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1 CE-V/8-97-001-DE-C Eine europäische Informationsgesellschaft für alle Abschlußbericht der Gruppe hochrangiger Experten April 1997 Europäische Kommission Generaldirektion Beschäftigung, Arbeitsbeziehungen und soziale Angelegenheiten Referat V/B/4 Manuscript abgeschlossen im April 1997

Eine europäische Informationsgesellschaft für alle · Teilnehmer einer vom Referat Chancengleichheit für Frauen und Männer (GD V.A.3) der Europäischen Kommission einberufenen

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CE-V/8-97-001-DE-C

Eine europäischeInformationsgesellschaft für alle

Abschlußbericht der Gruppe hochrangiger Experten

April 1997

Europäische KommissionGeneraldirektion Beschäftigung, Arbeitsbeziehungen

und soziale AngelegenheitenReferat V/B/4

Manuscript abgeschlossen im April 1997

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Der Gruppe hochrangiger Experten (HLEG) gehören an:

Hans Blankert, Präsident des niederländischen Industrie- und Arbeitgeberverbandes (VNO-NCW), Den Haag, Niederlande

Gerhard Bosch, Professor, Leiter der Abteilung Arbeitsmarkt des Instituts für Arbeit undTechnik, Gelsenkirchen, Deutschland

Manuel Castells, Professor im Bereich Forschung, Consejo Superior de InvestigacionesCientíficas, Barcelona, Spanien

Liam Connellan, ehemaliger Generaldirektor der Confederation of Irish Industry, Dublin,Irland

Birgitta Carlson , Leitende Beraterin, Telia AB, Farsa, Schweden*

Ursula Engelen-Kefer, Stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes(DGB), Düsseldorf, Deutschland

Chris Freeman, Emeritierter Professor, Science Policy Research Unit, University of Sussex,Vereinigtes Königreich

Lisbeth Knudsen, Chefredakteurin, Det Fri Aktuelt, Kopenhagen, Dänemark

Yves Lasfargue, Direktor, Centre d'Etude et de Formation pour l'Accompagnement desChangements (CREFAC), Paris, Frankreich

Isabelle Pailliart, Professor, Institut de la Communication et des Médias, Université Stendhal,Grenoble, Frankreich

Armando Rocha Trindade, Präsident, Universidade Aberta, Lissabon, Portugal

Jorma Rantanen, Direktor, Finnisches Institut für betrieblichen Gesundheitsschutz, Helsinki,Finnland

Luc Soete(Vorsitzender), Professor, Direktor, Maastricht Economic Research Unit onInnovation and Technology (MERIT), Universität Maastricht, Niederlande

Pier Verderio, Direktor, Internationale Beziehungen und Ausbildung, FederazioneInformazione e Spettacolo - Confederazione Italiana Sindacati Lavoratori (FIS-CISL), Italien

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*Frau Carlson ist am 17. Februar 1997, zwei Tage nach der Abschlußtagung der Gruppe,verstorben.

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Danksagung

Obgleich dieser Bericht in alleiniger Verantwortung der Gruppe hochrangiger Experten und aufder Grundlage der vollständigen Übereinstimmung all ihrer Mitglieder erarbeitet wurde,möchten wir uns bei den Bediensteten der Kommission, insbesondere der GD V.B (WernerHerrmann, Ken Ducatel und Juliet Webster) bedanken, die uns mit Ratschlägen und kritischenAnmerkungen zu vorhergehenden Berichten zur Seite standen. Des weiteren möchten wirJeannette Cloostermans (GD V) Anerkennung für ihre Unterstützung in verwaltungstechnischenFragen aussprechen. Unser besonderer Dank gilt Karin Kamp (MERIT) für ihre zuverlässigeMitwirkung bei der Erstellung dieses Berichts.

Hilfreich waren auch die vielen Meinungsäußerungen zu dem 1996 veröffentlichtenZwischenbericht sowie die flankierenden analytischen Berichte, die anläßlich einer Reihe vonWorkshops im Verlauf des vergangenen Jahres in Auftrag gegeben, diskutiert und vorgelegtwurden. Diese werden noch 1997 gesondert veröffentlicht.

Neben den uns von einzelnen Personen übermittelten Kommentaren und Stellungnahmenmöchten wir uns auch für die schriftlichen Anmerkungen bedanken, die uns von dennachstehend genannten Organisationen zugingen. Sie waren für unsere Diskussionen undBeratungen von besonderem Wert.

Regierungsorganisationen

Arbeitsministerium, DänemarkStändige Vertretung bei der Europäischen Union, Vereinigtes KönigreichTeilnehmer eines Treffens von Vertretern der Mitgliedstaaten im Mai 1996 in Brüssel

Gewerkschaftsorganisationen

Eurocadres, Council of European Professional and Managerial Staff, BelgienEuro-FIET, European Regional Organisation of the International Federation of Commercial,Clerical, Professional and Technical Employees, BelgienManufacturing Science Finance, Vereinigtes KönigreichTeilnehmer eines Treffens von Gewerkschaftsvertretern im Juni 1996 in Brüssel

Unternehmen und Wirtschaftsverbände

Digital Equipment Corporation, European Software Centre, IrlandGlobal Highways Business Group, Vereinigtes KönigreichGreenhalgh & Co. Ltd, Vereinigtes Königreich

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Wissenschaftliche Einrichtungen

Annenberg School for Communication, University of Southern California, USAFaculty of Divinity, University of Cambridge, Vereinigtes KönigreichCentre for IT Development, University of East Anglia, Vereinigtes KönigreichBereich Geographie, University College Galway, IrlandBereich Zukunftsstudien, Zentrum für Umweltforschung, DeutschlandRobert Gordon University, Vereinigtes KönigreichMaurice Kennedy Research Centre, University College Dublin, Irland

Religiöse Organisationen

CARE (Christian Action Research and Education) for Europe, BelgienEuropean Evangelical Alliance, Belgien

Stellen der Europäischen Kommission

GD III - Berater des Generaldirektors, zuständig für technologische Zukunftsforschung undAuswirkung der Technologie auf die BeschäftigungGD V.C.2 - Europäischer Sozialfonds; Griechenland und FrankreichGD V.E.1 - Analysen und Studien zur sozialen LageGD X.D.3 - Politik im audiovisuellen BereichGD X.B.4 - BibliothekenGD XXII - Neue Technologien im Bereich allgemeine und berufliche Bildung

Sonstige

Teilnehmer einer vom Referat Chancengleichheit für Frauen und Männer (GD V.A.3) derEuropäischen Kommission einberufenen Tagung über „Geschlechtsspezifische Aspekte derInformationsgesellschaft“Mitglieder des Forums der Europäischen Kommission zur Informationsgesellschaft

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Inhaltsverzeichnis

Anschreiben von Professor Luc Soete, Vorsitzender der Gruppe 9

Verzeichnis der Empfehlungen 11

Einleitung..............................................................................................................................15

1. Die Zukunftsvorstellungen der Gruppe hochrangiger Experten: von einerentstehenden Informationswirtschaft zu einer Wissensgesellschaft...........................19

A. Von der Information zum Wissen.........................................................................20

B. Vom technologischen Determinismus zur sozialen Einbettung............................23

2. Eine Europäische Informationsgesellschaft für alle - die wichtigstenpolitischen Herausforderungen......................................................................................27

A. Erwerb von Wissen und Kenntnissen ...................................................................28

B. Die sich wandelnde Rolle des öffentlichen Sektors ..............................................33

1. Regulierung der Märkte der entstehenden Informationsgesellschaft .........332. Öffentliche Informationsdienste: der neue Wachstumsmotor in der

entstehenden IG? .......................................................................................353. Die Gesundheitsdienste..............................................................................39

C. Nutzung der virtuellen Wertkette..........................................................................40

1. Bewertung der immateriellen Produktion ..................................................412. Beseitigung von Hindernissen für den elektronischen

Geschäftsverkehr .......................................................................................433. Der Umgang mit der Abstraktion...............................................................45

D. Die Wandlungsfähigkeit von Organisationen und Arbeit .....................................46

1. Flexible Organisationen .............................................................................462. Fremdbeschaffung......................................................................................493. Flexibilität und Sicherheit..........................................................................514. Die IG und verschiedene Formen der Telearbeit .......................................535. Wandel als Verhandlungsgegenstand ........................................................55

E. Von der Zeit zum Arbeiten zur Zeit zum Leben....................................................56

1. Zeit zum Arbeiten ......................................................................................572. Zeit zum Konsum.......................................................................................59

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3. Zeit zum Leben ..........................................................................................60

F. Globalisierung........................................................................................................63

1. Arbeitsplätze in Europa und die sich herausbildende globaleInformationsgesellschaft ............................................................................66

2. Die globale IG und die einzelstaatlichen Sozial- und Steuersysteme ........70

G. Die Herausforderungen des Zusammenhalts und die Einbeziehung aller.............73

1. Soziale Einbeziehung.................................................................................732. Verbesserung der Beschäftigungschancen.................................................76

H. Die Überbrückung von Entfernungen ...................................................................78

I. Europäische Vielfalt - Nutzung der Vorteile der verschiedenen entstehendenInformationsgesellschaften ........................................................................................82

J. Transparenz und Demokratie .................................................................................85

1. Medienkonzentration .................................................................................852. Die Einbeziehung aller - ein breit angelegtes demokratisches Projekt ......87

3. Fazit ...................................................................................................................................90

Anhang 1 - Liste der Forschungsberichte zum Thema....................................................88

Anhang 2 - Liste der Veröffentlichungen der Europäischen Kommission zumThema Informationsgesellschaft......................................................................................89

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Anschreiben von Professor Luc Soete,Vorsitzender der Gruppe hochrangiger Experten

Maastricht, den 15. April 1997

Sehr geehrter Herr Kommissar Flynn,

ich freue mich, Ihnen im Namen meiner Kollegen diesen Abschlußbericht der hochrangigenExpertengruppe vorlegen zu dürfen, in dem die kollektiven Gedanken, Meinungen undÜberzeugungen dargelegt sind, zu denen die Mitglieder dieser Gruppe im Verlauf derBeratungen während der vergangenen zwei Jahre gelangten.

Seit der Veröffentlichung unseres Zwischenberichts vor einem Jahr hat sich unseres Erachtensdie Debatte über die sozialen Aspekte der entstehenden Informationsgesellschaft (IG) mitschnellem Tempo fortentwickelt. Wir sind der Überzeugung, daß unsere im letzten Jahrvorgestellten „ersten Überlegungen“ auf ihre Weise in begrenztem Maße zu dieser anhaltendendynamischen Debatte beigetragen haben und hoffen, daß die in diesem Abschlußberichtgeäußerten Gedanken willkommenen zusätzlichen Diskussionsstoff bieten. Über die Bedeutungdieses Beitrags werden andere zu befinden haben. Unsere Arbeit findet jedenfalls mit derVeröffentlichung ihren Abschluß.

Wir sind weiterhin der Meinung, daß die sich herausbildende IG eine Vielzahl von Chancen mitsich bringen kann. Wie in unserem vorhergehenden Bericht messen wir bei unserer Vorstellungvon einer alle Bereiche der Gesellschaft einschließenden IG der „sozialen Einbettung“zentrale Bedeutung bei. In diesem Abschlußbericht haben wir versucht, in der Diskussion einenSchritt weiter zu gehen und einen politischen Rahmen vorzuschlagen, der das breite Spektrumder durch die IG gebotenen Chancen und der diesbezüglichen Herausforderungenberücksichtigt. Dabei waren wir bestrebt, unsere umfassende politische Botschaft sehr deutlichdarzulegen und Empfehlungen zu den Kernfragen einer diesbezüglichen Politik zu unterbreiten,die unseres Erachtens berücksichtigt werden müssen, um eine IG zu schaffen, die dieLebensqualität aller Bürger Europas verbessert.

Wir bedanken uns für das fortgesetzte Vertrauen in unsere Gruppe und für die Gelegenheit,einen Beitrag zu der von der Europäischen Kommission geführten Debatte über die sozialenAspekte der IG leisten zu dürfen. Sie haben bei einer früheren Gelegenheit gesagt, daß Sie zuden sich aus den neuen Informations- und Kommunikationstechnologien ergebenden Trendsund Veränderungen den Rat unabhängiger Fachleute einholen wollen, die sich den neuen

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Herausforderungen mit ungetrübtem Blick zuwenden. Wir hoffen, diesen Erwartungen mitunserer Arbeit gerecht zu werden.

Schließlich möchten wir mit Dankbarkeit des Engagements unserer lieben Freundin undKollegin Frau Birgitta Carlson gedenken, die kurz nach dem Abschlußtreffen unserer Gruppeverstorben ist. Ihr fachlicher und persönlicher Beitrag zu unserer Arbeit war von enormerBedeutung. Mit Ihrer Sachkenntnis zu einer Reihe kritischer Probleme war sie maßgeblich ander Erstellung dieses Berichts beteiligt, und ihr Optimismus hat der Gruppe im Verlauf derArbeit geholfen, die an sie gestellten Herausforderungen zu bestehen. Wir bedauern, daß sieden Abschluß dieses Projekts nicht mehr erleben darf.

Für die Gruppe hochrangiger Experten

Professor Luc L. G. SoeteVorsitzender

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Verzeichnis der Empfehlungen

1. Aktive Förderung des Erwerbs von Kenntnissen und Fertigkeiten

a. Schaffung eines Bildungsnetzwerksb. Neue finanzielle Anreize für die Ausbildungc. Verbesserung und Verbreitung von Kenntnissen über Lernmethodend. Erstellung von qualitativ hochwertigen, kostengünstigen Lernmitteln

2. Koordinierende Ordnungspolitik auf EU-Ebene

3. Öffentliche Dienstleistungen als Wachstumsmotor in der entstehenden IG

a. Verlagerung des Schwerpunkts der öffentlichen Dienstleistungen vonder Infrastruktur zu inhaltlichen Funktionen

b. Erhöhung der Effizienz der öffentlichen Dienstleistungen:Produktivitätsschub für ein besseres Angebot

c. Öffentlicher Dienstleistungssektor als Modelld. Verbesserung der Gesundheitsdienste

4. Nutzung der virtuellen Wertkette

a. Messung der immateriellen Leistungenb. Schaffung von Vertrauen in den elektronischen Geschäftsverkehrc. Umgang mit den Auswirkungen der virtuellen Realität

5. Entwicklung flexibler Beschäftigungsformen

a. Erfassung von Fallstudien für Beispiele erfolgreicher organisatorischerNeuerungen

b. Bewältigung des Problems der Fremdbeschaffungc. Sicherheit bei flexiblen Beschäftigungsformend. Neue berufsbedingte Gesundheitsrisikene. Von der Förderung der Telearbeit zu ihrer Integration in die

Gesellschaftf. Der soziale Dialog in der IG

6. Zeitmanagement

a. Flexibilisierung der Arbeitszeitb. Auf der Suche nach Zeit

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c. Gesunde Lebensweise in der IG

7. Erneut im Mittelpunkt: „Vollbeschäftigung“

a. Förderung des Beschäftigungswachstums in der IGb. Schaffung weltweit gleicher Ausgangsbedingungen auf sozialem Gebiet

8. Sicherung der einzelstaatlichen öffentlichen Einnahmen in einem zunehmend globalenUmfeld

9. Einbeziehung aller Bürger

a. Verbesserung der sozialen Einbindungb. Vermeidung von Ausgrenzung/Eingehen auf spezielle Bedürfnissec. Bereitstellung technologischer Mittel für die Sozialpartnerd. Einrichtung eines Europäischen Sozialfonds zur Verbesserung der

Beschäftigungschancen

10. Die Überbrückung von Entfernungen

a. Konzept eines kommunalen Universaldienstesb. Neukonzipierung der Strategie des regionalen Zusammenhalts

11. Europäische Vielfalt - Nutzung der Vorteile der verschiedenen entstehendenInformationsgesellschaften

a. Entwicklung einer qualitativ hochwertigen Multimedia-Industrieb. Förderung eines multikulturellen Europasc. Pflege der kommunalen Werte

12. Transparenz und Demokratie

a. Bewahrung des Pluralismusb. Ein Demokratieprojekt

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Einleitung

Die Gruppe hochrangiger Experten (HLEG) wurde im Mai 1995 mit der Aufgabenstellung

gebildet, die sozialen Aspekte der Informationsgesellschaft (IG) zu untersuchen. Bis zu diesem

Zeitpunkt konzentrierte sich die Diskussion um die entstehende IG vor allem auf die

technologischen und infrastrukturellen Herausforderungen sowie das geeignete wirtschaftliche

Umfeld zur Förderung der Verbreitung und Nutzung der Informations- und

Kommunikationstechnologien (IKT). Wie wir in unserem im Januar 1996 veröffentlichten

Zwischenbericht „Erste Überlegungen“1 festgestellt haben, war die Vernachlässigung sozialer

Fragen bis zu einem gewissen Grad verständlich.

Die durch die digitale Verschmelzung der Informations- und Kommunikationstechnologien

ausgelöste Diskussion ist Ausdruck der langgehegten Besorgnis, daß Europa in wichtigen

Spitzentechnologien, wie z.B. Halbleitertechnik, Mikroelektronik und anderen IKT, die für

seine Wettbewerbsfähigkeit insgesamt für entscheidend erachtet werden, den Anschluß verpaßt.

Trotz einer Reihe langfristiger Maßnahmen zur Förderung der Forschung (Durchführung der

Rahmenprogramme2) während der achtziger Jahre, war oftmals gerade in jenen IKT-nahen

Bereichen eine Verschlechterung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie zu

verzeichnen, die im Rahmen von Forschungs- und Entwicklungsprogrammen (FuE)3 am

stärksten unterstützt wurden. In den neunziger Jahren verlagerte sich die Zielrichtung der Politik

1 „Eine europäische Informationsgesellschaft für alle, Erste Überlegungen der Gruppe hochrangiger Experten,Zwischenbericht „, Januar 1996.

2 Die unter der Bezeichnung FTE (Forschung und technologische Entwicklung) bekannten Rahmenprogrammewaren systematisch auf die IKT als oberste Priorität der europäischen Forschungsförderung ausgerichtet. Dasgegenwärtig laufende vierte Rahmenprogramm widmet über ein Viertel der gesamten Forschungsförderung IKT-Programmen (Informationstechnik, Telematik und ACTS). Für uns schließt die IG mehr als nur die Nutzung dieserTechnologien ein.

3 Siehe z.B. den jüngsten Bericht „Enabling the Information Society: Supporting Market-Led Developments“,Ministry of Economic Affairs, Booz-Allen & Hamilton, Januar-Februar 1997.

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im Zuge der weiteren Harmonisierung des europäischen Binnenmarktes immer stärker auf das

wirtschaftliche Umfeld, insbesondere die in den einzelnen Mitgliedstaaten bestehenden

ordnungspolitischen Rahmenbedingungen im Telekommunikationssektor, die sich mit dem

Entstehen neuer Informations- und Kommunikationsdienste zunehmend als überholt erwiesen.

Heute, da die politischen Debatten über die Notwendigkeit von Deregulierung und

Liberalisierung des Telekommunikationssektors zum Abschluß kommen, tritt die Diskussion in

eine dritte Phase ein und widmet sich der Vielzahl bislang vernachlässigter und mitunter

unerwarteter sozialer Aspekte der IG. Es ist nicht unsere Absicht, mit der Wahl dieses Ansatzes

die Behauptung zu verbinden, daß es zu diesen umfassenderen Problemstellungen über Jahre

hinweg keine Forschungstätigkeit oder politische Debatte gegeben hat. Auch wollen wir damit

keinesfalls behaupten, daß die Kommission sich nicht mit einer Reihe dieser Punkte beschäftigt

hat4. Vielmehr möchten wir zum Ausdruck bringen, daß diese Themen nicht im Mittelpunkt der

politischen Debatte gestanden haben.

In unserem Zwischenbericht haben wir ein Zukunftsbild entwickelt, das auf den enormen

Möglichkeiten beruht, die die neuen IKT bieten können, wie zum Beispiel das Potential für eine

beträchtliche Produktivitätszunahme und für die Entwicklung neuer und verbesserter Produkte

und Dienstleistungen. Gleichzeitig haben wir darauf hingewiesen, daß die Umwandlung dieses

Potentials in einen tatsächlichen Zuwachs an Produktivität, Lebensstandard und Lebensqualität

einen langwierigen Prozeß des Lernens und des institutionellen Wandels erfordert.

Technologien sind ihrem Wesen nach weder gut noch schlecht, so haben wir argumentiert, doch

Art und Umfang ihres Nutzens hängen davon ab, wie sie eingesetzt werden. Hinzu kommt, daß

dieser Nutzen nicht automatisch allen Bereichen der Gesellschaft zugute kommt5.

4 Angefangen vom 1994 ins Leben gerufenen Aktionsplan „Europas Weg in die Informationsgesellschaft“

5 „Eine europäische Informationsgesellschaft für uns alle...“, S. i

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Seit der Veröffentlichung unseres Zwischenberichts hat das Forum zur Informationsgesellschaft

(ISF), eine ebenfalls von der Europäischen Kommission eingesetzte, auf einer breiten Basis

beruhende Nutzer-Experten-Gruppe, seinen ersten Jahresbericht erstellt6, der eine ähnliche und

ergänzende Argumentation enthält. Das Forum wird im Ergebnis seiner weiteren Tätigkeit in

künftigen Beiträgen zweifellos noch detailliertere Vorschläge und Empfehlungen unterbreiten.

Weitere europäische und nationale Experten- und Beratungsgruppen wurden gebildet, von

denen einige dabei sind, politische Schlußfolgerungen zu formulieren7. Ende 1996, nahm die

Kommission ihren Aktionsplan „Europa als Wegbereiter der globalen Informationsgesellschaft“

an, in dem auf die vielen mit der entstehenden IG verbundenen sozialen Herausforderungen

hingewiesen wird8. Mit anderen Worten, der Problemkreis hat sich rasch ausgeweitet, und die

sozialen Aspekte der entstehenden IG rücken an die Spitze der politischen Tagesordnung auf.

Wir begrüßen diese Verlagerung der Prioritäten außerordentlich und hoffen, daß der

Zwischenbericht der Gruppe hochrangiger Experten und die sich daran anschließende Debatte

einen bescheidenen Beitrag dazu geleistet haben. Es mag etwas vermessen sein, wenn wir

schlußfolgern, daß eine der ersten Aufgaben, die wir uns gestellt haben, damit erfüllt ist.

Während die oben genannten Gruppen und andere, die erst noch entstehen dürften, neue

Vorschläge entwickeln werden, ist unsere Arbeit mit der Veröffentlichung dieses

Abschlußberichts beendet. In unserem Zwischenbericht haben wir eine Vielzahl detaillierter

Vorschläge unterbreitet, von denen einige im Mittelpunkt der in akademischen und politischen

Kreisen geführten Debatte stehen. Anstatt diese Vorschläge hier zu wiederholen, haben wir uns

dafür entschieden, den unseres Erachtens notwendigen umfassenden politischen Rahmen zu

6 „Networks for People and their Communities: Making the Most of the Information Society in the EuropeanUnion“, Erster Jahresbericht des Forums zur Informationsgesellschaft an die Europäische Kommission, Juni 1996

7 So z.B. die Gruppe hochrangiger Experten zur Informationsgesellschaft (siehe deren jüngste Empfehlungen vomJanuar 1997), die Andersen-Ienm-Studie „Strategic Developments for the European Publishing Industry towards theYear 2000“ (1996), und the KPMG-Studie „Public Policy Issues Arising from Telecommunications andAudiovisual Convergence“ (September 1996)

8 Wie z.B. die Notwendigkeit des lebensbegleitenden Lernens („Investieren in die Zukunft“) und die Bedeutungder Qualität des privaten und des Erwerbslebens („im Mittelpunkt der Mensch“)

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umreißen, in dem die Diskussion über die entstehende IG geführt werden sollte, sowie ein

Aktionsprogramm mit einer begrenzten Zahl von Empfehlungen zu politischen Kernfragen

vorzulegen9. Wir hoffen, unsere Gesamtbotschaft damit deutlicher kundzutun und einen Beitrag

zu der fortgesetzten europaweiten Diskussion über die sozialen Aspekte der IG zu leisten.

Besonderen Wert legen wir auf die Feststellung, daß diese Botschaft auf der uneingeschränkten

Übereinstimmung aller Mitglieder der Gruppe beruht.

9 Wie der mit Informationen überschüttete Leser vielleicht gemerkt hat, haben wir unseren Bericht verkürzt undmöchten alle Interessenten auf die verschiedenen im Verlauf des letzten Jahres in Auftrag gegebenenHintergrundanalysen verweisen. Diese Beiträge haben der Gruppe den Rahmen für viele ihrer politischenEmpfehlungen geliefert. Sie sind im Anhang aufgeführt und können bei der Europäischen Kommission angefordertwerden.

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1. Die Zukunftsvorstellungen der Gruppe hochrangiger Experten: von

einer entstehenden Informationswirtschaft zu einer

Wissensgesellschaft

Wir läßt sichdie Informationsgesellschaft definieren? Dies ist die Gesellschaft, die gegenwärtig

entsteht und in der sich kostengünstige Technologien zur Speicherung von Informationen und

Daten und deren Übertragung allgemein durchsetzen. Die Tatsache, daß alle Bereiche von der

Nutzung von Informationen und Daten durchdrungen werden, geht mit organisatorischen,

wirtschaftlichen, sozialen und rechtlichen Neuerungen einher, die sowohl das Erwerbsleben als

auch das allgemeine gesellschaftliche Leben grundlegend verändern werden.

Es könnte in Zukunft verschiedene Modelle der Informationsgesellschaft geben, so wie es heute

verschiedene Modelle der Industriegesellschaft gibt. Sie werden sich wahrscheinlich nach dem

Maß unterscheiden, in dem die soziale Ausgrenzung Benachteiligter vermieden und diesen neue

Chancen eröffnen werden. Wenn wir von einer europäischen IG sprechen, dann möchten wir in

Übereinstimmung mit dem Weißbuch zu Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung

auf die Bedeutung der sozialen Dimension hinweisen, die für das europäische Modell

kennzeichnend ist10. In einer solchen Gesellschaft muß der Solidargedanke stark verankert sein,

was nicht leicht zu erreichen ist, da die traditionellen Strukturen des Wohlfahrtsstaats

grundlegend verändert werden müssen. Es darf sich außerdem nicht um eine passive Form der

Solidarität handeln; vielmehr wird zur Anpassung an diese Veränderungen aktive Solidarität

erforderlich sein.

