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Ein Privileg Papst Innocenz’ III. für die Kirche SS. Sergio e Bacco in Rom als Quelle für die mittelalterliche Topographie

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Page 1: Ein Privileg Papst Innocenz’ III. für die Kirche SS. Sergio e Bacco in Rom als Quelle für die mittelalterliche Topographie

Ein Privileg Papst Innocenz' III. fur die Kirche SS. Sergio e Bacco in Rom

als Quelle für die mittelalterliche Topographie

Von Andrea Sommerlechner

Das Privileg, mit welchem Papst Innocenz III.1 am 2. Juli 1 1 9 9 den Besitz seiner ehemaligen Kardinalskirche SS. Sergio e Bacco bestätigt2, wird - allerdings oft ober-flächlich appliziert - von allen, die sich mit der mittelalterlichen Topographie von Ab-hang des Kapitols und Nordwest-Ende des Forum Romanum beschäftigen, als grundle-gende Quelle herangezogen3; zusammen mit einigen wenigen anderen Dokumenten, wie der Übertragung des kapitolinischen Hügels an die Benediktiner-Abtei S. Maria de Capitolio auf der Arx durch den Gegenpapst Anaklet II. ( 1 1 3 0 - 1 1 3 7 ) \ der Abgrenzung des Gerichtsbezirkes der Kommune um das Kapitol in den römischen Statuten von 1363 5 , der Schenkung eines Grundstücks unterhalb des Tabulariums durch Papst Inno-cenz VI. im Oktober 1360 6 und einer Verkaufeurkunde von circa 1385 über einen an

1 Othmar Hageneder zum 70. Geburtstag. * Die Register Innocenz'III., 2. Pontifikatsjahr, 1199/1200. Texte, bearbeitet von Othmar

H a g e n e d e r , Werner Μ a 1 e c ζ e k und Alfted A. S t r η a d (Publikationen des österreichischen Kultur-instituts in Rom, II. Abteilung, 1. Reihe, 2. Band: Texte, 1979) 198-201, Brief 94 (102). - Für die Bei-träge zur antiken Topographie danke ich Gunhild Jenewein.

5 So beispielsweise von Heinrich J o r d a n , Topographie der Stadt Rom im Altertum II (1871) 453ff.; Umberto G η ο 1 i, Topografia e toponomastica di Roma medioevale e moderna (o. O., o. J. [Rom 1939]) 47, 56, 119, 216; Gabrielia M a e t z k e , La struttura stratigrafica dell'area nord-occidentale del Foro Romano come appare dai recenti interventi di scavo. Archeologia Medievale 18 (1991) 43-200: 96 ff.

4 Vgl. Kehr, IP I 101 f., Nr. 1; JL 8425. Die Schenkung ist erhalten als Insert in der Übertragung von Kloster, Besitz und Pfarrei an die Minoriten durch Innocenz IV. am 5. Juli 1252: Archivio Segreto Vaticano, Reg. Vat. 22, fol. 200v-210', Nr. 39; Potth. Reg. 14651; Druck nach dem Register und dem verlorenen Original: C a s i m i r o , Memorie istoriche della chiesa e convento di S. Maria in Araceli di Roma (Rom 1736) 432 f.; die Schenkung findet sich auch in einem Brief Alexanders IV. vom 26. Sep-tember 1259: Potth. Reg. 17671. Der Text wird insbesondere interpretiert von Casimiro 433 ff, Jordan a. O. 444 ff. und Cesare d Ό η ο f r i o, Renovatio Romae. Storia e Urbanistica dal Campidoglio all'Eur (Rom 1973) 49 f.

5 Camillo Re, Statuti della citri di Roma (Rom 1880) 88 (II, c. 5) und 120 (II, c. 68 § 3); topogra-phisch ausgewertet in: ders . , II Campidoglio e le sue adiacenze nel secolo XIV. Bullettino della commis-sione archeologica comunale di Roma 10 (1882) 94-129.

6 Fioravante Μ a r t i η e 11 i, Roma ex ethnica sacra sanctorum Petri, et Pauli Apostolica Praedica-tione profusa sanguine (Rom 1653) 399 f.

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Ein Privileg Papst Innocenz' III. fur die Kirche SS. Sergio e Bacco in Rom 31

die Kirche von SS. Sergio e Bacco angrenzenden Besitz7, stellt das Privileg Innocenz' III. eine quellenmäßige Ergänzung und gleichzeitig den Gegenpol zu Routenbeschreibun-gen von Pilgern und Papstprozessionen, zur Auflistung von Sehenswürdigkeiten und Be-schäftigung mit den antiken Bauten etwa im Itinerar von Einsiedeln8, in den Ordines des Benedictus Canonicus und Cencius Camerarius9, in den Mirabilia Urbis Romai0 und deren Nachfolge-Produktionen dar. Anstelle der Interpretation antiker Reste lassen sie den Umgang mit den Resten erkennen.

Die Kirche SS. Sergio e Bacco, wie ein Großteil der frühen Kirchen um Forum Ro-manum, Palatin und Velabrum zwei östlichen Heiligen geweiht, ist zwischen S. Teodora am Palatin und S. Adriano beim Forum Romanum gleichsam Glied einer Kette von Diakonien und Wohlfährtseinrichtungen, die vom 6. bis zum 8. Jahrhundert im dicht besiedelten Gebiet in der Tibersenke und endang der Pilgerstraßen, am Forum Boarium und am Rand des Forum Romanum entstehen". Der Zeitpunkt der Errichtung ist un-bekannt; die erste Erwähnung gilt dem Neubau der Kirche, die, von den Massen eines darüberliegenden Tempels gefährdet, abgetragen werden mußte, unter Papst Hadrian I. (772-795) 1 2 . Der Tempel wurde übereinstimmend als Tempel der Concordia13 identifi-ziert. O b an der gleichen Stelle wie der Vorgängerbau oder geringfügig versetzt, die neue Basilika liegt - darüber herrscht nunmehr Konsens - zwischen den Tempeln des Vespa-sian14 und der Concordia1 5 . Dieser Position widersprechen nicht die mittelalterlichen

7 Rodolfo La η c i a η i, „Lo Monte Tarpeio" nel secolo XVI. Bullettino della commissione archeolo-gica comunale di Roma, ser. 6,29 (1901) 245-269: 250.

* Die Einsiedler Inschriftensammlung und der Pilgerfuhrer durch Rom (Codex Einsidlensis 326). Facsimile, Umschrift, Übersetzung und Kommentar, ed. Gerold Walser (Historia, Heft 53, 1987).

' Auszug aus dem LiberPoliticusdes Benedictus Canonicus (1140/1143) in: Roberto Valent ini -Giuseppe Zucchet t i , Codice topografico della citti di Roma III (Fonti per la storia d'Italia 90, Rom 1946) 210-220; Auszug aus dem OrdoAes Cencius Camerarius ebd. 233-270.

10 La piü antica rcdazione dei Mirabilia, ebd. 3-65. '1 Vgl. Ottorino Β e r t ο 1 i η i, Per la storia delle diaconie romane. Archivio della Societä Romana di

Storia Patria 70 (1947) 1-145; Richard Krautheimer, Rom. Schicksal einer Stadt 312-1308 (1987) bes. 89ff., 277(F.; Louis Reekmans , L'implantation monumentale chr&ienne dans le paysage urbain de Rome 300 i 850, in: Actes du XP congris international d'archlologie chr&ienne 1986, Bd. II (Studi di antichiti cristiana 41, Citri del Vaticano 1989) 861-915: 876-380.

12 ... dispensator... propter metum templi quodsitum super eam videbatur, evertens super eandem ec-clesiam a fundamentis ipsam basilicam exterminavit... Louis Duchesne, Le Liber Pontificalis I (Paris 1886) 512.

