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ÖFFENTLICHES RECHT –
EIN REPETITORIUM
Dr. Ralf Geis – Öffentliches Recht
Fall 1
§ 68 VwGO regelt die besonderen Voraussetzungen unter denen ein Widerspruch vor
Erhebung einer Klage zu erheben ist. Bei welchen der folgenden Verwaltungstätigkeiten ist ein
solcher Widerspruch erforderlich, wenn ein Betroffener gegen diese vorgehen möchte?
Begründen Sie Ihre Auffassung kurz.
a) Ablehnung einer Gaststättengenehmigung.
b) Der Landrat ordnet an, dass alle Bescheide der Kreisverwaltung X künftig durch
Boten zuzustellen sind.
c) Die Gemeinde G kauft ein Grundstück zur Errichtung eines neuen Feuerwehrhauses.
d) Die Gemeinde G enteignet ein Grundstück zur Errichtung eines Hallenbades.
e) Aushändigung eines Textes des Grundgesetzes durch den
Universitätspräsidenten an alle Studienanfänger.
f) Der Oberbürgermeister der Stadt K ordnet an, dass der Leiter des Rechtsamtes gegen
ein bestimmtes Urteil des Oberverwaltungsgerichts Revision einlegen soll.
Fall 1 – Die Lösung
Ansatzpunkt: Nach § 68 VwGO ist Widerspruch nur gegen
VAe erforderlich/statthaft. Deshalb "Transferleistung": Liegt
ein VA gem. § 35 VwVfG vor?
a) VA +; alle Voraussetzungen § 35 S. 1 VwVfG
b) VA -; rein innerdienstl. Weisung, keine Außenwirkung
c) VA -; reiner Kaufvertrag, also kein ÖR
d) VA +; alle Voraussetzungen § 35
e) VA -; kein Regelungscharakter
f) VA -; rein innerdienstliche Weisung, die den Status
des Beamten nicht berührt.
Fall 2
Josef Hauser erhält eines Tages einen Brief. Dieser enthält bis auf Name und
Adresse Hausers sowie den folgenden Text keinerlei Zusätze:
"Sehr geehrter Herr Hauser,
hiermit wird der Abriss Ihres Hauses in 56144 Becheln, Gartenstraße 4,
angeordnet.
Mit freundlichen Grüßen
Müller
(Bauamtmann)"
Bitte prüfen Sie, ob ein wirksamer Verwaltungsakt vorliegt.
Fall 2 – Die Lösung
Grundsätzlich sind Voraussetzungen eine VA
gegeben.
Aber der VA könnte nichtig sein, § 44 VwVfG. Das ist
er auch, denn das Schreiben lässt die handelnde
Behörde nicht erkennen. Das ist ein Fall des § 44
Abs. 2 Nr. 1 VwVfG.
Weil der VA nichtig ist, droht dem H. auch nicht die
zwangsweise Durchsetzung.
Fall 3
Derzeit unbesetzt
Fall 4
§ 78 der Landesbauordnung Rheinland-Pfalz lautet:
"Die Baubehörde kann die notwendigen Maßnahmen zur Beseitigung
baurechtswidriger Zustände verfügen."
Bodo Heim ist Eigentümer eines Wochenendhauses im Soonwald. Er hat das Haus
ohne Baugenehmigung erstellt. Die zuständige Kreisverwaltung verfügt nunmehr den
Abriss. Bodo Heim meint, dies sei eine Unverschämtheit. Man müsse doch nur durch
das Land fahren und finde Dutzende illegal errichteter Häuser; dort solle doch der
Abriss zuerst mal angeordnet werden.
Kann Bodo Heim etwas unternehmen? Wie beurteilen Sie seine Erfolgsaussichten?
Liegen ggf. Ermessensfehler vor?
Fall 4 – Die Lösung
H. kann grundsätzlich erst einmal WS erheben:
Absrissverfügung ist VA!
Erfolg dann, wenn Ermessensfehler vorliegt. Käme hier
allenfalls Ermessensfehlgebrauch wegen Verstoßes gegen Art.
3 Abs. 1 GG (Willkür!) in Betracht.
Aber: Keine Willkür; H. kann sich auf Gleichbehandlung im
Unrecht nicht berufen.
