Juli 1999 sogarausdrücklich festgestellt: „Drohte der Weg-fall der Sperrklausel tatsächlich die Kom-munalvertretungen bis zur Unfähigkeit derMehrheitsbildung zu zersplittern, müsstenüber die Jahrzehnte hin jedenfalls in sol-chen Städten derartige Erfahrungen gesam-melt worden sein.“ Probleme seien aberbis dato insoweit nicht bekannt geworden,auch nicht in Ländern ohne Sperrklausel, indenen es ebenfalls – wenngleich nicht ingleicher Zahl – große Städte gibt.

2. Keine geringeren Anforderungen an Sperrklauseln unterhalb von 5 Prozent

In seinem Urteil vom 18. Dezember 2008 zurUnzulässigkeit der Grundmandatsklauselstellt das Landesverfassungsgericht aus-drücklich klar: Die verfassungsgerichtlichenMaßgaben in Bezug auf eine Sperrklauselvon 5 Prozent gelten auch dann, wenn es umdie Einführung einer sonstigen Zugangshürdefür die Sitzzuteilung beim Verhältnisausgleichgeht. Eine drohende Funktionsunfähigkeitzur Rechtfertigung einer Mindestsitzzahl von1,0, deren Sperrwirkung von 1,1 Prozent inVertretungen mit 90 Sitzen bis hin zu 5 Pro-zent in Räten mit 20 Sitzen reicht, ist nachAuffassung des Gerichts im Gesetzgebungs-verfahren zur Novellierung des Kommunal-wahlgesetzes 2007 nicht durch valide em-pirische Ergebnisse belegt worden. Deshalbwar die im Verfahren eingeführte Regelungverfassungswidrig.Das Gericht hat allein die Rundungsregel imneu eingeführten Divisorverfahren nach

Sainte Laguë/Schepers anerkannt. Danach istfür einen ersten Sitz wie auch für weitereSitze ein Reststimmenanteil erforderlich, dereinen Sitzanteil von mindestens 0,5 ergibt. Die Sperre für darunter liegende Reststim-men folgt jedoch nicht aus drohender Funk-tionsunfähigkeit, sondern aus systembeding-ten Gründen des Berechnungsverfahrens. Esliegt in der Natur der Sache, dass nicht alleReststimmen in einem ganzen Sitz abgebil-det werden können.Als Folge davon bleibt aus Gründen mathe-matischer Verteilungsgerechtigkeit nur eineArt „halbes Grundmandat“ mit einer Sperr-wirkung von 0,55 Prozent in Vertretungenmit 90 Sitzen und bis 2,5 Prozent in Vertre-tungen mit 20 Sitzen.

3. Gegenwärtig keine Prognose drohender Funktionsunfähigkeit

Die Rechtsprechung hat bislang offen ge-lassen, wann in rechtlicher und tatsächlicherHinsicht eine über bloße Erschwerungen derArbeitsfähigkeit hinausgehende Funktions-unfähigkeit von Kommunalvertretungen an-genommen werden kann. Die Formulierungallgemeiner Maßstäbe dürfte aber kaummöglich sein. Vielmehr wird es auf eine Ge-wichtung und Abwägung der Einzelfallum-stände ankommen.Ich kann mir aber kaum vorstellen, wie einesolche Situation sein könnte. Selbst 4 oder5 Gruppen, wie sie nach der Kommunalwahl2009 übrigens nur in 6 der 54 Kreise undkreisfreien Städte vorkommen, sind nicht inder Lage, in der dortigen Vertretung eine ArtSperrminorität auszuüben. Dies ist schon des-halb nicht möglich, weil sie sich untereinan-der nicht stets einig sein dürften. Selbst wennsie durch eine Sperrklausel von der Vertre-tung ferngehalten werden könnten, müsstendie verbleibenden größeren Gruppen sichweiterhin der Mühe unterziehen, notwen-dige Mehrheiten zu suchen und zu finden.Das Demokratieprinzip gibt keinen Anspruchauf Bildung komfortabler Koalitionen mit fest-en Mehrheiten in kommunalen Vertretungen.Gelegentlich vorkommende Schwierigkeitenbei der Vereinbarung von Koalitionen müs-sen deshalb nicht nur auf kommunaler Ebenehingenommen werden.Auch im Landtag in Nordrhein-Westfalen –also einem Parlament mit 5 Prozent Sperr-klausel – sind Mehrheitsbildungen nicht ein-fach, wie wir gerade sehr deutlich sehen.Weder aus den Kommunen noch bei den An-hörungen zu Änderungen des Kommunal-wahlgesetzes in den Jahren 2007 und 2009wurden – was aber die Rechtsprechung for-dert – konkrete Anhaltspunkte für schwer-wiegende Funktionsstörungen oder drohen-de Funktionsunfähigkeit in einer größerenZahl kommunaler Vertretungen bekannt.

Auch die kommunalen Spitzenverbände alsVertreter kommunaler Interessen haben sol-ches nicht berichtet. Hätte es gravierendeSorgen in Richtung Funktionsunfähigkeit ge-geben, so wären diese sicherlich nicht ver-borgen geblieben.Besonders für größere Städte wurden zwarErschwernisse der Arbeitsfähigkeit einerkommunalen Vertretung vorgetragen. Bei-spielhaft sei hier etwa eine Verlängerung derSitzungsdauer durch Fragen und Anträgevon Einzelmitgliedern genannt, weil diesenaturgemäß nicht in allen Ausschüssen ver-treten sein können und daher einen erhöh-ten Informations- und Beratungsbedarf ha-ben. Dies bestätigt die Untersuchung vonBogumil empirisch allerdings nicht. Miss-bräuche des Rederechts durch eine Vielzahlausufernder Beiträge, die es in der Tat gegebenhat und die ein wirkliches Ärgernis darstellten– die es aber auch bei 2-Fraktionen-Rätengegeben hat –, lassen sich jedoch weitge-hend durch Änderung der Geschäftsordnungund eine entsprechende Sitzungsleitung ver-meiden. Darauf hat auch der Verfassungsge-richtshof Nordrhein-Westfalen in seinem Ur-teil von 1999 bereits hingewiesen.Eine Zunahme der Zahl von Gruppen in Rä-ten von Großstädten und in Kreistagen be-legt als solche noch nicht die Annahmeschwerwiegender Funktionsstörungen. In der Wahlperiode 2004 bis 2009 lag in 21der 54 Kreise und kreisfreien Städte die Zahlder Gruppen in der Vertretung bei sieben undacht. Nach der Kommunalwahl 2009 beträgtin 32 Kreisen und kreisfreien Städten die Zahlder Gruppen zwischen sieben und acht. Insieben gegenüber früher fünf Vertretungengibt es derzeit neun Gruppen, in Duisburgzehn statt vorher neun. Ungeachtet diesesAnstiegs wurde meines Wissens auch seitder Konstituierung der Räte und Kreistagenach dem 21. Oktober 2009 keine Klageüber etwa unerträgliche Funktionsstörungengeführt und empirisch nachgewiesen, wasalso zeigt, dass es geht.Zur Wahlperiode 2004 bis 2009 wurde überden Extremfall des Rates der Stadt Wittenberichtet, in dem sich 13 Fraktionen undGruppen gebildet hatten. Die Zahl der Frak-tionen ist aber keine Frage des Kommunal-wahlrechts und der dortigen Verankerungeiner Sperrklausel. Die Wähler befinden mitder Wahl nur darüber, welche Mandatsträ-ger in die Vertretung einziehen. Wie vieleFraktionen und Gruppen sich nach der Wahlund nach der Konstituierung herausbildenund gegebenenfalls wieder auflösen, ent-scheiden die Mandatsträger und gegebe-nenfalls die hinter ihnen stehende Parteienund Wählergruppen selbst. Neue Fraktionen können auch durch Abspal-tung von größeren Parteien entstehen. EineFraktionsbildung von Einzelmandatsinhabernist tendenziell nur in wenigen Fällen wahr-

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scheinlich. Nach Gemeinde- und Kreisord-nung ist hierfür ein Zusammenschluss aufder Grundlage grundsätzlicher politischerÜbereinstimmung zu möglichst gleichgerich-tetem Wirken erforderlich. Hätte bei der Kommunalwahl 2009 eineSperrklausel von 2,5 Prozent gegolten, hät-ten in den 54 Kreisen und kreisfreien Städten74 Mandatsträger weniger ein Mandat er-rungen, davon 60 Einzelmandatsträger und14 Mandatsträger aus Gruppen mit zweiVertretern. Nur knapp ein Viertel dieser 74Mandatsträger sind Parteien und Gruppie-rungen des rechtsextremen Spektrums zu-zuordnen. Bei dem ganz überwiegendenTeil handelt es sich um Vertreter unzweifel-haft demokratischer Parteien und Wähler-gruppen. Wer an sich nur Vertreter extremerGruppierungen aus den kommunalen Ver-tretungen heraushalten möchte, würde defacto also auch andere treffen. Ein gezieltesVerbot für extreme Vertreter, sich um dieZulassung zur Wahl zu bewerben, ist nachder Rechtsprechung aber verfassungsrecht-lich nicht zulässig. Im Übrigen hat die Kom-munalwahl 2009 gezeigt: Extreme Parteienkönnen durchaus mehr als 2,5 Prozent derStimmen erzielen. So erreichte die Partei proNRW in Köln 5,4 Prozent und in Leverku-sen 4,0 Prozent der Stimmen. Eine Zersplitterung in der Weise, dass dar-aus rechtsrelevante Funktionsstörungen er-wachsen könnten, lässt sich auch aus derStatistik nicht ablesen. Bezogen auf alle Krei-se und Kommunen gab es nach einer ak-tuellen Zusammenstellung von IT.NRW 2009mit 17.164 Mandaten gegenüber 2004 mit16.838 Mandaten lediglich 326 Mandatemehr. Davon entfallen 66 auf Einzelmanda-te und 64 auf Mandate in Zweiergruppie-rungen, die bei einer Sperrklausel von 2,5Prozent lediglich zu einem geringen Teilwegfielen. 196 der 326 zusätzlichen Manda-te betreffen Gruppen von drei und mehr Ver-tretern. Eine Sperrklausel von 2,5 Prozentwürde sich hier gar nicht auswirken.

4. Sperrwirkung durch Verkleinerung kommunaler Vertretungen

Eine gewisse Sperrwirkung anstelle einernicht erlaubten generellen Sperrklausel könn-te mit einer Reduzierung der Größe kom-munaler Vertretungen erreicht werden. So erlaubt schon das geltende Kommunal-wahlgesetz eine Reduzierung der Zahl derzu wählenden Vertreter durch kommunaleSatzung um zwei, vier oder sechs Vertreter,wobei die Zahl von 20 Vertretern nicht unter-schritten werden darf. Immerhin 126 von432 Kreisen, kreisfreien Städten und kreisan-gehörigen Gemeinden haben ihre Vertretung

um sechs Vertreter verkleinert. In 159 Fällenerfolgte bisher keine Reduzierung. Ob zu der-art weitgehenden Verkleinerungen der Sitzzahlein Wille besteht bzw. ob dies sinnvoll ist, seidahingestellt. Jedenfalls stellt die Verkleinerungder Räte ein zulässiges Mittel dar. Ein wei-teres, allerdings nicht flächendeckendes undin der jeweiligen Vertretung nicht stets wirk-sames Mittel zur Erhöhung der Sperrwirkungwürde eine Verringerung der Zahl der Über-hang- und Ausgleichsmandate bedeuten. Die Wahrscheinlichkeit von Überhangman-daten und damit der zur Wiederherstellungdes Stimmenproporzes errechneten Aus-gleichsmandate könnte bei einer Umstellungdes gegenwärtig geltenden Verhältnissesvon 50 Prozent Direktmandaten und 50 Pro-zent Listenmandaten auf etwa 40 zu 60 er-heblich verringert werden. Es liegt auf derHand, dass beispielsweise in einer Vertretungwie der von Solingen, die derzeit mit 20Überhang- und Ausgleichsmandaten 72 Ver-treter aufweist, die Sperrwirkung erheblichanstiege, wenn das Verhältnis Direkt- zu Lis-tenmandaten auf 40 zu 60 Prozent geändertwürde und maximal 20 Überhang- und Aus-gleichsmandate entfielen. Bei 52 Vertreternbeträgt die Sperrwirkung 1,92 Prozent, bei72 Vertretern hingegen nur 1,38 Prozent. InSolingen gibt es in der laufenden Wahlperio-de zwei Einzelvertreter von zwei Wähler-gruppen, die 1,8 und 1,90 Prozent der Stim-men errungen haben. Sie wären bei einerVerringerung auf 52 Sitze nicht in den Rateingezogen.