15 Das am Fuß des Kapitols zwischen Career und Vespasian-Tempel gelegene Heiligtum wurde 367 v. Chr. von Camillus gelobt. Bei den jüngsten Grabungen wurden im Bereich des Tempels Schichten des 4. Jhs. v. Chr. nachgewiesen; als Bau gesichert ist jedenfalls der 121 v. Chr. von L. Opimius errichtete Tempel, der zwischen 7 v. und 10 n. Chr. von Tiberius durch einen Neubau ersetzt wurde. Die heute ne-ben der Treppe, die von SS. Luca e Martina auf das Kapitol führt, sichtbaren Reste gehören dieser Bau-phase an. Vgl. Angela Maria Ferroni , Art. Concordia, aedes. Lexicon Topographicum Urbis Romae, hrsg. v. Eva Margareta St ei η by, Bd. I—II (Rom 1993-1995) I 316-320 (künftig LTUR).

14 Der Bau wurde von Titus fur den Divus Vespasianus begonnen, aber erst von Domitian fertigge-stellt; die spätantiken Quellen erwähnen ihn als templum Vespasiani et Titi. Vgl. Stefano De Angel is, Templum Divi Vespasiani (Lavori e studi di archeologia pubblicati dalla Soprintendenza archeologica di Roma 18, Rom 1992).

15 Vgl. zusammenfassend über die divergierenden Forschungsmeinungen zur Lage der Kirche SS. Sergio e Bacco, die insbesondere beim Bogen des Septimius Severus angenommen wurde, Mara Β ο η -fi ο i i, La diaconia dei SS. Sergio e Bacco nel foro Romano. Fonti e problemi. Rivista di Archeologia cri-stiana 50 (1974) 55-85: 80f. Vgl. auch Carlo Gasparr i , Aedes Concordiae Augustae (I Monument! Romani 8, Rom 1979) 3-7, und Roberto Ν a r d i, II Tempio di Vespasiano: un palinsesto nella storia del

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„Romftihrer", die die Lage der Kirche an Fixpunkten aus der Antike festmachen: ecclesia sancti Sergii, ubi umbilicum Rorruu*6; post Sanctum Sergium templum Concordiae, ante quodarcus tnumphalis, unde erat ascensus in Capitolium17; ad Sanctum Sergium templum ConcordiaeJ8. Sie wird bestätigt durch drei Zeichnungen des Marten van Heemskerck, der in einer Ansicht des Forum Romanum von Westen aus die Apsis von SS. Sergio e Bacco dicht an den drei Ecksäulen des Vespasian-Tempels wiedergibt19 und in zwei Ve-duten vom Palatin aus die Front einer einschiffigen Basilika mit Portikus und romani-schem Campanile abbildet20, und durch die Dokumentation über die Ausgrabungen am Concordia-Tempel in den Jahren 1803-1810, in deren Verlauf Teile der Apsis von SS. Sergio e Bacco gefunden und zerstört wurden21.

Nach dem Neubeginn unter Hadrian I. im 8./9. Jahrhundert in bescheidenem Aus-maß von den Päpsten Leo III. und Gregor IV. dotiert22, von Innocenz II. 1138 der Be-nediktiner-Abtei S. Croce in Sassovivo unterstellt23, mit Existenzproblemen ringend, wird die Kirche ein erstes Mal vom Kardinaldiakon Lothar von Segni, ein zweites Mal vom Kardinaldiakon Gabriele Rangoni (1477-1486) restauriert und verfallt im 16. Jahr-hundert: 1562 werden die Reliquien nach S. Maria della Consolazione, der Altar nach S. Adriano transferiert, 1566 figuriert in Pius' V. Katalog der Kirchen von Rom Sto Sergio e Bacchosotto Campidoglio ruinatd4. In der Geschichte der Diakonie und Kardinalskirche, in welcher gelegendiche Aufschwünge mit längeren Zeiten des Niedergangs wechseln, werden die Zuwendungen Innocenz' III., der sich der Kardinalskirche in zwei Phasen an-nimmt, zum Höhepunkt: Bald nach seiner Ernennung zum Kardinaldiakon von SS. Ser-gio e Bacco, 1190, läßt er an der Basilika, die er deformis et ruinosa ut magis crypta quam basilica videretur vorfindet, Wände und Dach renovieren und Altar, Altarstufen und Chorschranken neu errichten25; als Papst stiftet er die Portikus mit Säulen und eine Reihe

Foro Romano. Rendiconti della Pontificia Accademia Romana di Archeologia, Ser. III, 60 (1987/88) 71 -90.

" Itinera! von Einsiedeln (wie Anm. 8) 162, 181 f., 189. Mit dem erst in späten Quellen so ge-nannten umbilicus Romae, dem Mittelpunkt der römischen Welt, wird ein kleiner Rundbau an der Nord-ecke der cäsarischen Rostra identifiziert, der wahrscheinlich von einem Monopteros aus Travertin be-krönt war. Vgl. Filippo C o a r e l l i , II Foro Romano 1. Periodo arcaico (Rom 1983) 210-226; Ernest N a s h , Bildlexikon zur Topographie des antiken Rom 11 (1962) 484.

17 Mirabilia Urbis Romae (wie Anm. 10) 55 Z. 2-4 . " Graphia Aureae Romae, in: Valentini - Zucchetti, Codice III (wie Anm. 9) 6 7 - 1 1 0 : 90

Z. 9 f. " Hermann E g g e r , Römische Veduten II (1931), T. 10. 20 Egger, Τ. 11, und Jörg G a r m s, Vedute di Roma dal Medioevo all'Oitocento. Atlante iconogra-

fico, topografico, architettonico (Neapel 1995) II 112, Nr. C30. Vgl. auch Christian Η U e l s e n , Vedute delle Rovine del Foro Romano disegnate da Martino Heemskerck. Bullettino della commissione archeo-logica comunale di Roma 16 (1888) 153-158.

21 Siehe die Zeichnung von Luigi Rossini bei Christian Η u e 1 s e n, Die neuesten Ausgrabungen auf dem Forum Romanum (Rom 1910) 6f.; vgl. Bonfioli, Diaconia (wie Anm. 15) 74.

22 Louis D u c h e s n e , Le Liber Pontificalis II (Paris 1892) 11, 21, 75. 23 JL 7898. 24 Christian Η u e 1 s e n, Le chiese di Roma nel Medioevo. Cataloghi ed appunti (Florenz 1927) 104. 25 Gesta Innocentii: Migne, PL, 214, c. IV, col. XVIII B, bzw. David R. G r e s s - W r i g h t , The

„Gesta Innocentii III". Text, introduction and commentary (Phil. Diss. Bryn Mawr 1981) 2; vgl. auch Michele M a c c a r r o n e , Innocenzo III prima del pontificato. Archivio della Societäi Romana di Storia Patria 66 (1943) 59-134: 85 f., und Christoph E g g e r , Papst Innocenz III., De missarum mysteriis. Stu-dien und Vorarbeiten zu einer kritischen Edition (Diss. phil. Wien 1996) 86-88.

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Ein Privileg Papst Innocenz' III. fur die Kirche SS. Sergio e Bacco in Rom 33

liturgischer Geräte26. Das Privileg von 1 1 9 9 ist wohl im Zusammenhang mit dieser

Restaurierung und Sicherstellung zu sehen.

Die vollständige Liste der Besitzungen von SS. Sergio e Bacco zeigt einerseits die üb-

liche Versorgungsbasis stadtrömischer Kirchen, landwirtschaftliche Güter im disabitato

(Weingärten im oder beim Castro Pretorio) und außerhalb der Stadtmauern (Landgüter

an der Via Ardeatina und bei Tusculum, Land bei Ariccia, salinaria an der Via Appia,

Weingärten bei Albano Laziale, außerhalb der Porta S. Paolo und der Porta Latina)27, an-

dererseits Kirchen, Häuser, Ruinen, Grundstücke und Gärten innerhalb eines sehr en-

gen Radius um die Kirche selbst (siehe Abbildung).

