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Graz, Oktober 2017 Diplomarbeit Kryotherapie- Eine Literaturrecherche eingereicht von Dietmar Konstantiniuk zur Erlangung des akademischen Grades Doktor der Zahnheilkunde (Dr. med. dent.) an der Medizinischen Universität Graz ausgeführt an der Universitätsklinik für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde unter der Anleitung von Univ.-Prof. Dr. Kurt Ebeleseder

Eine Literaturrecherche Dietmar Konstantiniuk Doktor der

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Graz, Oktober 2017

Diplomarbeit

Kryotherapie-

Eine Literaturrecherche

eingereicht von

Dietmar Konstantiniuk

zur Erlangung des akademischen Grades

Doktor der Zahnheilkunde

(Dr. med. dent.)

an der

Medizinischen Universität Graz

ausgeführt an der

Universitätsklinik für Zahn-, Mund- und

Kieferheilkunde

unter der Anleitung von

Univ.-Prof. Dr. Kurt Ebeleseder

2

Eidesstattliche Erklärung

Ich erkläre ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und ohne frem-

de Hilfe verfasst habe, andere als die angegebenen Quellen nicht verwendet habe und

die den benutzten Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen als solche

kenntlich gemacht habe.

Graz, Oktober 2017 Dietmar Konstantiniuk eh

3

Danksagung

An dieser Stelle möchte ich mich bei all denjenigen bedanken, die mich während der

Anfertigung dieser Diplomarbeit unterstützt und motiviert haben.

Zuerst gebührt mein Dank Herr Prof. Ebeleseder, der meine Diplomarbeit betreut und

begutachtet hat. Für die hilfreichen Anregungen und die konstruktive Kritik bei der Er-

stellung dieser Arbeit möchte ich mich herzlich bedanken.

Ebenfalls möchte ich mich bei meiner Schwester Anika bedanken, die mir mit viel Ge-

duld, Interesse und Hilfsbereitschaft zur Seite stand. Bedanken möchte ich mich für die

zahlreichen interessanten Debatten und Ideen, die maßgeblich dazu beigetragen haben,

dass diese Diplomarbeit in dieser Form vorliegt.

Abschließend möchte ich mich bei meinem Vater bedanken, der mir mein Studium

durch seine Unterstützung ermöglicht hat und stets ein offenes Ohr für meine Sorgen

hatte.

Dietmar Konstantiniuk,

Graz, 19.06.2017

4

Contents

1 Einleitung ............................................................................................................. 8

2 Abstract ................................................................................................................ 9

3 Anatomischer Aufbau der Blutgefäße ............................................................. 11

3.1 Unterteilung Blutgefäße ...................................................................................... 12

3.2 Arterien ................................................................................................................ 13

3.3 Venen ................................................................................................................... 13

3.3.1 Kapillaren ............................................................................................................ 14

3.3.2 Körper-, und Lungenkreislauf ............................................................................. 14

4 Faciale Blutversorgung ..................................................................................... 16

5 Hämostase .......................................................................................................... 20

5.1 Ablauf .................................................................................................................. 21

5.1.1 Primäre Hämostase .............................................................................................. 22

5.1.2 Sekundäre Hämostase .......................................................................................... 23

6 Kryotherapie ...................................................................................................... 27

6.1 Ziel ....................................................................................................................... 27

6.2 Anwendungsdauer ............................................................................................... 27

6.3 Thermorezeptoren ................................................................................................ 28

6.4 Physiologie .......................................................................................................... 28

6.5 Anwendung .......................................................................................................... 29

6.6 Histologie ............................................................................................................ 29

6.7 Kontraindikationen .............................................................................................. 30

6.8 Nebenwirkungen .................................................................................................. 30

6.9 Durchführung lokaler Kryotherapie .................................................................... 32

7 Literaturrecherche ............................................................................................ 33

7.1 „Hypothermia-induced Reversible Platelet Dysfunction“ von Valeri C,

Cassidy G, Khuri S, Feingold H, Ragno G, Altschule M (1987) Ann Surg.