10 Des weiteren stellte die Kommission fest: „Das europäische Einigungswerk gründet sich auf allen europäischenGesellschaften gemeinsamen Wertvorstellungen, die die Grundwerte der Demokratie - Menschenrechte undRechtsstaatlichkeit - mit den Prinzipien der Marktwirtschaft, der Solidarität und des Zusammenhalts verbinden. Zudiesen Werten gehört auch der gleichberechtigte Zugang der Bürger zu Universaldiensten sowie zu Versorgungs-und Dienstleistungen, die der solidarischen Daseinsvorsorge dienen.“ (KOM (96) 90 endg., 28. Februar1996)

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Bevor wir jedoch auf diese und andere politische Herausforderungen eingehen, möchten wir uns

kurz zwei weiteren begrifflichen Besonderheiten zuwenden - der Unterscheidung zwischen

Daten, Informationen und Wissen sowie der Notwendigkeit der „sozialen Einbettung“ - die

unseres Erachtens für jegliche Debatte über die IG von wesentlicher Bedeutung sind und die das

Kernstück unserer politischen Analyse darstellen.

A. Von der Information zum Wissen

Zunächst ist eine klare Unterscheidung zwischen „Daten“, „Informationen“ und „Wissen“ zu

treffen. Unserer Auffassung nach führt die Erzeugung unstrukturierter Daten nicht automatisch

zur Schaffung von Informationen, so wie man Informationen nicht grundsätzlich mit Wissen

gleichsetzen kann. Informationen lassen sich stets einteilen, analysieren, überdenken und

anderweitig verarbeiten, um sodann Wissen zu erzeugen. Sowohl Daten als auch Informationen

sind in dieser Hinsicht mit den Rohstoffen vergleichbar, die in der Industrie zu nutzbaren

Produkten verarbeitet werden11.

Eine der Hauptwirkungen der neuen IKT besteht in einer milliardenfachen Kostenreduzierung

und Geschwindigkeitssteigerung bei der Speicherung und Übermittlung von Informationen,

durch die nach Aussage des Bangemann-Berichts („Europa und die globale

Informationsgesellschaft“, Brüssel, 1994) eine Multiplikatorwirkung entsteht, die „jeden

Wirtschaftszweig stärken wird“. Auf die Erzeugung und den Erwerb von Wissen, geschweige

denn auf den Fundus an menschlicher Weisheit hatten diese neuen Technologien allerdings

keine derartigen Auswirkungen12. Es wäre natürlich wünschenswert, daß sich die Gesellschaft

immer mehr in eine „weise Gesellschaft“ verwandelt, in der wissenschaftlich belegte Daten,

11 Gleichzeitig ist es, wie im folgenden betont, wichtig, auf den Unterschied zwischen der Herstellung und Nutzungmaterieller Rohstoffe und der immaterieller Informationen (Daten) hinzuweisen: Letztere können ohne erheblicheKosten für den Hersteller reproduziert werden.

12 Also der „Extrakt“ aus Lebenserfahrung, natur- und gesellschaftswissenschaftlichen Erkenntnissen, Ethik undPhilosophie.

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Informationen und Wissensinhalte zunehmend dafür genutzt werden, fundierte Entscheidungen

zu treffen, um die Qualität aller Aspekte des Lebens zu verbessern. Ein solche Weisheit würde

zur Gestaltung einer mit der Umwelt in Einklang stehenden Gesellschaft beitragen, der das

Wohl ihrer Mitglieder am Herzen liegt und die den sozialen und kulturellen Aspekten des

Lebens einen ebenso hohen Wert beimißt wie den materiellen und wirtschaftlichen Aspekten.

Wir hoffen, daß sich die entstehende Informationsgesellschaft in einer Weise entwickeln wird,

die eine solche Vorstellung der Weisheit voranbringt.

Eine der größten Herausforderungen für die IG wird darin bestehen, daß die für eine effektive

Informationsnutzung erforderlichen Kenntnisse und das entsprechende „implizite“ Wissen

vermittelt werden müssen. Unter diesem Blickwinkel stellen sich die IKT als wesentliche

Ergänzung zu den Investitionen dar, die im Bereich der Humanressourcen zur Gewährleistung

des erforderlichen Qualifikationsniveaus getätigt werden. Hier wird aber auch der Unterschied

zu den großen technologischen Wandlungen der Vergangenheit deutlich, ging doch das

konzentrierte Auftreten neuer Technologien stets mit der Akkumulation von Sachkapital einher.

Die Entwicklung der Eisenbahn führte beispielsweise zu verstärkten Investitionen in den

vorgelagerten Bereichen von der Rohstoffgewinnung bis zu hin zur Produktionsgüterindustrie

und somit zu einem starken Aufschwung der Wirtschaft insgesamt. Die allgemeine Verbreitung

des Pkw, die eine Nachfrage nach besseren Straßen, gut erreichbaren Autobahnen und leicht

zugänglichen Tankstellen und Reparaturwerkstätten „auslöste“, erwies sich als Triebfeder

verstärkten Wachstums, das sowohl auf dem gestiegenen Endverbrauch als auch auf der

Nachfrage nach einer Vielzahl von Zwischenmaterialien und Investitionsgütern beruhte.

Im Unterschied zu den früheren Technologien sind die Informations- und

Kommunikationstechnologien im allgemeinen nicht so eng mit der direkten Nachfrage nach

physischen, materiellenGütern sowie Sachkapital verbunden, und eben aus diesem Grund

heben sich Daten sehr stark von konventionellen Rohstoffen ab. Die Nutzung von

Informationen impliziert nicht ihren „Verbrauch“ im herkömmlichen Sinne. Informationen

können nicht nur wiederverwendet werden, sondern es ist sogar möglich, daß zwei oder mehrere

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Personen dieselben Informationen gleichzeitig nutzen. Während Marktwirtschaft traditionell

darauf ausgerichtet war, das Problem der Knappheit zu lösen, kommt es bei Informationen

naturgemäß zum Problem des

Überangebots, so daß zu klären sein wird, auf welche Weise Mittel zur Bewältigung dieses

Überangebots entwickelt werden sollten.

Was die Hardware betrifft, so erscheint es unwahrscheinlich, daß die gestiegene Nachfrage nach

Computern, Funktelefonen, Lichtwellenleitern und Internetanschlüssen, dadurch daß sie

wiederum eine Nachfrage nach Kunststoffen für die Computerherstellung und nach Glasfasern

oder Eisenoxid zur Halbleiterfertigung „auslöst“, zu einem starken Wachstumsimpuls führt.

Trotz der erheblichen Anlageinvestitionen, die für einige dieser Produkte (z.B. Halbleiter)

erforderlich sind, ist die materielle, physische Kapitalakkumulation nicht mehr der wesentliche

„komplementäre Vermögenswert“für diese neuartigen Technologien. Da das Wissen darüber,

wie Informationen zu nutzen sind, von der persönlichen Qualifikation sowie von dem abhängt,

was wir als „implizites“ Wissen bezeichnen, ist der neue komplementäre Vermögenswert für

das Wachstum und die Nutzung neuer IKT die Investition in das immaterielle Kapital, das

Humankapital.13.

Aus diesem Grund weisen wir ausdrücklich darauf hin, daß die Informationsgesellschaft als

lernende Gesellschaftanzusehen ist. Der Lernprozeß bleibt nicht länger auf die traditionelle

Schulzeit begrenzt, sondern ist, wie im Weißbuch der Kommission zur allgemeinen und

beruflichen Bildung, „Auf dem Weg zur kognitiven Gesellschaft“ (1995), und im OECD-

Bericht über das lebensbegleitende Lernen (1996) betont wird, ein lebenslanger Prozeß, der vor

dem formalen Einschulungsalter beginnt und sowohl am Arbeitsplatz alsauch zu Hause

13 Nach dem schnellen Anstieg des Angebots qualifizierteren und besser ausgebildeten Personals während derNachkriegszeit und dem rapiden Rückgang des Verhältnisses zwischen Real- und Humankapital hat sich dieserKoeffizient im Verlauf der letzten 20 Jahre beträchtlich verringert und wird jetzt auf ca. 1:2 geschätzt, während er inden zwanziger Jahren dieses Jahrhunderts noch 1:5 und in den siebziger Jahren 1:3 betragen hatte (Zahlen fürDeutschland, Büttler/Tessaring, 1993).

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stattfindet. Unseres Erachtens fand unser Standpunkt weitgehende Zustimmung14. Wir

befürchten jedoch, daß es in Europa nicht genügend Anreize dafür gibt, in ein solches

lebensbegleitendes Lernen zu investieren15. Es wird deshalb niemanden überraschen, wenn wir

unsere Liste politischer Empfehlungen mit denen einleiten, die diese spezielle Herausforderung

betreffen und weit über die traditionellen Forderungen nach Multimedia-Softwareanwendungen

und Infrastrukturunterstützung für die allgemeine und berufliche Bildung hinausgehen.

B. Vom technologischen Determinismus zur sozialen Einbettung

Die von der Gruppe hochrangiger Experten ausdrücklich vertretene Vorstellung von der

sozialen Integration richtet sich dagegen, die Technologie als exogene Variable anzusehen, der

sich die Gesellschaft und die Individuen sowohl am Arbeitsplatz als auch im häuslichen Bereich

anzupassen haben. Statt dessen stuft sie die Technologie als sozialen Prozeß ein, der „durch die

Erfüllung realer oder imaginärer Bedürfnisse diese Bedürfnisse verändert, so wie er von ihnen

verändert wird. Die Gesellschaft wird nach dieser Sichtweise durch den technischen Wandel

geprägt, so wie der technische Wandel durch die Gesellschaft geprägt wird. Die technische

Innovation - bisweilen von wissenschaftlichen Entdeckungen vorangetrieben, bisweilen aber

auch durch die Nachfrage ausgelöst - entstammt dem wirtschaftlichen und sozialen System und

ist nicht nur eine Anpassung an Veränderungen, die auf außerhalb dieses Systems liegenden

Ursachen beruhen“ (Sundqvist-Bericht, OECD, S. 117)16.

14 Siehe unter anderem die vom Europäischen Rat anläßlich seiner Tagung in Florenz an die Kommissionergangene Aufforderung, einen Aktionsplan über das Lernen in der Informationsgesellschaft zu erstellen. Dies istnunmehr einer der Hauptbestandteile des neuen Aktionsplans „Europa als Wegbereiter der globalenInformationsgesellschaft“.

15 Siehe auch den Delors-Bericht „Learning: The Treasure Within“, Report to UNESCO of the InternationalCommission on Education for the Twenty-First Century, UNESCO, 1996.

16 So der Wortlaut im ersten OECD-Bericht über die sozioökonomischen Aspekte neuer Technologien, der unterder Bezeichnung Sundqvist-Bericht bekannt ist: OECD, „New Technologies: a socio-economic strategy for the90s“, Paris, 1989

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Als Beispiel dafür, wie wichtig diese soziale Einbettung ist, kann die jüngste Geschichte der

ehemals sozialistischen Länder Osteuropas dienen. Überraschenderweise wiesen Wachstum und

Entwicklung in diesen Ländern nur ein sehr niedriges Niveau auf, und dies trotz der hohen

Investitionen, die in den 20 Jahren vor dem Fall der Berliner Mauer und dem Beginn des

Übergangsprozesses in Wissenschaft und Technik sowie die Hochschulbildung flossen.

Offensichtlich waren Wissenschaft und Technik durch die mangelnde wirtschaftliche

Integration und insbesondere durch das Fehlen eines Marktes, der das technisch Machbare vom

wirtschaftlich Möglichen trennt, zur Isolation verurteilt. Aber das Versagen von Wissenschaft

und Technik in bezug auf den Markt war nur eine Seite dieser Isolation. Eine andere, auf die wir

hier eingehen möchten, war das Fehlen jeglicher sozialen und organisatorischen Integration des

technologischen Wandels. Infolgedessen wurden Wissenschaft und Technik der Gesellschaft,

insbesondere den Arbeitnehmern, in weitaus stärkerem Maßeaufgezwungen,als dies in den

sogenannten „kapitalistischen“ Gesellschaften der Fall ist, und konnten deshalb in den

Betrieben zu keinen Effizienzgewinnen führen17. Die technologische Entrechtung ging einher

mit der politischen Entrechtung.

Auf der Prozeßebene kann das technologisch bedingte Verschmelzen der neuen Informations-

und Kommunikationstechnologien eher als ein durch „flexible Anwendbarkeit“

gekennzeichneter Änderungsprozeß beschrieben werden als ein externer Veränderungsfaktor,

das heißt die konkrete Umsetzung und der wirtschaftliche Erfolg hängen entscheidend von den

besonderen Bedingungen der Anwendung und Nutzung ab. Während diese flexible

Anwendbarkeit die Festlegung von „Standardverfahren“ zur Erleichterung des Lernprozesses

nur in begrenztem Maße erlaubt18, macht sie die entscheidende Bedeutung der sozialen und

17 Obwohl die gegenwärtige Diskussion über Datenautobahnen und die globale Informationsinfrastruktur in dendemokratisch regierten Ländern zweifellos viel umfassender und tiefgreifender ist als vorangegangene oder garjemals in den sozialistischen Ländern geführte Diskussionen, bleibt sie in vielerlei Hinsicht auf Experten begrenzt.

18 Dies ist eine Erklärung dafür, warum der Prozeß der ISO-Zertifizierung nur in sehr begrenztem Maße zuEffektivitätsverbesserungen geführt hat; siehe unter anderem Y. Lasfargue, „ISO, SADO, MASO...“,Le Monde, 29.Juni 1994

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organisatorischen „Einbettung“ deutlich. Diese wird letztendlich zur Voraussetzung für den

wirtschaftlichen Erfolg und die Schaffung neuer Arbeitsplätze. Auf der Produktebene ist es

offensichtlich, daß die erwerbswirtschaftliche Umsetzbarkeit eines neuen Prozesses oder

Produkts eine wesentliche Bedingung für die erfolgreiche Einbeziehung in wirtschaftliche

Tätigkeit ist. Dabei spielen aber auch Zusammenhänge sozialer, ethischer und sozialpolitischer

Art eine wichtige Rolle. In der Literatur wird in diesem Zusammenhang ebenfalls auf die

mangelnde Berücksichtigung von Verbraucherbedürfnissen als wichtigstem Faktor beim

Scheitern innovativen Handelns hingewiesen.

Wenn wir das Argument akzeptieren, daß die Entwicklung technologischer Fähigkeiten einen

komplexen endogenen Veränderungsprozeß einschließt, der sowohl im Rahmen von

Organisationen als auch auf gesamtgesellschaftlicher Ebene zu bewältigen und zu meistern ist,

dann ist es offensichtlich, daß sich politische Maßnahmen nicht auf die wirtschaftliche

Integration des technologischen Wandels beschränken können und dürfen, sondern alle Aspekte

seiner umfassenderen sozialen Integration einschließen müssen. Aus diesem Grund lehnen wir

es ab, Technologie als externe Variable anzusehen, an die sich die Gesellschaft und die

Individuen am Arbeitsplatz oder im häuslichen Bereich anpassen sollen.

In unserem Zwischenbericht haben wir darauf hingewiesen, daß in der gegenwärtigen Debatte

über die europäische Informationsgesellschaft die soziale Integration zu kurz kommt, und den

technologischen Determinismus kritisiert, der die Sprache der Experten weitgehend bestimmt

und wenig Raum für politisches Handeln bietet19. Wir haben die Auffassung geäußert, daß der

19 Diese faßten wir wie folgt zusammen: „... so sind wir aufgrund des internationalen Wettbewerbs gezwungen,neue Informationstechnologien so schnell wie möglich durchzusetzen. Es sei illusorisch, anzunehmen, daß wir dasTempo eines solchen Wandels steuern könnten, und daher gehe es im Grundsatz lediglich um die Liberalisierungund Deregulierung. Jede Verzögerung sei ausgesprochen kostspielig. Auf sozialer Ebene seien die Kosten einesmöglichen „lokalen“ Abbaus von Arbeitsplätzen minimal, wenn man sie mit dem beschäftigungspolitischen „Preis“insgesamt vergleicht, den unbewegliche Gesellschaften im Hinblick auf einen Verlust der Wettbewerbsfähigkeitzahlen müßten, weil sie sich nicht schnell genug den neuen IKT zuwenden. Mit anderen Worten sei dieserArbeitsplatzabbau als vergleichsweise geringes Opfer hinzunehmen, das durch den positiven globalen Effekt der IGund durch die wachsende Zahl von Arbeitsplätzen in neuen Bereichen mehr als aufgewogen werde.“ („Eineeuropäische Informationsgesellschaft für alle...“, S. 2)

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Eindruck zumindest mangelnder öffentlicher Unterstützung für die IG auch auf die Dominanz

technologischer Erwägungen in der Grundsatzdebatte über die europäische IG zurückzuführen

ist. Wir betrachten dies weiterhin als unseren wichtigsten Beitrag. Es ist die Aufgabe unserer

Gruppe aufzuzeigen, daß es im Zusammenhang mit einer künftigen europäischen

Informationsgesellschaft zahlreiche sozialpolitische Herausforderungen gibt, darauf

hinzuweisen, daß diese über die vereinfachte Vorstellung einer schnellen Anpassung an eine

von der „externen“ Macht des technologischen Wandels bestimmte Zukunft hinausgehen, in der

die Menschen keinen Einfluß und keine Möglichkeit der Mitwirkung haben, sowie die

unzähligen Möglichkeiten der Gestaltung einer europäischen Informationsgesellschaft für alle

vorzustellen.

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2. Eine Europäische Informationsgesellschaft für alle - die wichtigsten

politischen Herausforderungen

In diesem Teil unseres Abschlußberichts haben wir die politischen Herausforderungen nach

einer Reihe von Parametern eingeordnet, die über die traditionellen politischen Abgrenzungen

hinausgehen. Trotz der unzähligen zu diesem Thema durchgeführten Untersuchungen hat sich

unseres Erachtens noch nicht in ausreichendem Maße die Erkenntnis durchgesetzt, daß die

neuen IKT einvollkommen anderesSystem von Parametern für potentielle Wachstums- und

Entwicklungsmöglichkeiten verkörpern. Mit jedem dieser Faktoren sind große politische

Bewährungsproben verbunden. Wir haben zehn davon benannt: die besondere Bedeutung des

Erwerbs von Wissen und Fertigkeiten; die sich wandelnde Rolle der öffentlichen

Dienstleistungen; die sich herausbildende virtuelle Wertschöpfungskette; die Möglichkeit der

Dezentralisierung und ihre Folgen für die Arbeitsorganisation; die wachsende Notwendigkeit

des Zeitmanagements; die Folgen der Globalisierung für das Beschäftigungswachstum und die

Kapitalbewegungen; die besonderen Bedenken im Hinblick auf die soziale Ausgrenzung; die

Möglichkeit der Überbrückung geographischer Entfernungen; die Notwendigkeit der

Ausnutzung der europäischen Vielfalt und nicht zuletzt die Folgen einer wachsenden

Transparenz für die Demokratie.

Diese Punkte stellen unseres Erachtens eine umfangreiche Tagesordnung dar, die das Handeln

einer Reihe von Akteuren, sei es nun auf lokaler bzw. regionaler Ebene oder auf nationaler bzw.

europäischer Ebene, herausfordern. Daß wir angesichts des Umfangs der hier vorgelegten

Themenkomplexe nur eine begrenzte Zahl von speziellen Empfehlungen geben, beruht auf

unserer Überzeugung, daß in diesem Stadium der politischen Debatte ein umfassendes

strategisches Zukunftsbild erforderlich ist.

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A. Erwerb von Wissen und Kenntnissen

Der Übergang der sich herausbildenden Informationsgesellschaft zu einer Form, die

zutreffenderweise als „Wissensgesellschaft“ bezeichnet werden könnte, erfordert sowohl vom

öffentlichen als auch vom privaten Sektor beträchtliche Investitionen in die weiter oben bereits

beschriebenenkomplementären Vermögenswerte: allgemeine und berufliche Bildung und

lebensbegleitendes Lernen. Obgleich die neuen IKT, insbesondere Computer, als neuartige

Lernmittel für alle Altersgruppen eine Vielzahl von Möglichkeiten bieten, glauben wir, daß es

angesichts der speziellen Hemmnisse, von denen die traditionellen Investitionen in Bildung und

Humanressourcen in Europa immer stärker betroffen sind, außerordentlich wichtig ist,

abgestimmte Anstrengungen zu unternehmen:

- Erstens ist die Überalterung der europäischen Erwerbsbevölkerung zu

berücksichtigen. Es ist offensichtlich, daß sich der Abstand zwischen der

Erneuerungsrate der Erwerbsbevölkerung (die auf 2 % jährlich geschätzt wird)

und der gesamtgesellschaftlichen Wissenserwerbsrate (die sich nach einigen

Quellen alle zehn bis fünfzehn Jahre verdoppelt) vergrößert. Wenn

Weiterbildungsmaßnahmen und Lernen nicht während des gesamten

Erwerbslebens stattfinden, wird im Verlauf der nächsten zehn Jahre eine

Minderheit der europäischen Arbeitnehmer über den Löwenanteil an neuem

Wissen verfügen. Im Grünbuch „Leben und Arbeiten in der

Informationsgesellschaft: Im Vordergrund der Mensch“ heißt es dazu: „Die

Arbeitskräfte werden immer älter, die Technologie wird immer jünger.“ Der

Erwerb von Wissen und Fertigkeiten sollte daher nicht länger auf die formale

Ausbildung (Grundschule, weiterführende Schule, Hochschule) beschränkt

bleiben, sondern alle Teile der Bevölkerung einbeziehen: Jugendliche,

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Menschen mittleren Alters sowie ältere Personen; alle Personen unabhängig von

der beruflichen Qualifikationsebene; Erwerbstätige und Arbeitslose20.

- Zweitens ist der Erwerb von Wissen, insbesondere in der sich herausbildenden

Informationsgesellschaft, nicht einfach ein Akkumulationsprozeß. In vielen

Bereichen, in denen Informationen be- und verarbeitet werden, wie z.B. bei der

Software-Entwicklung, veraltet das Wissen sehr schnell. Kenntnisse, vor nur

zehn Jahren erworben und nicht auf dem neuesten Stand gehalten, werden

schnell wertlos. Erkennbar ist dies bereits in den Arbeitsverwaltungen, die in den

neunziger Jahren verstärkt von Fachkräften in Anspruch genommen werden,

deren Qualifikationsniveau nicht mehr den Anforderungen entspricht.

- Drittens hat die zunehmende Tendenz in Richtung auf die sogenannte „externe“

Arbeitsmarktflexibilität, die mit einer größeren Mobilität und Transparenz auf

den Arbeitsmärkten einhergeht, zweifellos dazu geführt, daß die Unternehmen

bei Investitionen in Humanressourcen sehr vorsichtig geworden sind, da

möglicherweise gerade Konkurrenzunternehmen von den betreffenden

Investitionen profitieren. Für viele der größten europäischen Unternehmen hat

sich der Anreiz, Allgemeinwissen und Humanressourcen zu fördern, verringert.

Länder und Unternehmen mit einer hohen Fluktuationsrate weisen gewöhnlich

bei den Ausgaben für Qualifikation ein niedriges Niveau auf21.

- Viertens veranlassen die zur Erfüllung der Konvergenzkriterien für die

Europäische Währungsunion getroffenen Maßnahmen zur

20 Siehe unter anderem J. Delors, „Learning: the Treasure Within“, 1996.

21 Wie von der OECD festgestellt wurde, zeigen Daten aus Frankreich und den USA, daß branchenübergreifend einZusammenhang zwischen der Dauer der Beschäftigungsverhältnisse/Fluktuation und der Ausbildung besteht. Imallgemeinen erhöht sich das Ausbildungsniveau in Abhängigkeit von der Befestigungsstabilität; sieheEmploymentOutlook, OECD, Juli 1993, S. 148.

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Haushaltskonsolidierung viele Mitgliedstaaten, die für Bildung und Forschung

im Hochschulsektor bereitgestellten öffentlichen Mittel zu kürzen. Dies

geschieht genau zu einer Zeit, da immaterielle Investitionen, und darauf wurde

bereits verwiesen, einen wesentlichen komplementären Vermögenswert

darstellen, der unabdingbar ist, um künftiges Wachstum und

Wettbewerbsfähigkeit in der entstehenden globalen Informationsgesellschaft zu

sichern.

Aus den genannten Gründen möchten wir zunächst eine Reihe von Empfehlungen vorlegen, die

Möglichkeiten zur Schaffung neuer Anreize aufzeigen, um Investitionen in Qualifikation,

Humanressourcen und Ausbildung einen kräftigen Auftrieb zu geben. Diese könnten von

direkten öffentlichen Investitionen in neue IKT-Geräte, insbesondere Computer, in Schulen und

in das Bildungswesen allgemein (nicht nur Hardware oder Netze) bis zu Public/Private

Partnerships für die Gestaltung neuer Aus- und Weiterbildungssysteme reichen. Wir möchten

jedoch von Anfang an klarstellen, daß unseres Erachtens der Erwerb von Wissen und

Kenntnissen zwar eine notwendige Voraussetzung für die Schaffung von Arbeitsplätzen

darstellt, allein jedoch keinesfalls ausreicht.

EMPFEHLUNGEN

1. Aktive Förderung des Erwerbs von Kenntnissen und Fertigkeiten

Es ist dringend erforderlich, die Gewichte bei den in Europa vorherrschendenInvestitionsstrategien für allgemeine und berufliche Bildung, Humanressourcen bzw. Wissenund Kenntnisse im weiteren Sinne neu zu verteilen. Zu diesem Zweck müssenInvestitionsinitiativen ins Leben gerufen werden, die je nach den speziellenVerantwortlichkeiten und Aufgaben öffentliche und private Ressourcen auf regionaler,einzelstaatlicher und europäischer Ebene miteinander verbinden. Darüber hinaus bedarf es neuerStrategien, um den Unternehmen und dem einzelnen einen größeren Anreiz für Investitionen inHumanressourcen zu bieten.

