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(Aus der Psychiatrischen und Nervenklinik der Universit~t Frankfurt a. M. Direktor: Prof. Dr. Kleist.) Ein Fall yon Tetanie, behandelt mit Blum'scher Schutzkost. Von Dr. Ilse Graf. (Eingegangen am 22. November 1926.) In seinen ,,Studien fiber die Epithelk6rperehen ''1) hat F. Blum zahlreiche, sehr interessante Tierversuche mitgeteilt. In den Jahren 1900--1906 hatte er fiber das Schicksal einer Anzahl yon Hunden beriehtet, die, nach Schilddrfisen-EpithelkSrperexstir- pation, bei fleischfreier und milchreicher Ffitterung gesund geblieben waren, und die dann, als sie Fleischkost erhielten, an Tetanie erkrankten und in eharakteristischer Weise zugrunde gingen. Spiitere Unter- suehungen ergaben, dab der Ausfall der Sehilddrfise dabei bedeutungslos war. Verblieben genfigend EpithelkSrperchen, so konnte das Tier Fleischnahrung zu sieh nehmen, ohne Tetanieerscheinungen zu be- kommen. Es zeigte sich also, dab Milchnahrung den Ausfall der Epithel- kSrperchen in gewisser Weise ersetzen kann, und es fragte sich nun, wie diese Wirkung der Milch zustande kommt. Es lieg sich daran denken, dab der Kalkgehalt der Milch die entscheidende Rolle spielt, naehdem die gfinstige Wirkung der Kalkmedikation bei Tetanie bekannt- geworden war. Blum wies nach, dab der Kalkgehalt bei der Wirkung der Milchnahrung wohl mit in Betraeht kommt, dab jedoch nicht ihm allein die Wirkung zu verdanken ist. Als Beweis ffir diese Behauptung konnte er zeigen, dab das kallcarme Blur als Ersatz ffir das fehlende Epithelk6rperehen noch besser wirkt als die Milch. Als das wirksamste erweist es sieh, wenn man parathyreopriven Tieren Milch und Blut verffittert, etwa im Verh/~ltnis von 1: 3. Blum zeigt in vielen Versuchen, dab bei Verffitterung dieser ,,Schutzkost" die Tiere dauernd vor den Erscheinungen der Tetanie und Kachexie bewahrt werden kSnnen. Gibt man parathyreopriven Katzen, die man bisher durch Schutz- kost normal erhielt, nunmehr nur den Milchanteil der Schutzkost und nicht das Blur, dann sinkt trotz des kalkreichen Futters der Blut- kalk langsam ab, und es k6nnen sich naeh einiger Zeit aueh tetanisehe

Ein Fall von Tétanie, behandelt mit Blum’scher Schutzkost

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(Aus der Psychiatrischen und Nervenklinik der Universit~t Frankfurt a. M. Direktor: Prof. Dr. Kleist.)

Ein Fall yon Tetanie, behandelt mit Blum'scher Schutzkost.

Von

Dr. Ilse Graf.

(Eingegangen am 22. November 1926.)

In seinen ,,Studien fiber die Epithelk6rperehen ''1) hat F. Blum zahlreiche, sehr interessante Tierversuche mitgeteilt.

In den Jahren 1900--1906 hat te er fiber das Schicksal einer Anzahl yon Hunden beriehtet, die, nach Schilddrfisen-EpithelkSrperexstir- pation, bei fleischfreier und milchreicher Ffitterung gesund geblieben waren, und die dann, als sie Fleischkost erhielten, an Tetanie erkrankten und in eharakteristischer Weise zugrunde gingen. Spiitere Unter- suehungen ergaben, dab der Ausfall der Sehilddrfise dabei bedeutungslos war. Verblieben genfigend EpithelkSrperchen, so konnte das Tier Fleischnahrung zu sieh nehmen, ohne Tetanieerscheinungen zu be- kommen. Es zeigte sich also, dab Milchnahrung den Ausfall der Epithel- kSrperchen in gewisser Weise ersetzen kann, und es fragte sich nun, wie diese Wirkung der Milch zustande kommt. Es lieg sich daran denken, dab der Kalkgehalt der Milch die entscheidende Rolle spielt, naehdem die gfinstige Wirkung der Kalkmedikation bei Tetanie bekannt- geworden war. Blum wies nach, dab der Kalkgehalt bei der Wirkung der Milchnahrung wohl mit in Betraeht kommt, dab jedoch nicht ihm allein die Wirkung zu verdanken ist. Als Beweis ffir diese Behauptung konnte er zeigen, dab das kallcarme Blur als Ersatz ffir das fehlende Epithelk6rperehen noch besser wirkt als die Milch.

