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Ein affines Analogon zur Bestimmung einer Fliiche aus einer Grundform und einer Kriimmungsfunktion durch W. Scherrer. Herrn O~K.~ PERRON zorn 70. Geburtstag am 7. Mai 1950 gewidmet, Voa Wilhelm Siiss in Freiburg i. Br. W. SCHERm.:R1) hat den Satz ausgesproehen, daft eine Fl~tche durch einen Streifen aus einer der drei Grundformen und einer zugeordneten Krfimmungsfunktion eindeutig bestimmt werden kann. Ffir die dritte Grundform l~tftt sich hierfiir ein besonders durchsichtiger und kurzer Beweis angeben, wenn man init ihr z.B. die Summe der Haupt- krfimmungsradien als Funktion der Parameter vorgibt'2). Wit wollen hier einen entsprechenden Satz ftir die affine Differentialgeometrie beweisen. Der Gedankengang wird besonders durchsichtig~ wenn man dabei den Weg fiber eine geeignete relative Differentialgeometrie w~hlt (§ 2). Wir legen der Theorie zwei polar-reziproke EichfllCchen zu Grunde, ffir die der Formelapparat der Differentialgeometrie der homogenen Affinit~tten entwickelt wird (§ 1), wie er sich etwa auch in der Dar- stellung yon E. SALK0~VSlII~) finder. Der allgemeine relativgeometrische Bestimmungssatz (§ 3) enth~lt die gesuchten Analoga des Satzes yon W. SC~Em~ER Sowohl ffir die Fl~tchentheorie der homogenen wie ffir diejenige der raumtreuen Affinit~ten, fiir die wit uns auf das bekannte Buch yon W. BLASCnK~:4) beziehen. Er ist eine unmittelbar erkennbare Erweiterung des a. a. O. ~) behandelten Satzes. §1. Fl~ichentheorie der homogenen Affinit~iten. Wir gehen aus von zwei zueinander polar-reziproken Fl~tchen e(u', u ~) und ~(u', zd), fiir die also die folgenden Beziehungen bestehen: ( 0e) ('1) e~= 1, e@~=e~ff=0 hierin ist z.B. ei----~-~i • 1) Stfitzfunktion und Radius I, Comm. Math. Helv. 22, 366--381 (1947). 3) Bestimmung einer F1/~ehe dureh die dritte Grundform und die Summe der Hauptkrtimmungsradien, Arch. d. Math. 2, 103--104 (1950). s) Affine Differentialgeometrie, Leipzig u. Berlin 1934. ) Vorlesungen tiber Differentialgeometrie II, Berlin 1923.

Ein affines analogon zur Bestimmung einer Fläche aus einer Grundform und einer Krümmungsfunktion durch W. Scherrer

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Ein affines Analogon zur Bestimmung einer Fliiche aus einer Grundform und einer Kriimmungsfunktion durch W. Scherrer.

Herrn O~K.~ PERRON zorn 70. Geburtstag am 7. Mai 1950 gewidmet,

Voa

Wilhelm Siiss in Freiburg i. Br.

W. SCHERm.:R1) hat den Satz ausgesproehen, daft eine Fl~tche durch einen Streifen aus einer der drei Grundformen und einer zugeordneten Kr f immungsfunk t ion eindeutig best immt werden kann. Ffir die dr i t te Grundform l~tftt sich hierfiir ein besonders durchsichtiger und kurzer Beweis angeben, wenn man init ihr z.B. d i e Summe der Haupt- krf immungsradien als Funk t ion der Parameter vorgibt'2). Wit wollen hier e inen entsprechenden Satz ftir die affine Differentialgeometrie beweisen. Der Gedankengang wird besonders durchsichtig~ wenn m a n dabei den Weg fiber eine geeignete re la t ive Differentialgeometrie w~hlt (§ 2). Wir legen der Theorie zwei polar-reziproke EichfllCchen zu Grunde, ffir die der Formelappara t der Differentialgeometrie der homogenen Affinit~tten entwickel t wird (§ 1), wie er sich etwa auch in der Dar- stellung yon E. SALK0~VSlII~) finder. Der allgemeine relat ivgeometrische Best immungssatz (§ 3) enth~lt die gesuchten Analoga des Satzes yon W. SC~Em~ER Sowohl ffir die Fl~tchentheorie der homogenen wie ffir diejenige der raumtreuen Affinit~ten, fiir die wit uns auf das bekannte Buch yon W. BLASCnK~:4) beziehen. E r ist eine unmit te lbar erkennbare Erwei terung des a. a. O. ~) behandel ten Satzes.

§1 .

Fl~ichentheorie der homogenen Affinit~iten.