Innocenz III. bestätigt SS. Sergio e Bacco die Kirchen Salvatoris de Statera und sancti

Laurenrii sub Capitoliomh ihren Zugehörungen: Erläuterungen zu Etymologie und Lage28

von S. Salvatore de Staterageben - in diesem Fall g laubwürdig-die Mirabilia UrbisRomae:

Iuxta aerariumpublicum, quoderat temp tum Saturni, ex aliaparte,fuit arcus miris lapidibus tabulatus, in quo fuit historia qualiter milites aeeipiebant a senatu donativa sua per saccel-lanum, qui amministrabat hoc; quae omniapensabat in statera, antequamdarenturmilitibus, ideo vocatur Salvator de Statera29. Das detailreich beschriebene Relief könnte zum Bogen

des Tiberius gehört haben, der sich in der Nähe des Saturntempels befand30. Ausgrabun-

gen 1988/89 im Bereich des Tempels legten ein Freskenfragment aus dem 11 . oder

12. Jahrhundert frei und ließen vermuten, daß die Kirche nicht nur beim, sondern un-

mittelbar in der Cella des Saturntempels errichtet wurde31 . S. Salvatore de Statera wird in

26 Gesta Innocentii: Migne, c. CXLV, col. CCVII B, bzw. Gress-Wright 347. Ein Vierzeiler ober-halb der Portikus hielt die Verdienste des Papstes fest: Pent rui, quasi nulla flu, std me relevant I Lo-tharius. Sponsusque prius sponsam renovavit I Deque meo pernio sumptus pater Urbis, et Orbis, I Hoc ta-rnen ex proprio feat mihi, sie renovor bis (Abschrift, Biblioteca Apostolica Vaticana, Vat. lat. 3938, fol. 284").

27 Vgl. auch Giuseppe To m a s s e t t i , La Campagna Romana arnica, medioevale e moderna. Nuova edizione aggiornata a cura di Luisa C h i u m e n t i e Fernando Bilancia, Bd. I—VII (Arte e Archeologia. Studi e Documenri 12-18, Florenz 1975-1980) III 457 Anm., IV 41, 391 f. (das Gut bei Tusculum ist Teil des Patrimoniums, das 1188 bei der Zerstörung der Stadt an den Papst fallt [Kehr, IP I 182, Nr. 18] und von Papst Coelestin III. unter anderen an SS. Cosma e Damiano, S. Adriano, SS. Sergio e Bacco und S. Maria in Porticu verschenkt wird), VI 531.

28 Huelsen, Chiese (wie Anm. 24) 453 identifiziert die Kirche mit S. Omobono; diese Version fin-det sich auch bei Mariano Ä r m e l 1 in i, Le chiese di Roma dal sec. IV al XDC, hrsg. Carlo C e c c h e i l i , Bd. I—II (Rom 1942) I 654—656, II 1439 (mit Bedenken wegen der unterschiedlichen Namen S. Salva-tore de Statera, de Acrario, in Porticu). Möglicherweise wurde das Patrozinium nach der Zerstörung des ursprünglichen Baus auf eine Kirche bei S. Omobono übertragen.

29 Mirabilia Urbis Romae (wie Anm. 10) 55 Z. 4-9 . 30 Die Lage des Bogens propter aedem Saturni geht aus Tacitus, Ann. II 41, 1, hervor. Die genaue Lo-

kalisierung ist nach wie vor umstritten. Filippo C ο a re 11 i (zuletzt Art. Arcus Tiberii [Forum]. LTUR I 107 f.) identifiziert ihn mit den Ziegelwänden eines Bogens, der zwischen der Nordecke der Basilica Iulia und dem Saturntempel den vicus Iugarius überspannte. Einwände dagegen erheben Cairoli F. G i u I i a η i und Patrizia V e r d u c h i (Art. Basilica Iulia. LTUR I 178) undPatrizio P e n s a b e n e (Tempio di Saturno [Lavori e studi di archeologia pubblicati dalla Soprintendenza archeologica di Roma 5, Rom 1984] 29), der (ebd. 31-34) auch auf das gewöhnlich mit dem Tiberiusbogen in Zusammenhang gebrachte Funda-ment an der Einmündung der Straße vor der Basilica Iulia in den vicus Iugarius eingeht. Federico Μ a -r a ζ ζ i (Due fancasmi dell'antichiti: il tempio di Saturno e l'arco di Settimio Severo al Foro Romano fira il medioevo e il XIX secolo, in: Papers of the Fourth Conference of Italian Archaeology [London, Januar 1990] 4, London 1992, 55) bezieht die Stelle in den Mirabilia auf den Bogen des Tiberius, den er aber ir-gendwo hinter dem Saturntempel, d. h. südlich davon, Uber dem vicus Iugarius annimmt.

31 Gabriella M a e t z k e , La chiesa di S. Salvatore de' Stadera al Foro Romano. Archeologia Laziale 10 (1990) 98-104; vgl. auch dies., Struttura (wie Anm. 3) 93 f. Zur Lage der Kirche in der Cella, deren

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e i n e m K a t a l o g der r ö m i s c h e n K i r c h e n aus d e m B e g i n n d e s 13. J a h r h u n d e r t s g e f u h r t 3 2 , d ie ecclesia diruta S. Salvatoris de Statera in einer K a u f s u r k u n d e v o n 1 4 4 3 als G r u n d s t ü c k -grenze g e n a n n t 3 3 .

W e s e n d i c h schwieriger gestaltet s ich d ie Ident i f i z i e r ung d e r ecclesia sancti Laurenrii. U n t e r h a l b des K a p i t o l s (d ie Arx m i t e ingeschlos sen) b e f a n d s ich d i e K i r c h e s. Laurentius de Ascesa o d e r de Protho, später S . L o r e n z o l o ai M o n t i 3 4 ; s ie l ag a m clivus Argentarius, der i m N o r d e n der Arx vorbe i fuhr t 3 5 u n d der s c h o n in d e r U r k u n d e Paps t A n a l d e t s 3 6 z u m des-census Leonis Prothi- nach d e m Protoscr iniar L e o , Paps t L e o V I I I . ( 9 6 3 - 9 6 5 ) , d e r d o r t se ine W o h n u g hat te - , später zur Ascesa Prod w u r d e , d i e der g e s a m t e n G e g e n d i m R i o n e M o n t i d e n N a m e n gab 3 7 . Ad radices Capitoliunterhalb des t a r p e i s c h e n Felsens , s t a n d bis in d i e M i t t e de s 16 . J a h r h u n d e r t s a l lerdings a u c h d i e K i r c h e s. Laurentius Nicolai Nasonis, in Nicolanaso, o d e r dePalpitariis (die H e r k u n f t der N a m e n ist u n g e k l ä r t ) , deren Res te ne-b e n d e m H o s p i t a l v o n S . M a r i a del la C o n s o l a z i o n e als Teil e ines Pr iva thauses b i s zur Iso-l i e r u n g des K a p i t o l s 1 9 4 1 über lebten 3 9 . K e i n e der b e i d e n K i r c h e n hat in ze i tnahen Q u e l l e n d i e B e z e i c h n u n g o d e r E r g ä n z u n g sub CapitolüP. L e d i g l i c h d i e S t e l l u n g i m Text d e r U r -k u n d e Innocenz ' III . , d ie R e i h u n g v o n G e l ä n d e u m S . L o r e n z o , S . Sa lva tore u n d T a b u -l a r i u m i m Z u s a m m e n h a n g m i t Grenzs tre i t igke i ten zwi schen S S . S e r g i o e B a c c o u n d S . M a r i a d e C a p i t o l i o 4 1 g ib t der zweiten Var iante d e n Vorzug .

Mauern sie benützte, und auf dem im 15. Jahrhundert abgetragenen Fußbodenniveau des Tempels vgl. auch Marazzi a. O. 54.

32 Catalogo di Parigi, in: Valentini - Zucchetti, Codice III (wie Anm. 9) 271-290: 272 Ζ. 15. 33 Carlo C e c c h e l l i , S. Maria „de Cannapara" ο „de Gratiis" e S. Maria della Consolazione, in:

Studi e document! sulla Roma sacra II (Miscellanea della Societä di Storia Patria 18, Rom 1951) 106-134: 113 f.; ein Garten von S. Maria della Consolazione, der Möns Tarpeius und eine öffendiche Straße konstituieren die anderen Grenzen.