1a. Schaffung eines Bildungsnetzwerks

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Im Bereich des Bildungswesens müssen größere Anstrengungen unternommen werden, umdurch Ausstattung mit IKT-Geräten und Gewährung von Sonderregelungen für den Zugang zuden Datenautobahnen Schulen in ganz Europa miteinander zu verbinden, die Entwicklung undHerstellung multimedialer Software für die allgemeine und berufliche Bildung zu fördern unddie Lehrer für die Gestaltung und Entwicklung solcher Programme zu schulen (bzw.umzuschulen). Dafür ist ein gemeinsames Vorgehen erforderlich, zu dem private undöffentliche Einrichtungen einen finanziellen und inhaltlichen Beitrag leisten. Dieser Prozeßwürde den Vorsprung bestimmter Regionen wahrscheinlich noch vergrößern, so daß eininnereuropäischer Lern- und Aufholprozeß in Gang gesetzt werden muß. Da im Bereich derBildungspolitik nationale und regionale Unterschiede weiterbestehen werden und dies oftmalsAusdruck kultureller Vielfalt ist, schlagen wir vor, eine europaweite Agentur und ein Netz fürdas Lernen (European Learning Agency and Network - ELAN) zu schaffen, um das Wissenüber IKT-Spitzenanwendungen in Bereichen zu fördern und zu verbreiten, die für dieallgemeine und berufliche Bildung überall in Europa von besonderem Interesse sind.

1b. Neue finanzielle Anreize für die Ausbildung

Im Bereich der Ausbildung und der Entwicklung von Humanressourcen sind sowohl für dieUnternehmen als auch für den einzelnen in Form unterschiedlicher Programme stärkere Anreizeerforderlich, mit denen Investitionen seitens des einzelnen zur Akkumulation dieserimmateriellen Vermögenswerte stimuliert werden und deren Wert unterstrichen wird. Es mußdringend die Erkenntnis gefördert werden, daß Investitionen in immaterielles Kapital, wie z.B.Humanressourcen, als Aufwendungen für „reales“ Kapital angesehen werden sollten, die sichinsbesondere im Aktienwert der Unternehmen niederschlagen. Wir schlagen vor, daß dieKommission im Hinblick auf die Probleme, die mit der bereits von der OECD angeregtenVerknüpfung zwischen der Finanzierung des lebensbegleitenden Lernens und der Beschäftigungverbunden sind, die Initiative ergreifen sollte. Da die Wahrscheinlichkeit desArbeitsstellenwechsels während des Erwerbslebens größer geworden ist, sind neue Formen derZusammenarbeit zwischen Hochschuleinrichtungen, Ausbildungsstätten und einzelnenUnternehmen zu entwickeln. Für Maßnahmen der Qualifikationserhaltung undAnpassungsfortbildung müssen öffentliche und private Einrichtungen gemeinsam dieVerantwortung übernehmen22. Die neuen IKT bieten eine Vielzahl von Möglichkeiten für dualeAusbildungssysteme, wobei enge Partnerschaften dieser Art gebildet und im Verlauf desgesamten Erwerbslebens aufrechterhalten werden können. Die neuen Technologien bietenaußerdem die Chance zur Entwicklung von Ausbildungsprogrammen, die besser auf dieBedürfnisse Arbeitsloser mit geringem Ausbildungsniveau abgestimmt sind, da diese bei derAneignung von EDV-Kenntnissen möglicherweise besondere Schwierigkeiten haben. Nutzbar

22 In diesem Zusammenhang sind einige der von Europace vorgelegten Gedanken (G. van der Perre, 1996, „HigherEducation: Matching the Needs of the Knowledge Society with the Tools of the IS“, Dublin, People FirstConference, Oktober 1996) über die Erteilung von Abschlüssen mit „Qualifikationserhaltungsverträgen“ durchHochschuleinrichtungen zweckdienlich.

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sind diese Möglichkeiten auch für alle Gruppen, die grundlegende IKT-Kenntnisse für dieTätigkeit zu Hause, am Arbeitsplatz oder in öffentlichen Einrichtungen benötigen.

1c. Verbesserung und Verbreitung von Kenntnissen über Lernmethoden

Im Hinblick auf das lebensbegleitende Lernen besteht Bedarf an mehr Grundlagenforschungüber das Lernen selbst sowie über den diesbezüglichen Einfluß der IKT. Von herausragenderBedeutung ist die Einsicht, daß der Lernprozeß und die Aneignung von Wissen in der sichherausbildenden Informationsgesellschaft nicht ausschließlich in der Schule oder amArbeitsplatz stattfinden. Das Lernen durch Informationskonsum einschließlich Unterhaltung,durch Kommunikation, durch Interaktion und im weiteren Sinne durch soziale oder andere nichtmit der Erwerbstätigkeit zusammenhängende Aktivitäten hat zunehmend an Bedeutunggewonnen und umfaßt oftmals allgemeine Lerninhalte, die die spezifischere arbeitsbezogene, imRahmen der beruflichen Tätigkeit erworbene Qualifikation wesentlich ergänzen. Die Forschungsollte sich unter anderem folgenden Fragen zuwenden: Wie kann man es lernen, richtig zulernen, und nicht nur Fakten im Gedächtnis zu speichern? Mit welchen Methoden kann man dieBeherrschung der „kathodischen“ Abstraktion, virtueller Bilder, Interaktivität und Fragilitätentwickeln und vermitteln, und zwar auch solchen Menschen, die der neuen Technologieängstlich gegenüberstehen? Wir möchten darauf hinweisen, daß es wichtig ist, zwischen diesenverschiedenen Formen des Lernens zu unterscheiden, und ausdrücklich betonen, daß dasFernlernen kein Ersatz für das schulische Umfeld in der Grundschule und der weiterführendenSchule sein kann, denn Schulen fördern die soziale und kulturelle Entwicklung. Diese Funktionkann das Fernlernen nicht übernehmen. Die Entwicklung allgemeiner kommunikativerFähigkeiten, die soziale Integration und das Erlernen der Nutzung der IKT erfordern diephysische Anwesenheit der überwiegenden Zahl der Schüler und den direkten Kontakt zumLehrer und zu den Klassenkameraden. Kollektives Lernen und Gruppenarbeit sind oftmalsebenso wirksam wie das Selbststudium.

1d. Erstellung von qualitativ hochwertigen, kostengünstigen Lernmitteln

Aufgrund der Expansion des Marktes für allgemeine und berufliche Bildung müssen neueAnbieter auf diesem Gebiet vom Staat durch politische und finanzielle Anreize gefördertwerden. Im Mittelpunkt sollte ein breites Spektrum von Lern- und Informationsmaterial stehen,das Nachrichten, Unterhaltung, allgemeine und berufliche Bildung und sonstige Aktivitäten imKultur- und Freizeitbereich einschließt. Der Zugang aller Mitglieder der Gesellschaft zuqualitativ hochwertigen, kostengünstigen Lernmitteln für das Selbststudium ist von wesentlicherBedeutung. Die mit der Gestaltung und Entwicklung solcher Materialien verbundenen Kostensind jedoch in allen Bereichen der allgemeinen und beruflichen Bildung hoch, so daßerschwingliche Endprodukte nur im Wege der Massenproduktion hergestellt werden können.Zur Vermeidung neuer, mit diesen Kosten für den Zugang zu Lernmitteln für das Selbststudium

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verbundener Formen der Ausgrenzung müssen besondere Anstrengungen unternommenwerden.

B. Die sich wandelnde Rolle des öffentlichen Sektors

Wie die bisherigen Ausführungen verdeutlichen, hat der öffentliche Sektor in der sich

herausbildenden IG in seiner Funktion als Wettbewerbshüter die Aufgabe, „Bedingungen zu

schaffen, unter denen die Investitionstätigkeit, der Markt und die Dienstleistungen florieren

können“. Unseres Erachtens würde die Rolle des Staates in diesem Prozeß jedoch auf einen zu

minimalistischen Ansatz beschränkt, wenn man die Entwicklung der IG dem privaten Sektor

überließe, wie dies ursprünglich im Bangemann-Bericht (1994) befürwortet und später in

zahlreichen offiziellen EU-Berichten ausführlich behandelt wurde.

1. Regulierung der Märkte der entstehenden Informationsgesellschaft

Der Staat spielt bei der Sicherung des Wettbewerbs in der sich herausbildenden

Informationsgesellschaft zweifellos eine maßgebliche Rolle. Aus der digitalen Verschmelzung

zwischen der Technologie zur Ausstrahlung visueller Bilder (Fernsehen) und der Technologie

zur Daten- und Sprachübertragung (Telefonie) ergeben sich grundlegende ordnungspolitische

Probleme. Bei der Entwicklung, Verteilung und Vermarktung von Informationen kommt es

relativ häufig zu einem Versagen des Marktes, und dabei insbesondere zur Herausbildung

marktbeherrschender Positionen sowie zu Versuchen der vertikalen Integration zwischen bereits

etablierten und neu hinzukommenden Anbietern innerhalb der einzelnen Marktsegmente

(Entwicklung der Inhalte, Dienstleistungen, Verteilungsnetze und Gerätefertigung) bzw.

marktsegmentübergreifend. Es ist schwierig, einen so komplexen und sich schnell

entwickelnden Bereich zu regulieren, doch hat die Kommission im Prozeß der Liberalisierung

des Telekommunikationssektors eine wichtige Rolle gespielt, indem sie den

marktbeherrschenden nationalen Telekommunikationsgesellschaften viele ihrer Privilegien

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entzog und den Wettbewerb bei Dienstleistungsangeboten über die bestehenden

Telekommunikationsnetze ermöglichte. Die Frage, ob der ordnungspolitische Ansatz und die

verfügbaren rechtlichen Instrumente auf

Gemeinschaftsebene23 umfassend, wirksam und flexibel genug sind, um den gegenwärtigen und

künftigen technologischen Herausforderungen des Wettbewerbs zwischen den Netzen zu

entsprechen, ist jedoch nicht unbegründet.

Es zeichnet sich bereits EU-weit eine klare Tendenz zur wachsenden horizontalen

Konzentration zwischen den genannten Marktsegmenten ab. Unseres Erachtens sollten der

Kommission zusätzliche Befugnisse erteilt werden (z.B. zur Förderung von „Dienstleistungen,

die von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse sind“), so wie es auch erforderlich ist,

ordnungspolitische Befugnisse auf die Gemeinschaftsebene zu übertragen, um dieses und viele

andere potentielle Probleme des Mißbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung im

Zusammenhang mit der derzeit beobachtbaren umfassenden Verschmelzung der audiovisuellen

Sektoren mit der Telekommunikation bewältigen zu können.

EMPFEHLUNG

2. Koordinierende Ordnungspolitik auf EU-Ebene

Um die Vielzahl der im Zusammenhang mit der Verschmelzung von Informations- undKommunikationstechnologie auftretenden ordnungspolitischen Fragen in Angriff nehmen zukönnen, bedarf es dringend eines europäischen Aufsichtsgremiums, das für das breite Spektrumdes audiovisuellen Inhalts- und Diensteangebots, die Verteilungsnetze sowie dieherkömmlichen Telekommunikationsdienste zuständig ist. Dieses Gremium sollte mit denordnungspolitischen Instrumenten ausgestattet sein, die es zur Überwachung des Wettbewerbsim gesamten Bereich der alternativen Informations- und Kommunikationsnetze in ganz Europabefähigen. Aus drei Gründen plädieren wir für die sofortige Schaffung einer solchen Stelle:wegen der wachsenden Gefahr der Marktbeherrschung und des Mißbrauchs einermarktbeherrschenden Stellung in speziellen Segmenten des IKT-Marktes; wegen der Art und

23 Richtlinien auf der Grundlage von Artikel 90 Absatz (3) EG-Vertrag: Nach Abschaffung der ausschließlichenund besonderen Rechte, für die die Richtlinien gemäß Artikel 90 Absatz (3) erstellt wurden, werden dieherkömmlichen Bestimmungen der Wettbewerbspolitik und die Harmonisierungsrichtlinien ausreichen müssen.

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Weise, in der falsch verstandene nationale Ordnungspolitik die technologische Entwicklungsowie die Verbreitung der IKT behindert, sowie wegen der Art und Weise, in derordnungspolitische Maßnahmen die europaweite Interaktion zwischen verschiedenen IK-Marktsegmenten direkt beeinträchtigen. Bestünde ein europäisches Aufsichtsgremium dieserArt (ähnlich der FCC in den USA), so würde ein Teil der ordnungspolitischen Befugnisse derRegulierungsbehörden der Mitgliedstaaten auf die Gemeinschaft übergehen. In der heutigen Zeitmüssen die Regulierungsmaßnahmen in zunehmendem Maße die neuen, durch die im Entstehenbegriffene globale Informationsinfrastuktur bestimmten Bedingungen widerspiegeln.

2. Öffentliche Informationsdienste: der neue Wachstumsmotor in der entstehenden IG?

Bei der Entwicklung eines auf Wettbewerb ausgerichteten ordnungspolitischen Rahmens

kommt dem Staat zweifellos eine wesentliche „wegbereitende“ Funktion zu. Sie ist

Voraussetzung für die Herausbildung einer wirtschaftlich tragbaren IG, doch die wesentlichen

Bedingungen für die effiziente wirtschaftliche Integration der neuen IKT werden, wie bereits

dargelegt, vom Markt geschaffen. Die Wahrnehmung dieser Funktion reicht also allein nicht

aus. Unseres Erachtens würde es eine starke Unterschätzung der Rolle und Bedeutung

öffentlicher Stellen und Dienste als Informationsanbieter und -verarbeiter in einer Vielzahl

wirtschaftlicher, sozialer und politischer Bereiche darstellen, wollte man den öffentlichen Sektor

auf die Rolle des Wegbereiters für die Wirtschaft beschränken. Wir würden öffentliche

Dienstleistungen eher im weitesten Sinne - d.h. einschließlich des Bildungswesens - als einen

der zukunftsträchtigsten Wachstumsmotoren in der entstehenden europäischen

Informationsgesellschaft betrachten, und zwar aus folgenden Gründen:

- Erstens ist, und darauf haben wir bereits verwiesen, die öffentliche Verwaltung sowohl

auf einzelstaatlicher als auch auf lokaler Ebene zu allererst ein Informationsdienst, der in

dieser Rolle häufig eine Vielzahl von Aufgaben für den einzelnen und die Allgemeinheit

zu erfüllen hat. Dies wirft wichtige Fragen in bezug auf Vertraulichkeit, Zugriff und

demokratische Kontrolle auf.

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- Zweitens bieten sich allein aufgrund des zumeist nicht unbeträchtlichen Umfangs der

mit diesen Aktivitäten verbundenen Investitionen im Bereich von Real- und

Humankapital günstige Gelegenheiten, um Beiträge zur Verbesserung der

Verbundfähigkeit, zur Festlegung von Normen usw. zu leisten. Anders gesagt, die

öffentliche Verwaltung könnte

angesichts der hohen Risiken, die mit Investitionen in neue, interaktive

Informationssysteme verbunden sind, eine Vorreiterrolle in der IG übernehmen und

privaten Unternehmen neue Marktchancen bei der Entwicklung, Implementierung und

Wartung solcher Systeme eröffnen. In Pilotprojekten könnten die vielen bestehenden

organisatorischen Engpässe aufgezeigt und der Weg für eine größere Vielseitigkeit auf

der Ebene der kommunalen Verwaltungen bereitet werden. Es besteht die

Wahrscheinlichkeit, daß solche Projekte, die sozusagen im „Vorzimmer“ des Staates

durchgeführt werden, wesentlich zukunftsträchtiger sind, da sie unmittelbarere

Lösungen aufzeigen und Einsichten in die mit der entstehenden IG verbundenen

konkreten organisatorischen und lokalen Probleme bieten. Es sei nochmals darauf

hingewiesen, daß dies nicht notwendigerweise einschließt, daß solche Dienstleistungen

von öffentlichen Verwaltungen zu erbringen sind: Diese sollten einfach nur die Initiative

ergreifen und wenn möglich Partnerschaften zwischen öffentlichen Verwaltungen und

Unternehmen des privaten Sektors begründen.

- Drittens nehmen in den Bereichen, auf die wir speziell eingegangen sind, also

Bildungswesen, Gesundheitswesen, Kultur, Medien usw., die öffentliche Verwaltung

und öffentliche Diensteanbieter eine dominante Stellung ein. Viele andere, die wir nicht

ausdrücklich erörtert haben, wie zum Beispiel Sozialeinrichtungen,

Einwanderungsbehörden, Polizei, Bibliotheken und diverse andere örtliche

Dienstleistungen werden innerhalb der geographischen Grenzen eines Landes, einer

Region oder einer Stadt erbracht. Es liegt auf der Hand, daß bei dieser Art

Dienstleistungen die mangelnde Verbundfähigkeit über die Grenzen der Mitgliedstaaten

hinweg eines der größten Hindernisse für die Mobilität von Arbeitnehmern und Bürgern

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innerhalb Europas darstellt. Gleichzeitig eröffnet sich hier für Europa aber einer der

zukunftsträchtigsten Bereiche für das öffentliche Auftragswesen und neue politische

Initiativen24. In diesem Zusammenhang weisen wir auf die im Delors-Weißbuch

unterbreiteten Empfehlungen für transeuropäische Netze hin, die das infrastrukturelle

Rückgrat für diese europaweiten öffentlichen Informationsdienste bilden können25. Im

Gegensatz zu der in diesem Bereich in den USA betriebenen Politik könnte eines der

Merkmale der sich herausbildendeneuropäischenIG darin bestehen, daß der Staat zu

einem der wichtigsten Abnehmer wird.

EMPFEHLUNGEN

3. Öffentliche Dienstleistungen als Wachstumsmotor in der entstehenden IG

Aus der großen Vielfalt der öffentlichen Informationsdienstleistungen ergeben sich zwarverschiedene Möglichkeiten für informationsinduziertes Wachstum, doch besteht auch dieMöglichkeit, daß ein Teil dieser Dienstleistungen eine Strangulierung der nachfrageinduziertenExpansion zur Folge hat. Gleichzeitig kann der öffentliche Sektor zum Angebot umfassenderund zuverlässiger Informationen, die leicht zugänglich, benutzerfreundlich und für alleBevölkerungsgruppen bezahlbar sind, beitragen.

3a. Verlagerung des Schwerpunkts der öffentlichen Dienstleistungen von derInfrastruktur zu inhaltlichen Funktionen

Wir sehen die öffentlichen Verwaltungen in diesem Bereich weniger als Infrastrukturanbieter,als vielmehr in der Funktion desInhaltsanbieters,mit der für Privatunternehmen neueMarktchancen bei Entwicklung, Vertrieb und Wartung innovativer Informationssystemeeröffnet werden und zugleich gewährleistet wird, daß Informationen in verständlicher Form undauch auf nichtelektronischen Datenträgern angeboten sowie Erkenntnisse überbenutzerfreundliche Konzepte vermittelt werden. Spezielle, in breiten Kreisen oder bestimmtenGruppen der Öffentlichkeit im Hinblick auf die elektronische Kommunikation bestehendeÄngste würden dabei ebenfalls Berücksichtigung finden. Wir betrachten die Erbringung dieser„öffentlichen“ Dienstleistungen als potentiellen Motor für ein neues lokalesinformationsgesteuertes und beschäftigungsintensives Nachfragewachstum, über das einerseits

24 Wir erwarten mit Interesse die Veröffentlichung des Grünbuchs über den Zugang zu Informationen desöffentlichen Sektors und ihre Nutzung in der Informationsgesellschaft.

25 Für die TEN im Telekommunikationsbereich stehen zwischen 1996 und 1999 im Rahmen der Haushaltslinie B5zweckgebundene Mittel in Höhe von 250 Mio. ECU und für den Inhalte-Sektor ca. 720 Mio. ECU bereit.

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das für den effizienten Einsatz der modernen, dem neuesten Stand entsprechenden undbezahlbaren Informations- und Kommunikationsinfrastrukturen erforderliche Mindestvolumengesichert und andererseits der Weg für das Entstehen einer größeren Zahl marktinduzierter„privater“ Dienstleistungen bereitet wird. Dieser IKT-induzierte Prozeß der lokalenArbeitsplatzbeschaffung könnte in vielerlei Hinsicht als elektronisches Gegenstück zu der imDelors-Weißbuch empfohlenen Arbeitsplatzbeschaffung im Bereich der personenbezogenenDienstleistungen angesehen werden, die in vielen EU-Mitgliedstaaten bereits zum Tragenkommt. Im Unterschied zu der letzteren wird die von uns befürwortete elektronische Variantewahrscheinlich ein bedeutenderes Maß an Lern- und Umschulungsprozessen beinhalten.

3b. Erhöhung der Effizienz der öffentlichen Dienstleistungen: Produktivitätsschub fürein besseres Angebot

Als einer der Bereiche mit hoher Informationsbe- und -verarbeitungsintensität bietet deröffentliche Sektor beträchtlichen Spielraum für die Gewinnung neuer Erkenntnisse zuorganisatorischen Problemen im Zusammenhang mit der Einführung neuer IKT sowieentsprechenden Lösungsmöglichkeiten. Dies betrifft u.a. interne organisatorische Probleme beider Handhabung der traditionellen Kontroll- und Abrechnungsfunktionen, jedoch auch Fragenallgemeineren Charakters, so das Problem des Umgangs mit Informationen über Dienste undgeographische Grenzen hinweg. In vielen Bereichen des öffentlichen Dienstes(Einwanderungsbehörden, Polizei, Sozialversicherung und Rentenverwaltung, kommunaleDienste usw.) erweist sich das Fehlen einer europaweiten Informationsbearbeitung offenbar alseines der größten Hindernisse für eine stärkere Arbeitnehmermobilität und -migration.Zumindest auf den ersten Blick scheinen die IKT auch in diesen Bereichen viele neueMöglichkeiten zu eröffnen. Wir schlagen vor, eine Reihe von typische öffentlicheDienstleistungen umfassenden Pilotprojekten durchzuführen, die jeweils auf ein speziellesProblem gerichtet sind und bestimmte der mit der Einführung neuer IKT verbundenenkonkreten organisatorischen und lokalen Probleme beleuchten. Auf diese Weise könntenpraktische Formen der Zusammenarbeit zwischen öffentlichem Sektor und Unternehmen zurEinbeziehung weiterer Dienstleistungen des privaten Sektors, wie z.B. des elektronischenGeschäftsverkehrs oder des elektronischen Datenaustauschs aufgezeigt werden. Außerdemschlagen wir vor, die durch die Einführung der IKT bei den öffentlichen Dienstleistungenerzielten Produktivitätsgewinne in die Modernisierung anderer, vorzugsweise kommunalerDienste, insbesondere in den Bereichen Bildungswesen, Gesundheitswesen, Umwelt und Kulturzu reinvestieren.

3c. Öffentlicher Dienstleistungssektor als Modell

Der öffentliche Dienstleistungssektor sollte als Modell für die Erbringung von Dienstleistungenfür die Allgemeinheit fungieren, insbesondere im Hinblick auf die Verbindung von Fernzugriffmit Hilfe von Kommunikationstechnologien und der Möglichkeit des persönlichen Kontakts fürdiejenigen, die dies wünschen. Die Informationszugriffssysteme sind an die Bedürfnisse allerBürger anzupassen, d.h. sie müssen benutzerfreundlich sein, universellen Zugriff auch auf

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öffentliche Unterlagen sowie individuelle Abfragen usw. ermöglichen. Um sicherzustellen, daßniemand ausgegrenzt wird, ist es wichtig, zusätzlich die Möglichkeit des direkten persönlichenKontakts aufrechtzuerhalten.

3. Die Gesundheitsdienste

Von den IKT und ähnlichen Technologien verspricht man sich zahllose Vorteile für den

weiteren Ausbau der Gesundheitsdienste, so u.a. bei der Erfassung und Analyse von

Informationen, der Erkennung von Risikogruppen, der besseren Verfügbarkeit der Leistungen,

der Schaffung neuer Mittel für die Gesundheitserziehung und -information, der Ausdehnung der

medizinischen Betreuung auf in entlegenen Gegenden ansässige und bislang unterversorgte

Gruppen, der Unterstützung gesundheitsfördernder Aktivitäten der Bürger. Angesichts der Höhe

der erforderlichen absoluten Investitionen wird sich die Einführung der IKT im

Gesundheitswesen kostenmäßig zwar nicht allzu günstig auswirken, doch ist trotzdem von einer

positiven Kostenwirksamkeitauszugehen, da der Versorgungsgrad sowie Verfügbarkeit und

Qualität der medizinischen Leistungen relativ kostengünstig verbessert werden können.

Somit ist eine großangelegte Einführung IKT-gestützter Systeme im Gesundheitswesen

gerechtfertigt und sollte im Hinblick auf die Verbesserung der Verfügbarkeit, des

Versorgungsgrades und die Qualität der Leistungen gefördert werden. Bei der Einführung der

IKT in diesem Bereich sollten die Durchführbarkeit, Sicherheit und Kostenwirksamkeit dieser

Technologien sowie die Befähigung und Qualifikation des medizinischen Personals und

sonstiger Anwender zur Nutzung der neuen Technologie bewertet und sichergestellt werden.

Dem Schutz vertraulicher Gesundheitsdaten in IKT-gestützten Systemen sowie der

Neubewertung der ethischen Kodizes für das in diesem Bereich tätige Personal im

Zusammenhang mit IKT-gestützten Gesundheitspraktiken ist entsprechende Aufmerksamkeit zu

widmen.