Es liegt auch nicht etwa der Fall eines fehlenden Konzepts der
Behörde vor. Sachverhalt bietet keine Hinweise, dass H. aus
einer Vielzahl willkürlich "herausgepickt" worden wäre.
Kein Erfolg für H.
Fall 5
§ 78 der Landesbauordnung Rheinland-Pfalz lautet:
"Die Baubehörde kann die notwendigen Maßnahmen zur Beseitigung baurechtswidriger
Zustände verfügen."
Horst Linger hat ein Wochenendhaus mitten im Wiesbachtal im oberen Westerwald ohne
Baugenehmigung errichtet. Er ist aber nicht allein; es gibt weitere 35 solcher illegalen Häuser
in seiner unmittelbaren Nachbarschaft.
Die zuständige Kreisverwaltung verfügt mit Bescheid vom 26.07.2006 allein die Beseitigung
des Hauses von Horst Linger; alle anderen bleiben verschont.
Angenommen, Horst Linger erhebt Widerspruch. Muss er sein Haus sofort beseitigen? Wie
beurteilen Sie die Erfolgsaussichten seines Widerspruchs?
Fall 5 – Die Lösung
1. L muss Haus nach Erhebung des Widerspruchs nicht
sofort beseitigen, da sein Widerspruch aufschiebende
Wirkung entfaltet (§ 80 Abs. 1 VwGO).
2. Die Erfolgsaussichten stehen gut! Hier liegt ein
Ermessensfehler vor. Ermessensfehlgebrauch, da
Behörde hier willkürlich und ohne Beseitigungskonzept
nur L herausgreift (Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG)
Fall 8
Adressat
Sachverhalt
Generell Individuell
Abstrakt
Konkret
Abgrenzungsfragen bei Regelungen im ÖR
Fall 8 – Die Lösung
Adressat
Sachverhalt
Generell Individuell
Abstrakt Norm VA
Konkret Allgemeinverfügung=VA VA
Abgrenzungsfragen bei Regelungen im ÖR
Fall 8
Ist der Verwaltungsrechtsweg gegeben, wenn
a) sich der Betroffene gegen einen Enteignungsbeschluss zur Wehr setzen will,
weil er eine Inanspruchnahme seines Grundeigentums überhaupt ablehnt?
b) sich der Betroffene gegen einen Enteignungsbeschluss zur Wehr setzen will,
weil ihm die zugesprochene Entschädigung zu gering ist?
c) zwischen der Kreisverwaltung und einer Wartungsfirma die Reparaturkosten
für einen Server streitig sind?
d) zwischen der Stadtverwaltung und einem ihrer Beamten Streit über die
Anweisung besteht, eine bestimmte Dienstwohnung zu beziehen?
e) die betroffenen Eltern sich gerichtlich gegen die Anhebung des monatlichen
Entgelts für die Benutzung des städtischen Kindergartens wenden wollen?
f) eine Gemeinde Schadenersatz wegen der Beschädigung einer Bank in einem
öffentlichen Park einklagen will?
Fall 8 – Die Lösung
Voraussetzungen § 40 VwGO müssen vorliegen:
a) +, nach allen Theorien ÖR
b) "Fangfrage": Da er sich gegen den Enteignungsbeschluss zur Wehr setzt, gilt das Gleiche wie zu a).
Lediglich, wenn direkt um höhere Entschädigung gestritten würde, wäre über § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO Art.
14 Abs. 3 GG anwendbar und damit der ordentliche Rechtsweg.
c) Das ist normales Werkvertragsrecht, also BGB und damit ordentlicher Rechtsweg
d) Anweisung folgt aus dem Dienstverhältnis. VRW schon deshalb +, weil § 126 Abs. BRRG.
e) Da im SV von Entgelt die Rede ist, ordentl. Gericht. Aber: a.A. ist vertretbar, wenn Bearbeiter auf Gebühr
abhebt.
f) Ordentlicher Rechtsweg. Hier geht es um Eigentumsbeschädigung; das ist Zivilrecht.
Fall 9
Der Gesetzgeber erlässt ein Gesetz in dem bestimmt wird,
dass alle Fahrerlaubnisse der Klasse BC mit Vollendung des
65. Lebensjahres des Fahrerlaubnisinhabers automatisch
erlöschen. Zur Begründung wird angegeben, die Gefahren, die
mit der nachlassenden Leistungsfähigkeit von älteren
Kraftfahrern verbunden seien, könnten nicht länger
hingenommen werden.