Als das wirksamste erweist es sieh, wenn man parathyreopriven Tieren Milch und Blut verffittert, etwa im Verh/~ltnis von 1: 3. Blum zeigt in vielen Versuchen, dab bei Verffitterung dieser , ,Schutzkost" die Tiere dauernd vor den Erscheinungen der Tetanie und Kachexie bewahrt werden kSnnen.

Gibt man parathyreopriven Katzen, die man bisher durch Schutz- kost normal erhielt, nunmehr nur den Milchanteil der Schutzkost und nicht das Blur, dann sinkt trotz des kalkreichen Futters der Blut- kalk langsam ab, und es k6nnen sich naeh einiger Zeit aueh tetanisehe

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St6rungen einstellen. Gibt man das Blur wieder hinzu, dann steigt der Blutkalkspiegel - - der bei E.-K.-Insuffizienz schnell sinkt - - wieder an und erreicht bei Beibehaltung der Schutzkost den Normal- wert.

Kalkgaben in gr6gerer Dosis, auch Magncsiumsu]fat, besonders intraven6s gegeben, k6nnen tetanische Anf/ille prompt beseitigen, wirken jedoeh nicht auf die Dauer, k6nnen auch das Absinken des Blut- kalkspiegels nicht beheben. Die Wirkung reicht nach den Blumschen Versuchen nicht im mindesten an die der Schutzkost heran.

Normalblut und Milch, und zwar in erster Linie das Blur, miissen also Tr/~ger jenes Hormons sein, das bei Ausfall der Epithelk6rperchen dem Organismus vorenthalten wird. Verffittert man das Blut eines infolge E.-K.-Exst irpat ion tetaniekranken Tieres, so versagt die Schutz- kraft. Gibt man die Epithelk6rperchen selbst, so hat man, selbst bei Verwendung groger Mengen yon E.-K., keinen Erfolg. Blum schlieBt daraus, dab das Hormon in den E.-K. noch nicht in fertigem aufnahme- f/~higem Zustande vorhanden, sondern wohl als cine Art Hormogen dort vorgebildet ist, das erst auBerhalb der E.-K. aktiviert wird. In dem Zustande, in dem es sich im Blute finder, ist es vom Verdauungs- kanal aufnehmbar und wirkt dadurch, bei Verfiitterung von Blur und Milch, lebensrettend.

Blums Versuche zeigen welter, (tag das Hormon im Blute an das Serum gebunden ist. In der Milch scheinen sowohl die Molken als auch das Casein eine Schutzkraft zu besitzen. Bei Zerlegung der Milch und Verffitterung der einzelnen Teile hat sich eine scharfe Scheidung in wirksame und unwirksame Bestandteile nicht ergeben.

Fleischnahrung ist bei parathyreopriven Tieren besonders schiidlich ; dabei konnte nur gesagt werden, da~ die Extraktivstoffe des Fleisches (lie schiidlichen Bestandteile h6chst wahrscheinlich nicht enthalten.

Blum hat in den letzten Jahren mit Binswanger zusammen seine interessanten Versuche fortgesetzt und konnte die Wirksamkeit seiner Schutzkost nun zum ersten Male auch beim Menschen feststellen. Es zeigte sich, dal~ beim Menschen betrS~chtliehe Blutgaben n6tig sind, um die Schutzwirkung hervorzuru/en. Als wirksames Biutpriiparat erwies sich das yon den Siiehsisehen Serumwerken hcrgestellte ,,Hi~mo- krinin", in dem naehweisbar ein betr/iehtlieher Anteil des Hormon- gehaltes erhalten bleibt.

Blum beriehtet fiber eine 25j/~hrige Kranke mit Tetanie naeh Strumektomie. bei der Caleiumpriparate nur geringe Wirkung hatten und alle anderen Mittel versagten. Bei Schutzkostern/ihrung h6rten die Krampferseheinungen vollkommen auf. Der BlutkMk stieg; Chvostek und Trousseau, vorher positiv, wurden negativ. Es wurden bei dieser Patientin ti~glieh bis zu 40 Tabletten H~tmokrinin gegeben, zusammen mit 1--11/~ 1 Milch bei Fleisehentziehung. Ein vorsichtiger Versueh mit m~gigen Fleisehzulagen bei gleiehzeitiger Steigerun~ der H~mokriningaben

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gelang, w~hrend ein Fleischexcess einen Krampfzustand und Blutkalksenkung bewirkte.