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EMPFEHLUNG

3d. Verbesserung der Gesundheitsdienste

Die sich aus den IKT, insbesondere der Telemedizin ergebenden Chancen sollten so effektivwie möglich für eine bessere Vorbeugung gegen gesundheitliche Gefahren, dieGesundheitsförderung und die Verbesserung des Versorgungsgrades, der Verfügbarkeit undQualität medizinischer Dienstleistungen für alle genutzt werden, insbesondere fürunterversorgte Gruppen, wie z.B. solche mit spezifischen Bedürfnissen einschließlich chronischkranker, behinderter und älterer Menschen oder Gruppen, die wegen ihrer schlechtensozioökonomischen Lage oder aufgrund von Arbeitslosigkeit nicht versorgt werden. In Europaist eine 100%ige medizinische Versorgung noch nicht erreicht. Die diesbezüglichenUnterschiede zwischen den Ländern betreffen sowohl den quantitativen Versorgungsgrad alsauch den Inhalt und die Qualität der Leistungen. Um eine Ausgrenzung zu vermeiden, ist derSchulungs- und Ausbildungsbedarf potentieller Nutzer IKT-gestützter Dienstleistungen zuberücksichtigen. Die Dienste sollten außerdem so gestaltet werden, daß sie mit Hilfe vonGesundheitsinformationen, -erziehung und -beratung, Schulungsmaterial und Anleitungen fürdie Selbstversorgung die Eigeninitiative der Bürger zur Förderung ihrer eigenen Gesundheit undder ihrer Familien unterstützen. All dies kann auf effektive Weise mit Hilfe vonTelematikdiensten und Multimediatechnologie erfolgen. Es sollten entsprechende Maßnahmenzur Gewährleistung der Zuverlässigkeit und zum Schutz der Vertraulichkeit medizinischerDaten und Informationen im Rahmen der neuen IKT-gestützten Gesundheitssysteme getroffenwerden. Des weiteren ist eine Neubewertung der ethischen Kodizes für im Gesundheitswesenangewandte Praktiken erforderlich.

C. Nutzung der virtuellen Wertkette

Ein wesentliches Merkmal der sich herausbildenden IG besteht darin, daß hinsichtlich des

Wertes ein Übergang zu immaterieller Produktion und immateriellem Konsum zu verzeichnen

ist, der manchmal auch als Tendenz der „Entmaterialisierung“ bezeichnet wird. Dies ist ein für

den Prozeß des technologischen Wandels beim Aufbewahren, Bearbeiten und Speichern von

Informationen und Kommunikation, also die IKT selbst, kennzeichnendes Merkmal, das für die

Art und Weise, wie wir mit der immateriellen Produktion und dem immateriellen Konsum

umgehen, noch nicht gilt, da diese weiterhin auf den überholten und aus dem Industriezeitalter

überkommenen Konzeptionen und Bewertungsmethoden beruhen.

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1. Bewertung der immateriellen Produktion

Die IKT spielen bei der sogenannten „Kodifizierung“ des Wissens eine wesentliche Rolle26. Im

Gegensatz zum kodifizierten Wissen kann das implizite Wissen nicht problemlos übertragen

werden, weil es nicht in expliziter Form dargestellt ist. Wie bereits erwähnt, ist die Qualifikation

eine bedeutende Art von impliziertem Wissen27. Das wichtigste Ergebnis der neuen IKT ist die

Verschiebung der Grenze zwischen implizitem und kodifiziertem Wissen, die die Kodifizierung

verschiedener bisher nur in impliziter Form vorliegender Arten von Wissen technisch möglich

und wirtschaftlich attraktiv macht. Bei den materiellen Gütern ist diese Anwendung

kodifizierten Wissens kennzeichnend für die wesentlich bessere Leistungsfähigkeit vieler neuer

Investitions- und Konsumgüter, die mit neuen elektronischen Informations- und

Kommunikationseinrichtungen ausgestattet sind. Die daraus resultierende Verbesserung von

Qualität und Leistungsfähigkeit dieser elektronischen High-Tech-Konsumgüter geht mit einem

in manchen Fällen erheblichen Preisrückgang einher. Der Computer ist zweifellos das

eindrucksvollste Beispiel für diesen Doppeleffekt des schnellen technologischen Wandels und

der Kodifizierung, den man als „Paradoxon des technologischen Werts“ beschreiben könnte:

Mit der immer stärkerer Einbringung von kodifiziertem Wissen in solche Güter scheint der

nominale „Wert“ zu verpuffen.

Bei den Dienstleistungen hingegen kann der Prozeß, obwohl die Kodifizierung allen Sektoren

und Wirtschaftsteilnehmern den Zugriff auf das Wissen erleichtern wird, niemals vollkommen

sein, da das Wissen in diesem Bereich implizit ist. Die Kodifizierung wird die relative

Bedeutung des impliziten Wissens in Form von Qualifikation, Kompetenz usw. kaum

26 Dies schließt ein, daß das Wissen in Informationen umgewandelt wird, die entweder in neue materielle Güter(Maschinen, neue Konsumgüter usw.) eingebracht oder mittels der Informationsinfrastruktur problemlos übertragenwerden können. Am besten läßt sich dies als Prozeß der Reduzierung und Konvertierung beschreiben, der einebesonders einfache Darstellung bzw. Übertragung, Prüfung, Speicherung und Wiedergabe von Wissen ermöglicht.Siehe unter anderem Foray und David, 1995,STI Outlook 1995 and Technology, Productivity and Job Creation,OECD,1996

27 Qualifizierte Personen handeln nach ihnen nicht bewußten Regeln, die mit erlernten, jedoch oftmals nichtmechanisch durchgeführten Aktivitäten verbunden sind.

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verringern, eher wird der umgekehrte Fall eintreten. Gerade das implizite Wissen - der „Inhalt“ -

wird den Hauptwert der Dienstleistung ausmachen. Dienstleistungen beruhen zwar teilweise auf

rein impliziten Werten wie Talent oder Kreativität, der überwiegende Anteil entfällt jedoch auf

die kontinuierliche Aneignung neuen Wissens - das Lernen28.

Die Wertverschiebung von immer mehr kodifizierbares Wissen einschließenden Industriegütern

zu auf dienstleistungsgestütztem implizitem Wissen beruhenden Aktivitäten ist typisch für die

sich herausbildende IG. Sie wirft einige grundsätzliche Fragen darüber auf, wo Wert geschaffen

wird, wie und durch wen er gewonnen werden kann und wie er verteilt wird. Die Vermutung

liegt nahe, daß gegenwärtig ein großer Teil dieses Wertes nicht berücksichtigt wird, d.h.

„verpufft“, zumindest in seiner monetären Form. Die IG bringt in diesem Zusammenhang eine

enorme politische Herausforderung mit sich. Sie läßt Zweifel an den für einen Großteil unserer

Wirtschaftstätigkeit angewandten materiell ausgerichteten Buchführungssystemen und der

zunehmend blinden Abhängigkeit der Politik von sich an der Industrie orientierenden

wirtschaftlichen Indikatoren aufkommen, die immer mehr an Zuverlässigkeit verlieren. Des

weiteren wirft sie grundlegende Fragen über die Art und Weise auf, in der der Nutzen der neuen

Technologien auf die Wirtschaft und auf die Gesellschaft aufgeteilt wird. Ein Teil dieses

Nutzens wird voll abgerechnet und führt zu einer Steigerung des Umsatzes und der Einkünfte

einschließlich der Steuereinnahmen, während für einen anderen Teil keine wirksame Zuweisung

erfolgt, und das neugeschaffene Vermögen als nichtmonetisierter gesellschaftlicher Nutzen

verpufft.

EMPFEHLUNG

4a. Messung der immateriellen Leistungen

28 Dies beruht normalerweise auf der Spirale der Umwandlung impliziten Wissens in kodifiziertes Wissens, undder Prozeß beginnt dann mit der Entwicklung neuer Arten von implizitem Wissen in enger Wechselwirkung mitdem neu erworbenen kodifizierten Wissen wieder von neuem. Sowohl das individuelle als auch das betrieblicheLernen werden wesentlich von dieser Spirale bestimmt.

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Es ist dringend erforderlich, eine Neubewertung der für wirtschaftspolitische Zwecke genutztenIndikatoren vorzunehmen. In einer Zeit, da sowohl die Politiker als auch die Märkte sich immermehr auf solche scheinbar „objektiven“ Maßstäbe zu verlassen scheinen, muß die Tendenz, sichbei der Erstellung solcher Bewertungssysteme allein auf die materielle Produktion zu stützen,kritisch hinterfragt werden29. Es muß der Versuch unternommen werden, ein exakteres Systemzur Bewertung der „realen“ Inflation und des „realen“ Produktionswachstums zu entwickeln,bei dem auf die IKT zurückzuführende Qualitätsverbesserungen sowie die schnell anwachsendeZahl von Informationsprodukten und -dienstleistungen besser berücksichtigt werden.

2. Beseitigung von Hindernissen für den elektronischen Geschäftsverkehr

Angesichts der zunehmenden Verschmelzung von verarbeitendem Gewerbe und

Dienstleistungen und der Tatsache, daß etwa zwei Drittel der Wirtschaftstätigkeit der EU-

Mitgliedstaaten auf letztere entfällt, hat der Dienstleistungsbereich selbst zunehmend an

Bedeutung gewonnen. Tatsächlich spielen in immer mehr Bereichen Dienstleistungen eine

größere Rolle als die Produktion, und nicht umgekehrt. Insbesondere das Entstehen der IKT und

ihre Auswirkungen auf die „Handelsfähigkeit“ vieler Dienstleistungen haben dazu beigetragen,

diese zu wichtigen Wertschöpfungsaktivitäten werden zu lassen. Offensichtlich kommt das

erwartete Wachstumspotential der neuen Dienstleistungen in Europa aber zu einem großen Teil

nur sehr langsam zum Tragen. Zahlreiche Studien (McKinsey, 1995; OECD, 1996) gehen auf

das Problem des restriktiven ordnungspolitischen Rahmens ein, der in vielen Fällen die

Entwicklung neuer IKT-gestützter Dienstleistungen verhindert. Ohne diesen Standpunkt in

Frage stellen zu wollen, möchten wir jedoch einige der eigentlichen mit dem Austausch von

Informationsprodukten und -dienstleistungen verbundenen Probleme hervorheben.

Sowohl die Hersteller als auch die Verbraucher stoßen hinsichtlich der Nutzung von Online-

Diensten für den elektronischen Geschäftsverkehr noch auf beträchtliche Hemmnisse. Für

Unternehmen sind wesentliche Probleme in bezug auf Sicherheit, Vertraulichkeit und

Verschlüsselung nicht gelöst, und Solidität und Zuverlässigkeit von IKT-Systemen lassen in der

29 Siehe unter anderem „Is Inflation Dead?“,The Economist, 28. September 1996, und „Towards a More AccurateMeasure of the Cost of Living“, Abschlußbericht des Beratenden Ausschusses zur Untersuchung desVerbraucherpreisindexes an den Finanzausschuß des US-Senats vom 4. Dezember 1996.

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Praxis noch viel zu wünschen übrig: Technisches Versagen, Umwelteinflüsse und das

Eindringen von Hackern können Störungen verursachen. Die mit diesen Gefahren verbundenen

wirtschaftlichen und sozialen Risiken lassen sich derzeit allerdings nur schwer bewerten. Den

Verbrauchern kommen die durch die Informationsnetze bedingte größere Auswahl und

Verfügbarkeit von Waren und Dienstleistungen zunehmend zugute. Sie können auf diesem

Wege Waren und Dienstleistungen zu Wettbewerbspreisen beziehen und dies wann und wo sie

es

wünschen. Doch auch hier bestehen beträchtliche Hemmnisse: Zunächst einmal müssen die

Verbraucher in eine Dienstleistung investieren, deren Wert sie nicht kennen und der erst nach

dem Gebrauch richtig eingeschätzt werden kann. Anders gesagt, die neuen Dienstleistungen

sind Pilotprodukte. Aus diesem Grund sind derzeit die höchsten Wachstumsraten in Sektoren zu

verzeichnen, für die die Kunden sich keine neuen Fähigkeiten aneignen müssen und in denen

ein herkömmliches Produkt durch ein neues ersetzt wird30.

Bislang ist nicht für alle Sektoren, Güter und Dienstleistungen klar, wie sich eine flexible

Wirtschaft aufbauen läßt, in der für Informationsaustausch und elektronische Transaktionen

auch die erforderlichen Sicherheitsvorkehrungen vorhanden sind. Obwohl einige Bereiche,

insbesondere die Finanzdienstleistungen, in dieser Beziehung schon weit vorangekommen sind,

haben sie doch beträchtliche Probleme bei der Entwicklung neuer Produkte und

Dienstleistungen, weil es keine konkreten Erkenntnisse dahingehend gibt, wie und durch wen

die Informationsströme zu regulieren sind, um ein größtmögliches Vertrauen in die neue Welt

des online abgewickelten Geschäftsverkehrs zu schaffen.

EMPFEHLUNG

4b. Schaffung von Vertrauen in den elektronischen Geschäftsverkehr

30 Wie z.B. das Tonband durch die CD.

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Wir schlagen vor, die Arbeit der verschiedenen Gruppen31, die zur Behandlung von Fragen wieSicherheit, Datenschutz, Schutz geistigen Eigentums sowie potentiell gefährliche undgesetzwidrige Inhalte von Online-Diensten eingesetzt wurden, zusammenzufassen undentsprechende Schlußfolgerungen sowohl für KMU als auch für die Verbraucher zu ziehen. Indiesem Bereich besteht dringender Handlungsbedarf, um flexiblere und dynamischere Systemevon Protokollen, Codes, Normen, Regeln und brancheninternen Regelungen zu schaffen. DasZiel sollte sein, bei Herstellern und Verbrauchern das Vertrauen in die IG zu stärken und dazudie Risiken der gemeinsamen Informationsnutzung zu vermindern und zu kodifizieren sowieauf den elektronischen Informationsmärkten gerechte Formen des Handels zu gewährleisten.Insbesondere sollte die Wirksamkeit der bestehenden EU-Initiativen zur Förderung derTeilnahme von KMU am elektronischen Geschäftsverkehr geprüft werden. Eventuelle Defizitehinsichtlich des Bestehens einer effektiven Infrastruktur für Ausbildungsleistungen undTechnologietransfer für KMU müssen erkannt und beseitigt werden. Den KMU mußGelegenheit gegeben werden, über ausreichendes Know-how zu verfügen, um bei derelektronischen Vernetzung mit Handelspartnern Formen den Vorzug zu geben, die ihrenBedürfnissen angepaßt und auf ihre Methoden der Informationsverarbeitung abgestimmt sind,anstatt sich ungeeignete Systeme von Handelspartnern aufzwingen zu lassen, die größer undmächtiger sind oder besser über die IG Bescheid wissen.

3. Der Umgang mit der Abstraktion

Zu dem Thema, wie sich die generalisierte Abstraktion auf unser Leben auswirken wird, kann

eine Vielzahl von Fragen gestellt werden. Die menschliche Tätigkeit wird immer mehr auf

einem Abbild der Realität als auf der Realität selbst beruhen. Diese Entwicklung bringt große

Vorteile mit sich, aber es gibt auch Gefahren. Das virtuelle Leben ist nicht das wirkliche Leben,

die Abbildungen sind nicht die Realität. Es besteht die Befürchtung, daß die Abstraktheit eines

Großteils der IKT zu einer ähnlichen Abstraktion der Realität führt.

EMPFEHLUNG

4c. Umgang mit den Auswirkungen der virtuellen Realität

31 Wie z.B. die Arbeitsgruppe, die sich mit rechtswidrigen und gefährlichen Inhalten im Internet befaßt, sowieanläßlich der im Juli 1997 in Bonn stattfindenden Ministerkonferenz „Globale Informationsnetze: Nutzung desPotentials“ zu diskutierenden Mitteilung über den elektronischen Geschäftsverkehr.

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Die Auswirkungen der virtuellen Realität auf unser Leben müssen besser erforscht werden. Dadie Arbeit sowie zu Hause und in der Freizeit durchgeführte Aktivitäten verstärkt aufAbstraktionen beruhen, stellen sich Fragen nach den gesamtgesellschaftlichen Auswirkungendieses sich allgemein durchsetzenden Prozesses. Im weiteren Sinne sind die verschiedenenAuswirkungen der IKT auf unser persönliches Leben zu untersuchen, und dies nicht nur imHinblick auf ihre Gestaltung, sondern auch die Art ihrer Nutzung. Das Ziel sollte darinbestehen, Leitlinien für die Gestaltung und Ausführung von den Bedürfnissen des Menschenangepaßten IKT-Systemen zu erarbeiten und generell zu verdeutlichen, daß der soziale Kontextdes Einsatzes der IKT am Arbeitsplatz, in der Öffentlichkeit und im häuslichen Bereichberücksichtigt werden muß. Ferner sollte untersucht werden, wie die IKT eine geselligereLebensweise fördern und Isolation verhindern können.

D. Die Wandlungsfähigkeit von Organisationen und Arbeit

Ein besonderes Merkmal der neuen IKT besteht darin, daß sie im Hinblick auf die Organisation

der Produktion sowie Kosten und Nutzen spezieller Arbeitspraktiken eine größere Flexibilität

und Transparenz ermöglichen. Die IG wird oft mit neuen, flexibleren und dezentralen Formen

der Arbeitsorganisation gleichgesetzt, die neue Möglichkeiten der Selbständigkeit (wie am

Konzept der Kleinstunternehmen deutlich wird), die mit einer zunehmenden Auslagerung

bestimmter Aufgaben und Tätigkeiten einhergehende Verschlankung großer Firmen sowie unter

der Bezeichnung Telearbeit bekannte neue Formen der Fernarbeit einschließt32. Solche

Änderungen der Arbeitsorganisation bringen nicht nur Probleme im Zusammenhang mit dem

organisatorischen Wandel und den sich verändernden Beschäftigungsformen, sondern auch

politische Herausforderungen im Hinblick auf die herkömmliche Arbeitsmarktorganisation und

die entsprechenden Institutionen sowie die Gestaltung der Beziehungen zwischen Arbeitgebern

und Arbeitnehmern mit sich.

1. Flexible Organisationen

32 Eine detaillierte Darstellung findet sich bei M. Castells, „The Information Age: Economy, Society and Culture“,Band I: „The Rise of the Network Society“, Blackwell, Oxford, 1996.

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In den vergangenen zwanzig Jahre sind von vielen europäischen Unternehmen umfangreiche

Investitionen in neue Technologie vorgenommen worden. Während dieses Zeitraums ging

jedoch die starke Verbreitung von Technologie über weite Strecken nicht mit

Produktivitätsgewinnen einher, und es deutet immer mehr darauf hin, daß die Anwendung neuer

Technologien allein nicht ausreicht, um einen diesbezüglichen Zuwachs zu sichern. Aus diesem

Grund war ein Teil der europäischen Unternehmen nicht in der Lage, ihre Wettbewerbsfähigkeit

nennenswert zu verbessern. Statt dessen war ein Trend zu teilweisen Veränderungen der

Arbeitsregelungen zu verzeichnen, bei denen die Arbeitsorganisation insgesamt unverändert

blieb. Verschiedentlich wurde sogar behauptet, daß die Industriepolitik und die Politik generell

in Europa zu lange auf „schnelle Lösungen“ fixiert waren.

Wie bereits erläutert, sind rein technologisch geprägten Vorstellungen der Organisationsmodelle

der Zukunft klare Grenzen gesetzt. Organisationen, die sehr viel Geld in High-Tech-Systeme

investiert haben, ohne sich über die Bedeutung ihres Humankapitals im klaren zu sein, ist durch

diesen Fehler hoher Schaden entstanden. Es ist für Organisationen wichtiger als je zuvor, auf

hochqualifizierte und motivierte Arbeitskräfte zurückgreifen zu können und sich deren

Mitarbeit zu sichern. Nur ein kohärenter und interaktiver Innovationsprozeß kann den vollen

Nutzen der Implementierung neuer Technologien freisetzen. Im Zuge der Einführung von Hard-

und Software müssen Organisationsstrukturen und -praktiken auf den Prüfstand, um zu

gewährleisten, daß die Innovation zu einem integrierten Prozeß wird, der sowohl technologische

und organisatorische als auch soziale Komponenten einschließt.

Damit die Investitionen in neue Technologien ihnen auch zugute kommen, dürfen die

europäischen Unternehmen nicht nur das betreffende technologische Umfeld berücksichtigen,

sondern müssen den Beziehungen mit Zulieferern, Kunden und anderen Handelspartnern, den

Produktionssystemen, der physischen Konfiguration der Maschinen sowie dem Einsatz und der

Entwicklung der Arbeitskräfte und ihrem Qualifikationsniveau gleichermaßen Beachtung

schenken. Deshalb sollte der organisatorische Wandel in der IG idealerweise aus einer Reihe

eng miteinander verbundener Entwicklungen bestehen, die die Struktur der Unternehmen, die

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Produktions- und Arbeitsprozesse, den Fachkräfte- und Qualifikationsbedarf und die

technologischen Systeme betreffen. Wir möchten an dieser Stelle nochmals darauf hinweisen,

daß es außerordentlich wichtig ist, diese Entwicklungen als Ganzes zu betrachten, und unsere

Besorgnis über Strategien zum Ausdruck bringen, die einzig und allein auf die Einführung

neuer Technologien gerichtet sind und das jeweilige organisatorische Umfeld außer acht lassen.

Solche Strategien sind nicht nur uneffektiv, sondern auch sehr kostenträchtig.

In diesem Kontext besteht kein Zweifel daran, daß sich durch die IKT Möglichkeiten zur

Verbesserung des Innovationsprozesses innerhalb von Organisationen ergeben. Bislang richten

Unternehmen und Organisationen in Europa ihr Augenmerk hauptsächlich auf

Produktivitätsverbesserungen im Produktionsbereich. Die IKT können jedoch auch

Verbesserungen in anderen Bereichen der Wertschöpfungskette unterstützen und

Produktinnovationen fördern, die engere Beziehungen zwischen FuE und Fertigung

einschließen. Diese speziellen Verhaltensweisen der Unternehmen sind eine plausible Erklärung

für die Unterschiede, die bei Produktivitätswachstum, Produktinnovation und Kapitalintensität

zwischen Europa und den USA bestehen.

Die IKT bewirken nicht nur neue Arbeitsregelungen, sondern führen auch zu Veränderungen

bestehender Formen der Arbeit und der Arbeitsorganisation. Auch in diesem Bereich ist es nicht

möglich, Effizienz und Innovationsfähigkeit zu verbessern, indem einzig und allein die Formen

der Beschäftigung verändert werden. Um einen erfolgreichen Wandel zu bewirken, müssen

Elemente der flexiblen Arbeitsgestaltung, wie z.B. die Vielseitigkeit des Personals, Ausbildung,

flexible Arbeitszeitgestaltung, neue Vergütungssysteme, mehr Teamarbeit und flachere

Hierarchien in die allgemeinen Strukturen eines Unternehmens eingebettet werden. Wie alle

Veränderungen macht auch die Einführung neuer IKT nur dann Sinn, wenn diese mit der

Situation und dem Umfeld des Unternehmens im weiteren Sinne in Einklang stehen.

Paradoxerweise hat sich jedoch die Bedeutung der direkten zwischenmenschlichen

Kommunikation, die die physische Nähe erfordert, in der Arbeitswelt nicht notwendigerweise

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verringert, eher im Gegenteil. Die moderne Managementtheorie weist darauf hin, wie wichtig

die zwischenmenschlichen Kontakte sind, und die Dezentralisierung der Verantwortlichkeiten

führt zu einem noch größeren Bedarf an direkter Kommunikation

EMPFEHLUNG

5a. Erfassung von Fallstudien für Beispiele erfolgreicher organisatorischer Neuerungen

Die EU sollte weiterhin Unterlagen über Fall- und Pilotstudien sammeln, die Beispieleerfolgreicher organisatorischer Neuerungen belegen. Aus diesen sollte hervorgehen, wie sich dieIKT auf Unternehmensstrukturen in einer Vielzahl von Branchen einschließlich einiger derneuen branchenübergreifenden Arbeitsgebiete auswirken, wie interne IT-Netze dieUnternehmenskommunikation verändern und wie Arbeitnehmer und deren Vertreter diese fürdie Kommunikation untereinander nutzen können. Mit besonderem Interesse sehen wir dem inKürze erscheinenden Grünbuch über Arbeitsorganisation entgegen.

2. Fremdbeschaffung

Die neuen IKT erlauben die Echtzeitkommunikation über große Entfernungen hinweg und

eröffnen somit neue Möglichkeiten für die Fremdbeschaffung. Praktisch alle Unternehmen

überprüfen das Spektrum der von ihnen durchgeführten Tätigkeiten und übertragen einige

davon externen Zulieferern. Für die Entscheidung, Fremdleistungen in Anspruch zu nehmen,

gibt es verschiedene Gründe: Einigen Unternehmen geht es darum, strategische Allianzen zu

bilden, einige möchten ihre Tätigkeit auf die Kernbereiche begrenzen, wieder andere nutzen das

Kostengefälle zwischen eigener und externer Fertigung. In der sich herausbildenden IG wird die

Fremdbeschaffung zweifellos für neue Fachunternehmen mit hochspezialisierten Mitarbeitern

einen wichtigen Wachstumsfaktor darstellen. Andererseits sind jedoch einige Zulieferer zu

bloßen Teilelieferanten degradiert worden. Die Konkurrenz aus Niedriglohnländern stellt für

das Überleben solcher Organisationen eine ernste Bedrohung dar. Kleine und mittlere Zulieferer

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stehen besonders unter Druck und können nur überleben, wenn sie sich als Partner bei der

Produktion und Entwicklung neuer Produkte und Dienstleistungen profilieren. Eine solch

strategisches Know-how kann durch Kooperationsbeziehungen zwischen den Unternehmen

entwickelt werden, die es ihnen erlauben, sich durch Aufbau eigener Netze von den

„elektronischen Hierarchien“ zu befreien. In unseren weiteren Ausführungen werden wir

nachweisen, daß die organisatorische und technologische

Innovation durch KMU in starkem Maße davon abhängt, wie diese auf regionaler Ebene, zum

Beispiel durch Ausbildungs- und Technologietransferzentren unterstützt werden.