Zusammenfassungund Ergebnis

Ich fasse zusammen: Derzeit gibt es in Nordrhein-Westfalen keinesubstanziellen Anhaltspunkte, geschweigedenn belastbare Belege für schwerwiegen-de Funktionsstörungen oder eine drohendeFunktionsunfähigkeit kommunaler Vertre-tungen. Vor diesem Hintergrund bestehtauch kein Anlass, in der laufenden Kommu-nalwahlperiode aufwändige empirischeUntersuchungen in Auftrag zu geben. Zu-dem bereitet bereits eine allgemein akzep-tierte Definition des Rechtsbegriffs „drohendeFunktionsunfähigkeit“ erhebliche Probleme– und ist nach meiner Auffassung sogar un-möglich. Jedenfalls hat bisher keiner dieseFrage beantwortet. Solange diese Definitionaber fehlt, ist die von Bogumil geforderteUntersuchung ein zielloses Stochern im Ne-bel. Da der Anker fehlt, bringt uns dies nichtweiter, jedenfalls nicht im Hinblick auf dieheute diskutierte Rechtsfrage.Wer eine Sperrklausel einführen will, und seies nur eine „halbe“ Fünf-Prozent-Klausel,riskiert vorhersehbar deren baldige Aufhe-

bung durch den Verfassungsgerichtshof. Essei daran erinnert, dass eine kleine Partei –die ödp – gegen die Grundmandatsklauselmit Erfolg geklagt hat, obwohl diese Klau-sel beispielsweise in einer Großstadt mit400.000 bis 550.000 Einwohnern und einemRat mit 74 Vertretern eine Sperrwirkung vonnur 1,32 Prozent gehabt hätte. Wir könnendavon ausgehen, dass bei einer neuen Sperr-klausel wiederum eine Partei im Wege desOrganstreits den Verfassungsgerichtshof an-rufen und auch obsiegen würde. Daran än-dert nichts, dass es vereinzelt Stimmen inder Literatur für eine Sperrklauselgibt. Sie fordern eine solche vergleichbar derfür gesetzgebende Parlamente. Denn auchkommunale Satzungstätigkeit stelle Recht-setzung dar und der direkt gewählte Bürger-meister sei auf stabile Mehrheiten in derVertretung angewiesen und habe deren Be-schlüsse auszuführen. (siehe zuletzt Stadt-rechtsdirektor a.D. Christoph Theis, Saar-brücken, KommJur [Kommunaljurist] 2010,168 ff.). Dies dürfte die Verfassungsge-richtsbarkeit kaum überzeugen, zumal siesich mit derartigen Argumenten bereitsgründlich auseinandergesetzt hat.Die Neigung des Verfassungsgerichtshofs,eine neue Sperrklausel zuzulassen, dürfteauch angesichts des Umstandes, dass es in-zwischen nirgendwo in Deutschland einekommunalwahlrechtliche Sperrklausel gibt– auch nicht mehr die 2008 von Rheinland-Pfalz aufgehobene rechnerische Sperrklauselvon rund 3 Prozent – außerordentlich geringsein. Die Realität beweist sozusagen, dassFunktionsunfähigkeit nicht eintritt. Deshalbmuss ich auch nicht beweisen bzw. bele-gen, dass Funktionsunfähigkeit nicht ein-getreten ist. Diese Aufgabe haben nur die-jenigen, die die Sperrklausel einführen unddann begründen müssen. Für den Einzelfallsieht die Gemeindeordnung bei Hand-lungsunfähigkeit des Rates auch noch des-sen Auflösung vor – Sie sehen, es ist allesgeregelt, was geregelt werden muss.Sperrklauseln im Kommunalwahlrecht be-schneiden demokratische Mitwirkungsrech-te und vereiteln den gleichen Zähl- und Er-folgswert der unter den Tisch fallendenWählerstimmen. Sie dürfen daher nur ultimaratio sein, wenn alle anderen Mittel – ange-fangen von politischen Bemühungen desgegenseitigen Überzeugens mit Sachargu-menten zur Bildung von Mehrheiten bis hinzu Änderungen der Geschäftsordnungen –versagen und Kommunalvertretungen dau-erhaft nicht mehr zu erforderlichen Beschlüs-sen finden.

EILDIENST LKT NRWNr. 10/Oktober 2010 10.20.04

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Dass ein solcher Arbeitskreis ins Lebengerufen wird, zeigt aus meiner Sicht

zwei Dinge: Zum einen wird damit unter-strichen, dass die UN-Behindertenrechts-konvention, kurz BRK genannt, Auswir-kungen auf die Kommunen und damit auchdie Kreise haben wird. Zugleich zeigt dieEinrichtung des Arbeitskreises, dass dieFrage, welche Auswirkungen es konkretsein werden, noch weitgehend unbeantwor-tet ist.

Entstehung und Inhalte der Konvention

Der Verabschiedung der Konvention im De-zember 2006 durch die Generalversamm-lung der UN war ein jahrelanger intensiverArbeitsprozess vorausgegangen. Schon seitdem Jahr 2002 hatten Vertreter der UN undder internationalen Menschenrechtsgrup-pen und Behindertenverbände kontinuier-lich an einem Vertragstext gearbeitet. Zieldabei war es, den universal vorhandenenMenschenrechtskatalog präzisierend aufdie besonderen Bedürfnisse und Verhält-nisse von Menschen mit Behinderungen an-zuwenden. Die Bundesrepublik hat diesenvölkerrechtlichen Vertrag wie auch das dazu-gehörige Fakultativprotokoll zum Überein-kommen Ende März 2007 in New Yorkunterzeichnet und sich damit verpflichtet,das Ratifikationsverfahren einzuleiten. Uminnerhalb Deutschlands Rechtswirkung zuentfalten, musste die Konvention zunächstinnerstaatlich in Kraft gesetzt werden. Die-ses Verfahren wurde im März 2009 abge-schlossen. Damit hat die BRK nun den Rangeines Bundesgesetzes.Der Bundestag hatte anlässlich der Verab-schiedung des Gesetzes eine Entschließungangenommen, in der es heißt, dass das Über-einkommen den in Deutschland eingelei-teten Paradigmenwechsel in der Politik fürMenschen mit Behinderungen bestätigt.Mit dem Behindertengleichstellungsgesetz,dem SGB IX und dem allgemeinen Gleich-behandlungsgesetz seien wichtige Mei-lensteine auf dem Weg zu einer gleichbe-

rechtigten Teilhabe von Menschen mitBehinderungen gesetzt worden. Ein konkre-ter Änderungsbedarf der deutschen Rechts-lage wurde nicht festgestellt. Ungeachtetder Fortschritte der vergangenen Jahre wirdaber auch in Deutschland im Hinblick aufdas Übereinkommen weiterer Handlungsbe-darf gesehen. Dies bedeutet, dass Deutsch-land im internationalen Vergleich sicherlicheinen hohen Leistungsstandard aufweist,der jedoch auf die Vorgaben der Konven-tion hin anzupassen und weiterzuentwi-ckeln ist.Die Konvention, die nun wortgleich Gegen-stand des neuen Bundesgesetzes ist, um-fasst 50 Artikel. Nach einer ausführlichenPräambel folgen die Zweck- und Begriffs-bestimmungen sowie die allgemeinenGrundsätze und Verpflichtungen und – diesist das Kernstück der Konvention – in denArtikeln 5 bis 30 ein umfassender Grund-rechtskatalog für Menschen mit Behinde-rungen. Leitlinie der Konvention ist dieAnerkennung von Menschen mit Behin-derungen als vollwertige Bürger ihrer jewei-ligen Gesellschaft. Mit diesem Einschlussder Menschen mit Behinderungen ist einerder begrifflichen Dreh- und Angelpunkteder Konvention benannt: die Inklusion.Dort, wo die Behinderung eines Menschennicht als Abgrenzungs- und Ausschlusskri-terium, sondern als eine von vielen mensch-lichen Erscheinungsformen verstanden wird,herrschen inklusive Lebensverhältnisse. An-ders gesagt: erfolgreiche Inklusion lässtjeglichen gesellschaftlichen Bedarf für In-tegrationsanstrengungen obsolet werden.Insoweit ist der Begriff der Inklusion weni-ger als eine Weiterentwicklung des Integra-tionsbegriffs zu verstehen, sondern be-deutet eine neue Qualität aufgrund einesveränderten Behinderungsverständnisses. Weiteres Ziel der Konvention ist die Befä-higung zum selbstbestimmten Handeln vonMenschen mit Behinderung, das Empower-ment. Nicht der Fürsorgegedanke stehtbeim Umgang mit Menschen mit Behinde-rung im Vordergrund, sondern Normalisie-rung, Selbstbestimmung und Teilhabe.

Umstritten war, ob die UN-Konventionselbst den Begriff der Behinderung definie-ren sollte. Hierauf wurde im Ergebnis ver-zichtet. In der Präambel wird Behinderungals ein sich verändernder Zustand beschrie-ben, der sich aus der Interaktion zwischenMenschen mit Beeinträchtigungen und Bar-rieren in der Einstellung und der Umweltentsteht und damit gleichberechtigte undwirksame Teilhabe in der Gesellschaft be-hindert. Damit wird die Behinderung nichtals feststehender Zustand, sondern als einsich ständig weiterentwickelnder Prozessbeschrieben.Artikel 4 enthält die allgemeine Verpflich-tung der Vertragsstaaten und benennt ei-nen längeren Katalog potenzieller Problem-lagen. Es wird auch darauf hingewiesen,dass die Ratifikation der Konvention dieVertragsstaaten verpflichtet, alle geeigne-ten Gesetzgebungsverfahren, Verwaltungs-und sonstigen Maßnahmen zur Umsetzungder in dem Übereinkommen anerkanntenRechte zu treffen. Auch gilt es, Gesetze,Verordnungen, Gepflogenheiten und Prak-tiken aufzuheben beziehungsweise zu be-kämpfen, aus denen sich eine Diskriminie-rung für Menschen mit Behinderungenergibt. Die einzelnen Grundrechte der Artikel 5 bis30 lassen sich entsprechend ihrer Schwer-punkte in vier Gruppen einteilen:

1. Die Schutz- und Sicherheitsrechte, wiezum Beispiel das Recht auf Leben, Frei-heit und Sicherheit der Person

2. Rechte, die primär die Selbstbestim-mung von Menschen mit Behinderun-gen garantieren, wie das Recht aufGleichheit vor dem Gesetz und derAchtung der Privatsphäre.

3. Die Freiheits- und Teilhaberechte unterEinschluss der Barrierefreiheit.

4. Die Solidaritätsrechte, die sich denwirtschaftlichen, kulturellen oder sozi-alen Rechten zuordnen lassen, also Bil-dung, Gesundheit, Habilitation (Befä-higen) und Rehabilitation sowie Arbeitund Beschäftigung.

Nachdem die UN-Behindertenrechtskonvention (BRK) Ende vergangenen Jahres in der Bundesrepublik Deutschland in Kraft gesetzt wurde,beginnen die Kommunen mit ersten Aktivitäten zu ihrer Umsetzung. Im Rahmen der Auftaktveranstaltung für den Arbeitskreis „Inklusion“im Rhein-Kreis Neuss hat der Landkreistag NRW Inhalte und die Auswirkungen der Konventionen beleuchtet. Der Arbeitskreis aus Mit-gliedern des Kreistages, Schulen, Elternvertretern und Anbietern von Eingliederungshilfeleistungen wird sich in den nächsten Monatenein genaues Bild über die Lebensverhältnisse von Menschen mit Behinderungen im Kreisgebiet verschaffen und mögliche Handlungs-bedarfe benennen.

Die Auswirkungen der UN-Konventionfür die Rechte von Menschen mit Behinderungen auf die Kreise Von Reiner Limbach, Beigeordneterbeim Landkreistag Nordrhein-Westfalen

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Aus dem umfassenden Katalog an dieserStelle lediglich die folgenden Schlaglichter:Artikel 19 fordert die unabhängige Lebens-führung und Teilnahme an der Gemeinschaft,die dadurch erzielt werden soll, dass Men-schen mit Behinderungen nicht in Sonderein-richtungen leben müssen. Freie Wahl desWohnsitzes, Wohnortes und der Lebensformfolgen hieraus. Die Artikel 21 bis 26 regelnTeilhabeansprüche für bestimmte Lebens-bereiche, so insbesondere das Recht auf in-klusive Beschulung des Artikels 24. Wesentlich bei allen Grundrechten ist, dassdie Vertragsstaaten auch aufgefordert wer-den, dafür zu sorgen, dass Menschen mitBehinderungen einen gleichberechtigten An-spruch auf Anerkennung und Unterstützungihrer spezifischen kulturellen und sprach-lichen Identität einschließlich der Gebärden-sprache und der Gehörlosenkultur haben.Insgesamt ist festzustellen, dass sich die Le-benssituation von Menschen mit Behinde-rungen künftig an den Maßstäben der UN-Konvention messen lassen muss. Bereits vorder Verabschiedung des Bundesgesetzes ent-wickelte sich eine Kontroverse darüber, obdie Grundrechte der Konvention lediglich alsHandlungsauftrag an die öffentliche Handzu verstehen sind oder nicht darüber hinausfür den Menschen mit Behinderungen einenkonkreten Anspruch gegen den Staat be-gründen können – technisch ausgedrückt:subjektiv-öffentliche Rechte vermitteln.Gänzlich ausgestanden ist dieser Konfliktnach wie vor nicht. Es hat sich aber inzwi-schen weitgehend das Verständnis durchge-setzt, dass mit der Konvention keine indivi-duellen Rechte begründet werden. Diesändert aber nichts daran, dass sich alle ge-setzlichen wie auch behördlichen Entschei-dungen an den Zielvorgaben der Konventionmessen lassen müssen.Die Artikel 31 bis 50 schließlich treffen Re-gelungen zur Statistik, zu Fragen der inter-nationalen Zusammenarbeit, der innerstaat-lichen Durchführung und Überwachung derEinhaltung der Konvention sowie Verfah-rensfragen des Ausschusses für die Rechtevon Menschen mit Behinderungen. DessenRegularien sind im sogenannten Fakultativ-protokoll zur Konvention geregelt, welches18 Artikel umfasst.In der Gesetzesvorlage wurde seinerzeit da-von ausgegangen, dass finanzielle Auswir-kungen auf die öffentlichen Haushalte we-der in Form von Haushaltsausgaben ohneVollzugsaufwand noch ein Vollzugsaufwandselbst eintreten werden. Dies hängt unmittel-bar mit der Frage zusammen, wie weit dieLebensrealität in der Bundesrepublik sich denVorgaben der Konvention angenähert hat.Zu dieser Frage gibt es naturgemäß unter-schiedliche politische Sichtweisen. Die formalen Verpflichtungen der Bundesre-publik dagegen sind in der Konvention klar

geregelt. Artikel 35 legt fest, dass die Ver-tragsstaaten der UN zwei Jahre nach Inkraft-treten der Konvention einen umfassendenBericht über die Maßnahmen vorlegen, diezur Erfüllung der Verpflichtungen aus derKonvention getroffen wurden. Für Deutsch-land bedeutet dies eine Vorlagepflicht imMärz 2011. Im Anschluss daran ist alle vierJahre Bericht zu erstatten. Dieser Bericht, fürden das Bundessozialministerium die Feder-führung hat, liegt inzwischen in einer Roh-fassung vor, soll jedoch noch durch Beiträgeaus den einzelnen Bundesländern inhaltlichangereichert werden. Der Bericht ist so auf-gebaut, dass primär bezogen auf die Artikel5 bis 30 die konkreten gesellschaftlichenund legislativen Rahmenbedingungen be-schrieben werden. Dabei handelt es sich fastausschließlich um Maßnahmen, die bereitsvor Verabschiedung des Gesetzes zur Kon-vention ergriffen wurden. Dies entspricht derGrundaussage zu Beginn, dass keine legis-lativen Veränderungen angezeigt sind. DieOpposition im Bundestag hingegen for-dert mit ihrem Entschließungsantrag vom30.06.2010 einen Bundesaktionsplan zurUmsetzung der Konvention und fordert dieReform der Eingliederungshilfe gemäß SGBXII und ein Programm zur Förderung der in-klusiven Bildung in den Ländern.