Senior S hält die Regelung für völlig unangemessen und fragt
Sie um Rat.
Fall 9 – Die Lösung
Sie müssen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
prüfen:
Legitimer Zweck?
Geeignetheit
Erforderlichkeit
Verhältnismäßigkeit i.e.S.
Hier: Erforderlichkeit (-); Gesundheitscheck wäre
milderes Mittel
Fall 10
In einer mündlichen Diplomprüfung stellt sich heraus, dass
Prüfling P mit der prüfenden Professorin sehr eng befreundet
ist. Deshalb erhält er auffallend gute Noten, die anderen
Prüflinge, darunter A, bleiben deutlich dahinter zurück.
A will gegen sein Ergebnis vorgehen, meint jedoch in
Prüfungsangelegenheiten sei das ohnehin aussichtslos.
Was raten Sie ihr?
Fall 10 – Die Lösung
Hier handelt sich um eine Frage des
Beurteilungsspielraums
Grundsätzlich volle Kontrolldichte der
Verwaltungsgerichte
Aber: eingeschränkte Kontrolldichte in 3 Fällen
(Prüfungen; wertende polit.; weisungsfreie Gremien)
Hier: Prüfung, aber: Verfahrensfehler der
Befangenheit ist kontrollierbar
Fall 11
Oberbürgermeister O ist sehr bürgernah. Beim
sonntäglichen Stammtisch verspricht er dem
Autoteilehändler A eine Genehmigung, seine Waren
auch an Sonntagen verkaufen zu dürfen. A verkauft
am folgenden Sonntag seine Autoteile, wird aber
daran von der Ordnungsbehörde gehindert. Zu
Recht? Kann A mit Erfolg auf eine Genehmigung
klagen?
Fall 11 – Die Lösung
Die Ordnungsbehörde hindert A zu Recht, da er
keine Genehmigung hat!
Klage auf Genehmigung hat aus eigentlicher
Anspruchsgrundlage keinen Erfolg, weil Sonntags
grundsätzlich keine Verkaufsstätten geöffnet haben
dürfen.
Aber: Zusicherung durch OB? Muss man die
Voraussetzungen des § 38 VwVfG prüfen
Es fehlt an Schriftlichkeit!
Fall 12
§ 78 der Landesbauordnung Rheinland-Pfalz lautet:
"Die Baubehörde kann die notwendigen Maßnahmen zur Beseitigung baurechtswidriger
Zustände verfügen."
Heinz Hammes ist Eigentümer eines Wochenendhauses im Kurgebiet der Stadt Bad Ems.
Das Haus hat er von seinem Ur-Großvater geerbt, der dieses bereits 1904 mit
kaiserlicher Baugenehmigung errichtet hatte. Der zuständigen
Verbandsgemeindeverwaltung ist das Haus aber ein „Dorn im Auge“. Sie verfügt den
Abriss, weil sie der Auffassung ist, für das Haus fehle es an der erforderlichen
Baugenehmigung (Anmerkung: Von der kaiserlichen Genehmigung weiß die Verwaltung
nichts!).
Was muss Heinz Hammes rechtlich dagegen unternehmen?
Wie schätzen Sie seine Erfolgsaussichten ein?
Fall 12 – Die Lösung
Muss WS erheben
Erfolgsaussichten gut, da Ermessensfehler
Ermessensausfall wg. falscher SV-Grundlage
Ermessensfehlgebrauch, weil von falschem SV ausgeht
und auch unverhältnismäßig
Fall 13
In der Gemeinde Oberdorf werden auch Steuern für Pferde erhoben
(vergleichbar der Hundesteuer). Ein Züchter hat einen Esel mit einem Pferd
gekreuzt. Die Fohlen, also die jungen Tiere, tragen gleichermaßen die äußeren
Merkmale beider Eltern. Der zuständige Sachbearbeiter zieht den Züchter zur
Zahlung der Pferdesteuer für die Fohlen heran. Er stützt sich auf § 1 der
Pferdesteuersatzung, der lautet: “Für Pferde ist eine Steuer von 150,-- € im
Jahr zu erheben.“ Der Sachbearbeiter ist der Auffassung, der vorliegende Fall
stelle einen Sonderfall dar, in dem ihm für die Erklärung der Esel-Pferde-
Fohlen zu Pferden ein besonders weites Ermessen zukomme.