I n unserer Kl in ik befindet sich zur Zeit ein Fal l von Tetanie , den wir - - u n t e r g i i t ige r A n l e i t u n g d u r c h H e r r n Prof . Blum - - m i t Schu t z -

kos t b e h a n d e l t haben , u n d z w a r m i t a u s g e z e i c h n e t e m Er fo lg . W i r

m S c h t e n i h n im f o l g e n d e n m i t t e i l e n .

Anna K., 25j~hrig, geboren 1. X. 1900.

Vorqeschichte: Vater leicht aufgeregt, Mutter und 1 Schwester leiden an Kropf. Eine andere Schwester sei recht nervSs und habe nach einer Entbindung einmal einen Anfall gehabt; Naheres darfiber nicht bekannt. Eine jiingere Schwester lerne nicht gut. Sonst nichts Epileptisches in der Hereditat. Keine Linkshander. Eine Schwester soll viel Kopfschmerzen haben, - - ob Migr~ne, - - ist aus den Angaben nicht zu entnehmen.

Patientin selbst normale Entbindung. Von klein auf sehr fett. Erst mit 4 Jahren laufen gelernt. Bis zum 4. Jahre eingen~Bt. Mit 3 Monaten Kr~mpfe, zun~chst h~ufig, dann etwas seltener, bis zum 4. Lebensjahr anhaltend; hSrten dann auf und setzten erst mit 16 Jahren wieder ein. Nach Beschreibung der Mutter handelte es sich dabei um epileptische Anfi~lle; nebenbei litt das Kind auch an Stimmritzenkr~tmpfen. Von Tetanieanfi~llen in der Kindheit ist der Mutter nichts bekannt. Von klein auf Schiefhals; deshalb mit 8 Jahren Operation. Als Kind fiel auch schon auf, dab sie schleeht sehen konnte. Mit 10 Jahren Augen- operation wegen grauen Stars. Von jeher starke Zahnschmelzdefekte.

Entwickelte sich geistig langsamer als die Gesehwister, lernte schlecht. In den Stellen als Dienstm~dchen hielt sie immer nur kurze Zeit aus, war schwer- fKllig, empfindlich, leicht gereizt.

Mit 16 Jahren zum erstenmal wieder ein Anfall. Seitdem h~ufige epileptisehe Anf~lle mit BewuBtlosigkeit, Zungenbi$, Einnassen. Im Charakter immer schwie- tiger geworden; wurde wegen der Anfalle und wegen ihres reizbaren Wesens in keiner Steliung behalten.

Periode erst mit 19 Jahren begonnen, sehr sp~rlich und unregelmh~ig. Haarausfall, NagelstSrung, auffallende Gewichtszunahme, vermehrte Urin-

ausscheidung nicht beobachtet. Patientin war yon Januar bis Mi~rz 1923 wegen ihrer Anfi~lle zum 1. Male

in unserer Klinik. Damals keine akuten Tetanieerscheinungen. Deutliehe epi- leptische Charakterveranderung; Sehwachsinn.

Im vorigen Jahre bemerkte die Kranke, dab ihr Hals dick wurde; es stellten sich Atem- und SchluckstSrungen ein; Patientin li t t sehr viel an Kopfschmerzen.

Wegen Zunahme der Beschwerden im Juli 1925 Strumektomie. Patientin gibt jetzt an, da$ sie schon seit 2 Jahren - - also schon vor der

Operation - - zuweilen Steifigkeit in den Fingern verspiirt habe; manchmal h~tten sich die Finger ganz krumm gezogen und sie h~tte an solchen Tagen nicht arbeiten kSnnen. Patientin widerspricht sich da jedoch in ihren Angaben; es ist nicht ganz sicher, ob wirklich diese Erseheinungen schon vor der Operation vorhanden waren; die Mutter weiB jedenfalls nichts davon.

Seit etwa 1/2 Jahre nach der Operation h~ufige starke Sehmerzen in Armen und Handen und 5fters l)f6tehenstellung der Hgnde. Wie lange derartige Schmerz- und Krampfzusti~nde anbalten und wie oft sie auftreten, kann nicht angegeben werden. - - Auch wieder vermehrte epileptische Anf~lle in letzter Zeit.