205, S. 175-181 .................................................................................................... 34

7.1.1 Ziel ....................................................................................................................... 34

7.1.2 Material und Methodik ........................................................................................ 34

7.1.3 Ergebnis ............................................................................................................... 34

7.1.4 Konklusion .......................................................................................................... 35

7.2 „Platelet Kinetics during deep hypothermia“ von Hessell E, Schmer G,

Dillard D (1980) J Surg Res 28, S. 23-34. ........................................................... 36

5

7.2.1 Ziel ....................................................................................................................... 36

7.2.2 Material und Methodik ........................................................................................ 36

7.2.3 Ergebnis ............................................................................................................... 37

7.2.4 Konklusion .......................................................................................................... 37

7.3 „Platelet Dynamics during Natural and Pharmacologically Induced Torpor

and Forced Hypothermia“ von de Vrij E., Vogelaar P., Goris M., Houwertjes

M., Herwig A., Dugbartey G. (2014) PLoS One, S. 9 ........................................ 38

7.3.1 Ziel ....................................................................................................................... 38

7.3.2 Material und Methodik ........................................................................................ 38

7.3.3 Ergebnis ............................................................................................................... 38

7.3.4 Konklusion .......................................................................................................... 39

7.4 „A cause of the thrombocytopenia and leukopenia that occur in dogs during

deep hyothermia“ von Villalobos T., Adelson E., Riley P., Crosby W. (1985)

Journal of Clinical Investigation 37, S. 1–7 ........................................................ 40

7.4.1 Ziel ....................................................................................................................... 40

7.4.2 Material und Methodik ........................................................................................ 40

7.4.3 Ergebnis ............................................................................................................... 40

7.4.4 Konklusion .......................................................................................................... 41

7.5 „The Effect of Graded Hypothermia (36°C – 32°C) on Hemostasis in

Anestetized Patients without surgical trauma“ von Kettner S., Sitzwohl C.,

Zimpfer M., Kozek S., Holzer A., Spiss C., Illievich U. (2003) Anesthesia &

Analgesia Volume 96 - Issue 6 – S. 1772–1776 ................................................. 42

7.5.1 Ziel ....................................................................................................................... 42

7.5.2 Material und Methodik ........................................................................................ 42

7.5.3 Ergebnis ............................................................................................................... 43

7.5.4 Konklusion .......................................................................................................... 43

7.6 „Effect of hypothermia on the coagulation cascade“ von Rohrer M., Natale

A. (1992) Crit Care Med 20 S. 1402-1405. ......................................................... 44

7.6.1 Ziel ....................................................................................................................... 44

7.6.2 Material und Methodik ........................................................................................ 44

7.6.3 Ergebnis ............................................................................................................... 44

7.6.4 Konklusion .......................................................................................................... 45

7.7 „Platelet Activation in warm and cold heart surgery“ von Mazer D.,

Hornstein A., Freedman J. (1995) Ann Thorac Surg. 59. S. 1481 - 1486 ........... 46

7.7.1 Ziel ....................................................................................................................... 46

7.7.2 Material und Methodik ........................................................................................ 46

7.7.3 Ergebnis ............................................................................................................... 47

7.7.4 Konklusion .......................................................................................................... 47

7.8 „Temperature corrected Thromboelatography in Hypothermic Patients“ von

Douning L., Ramsay M., Swygert T. (1995) Anesth Analg. 81, S. 608-611 ...... 48

7.8.1 Ziel ....................................................................................................................... 48

6

7.8.2 Material und Methodik ........................................................................................ 48

7.8.3 Ergebnis .............................................................................................................. 49

7.8.4 Konklusion .......................................................................................................... 49

7.9 „Effects of hypothermia on thrombelastography in patients undergoing

cardioplumonary bypass“ von Kettner S., Kozek S., Groetzner J., Gonano

C., Schellongowski A., Kucera M., Zimpfer M (1998) Br J Anaesth 80, S.

313–317 ............................................................................................................... 50

7.9.1 Ziel ....................................................................................................................... 50

7.9.2 Material und Methodik ........................................................................................ 50

7.9.3 Ergebnis ............................................................................................................... 51

7.9.4 Konklusion .......................................................................................................... 51

7.10 „Effect of salted ice bags on surface and intramuscular tissue cooling and

rewarming rates“von Hunter E., Ostrowski J., Donahue M., Crowley C.,

Herzog V. (2016) J Sport Rehabil. 25, S. 70–76. ................................................ 52

7.10.1 Ziel ....................................................................................................................... 52

7.10.2 Material und Methodik ........................................................................................ 52

7.10.3 Ergebnis ............................................................................................................... 52

7.10.4 Konklusion .......................................................................................................... 52

8 Ergebnisse .......................................................................................................... 53