Im Verlauf des Auslagerungsprozesses werden die Mitarbeiter bisweilen vor die Wahl gestellt,

einer Entlassung ohne Abfindung zuzustimmen oder den Status der Selbständigkeit zu

akzeptieren, der oftmals illusorisch ist, da sie nicht die Möglichkeit haben, ihre Arbeitszeit oder

ihre Produktionsmittel eigenständig zu organisieren. Fast die gesamte Sozialgesetzgebung

(Arbeitszeit, Gesundheitsschutz und Sicherheit am Arbeitsplatz sowie

Sozialversicherungsbeiträge betreffend) sind auf die „abhängige“ Beschäftigung zugeschnitten.

EMPFEHLUNG

5b. Bewältigung des Problems der Fremdbeschaffung

Das Verhältnis zwischen Fremdbeschaffung und IKT muß mit folgender Zielsetzungeingehender untersucht werden:

- Sensibilisierung der Verantwortlichen und Belebung der Debatte überdie Herausforderungen und Chancen IKT-gestützter Fremdbeschaffung;

- Analyse und Dokumentation der Erfahrungen von Branchen, diePionierarbeit auf dem Gebiet der IKT-gestützten Fremdbeschaffunggeleistet haben, z.B. die Automobilbranche sowie in jüngerer Zeit auchder Dienstleistungssektor;

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- Entwicklung von Modellen beispielhafter Praktiken für die Konzipierungund Umsetzung von Materialflußsystemen für Unterauftragnehmer, diesowohl äußerst produktiv sind als auch von annehmbarenArbeitsbedingungen in den Zulieferunternehmen begleitet werden;

- Schaffung guter Arbeits- und Vergütungsbedingungen in KMU durchUnterstützung von Projekten, die deren Unabhängigkeit und Rentabilitätdurch den Aufbau IKT-vermittelter Partnerschaften undnichthierarchischer elektronischer Datenaustauschsysteme verbessern;

- Suche nach Möglichkeiten zur Erhöhung der Qualität des Erwerbslebensder neuen Kategorie von selbständig Beschäftigten durch Erweiterungdes Geltungsbereiches von arbeits- und sozialrechtlichen Bestimmungen.

3. Flexibilität und Sicherheit

Flexible Beschäftigungsformen, wie zum Beispiel Teilzeitarbeit, Heimarbeit, selbständige

Beschäftigung, befristete Arbeitsverhältnisse und Zeitarbeit, Fremdbeschaffung,

grenzüberschreitende Verlagerung der Arbeit und flexible Arbeitsverträge gewinnen beim

Übergang zur IG immer mehr an Bedeutung. Obwohl viele der flexiblen Arbeitsstrukturen

sowohl für die Arbeitgeber als auch für die Arbeitnehmer einen beträchtlichen potentiellen

Nutzen haben, sind der Flexibilität Grenzen gesetzt, die unter anderem die Gesundheit betreffen.

Flexibilität für das Unternehmen kann für die Arbeitnehmer Unsicherheit des

Beschäftigungsverhältnisses und der Arbeitsbedingungen bedeuten. Sie kann auch zu neuen

Formen berufsbedingter Gesundheitsgefahren wie psychischem Streß führen. Die Folgen dieser

neuen Beschäftigungsformen für die Sicherheit der Arbeitnehmer hinsichtlich der Stabilität der

Arbeitsverhältnisse und der Sicherheit am Arbeitsplatz sind eingehend zu untersuchen.

Besondere Beachtung ist den Entwicklungschancen von Arbeitnehmerinnen zu widmen, für die

das verstärkte Angebot an flexiblen Beschäftigungsmöglichkeiten eine außerordentlich wichtige

Rolle spielt.

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Mit innovativen Initiativen und Programmen soll die Gründung neuartiger Unternehmen,

insbesondere Klein- und Kleinstunternehmen gefördert werden. Die Folgen dieser sich

abzeichnenden Beschäftigungsmöglichkeiten für die Stellung im Erwerbsleben sind zu

untersuchen. Sozialversicherung, rechtlicher Status sowie Gesundheitsschutz und Sicherheit

sind bei vielen der neuentstehenden Beschäftigungsformen nicht gewährleistet. Besonders

problematisch ist die Situation der selbständig Beschäftigten. In einigen EU-Mitgliedstaaten

werden Maßnahmen getroffen, um den Status dieses Personenkreises zu klären. Dazu werden

Arbeitgeber entweder verpflichtet nachzuweisen, daß die für sie tätigen Personen nicht direkt

bei ihnen angestellt sind oder sie als abhängig Beschäftigte zu behandeln, sofern sie nicht als

selbständig Beschäftigte registriert sind.

Diese Fragen im Hinblick auf die Stellung im Erwerbsleben müssen EU-weit geklärt werden.

Möglicherweise wird eine Ausweitung des Arbeits- und Sozialversicherungsrechts auf die

selbständig beschäftigten Telearbeiter oder eine speziell auf diese zugeschnittene Gesetzgebung

erforderlich sein. Es steht noch nicht fest, wie dieser Ausgleich geschaffen werden kann und

welcher Art er sein wird. Angesichts flexibler Arbeitspraktiken muß es jedoch vorrangiges Ziel

der Gemeinschaftspolitik sein, mit Hilfe des Strukturfonds Systeme zum Schutz der

Arbeitnehmer zu entwickeln.

EMPFEHLUNGEN

5c. Sicherheit bei flexiblen Beschäftigungsformen

Zwischen dem jeweiligen Beschäftigungsverhältnis und der Absicherung der Arbeitnehmermuß ein vernünftiges Gleichgewicht geschaffen werden. Insbesondere sind von derEuropäischen Kommission sowie den Sozialpartnern in den einzelnen Mitgliedstaaten und aufeuropäischer Ebene für die vertraglichen Beziehungen, den Beschäftigungsschutz und dieMitwirkung der Arbeitnehmer neue Formen zu erkunden. Ihre Erkenntnisse sollten zusammenmit dem Bericht des Europäischen Parlaments über die Verkürzung und Neugestaltung derArbeitszeit als Grundlage von Maßnahmen der Kommission in diesem Bereich verwendetwerden.

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5d. Neue berufsbedingte Gesundheitsrisiken

Die IKT müssen an die Bedürfnisse der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz angepaßt werden, nichtumgekehrt. Allgemeiner gesagt ist dafür zu sorgen, daß bei der Konzipierung und Einführungvon IKT am Arbeitsplatz, Heimarbeitsplätze eingeschlossen, die mit der Erwerbstätigkeitzusammenhängenden Aspekte der psychischen Gesundheit und der Sicherheit Berücksichtigungfinden, um eine problemlose Anpassung an die sich ergebenden Veränderungen derBeschäftigungsformen zu ermöglichen. Bei der Einführung IKT-intensiverBeschäftigungsformen sollten Wege gefunden werden, um die aktuellen Erkenntnisse derForschung in den Bereichen Gesundheitsschutz und Sicherheit am Arbeitsplatz einschließlichsolcher über Arbeitsorganisation,Ergonomie und Arbeitspsychologie optimal zu nutzen. Zur Förderung der Einführung von IKTsollte darüber hinaus das Prinzip der Mitwirkung berücksichtigt werden, da es sich erwiesen hat,daß im Falle einer möglichst frühen Einbeziehung der Nutzer (in einigen Fällen auch derKunden) Akzeptanz und Produktivität der IKT-Nutzung wesentlich erhöht werden können.

4. Die IG und verschiedene Formen der Telearbeit

Die Telearbeit ist wahrscheinlich eine der meistdiskutierten Formen der Arbeitsorganisation, die

sich in der IG herausbilden. Sie beruht auf der Nutzung der IKT und kann sowohl die

Heimarbeit als auch die Tätigkeit in einem herkömmlichen Büro sowie die mobile Tätigkeit mit

Hilfe tragbarer Geräte oder die Arbeit in einem „Telecottage“ einschließen. Telearbeit bietet

viele neue Möglichkeiten. In den letzten Jahren hat die Kommission eine Reihe von

Maßnahmen durchgeführt, um die Entwicklung in diesem Bereich zu fördern. Da es sich dabei

jedoch um eine der wichtigsten neuen Beschäftigungsformen handelt, die in der IG geschaffen

werden, sollten konzertierte Bemühungen unternommen werden, um sie auf eine Weise zu

fördern, die negative Folgen auf ein Minimum begrenzt.

Generell würden wir es begrüßen, wenn die Debatte über die Telearbeit in einer wesentlich

höheren Qualität geführt würde. Die Neubewertung der rechtlichen Grundlage sowie der

Prinzipien der Sozialfürsorge sollte so durchgeführt werden, daß die Allgemeinheit für die

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Telearbeit sensibilisiert und potentiellen Telearbeitern und Führungskräften ein besserer

Einblick in die Vor- und Nachteile ihrer verschiedenen Spielarten gewährt wird.

Obwohl sich bereits ohne spezielle Förderung verschiedene Formen der Telearbeit herausbilden,

wird es in Zukunft aus umweltpolitischen Erwägungen und der Notwendigkeit, eine Vielzahl

lokaler, städtischer, regionaler und nationaler Initiativen zu koordinieren, wahrscheinlich

erforderlich sein, auf das Wachstum und die Förderung der Telearbeit gerichtete Maßnahmen

innerhalb der EU systematischer zu betreiben. Allgemeine staatliche Strategien oder die

Festlegung quantitativer Ziele werden sich dabei jedoch wahrscheinlich nicht als hilfreich

erweisen. Letztendlich wird die Entwicklung der Telearbeit von der Initiative der Unternehmen

und des einzelnen abhängen. Die Kommission kann bestenfalls mit Hilfe von Experimenten

Unterstützung gewähren, die zeigen, wie die Telearbeit in der Praxis funktionieren kann, und

auf die Bedeutung der Schaffung (bzw. Reaktivierung) sozialer Netze auf lokaler Ebene unter

Einbeziehung der Sozialpartner hinweisen.

EMPFEHLUNG

5e. Von der Förderung der Telearbeit zu ihrer Integration in die Gesellschaft

Wir halten es für dringend erforderlich, den rechtlichen Rahmen so umzugestalten, daß er auchdie Telearbeiter, insbesondere die selbständig Beschäftigten einschließt und diesen den gleichenSchutz bietet wie Arbeitnehmern an herkömmlichen Arbeitsplätzen. Die Gesetzgebung solltefür verschiedene Formen der Telearbeit aus Sicht des Unternehmens und des einzelnen neutraleBedingungen schaffen. Die Tarifvereinbarungen sollten auf die Telearbeit ausgeweitet werden,und die Solidarität der Telearbeiter, insbesondere der Heimarbeiter, sollte durch innovativeFormen der kollektiven Organisation gestärkt werden. Das anläßlich der InternationalenArbeitskonferenz von 1995 verabschiedete Übereinkommen und die Empfehlung über denSchutz der Heimarbeiter sollten auf ihre Eignung als potentielles Modell für europäischeLeitlinien geprüft werden. Wir empfehlen, daß die EU vorbildliche Praktiken beiTarifverhandlungen und praktische Erfahrungen dokumentiert und dieses Material denSozialpartnern im Rahmen des sozialen Dialogs vorlegt.

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Begrüßen würden wir eine genaue Ermittlung der Anzahl der derzeit einer Telearbeitnachgehenden Männer und Frauen, des jeweiligen Tätigkeitsbereichs, derQualifikationsanforderungen und der sozialen Folgen. Eine derartige Analyse sollte zukonkreten Vorschlägen führen, wie die Konzentration bestimmter Gruppen (z.B. Frauen) aufTätigkeiten mit niedrigem Qualifikationsniveau verhindert werden kann. Zugleich sollte damitmehr auf die Erfüllung von Ausbildungsanforderungen, vor allem im Zusammenhang mit demlebensbegleitenden Lernen, eingegangen werden.

5. Wandel als Verhandlungsgegenstand

Der soziale Dialog spielt in der IG eine wichtige Rolle bei der Herbeiführung eines fairen und

dauerhaften Interessenausgleichs zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Wichtig ist ein

solcher Ausgleich in vielen der bereits erörterten Bereiche: die sich wandelnden

Arbeitsaufgaben und Anforderungen an die Qualifikation der Arbeitnehmer in der IG, die

Einführung flexiblerer Beschäftigungsformen und die Mitwirkung an der Einführung der IKT.

Ein effektiver sozialer Dialog ist unerläßlich, wenn diese Veränderungen reibungslos und zur

vollen Zufriedenheit aller Beteiligten vonstatten gehen sollen. Wir betrachten den sozialen

Dialog nicht als Kostenfaktor, der auf die Unternehmen zurückfällt. Vielmehr ist er als

Bestandteil der Erarbeitung von Konzeptionen für den technischen und organisatorischen

Wandel zu betrachten, deren Ziel sowohl die Verbesserung der Arbeitsbedingungen als auch die

Steigerung der Leistungsfähigkeit der Unternehmen ist.

Tarifvereinbarungen werden in der IG weiterhin eine wichtige Rolle als nötiges Gegengewicht

zur zunehmenden Individualisierung der Arbeitsverträge spielen. Individuelle Vereinbarungen

mögen der neuen, flexiblen Arbeitsgestaltung in der IG besser entsprechen, können aber zu

einer Abnahme des Solidargedankens unter den Arbeitnehmern führen und die Feststellung

dessen, was als nachahmenswerte Praktiken dienen kann, erschweren. Tarifvereinbarungen

bilden daher eine wertvolle Grundlage für die Beurteilung individueller Regelungen, obwohl

sich mit der weiteren Durchsetzung neuer Beschäftigungsformen und Arbeitsweisen auch ihre

Rolle ändern wird.

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EMPFEHLUNG

5f. Der soziale Dialog in der IG

Wichtig ist, daß die Kommission im Zuge der Entwicklung der IG einen gemeinschaftsweitensozialen Dialog anregt und fördert, damit gemeinsame Anstrengungen zur Überwindungnachteiliger Auswirkungen der Veränderungen der Beschäftigungsstruktur und auf demArbeitsmarkt unternommen werden können. Im Prozeß des strukturellen und organisatorischenWandels muß die Mitwirkung und Konsultation der Arbeitnehmer eine zentrale Rolle spielen.

Wir sind der Überzeugung, daß die sich herausbildende IG vor allem durch die volleEinbeziehung der Beschäftigten gekennzeichnet sein sollte, und nicht ihre bloße Vertretung.Außerdem erfordert eine bessere Kommunikation, die in unseren Zukunftsvorstellungen voneinem organisatorischen Wandel in der IG von zentraler Bedeutung ist, bessere Verfahren, umdie Arbeitnehmer und deren Vertreter auf dem laufenden zu halten. Zu diesem Zweck müssenden Arbeitnehmern IKT-Einrichtungen zur Verfügung stehen, mit denen sie Kontakt zu denArbeitgebern und untereinander halten können.

E. Von der Zeit zum Arbeiten zur Zeit zum Leben

Zu den herausragendsten Merkmalen der modernen IKT zählt ihr gewaltiges Potential zur

schnellen Übertragung digitaler Informationen. Dies eröffnet zahlreiche neue Möglichkeiten für

eine flexiblere Produktion und schnelleres Reagieren auf Nachfrageänderungen. In einigen

Dienstleistungssektoren ist die Reaktionsgeschwindigkeit mittlerweile zu einem wesentlichen

Bestandteil des Wirtschaftswerts geworden33. Anderen Bereichen wiederum brachte die durch

digitale Kommunikation geförderte Interaktivität völlig neue Geschäftsmöglichkeiten. Zeit wird

auch benötigt, um das Humankapital zu entwickeln bzw. das Qualifikationsniveau zu erhalten,

den Arbeitnehmern muß mehr Zeit für Umschulungsmaßnahmen zur Verfügung stehen. Mehr

denn je ist der Rohstoff Zeit zu einem entscheidenden und knappen Produktionsfaktor

geworden.

33 Für ein Unternehmen wie Reuters werden Reaktionsgeschwindigkeiten von höchstens 6 Sekunden genannt.

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Leider weist der Faktor Zeit jedoch keines der den Produktionsfaktoren traditionell

zugeschriebenen Merkmale auf. Zeit läßt sich nicht akkumulieren; man kann sie nicht im

wirklichen Sinne sparen. Einmal aufgewendete Zeit ist für immer verloren. Das erklärt, warum

im Gegensatz zur einfach nachvollziehbaren "rationalwirtschaftlichen" Ansicht, daß die

Menschen davon profitieren werden, wenn die Zeit am Arbeitsplatz oder zu Hause effizienter

genutzt wird, da ihnen jede gesparte Minute mehr Produktion bzw. mehr Konsum ermöglicht,

gleichzeitig immer mehr Anzeichen durchaus auf ein "Zeit-Paradoxon" hindeuten: Während in

der Tat mehr Zeit zur Verfügung steht, die Menschen länger leben und kürzere Zeit arbeiten,

entsteht zunehmend der Eindruck, daß Zeit knapper wird und den Menschen Zwänge auferlegt.

Zweifellos tragen die neuen IKT wesentlich zu diesem Paradoxon bei. Die traditionellen Muster

der Zeitnutzung - sei es bei Arbeit oder Erholung, bei Produktion oder Konsum - werden

laufend in Frage gestellt, was grundsätzliche Herausforderungen an die Gesellschaft, die

Wirtschaftstätigkeit und jeden einzelnen stellt.

1. Zeit zum Arbeiten

In Sektoren, die mit der Herstellung, dem Transport und der Verteilung materieller Güter befaßt

sind, wird es mit Hilfe neuer IKT möglich, den zeitlichen Abstand zwischen Herstellung und

Verbrauch zu verringern. Viele der auffälligsten Merkmale der neuen IKT ergeben sich

unmittelbar aus deren Möglichkeiten, Zulieferer von Einzelteilen und Werkstoffen miteinander

zu vernetzen, um auf diese Weise die durch Lager- und Herstellungszeiten verursachten Kosten

zu reduzieren. Darüber hinaus lassen sich bestimmte Tätigkeiten an von den Montage- bzw.

Endproduktionsstätten weit entfernte Orte auslagern. Auf den Gebieten Transport und Logistik

ermöglichen die neuen Technologien eine größere Effektivität und Flexibilität bei der

Bereitstellung und Bewegung von Waren. Im Vertriebssektor erlaubt es die mit den neuen

Technologien einhergehende höhere Flexibilität, die Warenvorräte besser auf die Nachfrage

abzustimmen und dem Unternehmen damit Lagerhaltungs- und Bestandskosten zu ersparen.

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Die neuen IKT wirken sich jedoch nicht allein auf die Neugestaltung herkömmlicher

Produktionsformen aus. Auch die traditionellen Vorstellungen von Arbeitsplatz und Arbeitszeit

werden durch sie in Frage gestellt; Wesen und Rolle der Arbeit dürften einem grundlegenden

Wandel unterzogen werden. Zwar unterscheiden sich die Art und das Ausmaß solcher

Veränderungen sehr deutlich von Ort zu Ort, doch besitzen Merkmale wie Zunahme der

Teilzeitarbeit und Unregelmäßigkeit der Arbeitszeit, der Gelegenheitsarbeit (befristete und

Zeitarbeitsverträge usw.) und des Anteils von berufstätigen Frauen sowie gesunkene Aussichten

auf eine lebenslange Anstellung durchaus Allgemeingültigkeit.

In gewisser Hinsicht verstärkt die zunehmende Nutzung der IKT einerseits solche Tendenzen,

andererseits schafft sie jedoch auch Raum für neue Konzepte zur besseren Integration der Arbeit

in unser übriges Alltagsleben. So steht es außer Zweifel, daß das beschleunigte Veralten von

Qualifikationen die Beschäftigung älterer Arbeitnehmer gefährdet, was zu einer Zunahme der

Arbeitslosigkeit in diesem Teil der Erwerbsbevölkerung führen könnte. Anderen

Arbeitnehmern, die ihre Berufslaufbahn unterbrechen, darunter insbesondere Frauen, fällt es

zunehmend schwer, mit den sich rasch verändernden Anforderungen an die berufliche

Qualifikation Schritt zu halten, so daß sie häufig auf Randarbeitsplätze verdrängt werden. Eine

verstärkt auf qualitativ hochwertige Erzeugnisse und Dienstleistungen angewiesene Wirtschaft

kann es sich jedoch nicht leisten, einen wachsenden Anteil der Erwerbsbevölkerung peripher

und atypisch zu beschäftigen. Dies würde bedeuten, daß Humankapital unnütz verschwendet

wird und der soziale Zusammenhalt verlorengeht - zwei nach unserer Auffassung nicht

akzeptable Entwicklungen. Eine lebenslang flexible Arbeit kann hingegen die Chancen auf

Weiterbildung verbessern, die Beschäftigungsvoraussetzungen erhalten und dazu beitragen, die

durch Arbeit und Familie gestellten Anforderungen miteinander zu vereinbaren.

EMPFEHLUNG

6a. Flexibilisierung der Arbeitszeit

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Im Interesse von Effizienzerhöhung, Verbesserung der Beschäftigungschancen, Förderung deslebensbegleitenden Lernens und der besseren Vereinbarkeit von Erwerbs- und Familienlebenmacht sich eine flexible Gestaltung der Arbeitszeit erforderlich Wir würden auf die Förderungdynamischerer Lösungsansätze in der Frage der flexiblen Arbeitszeit orientieren und sind derMeinung, daß sich eine Reihe von Maßnahmen einführen ließe, um diese für die Beschäftigtenattraktiver zu machen und gleichzeitig den Zugang zu Beschäftigungsmöglichkeiten innerhalbeines gewissen Verhandlungsrahmens zu erweitern. Die Kommission sollte Informationen übererfolgreiche Fallstudien und Maßnahmen zusammentragen, u.a. zu folgenden Problemkreisen:

- Gewährung von Erziehungsurlaub, um Anforderungen durch Beruf und Familiebesser zu vereinbaren;

- innerbetrieblicher Arbeitsplatzwechsel, Urlaub zur persönlichen Weiterbildung,Studienurlaub und ähnliche Maßnahmen, mit denen das lebensbegleitende Lernengefördert wird;

- nachahmenswerte Beispiele für die Einführung der Jahresarbeitszeit;

- neue Formen der Arbeitsplatzteilung, z.B. Abgeltung von Überstunden, Nacht-und Wochenendschichten durch Freizeit statt durch Zuschläge, zeitweiligeArbeitszeitkürzungen, um Entlassungen zu vermeiden;

- Anpassung des Sozialleistungs- und Arbeitsrechts an die Erfordernisse derflexiblen Arbeitszeit.

2. Zeit zum Konsum

Im Gegensatz zu einigen traditionellen Sektoren, die sich mit der Herstellung und Verteilung

von materiellen Gütern befassen, besteht bei vielen Dienstleistungen keine zeitliche Trennung

von Produktion und Konsum, und so ist es auf dieses besondere Merkmal zurückzuführen, daß

Produktivitätssteigerungen diesen Bereichen bisher allgemein begrenzt waren.

Wie bereits ausgeführt, liegt es ja beinahe in der Natur der IKT, daß sich die Handelsfähigkeit

der angebotenen Dienste erhöht. Durch Einführung eines Zeit-/Lagerungs-Aspektes ermöglicht

die Informationstechnik die Trennung der Herstellung vom Verbrauch. Genau darauf begründet

sich das riesige Potential an neuen handelsfähigen Kommunikations- und

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Unterhaltungsdiensten, wie es im Aufschwung von Multimedia seinen Niederschlag finden. Da

der Konsum dieser Dienstleistungen nicht mehr notwendigerweise zum Zeitpunkt ihrer

Produktion stattfinden muß, stehen sie einer viel weiteren Verbreitung offen.

Während das in neuen Herstellungstechnologien verkörperte Kapital traditionell mit der

Einsparung von Zeit einherging, kommt es durch den verzögerten Konsum der genannten

Leistungen zu einem Verbrauch von Zeit. Mit anderen Worten: Die von den IKT

neugeschaffene Nachfrage gestattet zwar eine unmittelbarere Kommunikation mit schnelleren

Reaktions- und Interaktionszeiten, wird jedoch oftmals auch Zeitkonsum erfordern

("Chronophagie").

EMPFEHLUNG

6b. Auf der Suche nach Zeit

Die Debatte um eine Verkürzung der Arbeitszeit muß unter Einbeziehung neuer Aspekteweitergeführt werden. Das Hauptaugenmerk darf nicht weiter auf den Fragen imZusammenhang mit der Verteilung der Arbeit liegen, sondern muß auf den zusätzlichenZeitbedarf für das Konsumieren der neuen IKT-Waren und -Dienstleistungen, einschließlichAusbildung und Umschulung, gerichtet werden. Trotz des relativ großen materiellen Reichtumsin Europa und des hohen Ausstattungsgrads mit allerlei Arten zeitsparender Haushaltgeräteherrscht in den meisten Haushalten ein gravierender Mangel an Zeit (von im Durchschnittschätzungsweise 20 Stunden pro Woche) für nichtberufliche Aktivitäten.

3. Zeit zum Leben

Angesichts der ungeheuren Zunahme der angebotenen Informationsmengen wie auch der

benötigten Zeit, um die jeweils wichtigen Informationen auszufiltern, gewinnt das

Zeitmanagement immer größere Bedeutung. Jüngsten Erhebungen zufolge haben sich zwar die

Verbrauchsmuster mit dem Angebot an neuen Produkten nicht grundlegend geändert, doch

scheint jede Auswahlentscheidung einem immer stärkeren Konkurrenzdruck seitens alternativer

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Möglichkeiten der Zeitnutzung zu unterliegen. Zeitdruck baut sich auf, da der Wert des

jeweiligen Verbrauchsguts gegen das erweiterte Spektrum neuer Möglichkeiten aufgerechnet

wird. Zeitlichen Engpässen wird dabei zum Teil ein höheres Gewicht zugemessen als

finanziellen Grenzen - eigentlich eine typische Sorge in gut situierten Schichten, die inzwischen

jedoch offensichtlich weitaus breitere Kreise der Gesellschaft betrifft. Als ein Beispiel dafür

mögen die Jugendlichen angeführt werden, denen es zunehmend schwerer fällt, Schule und

Hausaufgaben, Fernsehen, Multimedia-Unterhaltung, Sport und Spiel sowie Pflichten im

Haushalt zeitlich zu bewältigen.