54 Huelsen, Chiese (wie Anm. 24) 280 f.; Armellini - Cecchelli, Chiese (wie Anm. 28) I 209 f.; auch Pierluigi G a 11 e 11 i, Del Primicero della santa sede Apostolica e di altri uffiziali maggiori del sacro palagio lateranense (Rom 1770) 142-145, bezieht den Passus der Innocenz-Urkunde auf S. Lorenzo ai Monti.

35 Zum clivus Argentarius als Verbindung vom Marsfeld zum Forum Roman um zwischen Arx und Fo-rum Iulium vgl. Carlo B u z z e t t i - Giuseppina P i s a n i S a r t o t i o , Art. Clivus Argentarius. LTUR1280 .

36 S. oben Anm. 4. 37 Susanna Ρ a s s i g 1 i, Urbanizzazione e topografia a Roma nell'area dei fori imperiali tra XTV e XVI

secolo. Melanges de l'Ecole Franzose de Rome. Moyen Age 101 (1989)/1 273-325: 308-310, 321 f. M So in einer Reisebeschreibung aus dem Beginn des 16. Jahrhunderts: Fra Mariano da Firenze, Iti-

nerarium urbis Romae, ed. Enrico B u l l e t t i (Studi di antichiti cristiana II, Rom 1931) 56. 39 Huelsen, Chiese (wie Anm. 24) 290 f. (der Autor bezieht die Nennung in der Urkunde Inno-

cenz' III. undifferenziert auf beide Lorenzo-Kirchen: 280 f., 461); Armellini - Cechelli, Chiese (wie Anm. 28) I 647; Gnoli, Topografia (wie Anm. 3) 201 f.; Carlo P i e t r a n g e l i , Guide Rionali di Roma, Rione X: Campitelli, Bd. I (Rom 21978) 114. Eine Inschrift über eine Weihe der Kirche 1241 findet sich bei Vincenzo F o r c e l l a , Iscrizioni delle chiese e d'altri edificii di Roma del secolo XI fino ai nostri giorni, Bd. I-XIV (Rom 1869-1884), VIII 323, Nr. 779.

40 S. Laurentius de Proto im Ordo des Cencius Camerarius (Valentini - Zucchetti III [wie Anm. 9] 249 Z. 6) und im Kirchenkatalog von Paris (ebd. [wie Anm. 32] 278 Z. 14); s. Laurentius Nicolai Nasonis bei Cencius Camerarius (ebd. 263 Z. 3), de Papitariis im Katalog von Paris (ebd. 278 Z. 5). - Ein zusätzliches Problem ergibt sich durch die Nennung einer Laurentius-Kirche zwischen Pompeius-Theater und Kapitol im Itinerar von Einsiedeln (wie Anm. 8) 162. Rodolfö L a η c i a η i, L'Itinerario di Einsiedeln e l'Ordine di Benedetto Canonico. Monumenti antichi I (Rom 1891) 19,61, möchte die Kirche des Itinerary als s. Lau-rentius sub Capitolio in der Gegend von S. Marco sehen; vgl. dazu auch Roberto Va 1 e η t i η i - Giuseppe Z u c c h e t t i , Codice topografico della citti di Roma II (Fonti per la storia d'Italia 88, Rom 1942) 176f., Anm. 5.

41 Siehe unten 40.

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Ein Privileg Papst Innocenz' III. (ur die Kirche SS. Sergio e Bacco in Rom 35

Die Liste der Besitztümer von SS. Sergio e Bacco wird angeführt vom Anteil am Tri-umphbogen des Septimius Severus und dessen Zugehörungen, wie sie durch eine locatio des Kardinaldiakons Gregor Tarquinius (1123-1145) an die Kirche kamen. Das Monu-ment, von welchem das Itinerar von Einsiedeln noch den Namen kannte und die Wid-mungsinschrift aufzeichnete42, wird in den Mirabilia zum Arcus Caesaris et senatorum (nach dem ersten und letzten Wort der Inschrift) oder - wie auch in der Urkunde Inno-cenz' III. - schlicht zum arcus triumphale. Die Route im Itinerar von Einsiedeln und wohl auch noch der Weg der Papstprozession (vom clivus Argentanus an S. Adriano vor-bei über die Kaiserforen und via sacra zum Titusbogen) im Ordo des Benedictus Cano-nicus fuhren unter dem Triumphbogen durch44; wenig später wird der Septimius-Seve-rus-Bogen durch Um- und Anbauten unpassierbar45. In diesem Zustand erscheint er im Papstprivileg: SS. Sergio e Bacco hält medietatem arcus triumphalis, que totus in tribus ar-cubus constat, de quo unus de minoribus arcubus propinquior est vestre ecclesie supra quem una ex turribus edificata esse videtur: die Hälfte des Hauptbogens, den südlichen (der Kir-che näher gelegenen) Nebenbogen, auf dem sich einer der im Mittelalter errichteten Türme befand, cum caminatis: mit den Räumen, die sich wahrscheinlich im Durchgang vom Haupt- zum Nebenbogen und beim Stiegenaufgang befanden46. Die andere Hälfte des Monuments gehört um 1200 zum Besitz der Familie Cimini. Die Umwandlung des Triumphbogens zu einem festungsähnlichen Bauwerk belegen auch ein Durchbruch in der Attika, der durch die Inschrift im Westen des Bogens geschnitten wurde, zwei mit-telalterliche Mauern in der Attika, die südlich und nördlich der antiken Hauptmauer zur Abstützung der neuen Aufbauten dienten47, und die heute noch erhaltenen Reste des südlichen Turmes, zu dem man ein Pendant auf der Nordseite annehmen kann, sodaß sich zwischen den beiden Türmen auf dem Dach des Triumphbogens ein offener Hof befand48. Der aus einer Reihe von Zeichnungen49 bekannte Wehrturm auf dem nördli-chen Nebenbogen, den der Senat erst 1636 abtragen ließ, wurde in einer unreflektierten Zusammenstellung von Innocenz-Urkunde und bildlicher Überlieferung wiederholt der Kirche zugeschrieben50, ist jedoch unzweifelhaft Bestandteil des Nachbarbaus der heredes Cimin 'u Vereinzelt scheinen Mitglieder der Familie im 12. Jahrhundert im Tabularium

42 Itinerar (wie Anm. 8) 162, 189, 92 f. 43 Mirabilia Urbis Romae (wie Anm. 10) 19 Z. 3; 55 Z. 3 f. 44 Benedictus Canonicus (wie Anm. 9) 219 Ζ. 11 f.: Descendit ante privatum Mamertini, intrat sub

arcu triumphali inter templum Fatale et templum Concordiae. 45 Über die Verbauung der Nebenbögen bis ins 18. Jahrhundert vgl. Ettore D e R u g g i e r o , II Foro

Romano (Rom - Arpino 1913) 459; Patrizia Μ a s i η i - Luigi Μ e s s a - Rossella Μ ο 11 a, Arco di Setti-mio Severo. Fonti medioevali e iconografiche, in: Roma. Archeologia nel centra I (Lavori e studi di ar-cheologia pubblicati dalla Soprintendenza archeologica di Roma 6, 1, Rom 1985) 39-40.

46 Vgl. auch Francesco M. N i c h o l s , Notizie dei Rostri del Foro Romano e dei monumenti conti-gui (Rom 1885) 63 ff.

47 Richard B r i l l i a n t , The Arch of Septimius Severus in the Forum (Memoire of the American Academy in Rome XXDC, Rom 1967) 68-71, 256 f.

48 Amanda C1 a r i d g e - Lucos C ο ζ ζ a, Arco di Settimio Severo, in: Roma. Archeologia nel centra I (wie Anm. 45) 34—39; Marazzi, Fantasmi (wie Anm. 30) 66-70.

49 Auch von Marten van Heemskerck, oben Anm. 19, 20. w Auf Ferdinand G r e g o r o v i u s , Geschichte der Stadt Rom im Mittelalter, hrsg. Waldemar

K a m p f (München 1978) 1/2 709, geht wohl die Verbreitung der Version vom Kirchen-Campanile auf dem Triumphbogen zurück. Vgl. Emmanuel Ρ R o d o c a n a c h i , Les Monuments de Rome apris la chute de l'Empire (Paris 1914) 133f.; De Ruggiero (wie Anm. 45) 109.