Bedeutung für die Kommunen

Entscheidend wird künftig die Frage sein,welche Verpflichtungen für die kommunaleEbene anlässlich der BRK entstehen werden,aber auch, welche Chancen für Weiterent-wicklungen in den Kommunen mit ihr ver-bunden sind.Dass die Konvention einen hohen Stellen-wert hat, zeigt sich auch anhand des aktuel-len Koalitionsvertrages in NRW, in dem voneinem Aktionsbündnis zur Umsetzung derUN-Konvention die Rede ist. Für den Fall, dass neue Gesetze geschaffenwerden, die neue Verpflichtungen für dieKommunen begründen, gilt uneingeschränktder Konnexitätsgrundsatz. Dies bedeutet ver-einfacht gesagt, dass mit einer neuen Auf-gabe auch der Finanzierungsrahmen mitge-liefert werden muss. An dieser Stelle ist füralle kommunalen Akteure äußerste Vorsichtgeboten. Es gilt darauf zu achten, dass nichteinseitig auf die Kommune neue Aufgabenübertragen werden, ohne dass dies durcheine veränderte gesetzliche Regelung mitentsprechenden Konnexitätsfolgen ausge-löst wird. Diese Anforderung lässt sich auch nicht da-durch umgehen, dass das Land vereinzeltdarauf hinweist, bei der Umsetzung der UN-Konvention handele es sich um eine gesamt-staatliche Aufgabe, die alle Akteure angehe.Dies stellt niemand in Abrede. Die Einord-

nung als gesamtstaatliche Aufgabe entbindetden Gesetzgeber jedoch keinesfalls davon,neue kommunale Verpflichtungen auch fi-nanziell im gebotenen Maße zu unterfüttern.Die Problemlage zeigt sich exemplarisch an-hand des wohl bislang meistdiskutierten Ar-tikels der Konvention, dem Artikel 24, derdie Schaffung eines inklusiven Schulsystemszum Inhalt hat. Nur über eine Änderung desSchulrechts werden die Kommunen die hier-für nötigen Finanzmittel erhalten können. In-klusive Beschulung in der Fläche bedeutetneben dem Faktor der baulichen Barriere-freiheit einen deutlichen Zuwachs des päda-gogischen und des Assistenz-Personals. Ein-zelne kommunale Fördermaßnahmen, wiezum Beispiel die Inklusionspauschale desLandschaftsverbands Rheinland dürfenkeinesfalls dahingehend missverstandenwerden, die Kommunen würden auch ohnegesetzliche Änderung die Rahmenbedin-gungen für eine inklusive Beschulung aus ei-gener Kraft schaffen. Das wird nicht zustemmen sein, schon gar nicht mit einemParallelbetrieb der gesamten Förderschul-landschaft. Die Zukunft der stark differen-zierten kommunalen Förderschullandschaftwird daher ebenfalls zu klären sein.Die Gestaltung inklusiver Lebensverhältnissebetreiben die Kommunen bereits heutedurch viele Maßnahmen. Im sehr allgemeingefassten § 13 des nordrhein-westfälischenGleichstellungsgesetzes heißt es, dass dieWahrung der Belange von Menschen mitBehinderung auch auf örtlicher Ebene vonBedeutung für die Gleichstellung ist. Die Ein-richtung von Behindertenbeauftragten undBehindertenbeiräten, die vielerorts bereitsseit Jahren etabliert sind, wird dagegen nichtvorgeschrieben. Über diese Funktionen und Gremien hinauswird künftig das sogenannte Disability Main-streaming in den Kommunalverwaltungenverankert werden. Dieser Begriff taucht inder englischen Originalfassung der Konven-tion in der Präambel auf, nicht jedoch in derdeutschen Übersetzung. Ähnlich dem Gender Mainstreaming lässtsich dieser Begriff nicht eins zu eins ins Deut-sche übersetzen. Er bedeutet, dass das The-ma Behinderung vom Rand in die Mitte derGesellschaft gerückt und überall verankertwerden soll. Insoweit bezeichnet der Begriffsowohl ein Konzept als auch ein Instrument.Vorbedingung hierfür ist, dass Menschen mitBehinderungen und ihre Belange für allesichtbar gemacht werden und ihre Belangeden Belangen von Menschen ohne Behin-derung gleichgestellt werden. Dies wiede-rum setzt voraus, dass die Mitarbeiter-schaft der Kommunalverwaltungen in allenBereichen in der Lage ist, die Folgen von Ver-waltungshandeln auf Menschen mit Behin-derungen abzuschätzen. Dies wäre eine ent-scheidende Veränderung gegenüber den

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ThemenThemen

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heutigen Verhältnissen, wo vielfach lediglicheine Stelle – so zum Beispiel die Behinder-tenbeauftragten – hierfür zuständig ist.Bei Planungen gibt es bereits Ansätze, vonAnfang an unterschiedliche Bedürfnisse zuberücksichtigen und darauf zu achten, dassGeräte, Fahrzeuge oder Gebäude von mög-lichst vielen Menschen ohne Einschränkun-gen genutzt werden können. Dies bezeich-net man auch als Design für alle oder – umin der englischen Diktion zu bleiben – uni-versal design. Alle kommunalen Handlungs-felder sind einzubeziehen, der Baubereich,die Stadtplanung, die Verkehrspolitik und dergesamte Bereich der öffentlichen Daseins-vorsorge. Dabei werden Konfliktlagen nichtausbleiben, so zum Beispiel zwischen demDenkmalschutz und der Barrierefreiheit.

Als positives Beispiel zu nennen ist die Pla-nung von Kinderspielplätzen in der StadtMünster, in der die Barrierefreiheit von Spiel-geräten für Kinder mit Behinderung einefeste Größe ist. Dass die Verwaltungspraxis vielerorts nochnicht so weit entwickelt ist, zeigt dagegenein anderes Beispiel: Bei der Planung desneuen Boulevards am Ostufer des Rheins inKöln ist die fehlende Barrierefreiheit erst derstädtischen Behindertenbeauftragten auf-gefallen. Zugänge über Rampen waren nichtvorgesehen. Die Planung wurde nachträg-lich angepasst – ein konsequentes Disabili-ty Mainstreaming hätte eine solche Fehl-planung erst gar nicht entstehen lassen.Ziel muss immer die Schaffung einer men-schengerechten Kommune sein. Dies zu

unterstützen und zur Selbstverständlichkeitwerden zu lassen, ist Ziel der UN – Konven-tion, auch wenn es möglicherweise ein Pro-zess ist, der Jahre dauern wird. Um dies mitLeben zu erfüllen muss sich eine Erkenntnisdurchsetzen, die mein langjähriger KollegeFranz Dillmann in seinem Beitrag in der Zeit-schrift für Fürsorgewesen (ja, diese Fach-zeitschrift heißt nach wie vor noch so) sehrprägnant formuliert hat: Der inklusive Sozi-alstaat sind wir alle.

EILDIENST LKT NRWNr. 10/Oktober 2010 50.60.00

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Themen / Das PorträtThemen / Das Porträt

Gerade bei der Lösung städteübergreifen-der Herausforderungen sind diese Erfahrun-gen von großem Vorteil. Denn die interkom-munale Zusammenarbeit von Kreis undStädten gewinnt sehr an Bedeutung – als

Beispiel nenne ich den demografischenWandel. Gerade hierbei ist es gut, als Land-rat auch die Perspektive eines Bürgermeis-ters zu kennen. Mehr als zehn Jahre war ich im Präsidiumdes kommunalen Spitzenverbandes Städte-und Gemeindebund NRW tätig und kennedaher die ganze Bandbreite kommunalerProbleme und Zukunftsaufgaben. Natürlich

EILDIENST: Sie sind bei den Kommunal-wahlen mit 59,2 Prozent der Stimmen ge-wählt worden. Eine große Mehrheit derBürgerinnen und Bürger hat Ihnen damitdas Vertrauen ausgesprochen. Allerdingshat die CDU bei den Kommunalwahlen imvergangenen Jahr auch Stimmenverlustehinnehmen müssen. Sind Sie mit dem Er-gebnis zufrieden?

Bei einer Direktwahl in der heutigen Zeiteine Zustimmung von fast 60 Prozent zubekommen, erfüllt mich mit großer Zufrie-denheit. Es ist ein klarer Auftrag. Darüberfreue ich mich. Dieser Rückhalt der Wäh-lermehrheit ist natürlich auch ein starkerAnsporn, mich für eine weiterhin gute Fort-entwicklung des Kreises Höxter voll einzu-setzen.

Vor Ihrer Wahl zum Landrat waren Sie zehnJahre Bürgermeister der Stadt Brakel, einekreisangehörige Stadt im Kreis Höxter.Welche Erfahrungen bringen Sie aus die-ser Zeit mit und welche Vorteile sehen Siedarin?

Als Bürgermeister war ich mit den alltäg-lichen Belangen der Bürgerinnen und Bür-gern natürlich viel direkter befasst als heu-te. Diese Bürgernähe kommt mir bei meinerArbeit als Landrat zu Gute. Viele Jahre war ich auch Sprecher der Bür-germeister der zehn Städte im Kreis Höxter.An diese vertrauensvolle und konstruktiveZusammenarbeit kann ich als Landrat gutanknüpfen.

kann ich die in dieser Zeit entstandenenNetzwerke gut für den Kreis Höxter nutzen.

Was hat Sie an der Aufgabe, Landrat des Krei-ses Höxter zu werden, besonders gereizt?

Als ausgebildeter Verwaltungsjurist war dasAmt des Landrates in meinem Heimatkreismit seinen Gestaltungsmöglichkeiten fürmich besonders erstrebenswert. Denn ichbin im Kreis Höxter geboren und verwur-zelt. Auch meine Frau ist von hier, und mei-ne Kinder sind hier groß geworden. Des-halb ist es für mich eine große Freude, heutefür die Weiterentwicklung meines Heimat-kreises verantwortlich zu sein. Mein Herzschlägt für den Kreis Höxter.

Der Kreis Höxter ist einer der flächengröß-ten Kreise in NRW und hat die niedrigsteBevölkerungsdichte der Kreise in Nord -rhein-Westfalen. Traditionell ist er von derLand- und Fortwirtschaft geprägt. Welchebesonderen Herausforderungen, aber auchwelche Probleme ergeben sich daraus?

Eine große Hausforderung ist es derzeit, dendemografischen Wandel hier im Kreis Höx-ter mit seinen zehn Städten und 114 Ort-schaften zu gestalten. Prognostiziert gehtdie Bevölkerung im Kreis in den nächsten20 Jahren um rund 15 Prozent zurück. In-sofern muss die kommunale Infrastrukturauf allen Gebieten dieser Entwicklung an-gepasst werden. Wichtig ist: Der Kreis Höxter muss attrak-tiv für junge Menschen sein. Gut ausge-

Das Porträt: Landrat Friedhelm Spieker, Kreis Höxter

Arbeit und Bildung sind die zentralen Themen, die Landrat Friedhelm Spieker für den Kreis Höxter sieht. Und dies vor dem Hintergrunddes demografischen Wandels: In den nächsten zwanzig Jahren ist ein Bevölkerungsrückgang von 15 Prozent prognostiziert. Besonderswichtig ist daher, den Kreis für junge Menschen attraktiv zu machen.

Friedhelm Spieker

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bildete Jugendliche brauchen eine Perspek-tive auf einen Arbeitsplatz. Unser kreiswei-tes Bildungsmanagement, seit letztem Jahreine eigenständige Abteilung der Kreisver-waltung, stellt hier wichtige Weichen. Die beiden Hochschulstandorte in Höxterund Warburg bieten zusammen mit hei-mischen Unternehmen duale Studiengängean. Dadurch stehen dem hiesigen Mittel-stand bestens qualifizierte Arbeitnehmerin-nen und Arbeitnehmer zur Verfügung. Unsere wunderschöne Landschaft, ein so-zial intaktes Umfeld, lebenswerte Städteund Ortschaften und eine hohe Sicherheitbieten eine gute Lebensqualität besondersauch für Familien. Das wollen wir erhalten.In vielen Bereichen wird künftig mehr bür-gerschaftliches Engagement notwendigsein.Die Land- und Forstwirtschaft muss – auchunter Berücksichtigung einer Nationalpark-Debatte im Eggegebirge/Teutoburger Wald– nicht nur überlebensfähig, sondern ins-besondere zukunftsfähig bleiben. Ich freuemich, dass wir eine ausgewählte und ge-förderte Bioenergie-Region sind. Mit unse-ren Pilotprojekten wollen wir die Nutzungnachwachsender Energieträger systematischausbauen und Innovationen entwickeln.Damit bauen wir Wertschöpfungskettenauf, die unseren entwicklungsfreudigenMittelstand und unsere Land- und Forst-wirtschaft für die Zukunft stärken.