Zweifellos haben die durch Mechanisierung und Automatisierung in Beruf und Haushalt in den

vergangenen zwei Jahrzehnten erreichten Fortschritte (Waschmaschinen, Geschirrspüler und

sonstige elektrische Haushaltgeräte) die körperliche Arbeit eingeschränkt und Zeitersparnis

gebracht, eine Vielzahl nichtergonomischer Bedingungen beseitigt und mit Hilfe von

Fernsteuereinrichtungen verhindert, daß Arbeitnehmer gesundheitsgefährdenden Verfahren und

Substanzen ausgesetzt sind. Dennoch verlangen die neuen Zeitzwänge, die aus der

gleichzeitigen Verrichtung mehrerer Tätigkeiten und der Forderung nach schnellem Reagieren

entstehen, häufig die koordinierte Nutzung von Augen und anderen Sinnesorganen,

psychofeinmotorische Funktionen von Händen und Armen und stellen dabei hohe

Anforderungen an das menschliche Gehirn, was neue Formen von Streß erzeugt.

Ein Hauptmerkmal der IG, in der sich eine Art "Bildschirmkultur" herausbildet, ist die ständige

Nutzung des Kathodenstrahlbildschirms - bei der Arbeit, in der Freizeit, zum Fernsehen, für die

Kultur, Bankgeschäfte usw. Viele Menschen - selbst diejenigen, die unter körperlichen

Beschwerden wie Rückenproblemen leiden - verbringen den größten Teil des Tages

ausschließlich in sitzender Position vor dem Monitor, wobei sie virtuelle Darstellungen

betrachten. Insgesamt ist die Tendenz zu einem immer bewegungsärmeren Leben, geprägt durch

wenig Zeit für körperliche Aktivitäten und höhere Beanspruchung der Augen sowie des

Bewegungsapparats, zu beobachten. Ein derartige Lebensweise, die häufig mit

"unphysiologischer" Zeitplanung im Zusammenhang steht, kann, wenn sie in der Bevölkerung

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weit verbreitet ist, das Risiko für mit Bewegungsarmut in Beziehung stehende Beschwerden wie

Fettleibigkeit, Störungen des Bewegungsapparats und Herzkreislauferkrankungen erhöhen.

Noch kann nicht mit Sicherheit gesagt werden, ob und wie die von verschiedenen IKT-Quellen

emittierte nichtionisierende elektromagnetische Strahlung die Gesundheit gefährdet, auch wenn

das Risiko nach derzeitigem Wissensstand äußerst niedrig erscheint. Hingegen können IKT als

Hilfsmittel zur Förderung einer gesunden Lebensweise genutzt werden, indem sie die Menschen

durch Vermittlung von gesundheitsbezogenen Informationen und Einsichten "aktivieren".

Die mit diesen Veränderungen verbundenen Probleme lassen sich teilweise durch Nutzung der

Forschungsergebnisse aus Physiologie und Psychologie lösen, was der Entwicklung einer

menschengerechten - im Gegensatz zur "technozentrischen" - Technik und Arbeitsorganisation

starken Aufschwung verleihen würde. Dazu bedarf es einer stärkeren Berücksichtigung der

Bedürfnisse und Meinungen der Nutzer, als dies bisher der Fall war. Natürlich geht es hierbei

nicht nur um Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz, sondern auch um die Akzeptanz neuer

IKT und die Rentabilität von IKT-Investitionen.

EMPFEHLUNG

6c. Gesunde Lebensweise in der IG

Der zweischneidige Charakter des Einflusses der IG auf die Gesundheit der Menschen verlangtein gründliches Nachdenken über potentielle Auswirkungen. Die IKT und das Internet habenbereits dazu geführt, daß das zur Verfügung stehende Zeitbudget anders als in derVergangenheit eingesetzt und selbst der gewohnte Zeitrhythmus verändert wird. Vergleichbarsind diese Veränderungen mit der Zeit vor 40 Jahren, als das Fernsehen eingeführt wurde. DieFolgen sind abnehmende Mobilität, die wachsende Verbreitung sitzender Tätigkeiten und langeZeiträume, die vor dem Computer und in virtuellen Umgebungen verbracht werden, mit all dengesundheitsgefährdenden Folgen, die von Bewegungsarmut, Überbeanspruchung derSinnesorgane, ergonomischen Problemen im Zusammenhang mit der Bildschirmarbeit undInformationsüberlastung ausgehen können. Den Benutzern müssen die potentiellen Gefahrenwie auch die Möglichkeiten, diese zu vermeiden, eingehend vermittelt werden.

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Ebenso gilt es, das Verständnis dafür zu fördern, auf welch vielfältige Weise neue IKT Zeit inAnspruch nehmen und Menschen von virtueller Zeit abhängig machen. So sollte u.a. überfolgendes aufgeklärt werden:

- die Folgen des ständigen Auf-Abruf-Stehens, das potentielleBedürfnis, sich zeitweilig vom Netz abzuschalten, und das Rechtauf vorübergehende Einschränkungen der Erreichbarkeit;

- die Eingrenzung von Störungen und diesbezügliche Vereinbarungen.

Allgemein gesagt, müssen die zahlreichen Aspekte der psychischen Gesundheit und Sicherheitder Arbeitnehmer unabhängig vom Arbeitsplatz, d.h. unter Einschluß der Heimarbeitsplätze,umfassender in die Konzipierung und Einführung von IKT integriert werden, da nur auf dieseWeise eine problemlose Umstellung auf die im Gefolge dieser Entwicklung entstehendenveränderten Arbeitsformen möglich ist. Bei der Einführung IKT-intensiver Arbeit solltenMöglichkeiten gefunden werden, um den vorhandenen Erkenntnisstand auf dem Gebiet vonGesundheitsschutz und Sicherheit am Arbeitsplatz umfassend umzusetzen und insbesondereAspekte von Arbeitsorganisation, Ergonomie und Arbeitspsychologie einfließen zu lassen.

Die Vorteile, die sich für das Gesundheitswesen so zahlreich ergeben, sollten umfassendergenutzt werden, angefangen von einer besseren Propagierung von medizinischen Erkenntnissenund neuen Hilfsmitteln für die Gesundheitserziehung und -information bis hin zurSelbstversorgung. Schließlich gilt es, sowohl die Auswirkungen einer IG der "Bildschirmkultur"auf das körperliche Befinden (Streß, Rückenschmerzen, Migräne, Augenleiden usw.) als auchdie Möglichkeiten einer allmählichen "Rückbildung" bestimmter Empfindungen wie Tast- undGeruchssinn infolge des intensiven Umgangs mit virtuellen Bildern zu untersuchen.

F. Globalisierung

Eines der grundlegenden Merkmale der neuen IKT ist deren Fähigkeit, einen schnellen,

interaktiven und preiswerten internationalen Zugriff zu ermöglichen. Obwohl in einer Welt, in

der die Hälfte der Bevölkerung keinen Zugang zum öffentlichen Telefonnetz hat, nicht gerade

von einer "globalen" IG die Rede sein kann, steht die Tendenz zu weltweiten

Zugriffsmöglichkeiten in unmittelbarem Zusammenhang mit derFähigkeit von IKT,

Informationen und Wissen über Raum und Zeit zu kodifizieren. Den schnellsten Fortschritt

verzeichnete die Globalisierung in Bereichen wie den Finanzen, in denen sie mit einem

institutionellen Prozeß der Liberalisierung und Deregulierung einherging und mittlerweile

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nahezu abgeschlossen ist: Das Finanzkapital ist im wesentlichen zu einem international mobilen

Produktionsfaktor geworden34. Im traditionellen verarbeitenden Gewerbe führten die sinkenden

Kommunikations- und Informationskosten zu einer verstärkten Transparenz der Märkte und

damit zu einem breiteren Spielraum bei der Verlagerung von Produktion über Grenzen hinweg.

Darüber hinaus ermöglichen neue IKT auf Gebieten wie dem Dienstleistungssektor erstmals

vielfach einen billigen "globalen" Zugriff auf Standorte mit niedrigen Lohnkosten, was die

Verlagerung verschiedener Dienstleistungsfunktionen und -tätigkeiten erleichtert. Unternehmen

und Organisationen haben inzwischen auch in Bereichen, in denen ein internationaler Austausch

vormals nur beschränkt möglich war, die Vorteile des internationalen Lohnkostengefälles

erkannt.

Anders ausgedrückt, tragen die IKT sowohl zu wirtschaftlicher Transparenz als auch zur

internationalen Kapitalmobilität und Auslagerung bestimmter Aktivitäten bei - letzteres

insofern, als daß mit ihnen die Kostenvorteile alternativer Fertigungsstandorte besser erkennbar

sind. Darüber hinaus wirken sich die IKT, wie in Abschnitt C ausführlich behandelt, ebenso

positiv auf den internationalen Zugang zu Informationen und kodifiziertem Wissen aus. Bis zu

einem gewissen Grade wird kodifiziertes Wissen, Kenntnisse über die wirtschaftlichen

Gegebenheiten auf den oben angesprochenen Märkte eingeschlossen, international verfügbar.

Mögen sich auch die lokalen Kapazitäten zur Nutzung oder Verarbeitung dieses Wissens stark

unterscheiden, so ist das Zugriffspotential dennoch gegeben. Mit Hilfe der IKT ist es möglich,

Reserven im Aufholprozeß zu erkennen, da Vorteile aufgrund der ökonomischen Transparenz

deutlicher sichtbar werden. Zugleich treten aber auch die wichtigen impliziten Elemente und

sonstigen Fähigkeiten hervor, derer es für den Zugang zu international kodifiziertem Wissen

bedarf.

34 So stiegen die grenzüberschreitenden Transaktionen von Wertpapieren und Aktien in den OECD-Ländern inden vergangenen 15 Jahren von 10 % des BIP im Jahre 1980 auf 150 bis 250 % des BIP im Jahre 1995. Derweltweite Devisenhandel erreichte gleichzeitig einen Umsatz von mehr als 1,2 Billionen USD täglich (BIS,Jahresbericht 1996)

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Im Verein mit den erheblichen Bildungsanstrengungen betrachtet, die in vielen osteuropäischen

und einigen der größeren Länder in Asien unternommen werden, bewirken die IKT auf globaler

Ebene einen grundlegenden Strukturwandel. In diesem Zusammenhang muß von vornherein

betont werden, daß eine transparentere, globale Informationsgesellschaft, in der es keine

Grenzen gibt, der Welt insgesamt bedeutende Vorteile bringen dürfte. Bis zu einem bestimmten

Grad stellen die neuen IKT die Verwirklichung des Traums des in internationalen Kategorien

denkenden Wirtschaftswissenschaftlers von einer transparenteren, globalen Wirtschaftsordnung

dar, die den einzelnen Ländern mit Hilfe von wirtschaftlichen Anreizen eine raschere

Konvergenz ermöglicht und in einer weltweit gleichmäßigeren Entwicklung mündet.

Gleichzeitig dürfte jedoch das Tempo des Globalisierungsprozesses einige grundsätzliche

Herausforderungen an die Politik stellen, und dies insbesondere in Europa. Läßt man diese

unbeachtet in dem Glauben, sie seien nur von

untergeordneter Bedeutung35 oder entzögen sich der Einflußnahme einzelstaatlicher Politik,

wird der Prozeß entweder immer größeren Widerstand und die Gefahr eines abgeschotteten,

eher nach innen gerichteten Europas heraufbeschwören, oder aber durch Entlassungen und

Lohnkürzungen den in den meisten Fällen ohnehin schwächsten Gruppen der

Erwerbsbevölkerung die Hauptlast der Umstellungen aufbürden. Die politischen

Entscheidungsträger in Europa sind aufgefordert, die Globalisierung nicht als eine Bedrohung

zu sehen, auf die sich die Gesellschaft einrichten muß, sondern die Herausforderung an die

Politik, die sich aus der zunehmenden Globalisierung als Begleiterscheinung der IKT-Nutzung

ergibt, zu erkennen und aktiv nach Mitteln und Wegen zu suchen, die damit verbundenen

Vorteile in die Gesellschaft zu integrieren.

Wir möchten die Aufmerksamkeit unserer Leser auf zwei dieser politischen Herausforderungen

lenken, die nach unserer Ansicht von fundamentaler Bedeutung für Europa sind, und zwar die

35 Dies träfe zu, wenn man sich allein auf die tatsächlichen Ströme der ausländischen Direktinvestitionen nachEuropa und aus Europa heraus konzentrierte, die nur für einen Bruchteil des hier besprochenenGlobalisierungskonzepts stehen und daher kaum von Bedeutung sein dürften.

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Auswirkungen einerseits für das Beschäftigungswachstum und andererseits für die

einzelstaatlichen Steuer- und Wohlfahrtssysteme.

1. Arbeitsplätze in Europa und die sich herausbildende globale Informationsgesellschaft

Die Anwendung neuer IKT dürfte weitreichende Veränderungen in der Beschäftigungsstruktur

Europas zur Folge haben. Davon betroffen sind insbesondere die Dienstleistungsbereiche, und

hier vor allem jene Sektoren und Berufe, die bislang von der Automatisierung und

Computerisierung weitgehend ausgenommen waren. Diese Dienstleistungsbereiche, auf die

heute mehr als 60 % der Gesamtbeschäftigung in der EU entfallen, wurden von jeher vom

internationalen Wettbewerb "abgeschirmt" und dienten während der 60er und 70er Jahre als

wichtigstes Auffangbecken für freigesetzte Arbeitskräfte aus dem verarbeitenden Gewerbe und

der Landwirtschaft.

In verschiedenen Studien wird im Zuge der raschen Verbreitung von IKT und der

Liberalisierung der Telekommunikationsmärkte die Schaffung einer beträchtlichen Zahl neuer

Arbeitsplätze vorausgesagt36. Zwar haben wir keine Veranlassung, derart "optimistische

Schätzungen" von vornherein abzulehnen, doch sehen wir auch keinen Grund, warum die

klägliche Beschäftigungsentwicklung in Europa in den vergangenen sechs Jahren - letztlich

handelt es sich um einen Zeitraum des Beschäftigungsrückgangs - mit dem Erscheinen der IKT

ganz plötzlich in irgendeiner Weise umschlagen sollte. So schätzte derEconomistkürzlich ein,

daß der komparative Vorteil Europas nach wie vor im wesentlichen bei Erzeugnissen und

Techniken der Vergangenheit liegt, während eine Spezialisierung auf den äußerst gefragten

Gebieten der Hochtechnologie weiterhin wenig vorangeschritten sei. Um diesen komparativen

36 Siehe Bipe Conseil: "Les Effets sur l'emploi du processus de libération dans le secteur destélécommunications", Abschlußbericht Oktober 1996. Im Falle rascher Liberalisierung und Verbreitung wird mitder Schaffung von etwa 1,3 Millionen Arbeitsplätzen in der EU bis zum Jahre 2005 gerechnet. Beim Szenarioder schrittweisen Liberalisierung und langsamen Verbreitung wird dieser Zuwachs lediglich 228 200Arbeitsplätze betragen. Nicht vorgestellt wurde indes das für Europa wohl realistischere Szenario einerschleppenden Liberalisierung und Verbreitung. Es steht lediglich zu vermuten, daß dessen Einfluß auf dieBeschäftigungslage eher negativ sein dürfte.

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Vorteil auf die neuen IKT-Branchen zu verlagern, wird es dauerhafter Anstrengungen zur

Wiederbelebung des Unternehmergeistes bedürfen, insbesondere durch geeignete Strukturen

finanzieller und steuerlicher Anreize sowie durch Fördermaßnahmen für die Gründung und

Entwicklung neuer KMU in den genannten Branchen. Das breite Spektrum dieser

Anforderungen an die Politik wurde bereits im Grünbuch der Kommission zu Fragen der

Innovation37 deutlich herausgearbeitet.

In der Tat bieten die neuen IKT vielerlei Möglichkeiten für neue Beschäftigungsformen, so z.B.

in gut bezahlten, hochqualifizierten Berufen, in neuen informationsintensiven Branchen wie der

Multimedia-Industrie, in den neuen Kleinstunternehmen, in denen sich kreativer

Unternehmergeist entfalten kann, auf neuen DV-Arbeitsplätzen sowie in vielen eher

traditionellen Berufen mit Publikumsverkehr bzw. direktem persönlichen Kontakt zur

Wahrnehmung kommunaler Aufgaben und Betreuungsfunktionen im Zusammenhang mit

Berufstätigkeit und Arbeitslosigkeit. Viele der in den vorstehenden Abschnitten gegebenen

Empfehlungen sollten unter diesem Aspekt der Betonung des kreativen

Beschäftigungspotentials der IG betrachtet werden.

Damit diese neuen Beschäftigungs- und Wachstumschancen allerdings europaweit zum Tragen

kommen, bedarf es unserer Auffassung nach auch eines klar definierten sozialen Rahmens mit

gemeinsam vereinbarten Mindeststandards. Die neuen IKT und die wahrscheinlich damit

einhergehende höhere Transparenz bei den Produktionskosten dürfen nicht in erster Linie

dahingehend genutzt werden, daß Produktions- und Dienstleistungsaktivitäten mit dem Ziel

ausgelagert werden, Sozialkosten, einschließlich der an bestimmten Standorten zu entrichtenden

Sozialversicherungsbeiträge und sonstigen steuerlichen Abgaben, einzusparen und andernorts

vom Nichtbestehen derartiger Bestimmungen zu profitieren. Mit komparativem Vorteil ist

sicher nicht die Möglichkeit gemeint, sich der Zahlung von Sozialabgaben und Steuern zu

entziehen. Wird solchen Tendenzen nicht Einhalt geboten, dürfte dies die europäische

37 Grünbuch zur Innovation, Europäische Kommission, 20. Dezember 1995.

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Sozialpolitik in den Teufelskreis der „Anpassung nach unten“ führen, indem Mitgliedstaaten

und -regionen um den Abbau von Sozialleistungen wetteifern. Angesichts der im Rahmen der

künftigen Wirtschafts- und Währungsunion wegfallenden Wechselkursanpassung, gepaart mit

dem zusätzlichen Vorteil eines niedrigen Inflationsdrucks, würde dies praktisch zur höchsten

Form negativer Integration führen38 - der Harmonisierung durch Aushöhlung. Sollte es nicht

gelingen, sich auf ein Bündel gemeinsamer Mindeststandards für die Sozialpolitik zu einigen,

wird dies unweigerlich zur Aushöhlung der sozialstaatlichen Systeme in Europa führen.

Selbstverständlich beschränken sich Bedenken dieser Art angesichts der sozialen Auswirkungen

neuer IKT nicht allein auf Europa. Wie bereits angemerkt, erhöht der weltweite und

sektorenübergreifende Einfluß der IKT ständig den auf Strukturwandel, auf eine sogenannte

"kreative Zerstörung" hinwirkenden Druck. Auch hier gilt, daß die Liberalisierung der

Telekommunikationsmärkte und der Trend zum weltweiten Abbau von Zollschranken, wie im

Rahmen der jüngsten Vereinbarungen von Singapur in Gang gesetzt, nicht der einzige

Fortschritt auf internationaler Ebene sein dürfen. Weltweit gleiche Ausgangsbedingungen, wie

sie die Herausbildung der globalen Informationsgesellschaft erfordert, verlangen auch die

Einhaltung bestimmter Mindeststandards auf sozialem Gebiet, wie zum Beispiel der sieben

wichtigsten Übereinkommen der ILO.

Fragen der Überwachung und Umsetzung sozialer Aspekte der Liberalisierung des Handels

standen bekanntermaßen im Vordergrund zahlreicher politischer Debatten, weshalb das Thema

auch den Rahmen unseres Berichts sprengen würde. Andererseits stehen jedoch gerade mit den

neuen IKT transparentere und einfacher zu handhabende Überwachungs- und

Steuerungsinstrumente zur Verfügung. Warum sollten die Vorteile der Transparenz, die die

neuen IKT den Herstellern bescheren, überhaupt beschnitten werden? Die Verbraucher haben

sich im Laufe der Zeit in ihren Ländern eine mächtige Lobby geschaffen, die zum offenen

Boykott von Waren aufruft, die unter Verwendung bestimmter Stoffe oder Verfahren gefertigt

38 Im Gegensatz zur positiven Integration, die auf der Grundlage neuer gemeinschaftlicher Regelwerke vor sich

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werden. Auf der anderen Seite ist die Sensibilität der Unternehmen angesichts der Subjektivität

der von verschiedenen Aktionsgruppen über bestimmte Produkte verbreiteten Informationen

gestiegen. Ebenso wie der Bedarf an besseren, aufeinander abgestimmten Informationen zur

weit verbreiteten Verwendung des "grünen Punkts" auf den Warenetiketten geführt hat, wäre es

vorstellbar, daß für Erzeugnisse und Dienstleistungen in ähnlicher Form Informationen über die

Arbeits- und Sozialbedingungen in Form eines "sozialen Punkts" kodifiziert werden, um es dem

Verbraucher zu ermöglichen, eine noch bewußtere Auswahl zu treffen.

EMPFEHLUNGEN

7a. Förderung des Beschäftigungswachstums in der IG

Nach Ansicht der HLEG besteht die dringende Notwendigkeit, zum einen die Politikansätze zukoordinieren, mit denen die potentiellen Beschäftigungschancen in der neuen IG zum Tragengebracht werden sollen und die auf den zahlreichen Vorschlägen für politische Maßnahmenberuhen, von der Wiederbelebung des Unternehmergeists bis zur Förderung neugegründeterKMU. Zum anderen sind rasche Fortschritte (z.B. im Rahmen der Regierungskonferenz) zuerzielen, die zumindest dem Tempo der Einführung der Wirtschafts- und Währungsunionentsprechen und einen gemeinsamen Mindestrahmen für die europäische Sozialpolitik betreffen.Getreu dem Grundsatz der Subsidiarität stünde es dann jedem Mitgliedstaat frei, die eigeneSozialpolitik beizubehalten bzw. weiter auszubauen, während gleichzeitig europaweit gleicheAusgangsbedingungen bezüglich der sozialen Mindeststandards geschaffen würden. Sollte esnicht gelingen, in dieser Frage Fortschritte zu erzielen, dürfte die von zunehmender Transparenzgeprägte IG zur Aushöhlung der unterschiedlichen sozialstaatlichen Systeme in Europa führenund den sozialen und regionalen Zusammenhalt damit unterminieren.

7b. Schaffung weltweit gleicher Ausgangsbedingungen auf sozialem Gebiet

Während die Aufmerksamkeit der Politik international vorwiegend auf die Forderung nachglobaler Liberalisierung der IKT-Produkte und -Dienstleistungen gerichtet ist, umwettbewerbsfähigere, offenere und transparentere Märkte zu schaffen, konnten seit demKopenhagener Sozialgipfel nur geringe Fortschritte in der Frage der Einführung, Kontrolle undSteuerung eines Mindestkatalogs von Sozialstandards verzeichnet werden. Diese Debatte gilt esneu zu beleben und sich im Zusammenhang mit der Information der Verbraucher über die"sozialen" Produktionsbedingungen zu einem gewissen Grad auch der durch die neuen IKT

geht.

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gebotenen höheren Transparenz zu bedienen. In derselben Weise, wie die globale Transparenzim Wege einer verbesserten internationalen Ressourcenallokation und niedrigeren Preisen derwirtschaftlichen Lage zugute kommen dürfte, könnte sie auch die Beschäftigungs- undArbeitsbedingungen begünstigen und somit zur Verbesserung dersozialen Lagebeitragen.

2. Die globale IG und die einzelstaatlichen Sozial- und Steuersysteme

Die sich herausbildende globale IG erzeugt nicht nur eine höhere Transparenz des

internationalen Gefälles bei den traditionellen Produktionsfaktoren, wie z.B. den Löhnen,

sondern verdeutlicht auch die Unterschiede bei direkter und indirekter Besteuerung sowie den

Beiträgen zur Sozialversicherung.

Auf einigen Gebieten wie dem elektronischen Geschäftsverkehr ist es fraglich, ob die

bestehenden Verbrauchs- und Umsatzsteuersysteme (die Mehrwertsteuer in der EU) den

Bedingungen einer globalen IG noch im vollen Umfang gerecht werden. In der Vergangenheit

waren die vertriebenen materiellen Güter zurechen- und besteuerbar. Mit dem Aufkommen der

globalen IG jedoch konzentriert sich die Wirtschaftstätigkeit zunehmend in immateriellen, zum

Teil gar nicht sichtbaren globalen Datentransaktionen, von denen nur ein bestimmter

Prozentsatz nachweisbar ist und letztendlich in materielle Güter oder Dienstleistungen einfließt.

So besteht zumindest der Verdacht, daß ein Teil der aus den neuen Informations- und

Kommunikationstechnologien resultierenden Produktivitätszuwächse und Vorteile für den

Verbraucher in den globalen Netzen „verpufft“ und damit keinen Ausdruck in sinkenden

Preisen oder höheren Gewinnen bzw. Löhnen findet39.

Nach Ansicht der HLEG sollten weitere Untersuchungen dahingehend erfolgen, inwieweit es

möglich ist, bestehende Steuersysteme dem globalen Charakter der IG und dem zunehmend

immateriellen Charakter der ausgetauschten Waren und Dienstleistungen anzupassen bzw.

alternative, den neuen Anforderungen besser entsprechende Systeme zu entwickeln., die dem

39 Vgl. unsere vorangehende Argumentation zur "Verpuffung" von Verbraucherüberschüssen.

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eher entsprechen. Auf Gebieten wie dem Teleshopping, wo Waren und Leistungen weiterhin

physisch versandt und ausgetauscht werden40, mögen die bestehenden Formen der

Verbrauchsbesteuerung noch angemessen sein, obwohl auch hier eine Neuformulierung bzw.