9 Diskussion ........................................................................................................... 55

10 Bibliographie ...................................................................................................... 57

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1 Aufbau der Blutgefäße ............................................................................. 11

Abbildung 2 Gefäßversorgung des Kopfs ...................................................................... 19

Abbildung 3 Die Gerinnungskaskade ............................................................................. 24

Abbildung 4 Die Gerinnungsfaktoren ............................................................................. 25

Abbildung 5 Phasen der lokalen Hypothermie ............................................................... 30

Abbildung 6 Der Zusammehang zwischen Plättchenzahl und abnehmende

Temperatur ...................................................................................................................... 36

Abbildung 7 Plättchenzahl bei unterschiedlichen Körpertemperaturen ......................... 39

Abbildung 8 Plättchenzahl vor und nach der Hypothermie ............................................ 41

Abbildung 9 Plättchen in der Aorta und den Kapillaren ............................................... 40

7

Abbildung 10 Wertetabelle bei abnehmender Körpertemperatur ................................... 43

Abbildung 11 Plättchenzahl im warmen und kalten Milieu ........................................... 47

Abbildung 12 Blutkoagulationszeiten ............................................................................ 49

Abbildung 13Blutkoagulation in verschiedenen Phasen ................................................ 51

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1 Blutungszeit in Bezug auf Körpertemperatur ................................................. 34

Tabelle 2 PT und APTT bei absinkender Temperatur .................................................... 44

8

1 Einleitung

Diese Diplomarbeit ist der Kryotherapie nach zahnmedizinischen Eingriffen gewidmet.

Grundfragestellung ist die Sinnhaftigkeit einer Kältetherapie zusätzlich zur vasokon-

striktorischen Reaktion des Körpers auf die Verletzung und zum Effekt des Adrenalin-

zusatzes in der Anästhesie. Es gilt zu eruieren, wieviel therapeutischen Effekt eine dritte

gefäßverengende Maßnahme (Eisbeutel) überhaupt noch haben könnte.

Im Rahmen dieser Arbeit soll der Einfluss von Hypothermie auf die Blutungszeit und

Gerinnung erfasst werden, nachdem zu vermuten ist, dass die ihnen zugrunde liegenden

chemischen Reaktionen durch Kälte verlangsamt werden. Dazu wird zunächst der ana-

tomische Aufbau von Blutgefäßen, ein Einblick in die Blutgerinnung und eine Auf-

schlüsselung der Kryotherapie in diverse Anwendungsgebiete beschrieben.

In der anschließenden Literaturrecherche wird versucht, den status quo der Forschung

bezüglich des Einflusses von Hypothermie bzw. Kryotherapie auf die Blutgerinnung zu

ergründen und die eingangs genannten Zweifel an der Sinnhaftigkeit lokaler Kryothera-

pie nach zahnmedizinischen Eingriffen zu zerstreuen oder zu bestätigen. Damit soll ein

theoretisches Fundament für etwaige klinische Untersuchungen zu dieser Thematik ge-

legt werden.

9

2 Abstract

Einleitung

In dieser Arbeit wird der Effekt der lokalen Kryotherapie nach einer operativen Zahnex-

traktion anhand der wissenschaftlichen Literatur untersucht. Die Untersuchung ist rele-

vant für die Therapie und Nachbehandlung in der Zahnarztpraxis und im Klinikalltag.

Der derzeitige Forschungstand lässt viele Fragen über die lokale Kryotherapie offen, da

diese bis dato hauptsächlich zur systemischen, ganzheitlichen Therapie untersucht wur-

de, insbesondere in der Herzchirurgie, wo es zum Standardverfahren für viele Operatio-

nen gehört.

Methodik

Aus PubMed wurden mit den Suchbegriffen „Hypothermie“ und „Kryotherapie“ 10

Studien ausgewählt und Leitfragen verfolgt, ob sich die allgemeine Hypothermie-

Therapie mit der lokalen Kryotherapie vergleichen lässt und inwiefern die lokale Kryo-

therapie auf Gefäße und Blutgerinnung und dadurch auf die Wundheilung wirkt. Insbe-

sondere wurde die Hypothese verfolgt, dass sich, je nach Art der Anwendung, Dauer

der Applikation und Kältegrad ein unterschiedlicher Effekt auf die Therapie ergibt.

Ergebnisse

Die Studien belegten eine Korrelation von lokaler Kryotherapie und der Blutgerinnung.