Wegen der Schmerzen kommt die Patientin jetzt zu uns in die Klinik. Auf- nahme am 27. l I . 1926.

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Be/und: 164 cm groBe, 158 Pfund schwere Patientin. Breites Gesicht mit gew61bter Stirn und breitem Mittel- und Untergesieht. Ohren wenig differenziert. Sehr fett, besonders starker Fettansatz an Bauch und Hiiften. MyxSdematSse Hautveri~nderung. Schleeht verheilte Strumektomienarbe. Narbengewebe deut- lich ftihlbar. Schilddriise nieht palpabel.

Irregul~re Zahnstellung. Zahnschmelzdefekte, - - horizontale Riefelung; typische Tetaniezi~hne. - - Zungenbignarben.

Augen: Befund nach Staroperation. Innere Organe: Leichtes systolisches Ger~usch an der Herzspitze; keine Ver-

breiterung der Di~mpfung. Sonst innere Organe o.B. Puls 72, regelmi~Big und gleichm/~Big.

Neurologisch: Pupillen, Hirnnerven intakt; Sprache intakt. Grobe Kraft, Sensibilit/~t ungest6rt. Haut- und Sehnenreflexe in Ordnung; keine pathologisehen Reflexe. Conjunctival- und Wiirgreflex aufgehoben. Kein Romberg. Keine Gang- st6rung. Feinschl~giger Tremor der Finger. Dermographie ~-~-. Neigung zum Sehwitzen. WaR. im Blur negativ.

Spezialiirztliche Augenuntersuchung: Bei der 1. Aufnahme Januar 1923: Beiderseits Catarakta secundaria naeh Cat. zonularis. Reehts: + 11,0 D S. = 5/2o; links: + 12,0 DS. = 5/10. Keine Hemianopsie.

Bei der 2. Aufnahme Juli 1926: Augenbefund genau wie 1923. Gesiehtsfeld, Fundus o. B. Farbenempfindung o. B. Aphakie beiderseits. Catarakta secundaria.

R6ntgenau/nahme des Schfidels: Normale Konfiguration der Sella tureiea. In Wasseraufnahme und Urinausscheidung keine StSrung. Urinbefund

normal. Gyniih'ologischer Be]und: ttoehgradige Genitalhypoplasie. Psychisch: Langsam, schwerfi~llig. Aul3erst empfindlich. Endogene Ver-

stimmungen. Bei der Aufnahme hatte die Patientin starke Schmerzen in Hi~nden und

Fingern. Die H~nde wurden in typischer Pf6tchenstellung gehalten. Chvostek war beiderseits stark positiv. Trousseau positiv. Elektrische Erregbarkeit nicht sicher erh6ht. Beim Hyperventilationsversuch schon naeh 3 Min. starke Carpo- pedalspasmen und St~rkerwerden des Chvostekschen Phanomens. Nach 8 Min. hoehgradigste PfStchenstellung und starke Schmerzen; deshalb Versuch ab- gebroehen.

Patientin bekommt ab 2. III. 1926 Schutzkost: Kein Fleisch, 1 1 Milch t/~glieh und gleich am Anfang t~glieh 35 Tabletten Hi~mokrinin.

3. III. 1926. Epileptischer Anfall, vom Pflegepersonal beobachtet. 5. III. 1926. Patientin gibt spontan an, die Schmerzen in Armen und H/~nden

seien geringer geworden. Chvostek noch positiv, aber bedeutend schwi~cher. PfStchenstellung noch vorhanden.

8. III. 1926. Epileptischer Anfall mit Kopf- und Augendrehung nach rechts, doppelseitigen Zuckungen, ZungenbiB.

15. III. 1926. Erneuter epileptischer Anfall. Keine Schmerzen mehr. Chvo- stek negativ.

Seitdem bis heute kein epileptischer Anfall mehr aufgetreten. Im Miirz f/~llt auf, dab das Chvosteksche Ph/inomen w~hrend der Menses wieder leicht positiv ist, w~thrend es vorher schon nicht mehr auszul6sen war; im April ist Chvostek auch auBerhalb der Periode manehmal schwach positiv, aber schon da- mals keine PfStchensteUung mehr, kein Trousseau, keine Schmerzen. Beim Hyper- ventilationsversuch wird im Mi~rz und April Chvostek noeh leicht positiv; Pf6tehen- stellung ist naeh 10 Min. tiefen Atmens noeh angedeutet, zugleich Pari~sthesien in den H/~nden.