Was sind Ihnen besonders wichtige Zielefür den Kreis Höxter und welche wichtigenAufgaben sehen Sie für Ihre Amtszeit?

Ganz vorn steht für mich die Schaffung gu-ter Rahmenbedingungen für die Wirtschaft.Dazu wollen wir unsere Gesellschaft fürWirtschaftsförderung im Kreis Höxter neuaufstellen. Sie soll zukünftig städteübergrei-fend ein Dach für viele Bereiche bilden.Dazu gehören die Tourismusförderung, einkreisweites Standortmarketing und der Aus-bau der erfolgreichen Vermarktung unsererKulturlandprodukte im Regionalmarketing.In Verantwortung für eine zukunftsfähigeSteuerpolitik setze ich mich für eine ver-stärkte interkommunale Zusammenarbeitein. Gerade haben alle zehn Städte und derKreis die Erarbeitung eines städteübergrei-fenden Schulentwicklungsplans gemein-schaftlich in Auftrag gegeben. Bundesweit einmalig ist unser kreisweitesStraßen- und Wirtschaftswegekonzept. Esbietet den Verantwortlichen eine Entschei-dungsgrundlage für notwendige Investitio-nen in Straßen und Wege. Damit könnenwir den Erhalt einer zukunftsfähigen Ver-kehrsinfrastruktur sicherstellen und zugleichhohe Einsparpotenziale nutzen. Weil Ver-kehrsnetze die Lebensadern der Wirtschaftsind, setze ich mich auch für den Ausbau der

B 64 und der B 83 als überregionale Verbin-dungsachsen mit den notwendigen Orts-umgehungen ein.Sehr gute Erfahrungen haben wir mit derZentralisierung der Abfallwirtschaft ge-macht. Acht von zehn Städten haben ihreabfallwirtschaftlichen Aufgaben zum 1. Ja-nuar 2002 an den Kreis Höxter übertragen.Die von Experten prognostizierten Einspa-rungen in Höhe von 700.000 Euro pro Jahrwurden übertroffen. Dadurch konnten wirdie Abfallgebühren für die Bürgerinnen undBürger seit 2002 stabil halten, teilweise so-gar senken.Diesen Weg, die positiven Effekte und Ein-sparchancen der interkommunalen Zu-sammenarbeit zum Wohle der Bürger zunutzen, möchte ich gern mit den kommunalVerantwortlichen weiter gehen.

Welche Hauptziele haben Sie sich bis zumAblauf der jetzigen Wahlperiode gesetzt?

Mit Hilfe unseres Bildungsmanagementswollen wir die Lern- und Lebenschancen al-ler Kinder und Jugendlichen im Kreis ver-bessern und uns als besonders familien-freundlicher Kreis weiter entwickeln.Aktuell fördern wir die Begeisterung für diesogenannten MINT-Fächer, Mathematik,Informatik, Naturwissenschaften und Tech-nik, und fangen damit schon im Kindergar-ten an. Ziel ist es, bereits im KindesalterInteresse für Berufe zu wecken, in denenwir künftig dringend bestens ausgebildeteFachkräfte brauchen. Mit unserem Projekt Bioenergie-Region Kul-turland Kreis Höxter wollen wir im innovati-ven Energiesektor ganz nach vorn kommen.Hier haben wir ausgezeichnete Chancen,dass der Mehrwert bei uns in der Regionbleibt.Mit unserem naturtouristischen Projekt „Er-lesene Natur“ schaffen wir 18 attraktive Er-lebnisgebiete. Damit wollen wir mehr Touris-ten und Tagesgäste für unser landschaftlichvielfältiges Kulturland begeistern und daseinzigartige europäische Naturerbe bekann-ter machen. Für eine Region, die eine soschöne Landschaft zu bieten hat wie derKreis Höxter, ist der Tourismus ein wichtigerWirtschaftszweig, für dessen Förderung ichmich einsetze. Für Corvey bereiten wir derzeit die Antrag-stellung zur Aufnahme als Weltkulturerbeder UNESCO vor. Dies hat für uns eine sehrgroße Bedeutung. Im Wettbewerb der Standorte und touristi-schen Ziele spielt Marketing eine zentraleRolle. Daher ist es so wichtig, dass wir eineoptimierte kreisweite Marketingstrategie fürden Wirtschaftsstandort Kreis Höxter aufstel-len. Auch die Kulturarbeit soll kreisweit stär-ker vernetzt werden, um als weicher Stand-ortfaktor mehr Gewicht zu bekommen.

Wo soll der Kreis in fünf Jahren stehen? Wassoll sich in dieser Zeit verändert haben?

Wer arbeiten will, bekommt eine adäquateArbeitsstelle im Kreis Höxter. Den Betrieben im Kreis Höxter stehen die gutqualifizierten Fachkräfte zur Verfügung, diesie für ihren Unternehmenserfolg brauchen.Unsere Standortmarketingstrategie trägtFrüchte und fördert die Ansiedlung von Be-trieben.Der Tourismus, gestärkt durch unsere Pro-jekte und unsere Marketingaktivitäten, trägteinen beträchtlichen Teil zur Wertschöpfungbei.Im Rahmen der Bioenergie-Region ist derKreis Höxter dem langfristigen Ziel der ener-getischen Unabhängigkeit näher gekommen.Mehr junge Familien werden in den KreisHöxter ziehen, weil die Lebensqualität, dasArbeitsplatzangebot, die Bildungsmöglichkei-ten und die sozialen Wohnumfeldverhältnissesehr gut sind.Jüngste Umfragen bestätigen übrigens, dassviele Deutsche gern in einem Haus auf demLande wohnen möchten, wenn die Infras-truktur stimmt. Darin sehe ich gute Chancenfür den Kreis Höxter.

Wenn Sie einen Wunsch an die Landesregie-rung frei hätten, was würden Sie sich wün-schen?

Der Bürokratieabbau muss weitergehen, ins-besondere sollte der Gesetzgeber Ermes-sensspielräume für kommunales Handelnin jedem Gesetz einarbeiten. Alle ermes-sensbindenden Richtlinien sind aufzuheben,da die Kommune am besten weiß, mit denWünschen der Bürgerschaft umzugehen.

Landrat ist sicherlich kein Beruf, den mansich schon als Kind wünschen würde. Waswar denn Ihr Berufswunsch als Kind?

Als Jugendlicher habe ich mit zwei Freun-den unter der Anleitung meines damaligenBiologielehrers ein Vogelschutzgebiet be-treut. Deshalb wollte ich ursprünglich Biolo-ge oder Biologielehrer werden.

Teilt Ihre Familie Ihre Leidenschaft für dieArbeit? Hat sie Verständnis dafür, Sie miteinem ganzen Kreis teilen zu müssen?

In neunzehn Berufsjahren als Stadtdirektorund Bürgermeister konnte ich meine Frauund meine Familie nicht unbedingt mit Frei-zeitaktivitäten verwöhnen. Deshalb habe ichin dieser Zeit Wert darauf gelegt, dass dieFamilie am Mittagstisch versammelt war.Heute sind unsere beiden Kinder erwach-sen und haben großes Verständnis für mei-ne Arbeit. Auch meine Frau, die seit mehrals 10 Jahren wieder halbtags tätig ist, lässt

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Das PorträtDas Porträt

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mir meine beruflichen Freiräume und beglei-tet mich heute, wenn möglich, bei öffent-lichen Anlässen.

Was dient Ihnen zum Ausgleich zu Ihrer an-strengenden Tätigkeit als Landrat?

Seit meiner Jugend begeistere ich mich fürFlora und Fauna in unserem landschaftlichwunderschönen Kreis Höxter. Im Februardieses Jahres habe ich mir endlich einen langgehegten Wunsch erfüllt und die Jägerprü-fung abgelegt. Ansonsten jogge ich gerneund fahre gern Rennrad. Wir haben im KreisHöxter ein hervorragend ausgebautes Rad-

wegenetz. Daran erfreuen sich nicht nur dieRadsportfans, die hier leben, sondern auchviele Gäste, die wegen unserer schönen Rad-wege gern in den Kreis Höxter kommen.

EILDIENST LKT NRWNr. 10/Oktober 2010 13.60.10

Die Organisatoren Oberbergischer Kreis,Naturpark Bergisches Land und Hom-

burger Kulturlandschaftsverband hatten eineinwöchiges Programm zusammengestellt,das sich an Erwachsene, Kinder und Familienrichtete. In dieser Woche wurden sozusagen„versteckte Schätze“ gehoben. Das Pro-gramm des Veranstalter-Trios sollte Lust dar-auf machen, die Region mit anderen Augenzu sehen. Die Woche gipfelte im BergischenLandschaftstag – „ein Höhepunkt, der Gäs-te aus dem Rheinland und dem BergischenLand nach Schloss Homburg gelockt hat“,sagt Landrat Hagen Jobi.Doch zuvor lud die Woche der HomburgerKulturlandschaft bevorzugt die Oberbergi-schen Besucherinnen und Besucher ein, ihreHeimat (neu) zu entdecken. Am Montag erforschten Kinder den Wald„der keiner werden darf“. Hier werden dieBäume im sogenannten Niederwald nicht äl-ter als 35 Jahre – es entsteht ein Wald miteiner ganz speziellen Artenvielfalt, der aneinem Tag erkundet wurde. Ebenfalls für(Schul-)Kinder interessant war der Besuchauf einem heimischen Bauernhof mit „Land-wirtschaft zum Anfassen“. 21 Schulklassenhatten sich im Vorfeld dazu angemeldet –

sozusagen für das „Klassenzimmer in der Na-tur“. Mädchen und Jungen durften den Stallentdecken und der Kuh in den Futtertrogschauen. Sie bekamen wichtige Informatio-

nen über Milchverarbeitung und lernten dietypische Fauna und Flora der Wiesen kennen.„Hier werden Tier- und Pflanzenarten in un-serem unmittelbaren Umfeld vorgestellt“,

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Das Porträt / Im FokusDas Porträt / Im Fokus

Zur Person:Friedhelm Spieker wurde am 27. März 1955 in Höxter geboren. Er ist verheiratet undhat zwei Kinder. Nach dem Studium der Rechtswissenschaften arbeitete er als junger Ju-rist zunächst in einer Rechtsanwaltskanzlei. Von 1985 bis 1990 war er als Amtsleiter inder Stadtverwaltung Paderborn tätig. 1990 wurde Friedhelm Spieker als Stadtdirektornach Brakel berufen und 1999 zum ersten hauptamtlichen Bürgermeister gewählt. ImJahr 2004 wurde er mit großer Mehrheit in seinem Amt bestätigt. Am 30. August 2009wurde Friedhelm Spieker als Landrat des Kreises Höxter gewählt, und er trat am 21.Oktober 2009 sein Amt.

Landrat Hagen Jobi ist vom Regionale 2010 Projekt „Kulturlandschaft Homburger Ländchen“ überzeugt. Mit der Woche der HomburgerKulturlandschaft zwischen dem 6. und 12. September und dem abschließenden Bergischen Landschaftstag hat das Homburger Ländchenseine besonderen Qualitäten als kulturlandschaftlich reizvolle Region gezeigt. Das Gebiet zwischen Wiehl, Nümbrecht und Waldbröl ist eineder wertvollsten Erholungslandschaften des gesamten Rheinlandes. Vielseitig, parkähnlich, abwechslungsreich – das Homburger Ländchenbietet Bewohnern und Gästen immer wieder neues, was sich zu entdecken lohnt. Die Woche der Homburger Kulturlandschaft hat diese Viel-seitigkeit der Region rund um das Homburger Schloss in Nümbrecht gezeigt. Das Homburger Ländchen – als Regionale 2010 Projekt – hatfür sich als abwechslungsreiche Landschaft erfolgreich geworben.