Harmonisierung erforderlich wird. Im Falle des Handels mit immateriellen

Informationsdienstleistungen hingegen, wo ein Wert im herkömmlichen Sinne schwer schätzbar

oder nachvollziehbar ist, könnte die Steuerbemessung ebensogut auf der Grundlage der

elektronischen Übertragungsintensität erfolgen, zum Beispiel als eine Art "Bit-Steuer"41.

Auch wird es in Bereichen wie der Verlagerung von Finanzkapitalströmen ins Ausland

letztendlich erforderlich sein, strengere Gesetze im Hinblick auf Steueroasen durchzusetzen,

wollen die Staaten allgemein und weitverbreitet nutzbare Möglichkeiten der Steuerumgehung

beschneiden. In allen drei Fällen könnten sie sich mit der Notwendigkeit konfrontiert sehen,

neue Erfüllungsgehilfen für die Vereinnahmung von Steuern zu suchen, um den gewerblichen

Austausch von Informationen, Waren und Dienstleistungen kontrollieren zu können, ohne dabei

die jedem Bürger garantierte Privatsphäre zu verletzen. Selbst im erstgenannten Fall dürfte die

traditionelle Rolle des Einzel- oder Großhändlers als Vereinnahmer von Mehrwert- bzw.

Umsatzsteuer vor Ort erheblich an Bedeutung verlieren.

Die europäischen Regierungen sollten sich ernsthaft mit dem Problem befassen, daß neue IKT

auch Möglichkeiten der Steuerumgehung eröffnen. Nachdem bereits die Einnahmen aus der

Kapitalertragsteuer europaweit beträchtlich zurückgegangen sind, könnten in vielen EU-

Ländern nun auch die Verbrauchsteuereinnahmen (MWSt. und Verbrauchsabgaben) wesentlich

40 Einschließlich der Rechnungen für diese Waren und Leistungen41 Der Vorschlag für eine "Bit-Steuer", die auf alle interaktiven digitalen Dienste erhoben werden könnte

(A. Cordell und T. Ide, "The New Wealth of Nations", 1994) und auf der Zählung der Bits beruht, die über dieTelekommunikationsleitungen geleitet werden, ergibt sich aus der direkten Analogie der Daten-„Autobahn“. Wieim Falle des Pkw, bei dem Mineralölsteuer oder Straßenbenutzungsgebühren zu zahlen sind, wird auf derDatenautobahn der digitale Verkehr pro Übertragungseinheit, d.h. pro Bit besteuert. Während der Unterschiedauf den ersten Blick darin besteht, daß die Besteuerung nicht aufgrund negativer externer Effekte wie derUmweltschädigung beruht, sondern zur Erhöhung des staatlichen Steueraufkommens erhoben wird, läßt sichdennoch ins Feld führen, daß der negative externe Effekt von "frei verfügbarer Information", zum Beispiel perInternet, durchaus in einer Art Daten-"Smog" oder Daten-Stau gesehen werden könnte.

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niedriger ausfallen. Gleichzeitig sehen sich viele europäische Staaten mit der Tatsache

konfrontiert, daß auch die Finanzierung der Sozialsysteme, die seit jeher aus den Beiträgen der

Arbeiter und Angestellten erfolgte und somit stark an die Beschäftigungssituation gebunden ist,

immer mehr auf tönernen Füßen steht.

Auf jedem der genannten Gebiete sind weitere Untersuchungen und Überlegungen hinsichtlich

alternativer Besteuerungssysteme und der Anpassung bestehender Systeme erforderlich, damit

die Steuergesetze den Bedürfnissen der sich herausbildenden globalen Informationsgesellschaft

besser Rechnung tragen. In einigen Fällen sind auch politische Maßnahmen erforderlich.

EMPFEHLUNG

8. Sicherung der einzelstaatlichen öffentlichen Einnahmen in einem zunehmend globalenUmfeld

Es macht sich eine Anpassung der Steuersysteme an die sich wandelnde Wirtschaftsstruktur derInformationsgesellschaft und die wachsende Bedeutung der Informationsübertragungerforderlich. In der international mobilen IG werden sich die Mitgliedstaaten verstärkt mitFragen der verschiedenen Formen der Umgehung von direkten und indirekten Steuern befassenmüssen. Mit der zunehmenden Mobilität von Waren und Dienstleistungen - einschließlich desZahlungsverkehrs werden die Fundamente der öffentlichen Einnahmen der einzelnen Länder inverschiedenen Bereichen fortgesetzt untergraben. Auch wenn bilaterale Vereinbarungenzwischen Mitgliedstaaten in einigen Bereichen wie der Kapitalertragsteuer dazu beitragenkönnen, bestimmte Steuerschlupflöcher zu stopfen, steht eindeutig die Forderung nach einemstärker auf ganz Europa gerichteten Ansatz. Im Falle der Verbrauchssteuern (Mehrwertsteuern)sind grundsätzliche Überlegungen zu alternativen Besteuerungssystemen und dementsprechendeUntersuchungen erforderlich. Die Bit-Steuer wäre eine solche denkbare Alternative, obgleichdie Einzelheiten und Fragen der Umsetzung noch weiterer Untersuchungen bedürfen.Angesichts der zunehmenden Einbindung der europäischen Volkswirtschaften in globaleStrukturen von Produktion, Vertrieb und Konsum immaterieller Waren und Dienstleistungenerscheint es angebracht zu fragen, inwieweit unsere derzeitigen Verbrauchsteuersysteme nochzweckgemäß sind.

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G. Die Herausforderungen des Zusammenhalts und die Einbeziehung aller

Der von uns mit dem Begriff "Einbeziehung" angesprochene Sachverhalt ist ein

Schwerpunktthema in der sich herausbildenden IG. Unter Einbeziehung - im EU-

Sprachgebrauch gemeinhin auch "Kohäsion" bzw. "Zusammenhalt" bezeichnet - verstehen wir

das Maß, in dem der einzelne die Möglichkeit hat, an der Gesellschaft teilzuhaben. Ob reich

oder arm, ob an einem entfernten Ort oder im Zentrum, es besteht die Hoffnung, daß in einer

künftigen IG jeder einzelne in die Lage versetzt wird, sich umfassend am sozialen Leben der

Gemeinschaft zu beteiligen. Nach Möglichkeit sollte die IG nicht die vermehrte Ausgrenzung

zur Folge haben, sondern zu deren Überwindung beitragen.

Im Grünbuch „Leben und Arbeiten in der Informationsgesellschaft: Im Vordergrund der

Mensch“42 wird die Sorge geäußert, daß neue IKT die bestehenden Ungleichheiten eher

verstärken denn abbauen, indem sie das Risiko einer Zwei-Klassen-Informationsgesellschaft

heraufbeschwören, in der es Personen gibt, die im Besitz der Informationen sind, und solche, die

darüber nicht verfügen.

1. Soziale Einbeziehung

Die Frage des sozialen Zusammenhalts in der sich herausbildenden IG ist weitreichend und

vielschichtig. Zweifellos spielen die IKT bei der Förderung des Zusammenhalts und der

Integration von Gemeinschaften eine wichtige Rolle, ebenso wie sie Möglichkeiten zur

Verringerung der Ausgrenzung von benachteiligten oder Randgruppen eröffnen. Andererseits

sind viele IKT noch immer recht kompliziert in der Anwendung, und ihre soziale Akzeptanz

wird sich nur durch eine stärkere Einbeziehung der Nutzer in die Gestaltung und Umsetzung

dieser Technologien steigern lassen.

42 Siehe KOM(96) 389, 22-070196.

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Personen mit unterschiedlichen Fähigkeiten oder Qualifikationen werden die Möglichkeiten, die

neue IKT bieten, auch auf ganz verschiedene Weise nutzen bzw. unterschiedlich darauf

reagieren. Die Angst vor einer verstärkten sozialen Ausgrenzung beruht dabei weitgehend auf

den vielfältigen Problemen, mit denen sich „weniger begünstigte“ Gruppen (z.B. Behinderte

und ältere Menschen, Arbeitslose und Zuwanderer) gegenwärtig im wirtschaftlichen Alltag

ohnehin konfrontiert sehen. In einer relativ statischen Weise rührt diese Angst vor zunehmender

gesellschaftlicher Ausgrenzung aus der Annahme her, die derzeitigen Probleme der

Ausgrenzung solcher Gruppen würden in der zukünftigen IG im großen und ganzen erhalten

bleiben. Dem steht der optimistische Ausblick gegenüber, der die Chancen der neuen IKT für

gegenwärtig ausgegrenzte Gruppen in den Mittelpunkt der Betrachtungen stellt und Fälle zu

finden versucht, in denen diesen Gruppen mit den IKT wirklich „befähigende“ Technologien

zur Verfügung gestellt werden, die sie in die Lage versetzen, Benachteiligungen zu überwinden.

In der diesbezüglichen Diskussion ist es im übrigen unstrittig, daß sich diese Chancen, von

wenigen Ausnahmen abgesehen, nicht automatisch über den Markt manifestieren werden, da

ausgegrenzte Gruppen, wie schon die Bezeichnung andeutet, im allgemeinen keine für die

Wirtschaft interessanten Verbrauchergruppen darstellen.

Die Gefahr zunehmender menschlicher Vereinsamung durch die IG ist ernst zu nehmen, auch

wenn es andererseits Anzeichen dafür gibt, daß diese Technologien den Ausgangspunkt für

neue Formen der Geselligkeit und der zwischenmenschlichen Beziehungen bilden. Von

Bedeutung ist auch, daß die mit diesen neuen Technologien erzeugten virtuellen Abbilder

unsere Wahrnehmung der materiellen Realität verändern. In beiden Fällen werden anstatt

weiterer Spekulationen tiefere Einsichten in die tatsächlichen Auswirkungen benötigt.

Wir sehen es als wesentlich an, daß Menschen, und hier insbesondere ausgegrenzte Gruppen,

nicht genötigt werden sollten, sich auf die neuen Technologien einzustellen. Vielmehr müssen

die Technologien den menschlichen Bedürfnissen besser angepaßt werden. Die IG soll keine

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neuen Formen der Ausgrenzung hervorbringen, sondern zur Verbesserung der sozialen

Integration und der Lebensqualität beitragen.

EMPFEHLUNGEN

9a. Verbesserung der sozialen Einbindung

Die verschiedenen Möglichkeiten zur Stärkung der sozialen Einbindung und Verbesserung derLebensqualität durch eine beschleunigte Entwicklung und Annahme von IKT-Anwendungensollten eingehender untersucht und aktiv vorangetrieben werden. Die Aufmerksamkeit solltedabei vor allem der Bereitstellung und Anpassung von Technologien in denjenigen Bereichengelten, in denen nicht zu erwarten steht, daß der Markt die Bedürfnisse abdeckt. Von höchsterBedeutung ist die Einbeziehung von Zielgruppen, freien Trägern undNichtregierungsorganisationen in die Gestaltung, Entwicklung und Umsetzung derTechnologien.

9b. Vermeidung von Ausgrenzung/Eingehen auf spezielle Bedürfnisse

Mit besonderem Nachdruck sollte sich die Politik derjenigen Gruppen annehmen, diegegenwärtig verstärkt dem Risiko der Ausgrenzung ausgesetzt sind und in den neuen IKT-Hilfsmitteln Möglichkeiten zur Wiedereingliederung finden könnten. Als Beispiele ließen sichältere Menschen, Vorruheständler und „aktive“ Pensionäre sowie Arbeitslose nennen.Allerdings müssen die speziellen Bedürfnisse dieser Gruppen noch eingehender analysiert undbesser verstanden werden, bevor man zielgerichtete politische Maßnahmen im größerenUmfang einleitet. Insbesondere machen sich hier Korrekturen am Ausbildungssystemerforderlich, mit denen den nichtberuflichen Interessen und Bedürfnissen dieser Gruppen bei derAnpassung an die IG Rechnung getragen wird.

9c. Bereitstellung technologischer Mittel für die Sozialpartner

Besonders den Sozialpartnern gegenüber sind dezidierte Anstrengungen erforderlich, um dieBeteiligung aller an der IG zu ermöglichen. Die Kommission sollte sich für den Abschluß vonVereinbarungen zwischen Berufsverbänden und Arbeitgebern einsetzen, in denen die Nutzungtechnischer Systeme und Betriebsmittel der Unternehmen durch Arbeitnehmervertreter,insbesondere Gewerkschaftsvertreter geregelt wird.

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2. Verbesserung der Beschäftigungschancen

Eines der besonderen Merkmale der IG besteht darin, daß sie Bevölkerungsschichten, die bei

den herkömmlichen Arbeitsplätzen und Arbeitssystemen benachteiligt waren, umfassendere

Beschäftigungsmöglichkeiten bietet. Wie stets, wenn neue Technologien eingeführt werden,

dürfte es jedoch auch bei der Entwicklung hin zu einer verstärkten Nutzung von IKT neue

Gewinner und Verlierer geben. Vertretern bestimmter sozialer Gruppen könnte es in der

zukünftigen IG schwerer fallen, eine Anstellung zu finden. Ganz allgemein ist bereits eine

sinkende Nachfrage nach weniger qualifizierten Arbeitskräften festzustellen. Im Zuge der

weiteren Verbreitung von IKT wird sich dieser Trend sicher noch stärker ausprägen. Auch

andere Tendenzen, zum Beispiel die Zunahme von Unternehmensumstrukturierungen und

vorzeitigen Zwangspensionierungen, werden zu einem Anstieg der Arbeitslosenzahlen in

bestimmten Gruppen führen. Fest steht, daß nicht nur die Tragweite bereits bestehender Formen

von Ausgrenzung eingeschränkt werden muß, sondern auch Mechanismen für die Integration

der potentiell am stärksten gefährdeten Gruppen benötigt werden. Ein Beitrag zur Lösung dieser

„neu“ entstehenden Probleme könnte hingegen die Umorientierung der vorhandenen

europäischen Fonds wie z.B. des Europäischen Sozialfonds (ESF) sein.

Jüngere Untersuchungen von aktiven beschäftigungspolitischen Maßnahmen stellen die

Beschäftigungswirksamkeit großangelegter Bildungsveranstaltungen und Praktika, bei denen

Arbeitserfahrungen gesammelt werden sollen, in Frage43. Wie sich zeigt, müssen diese

Initiativen genau auf die Bedürfnisse der jeweiligen Zielgruppe ausgerichtet sein. Insbesondere

gilt es, Mechanismen zur Integration minderqualifizierter Personen zu entwickeln, die den

Betroffenen einen steten Qualifizierungszuwachs und damit den Durchbruch zu dauerhaften

Beschäftigungschancen ermöglichen.

43 Siehe u.a. OECD (1996): "Enhancing the Effectiveness of Active Labour Market Policies", Mai,vervielfältigt; sowie Fy (1996): " Enhancing the Effectiveness of Active Labour Market Policies: The Role andEvidence from Programme Evaluations in OECD Countries", OECD, vervielfältigt.

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Wie bereits in Abschnitt 1 besprochen, wird auch ein Teil der Beschäftigten Hilfe benötigen,

um angesichts des raschen technologischen Wandels, der rückläufigen Entwicklung zahlreicher

herkömmlicher Sektoren und Berufe sowie des Entstehens einer neuen Arbeitskultur ihre

Erwerbschancen zu wahren. Für einige Unternehmen dürfte es schwierig sein, die zum Erhalt

ihrer Wettbewerbsfähigkeit nötige Anhebung des Qualifikationsniveaus der Mitarbeiter

rechtzeitig herbeizuführen. Wahrscheinlich wird in vielen Fällen auch Unterstützung beim

Übergang von alten zu neuen Arbeitsweisen und Technologien benötigt. Wie bereits an anderer

Stelle im vorliegenden Bericht betont, werden die Technologien immer jünger und die

Erwerbsbevölkerung gleichzeitig immer älter. Es geht hier nicht mehr einfach nur um die

ständige Fortbildung am Arbeitsplatz, sondern um die bessere Integration von internem und

externem Arbeitsmarkt, die dem einzelnen auf dem Arbeitsmarkt zu einer besseren

Ausgangsposition verhilft.

Schließlich sollte das langfristige Ziel die Schaffung effizient arbeitender Stellen zur

Verwaltung des Arbeitsmarktes sein, die vom Ansatz lebenslanger Beschäftigung ausgehen und

die laufenden Bemühungen zur Einrichtung neuer Systeme des lebensbegleitenden Lernens

widerspiegeln. In einigen Ländern wird das Schwergewicht bereits auf Beschäftigungs- und

Fortbildungsberatung gelegt, die zum Zeitpunkt entscheidender Veränderungen in der

beruflichen Laufbahn wirksam werden soll. Derartige Systeme sollten noch besser koordiniert

und systematischer betrieben werden, um die Menschen zu befähigen, dem für die künftige IG

typischen Bedarf an ständig neuen Fertigkeiten während ihres Lebens zu entsprechen. In diesem

Sinne müßten die neuen IKT-gestützten Arbeitsvermittlungsdienste, von denen bereits eine

Reihe besteht, gefördert werden, da sie einen bedeutenden Beitrag zu Offenheit und Flexibilität

leisten. Andererseits werfen diese Systeme auch wieder neue Fragen des Zugangs und der

Ausgewogenheit auf. Aus diesem Grund verweisen wir auf die Bedeutung, die das persönliche

Gespräch bei der Unterstützung der Planung von Weiterbildungs- und Beschäftigungsstrategien

hat. In der IG dürfte die Bedeutung der Beratung eher zu- als abnehmen.

EMPFEHLUNG

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9d. Einrichtung eines Europäischen Sozialfonds zur Verbesserung derBeschäftigungschancen

Unserer Auffassung nach sollte der Europäische Sozialfonds mit Beginn des neuen Jahrtausendseine entscheidende Rolle spielen, indem nachgewiesen wird, wie mit aktivenArbeitsmarktmaßnahmen den Herausforderungen der IG begegnet werden kann. Aus dem ESFmüssen Experimente finanziert werden, mit denen ausgelotet wird, wie sich dieBeschäftigungschancen verschiedener sozialer Gruppen (z.B. freigesetzte Arbeitskräfte,Langzeitarbeitslose, in das Berufsleben zurückkehrende Frauen, ältere, mit den neuenTechnologien nicht vertraute Arbeitnehmer, unterqualifizierte junge Menschen usw.) imUmfeld der neuen IG erhöhen lassen. Dabei sollte folgendes im Mittelpunkt stehen:Entwicklung neuer Formen der Weiterbildung und des Lernens unter Einsatz der neuen IKT,Bestimmung sich neu herausbildender Qualifikationsanforderungen (neben neuem technischenFachwissen auch neue Anforderungen an grundlegende kognitive und soziale Fähigkeiten),Einführung innovativer Methoden der Höherqualifizierung durch Weiterbildung und Praktika(insbesondere durch eine stärkere Einbeziehung von Arbeitgebern als Partner für langfristigereEntwicklungsansätze für das Lernen) sowie die weiterführende Entwicklung und Förderung vonneuen, aufeinander aufbauenden und zugleich offeneren und flexibleren Systemen für dieDurchführung von Bildungsveranstaltungen und die Zuerkennung von Abschlüssen. Damitgewährleistet wird, daß die Eingriffe in den Arbeitsmarkt eine starke und positive Wirkung aufdie Beschäftigungsmöglichkeiten zeitigen, sehen wir jedoch auch die Notwendigkeit einerregelmäßigen Einschätzung der bereits angelaufenen IG-bezogenen Arbeitsmarktmaßnahmen,insbesondere von Programmen zur Weiterbildung und Vermittlung von Berufserfahrung, diezwar meist kostenintensiv, doch nicht immer effizient sind.

H. Die Überbrückung von Entfernungen

Durch die Fähigkeit der neuen IKT, Entfernungen problemlos zu überwinden, richtet sich das

Augenmerk naturgemäß auf die Wachstums- und Entwicklungschancen, die sich den von jeher

am stärksten durch geographische Entwicklungsbarrieren abgeschnittenen Regionen nunmehr

bieten. Im Hinblick auf den regionalen Zusammenhalt und die sich herausbildenden

Informationsgesellschaften ist es wichtig, zwischen strukturschwachen und peripher gelegenen

Regionen zu unterscheiden. Anscheinend werden Untersuchungen und politische Maßnahmen,

die diese beiden Arten von Regionen betreffen, oftmals unter der Überschrift „regionaler

Zusammenhalt“ zusammengefaßt. Unseres Erachtens ist jedoch diesbezüglich eine klare

Unterscheidung zu treffen. In strukturschwachen Regionen spielen die Probleme der Armut und

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des niedrigen Entwicklungsstandes eine größere Rolle. Peripher gelegene Regionen hingegen

sind mit Problemen konfrontiert, die sich aus ihrer geographischen Lage ergeben. Die

Regionalpolitik muß die jeweils speziellen Probleme der strukturschwachen und der in

Randlage befindlichen Regionen berücksichtigen.

Wie beim sozialen Zusammenhalt liegt es auch beim regionalen Zusammenhalt klar auf der

Hand, daß die sich aus der IG ergebenden Chancen weder in den strukturschwachen noch in den

peripher gelegenen Regionen automatisch ergriffen werden. Damit der Nutzen der IG zum

Tragen kommt, müssen einige Voraussetzungen erfüllt sein, insbesondere der Zugang zur

Informationsinfrastruktur. In der Vergangenheit wurde versucht, mit der

Universaldienstverpflichtung das Problem des Zugangs zum öffentlichen Telefonnetz zu lösen.

Nunmehr wird es erforderlich, die Universaldienstverpflichtung auf den bezahlbaren Zugang zu

modernen Telekommunikationsdiensten auszuweiten. Dieses Thema stand vielfach im

Mittelpunkt der politischen Debatte in Europa. Im Gegensatz zu früheren Erfahrungen haben

wir es gegenwärtig jedoch angesichts des schnellen Entwicklungstempos der

Kommunikationstechnologie und der zunehmenden Liberalisierung der Rahmenbedingungen

für die neuen Informationsdienstleistungen mit einem wesentlich komplizierteren Problem zu

tun. Eine einfache Ausweitung der Universaldienstverpflichtung auf die sich durch die IG

ergebenden neuen technologischen Möglichkeiten, wie zum Beispiel die allgemeine Versorgung

mit Breitbandanschlüssen, wäre extrem kostspielig, zumal die jeweilige Technik rasch wieder

veraltet. Unseres Erachtens muß ein alternatives, weniger technisch als vielmehr funktionell

ausgerichtetes Konzept des Universaldienstes entwickelt werden.

Es wird jedoch auch erforderlich sein, die Frage der Liberalisierung und ihrer möglichen

nachteiligen Auswirkungen auf die Entwicklung von strukturschwachen und peripher gelegenen

Regionen zu untersuchen. Die Unterschiede zwischen strukturschwachen und peripher

gelegenen Regionen sind für die Gewährleistung des Zugangs zur Informationsinfrastruktur

ebenfalls von Bedeutung. Strukturschwache Regionen haben im Gegensatz zu peripher

gelegenen Regionen oftmals eine hohe Bevölkerungsdichte, und ihr Entwicklungsrückstand

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hängt meist eng mit der unzureichend ausgebauten Informationsinfrastruktur und der

mangelnden Nutzung von Informationen zusammen. Häufig besteht bei der Informations- und

Kommunikationsinfrastruktur ein beträchtliches Aufholpotential, und neu auf den Markt

drängende Unternehmen könnten angesichts der in Regionen mit großer Bevölkerungsdichte

bestehenden hohen latenten Nachfrage zu Investitionen bereit sein, zumal die Chancen für

Amortisation und Gewinnerzielung meist sehr gut sind. Der Entwicklungsrückstand in diesen

Regionen schließt die Nutzung beträchtlicher Größenvorteile nicht aus. Durch die

Liberalisierung dürften die potentiellen Vorteile im Zusammenhang mit Skaleneffekten und

Konzentration wesentlich deutlicher hervortreten. Demgegenüber würde das Beharren auf der

Universaldienstverpflichtung einer Nutzung dieser wirtschaftlichen Möglichkeiten im Wege

stehen. Während die Anbindung dichtbesiedelter Gebiete im Zentrum strukturschwacher

Regionen wirtschaftlich erfolgversprechend ist, könnte die darüber hinausgehende

Universaldienstverpflichtung leicht die Rentabilität eines solchen Projekts in Frage stellen.

Peripher gelegene Regionen sind hingegen vor allem durch ihre Abgelegenheit benachteiligt.

Auch in diesem Fall könnte die Fähigkeit der IKT zur Überbrückung von Entfernungen neue

Wachstums- und Entwicklungschancen mit sich bringen. Die aktive Beteiligung dieser

Regionen an einer künftigen IG wird jedoch in hohem Maße von deren Zugang und vom

Bestehen der Universaldienstverpflichtung abhängen. In Anbetracht ihrer peripheren Lage und

niedrigen Bevölkerungsdichte können sie sich die Fähigkeit der IKT, Entfernungen zu

überbrücken, nur in dem Maße zunutze machen, wie die Universalität und Qualität der

Informationsinfrastruktur gewährleistet ist. Von der Liberalisierung sind hier nicht

notwendigerweise positive Wirkungen zu erwarten. Im Mittelpunkt des Interesses an der

wirtschaftlichen Nutzung, die eine Verschärfung des Preis- und Qualitätswettbewerbs zur Folge

haben wird, dürften zunächst jene Aktivitäten stehen, die die besten Erfolgsaussichten bieten:

Es wird darum gehen „die Rosinen herauszupicken“, was den betreffenden Regionen nur wenig

nützen wird. Anders gesagt, die Bedeutung des universellen Zugangs ist für die einzelnen

Regionen unterschiedlich. Unter diesem Aspekt würde eine allgemeine europäische Richtlinie

über die Ausweitung der Universaldienstverpflichtung wahrscheinlich keinen realen Beitrag

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zum regionalen Zusammenhalt leisten. Statt dessen sollte sich die Regionalpolitik wesentlich

mehr auf spezielle Zielsetzungen konzentrieren, um effektiver zu werden.