Durch lange Applikation von Kryotherapie und zu niedrigen Temperaturen kann es zu

Einblutung und daraus folgend zu Gewebsschädigung und im weiteren Sinne zu Wund-

heilungsstörungen oder zu verzögern der Regeneration führen.

Fazit

Die Thematik der lokalen Kryotherapie erschien bis jetzt nur unzureichend erforscht.

Weitere offene Fragen sind, wie sich Wunden im Maxillar bzw. Mandibularbereich bei

Hypothermie verhalten oder inwiefern man die Wundheilung mit Temperaturunter-

schieden unterstützen könnte. Dies sollte in weiteren Studien untersucht werden kön-

nen.

10

Abstract

Introduction

In this thesis the effect of local cryotherapy after an operative dentition is investigated

using the scientific literature. The examination is relevant for the therapy and after-

treatment in the dentist's office and clinic day. The current state of research leaves many

questions about local cryotherapy open since it has been studied mainly for systemic,

holistic therapy, especially in cardiac surgery where it is a standard procedure for many

operations.

Methodology

10 studies were selected from PubMed with the search terms "hypothermia" and "cryo-

therapy", and central questions were examined as to whether the general hypothermia

therapy could be compared with the local cryotherapy and how local cryotherapy would

work on vessels and blood coagulation and thus on wound healing, In particular, the

hypothesis was that a different effect on the therapy results depending on the type of

application, the duration of the application and the degree of coldness.

Results

The studies showed a correlation between local cryotherapy and blood clotting.

Due to the long application of cryotherapy and low temperatures, it can lead to hemor-

rhage and consequently to tissue damage and, in a wider sense, to wound healing disor-

ders or to retard regeneration.

Conclusion

The topic of local cryotherapy has so far been insufficiently explored. Further open

questions are how wounds in the maxillary or mandibular area in hypothermia behave

or how to support the wound healing with temperature differences. This should be in-

vestigated in further studies.

11

3 Anatomischer Aufbau der Blutgefäße

Blutgefäße erstrecken sich über den gesamten Körper und dienen der Versorgung der

Gewebe mit Sauerstoff und Nährstoffen. Die Gesamtheit der Blutgefäße bildet zusam-

men mit dem Herzen das räumliche System des Blutkreislaufs. Zu ihnen gehören Arte-

rien und Venen, welche nach einem ähnlichen Prinzip aufgebaut sind, sich jedoch in

Details und dadurch in ihrer Funktion voneinander unterscheiden.

Abbildung 1 Aufbau der Blutgefäße1

Sie bestehen aus drei Schichten:

Ganz innen liegt die Tunica intima. Sie sorgt für den optimalen Stoff- und Gasaus-

tausch zwischen Blut und der Gefäßwand. Aufgebaut ist sie aus einer feinen Schicht

von Endothelzellen, welche sich auf einer Basalmembran befinden, sowie aus Binde-

gewebe, welches aus Kollagenfasern und elastischen Netzen besteht. Sie ist besonders

1http://vignette1.wikia.nocookie.net/vroniplag/images/3/35/Pew_02_diss.png/revision/latest?cb=2014052

9213818&path-prefix=de (eingesehen am 17.04.2017)

12

wichtig für die Blutgerinnung, bei Entzündung und Neubildung von Gefäßen, sowie bei

der Erweiterung und Verengung der Blutgefäße und somit der Blutdruckregulation

durch Freisetzung von Stoffen wie Stickstoffmonoxid2. Die Zellen sind so angeordnet,

dass ein bestmöglicher Austausch von Gasen und Flüssigkeiten zwischen Blut und Ge-

fäß möglich ist. Kapillaren (der peripherste Teil von Arterien/Venen) bestehen nur aus

dieser Schicht. Im Gegensatz dazu haben größere Gefäße zwei zusätzliche Tunicen zur

Verstärkung.3 4

Die Mittlere wäre die Tunica media. In ihr liegen die regulatorischen Muskeln zur

Kontraktion (das Zusammenziehen) und der Dilatation (das Öffnen) der Gefäße. Sie

besteht aus glatten Muskelzellen, Kollagenfasern und elastischen Fasern, welche ring-

förmig angeordnet sind. Die durch Puls und Blutdruck entstehende Spannung wird von

der Media aufgenommen und durch Muskelbewegungen entsprechend angepasst. In

Arterien ist diese ausgeprägter aufgrund des höheren Drucks.5 6 7

Die äußerste Schicht ist die Tunica adventitia und schließt das Gefäß nach außen ab.