Vielfältige Chancen, die eigeneRegion kennenzulernen:Das Regionale-Projekt Kultur-landschaft Homburger LändchenVon Iris Trespe, Pressestelle des Oberbergischen Kreises, und Frank Herhaus, Biologische Station Oberberg

v. l. Uwe Stranz, Bauderzent des Oberbergischen Kreises, Frank Nerhaus, BiologischeStation Oberberg, Theo Boxberg, Naturpark Bergisches Land, Christiane Mattil, Kultur-landschaft Homburger Ländchen, Landrat Hagen Jobi und Nümbrechts BürgermeisterHilko Redenius. (Quelle: OBK)

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sagt Landrat Hagen Jobi. „Die Besucher er-fahren, warum die Milchkühe im BergischenLand noch auf der Wiese stehen und nichtnur im Stall!“Für Familien interessant war auch der Blickins tiefste Loch des Homburger Ländchens– der Steinbruch der Firma Schretzmair KGin Nümbrecht. Hier wird die Bergische Grau-wacke abgebaut. Ein solcher Steinbruch istmehr als nur ein Wirtschaftsunternehmen.Eine ganz spezielle Natur hat sich entwickelt.Üblicherweise ist der Steinbruch für Besuchergeschlossen. Für die Woche der HomburgerKulturlandschaft hatte der Steinbruchbetriebgemeinsam mit der Biologischen StationOberberg aber ausnahmsweise einmal dieTore geöffnet.Am letzten Aktionstag der Woche starteteeine geführte Bustour durchs HomburgerLändchen. Dabei konnten die schmucken(Fachwerk-)Dörfer und die abwechslungs-reiche Landschaft ganz in Ruhe genossenund neu kennengelernt werden. Die Aus-flüge führten in die verborgenen Ecken desHomburger Ländchens – Nümbrecht, Wald-bröl, Wiehl, alle drei Kommunen präsentier-ten einen Teil ihrer verborgenen Schätze. Höhepunkt des einwöchigen Programms warschließlich der Erste Bergische Landschafts-tag am 12. September vor Schloss Homburgin Nümbrecht. Er war als echter Familientagangelegt – und als attraktive Alternative zumbisherigen „Bunten Umwelttag“. „Mit diesem Landschaftstag zeigen wir vorSchloss Homburg die vielfältigen Seiten des

Homburger Ländchens“, freute sich Nüm-brechts Bürgermeister Hilko Redenius, Vor-sitzender des Homburger Kulturlandschafts-verbandes.An diesem Aktionstag haben mehr als zwan-zig Aussteller aus dem Homburger Ländchenihre Tätigkeit und heimische Produkte vor-gestellt. Der Bauernmarkt hatte leckere Spe-zialitäten aus der Region im Angebot, unter

anderem Bergische Säfte, Marmeladen, Kar-toffeln und Wurstwaren, die inzwischen zumTeil auch unter der Dachmarke „bergischpur“ vertrieben werden. Tier-, Pflanzenwelt

und Landwirtschaft präsentierten sich haut-nah: So wurden Kühe, Schafe und Lamas ge-zeigt, die sich anschauen und streicheln lie-ßen. Kinder konnten Äpfel zerkleinern undaus der Maische ihren eigenen Apfelsaft pres-sen. Außerdem gab es einen Melkstand, andem sich jeder im fachmännischen Abzapfen

der Milch (ersetzt durch Wasser) üben konn-te. Kräuter sammeln und selbst Butter her-stellen, Mikroskopieren und Kompost unter-suchen – alle Projekte des BergischenLandschaftstags sorgten für wissenswerteErfahrungen. Zahlreiche Vereine und Institu-tionen wie NABU, Landfrauen, Kreisjäger-schaft, Biologische Station Oberberg etc.stellten ihre Arbeit und ihre aktuellen Projek-

te rund um Natur, Landschaft und Landbe-wirtschaftung vor. Ein Höhepunkt für Menschen mit etwas Kon-dition war die geführte Rundwanderung über

die „Haferspanien-Route“, wie das Hombur-ger Land als ehemals arme Landwirtschafts-Region genannt wurde. Sie führte zu denverschiedenen Aussichtspunkten – zu densogenannten „Schlossblicken“ – mit besterSicht auf das Oberbergische Wahrzeichen. An zukünftigen Themen und Programm-punkten im Rahmen des Regionale Projektsherrscht kein Mangel. Es gibt bereits konkre-te Ideen: Zum Beispiel per Fahrrad zu erkun-den, wie sich durch Kyrill und seine Begleitersturmgeschädigte Waldflächen entwickelthaben und welche Perspektiven sich für denheimischen Wald ergeben. Neue Chancen er-halten auch die Bäche im Homburger Länd-chen. Sie werden renaturiert und bekommenin Teilbereichen ein neues Bett. Den Charmeeines solchen Baches könnte eine Exkursionkennenlernen. Wie sich wiederum die Pfer-dehaltung mit dem Naturschutz und einerlandschaftsgerechten Wirtschaftsweise ver-einbaren lässt, könnte Thema einer weiterenEntdecker-Exkursion werden. Die Möglichkeiten, mit dem BergischenLandschaftstag Heimat neu zu entdecken,sind im Homburger Ländchen überaus viel-fältig.„Dieser Bergische Landschaftstag ist Nach-folger des bunten Umwelttages. Allerdingsfindet die Durchführung in sanfterer Formstatt“, sagt Landrat Hagen Jobi. „Wir sindnäher an der Natur, das ist ein positiver neu-er Ansatz.“

EILDIENST LKT NRWNr. 10/Oktober 2010 41.10.01

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Im FokusIm Fokus

Informationen zu „fairer Milch“ auf dem Landschaftstag (Quelle: Biologische Station)

Reges Interesse am Bergischen Landschaftstag (Quelle: Biologische Station)

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Medien-Spektrum: Aktuelle Pressemitteilungen / KurznachrichtenMedien-Spektrum: Aktuelle Pressemitteilungen / Kurznachrichten

Medien-Spektrum:Aktuelle Pressemitteilungen

Reform von Hartz IV Schrittin die richtige RichtungPresseerklärung vom 22. September 2010

Der Vorstand des Landkreistages Nordr-hein-Westfalen, kommunaler Spitzenver-band der Kreise in NRW, hat in seinerSitzung am Standort der Landesgarten-schau in Hemer die geplante Reform derHartz IV-Regelsätze und die Verbesserungder Bildungsleistungen für Kinder grund-sätzlich positiv bewertet. „Aus unserer Er-

fahrung mit der Umsetzung von HartzIV vor Ort wissen wir, dass es vor allemdarauf ankommt, dass die Leistungen fürKinder auch bei ihnen ankommen“, sagteLKT-Präsident Landrat Thomas Kuben-dorff. „Das funktioniert am besten überSachleistungen.“

Leistungen für Kinder durch die Kommunenorganisieren

Nie Leistungen für Kinder sollen nach demWillen des Landkreistages durch die Kom-munen organisiert werden, da das Angebot

an sozialen Leistungen und Bildungsleis-tungen vor Ort ganz unterschiedlich aus-gestaltet ist und bereits jetzt durch dieKommunen gesteuert wird. „Die Hartz IV-Angebote müssen mit dem vorhandenenLeistungsspektrum verzahnt werden, allesandere macht keinen Sinn“, erläuterte derPräsident. Allerdings warnt der Verbandgleichzeitig vor Kostensteigerungen: DieEinführung einer Bildungschipkarte müsseangesichts des damit verbundenen Ver-waltungsaufwands und der entstehendenKosten genau geprüft werden.

Neues Abfallgesetz des Bundes: Kommunale Spitzenverbände in NRWwarnen vor höheren Müllgebühren und fehlenderUmweltorientierungPresseerklärung vom 22.09.2010

Die Gewinninteressen privat-gewerblicherMüllsammlungen dürfen nicht zu Lastender Gebührenzahler, der Wohnqualität undder Verkehrssicherheit sowie zu Lasten derEntsorgungsverantwortung der Kommunengehen. Das machten heute die kommuna-len Spitzenverbände in Nordrhein-Westfa-len anlässlich der Anhörung des Bundestagszum geplanten neuen Abfallgesetz deutlich:„Wir befürchten, dass das neue Abfallge-setz die durch die Kommunen gewährleis-

tete Entsorgungssicherheit für Abfälle ausprivaten Haushalten geradezu aushöhlt“,erklärten der Geschäftsführer des Städte-tages NRW, Dr. Stephan Articus, der Haupt-geschäftsführer des Landkreis¬tages NRW,Dr. Martin Klein, und der Hauptgeschäfts-führer des Städte- und GemeindebundesNRW, Dr. Bernd Jürgen Schneider. Die Fol-gen werden gravierend sein: Wenn privateUnternehmen die Erlöse aus der Verwer-tung gewinnbringender Abfälle, zum Bei-spiel aus der Altpapierverwertung, einstrei-chen, fehlen diese den Kommunen, unddie Gebührenzahler müssen künftig tieferin die Tasche greifen. Gefährdet sehen dieStädte, Kreise und Gemeinden durch die ge-planten Regelungen auch die ressourcen-schonende, umweltorientierte und zuver-lässige Abfallentsorgung, wie sie bisherdurch die Kommunen sichergestellt wurde.

„Die klaren Vorgaben des Bundesverwal-tungsgerichts in seinem Urteil zum ‚Altpa-pierkrieg’ werden in dem Gesetzentwurfschlichtweg ignoriert“, kritisieren Articus,Klein und Schneider. „Damit wird denKommunen jede Steuerungsmöglichkeitgenommen.“ So könnten zum Beispiel pri-vate Altpapiersammler, die in günstig zuentsorgenden Gebieten Altpapier sammelnwollen, praktisch nicht mehr abgewehrtwerden, auch wenn die Kommune selbstAltpapier sammelt oder bereits ein Privat-unternehmen mit der Sammlung von Alt-papier beauftragt ist. Die Folgen müssennicht nur die Gebührenzahler tragen, son-dern auch die privaten Entsorgungsunter-nehmen selbst, die um den wirtschaft-lichen Erfolg ihres Auftrags gebrachtwerden – ein ruinöser Wettbewerb.

EILDIENST LKT NRWNr. 10/Oktober 2010 00.10.03.2

Allgemeines

GVV-Kommunal zieht Bilanz für 2009

Eine positive Bilanz zieht die GVV-Kommu-nalversicherung für das Geschäftsjahr 2009.Den Mitgliedern wurde auf der diesjährigenordentlichen Mitgliederversammlung am30. Juni im Kölner Gürzenich eine Beitrags-rückerstattung von 2,0 Millionen Euro undein Bilanzgewinn von 14,1 Millionen Europräsentiert.Vorstandsvorsitzender Wolfgang Schwadeblickte auf die Besonderheiten des abge-schlossenen Geschäftsjahres zurück undunterstrich die positive Bilanz der GVV-

Kommunalversicherung in ihrem 98. Ge-schäftsjahr. In Deutschland hat sich die ge-samtwischaftliche Entwicklung nach demEinbruch im weiteren Verlauf des Jahres2009 wieder gefestigt, so dass wesentlicheAuswirkungen der Finanzmarktkrise auf dieGeschäftsergebnisse der GVV-Versicherun-gen nicht eingetreten sind. Weitere Themenwaren unter anderem die Leistungsverbes-serungen des Versicherungsschutzes in derEigenschadenversicherung sowie in derKraftfahrtversicherung. Darüber hinaus wur-de den Mitgliedern ein Ausblick auf das100-jährige Jubiläum von GVV-Kommunalgegeben. Am 20.06.1911 gründeten dierheinisch-westfälischen Gemeinden in Kölnihren Kommunalversicherer unter dem Na-

men „Haftpflichtverband Rheinisch-West-fälischer Gemeinden, Versicherungsvereinauf Gegenseitigkeit in Cöln“. Am 20.06.2011 wird im Kölner Gürzenich der Festaktzum 100-jährigen Firmenjubiläum stattfin-den. Mit der Mitgliederversammlung gabes auch Veränderungen in der Besetzungdes Aufsichtsrates. Auf Vorschlag der kom-munalen Spitzenverbände wurden siebenneue Mitglieder in den Aufsichtsrat ge-wählt. Bürgermeister Boecker aus Hürth,Bürgermeister Dreier aus Salzkotten, Bür-germeister Schaaf aus Montabaur, LandratPipa aus dem Main-Kinzig-Kreis, Bürger-meister Halbe aus Schmallenberg, Bürger-meister Weimann aus Oestrich-Winkel undBürgermeister Pantförder aus Recklinghau-

Kurznachrichten

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sen vertreten nunmehr neu die Interessender Mitglieder im Aufsichtsrat der GVV-Kom -munalversicherung.

EILDIENST LKT NRWNr. 10/Oktober 2010 00.13.35

Verfügbares Einkommenlag in NRW je Einwohner beiknapp 20.000 Euro

Im Jahr 2008 betrug das durchschnittlicheEinkommen, das jeder Einwohner in Nordr-hein-Westfalen rein rechnerisch zur Verfü-gung hatte, 19.837 Euro. Nach Auskunft desStatistischen Landesamtes waren dies imVergleich zu 2007 nominal 572 Euro mehr.Den Bewohnern der Stadt Attendorn imKreis Olpe stand mit 48.814 Euro rein rech-nerisch das höchste Einkommen in NRW zurVerfügung, gefolgt von Schalksmühle imMärkischen Kreis (42.045 Euro) und BadHonnef im Rhein-Sieg-Kreis (33.338 Euro).Das geringste Einkommen stand den Ein-wohnern von Selfkant im Kreis Heinsberg(14.172 Euro) und Kranenburg im KreisKleve (14.320 Euro) zur Verfügung.Ingesamt belief sich das verfügbare Einkom -men 2008 in Nordrhein-Westfalen auf rund356,4 Milliarden Euro. Mit 191,9 MilliardenEuro entfielen davon über die Hälfte (53,8Prozent) auf die Regierungsbezirke Düssel-dorf (105,2 Milliarden Euro) und Köln (86,7Milliarden Euro). Für die beiden Städte Köln(20,1 Milliarden Euro) und Düsseldorf (13,1Milliarden Euro) ermittelten die Statistikerdie höchsten Einkommenssummen im Lan-de. Damit verfügte jeder Einwohner Kölnsstatistisch gesehen über 20.209 Euro; in derLandeshauptstadt lag dieser Wert bei durch-schnittlich 22.553 Euro.Unter dem verfügbaren Einkommen verste -hen die Statistiker die Einkommenssumme(Arbeitnehmerentgelt und Einkommen ausselbstständiger Arbeit und Vermögen), dieden privaten Haushalten nach der soge-nannten Einkommensumverteilung, alsoabzüglich Steuern und Sozialabgaben undzuzüglich empfangener Sozialleistungen,durchschnittlich für Konsum- und Spar-zwecke zur Verfügung steht. Unterschiededes Einkommens auf Gemeindeebene er-klären sich überwiegend durch die unter-schiedlichen Gewichte der drei Einkommens-arten „empfangenes Arbeitsnehmerentgelt“,„unternehmerische Tätigkeit“ (Betriebs-überschuss/Selbstständigeneinkommen)und „Vermögenseinkommen am Primär-einkommen“. Das verfügbare Einkommenist als Indikator für die finanziellen Verhält-nisse der Bevölkerung in der jeweiligen Ge-meinde zu verstehen und ermöglicht mit -telbar Aussagen zur lokalen Kaufkraft, wo bei

die regionale Preisentwicklung jedoch un-berücksichtigt bleibt.