Wir gehen aus von zwei zueinander polar-reziproken Fl~tchen e(u', u ~) und ~(u', zd), fiir die also die folgenden Beziehungen bestehen:

( 0e) ( '1) e ~ = 1, e @ ~ = e ~ f f = 0 hierin ist z .B. ei----~-~i •

1) Stfitzfunktion und Radius I, Comm. Math. Helv. 22, 366--381 (1947). 3) Bestimmung einer F1/~ehe dureh die dritte Grundform und die Summe der

Hauptkrtimmungsradien, Arch. d. Math. 2, 103--104 (1950). s) Affine Differentialgeometrie, Leipzig u. Berlin 1934. • ) Vorlesungen tiber Differentialgeometrie II, Berlin 1923.

W. Si~ss: Ein affines Analogon zur Be.stimmung einer Fl~ehe usw. 699

Die ffir beide Fl~ehen symmetr i sehe quadra t i sehe Different ia l form mit den" Koeff iz ienten

benutzen wir als quadrat isehe Grundform unserer Theorie . Wir nehmen an, dal~ die beiden Determinant en

(3) (e, e,~ e) = d , . ((~. ~.~ ~) = D

im a l lgememen nieht verschwinden, dag also auch

(3 ' ) o l d = !]7,*Ii = 7 ~= 0

ist. Die beiden Fl~chen gehen fibrigens dureh die Gleichungen

e I x eo (~1 x ~ , , ( 1 ' ) ~ • - = - d ~ e = 1 )

ause inander hervor . Die Able i tungsgle iehungen unserer F l ~ e h e n t h e o r i e haben bei ko-

va r i an te r Able i tung beztiglieh (2) die Gestal t [siehe ~) p. 130] 1 __ ¢~/ (4) eik ~= ai~.el + r, ike. ~ i , = i k ~ l + 7i~ '~,

wobei die GrOgen

in den Indizes symmetf iseh nnd die Koeff iz ienten einer inw~rianten kubisehen Grundform der Theor ie sind. Man er reehnet noeh [siehe s, p. 132 (31)]:

: I : O 0~¢i l l l ' l : "

Der Quotient der beiden Deter ln inanten d und D hat fibrigens die Bedeu tung der 4. Potenz der sqgenannten affinen E n t f e r n u n g des Ursprungs yon der Fl~ehe e. Aus den Able i tungsgle iehungen (4) und aus (5) gehen die homogen.en Different ia lgleiehungen

far e und ~ hervor . AIs In tegr ie rba rke i t sbed ingungen der Able i tungsgle iehungen erh~tlt

man aus dem Ansatz e,;e~- eit~ = Ri'i, teer ,

wobei R~r,t* tier Rn,:~A,~'sehe Kr i immungs tensor beziiglieh (2 i i s t , (lie be iden Aussagen

= ¢ ¢ ' ~ "~ tX (7) R~,~k i~:u,~,,--r~ ,~,. ~ 7~k) 'zr--7~7~,"

a~.~,z ~ a,~,~. --- . . . ( symmetr i seher Tensor)S).

~) Itieraus folgt nebenbei ffir die simultanen Invarianten der quadratischen und der kubisehen Grundform

1 .~ i k l L = t TI ~ l t lcl i C¢ i L ! CZ " =:- "z ~X k Ot i l

und ftir die GAu~s'sche Krfimmung R der Form (2) die Gleichung

700 W. Stiss:

§2 .

Relative Flllchentheorie bei Zuordnung durch parallele Normalen.

Die beiden in § 1 gleichzeitig betrachteten Fli~chen seien jetzt als Eichfl~chen benutzt. Der Fl~che e sei durch Parallelismus entsprechender Tangentenebenen eine Fl~tche ~ zugeordnet, so dal~ Gleichungen der Gestalt bestehen

(8) ~i ---- p~ e~, ~ = 0.

Ftir die Flache ~ sind die Vektoren (~ normierte Vektoren der ge- w(ihnlichen Flgchennormalen. Wenn man die Gleichungen (8) als ver- allgemeinerte WE~G~RTEX'sche Ableitungsgleichungen ansi6ht~ in der die Vektoren e als solche der Relativnormalen einer relativen Fl~tchen- theorie aufgefaBt werden, so sind die Gr6Ben

(9) pl = .~ = r, + r,

die Verallgemeinerungen der Summe der Hauptkrtimmungsradien der tiblichen Fl~tchentheorie, die hier Relativkrtimmungsradien heil~en. Die Koeffizienten der Gleiehungen (8) gestatte, n die Dars te l lung

(9') Pik ----- - - ~ = ~ik ~ == Pki.

Als Integrierbarkeitsbedingungen der WEI~GARTE~'schen Gleichungen (8) erh~tlt man a u s

I e r/ql

die Gleiehung

r , r f f (10) pil.~ + p~e~la = pl,~,~+ p~ ,i~.

Fiihrt man als Relativentfernung des Ursprungs yon der Flgche die Funktion

(1~) A = - ~

ein, so wird nach (4) und (8)

(12a) A ~ = p ~ -- u ~ A ~ + 7 ~ . 4

und hieraus dutch [~berschiebung mit (2) nach (5) und (9)

A~ ~ ~ - ~ A } + 2A (12)

§ 3.

Bestimmung von Fl~ichen durch vorgegebene Streifen.