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Jetzt trit t auch bei Hyperventilation kein Chvostek mehr auf; keine Pf6tchen- stellung; nur die auch normalerweise auftretenden Par~sthesien sind nach etwa 10 Min. vorhanden. Nie lieg sieh durch Hyperventilation ein epileptischer Anfall ausl6sen.

Voriibergehend erhielt Patientin tAglich 40 Tabletten H~mokrinin, seit etwa 2 Monaten wieder 35 Tabletten; fleischfreie Kost und t~glich 1 1 Milch.

Jetzt, Oktober 1926, kcin Chvostek, kein Trousseau, keine Schmerzen, keine Tetanieanfalle und, seit dem 15. III . 1926, keine epileptischen Anf~tlle, die sonst nur bei Lumina]medikation einige Zeit aussetzten. Die Patientin erhielt die ganzen Monate hindurch auger dem Hi~mokrinin keine Medikamente.

Der Kalkgehalt im Blutc verhielt sieh folgendermagen: am 18. III . 1926 land sich im Serum 7,4 mg-~ Ca, ,, 9. IV. 1926 . . . . . . . . 7,3 . . . . ,, 26. IV. 1926 . . . . . . . . 9,1 . . . . ,, 31. V. 1926 . . . . . . . . 9,8 . . . . ,, 6. VII. 1926 . . . . . . . . 1 0 , 6 . . . . = normaler Kalkspiegel.

Es kam also zu einem stetigen Steigen des Blutkalkes bis zum jetzt erreiehten Normalwert.

Das KSrpergewicht, das bei der Aufnahme 158 Pfund betrug, stieg in den ersten Wochen bis zu 164 Pfund und f~llt seit Juli, betr~gt jetzt, im August 1926, 156 Pfund.

Z u s a m m e n / a s s u n g .

Es hande l t sich also um eine 25ji~hrige Pa t i en t in , die schon als K i n d Anf~lle ha t te , die dann vom 4. Lebens jahre an ausse tz ten und im 16. J a h r e wieder auf t ra ten . Diese Anf~lle s ind typ i sch epi lep t i sch; es be s t e h t eine deut l iehe epi lept ische Cha rak t e rve r~nde rung mi t Gere iz thei t , Schwerf~ll igkeit , abno rmer Empf ind l i chke i t . Aul~erdem h a t t e die K r a n k e schon als K i n d Zeichen von Tetanie , n~mlich S t immr i t zen - kr~mpfe, cha rak te r i s t i sche Schmelzdefek te der Z~hne und be iderse i t s K a t a r a k t . Der F e t t w u e h s und die Gen i t a lhypop las ie spreehen fiir die Bete i l igung auch noch anderer innersekre tor i scher Drfisen. - - Anfang 1925 VergrSi~erung der Schilddri ise, die zu Schluck- und A t e m - beschwerden fi ihrte. Deshalb Ju l i 1925 S t rumek tomie . E t w a 1/2 J a h r da rnach t r a t e n Tetanieanf~l le mi t t yp i sche r PfStchens te l lung der H~nde und s ta rken Schmerzen auf. Viel leicht schon vor der Opera t ion le ichtere

t e tan i sche Ersche inungen ; die Angaben der P a t i e n t i n dar i ibe r s ind ]edoch widersprechend und n ich t sieher. Bei der Aufnahme Sehmerzen

und eharak te r i s t i sehe Te tan ies te l lung der H~nde ; Chvostek und Trous-

seau pos i t iv ; bei H y p e r v e n t i l a t i o n s t a rke Carpopeda l spasmen .

Anfang Mgrz 1926 begannen wir mi t der Verabre ichung von Blum-

seher Schu tzkos t (35- -40 T a b l e t t e n Hi~mokrinin t~glich, 11 Milch

t~glieh, ke in Fleisch) . Schon nach einigen Tagen Naehlassen der Schmerzen ; Chvos tek

nur noch schwaeh posi t iv, Sehon im Apr i l keine Sehmerzen mehr , keine Tetanieanf~l le , kein Trousseau, Chvostek nur bei H y p e r v e n t i l a t i o n

Ein Fall yon Tetanie, behandelt nfit Blum'scher Schutzkost. 517

noch schwaeh positiv, jetzt auch dabei nicht mehr auslSsbar. Bis heute sind keine Tetanieerscheinungen mehr aufgetreten, ebenso ist es seit dem 15. III . 1926 zu keinem epileptischen Anfall mehr gekommen. Der Blutkalkgehalt stieg von Beginn der Therapie an stetig bis zur Norm.