EILDIENST LKT NRWNr. 10/Oktober 2010 12.10.00

Arbeit und Soziales

Bundesweites Internetportal„Wegweiser Demenz“eingerichtet

Das Bundesministerium für Familie, Senio-ren, Frauen und Jugend hat ein neues In -ternetportal „Wegweiser Demenz“ einge-richtet. Mit dem demografischen Wandelwächst die Anzahl demenzkranker Men-schen. Gleichzeitig gibt es bereits zahlreicheInformationen und Initiativen zum Thema.Über eine zentrale Plattform sollen jetzt dieInformationen gebündelt und die Kontakt-daten bundesweit verfügbar gemacht wer-den.Herzstück des Portals ist eine Datenbank,in der die Adressen der relevanten örtlichenStellen gespeichert werden und für die Bürge-rinnen und Bürger abrufbar sind. Die Da ten-bank des Wegweisers Demenz kann auchmit den kommunalen Web-Angeboten ver-linkt werden. Darüber hinaus soll das Portalüber die Krankheit informieren, zum Enga-gement für Demenzkranke und ihre Ange-hörigen ermutigen und das Zusammenspielvon Ärzten, Pflegepersonal, Therapeutenund pflegenden Angehörigen stärken.Der offizielle Start des Internetportals waram 21. September 2010. Die Pflege und derweitere Aufbau der Datenbank erfolgen je-doch laufend und dezentral. Sämtliche Be-sucher der Website können auf der Basis ei nesredaktionell unterstützen Freigabe pro zes-ses Einrichtungen in die Datenbank eintra-gen oder Änderungen von Daten vorneh-men.

EILDIENST LKT NRWNr. 10/Oktober 2010 50.30.25

Bauen und Planen

Neue Handlungsempfehlungder kommunalen Spitzen-verbände zur Vermarktungkommunaler GeodatenerschienenNachdem die Arbeitsgemeinschaft der kom-munalen Spitzenverbände bereits im Jahr2008 den ersten Band ihrer Schriftenreihe„Vermarktung kommunaler Geodaten – Ei -ne Handlungsempfehlung“ veröffentlichte,wurde nun Band 5 dieser Reihe vorgelegt.Der neue Band mit dem Titel „Lizenzmo-delle für kommunale Geodaten – Nut-

zungsbedingungen und Preise“ soll denProblemen der fehlenden und unklaren Nut-zungsbedingungen, die als ein wesentli-ches Hindernis für die wirtschaftliche Nut-zung von öffentlichen Geodaten gelten,abhelfen. Die Veröffentlichung bietet unteranderem erstmalig ein durchgängiges Mo-dell für die explizite Beschreibung von Nut-zungsbedingungen an kommunalen Geoda-ten und ist damit eine automationsgerechteGrundlage für einen einheitlichen Umgangmit dieser Thematik. Ebenso wie sämtliche bereits erschienenBände ist auch Band 5 online auf der Inter-netpräsenz des Landkreistages abrufbar(www.lkt-nrw.de Rubrik „Themen“, dortunter „Bauen, Planen, Vermessung“).

EILDIENST LKT NRWNr. 10/Oktober 2010 62.30.00

Immobilienmarkt 2009 –Weiter reges Interessean Wohneigentum

Der Minister für Inneres und Kommunales,Ralf Jäger, hat den Grundstücksmarktbe-richt 2010 vorgelegt. Das Interesse an Ein-und Zweifamilienhäusern ist danach – trotzder Wirtschafts- und Finanzkrise – unge-brochen. Noch stärker ist das Interesse anWohnungseigentum. Weiter abwärts gehtes dagegen mit den Umsätzen bei Mehrfa-milienhäusern sowie den Gewerbe- und In-dustrieobjekten.Insgesamt wechselten im vergangenen Jahr122.190 Immobilien ihren Besitzer. Dies ent-spricht einem nur leichten Rückgang voneinem Prozent im Vergleich zum Jahr 2008.Die Marktpreise gaben im Schnitt leicht nach.Gebrauchte Eigentumswohnungen sowieEin- und Zweifamilienhäuser verbilligtensich landesweit um durchschnittlich zweiProzent. Dagegen stiegen die Preise fürErstverkäufe von Wohnungseigentum ineinzelnen Regionen um bis zu vier Prozentan. Die Preise für Baugrundstücke bliebenweiter konstant. Der Grundstücksmarktbericht kann im In -ternet unter der Adresse www.boris.nrw.deheruntergeladen werden.

EILDIENST LKT NRWNr. 10/Oktober 2010 64.10.10

Europa

Aktive kommunale Teilhabebei europäischenEntscheidungsprozessen

Regelmäßig führt die EU-Kommission öf-fentliche Online-Konsultationen durch. Ziel

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KurznachrichtenKurznachrichten

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dieser Befragungen und Aufforderungen zurStellungnahme an Bürgerinnen und Bürger,Institutionen, Unternehmen, Verbände so-wie die Kommunen ist es, Erfahrungen, Er-fordernisse und Bedarfe von der „Basis“und aus der alltäglichen Praxis in die EU-Kommission zu spiegeln. Die Ergebnisse derKonsultationen bilden die Argumentations-grundlagen für weitere und weitreichendeEntscheidungen in allen Gesellschafts- undPolitikfeldern. Das EU-Verbindungsbüro desLandkreistags NRW in Brüssel weist daherdarauf hin, dass öffentliche Konsultationenim Strategieprozess der Meinungsbildungheute ein oftmals unterschätztes Mittel deraktiven Einflussnahme sind. Das permanent ablaufende Informations-management der europäischen Kommissionals wichtiger Teil der Prioritätenentwicklungund/oder -modifikation darf man sich inetwa wie folgt vorstellen: Öffentliche Kon-sultationen dienen der Informations- undIdeengewinnung, um daraus Problemdefi-nitionen, Risikoabschätzungen und Lagea-nalysen einzuholen. Der dann folgende Pro-zess der Auswertung und Verarbeitungerfolgt neben der inhaltlichen Beurteilungauch numerisch. Für die Kommunen undUnternehmen in Nordrhein-Westfalen be-deutet dies, dass die Teilnahme an öffent-lichen Konsultationen ein äußerst bedeutsa-mes Instrument für die Durchsetzung ih rerInteressen im Rahmen einer transparentenund demokratischen Governance bildet. DerLandkreistag NRW empfiehlt daher die Sach-kenntnisse, Argumente und Positionen insbe-sondere der Kommunen intensiv in die lau-fenden Konsultationen einzubringen, um dendaraus resultierenden Mehrwert, nämlichEinflussnahme und Interessensdurchsetzungdurch „Mitsteuerung“, effizient zu nut zen.(Link: http://ec.europa.eu/yourvoice/consultations/index_de.htm).

EILDIENST LKT NRWNr. 10/Oktober 2010 10.10.07

Kreis Steinfurt und KreisLippe bei den„Open Days 2010“ in Brüssel

Wettbewerbsfähigkeit und Kooperationsind die zentralen Themen der „Open Days2010“, die vom 4. bis zum 7. Oktober inBrüssel stattfanden. Was dies ganz prak-tisch bedeuten kann, zeigten die beidenKreise Steinfurt und Lippe: Sie präsentier-ten sich am 5. Oktober gemeinsam auf eu-ropäischer Ebene.Der Steinfurter Landrat Thomas Kuben-dorff und sein Kollege aus dem Kreis Lippe,Friedel Heuwinkel, stellten zusammen Pro-jekte und Maßnahmen vor, die sie in ihrenRegionen mit Mitteln aus dem europäischenStrukturfonds umgesetzt haben. Die Pro-

jekte verfolgen das Ziel, die Lebensqualitätin den Kreisen zu erhöhen und ihre Wett-bewerbsfähigkeit zu stärken. Die Open Days bieten einmal im Jahr inBrüssel kommunalen und regionalen Ge-bietskörperschaften eine Plattform, um überihre Arbeit, ihre Erfolge und ihre Erfahrun-gen vor europäischen Entscheidungsträgernund Vertretern anderer Regionen zu berich -ten. Darüber hinaus besteht die Möglich-keit, Netzwerke zu bilden und sich einzu-bringen in die Diskussion über die künftigeAusgestaltung der europäischen Förderpo-litik.In diesem Jahr nahmen rund 270 europäi-sche Regionen und Städte an den OpenDays teil.

EILDIENST LKT NRWNr. 10/Oktober 2010 10.10.15

Familie, Kinderund Jugend

2009 niedrigste Geburten-rate in NRW seitBestehen des Landes

Die Geburtenzahl in Nordrhein-Westfalenlag 2009 mit 145.029 um 3,3 Prozent unterder von 2008. Nach Auskunft von Informa-tion und Technik als Statistisches Landes-amt ist dies die niedrigste Geburtenrate seitBestehen des Landes.Neben vier kreisfreien Städten verzeichnennur die drei Kreise Herford, Höxter und Pa-derborn eine höhere Geburtenzahl als 2009.Als wesentlicher Grund wird insbesonderedie reduzierte Zahl der Elterngeneration ge-nannt: Die Zahl der Frauen im Alter zwi-schen 15 und 49 war 2009 um mehr als einProzent niedriger als 2008.Die durchschnittliche Kinderzahl je Frau(sogenannte zusammengefasste Geburten-ziffer) lag im Jahr 2009 in NRW mit 1,37unter dem entsprechenden Wert der Jahre2007 und 2008 (jeweils 1,39). Auch hiergibt es regional große Unterschiede: Mehrals drei Viertel der Kreise und kreisfreienStädte in NRW weisen einen niedrigeren,knapp ein Viertel einen höheren Wert alsim Vorjahr auf. Im Kreis Höxter stieg die zu-sammengefasste Geburtenziffer von 1,42(2008) auf 1,51 (2009) am stärksten an. ImKreis Unna gab es den höchsten Rückgang– die durchschnittliche Kinderzahl ging von1,40 auf 1,30 zurück. Der höchste Werthinsichtlich der durchschnittlichen Kinder-zahl wurde 2009 mit 1,55 im Kreis Lippe er-reicht, den niedrigsten Wert gab es mit 1,17in Bochum.

EILDIENST LKT NRWNr. 10/Oktober 2010 12.10.00

Gesundheit

Leichter Anstieg derPatientenzahl inNRW-KrankenhäusernIm Jahr 2009 wurden in den Krankenhäu-sern in NRW rund 4,1 Millionen Patientin-nen und Patienten vollstationär behandelt.Das sind 1,2 Prozent mehr behandelte Per-sonen im Vergleich zu 2008, so das Statis-tische Landesamt. 2009 kamen rein rech-nerisch 232 Krankenhausaufenthalte auf1.000 Einwohner. Die Patientinnen und Pa-tienten blieben im Schnitt 8,1 Tage im Kran-kenhaus, im Jahr 2000 hatte die durch-schnittliche Verweildauer der Patientinnenund Patienten noch bei 10,4 Tagen gelegen. Ende 2009 gab es 413 Krankenhäuser unddamit fünf weniger als ein Jahr zuvor. ImVergleich zu 2000 sank die Zahl der Kran-kenhäuser um 50. Gleichzeitig gab es 2009zehn Prozent weniger aufgestellte Kranken -hausbetten als 2000, die Behandlungstageverringerten sich um 16 Prozent (auf unter34 Millionen).2009 waren in nordrhein-westfälischenKrankenhäusern 32.800 hauptamtliche Ärz -

tinnen und Ärzte beschäftigt, vier Prozentmehr als im Jahr 2008. Die Zahl des nicht-ärztlichen Personals erhöhte sich in diesemZeitraum um rund ein Prozent auf 202.100Kräfte.Die Zahlen für Kreise und kreisfreie Städtesind im Internet unter: http://www.it.nrw.de/presse/pressemitteilungen/2010/pdf/141_10.pdf abrufbar

EILDIENST LKT NRWNr. 10/Oktober 2010 53.00.00

Umweltschutz

Kreis Weselgründet Klima-Bündnis

Zusammen mit acht kreisangehörigen Kom-munen hat der Kreis Wesel den ersten Schrittzur Gründung eines Klima-Bündnisses ge-tan. Nachdem durch entsprechende Be-

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KurznachrichtenKurznachrichten

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schlüsse der Räte aus den Kommunen Alpen,Dinslaken, Kamp-Lintfort, Moers, Neu kir-chen-Vluyn, Rheinberg, Sonsbeck und Voer-de sowie durch Beschluss des KreistagesWesel die Grundlagen geschaffen waren,unterzeichneten Landrat Dr. Ansgar Müllerund Vertreter der acht Kommunen am 01.09.2010 den „Letter of Intent“ zur Grün-dung des Klimabündnisses Kreis Wesel.Ziel des Klima-Bündnisses ist es, deutlich zumachen, dass die Städte und Gemeindenim Kreis Wesel im Bereich Klimaschutz ak-tiv zusammenarbeiten und Synergien schaf-fen wollen. Anlässlich der Unterzeichnung wies MichaelTheben vom Ministerium für Klimaschutz,Umwelt, Landwirtschaft, Natur und Ver-braucherschutz Nordrhein-Westfalen nocheinmal auf die Wichtigkeit des Themas hin.Es sei davon auszugehen, dass in NRW undam Niederrhein langfristig die mittlere Jah-restemperatur um circa zwei Grad steigenwerde. Darüber hinaus sei mit einer Zunah-me der Gesamt- sowie auch der Extremnie-derschläge zu rechnen.