Zun~tchst beweisen wir einen allgemeinen Bestimmungssatz unserer relativen Flgehentheorie, aus dem dann die in der Einleitung genannten S~ttze fiir die affine Fl~tchentheorie gefolgert werden.

Ein a~fines Analogon zur Bestbnmung einer Fl~iche aus einer Grundf0rm Usw. 70I

S a tz 1. Die Koeffizienten 7ik der quadratischen Grundform (2) sowie die Gr6pen a und • seien als Funktionen der Parameter u' und u" bekannt ; ferner seien zwei durch parallele Norma~en in entsprechenden Punkten zugeordnete nicht-asymptotische Fldchenstreifen S c u n d S~ gegeben. Dann gibt es stets zwei durch S~ und S~ gehende Fldcheu e bz w. ~, deren Tangentenebenen in entsprechenden Punkten einander parallel sind, mit folgenden Eigenschaften5

a) Die Fldche ¢ und die zu ihr polar-reziproke ~ haben die ge- gebenen. GrO~en 7~k zu Ko,effizienten tier quadratischen Grundform der homogen-affinen Fldchentheorie v o n § 1;

b) die gegebene Funktion ~ geniigt den Gleichungen (5) dieser Theorie ;

c) die gegebene Funktion a ist die in (9) eingefi~hrte Summe der Relativkri~mmungsradien der Fldche ~ bezi~glich ¢ als Eichfldche.

B e w e i s . Durch S~ l~I3t sich eindeutig eine Liisung der ersten der beiden Differentialgleichungen (6) legen. Aus (]) und (1') gewinnt man danach die Fl~tche ~. Jetzt l~l~t sich die Relativentfernung A nach ( l l ) zunachst l~ngs des Streifens S~ bestimmen. Aus diesen Rand° werten gewinnt man dann aus der Differentialgleichung (12.) diese Relativentfernung tiberhaupt. Die Ableitungsgleichungen (4) ffir ¢ liefern die Koeffizienten der kubischen Grundform (4'). Ftir die Fl~tche sind die Ableitungsgleichungen (4) gleichzeitig miterftillt. Ffir die beiden Abieitungsgleichungen (4) erh~tlt man die I ntegrierbarkeitsbedingungen (7). Nun errechnet man fiir die aus (12a)best immten Gr(il~en Pik, daf$ auch die Gleichungen (10) erftillt sind, daf~ somit unsere verallgemeinerten WEI~C, ARTE,~'schen Gleichungen (8) integrierbar sind, d.h. dal~ die Flache

durch den Streifen S~ eindeutig 1)estimmbar ist. Es ist n~mlich nach (12a) und (7 )

.~ t s t Aikz-- .4~Ik =-- RJ, lk At ----- Atla~k~st -- ~ila~k + ~'i~ Ti - 7it7~.]

so dal~ die Gleichungen (10) folgen, w. z. b. w. Bei Identifiz!erung der beidet)Fl~tchen e und g erh~tlt man aus

Satz 1 sofort das entsprechende Ergebnis fiir die F1/tchentheorie der homogenen Affinit/tten. Dabei ist also neben der Grundform (2) nur die Affinentfernung des Ursprungs von der Fl~tche (die Funktion ~) als vorgegeben anzusetzen. Bei der F1/tchentheorie de'r raumtreuen Afiinit/iten dagegen gelingt auf folgende Weise die Riickffihrung auf die homogene Affingeometrie. Betrachten wit nach der Darstellung von W. BL~SCnKE ~) die qu'.adratische Grundform (G;~) und die mittlere Affinkriimmung H als Funktionen der Parameter gegeben, so bestimmt sich die Affinentfernung P des Ursprungs yon der Flltche e bei vor- gegebenen Fl~tehenstrcifen aus der Differential¢leichun~' (~) p. 156)

G '~ P~: + 2 HP + 2 ~ ().

702 W. Sttss: Ein affines Analog'on zur Best!mmung einer Flgehe usw.

Zwischen d e n quadratisehen Grundformen der raumtreuen und der homogenen Affinit~tten besteht n u n die Beziehung (s) p. 141)

G ik = PTi~.

Wegen der in w 1 genannten Bedeutung der Funktion v in Satz 1 ist damit die Frage der raumtteuen affinen Geometrie bereits auf den gerade besprochenen Fall der homogenen Affingeometrie zurtickgef~ihrt. Es gilt a l s o

S a t z 2. Durch einen vorgegebenen Strei/en ld~t sich ei~e Fldche dadurch eindeutig bestimmen, dab man fi~r sie entweder die quadra- tische Grundform der homogenen Affingeometrie und die Affinent- ]ernung des Ursprungs v o n d e r Fldche als Funktionen der Parameter vorgibt, oder dadurch, da/3 man auZer der quadratischen Grund[orrn der raumtreuen Affingeometrie die mittlere A/fi~kri~mmu~g als F~r tionen der Parameter festlegt.

(Eingegangen am 10. Dezember 1949.)