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36 Andrea Sommerlechner

1. SS. Sergio e Bacco 2. Septimius-Severus-Bogen,

Anteil von SS. Sergio e Bacco

3. Septimius-Severus-Bogen, Anteil der Cimini

4. Rostra (curtis ecclesie) mit Brunnen

5. Vespasian-Tempel 6. Concordia-Tempel mit 5

Getreidebrunnen 7. Tabularium 8. S. Maria de Capitolio 9. S. Lorenzo de Ascesa

10. Career 11. SS. Luca e Martina 12. S. Adriano 13. Basilica Aemilia

14. Milliarum Aureum 15. Phokassaule 16. Ehrensaulen 17. Basilica Iulia 18. S. Maria de Cannapara 19. S. Maria della Consola-

zione 20. S. Lorenzo in Nicolanaso 21. Saturntempel mit S. Salva-

tore de Statera 22. Porticus Deorum Consen-

tium 23. S. Teodoro 24. Faustina-Tempel

(S. Lorenzo in Miranda) 25. SS. Cosma e Damiano 26. S. Maria Nova 27. Umbilicus Urbis

A. Clivus Argentarius (Ascesa Proti)

B. Centum gradus C. Clivus Capitolinus

(Fava Tosta) D. Vicus Iugarius E. Vicus Tuscus F. Via Sacra

(Zeichnung Gunhild Jenewein)

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von S. Maria Nova auf: 1140 Petrus de Cencio Cymini51, 1163 Cencius de Cimino und sein Sohn Bobacianus52, 1 195 und 1197 Rogerius de Ceminis53. Über die folgenden Be-sitzverhältnisse des Gebäudeanteils der Cimini ist nichts bekannt. Der Besitz von SS. Sergio e Bacco am Septimius-Severus-Bogen verfugt über den freien Zugang zur öffent-lichen Straße {cum introitibus et exitibus); die angeführten Grenzen: Bogenanteil mit an-gebautem claustrum und Hof der Cimini, Hof von SS. Sergio e Bacco, der sich wahr-scheinlich auf dem Gebiet der Rostra befand, auf welchem auch zwei mittelalterliche Brunnen ergraben wurden54, und zwei viae publicae, wohl wesdich und östlich des Tri-umphbogens, verminein ein Bild von der mittelalterlichen Besiedlung des Monuments und seiner Umgebung.

Das Privileg Innocenz' III. bestätigt der Kardinalskirche ferner alle Häuser in Galli-cis und mit zwei Ausnahmen alle Häuser, Grundstücke und Gärten in redone Pirk Beide topographischen Bezeichnungen sind im Mittelalter sonst nirgends belegt. Die Gegend in Gallicis, begrenzt an zwei Seiten von Besitzungen von SS. Sergio e Bacco, von der Straße, welche vor der Kirche vorbeifuhrt, und von Besitz der Kirche S. Martina (heute SS. Luca e Martina über der Curia Hostilia am Comitium55), läßt sich ungefähr lokali-sieren. Der Name wurde mit den antiken Busta Gallien, nach der Überlieferung dem Grabmal der Gallier, die bei der Belagerung des Kapitols (einer Seuche zum Opfer?) ge-fallen waren, in Zusammenhang gebracht; Filippo Coarelli möchte diesen Ort, auch un-ter Berufung auf die Urkunde Innocenz' III., an den Fuß des Kapitols, zum Beginn des cltvus Capitolinuslegen57. Im Kataster der Bruderschaft von Sancta Sanctorum ist 1410 ein Grundstück in region* Campitelli, in der Gegend des tarpeischen Felsens, bei einem Garten von „S. Maria de Gallicanis" eingetragen58. Ob sich diese Einzelheiten zusam-menfügen lassen, muß allerdings offen bleiben. - Für die Lokalisierung und Deutung der regio Piri, in der auch das Kloster S. Saba auf dem Aventin und der addextrator Pan-taleon Besitz hatten, wurde bisher kein Anhaltspunkt gefunden59; eher abwegig er-scheint der Versuch, eine Verbindung zwischen der mittelalterlichen Gegendbezeich-nung und dem Haus adpirum des Dichters Martial, das sich im Nordwesten des Quiri-nal befand, herzustellen60.

51 Pietro F e d e l e , Tabularium S. Mariae Novae ab an. 980 ad an. 1200, II. Archivio della Societi Romana di Storia Patria 24 (1901) 159-196: 186-188, Nr. LI.

" Ebd. 166f.,Anm. 1.; letzterer ist vielleicht ident mit dem II 73 bezeugten Bobacianus de Coloseo: Fedele, Tabularium IV. Archivio della Societä Romana di Storia Patria 26 (1903) 21-141: 43 f., Nr. CI.

53 Ebd. 104f., Nr. CXLVII; 114f., Nr. CLV. Domenico Jacovacci, Repertorium, Biblioteca Aposto-lica Vaticana, Ottob. lat. 2549/2, S. 1185, kennt noch einen Oddo Cimini, der 1260 im Archiv von S. Prassede genannt ist.

54 Vgl. Maetzke, Struttura (wie Anm. 3) 79, 96 f.; vgl. auch Nichols (wie Anm. 46) 65 f. " Zu dem Tullus Hostilius zugeschriebenen Vorgängerbau der späteren Curia Iulia vgl. Filippo

C o a r e l l i , Art. Curia Hostilia. LTUR I 133f. 56 Die Straße, die - hinter dem Bogen des Septimius Severus beginnend - vom Forum Roman um

auf das Kapitol zum Tempel des Iupiter Optimus Maximus führte. Vgl. T. Peter W i s e m a n , Art. Clivus Capitolinus. LTUR I 281 f.

57 Filippo C o a r e l l i , Art. Busta Gallica. LTUR I 203f. 58 Cecchelli, S. Maria „de Cannapara" (wie Anm. 33) 107. S. auch ebd. ein Dokument von 1412

Uber ein casatenum ... que dicebatur de Gallicanis... situm retro ecclesiam S. Mariae de Cannapara. H Vgl. auch Gnoli, Topografia (wie Anm. 3) 216. - Ein Pantaleon ist in einem instrumentum adde-

stratorum mappulariorum et cubiculorum vom 21. März 1207 erwähnt: Paul F a b r e - Louis D u c h e s n e , Le Liber Censuum de l'£glise Romaine I (Paris 1910) 342 b.

40 So Jordan, Topographie (wie Anm. 3) 1/1 72; 1/3 427, Anm. 94, und Giuseppe L u g 1 i, Fontes ad

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38 Andrea Sommerlechner

Ein weiteres Haus von SS. Sergio e Bacco wird in regione Sancti Adriani iuxta co-lumpnas sancti Iohannis anteportam Latinam beschrieben: Die Diakonie und Kardinals-kirche von S. Adriano, die zur Zeit Papst Honorius' I. in der Senatskurie eingerichtet wurde61, wird im 13. Jahrhundert namengebend sowohl fur die gesamte regioX, Campi-telli, der kommunalen Gliederung der Stadt Rom, als auch für die contrata, die kleinere Einheit (wie sie vorwiegend in den Notarsurkunden zur Lokalisierung von Grundstük-ken dient, wobei die Begriffe regio und contrada oft undifferenziert verwendet werden62), welche als engere Umgebung von S. Adriano ungefähr das Gelände der Basilica Aemilia umfaßt63; die Urkunde Innocenz' III. stellt die älteste Nennung der regio sancti Adriani dar. Eine Besitzaufstellung der Lateransbasilika aus der Zeit Bonifaz' VIII. nennt unter den Gütern der Kirche S. Giovanni a Porta Latina, die 1145 dem Lateran unterstellt wurde64, unum casarenum in quo sunt quatuorcolupne in regione S. Adriani65. Daß Säulen antiker Bauten zur Charakterisierung von Grundstücken in der Forumsgegend herange-zogen werden, zeigt auch ein Eintrag im Inventar von S. Giovanni in Laterano aus dem 13. Jahrhundert: In der Pfarre SS. Cosma e Damiano besitzt die Basilika III casalinos in quibus sunt 4 columpnae serpen tinaesanae et integrae et una confiacta66. Das Haus von SS. Sergio e Bacco befand sich wohl neben dem zitierten Grundstück von S. Giovanni a Porta Latina im Bereich der Basilica Aemilia.