EILDIENST LKT NRWNr. 10/Oktober 2010 61.60.01

Jahresbericht 2009 desLandesamtes für Natur,Umwelt und Verbraucher-schutz NRW erschienen

Mit seinem 3. Jahresbericht bietet das Lan-desamt für Natur, Umwelt und Verbrau-cherschutz des Landes Nordrhein-Westfa-len (LANUV) wieder einen Einblick in dieSpannbreite der Themen, mit denen sich dieam 01.01.2007 neu gegründete Landes-oberbehörde befasst. Nachdem zunächst dieArbeitsbereiche Naturschutz, technischerUmweltschutz und Verbraucherschutz un-ter dem Dach des LANUV zusammengeführtwurden, folgten 2008 die Integration derFischereiökologie sowie der umwelttechni-schen Labore der ehemaligen StaatlichenUmweltämter und in 2009 Aufgaben derUmweltmedizin und der Trinkwasserüber-wachung. Dem entspricht der interdiszipli-näre Ansatz des LANUV, der etwa in Bei-trägen über die Folgen des Klimawandelssowie über Tierarzneimittel im Boden ver-deutlicht wird. Ausführlich wird zudem imJahresbericht 2009 dargestellt, dass der Ruhrals wichtigstem Trinkwasserreservoir für denBallungsraum Ruhrgebiet im Rahmen derlaufenden Messprogramme besondere Auf-merksamkeit geschenkt wird. Wie es demWald in Nordrhein-Westfalen geht, wird ineinem weiteren Beitrag erläutert. Und nichtzuletzt wird geschildert, welche Herausfor-derungen im Verbraucherschutz mit derZusammenführung der Daten von kom-

munaler und staatlicher Ebene verbundenwaren und aktuell noch verbunden sind.

EILDIENST LKT NRWNr. 10/Oktober 2010 32.95.11

Kreis Mettmann veröffent-licht Heimatkundebuchder besonderen Art

Obwohl der Kreis Mettmann mit 1.220 Ein-wohner pro Quadratkilometer der dichtestbesiedelte Kreis in ganz Deutschland ist,stellt er einen bedeutenden Naturraum dar,den es zu bewahren und zu schützen gilt.Unter dem Titel „Der Naturraum Kreis Mett-mann – Wo Natternzungen und Teufels-krallen harmlos sind“ hat der Kreis Mett-mann jetzt ein Buch herausgegeben, dasdie Naturlandschaft und die große Arten-vielfalt unterhaltsam und verständlich dar-stellt und so das Kennenlernen der eigenenHeimat aus einem neuen Blickwinkel er-möglicht.Auf 150 reich bebilderten Seiten werdendie naturräumlichen Qualitäten der zehnStädte im Kreis mit ihren Biotopen, interes-santen Tier- und Pflanzenarten sowie denbreit gefächerten Naturschutzaktivitätenaufbereitet. Das unter der Federführungdes ehemaligen Kreis-UmweltdezernentenHans-Jürgen Serwe entstandene Werk solljedoch nicht nur als theoretische Lektüredienen, sondern auch, gewissermaßen als„Reiseführer durch die Natur“, zur eigenenBeobachtung der heimatlichen Tier- undPflanzenwelt anregen. Um dies zu fördern,wurde bei der Auswahl der vorgestelltenGebiete bewusst Wert darauf gelegt, dassdiese mit entsprechender Rücksicht auf dieNatur von Besuchern betreten werden kön-nen.Das Buch ist für fünf Euro im Buchhandelerhältlich (ISBN978-3-9813765-0-0). 2000Exemplare werden kostenfrei in den wei ter-führenden Schulen des Kreises Mettmannverteilt.

EILDIENST LKT NRWNr. 10/Oktober 2010 61.60.01

Wirtschaftund Verkehr

Arbeitskosten in NRWgeringfügig unter dem west-deutschen Durchschnitt

Nach Auskunft des Statistischen Landesam -tes NRW lagen die durchschnittlichen Ar-beitskosten für das Land Nordrhein-West-falen im Jahre 2008 geringfügig unter demBundesdurchschnitt. Die durchschnittli chenArbeitskosten pro Stunde im produzieren-den Gewerbe beliefen sich dabei auf 33,01

Euro, im Dienstleistungssektor auf 27,26Euro je geleisteter Arbeitsstunde. Damit er-gab sich für beide Wirtschaftssektoren zu-sammen ein Durchschnittswert von 29,09Euro. Auf Wirtschaftszweige bezogen gabes die höchsten Arbeitskosten pro Stundein der Energieversorgung (mit 46,24 Europro Stunde) und in der Finanz- und Versi-cherungswirtschaft (40,92 Euro pro Stun-de). Die Nettoarbeitskosten in der öffent-lichen Verwaltung lagen mit 30,85 Euro proStunde im Mittelfeld. Schlusslichter bei denNettoarbeitskosten bildeten der Bereich Han-del mit 24,79 Euro pro Stunde, der BereichGesundheits- und Sozialwesen mit 24,47Euro pro Stunde und schließlich das Gast-gewerbe mit 13,96 Euro pro Stunde.

EILDIENST LKT NRWNr. 10/Oktober 2010 12.10.00

Rhein-Kreis Neussist erster Fairtrade-Kreisin Deutschland

Als erster Kreis in Deutschland hat der Rhein-Kreis Neuss alle Kriterien der weltweitenKampagne „Fairtrade-Towns“ (Städte fairenHandels) erfüllt und reiht sich damit ein indie rund 850 Fairtrade-Towns in 22 Ländern,darunter Metropolen wie London, Rom,Brüssel, San Francisco und Kopenhagen.Seit Januar 2009 können sich auch deut-sche Kommunen um den internationalenTitel „Fairtrade-Stadt“ oder „Fairtrade-Kreis“ bewerben. 20 deutsche Städte er-hielten bisher das Fairtrade-Siegel, unter an-derem die Kreisstadt Neuss.

Landrat Hans-Jürgen Petrauschke nahm imRahmen des großen Familienfestes desRhein-Kreises Neuss am vergangen Sonn-tag die Urkunde von Heinz Fuchs, Vor-standsvorsitzender von TransFair e.V. undReginaldo Vicentim, Geschäftsführer derFairtrade-Kooperative COAGROSOL in Bra-silien, auf dem Dycker Feld von SchlossDyck in Jüchen entgegen. Ziel der Fairtrade-Kampagne ist es, benachteiligte Kleinbauernund Arbeiter in Afrika, Lateinamerika undAsien zu fördern und durch fairen Handelihre Lebens- und Arbeitsbedingungen zuverbessern.

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KurznachrichtenKurznachrichten

Übergabe der Urkunde im Rahmen desFamilienfestes

Page 48: EILDIENST 10/2010EILDIENST 10/2010 Inhalt Landrat Friedhelm Spieker, Kreis Höxter 379 Vielfältige Chancen, die eigene Region kennenzulernen: Das Regionale-Projekt Kulturlandschaft

Für die Auszeichnung musste der Rhein-Kreis Neuss mehrere Kriterien erfüllen undsich aktiv und nachhaltig für den fairen Han-del einsetzen. Dazu gehörte unter anderemein Beschluss des Kreistages, wonach bei al-len Sitzungen und im Büro des Landratesnur noch fair gehandelter Kaffee und Teeausgeschenkt werden dürfen. Außerdemmusste eine Steuerungsgruppe aus Verwal-tung, Handel, Eine-Welt-Initiativen und Kir-chen gebildet werden. Die Projektleitung

übernahm die Presse- und Öffentlichkeits-arbeit des Rhein-Kreises. Bei rund 450 000Einwohnern musste der Rhein-Kreis Neusszudem dafür sorgen, dass mindestens 55Geschäfte und 27 gastronomische BetriebeFairtrade-Produkte im Angebot haben. Auchin öffentlichen Einrichtungen warb der Kreisfür die Verwendung von Fairtrade-Produk-ten. So erhalten die jährlich rund 25.000Patienten der beiden Kreiskrankenhäuserin Dormagen und Grevenbroich bereits nur

noch fair gehandelten Kaffee. Auch einigeSeniorenhäuser wollen nachziehen. Über diezu erfüllenden Kriterien hinaus hat die Pres-se- und Öffentlichkeitsarbeit auch einen vir-tuellen Einkaufs- und Gastroführer für denRhein-Kreis Neuss unter www.fair-im-rhein-kreis-neuss.de ins Internet gestellt.

EILDIENST LKT NRWNr. 10/Oktober 2010 20.21.11

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Kurznachrichten / Hinweise auf VeröffentlichungenKurznachrichten / Hinweise auf Veröffentlichungen

Heusch/Schönenbroicher, Die Landesver-fassung Nordrhein-Westfalen, Kommen-tar, Verlag Reckinger, Siegburg 2010, 942Seiten, Format 17 x 24 cm, in Leinen gebun -den, mit Schutzumschlag und Lesebänd-chen, ISBN 978-3-7922-0098-8, 96,00 €,Verlag Reckinger, Postfach 17 54, 53707Siegburg.Pünktlich zum sechzigsten Jahrestag des Inkrafttre-tens der Verfassung des Landes Nordrhein-West-falen ist dieser an Erfordernissen der Staats- undVerwaltungspraxis ausgerichtete neue Großkom -mentar erschienen. Die Herausgeber Dr. Andre-as Heusch (Präsident des VerwaltungsgerichtsDüsseldorf) und Dr. Klaus Schönenbroicher (Mi-nisterialrat im Ministerium für Inneres und Kom-munales NRW) sowie die weiteren Autoren Dr.Carsten Günther, Dr. Manuel Kamp, MatthiasRoßbach, Dr. Markus Söbbeke, Dr. Martin Stutt-mann und Dr. Hans-Josef Thesling sind als Rich-ter der Verwaltungsgerichtsbarkeit bzw. Beamtein Landesverwaltung und Landtag mit Fragender Landesverfassung bestens vertraut.

Das neue Großwerk stellt daher nicht nur eineabstrakte Abhandlung zur Staatlichkeit Nordr-hein-Westfalens dar, sondern beschreibt die Be-stimmungen der Landesverfassung stets vor demHintergrund der Anforderungen der Gesetzes-und Verwaltungspraxis. So zeichnet beispielswei -se die Kommentierung der Schulartikel, denenfür die Frage der im neuen Koalitionsvertrag ver-einbarten Reformen im Schulbereich grundle-gende Bedeutung zukommt, sowohl die Recht-sprechung des Verfassungsgerichtshofs als auchden Handlungsspielraum des einfachen Gesetz-gebers nach. Besondere Bedeutung kommt da-her dem auch für den Schulbereich elementarenStaatskirchenrecht in Nordrhein-Westfalen zu,dessen aktueller Stand umfassend dargestellt wird.Zentrale Relevanz besitzt zudem die Analyse derVerfassungsartikel zu Landtag, Landesregierungund Landeshaushalt: Gerade in einer Zeit, in derin Nordrhein-Westfalen erstmals in der Landes-geschichte keine feststehende Regierungsmehr-heit im Landtag mehr gegeben ist, wird die tief-gehende und praxisnahe Erläuterung dieser Teileder Landesverfassung zu einer wichtigen Orien-tierung bei der Arbeit im politischen Raum. Dieangesichts der aktuellen kommunalen Finanznotan praktische Grenzen geratende kommunaleSelbstverwaltungsgarantie wird im Detail aufge-fächert, wobei auch die neuere Rechtsprechungdes Verfassungsgerichtshofs zum Konnexitäts-prinzip – so auch die Entscheidung vom 23.März 2010 zur Frage der Angemessenheit desim Rahmen der Kommunalisierung von Aufgaben

der Umwelt- und Versorgungsverwaltung ge-währten Belastungsausgleichs – schon eingear-beitet werden konnte. Das Werk ist daher nichtnur für die Verfassungswissenschaft, sonderninsbesondere auch für die Verfassungs- und Ver-waltungspraxis von hohem Wert.

Siemonsmeier, Rettler, Kummer, Rothermel,Kowalewski, Ehrbar-Wulfen, Klieve, Senne -wald, Gemeindehaushaltsrecht Nordrhein-Westfalen.Zum Standardkommentar des nordrhein-west-fälischen Gemeindehaushaltsrechts ist nunmehrauch die 5. Nachlieferung, Stand Juni 2010, er-schienen: ISBN 978-3-8293-0729-1, Kommu-nal- und Schulverlag, Wiesbaden, Konrad-Ade-nauer-Ring 13, 65187 Wiesbaden, Tel. 06 11/880 86 0, Fax 0611/8 80 86 66, [email protected].

Von Mutius, Rechtsprechung zum Kommu-nalrecht, Entscheidungssammlung zum Kom-munalrecht in allen Bundesländern auf derGrundlage der Gemeindeordnung, Kreis-ordnung, Landschaftsverbandsordnung, desGesetzes über kommunale Gemeinschafts-arbeit und des Kommunalwahlgesetzes desLandes Nordrhein-Westfalen, 54. Ergän-zungslieferung, Stand März 2010, 422 Sei-ten, € 91,00, Loseblattausgabe, Grundwerkca. 5.500 Seiten, DIN A 5, in fünf Ordnern,€ 148,00 bei Fortsetzungsbezug (€ 219,00bei Einzelbezug), ISBN 978-3-7922-0013-1,Verlag Reckinger, Luisenstraße 100-102,53721 Siegburg. Die Entscheidungssammlung wird mit insgesamt77 praxisrelevanten Gerichtsentscheidungen zufast allen Bereichen des Kommunalrechts aktua-lisiert und erheblich erweitert. Die umfängliche54. Ergänzungslieferung enthält insbesondereEntscheidungen zum kommunalen Selbstverwal-tungsrecht (u.a. Schutz der Gemeinden gegenü-ber der Regionalplanung), zur Rechtsstellung vonGleichstellungsbeauftragten, zum kommunalenSatzungsrecht (u.a. Anforderungen an die orts-übliche Bekanntmachung, Heilung fehlerhafterSatzungen durch spätere Änderung), zum Rechtder kommunalen Einrichtungen, zur Zulässigkeitvon Bürgerbegehren (u.a. Bestimmtheit der Fra-gestellung, Anforderungen an den Kostende-ckungsvorschlag), zum ordnungsgemäßen Ab-lauf von Ratssitzungen, zur Rechtsstellung undzu den Funktionen des Bürgermeisters und seiner

Stellvertreter, zum kommunalen Haushaltsrecht,zur wirtschaftlichen Betätigung der Kommunen –auch in Privatrechtsform, zur Kommunalauf-sicht, zum Kreisrecht, zum Recht der kommuna-len Gemeinschaftsarbeit und zum Kommunal-wahlrecht. Die 54. Ergänzungslieferung enthältaußerdem ein umfassend neu bearbeitetes undaktualisiertes Sachverzeichnis, das die Handha-bung der umfangreichen Rechtsprechungssamm -lung deutlich verbessert.