EMPFEHLUNGEN

10a. Konzept eines kommunalen Universaldienstes

Wir meinen, daß keine ausufernde Debatte über technische Mindestanforderungen geführt,sondern vielmehr die „Funktionalität“ der Dienstleistungen und alternativer Technologienerörtert werden sollte. Wie in anderen Bereichen sind wir auch hier dafür, an die Stelle dergegenwärtigen technischen Diskussionen eine weitaus stärker sozial und gesellschaftlichorientierte Argumentation treten zu lassen. In Anbetracht dessen muß vielgründlicher darüber nachgedacht werden, ob es mit Blick auf die Verhinderung vonAusgrenzung und die Wahrung des regionalen Zusammenhalts nicht günstiger wäre, dasheutige Konzept des „Universaldienstes“ in Richtung auf einen „kommunalenUniversaldienst“ abzuwandeln, indem zwar eine grundlegende Versorgungspflicht bei denneuen Informationsdiensten44 eingeführt wird, der Kontrahierungszwang jedoch aufpädagogische, kulturelle, medizinische, soziale oder gewerbliche Einrichtungen derörtlichen Kommunen beschränkt bleibt. Ein solches „kommunales“ Universaldienstkonzeptkäme einer erneuten Hinwendung zur historischen Idee der „Universalität“ gleich, dieinfolge der Erfindung des Fernschreibers im 19. Jahrhundert in den USA aufkam.

neuen Informationsdiensten45 eingeführt wird, der Kontrahierungszwang jedoch aufpädagogische, kulturelle, medizinische, soziale oder gewerbliche Einrichtungen derörtlichen Kommunen beschränkt bleibt. Ein solches „kommunales“ Universaldienstkonzeptkäme einer erneuten Hinwendung zur historischen Idee der „Universalität“ gleich, dieinfolge der Erfindung des Fernschreibers im 19. Jahrhundert in den USA aufkam.

10b. Neukonzipierung der Strategie des regionalen Zusammenhalts

Erforderlich wird daher eine grundlegende Neukonzipierung der Strategie des „regionalenZusammenhalts“ im Rahmen der sich herausbildenden IG - von Maßnahmen zurLiberalisierung im Telekommunikationssektor in peripher gelegenen Ländern und Regionen

44 Dies könnte eher funktionelle als technisch beschrieben werden, wie zum Beispiel die Möglichkeit derelektronischen Vernetzung, des Daten- und Nachrichtenaustauschs, des Zugangs zu neuen Wirtschafts- undInformationsdiensten weltweit und in den Kernregionen usw.

45 Dies könnte eher funktionelle als technisch beschrieben werden, wie zum Beispiel die Möglichkeit derelektronischen Vernetzung, des Daten- und Nachrichtenaustauschs, des Zugangs zu neuen Wirtschafts- undInformationsdiensten weltweit und in den Kernregionen usw.

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bis hin zur Erarbeitung von Programmen, die auf die spezifischen Bedürfnisse von Regionenmit Entwicklungsrückstand zugeschnitten sind. Die Tätigkeit der Gemeinschaftsfonds fürregionale Entwicklung sollte sich weitaus stärker auf jene Gebiete/Regionen konzentrieren,bis zu denen die Nutzeffekte der Liberalisierung höchstwahrscheinlich nicht durchdringen.Mit anderen Worten: Diese Mittel sollten der Unterstützung bedarfsgesteuerter regionalerMaßnahmen zur Beseitigung „schwarzer Löcher“ dienen. Dadurch würden die Fonds dieVorzüge der gestiegenen Kostentransparenz in den strukturschwachen Regionen,insbesondere in den dichter besiedelten Gebieten deutlicher zum Vorschein bringen und aufeffektivere Weise zum regionalen Zusammenhalt beitragen, indem sich die Unterstützung aufrelativ enggefaßte Zielsetzungen46 zugunsten spezifischer Gruppen in ländlichen oderentlegenen Gebieten konzentriert.

I. Europäische Vielfalt - Nutzung der Vorteile der verschiedenen entstehenden

Informationsgesellschaften

Aus der Erkenntnis, wie bedeutsam die sozialen Aspekten im Rahmen der IG sind, ergibt sich

für die Politik bis zu einem gewissen Grade die Notwendigkeit, wesentlich stärker von den mit

der Wirtschafts- und Währungsintegration verbundenen herkömmlichen Erfordernissen der

Erzielung von Größenvorteilen und der ordnungspolitischen Harmonisierung abzurücken.

Natürlich wird der wirtschaftliche Erfolg vieler Informationsdienste und -produkte wesentlich

von der Erzielung eines Mindestmaßes an Größenvorteilen abhängen. Diese werden oftmals

sogar wesentlich größer sein als bei Industriegütern. Das Fehlen eines harmonisierten

europäischen Marktes bei vielen dieser Dienstleistungen ist nicht nur ein erhebliches Hemmnis

für die schnelle Verbreitung von Informationsdiensten, sondern auch für das Entstehen einer

wettbewerbsfähigen europäischen Multimedia-Industrie.

EMPFEHLUNG

11a. Entwicklung einer qualitativ hochwertigen Multimedia-Industrie

46 Zum Beispiel den Zugang zu ISDN-Diensten in ländlichen Gebieten.

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Es mag paradox anmuten, daß zur Entwicklung einer florierenden europäischen Medien- undInhalte-Wirtschaft gerade das Instrumentarium der Industriepolitik vonnöten zu sein scheint.Angesichts der dramatischen Größenvorteile, die in einigen der sich am schnellstenentwickelnden Marktsegmente erzielt werden, besteht unseres Erachtens die Notwendigkeit,junge Wirtschaftszweige in diesem Bereich zu unterstützen. Im Gegensatz zurherkömmlichen Industriepolitik sollte diese neue Strategie auf ein Gesamtkonzept gerichtetsein, das für die Belieferung des Absatzsektors die Notwendigkeit eines starken undbreitgefächerten europäischen Produktionssektors anerkennt. Damit der Zugang zuhochwertigen Medien in der gesamten Union gewährleistet ist, sind für die Vertriebskanälemöglicherweise Regulierungsmaßnahmen unterhalb der europäischen Ebene erforderlich.Grundsätzlich ist für eine schnelle Entwicklung der Medienindustrie nunmehr einAktionsprogramm vonnöten, das die Wettbewerbsfähigkeit qualitativ hochwertigereuropäischer Medienprodukte fördert und den wirtschaftlichen und kulturellen Pluralismus indiesem Sektor begünstigt.

Die wichtigste Herausforderung für die europäische IG ist jedoch zweifellos das Streben nach

Wettbewerbsfähigkeit auf der Grundlage kultureller, erzieherischer und sozialer Vielfalt. So

gesehen weist die sich herausbildende IG auf die Notwendigkeit eines neuen und anderen

Prozesses der wirtschaftlichen Integration hin, bei dem nicht mehr nur die Normung und

Harmonisierung der Produkte und Dienstleistungen, der Zugang zu einer „offenen“ Infrastruktur

und eine größere Transparenz des Marktes in ganz Europa angestrebt werden, sondern auch die

Anerkennung und Pflege der großen Vielfalt des Geschmacks, der Kulturen und Talente47.

Die zentrale Frage der nächsten Jahre ist, inwieweit die IG das sich aus der in Europa

vorherrschenden enormen Vielfalt ergebende Produktionspotential in einen Wettbewerbsvorteil

umwandeln kann. Von wesentlicher Bedeutung ist außerdem, in welchem Maße der sich durch

47 Sir David Putnam hat dies anläßlich der Konferenz „People's First“ in Dublin wie folgt ausgedrückt: „EinGeschäftsmann in führender Position war begeistert von dem Gedanken, daß der wahre Wert des einheitlichenMarktes darin bestehe, 300 Millionen Kunden zusammengeführt zu haben. Darauf hin fragte ich ihn, ob nicht derwahre Wert des einheitlichen Marktes eher darin besteht, daß er uns neue Möglichkeiten bietet, Europa zu einerproduktiveren Gesellschaft zu entwickeln? Langfristig gesehen hängt unsere Zukunft nicht davon ab, wieviel wirkonsumieren, sondern davon, was wir herstellen, wie wir es herstellen und inwieweit die achtzehn MillionenMitbürger, die gegenwärtig arbeitslos und daher sowohl als Verbraucher als auch als Produzenten ausgegrenzt sind,in den Produktionsprozeß einbezogen werden."

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die über 350 Millionen Einwohner ergebende Größenvorteil nicht nur dazu genutzt wird, den

allgemeinen Bedarf an materiellen Gütern und Informationen zu niedrigeren Preisen zu

befriedigen, sondern als produktives Kreativitätspotential und zur Deckung des im Rahmen der

Kommunikation und des Austauschs bestehenden Bedarfs an Vielfalt und Mannigfaltigkeit

dient. Aus diesem Grunde hoffen wir auch, daß dieser Bericht in alle europäischen Sprachen

einschließlich der sogenannten „weniger verbreiteten“ übersetzt wird.

EMPFEHLUNG

11b. Förderung eines multikulturellen Europas

Das Zukunftsbild eines multikulturellen Europas ließe sich in der IG dadurch fördern, daß dieIKT in vielfältiger Weise genutzt werden: als Impulsgeber für die kulturelle Entwicklung, zurVerbreitung kulturellen Gedankenguts und von Kulturobjekten, zur Erleichterung direkterKontakte zwischen ganz unterschiedlichen (und oft weit verstreuten) Gruppen sowie zurUnterstützung der Vielsprachigkeit der europäischen Gesellschaft. Sinnvoll wären dabei eineZusammenarbeit mit ähnlichen Programmen außerhalb Europas und natürlich dieKoordinierung der Maßnahmen mit den zuständigen internationalen Gremien.

Die Region oder die Kommune ist in der Europäischen Union offensichtlich das natürliche

Forum,

in dem sich die Vielfalt am besten verwirklichen kann. Aus diesem Grund haben wir die

Bedeutung

der kommunal- und regionalpolitischen Aspekte der sich herausbildenden IG besonders

hervorgehoben, und zwar nicht nur im Hinblick auf das durch die neuen IKT geschaffene

Potential zur Überbrückung räumlicher Entfernungen, sondern auch, weil die Vielfalt am besten

in der Kommune oder Region gepflegt, gefördert und in die Weltgemeinschaft eingebunden

werden kann. Hinzu kommt, daß dies die Ebene ist, auf der die Aus- und

Weiterbildungseinrichtungen tätig sind.

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EMPFEHLUNG

11c. Pflege der kommunalen Werte

Ein wichtiger Schritt bei der Stärkung der Gemeinschaft ist die Förderung der Produktion unddes Konsums von Kultur auf kommunaler Ebene. Dies ist als Beitrag zur Wiedererlangungdes Heimat- und Selbstwertgefühls und zur Entwicklung der natürlichen Schöpferkraft (vorallem in entfernten oder peripheren Gebieten) sowie als Erziehungsprozeß von Bedeutung.Daher sollte bei der Konzipierung kultureller Dienstleistungen darauf geachtet werden, daßsie zentralisierenden Tendenzen entgegenwirken und diese nicht noch verstärken. Dernatürliche Ort für kulturelle Äußerungen ist der öffentliche Raum. Daher sollte eserklärtermaßen das Ziel von Maßnahmen für die IG sein, den öffentlichen Raum und diegemeinsame Erfahrung von Kultur zu fördern.

J. Transparenz und Demokratie

Die von den neuen IKT hervorgebrachte größere Transparenz beschränkt sich nicht allein auf

wirtschaftliche Variablen. Sie erstreckt sich auch auf viele andere Bereiche, die wir hier unter

der Überschrift Demokratie zusammengefaßt haben. Wir haben beschlossen, zwei bestimmte

Bereiche herauszugreifen, auf die die Politik ihre Aufmerksamkeit richten sollte: die Tendenz

zur Medienkonzentration und deren Folgen für den Pluralismus und den Zugang zu öffentlichen

Informationen sowie die wachsenden Möglichkeiten einer breiteren öffentlichen Beteiligung an

der politischen Entscheidungsfindung.

1. Medienkonzentration

Die Medien spielen bei der Gewährleistung von Pluralismus sowie Transparenz der

Regierungspolitik seit jeher eine bedeutende Rolle. Es ist indes zu befürchten, daß die

Internationalisierung der Medien bei gleichzeitiger Konzentration ein Demokratiedefizit

schaffen könnte. Die Internationalisierung der Medienaktivitäten sprengt zunehmend den

Ordnungsrahmen der einzelnen Staaten, und die Medienkonzentration kann zur Herausbildung

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einer privilegierten Gruppe von Lobbyisten und politischen Akteuren führen, die in der Lage

sind, die Medien - und damit das Interesse der Allgemeinheit - in bestimmte Bahnen zu lenken.

Andererseits fördern neu entstandene Medienformen wie das Internet die Dezentralisierung der

Meinungsäußerung, was es dem einzelnen leicht macht, eine Botschaft oder Ansicht einer

großen Zahl von Personen mitzuteilen.

Eine Voraussetzung für das richtige Funktionieren von Demokratie ist der öffentliche Zugang

zu verläßlichen und objektiven Informationen. Ohne eine sachliche Unterrichtung über das

Geschehen vor Ort sowie im In- und Ausland können die Bürger weder aktiv an der Leitung der

Gesellschaft teilnehmen noch bei Wahlen sachgerecht entscheiden. Die Auswahl dessen, was an

Informationen angeboten wird, erfolgt jedoch nicht völlig unparteiisch und transparent. Derzeit

ist eine immer stärkere Medienkonzentration zu beobachten, und vielfach kontrolliert ein

Medienkonzern eine Vielzahl von Zeitungen, Fernsehanstalten, Nachrichtenprogrammen u.ä.

Wenn nur eine Handvoll von Organisationen darüber entscheidet, welche Informationen den

Zuschauern vermittelt werden, und die Eigentumsverhältnisse undurchschaubar sind, ist es

unsere Sorge, daß die Medienkonzentration dem kulturellen und politischen Pluralismus in

Europa Schaden zufügen könnte. Die Kompliziertheit dieser Fragen läßt es notwendig

erscheinen, daß der neue Problemkreis Medien, Demokratie und die IG im Rahmen einer

Organisation analysiert wird.

Da von mehreren EU-Mitgliedstaaten Gesetze zur Medienkonzentration erlassen worden sind,

müssen diese auf europäischer Ebene vornehmlich im Interesse der Vermeidung einer

Verfälschung des Wettbewerbs zwischen den Mitgliedstaaten harmonisiert und koordiniert

werden. Die EU und der Europarat zählen zu den wichtigsten internationalen Organisationen,

die der Diskussion dieses Themenkomplexes ein Forum bieten könnten.

EMPFEHLUNG

12a. Bewahrung des Pluralismus

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Wir empfehlen die Einrichtung eines unabhängigen Europäischen Medienrats, um einepluralistische Medienberichterstattung und freie Meinungsäußerung zu gewährleisten und diedemokratische Debatte in der EU zu stärken. Einem solchen Gremium würden mehrere Rollenzufallen. So wäre es seine Aufgabe, die Medienentwicklung zu verfolgen, für eine völligeTransparenz bei Beteiligungsverflechtungen zu sorgen, die Diskussion und Erörterung vonThemen der Unterscheidung zwischen Information, Know-how und Unterhaltung zu fördern,den Einfluß der Medien auf Jugendliche sowie die Auswirkung und Folgen von IKT wie demInternet auf die Medien und die Politik zu untersuchen.

Darüber hinaus unterstützen wir den Entwurf der Richtlinie zur Medienkonzentration, da er esden Mitgliedstaaten trotz der erkennbaren Tendenzen zur Internationalisierung undKommerzialisierung der Massenmedien ermöglichen wird, ihre Medien in den Landessprachenzu entwickeln und auf diese Weise die nationale Identität zu schützen.

2. Die Einbeziehung aller - ein breit angelegtes demokratisches Projekt

Die IKT eröffnen neue Möglichkeiten, um die Bürger stärker in die politische Willensbildung

einzubeziehen und sie dafür zu sensibilisieren. Es gibt bereits Ansätze für eine

„Computerdemokratie“, die eine stärkere Transparenz des staatlichen Handelns und eine

größere Bürgernähe der Vertreter des Staates mit sich bringt. Die neuen

Kommunikationstechniken erleichtern die Durchführung von Meinungsumfragen, die bei

sorgfältiger Handhabung auch repräsentativer gestaltet werden können. Die besten Methoden

zur praktischen Realisierung solcher Systeme müssen aber erst noch ermittelt werden und sind

in Europa je nach demokratischer Tradition von Land zu Land unterschiedlich. Es besteht sogar

die Gefahr, daß ein Übermaß an Informationen und Diskussionen, insbesondere in Form bloßer

Spekulation in den Medien, die Erledigung ernster Staatsaufgaben beeinträchtigt und zu einer

„Konfettidemokratie“ führt. Wir haben bereits auf die Begriffsverwirrung im Hinblick auf

Datenübertragung, persönliche Kommunikation und Wissenserwerb hingewiesen, und ebenso

könnte auch „Datenübertragung“ leicht mit „öffentlicher Debatte“ verwechselt werden.

Mit den neuen Technologien ist potentiell eine Erweiterung von demokratischen Prozessen der

Entscheidungsfindung möglich. Dennoch könnten Unterschiede im Bildungs-, Finanz- und

Beschäftigungsstatus eine soziale Kluft schaffen zwischen denen, die zum Erwerb zusätzlicher

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Informationen durch Nutzung der neuen Technologien in der Lage sind und denjenigen, die

nicht über diese Möglichkeit verfügen. Voraussetzung für die Teilnahme am gesellschaftlichen

Dialog ist der Zugang zu Informationen. Wir sind daher der Meinung, daß Maßnahmen

ergriffen werden müssen, die den weniger begünstigten Gruppen in Europa den Zugang zu

Informationen und Diensten der IG ermöglichen.

Der Informationszugang allein reicht jedoch nicht aus; eine wesentliche Aufgabe wird in der IG

darin bestehen, die Bürgernähe des Staates zu verbessern und hier ganz besonders die jüngere

Generation anzusprechen. Gerade junge Menschen betrachten die Politik oft als lebensferne,

vernebelte und langweilige Kunst. Es ist daher sowohl wünschenswert als auch notwendig,

Wege zu finden, um dem demokratischen Prozeß mehr Transparenz und Vitalität auch in den

Augen der Jüngeren zu verleihen. Zudem müssen sich die Bürger der EU ohnehin neues Wissen

aneignen, um die neuen Medien bestmöglich nutzen zu können. Dieser Lernprozeß sollte bereits

im Schulalter beginnen, damit junge Menschen schon frühzeitig einen Einblick in die Welt der

Politik und in die Rolle der Medien bei der öffentlichen Meinungsbildung vermittelt

bekommen.

EMPFEHLUNG

12b. Ein Demokratieprojekt

Zur Förderung der demokratischen Entwicklung in der IG sollte die EU ein Demokratieprojektverwirklichen, das Möglichkeiten aufzeigt, wie mit IKT:

- das Zusammenwirken von Politik und Bürgern aktiviert und die Beteiligungletzterer an der politischen Diskussion und Entscheidungsfindung erhöht werdenkönnen;

- Ansätze für die Lösung von Problemen der Menschenrechte,Fremdenfeindlichkeit, sozialen Werte usw. in der IG verdeutlicht werden können;

- unser Verständnis des demokratischen Prozesses und dessen Transparenz innationalen wie EU-weiten Institutionen gefördert werden können.

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An dieser Stelle möchten wir erneut die Forderung nach einem Universaldienst aufGemeinschaftsebene betonen. Eine solche Politik würde jedem einzelnen den Zugang zuelektronischen Informationen von öffentlichen Einrichtungen und öffentlich-rechtlichenMedienanstalten gewährleisten. Darüber hinaus empfehlen wir, allen Mitgliedern derGesellschaft, insbesondere Jugendlichen, eine „Medienerziehung“ zu ermöglichen. Indem diezukünftigen Generationen Einblicke in die Arbeitsweise des Mediensektors gewinnen, die füralle Medien typische „aufbereitete Realität“ (durch elektronische Manipulation von Bildern undTexten) kennenlernen und zwischen verläßlichen und unzuverlässigen Quellen zu unterscheidenlernen, werden sie in der Lage sein, den unterschiedlichen Medien kritischer zu begegnen.

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3. Fazit

Wie der vorangegangene Abschnitt verdeutlichte, steht die Informationsgesellschaft nicht nur

für ein tiefgreifende Veränderungen in den technischen Paradigmen unserer Gesellschaften.

Die IKT verfügen über das Potential, alle wirtschaftlichen Bereiche und große Teile des

sozialen, kulturellen und politischen Lebens zu durchdringen. Die daraus resultierenden

Herausforderungen an die Politik sind gleichermaßen allgegenwärtig.

Im vorliegenden Bericht galt unser Hauptaugenmerk den konkreten Herausforderungen, die sich

aus diesem weitreichenden Paradigmenwandel ergeben. Dies geschah nicht in der Absicht, die

vielfältigen Möglichkeiten zu verwerfen, die die neuen Technologien für ein wiedererstarktes

Wachstum und die Schaffung neuer Arbeitsplätze bieten, sondern aus der Notwendigkeit

heraus, sich den wichtigen politischen Fragen, die mit der aufstrebenden IG verbunden sind, so

schnell wie möglich zu stellen. Wir sind fest davon überzeugt, daß diese Herausforderungen

weit über die vereinfachten Vorstellungen einer raschen Anpassung an eine von äußeren,

technologischen Faktoren determinierte Zukunft, in der der Mensch wenig oder nichts zu sagen

hat, hinausgehen.

Wir verbinden damit die Hoffnung, daß die hier dargelegten Zukunftsvorstellungen und die

Aufzählung der wichtigsten politischen Herausforderungen, denen sich die Gesellschaft

gegenübersieht, die Diskussionen um die IG auf eine neue, über futuristische

Expertenbeschreibungen des technologischen Potentials der neuen IKT hinausgehende Stufe

heben und den politischen Entscheidungsträgern Anhaltspunkte geben, um die vielfältigen und

dringlichen Fragen zu diesem Thema in Angriff zu nehmen.

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Anhang 1 - Liste von Forschungsberichten zum Thema *

The Use of ICTs in Large Firms: Impacts and Policy IssuesMark Hepworth & John Ryan

Work ReorganisationGerhard Bosch, Karl-Heinz Rödiger & Hans-Jürgen Weißbach

Employment in the IS: Analytical and Policy ChallengesPascal Petit & Luc Soete

Big Futures for Small Firms? SMEs and the ISMark Hepworth & John Ryan

Towards the Learning Labour Market: Labour Market Policy in the Information SocietyHanne Shapiro, Ken Ducatel & Teresa Rees

Gender and ICTsJuliet Webster

Regional Development in the IS: a Review and AnalysisJames Cornford, Andy Gillespie, and Ranald Richardson

ICTs in Education and TrainingGill Kirkup & Anne Jones

Health and the Information SocietyJorma Rantanen & Suvi Lehtinen

The Impact of the Information Society on the MediaGabrielle Kreutzner

The Impact of ICTs on DemocracyPierre Chambat

Home ICTs and the Information SocietyRoger Silverstone & Leslie Haddon

* Nähere Auskünfte erteilt die Europäische Kommission, Generaldirektion V/B.4,Rue Joseph II 27, B - 1049 Brüssel.

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Anhang 2 - Liste von Veröffentlichungen der Europäischen Kommission zum ThemaInformationsgesellschaft *

Europa und die globale InformationsgesellschaftEmpfehlungen für den Europäischen RatMai 1994, CD-84-94-290-C

Europas Weg zur Informationsgesellschaft - Ein AktionsplanMitteilung der Kommissionan den Rat, das Europäische Parlament,den Wirtschafts- und Sozialausschußund den Ausschuß der Regionen19. 7. 1994, KOM(94) 347 endg.

Auf dem Weg in die InformationsgesellschaftMitteilung der Kommissionan den Rat, das Europäische Parlament,den Wirtschafts- und Sozialausschußund den Ausschuß der Regionen über eine Methodikzur Realisierung der Anwendungen der Informationsgesellschaft31. 5. 1995, KOM(95) 224 endg.

Netzwerke für Menschen und ihre GemeindenDie Informationsgesellschaft zum Vorteil der Europäischen Union nutzenErster Jahresbericht des Forums für die Informationsgesellschaftan die Europäische KommissionJuni 1996, ISBN 92-827-7805-3

Normung und die Globale Informationsgesellschaft:der europäische AnsatzMitteilung der Kommissionan den Rat und an das Europäische Parlament24. 7. 1996, KOM96) 359 endg.

Grünbuch “Leben und Arbeitenin der Informationsgesellschaft: Im Vordergrund der Mensch”24. 7. 1996, KOM(96) 389 endg.

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Die Informationsgesellschaft: Von Korfu bis Dublin-Neue PrioritätenMitteilung der Kommissionan den Rat, das Europäische Parlament,den Wirtschafts- und Sozialausschußund den Ausschuß der Regionen24. 7. 1996, KOM(96) 395 endg.

Die gesetzgeberische Transparenz im Binnenmarktfür die Dienste der InformationsgesellschaftMitteilung der Kommissionan den Rat, das Europäische Parlamentund den Wirtschafts- und Sozialausschuß30. 8. 1996, KOM(96) 392 endg.

Europa als Wegbereiter der globalen Informationsgesellschaft:Dynamischer AktionsplanMitteilung der Kommissionan den Rat, das Europäische Parlament,den Wirtschafts- und Sozialausschußund den Ausschuß der Regionen27.11. 1996, KOM(96) 607 endg.

Vorschlag für einen Beschluß des Ratesüber ein Mehrjahresprogramm der Gemeinschaftzur Förderung der Informationsgesellschaft in Europa12. 12. 1996, KOM(96) 592 endg.

Lernen in der InformationsgesellschaftAktionsplan für eine europäische Initiative in der Schulbildung (1996-1998)Mitteilung der Kommissionan den Rat, das Europäische Parlament,den Wirtschafts- und Sozialausschußund den Ausschuß der RegionenKOM(96) 471 endg.

*Ausführliche und aktuelle Informationen über Tätigkeiten der Europäischen Kommission mitBezug auf die Informationsgesellschaft können über den vom Büro der Kommission für dieInformationsgesellschaft (ISPO) eingerichteten “World Wide Web”-Server abgefragt werden(http://www.ispo.cec.be).