Sie besteht aus Bindegewebe und schützt damit die Nerven und eigene Gefäßversor-

gung, die Vasa vasorum. Durch die Struktur der Adventitia werden die Gefäße in der

Umgebung verankert.8

3.1 Unterteilung Blutgefäße

Arterien und Arteriolen sorgen dafür, dass das Blut vom Herzen weg befördert wird. Im

weiteren Verlauf fließt das Blut in kleinere Arterien, so genannte Arteriolen, welche die

Verbindung zu den Kapillaren herstellen. Wie engmaschig das Kapillarnetz gewoben

ist, unterscheidet sich von Region zu Region, in Abhängigkeit vom Sauerstoffbedarf des

2 Hartmut G: Kompendium: Vorbereitende Ergänzungen zur Lehrveranstaltung „Vom Symptom zu Diag-

nose zur Therapie“. Medizinische Universität Innsbruck, 2004. 3 Meyer R.: Blut- und Lymphgefäße. Pathologie. Band 1, Springer, 1999, S. 277

4 Gillaspy R: Blood Vessel Layers. http://study.com/academy/lesson/blood-vessel-layers-tunica-intima-

tunica-media-tunica-adventitia.html (eingesehen am 17.04.2017) 5 Antwerpes F (2017): Tunica media. http://flexikon.doccheck.com/de/Tunica_media (eingesehen am

17.04.2017) 6 Henrikson R., Kaye G., Mazurkiewicz: The National Series for Independent Study: Histology, Albany

Medical College, New York, 1997, S. 174 7 Gillaspy R: Blood Vessel Layers. http://study.com/academy/lesson/blood-vessel-layers-tunica-intima-

tunica-media-tunica-adventitia.html (eingesehen am 17.04.2017) 8 Henrikson R., Kaye G., Mazurkiewicz: The National Series for Independent Study: Histology, Albany

Medical College, New York, 1997, S. 174

13

jeweiligen Gewebes. Muskeln zum Beispiel haben ein enges Netz an Kapillaren, weil

sie einen höheren Versorgungsbedarf haben. Im Gegensatz brauchen Sehnen weniger

Nährstoffe und haben dadurch weniger Kapillaren.

3.2 Arterien

Grundsätzlich gibt es zwei Arten von Arterien. Der elastische Typ, dazu zählen herzna-

he Gefäße wie zum Beispiel die Aorta. Sie stellen den kontinuierlichen Blutfluss sicher.

Die mittleren und kleineren Arterien des großen Kreislaufs zählen zu den muskulären

arteriellen Blutgefäßen. Sie liegen peripher, also herzfern und halten den Blutdruck

durch Verengung ihres Durchmessers aufrecht.

Herznahe Arterien lassen sich elastisch erweitern, um der Pumpleistung des Herzens in

der Systole standhalten zu können. Falls der Druck abfällt, können sie, im Gegensatz zu

den Venen, dies durch Kontraktion ausgleichen.910

3.3 Venen

Blutgefäße, die das Blut zum Herzen transportieren, nennt man Venen. Diese sind mit

Venenklappen ausgestattet, die verhindern, dass das Blut zurück in die Peripherie fließt,

und so, dass sich der Blutstrom zum Herzen richtet. Ist diese Funktion beeinträchtigt,

können Venen sich bleibend erweitern (Varizen). Keine Venenklappen finden sich in

den Venen des Kopfes, der Eingeweide, des Wirbelkanals und in den herznahen großen

Venen.

Kleine Venen bezeichnet man als Venolen. Sie sind das Glied zwischen größeren Venen

und den Kapillaren. Venöse Blutgefäße haben meist dünne Wände und können sich

weiter ausdehnen als Arterien. Eingeteilt werden Venen nur in oberflächliche und tiefe

Venen, welche meist miteinander verbunden sind. 11 12

9 Thalhammer M (2011): Das arterielle Gefäßsystem. http://www.netdoktor.at/anatomie/arterien-7164

(eingesehen am 28.03.2017) 10

Paradisi (2017): Das arterielle System.

http://www.paradisi.de/Health_und_Ernaehrung/Anatomie/Arterie/Artikel/7869.php (eingesehen am