Praxis der Kommunalverwaltung, Landes-ausgabe Nordrhein-Westfalen, Ratgeber fürdie tägliche Arbeit aller Kommunalpolitikerund der Bediensteten in Gemeinden, Städ-ten und Kreisen (Loseblattsammlung incl. 3Online-Zugänge /auch auf CD-Rom er-hältlich), Schriftleitung Johannes Winkel,Innenministerium NRW, 420. Nachlieferung,Stand: Juli 2010, € 63,70; 421. Nachliefe-rung, Stand: August 2010, Doppellieferung,€ 127,40, Kommunal- und Schul-Verlag,Konrad-Adenauer-Ring 13, 65187 Wiesba -den.Die 420. (nicht einzeln erhältliche) Nachlieferungenthält Änderungen in folgenden Bereichen:

E 10 – Beteiligung der Kommune am Insolvenz-verfahren

K 2 a – Allgemeines Gewerberecht

L 11 NW – Wasserrecht für das Land Nordrhein-Westfalen.

Die 421. (nicht einzeln erhältliche) Nachlieferungenthält Änderungen in folgenden Bereichen:

K 5 a NW – Abfallgesetz für das Land Nord-rhein-Westfalen (Landesabfall-gesetz – LabfG)

K 9 c – Ausländerrecht.

Schubert/Wirth/Pilz, Landesbesoldungs-recht Nordrhein-Westfalen, Kommentar,95. Ergänzungslieferung, Stand April 2010,380 Seiten, € 89,00, Loseblattausgabe,Grundwerk ca. 3.500 Seiten, DIN A 5, indrei Ordnern, € 138,00 bei Fortsetzungs-bezug (€ 189,00 bei Einzelbezug), ISBN978-3-7922-0151-0, Verlag Reckinger,Luisenstraße 100-102, 53721 Siegburg. Die mit der 92. Ergänzungslieferung begonneneUmstellung auf die Vorschriften des Landes wird

Hinweise aufVeröffentlichungen

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mit der 95. Ergänzungslieferung fortgesetzt. Än-derungen für den Bundesbereich nach dem 31.August 2006, wie aktuell durch das Dienst-rechtsneuregelungsgesetz des Bundes, habenfür den Landesbereich keine Relevanz mehr. Dienach dem Stand 01. August 2006 im Landesbe-reich weiter anzuwendenden Zulagenbeträge,die nicht an linearen Erhöhungen teilnehmen,sind zur besseren Übersicht gesondert aufgeführtworden. Mit der 95. Ergänzungslieferung wur-den Änderungen eingearbeitet, die sich aufgrunddes Besoldungs- und Versorgungsanpassungs-gesetzes 2009/2010 NRW vom 10. November2009 ergeben. Die Aktualisierung berücksichtigtaußerdem die mit Runderlass des Finanzministe-riums vom 12. Januar 2010 bekannt gegebenenTabellen mit den erhöhten Bezügen ab 01. März2009 und 01. März 2010. Aktualisiert wurden ne-ben anderen Bestimmungen die Vorschriften desLandesbeamtengesetzes, des Abgeordnetenge-setzes, der Entschädigungsverordnung, der Er-schwerniszulagenverordnung sowie der Mehrar-beitsvergütungsverordnung. Damit befindet sichder zuverlässige, besonders auf die Bedürfnisseder Praxis ausgerichtete Kommentar wieder aufeinem aktuellen Stand.

Schütz/Maiwald, Beamtenrecht des Bun-des und der Länder, Kommentar, Gesamt-ausgabe B, 319. Aktualisierung, Stand: Juli2010, 244 Seiten, € 67,95, Bestellnr.:76855470319; 320. Aktualisierung, Stand:August 2010, 234 Seiten + 1 Ordner, €71,95, Bestellnr.: 76855470320, R. v. Decker,Verlagsgruppe Hüthig Jehle Rehm GmbH,Hultschiner Straße 8, 81677 München.Die 319. Aktualisierung enthält Kommentierun-gen zu Teil B § 42, Teil C §§ 53, 59, 67, Teil FBDG sowie Teil G LBesG NRW.

Die 320. Aktualisierung enthält neue Entschei-dungen zum Beamtenrecht.

Mohr/Sabolewski, Beihilfenrecht NRW, 81.Ergänzungslieferung, Stand März 2010, 354Seiten, 77,50 EUR, Loseblattausgabe inkl.Zugang zur Online-Datenbank, Grundwerkca. 3.100 Seiten, Format DIN A5, in zweiOrdnern, 128,00 EUR bei Fortsetzungsbe-zug (198,00 EUR bei Einzelbezug), ISBN978-3-7922-0153-4, Verlag Reckinger, Lui -senstraße 100-102, 53721 Siegburg.Die 81. Ergänzungslieferung zum Beihilfenkom-mentar Nordrhein-Westfalen enthält die ab dem1. Januar 2010 in der gesetzlichen Krankenversi-cherung geltenden neuen Festzuschüsse bei derVersorgung mit Zahnersatz, einschließlich Zahn-kronen und Suprakonstruktionen sowie die fürKrankenhäuser geltende Fallpauschalenverein-barung 2010. Außerdem wurde das Bundeskin-dergeldgesetz auf den neuesten Stand gebracht.

Die Neukommentierung der rückwirkend zum 1.April 2009 in Kraft getretenen Beihilfeverord-nung vom 5. November 2009 kann wegen dererst im April 2010 veröffentlichten neuen Ver-waltungsvorschriften erst mit der 82. Ergänzungs-lieferung erfolgen.

Cecior/Vallendar/Lechtermann/Klein, DasPersonalvertretungsrecht in Nordrhein-Westfalen, Kommentar, 48. Aktualisierung,Stand Juni 2010, 340 Seiten, € 99,95, Be-

stellnr.: 80730540049, Verlagsgruppe Hü-thig Jehle Rehm GmbH, Hultschiner Straße8, 81677 München.In der 48. Aktualisierung sind im Teil B unter Be-rücksichtigung der Novelle 2007 u.a. folgendeParagrafen neu kommentiert worden:

§ 25 – Mitgliederausschluss, Personalratsauflö-sung

§ 29 Abs. 1 Sätze 1 bis 3 – Vorstand, Vorsitzen-der, Stellvertreter

§ 40 – Kostentragung, Geschäftsbedarf

§ 42 – Ehrenamt, Arbeitsversäumnis,Freistellung

Göppert/Leßmann, KinderbildungsgesetzNordrhein-Westfalen, Kommentar, 2. Auf-lage 2010, kartoniert, 460 Seiten, 35,00 €,ISBN 978-3-8293-0909-7 Kommunal- undSchulverlag, Wiesbaden.Bereits zwei Jahre nach Inkrafttreten des Kinder-bildungsgesetzes – KiBiz - haben die Autorin undder Autor eine Überarbeitung ihres Kommentarszum dem Gesetz vorgelegt, in dessen Entste-hung sie als Beigeordnete des Städtetages NRWbzw. des Landkreistages NRW für die kommu-nale Seite intensiv eingebunden waren. Auch diezweite Auflage versteht sich primär als fachlicheUnterstützung für die Praktiker, die in den unter-schiedlichen Formen der Kindertagesbetreuung,in Kommunalverwaltungen oder Verbänden derfreien Wohlfahrtspflege mit dem KiBiz und sei-nen konkreten Auswirkungen arbeiten. Nebender Verarbeitung der breiten Resonanz zur er-sten Auflage sind auch die aktuellen Weiterent-wicklungen der frühkindlichen Bildung, so zumBeispiel die neuen „Bildungsgrundsätze“, diederzeit in NRW in den Kommunen erprobt wer-den, aufgenommen worden. Das Finanzierungs-system wird auch in der zweiten Auflage sehrdetailliert dargestellt und mit zahlreichen Bezü-gen zum alten Rechtssystem anschaulich erläu-tert.

Abgerundet wird der Kommentar mit einem aus-führlichen Anhang, der die Verordnungen undErlasse, die im Zuge der Kinderbetreuung rele-vant sind genauso enthält wie die zu den an-grenzenden Bereichen der Schulbildung im Ganz-tag und der Gesundheitsprävention bei Kindern.Es bleibt abzuwarten, ob die zum Jahresanfang2011 anstehende Revision des KiBiz eine zeitna-he dritte Auflage erforderlich machen wird.

Raumordnungsgesetz, ROG, Spannowsky/Runkel/Goppel, 1. Auflage, ISDN 978-3-406-60472-0, Verlag C.H. Beck, Wilhelm-straße 9, 80801 München.Das ROG regelt die Entwicklung, Ordnung undSicherung des Gesamtraums der BundesrepublikDeutschland. Als Instrumente stellt das Gesetzneben den Raumordnungsplänen auch die Ver-fahren der Abstimmung verschiedener Planungensowie der raumordnerischen Zusammenarbeitzwischen Staat und maßgeblichen Planungsstel-len wie Kommunen und nichtstaatlichen Organi-sationen zur Verfügung.

Vor diesem Hintergrund regelt das neue ROG,allgemeine Grundsätze und Leitziele, die für alleRaumplanungen gelten, Grundaussagen für diePlanungen der Länder, in seinem 3. Abschnitt Re-geln für die Planungen des Bundes und Regelun-gen über die Zusammenarbeit von Bund undLändern.

Das Werk bietet eine ausführliche und wissen-schaftlich vertiefte, dabei praxisnahe Kommen-tierung des neuen Gesetzes. Eingehend erläutertwerden insbesondere auch die in der Novelle ent-haltenen inhaltlichen Änderungen der Grundsät-ze der Raumordnung und der Regelungen überdie Planerhaltung, der erweiterten Möglichkei-ten der Kooperation von Regionen, Kommunenund Privaten der Regelungen über den Planungs-und Koordinierungsauftrag des Bundes sowiedie sich aus der neuen Kompetenzlage ergeben-den Folgen für die Gesetzgebung der Länder.

Neue örtliche Energieversorgung als kom-munale Aufgabe, Fabio Longo, 2010, 384S., 89,-€, ISBN 978-3-8329-5516-8, NomosVerlagsgesellschaft, Waldseestraße 3-5,76530 Baden-Baden.Vor dem Hintergrund der wachsenden Erkennt-nisse über die Auswirkungen des Klimawandelsund der begrenzten Verfügbarkeit fossiler Ener-gieträger verfolgen auch viele Kommunen dasZiel einer möglichst weitgehenden Energieauto-nomie. Nicht nur vor dem Hintergrund des ak-tuell entschiedenen Rechtsstreits um die Zuläs-sigkeit der Marburger Solarsatzung stellt sich hierdie Frage, inwieweit Kommunen die Energiefragelokal lösen dürfen.

Der Autor erarbeitet verfassungsrechtliche Lö-sungen für diese und andere in diesem Zusam -menhang immer wiederkehrende Streitfragen.Insbesondere für die Kommunalverwaltung, -wirt-schaft- und -politik ist diese Grundlagenarbeitvon hohem praktischem Wert. Denn mit derneuen Energiewelt wandern längst verloren ge-glaubte Kompetenzen zurück zu den Kommu-nen. In Bewegung gerät dadurch auch die Beur-teilung kommunaler Betätigungen, z.B. für denBetrieb örtlicher Energienetze oder kommunalerSolar- und Windparks.

Besonders hervorhebenswert ist in diesem Zu-sammenhang die weitere Ergründung des ver-fassungsrechtlichen Terminus der „Angelegen-heiten der örtlichen Gemeinschaften“ aus Art.28 Abs. 2 Satz 1 GG als zuständigkeitsbegrün-dendem und -begrenzendem Schlüsselbegriff deskommunalen Handlungsspielraums für den Kli-ma- und Ressourcenschutz.

Staatsangehörigkeitsrecht, Hailbronner/Renner/Maaßen, 5. Auflage, 2010, XXXIV,1415 Seiten, in Leinen € 138, ISBN 978-3-406-59548-6, C.H. Beck, Wilhelmstraße 9,80801 München.Das Werk behandelt den Erwerb und Verlust deut-scher Staatsangehörigkeit auf der Grundlage derneuesten Rechtsprechung und Literatur. Die 5.Auflage berücksichtigt u.a. die Änderungen desEinbürgerungsrechts, insbesondere hinsichtlichder Rechtstreue und der Integrationserforder-nisse, die Umsetzung aufenthalts- und asylrecht -licher Richtlinien der EU, die Gleichstellung vonStaatsbürgern der Schweiz mit EU- und EWR-Bürgern und die Anpassungen an die Personen-standsrechtsreform und die FamFG-Reform.

Der Textteil gibt einen zuverlässigen Überblicküber die relevanten Gesetze, Durchführungsver-ordnungen, Verwaltungsvorschriften und zwi -schenstaatliche Abkommen. Enthalten sind z.B.die vorläufigen Anwendungshinweise des Bun-des-Innenministeriums zum Staatsangehörigkeits-gesetz.

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Hinweise auf VeröffentlichungenHinweise auf Veröffentlichungen

Druck: Knipping Druckerei und Verlag GmbH, Düsseldorf