Es handelt sich also in diesem Falle um eine Epilepsie und eine schon seit Kindheit bestehende Tetanie, die, abgesehen yon den Stimm- ritzenkr/~mpfen und den von der Patientin angeblich beobaehteten Erscheinungen in den letzten 2 Jahren, bis zur Strumaoperation im April 1925 latent war. Naeh der Operation traten dann typische Tetanieerscheinungen auf. Mittelst der Sehutzkostbehandlung gelang es uns, diese Erscheinungen in kurzer Zeit zu beseitigen und die Patien- tin bis heute frei davon zu halten.

Es ist bekannt, daft in manchen, allerdings seltenen, Fgllen Schild- drtisenmedikation sich bei Tetanie als wirksam erweist. Die Schild- driise t r i t t also in einem solchen Falle als Ersatz ftir das Epithelk5rper- chert ein. Es ist mSglich, dab das in gewissem Grade auch bei der Patien- tin der Fall gewesen ist. Nach Entfernung eines groften Teiles der Schilddrfise bei der wegen der VergrSfterung notwendigen Strumektomie fiel dann die Ersatzwirkung der Sehilddrfise fort, und die vorher latente Tetanie kam zum Ausbruch. - - Oder es hat bei der Operation eine Sch~- digung der EpithelkSrperehen stattgefunden und es ist dadurch aus der vorher latenten Tetanie eine manifeste geworden.

Interessant ist auch, daft zugleich die epileptischen Anfi~lle so giinstig beeinfluftt wurden. Versuche, die Blum bei epileptischen Tieren mit Schutzkost machte, haben bis j etzt zu keinem Erfolg geftihrt ; die epileptischen Anf~tlle blieben bestehen. Vielleicht wird nur die Form yon Epilepsie, die mit Tetanie gemeinsam auftritt, durch die Schutzkost gtinstig beeinfluftt. Thiemich ist der Ansicht - - wie er in dem Pfaundler-Schlossmannschen Handbuch mitteilt - - , daft es sieh bei manchen F~llen yon ,,Epilepsie" in Wirklichkeit um eine Spi~t- eklampsie handelt. Husler dagegen hat den Ausgang von solehen fiir Spiiteklampsie gehaltenen Fi~llen in echte Epilepsie beobachtet und h~lt eine Sp/~teklampsie tiberhaupt fiir selten. Jedenfalls bestehen nieht ganz selten Beziehungen zwischen Epilepsie und Epithelk5rperchen- ver/~nderungen, und man sollte in keinem Falle yon Epilepsie, bei dem neben epileptischen Anf/~llen aueh tetanisehe auftreten oder bei dem irgendwelche Anzeichen von EpithelkSrperchenstSrung vorhanden sind, die Sehutzkostbehandlung unversucht lassen.

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Literaturverzeiehnis.

1) Blum, Studien fiber die EpithelkSrperchen. J ena 1925. Verlag Gustav Fischer. - - 3) Blum, Die innere Sekretion des EpithelkSrperchens und die MSg- lichkeit ihres Ersatzes; gleichzeitig ein Beitrag zur Behandlung der Epithel- kSrperchen-Tetanie des Menschen. Dtsch. med. Wochenschr. 1926, Nr. 37. - - 3) Blum, Neue, experimentell gefundene Wege zur Erkenntnis und Behandlung von Krankbeiten, die dureh Autointoxikationen bedingt sind. Virchows Arch. f. pathol. Anat. u. Physiol. 162. 1900. - - a) Blum und Griitzner, Zeitschr. f. physikal. Chem. 85, 91, 92, II0. - - ~) Blum und Marx, Zur Physiologie der Schilddrtise und EpithelkSrperchen. Pflfigers Arch. f. d. ges. Physiol. 159, 4 0 1 ~ 1 0 . - - 6) Blum, Uber Geisteskrankheiten im Gefolge yon experimentell erzeugten Auto- intoxikationen; ,,Psychosen thyreopriver Hunde". Neurol. Centralbl. 1902, Nr. 15. __ 7) Kishi, Mitt. a. d. med. Fak. d. Kais. Univ. Tokyo 30. 1922. - - s) Tanberg, ,,Chronische Tetanie" usw. Mitt. a. d. Grenzgeb. d. Med. u. Chir. 27, 114. 1914. - - 9) de Waard, Biochem. Zeitschr. 97.