Nahe beieinander lagen wahrscheinlich das Haus von SS. Sergio e Bacco iuxta do-mum Iohannis de Ascesa und die quatuor cripte cum casalinis ante se usque ad viam publi-cam post ecclesiam Salvatoris de Statera, welche die Kirche von den Erben des Petrus de Ascesa erworben hatte. Eine Familie de Ascesa ist sonst nicht bekannt; der Name hängt wohl mit der Straßenbezeichnung ascensa, ascesa zusammen, die sukzessive den antiken clivus ersetzt67, und könnte sich vom clivus Capitolinus herleiten lassen. Die vier cripte (im Sprachgebrauch der zeitgenössischen Urkunden: zum großen Teil verschüttete Rui-nen antiker Gebäude, die meist als Keller oder Lager fungierten), die mit ihren unbebau-ten Parzellen (casalinef4 davor bis an die Straße reichen, stellen, wenn man die Straße post ecclesiam Salvatoris als Fortsetzung des clivus Capitolinus hinter dem Saturntempel annimmt, vielleicht Reste der Porticus Deorum Consentium dar69. (Möglich ist allerdings

topographiam Vctcris Urbis Romae pertinences, IV (Rom 1957) 199, Nr. 52-54; zum Haus des Martial (ep. I 108 1—4, 117 5-7) vgl. Emilio R o d r i g u e z A l m e i d a , Art. Domus: M. Valerius Martialis. LTUR II 208 f.

61 Adele Μ a η c i η i, La chiesa medievale di S. Adriano nel Foro Romano. Rendiconti della Pontifi-cia Accademia Romana di Archeologia, ser. III, 40 (1967/68) 191-245.

62 Etienne H u b e r t , Espace urbain et Habitat <> Rome du X ' si£cle ä la fin du XIIIC siicle (Nuovi studi storici 7, Rom 1990) 86ff.

" Passigli, Urbanizzazione (wie Anm. 37) 303, 310 f. Vgl. auch Eva Margareta S t e i η b y, Art. Basi-lica Aemilia. LTUR I 167 f.

64 JL 8711; Kehr, IP 127, Nr. 17. 65 Giovanni Maria C r e s c i m b e n i , L'Istoria della chiesa di S. Giovanni avanti porta Latina (Rom

1718) 209. 66 Philippe L a u e r , Le Palais de Latran. Etude historique et arch^ologique (Paris 1911) 501 f. 67 Bekannt sind die Umbenennungen von clivus argentarius zu ascesa Pron siehe oben), vom clivus

palatinus zur ascensa palatii maioris. Vg l . H u b e n , E s p a c e (wie A n m . 6 2 ) 105 f. 68 Vgl. Hubert 107 f. mit Anm. 7, 128 ff. 69 Die Anlage besteht - abgesehen von den parallel zur südlichen Langseite des Vespasian-Tempels

angeordenten sieben Kammern in dem tiefer als der clivus Capitolinus gelegenen Untergeschoß - aus acht in stumpfem Winkel vor dem Osthang des Kapitols bzw. dem Tabularium gelegenen Kammern mit einer vorgelagerten Porticus, die auf zwei Seiten einen gepflasterten Platz umschließt (vgl. Giuseppe Ν i e d d u,

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Ein Privileg Papst Innocenz' III. für die Kirche SS. Sergio e Bacco in Rom 39

auch, da die Kirche der Tempel-Cella folgend wohl nach Norden gerichtet war, eine öf-fentliche Straße, die clivus Capitolinus und vicus lugarius schneidet.)

Weiter entfernt von SS. Sergio e Bacco liegt ein Grundstück in regione sanai Theo-dori, in der Umgebung der alten Diakonie von S. Teodora unterhalb des Palatin, inpede Cannaparie·. Der Name „Cannapara", „Cannaparia"70 begegnet in der frühmittelalterli-chen Kirche S. Maria de Cannaparia an der Westseite der Basilica Iulia71; als custodia Cannaparie, als bisher nicht lokalisierter Kerker der Kommune Rom im 12. Jahrhun-dert72; in den Mirabilia Urbis Romae: In Cannapara templum Cereris et Telluris bzw. in tellure, id est in Cannapara bzw. super Cannaparam templum Iunonis7}, womit der Autor wohl, auch nach dem Textzusammenhang, die Basilica Iulia und ihre Umgebung meint, in welche er den ihm aus der Lektüre von Heiligenpassionen bekannten Tempel der Tel-lus verlegt hat; als regio und contrata Cannapare weiträumig in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts74. Die Forschung siedelt die Cannapara daher zwischen Basilica Iulia, S. Teodora und Möns Tarpeius an; die Urkunde Innocenz' III. bereichert das Spektrum allerdings um eine weitere Variante: Ein Ort bei S. Teodora am Fuß der Cannaparia macht diese zum wesdichen Abhang des Palatin.

Zwei weitere Parzellen besitzt die Kirche iuxta columpnam prefectissam Die Benen-nung, die vielleicht auf eine mißverstandene Inschrift zurückgeht, bleibt ungeklärt. Ais Anhaltspunkt fiir die Lokalisierung der Grundstücke wurde vielleicht eine der Ehren-säulen vor der Basilica Iulia oder die Säule, die zu Ehren des Kaisers Phokas 608 als letztes Monument auf dem Forum Roman um errichtet wurde, - sie blieb als einzige durch Mittelalter und Neuzeit hindurch aufrecht stehen — oder das milUarium aureum gewählt75.

Ein Grundstück iuxta domum Rogerii de Rozo findet eine nähere Definition in einer Urkunde vom 13. März 1236: In einem Vertrag mit dem Kloster S. Sisto nennt der Sohn, Henricus Rogerii de Roczo, als Sichersteilling: totum accasamentum meum positum

Art. Dei Consentes, aedes. LTUR II 9 f.). Lage und Art des Bauwerks, dessen Benennung auf die Bauin-schrift von einer Restaurierung 367 n. Chr. zurückgeht, dessen Funktion in der Antike aber ungeklärt ist, bieten sich fiir die Identifizierung mit den genannten cripte an.

70 Zur Diskussion um die Herleitung vgl. zuletzt Maetzke, Struttura (wie Anm. 3) 93 mit Anm. 53; auch Gnoli, Topografia (wie Anm. 3) 56.

71 Cecchelli, S. Maria „de Cannapara" (wie Anm. 33); Reekmans, Implantation (wie Anm. 11) 877; Giuliani - Verduchi, Art. Basilica Iulia (wie Anm. 30).

72 In einem Bericht aus dem Jahr 1170 (AntW W i 1 m a r t, Nouvelles de Rome au temps d'Alexan-dre III [1170], Revue Benedictine 45 [1933] 62-78: 77 Ζ. 97) und in den Gesta Innocentii (Migne PL, 214, c. CXXXIV, col. CLXXXII bzw. Gress-Wright [wie Anm. 25] 329) und in einem Brief Inno-cenz' III. vom 10. Januar 1203 (Die Register Innocenz III., 5. Bd. (1993), Brief 137 [138], S. 272 Z. 18, 20, S. 273 Z. 13).

73 Mirabilia Urbis Romae (wie Anm. 10) 5 5 Z. 9-11, 25 Z. 2 f., 52 Z. 5. Vgl. auch Valentini - Zuc-chetti II (wie Anm. 40) 226, Anm. 1.

74 Hubert, Espace (wie Anm. 62) 365. Ein aedificium Cannaparae in regione CampiteUi in contrata que dicitur la Roccia et Cannapara wird 1410 im Kataster von Sancta Sanctorum genannt: Cecchelli, S. Maria „de Cannapara" (wie Anm. 33) 107-112.