28.03.2017) 11

Thalhammer M (2011): Das venöse System. http://www.netdoktor.at/anatomie/venen-6682813 (einge-

sehen am 28.03.2017) 12

Nicolay N (2017): Vene. http://flexikon.doccheck.com/de/Vene (eingesehen am 28.03.2017)

14

3.3.1 Kapillaren

Eine wichtige Rolle spielen zuletzt die Kapillaren. Als sogenannte Haargefäße bilden

sie die Verästelung zwischen Arteriolen und Venolen. Das Transportnetz erreicht mit all

seinen Verzweigungen eine Länge von bis zu 150 000 Kilometern. 75 Prozent des Blu-

tes befinden sich in den Venen, weitere 20 Prozent in den Arterien und nur fünf Prozent

in den Kapillaren.13

Die Intensität der Gefäßkontraktion wird über das vegetative Nervensystem des Körpers

reguliert. Mit Vasodilatation und -konstriktion gelingt es dem Nervensystem, die Ver-

sorgung des Körpers zu regulieren. So können zum Beispiel auch spezifischere Aufga-

ben bewältigt werden, wie bei der Aorta, die eine „Windkesselfunktion“14 übernimmt,

also den Druckausgleich des direkt aus dem Herzen ausgestoßenen Bluts. Sogenannte

Barozeptoren messen den Blutdruck, sodass die Hauptschlagader bei jeglicher Verände-

rung mit Gefäßerweiterung oder Gefäßverengung reagieren kann. 15 16

3.3.2 Körper-, und Lungenkreislauf

Das Kreislaufsystem mit seinen größeren und kleineren Blutgefäßen teilt sich in zwei

große Systeme auf, den Körperkreislauf und den Lungenkreislauf. Der Körperkreislauf

beginnt mit dem Ausstoß des sauerstoffreichen Blutes aus der linken Herzkammer in

die Aorta. Von dort zweigen alle anderen großen Arterien ab. Diese teilen sich wie be-

schrieben in kleinere Arterien bis zur Endstrombahn auf. Diese dient dem Austausch

von Sauerstoff, Nährstoffen und Stoffwechselendprodukten zwischen Gewebe und Blut.

Venolen, sammeln schließlich sauerstoffarmes Blut. Sie verbinden sich zu immer grö-

ßeren Venen, die schließlich in der oberen und unteren Hohlvene münden. Diese führen

das Blut zurück zum Herzen und münden im rechten Herzvorhof. Schadstoffe werden

bei dem Umlauf an die Nieren abgegeben und von der Leber entgiftet.

In der rechten Herzhälfte schließt der Lungenkreislauf an. Aus der rechten Kammer

wird das sauerstoffarme Blut, über die Lungenarterie vom Herzen weg in die Lunge

13

Nonnenmacher A (2016): Nonnenmacher. http://symptomat.de/Blutgef%C3%A4%C3%9Fe (eingese-

hen am 12.06.2017) 14

Abdolvahab-Emminger H.: Physikum exakt: das gesamte Prüfungswissen für die 1. ÄP, Georg Thieme

Verlag, 2005, S. 489 15

Wendler N (2016): Kapillaren. http://www.netdoktor.de/anatomie/blutgefaesse/kapillaren/ (eingesehen

am 28.03.2017) 16

Nonnenmacher A (2016): Kapillare. http://symptomat.de/Kapillare (eingesehen am 28.03.2017)

15

gepumpt. In der Lunge verzweigen sich die Gefäße wie im Körperkreislauf so lange, bis

sie so dünn wie Kapillaren sind. Dieses Kapillarnetz der Lunge umgibt die Lungenbläs-

chen und dient dem Gasaustausch. Das sauerstoffarme Blut gibt das Kohlendioxid in die

Luft der Lungenbläschen ab, welches abgeatmet wird, und eingeatmeter Sauerstoff auf.