Hat der Sachbearbeiter Recht? Begründen Sie Ihre Antwort.
Fall 13 – Die Lösung
Nein, die Auffassung des Sachbearbeiters ist nicht
zutreffend
Es gilt der Grundsatz vom Vorbehalt des Gesetzes
Es gibt hier keine gesetzliche
Ermächtigungsgrundlage, um die Steuer zu erheben.
Fall 14
Helene Gras züchtet beruflich im Vollerwerb Gänse. Dabei handelt es sich um keine
normalen Gänse, sondern um Alarm-Gänse. Das ist eine eigene Rasse. Diese Alarm-
Gänse haben eine sehr niedrige Reizschwelle und werden ziemlich schnell aggressiv.
Deshalb finden sie reißenden Absatz und Helene verkauft sie zu Wach- und
Schutzzwecken. Mit einer Alarm-Gans im Garten werden Einbrecher verlässlich in die
Flucht geschlagen. In der letzten Zeit traten allerdings vermehr Unfälle mit den Alarm-
Gänsen auf. Sie brachten ihren Besitzern und auch (befugten) Dritten sehr schwere bis
lebensbedrohliche Verletzungen bei. Zum Teil wurden die Tiere von ihren Haltern sogar
als Waffe eingesetzt.
Mit Blick hierauf erlässt die zuständige Bundesregierung auf ordnungsgemäßem Wege
eine Alarm-Gänse-Verordnung. Danach sind das Handeln mit und die Zucht von Alarm-
Gänsen mit sofortiger Wirkung verboten.
Helene Gras hält dies für eine viel zu krasse Maßnahme; ihre Existenz werde
vernichtet.
Bitte nehmen Sie dazu Stellung, ob die Alarm-Gänse-Verordnung rechtlich in Ordnung
ist.
Fall 14 – Die Lösung
Prüfen: Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
Legitimer Zweck
Geeignetheit
Erforderlichkeit
Angemessenheit (+, zumal G. normale Gänse weiter
züchten darf)
Fall 15
Jungunternehmer Hans Herbert betreibt in Koblenz eine Erlebnisgaststätte. Von der
zuständigen Behörde hatte er die notwendige Gaststättenerlaubnis erhalten. Die
Behörde nimmt nunmehr die Erlaubnis unter Hinweis auf die bereits in großer Anzahl
vorhandenen Gastronomiebetriebe in Koblenz sowie die tatsächlich vorhandenen
Steuerschulden des Hans Herbert zurück. Rechtsgrundlage hierfür ist § 33
Gaststättengesetz, der wie folgt lautet:
„Die Gewerbebehörde kann eine Gaststättenerlaubnis widerrufen, wenn dies zur
Abwehr von Beeinträchtigungen des Allgemeinwohls oder wegen der fehlenden
Zuverlässigkeit des Gastwirts für zwingend geboten erachtet.“
Hans Herbert will sich gegen die Maßnahme wehren. Wäre hierfür der
Verwaltungsrechtsweg eröffnet? Begründen Sie Ihre Auffassung im Einzelnen.
Fall 15 – Die Lösung
Prüfen: § 40 Abs. 1 VwGO
ÖR Streitigkeit? – nach allen Theorien +
Nicht verfassungsrechtlicher Art? +, keine doppelt
Verfassungsunmittelbarkeit
Keine abdrängende Sonderzuweisung? +, insbes.
Nicht zum Finanzgericht wg. Steuerschulden
Zum Abschluss…
Erläutern Sie kurz folgende Begriffe:
Grundsatz vom Vorrang des Gesetzes
Rechtsnorm
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz
Parlamentsvorbehalt
Ermessen
Wesentlichkeitstheorie
unbestimmter Rechtsbegriff/Beurteilungsspielraum
Subjektstheorie
Fragen?
?
Abschließende Bemerkung
Genau lesen!
Genau lesen!
Genau lesen!
Erst dann lösen!
Vorschriften exakt zitieren! § Abs. Satz Nr.
Bitte Gesetze nicht vergessen!!!