75 Vgl. Patrizia Ve rd u c h i, Art. Colonne Onorarie (Forum Romanum) und An. Columna Phocae. LTUR I 294 f. und 307. Das miUiarium aureum, eine von Augustus errichtete Säule mit den Entfer-nungsangaben der wichtigsten Städte von Rom, stand unmittelbar südwestlich der augusteischen Rostra: Nash, Bildlexikon II (wie Anm. 16) 64.

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in regione Sancti Adriani in populo ecclesie Sanctorum Sergii et Bachi76. Eine domus Urbarst) oder Urban(a), die im Privileg wohl im selben Zusammenhang genannt wird, konnte nicht gedeutet werden.

Einen eigenen Block stellen im Privileg Innocenz' III. einige Besitzungen um S. Lo-renzo, S. Salvatore, zwischen dem Tabularium und der Kirche SS. Sergio e Bacco dar, im Anschluß hieran bezieht sich der Brief auf Streitigkeiten zwischen SS. Sergio und Bacco und dem Kloster S. Maria de Capitolio auf der Arx, die unter Papst Coelestin III. beigelegt wurden77. Obwohl sich nicht mit Sicherheit entscheiden läßt, ob der Konflikt nur dem letzten Punkt auf der Liste, den Gärten bei SS. Sergio und Bacco, oder dem gesamten Komplex galt, spricht für die zweite Variante formaliter, daß die Güter abge-setzt von den übrigen Besitzungen bei der Kirche angefiihrt werden, und in topogra-phischer Hinsicht, daß alle genannten Bauten und Ländereien in der Randzone des Besitzes von S. Maria de Capitolio, so wie er in der Urkunde Papst Anaklets II. definiert wurde78, liegen.

Innocenz III. bestätigt in diesem Passus SS. Sergio e Bacco dieparrochid 9 und den Be-sitz der Camellaria inferior, „so daß deren Bewohnern von den Bewohnern der Camellaria superiorkein Unrecht geschehe". - Der Name Camellaria ist schon im 8. Jahrhundert mit dem Kapitol verbunden, als das Kloster auf der Arx als monasterium sanctae dei genitricis quae appeüatur camellaria aufscheint80. Die Anaklet-Schenkung spricht von der porticus Camellarie beim Platz zwischen den Erhebungen Arx und Kapitol und nennt damit wohl das offene oberste Stockwerk des Tabulariums, den Vorläufer des kommunalen Senato-renpalastes81 . Hiermit lassen sich auch die Mirabilia Urbis Romae (iuxta camellariam tem-plum Iani, qui eratcustos Capitoliif1 in Übereinstimmung bringen, denn der „Ianus-Tem-pel", Frucht einer klassischen Lektüre des Autors, findet sich im Veiovis-Tempel, der bei

76 Cristina C a r b o n e t c i V e n d i t e l l i , Lep iü antiche cane del convento di San Sisto in Roma (905-1300) (Codice diplomacico di Roma e della regione romana 4, Rom 1987) 162-164, Nr. 80.

77 Kehr, IP I 102, Nr. *2. 78 S. oben Anm. 4; fur den östlichen Rand: a quarto ... latere ab eodem carmzrio (seil, sancti Theo-

dori) ascendit per caveam in qua est petra versificata, exinde descendit per ortum sancti Sergii usque in ortum qui est sub camellaria veniens pergradus centum (seil, die scalae Gemoniae) usque adprimum affinem (seil, der clivus Argentarius).

79 Papst Innocenz IV. überträgt 1252 dem Franziskanerorden mit dem Kloster S. Maria de Capito-lio auch die Pfarrechte im von Anaklet II. umschriebenen Gebiet. SS. Sergio e Bacco erscheint als Pfarr-kirche mit eigenem kleinen Sprengel zwischen S. Maria in Aracoeli, S. Adriano und S. Maria de Canna-para erst im 14. Jahrhundert. Zur diffizilen Frage des römischen Pfarrnetzes vgl. Susanna P a s s i g l i , Geografia parrocchiale e circoscrizioni territorial! nei secoli XIII-XIV: istituzioni e realta quotidiana, in: Roma nei secoli XII e XIV. Cinque saggi, hrsg. £tienne H u b e r t (Collection de l'£cole franfaise de Rome 170, Rom 1993) 43-86: 78-80 mit Karten 1-3.

80 Paulus R a b i k a u s k a s , Die römische Kuriale in der päpsdichen Kanzlei (Miscellanea Historiae Pontificiae 20, Rom 1958) 4 5 , 4 9 mit Anm. 43; vgl. auch Richard K r a u t h e i m e r - Wolfgang F r a η k 1 - Spencer C o r b e t t , Corpus Basilicarum Christianarum Romae II (Citti del Vaticano 1962) 272 mit Anm. 1.

81 Vgl. insbesondere D'Onofrio, Renovatio (wie Anm. 4) 49 f. - Das 78 v. Chr. in der Senke zwi-schen Capitolium und Ar* erbaute Tabularium, das römische „Staatsarchiv", bildet die monumentale Fassade des Kapitolhügels zum Forum hin. In dem geschlossenen Untergeschoß führte ein durch kleine Fenster beleuchteter Gang zu einem Ausgang, der später vom Vespasian-Tempel verbaut wurde; der Gang des Obergeschoßes öffnet sich mit hohen Arkaden zum Forum hin, dahinter und an der Nordost-seite liegt eine Reihe von Kammern. Eine Treppe führte zu dem nicht mehr erhaltenen dritten Stock-werk, wahrscheinlich einer Porticus. Vgl. Nash, Bildlexikon II (wie Anm. 16) 402—408.

82 Mirabilia Urbis Romae (wie Anm. 10) 53 Ζ. 1.

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Ein Privileg Papst Innocenz' III. fur die Kirche SS. Sergio e Bacco in Rom 41

der Errichtung des Tabulariums ausgespart und erst durch den Bau des Senatorenpalastes zugeschüttet wurde. Die Camellaria ist gleichzeitig namengebend fur den Grund unter-halb des Kapitols: den ortum sub camellariaAei Anaklet-Urkunde, ein casalenum quoddi-citur cameliana hinter SS. Sergio e Bacco und anstoßend an das Palatium Capitolii in der Schenkung Innocenz' VI.83, einen onus qui vacatur Camellaria schräg hinter der Kirche in der Notarsurkunde von 138584. Die Deutung der Camellaria insgesamt als Tabularium kann sich auf das Privileg Innocenz' III. stützen: Obere und untere Camellaria, das zweite Stockwerk, das auf das Forum Romanum geht, und das dritte, das sich auf den Kapitols-platz öffnet, sind im 12. Jahrhundert Gebäude und bewohnt85.

Zu SS. Sergio e Bacco gehören schließlich noch: ortum sancti Laurentii sive supra sanctum Laurentium; terram, que quondam fuit olivetum, a cava usque ad Saluatorem; ter-rain supra olivetum usque ad balneariam sive vascam; ortum sancti Sergii sive post sanctum Sergium et ortum inter columpnas usque ad abscidam et usque ad custodiam Mamortinam. Die Textnachbarschaft vom Garten bei S. Lorenzo zu S. Salvatore läßt die Identifizie-rung der ersteren Kirche mit S. Lorenzo in Nicolanaso plausibler erscheinen. Die cava in der Gegend von S. Salvatore ist vielleicht die cavea mit dem Inschriftenstein der Ana-klet-Urkunde86, läßt sich aber sonst nicht einordnen; die „Raubgräben" zwischen S. Ma-ria della Consolazione und Saturntempel datieren erst aus der Renaissance87. Die balnea-ria ist wohl als antiker Brunnentrog zu deuten. Direkt an SS. Sergio e Bacco, in dem an-steigenden Gelände zwischen Kirche und kapitolinischem Hügel, schließen die Gärten an, die schon in der Anaklet-Urkunde erwähnt wurden und die sich auch in den Doku-menten des 14. Jahrhunderts finden. Der nördlichste zieht sich von der Apsis der Kir-che88 zwischen den Säulen des Concordia-Tempels bis zum Mamertinischen Kerker, dem Tullianum, auf welchen der Name Mamertinum aus Heiligenpassionen und später die Petrus-und-Paulus-Überlieferung übertragen wurde89. Im Garten, der Pronaos und Abhang der Treppe des Concordia-Tempels bedeckte, wurden fünf Getreidegruben ge-funden, die die Diakonie-Funktion von SS. Sergio e Bacco und deren Auflassung ab dem 12. Jahrhundert - als die Gruben als Schuttabladeplatz dienten - belegen90.