Lipidlösliche Stoffe wie Sauerstoff und Kohlendioxid können durch die Plasmamemb-

ran der einschichtigen Kapillaren diffundieren. Nach dem Austausch vereinigen sich die

Blutgefäße wieder und führen das jetzt sauerstoffreiche Blut über die Lungenvene von

der Lunge in den linken Herzvorhof zurück. 17 18

17

Onmeda (2016): Das Herz: Blutkreislauf. http://www.onmeda.de/anatomie/herz-blutkreislauf-1683-

4.html (eingesehen am 03.04.2017) 18

Waldenberger F: Das Herz. http://www.herz.at/anatomie/Anatomie_und_Physiologie_Herz_19.htm

(eingesehen am 03.04.2017)

16

4 Faciale Blutversorgung

Das Gesicht wird einzig von der Arteria carotis externa und ihren Ästen versorgt. Diese

teilt sich auf in die:

A. thyroidea superior (Versorgung der Schilddrüse) zieht nach ventral und caudal

und teilt sich in:

o Ramus cricothyroideus

o Ramus glandularis anterior + posterior + lateralis

o Ramus infrahyoideus

o A. laryngea superior

A. pharyngea ascendens zieht zwischen Pharynx und Muskeln die am Proc. Sty-

loideus entspringen bis zur Schädelbasis und teilt sich in:

o Rami pharyngealis

o A. tympanica

o A. meningea posterior

• A. lingualis zieht in die Zunge und teilt sich in zwei Endäste:

◦ A. sublingualis zwischen M. Mylohyoideus und Gland. Sublingualis bis zum

Zahnfleisch

◦ A. profunda linguae die bis zur Zungenspitze zieht

◦ Rami dorsales linguae

◦ Rami suprahyoideus

• A. facialis zieht unten dem M.stylohyoideus

nach cranial hinter den Angulus mandibulae,

kreuzt dann den Unterkiefer am Rand des

M.masseter und steigt dann unter

M.zygomatici zur Nase, geht dort in die:

◦ A. angularis bildet Anastomose mit

A.ophtalmica und A. Car. Int.

17

◦ A. palatina ascendens versorgt Tonsillen durch Ramus tonsillaris

◦ Rami glandulares ziehen zur Gl. Submandibularis

◦ A. submentalis bildet Anastomose mit A. Sublingualis, versorgen Gl.

Submandibularis

◦ A. labialis inferior

◦ A. labialis superior zieht zur Oberlippe zwischen Muskeln und Schleimhaut,

Anastomose mit Ramus mentalis und A. Infraorbitalis, gibt Rami zur Nase

ab:

▪ Ramus septi nasi

▪ Ramus lateralis nasi

• A. maxillaris bildet mit der A. temporalis

die Endäste der A. carotis externa. Beginnt

unterhalt des Kiefergelenks, teilt sich in

der Fossa pterygopalatina auf in:

◦ A. auricularis profunda zieht zum

Kiefergelenk und Meatus acusticus

externus und gibt die A. tympanica

anterior ab

◦ A. alveolaris inferior zieht im Canalis

mandibulae nach ventral und gibt die

▪ Rami dentales (Zahnwurzeln)

▪ Rami peridentales (Zahnhalteapparat)

▪ Ramus mentalis als Endast zur Versorgung des Kinns ab

Diese Arterie ist für diese Arbeit die wichtigste, weil sie spezifisch die

Zahnversorgung übernimmt und bei Kryotherapie post extraktion am meisten

betroffen wird

◦ A. meningea media

◦ A. masseterica versorgt den M. Masseter

◦ A. temporalis profunda anterior

◦ Rami pterygoidei versorgen die Mm. Pterygoidei

◦ A. buccinalis zieht über den M buccinator zur Wange und Zahnfleisch

◦ A. alveolaris superior posterior besitzt wie die A. Alveolaris inferior

▪ Rami dentales und

▪ Rami peridentales

18

Das Oberkiefer Pendant ist ebenso wichtig für Extraktionen im Oberkiefer, mit dem

Unterschied, dass diese tiefer liegt und dadurch besser gegen

Temperaturunterschiede geschützt ist.

◦ A. canalis pterygoidei

◦ A. palatina descendens gibt die Äste

▪ A. palatina major zum vorderen Gaumen und Zahnfleisch

▪ Aa. palatina minores an den weichen Gaumen ab

◦ A. sphenopalatina zieht in die Nasenhöhle und teilt sich in

▪ Aa. nasales posteriores + laterales

▪ Rami septales posteriores

◦ A. infraorbitalis bildet einen Endast der A. Maxillaris, zieht durch die

Fissura orbitalis inferior, Canalis infraorbitale und Foramen infraorbitale

zum Gesicht, bildet Anastomose mit A. Labialis superior und gibt einen

wichtigen Ast ab:

▪ Aa. alveolares superiores anteriores zieht durch den Knochen an die

Zähne

• Rami dentales

• Rami peridentales

• A. temporalis superficialis teilt sich in

◦ Ramus parietalis

◦ A. transversa faciei

◦ Rami auriculares anteriores

◦ A. zygomatico – orbitalis

◦ A. temporalis media

◦ Ramus frontalis

◦ Ramus parietalis

• A. occitpitalis, zweiter dorales Ast der A. Car. Ext.