85 Oben Anm. 6. 84 Oben Anm. 7; als Grenzen des verkauften Besitzes in regione Campittlli, in contrata Sancti Adriani

werden auf der Rückseite der genannte Garten, vorne die öffentliche Straße und an der einen Seite die Kirche SS. Sergio e Bacco angeführt.

85 So auch D'Onofrio, Renovatio (wie Anm. 4). Anders Gasparri, Aedes (wie Anm. 15) 4 mit Anm. 13, der für die Forum-seitigen CamtUaria-Bezeichnungen ein vom Tabularium abgesetztes Bauwerk, etwa die Basilica Aigentaria (vgl. Chiara M o r s e l l i , Art. Basilica Argentaria. LTURI 169f.), annimmt.

86 S. Anm. 4 und 78. Jordan, Topographie (wie Anm. 3) II 450 f., vermutet die Inschrift beim Tiberius-Bogen.

87 Vgl. Gabriella Μ a e t ζ k e, Area nord-occidentale del Foro Romano. Bullettino della commissione archeologica comunale di Roma 91 (1986)/2 372-386: 378 f.

88 De Ruggiero, Foro Romano (wie Anm. 45) 113f., sieht in der Apsis der Urkunde die porticus curva beim Haus des Patricius Albinus aus der Zeit Theoderichs (Cassiodor, Variae 4.30), die ursprüng-lich in dieser Gegend angenommen, jedoch mittlerweile mit der porticus absidata des Forum Transito-rium identifiziert wurde: Federico G u i d o b a l d o , Art. Domus: Albinus. LTUR II 28f.

89 Filippo C o a r e l l i , Art. Career. LTURI 236f.; Giuseppe De S ρ i r i to, Art. CareerTullianus (in fonti agiografiche) ebd. 237-239.

90 Orietta Fo i l is, Butti medieval i nel tempio della Concordia al Foro Romano. II materiale cera-mico. Archeologia medievale 15 (1988) 561-586; vgl. auch Maetzke, Area (wie Anm. 87) 372f. und d i e s . , Analisi topografica e ricerche archeologiche nell'area nord-occidentale del Foro Romano, in: Forma. La cittä antica e il suo awenire (Rom 1985) 173-178. - Die in Mittel- und Süditalien gebräuch-

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Page 13: Ein Privileg Papst Innocenz’ III. für die Kirche SS. Sergio e Bacco in Rom als Quelle für die mittelalterliche Topographie

42 Andrea Sommerlechner

Die Kirche SS. Sergio e Bacco befand sich, auch als ehemalige Diakonie, an einem Knotenpunkt des römischen Straßennetzes. Von den antiken Straßen, dem clivus Capi-tolinus, clivus Argentarius, vicus Iugarius und vicus Tuscus, verliert die erste mit der „Dre-hung" des Kapitols zum Abitato wohl an Relevanz, wird die zweite zum Abschnitt der via papalis\on St. Peter zum Lateran und bleiben die letzteren als Verbindung zum Tiber von eminenter wirtschaftlicher Bedeutung. Die Urkunde Innocenz' III. nenntzwei viepublice (Straßennamen sind abgesehen von den Komponenten der Hauptachse, der via papalis, eine Seltenheit") als Grenzen des Anteils von SS. Sergio e Bacco am Septimius-Severus-Bogen: Die eine Straße, die direkt vor der Kirche vorbeifuhrt, läßt sich umsetzen in eine Straße, die zwischen Triumphbogen und SS. Sergio e Bacco ihren Anfang nimmt, dem Lauf des clivus Capitolinus folgt und wohl identisch ist mit der Straße Faba Tosta der Ur-kunden des 14. Jahrhunderts92; die zweite verlief östlich des Bogens und mündete in den vicus Iugarius, dessen Achse im Mittelalter weitgehend beibehalten wurde93.

SS. Sergio e Bacco liegt am Rande des Forum Romanum, das mit der Entstehung des mittelalterlichen Rom vom Mittelpunkt der antiken Stadt zur Grenze zwischen Abi-tato und Disabitato, zum spärlich und nur endang der Straßen besiedelten Gebiet94

wird, das unmittelbar an das kommunale Zentrum des Kapitols anschließt. Die Kirche steht zwischen zwei antiken Monumenten, hat Besitz in, auf und über antiken Monu-menten (Concordia-, Vespasian-, Saturntempel, Septimius-Severus-Bogen), die zur glei-chen Zeit noch sichtbar und von den „Romfiihrern" benennbar waren, während die Be-sitzliste anonyme Einzelteile, Säulen zur Spezifizierung von Grundstücken und Mauern und Ruinen gemäß ihrer Verwendung anfuhrt. SS. Sergio e Bacco reiht sich, auf beschei-denster Stufe, weit entfernt vom Großgrundbesitz etwa von S. Maria Nova9\ unter die kirchlichen Landbesitzer und Kolonisatoren auf dem Gebiet des Forum Romanum ein. Der Anteil der Kirche am befestigten Septimius-Severus-Bogen läßt sie am Rande teil-haben an dem System adeliger Wehrtürme, die ab dem 11. Jahrhunden die Streckenab-schnitte der via papalis auf dem Gebiet des Forum Romanum kontrollieren96.

liehe An der Getreideaufbewahrung fand insbesondere am Südhang des Kapitols (Gegendname „Li pozzi di Monte Tarpeio") durch Tuff und Fundamente antiker Bauten ein geeignetes Gelände. Vgl. auch Lanciani, Monte Tarpeio (wie Anm. 7).

" Vgl. Hubert, Espace (wie Anm. 62) 107. 52 Vgl. die Statuten von 1363 (wieAnm. 5) 88: Inplateasancte Marie de araceli a saneto Sergio ebaccho et

apede vie fave toste supra versus Capitolium ..., und 120: ... A carcere sanctorum petri etpauli versus fabam tostam et α saneto Sergio et baccho versus Capitolium...; und die Urkunde Innocenz' VI. (wieAnm. 6): Das casalenum „Cameliana" liegt schräg hinter SS. Sergio e Bacco, vor dem Tabularium, auf der Vorderseite be-grenzt von der via publica, quae dicitur Fava Tosta. Vgl. Maetzke, Strunura (wie Anm. 3) 96 f.

" Gabriella M a e t z k e , II tracciato medievale del vico Iugario. Archeologia Laziale 9 (1988) 399-405- Maetzke, Struttura (wie Anm. 3) 96 f., möchte in der zweiten via publica der Innocenz-Urkunde eine Abzweigung, die von der via papalis zum vicus Tuscus fuhrt, sehen. - Huelsen, Vedute (wie Anm. 20), T. 10, unternimmt es, die Daten der Urkunde in einen Plan umzusetzen, hat allerdings die Kirche SS. Sergio e Bacco auf der Höhe des Septimius-Severus-Bogens und legt daher die Straße Faba Tosta zwischen Kirche und Kapitol.

94 Vgl. Maetzke, Struttura (wie Anm. 3) 193 über die mittelalterliche Siedlung im Nord-West-Teil des Forum.

, 5 Vgl. Fedele, Tabularium (wie Anm. 51); Hubert, Espace (wie Anm 62) 275 ff. 96 Forum und Palatin werden dabei von der Familie Frangipani dominiert, die bei S. Lorenzo in Mi-

randa (Faustina-Tempel) und S. Maria Nova die via papalis kontrollieren. Vgl. zuletzt Andrea A u g e n t i, II Palatino nel Medioevo. Archeologia e Topografia (secoli VI-XIII) (Bullettino della commissione archeologica comunale di Roma, supplement! 4, Rom 1996) 89 ff., 100 f.

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