• A. auricularis posterior: dritter dorsaler Ast der A. Car. Ext.19

19

Schünke M: Prometheus „Lernatlas der Anatomie: Kopf, Hals und Neuroanatomie“, 2. Auflage, S 78 -

87

19

Abbildung 2 Gefäßversorgung des Kopfs

20

20

http://www.medeco.de/typo3temp/pics/img35_gefaess_bf9575ba5c.gif4

20

5 Hämostase

Als die Hämostase bezeichnet man einen Prozess, der eine bestehende Blutung zum

Stillstand bringen soll.

Grob kann man sie einteilen in:

A.) Primäre Hämostase:

1. Vasokonstriktion

2. Thrombozytenaggregation

B.) Sekundäre Hämostase:

3. Blutgerinnungkaskade

Ad 1.: Nach traumatischer Verletzung wird das Gefäß durch Muskelspannung der Tuni-

ca media innerhalb des Endothels kontrahiert. Gesteuert wird dieser Prozess durch loka-

le Prozesse (z.B.: Thromboxan) und systemische Faktoren (z.B.: Epinephrin).

Ad 2.: Wenn ein Blutgefäß beschädigt ist, kommt das Blut in Kontakt mit Kollagenfa-

sern in der Tunica adventitia, und dadurch aktivieren sich die Thrombozyten. Diese hef-

ten sich an das Kollagen und beginnen ADP (Adenosindiphosphat) und Thromboxan

auszuschütten. Beide unterstützen die Aggregation von mehr Thrombozyten, bis sich

genug gesammelt haben um das eröffnete Lumen zu verschließen.

Ad 3.: Im Zuge der Hämostase kommen Thrombozyten mit Luft in Kontakt, verklum-

pen dadurch und setzen reaktiv Thrombokinase frei. Diese aktiviert unter Mitwirkung

von Calcium das Prothrombin (Plasmaprotein aus der Leber), welches in weiterer Folge

zu Thrombin umgewandelt wird.

Durch diese Umwandlung kommt es zur Aktivierung von Fibrinogen, das weiter zu

Fibrin wird und ein Fibrinnetz über der Wunde bildet. In diesem Netz bleiben Blutzel-

len hängen und verdichten sich. Die zwei Enzyme Retrakozym, welches das Netz zu-

sammenzieht, und Serotonin, welches die Gefäßwand weiter kontrahiert, unterstützen

den gesamten Vorgang.

21

Abbildung 3 Gerinnungskaskade.21

5.1 Ablauf

Grundlegend kann man die Hämostase in zwei Teilschritte aufteilen: die primäre und

die sekundäre Hämostase.

Die primäre hat als Ziel, die Blutung zu stoppen, was durch die Anlagerung von

Thrombozyten an die Gefäßläsion funktioniert. So entsteht ein Thrombus, der aufgrund

des Fehlens von Erythrozyten als weißer Thrombus bezeichnet wird.

In der sekundären Hämostase wird dieser stabilisiert und es wird verhindert, dass sich

der Thrombus löst. Dies geschieht durch die bereits erwähnten Gerinnungsfaktoren, die

umgesetzt werden und ein Netz aus Fibrin bilden. Nachdem sich zu diesem Zeitpunkt

Erythrozyten darin befinden, wird dies als roter Thrombus bezeichnet.

Die anschließende Fibrinolyse löst das Blutgerinnsel auf und leitet die Wundheilung

ein.

21

http://dccdn.de/pictures.doceck.com/images/a70/85f/a7085ff5b4b4808b39e5e4ac0e11c5a1/51417/m_14

07850462.jpg

22

5.1.1 Primäre Hämostase

Diese kann wieder in zwei Teilschritte unterteilt werden.

Die vaskuläre Blutstillung:

Nach einer Gefäßverletzung kommt es innerhalb von Sekunden zu einer Kontraktion

der glatten Muskelzellen in der Umgebung der Läsion. Das Zusammenziehen läuft re-

flektorisch ab und ist eine Reaktion auf die Reizung der glatten Muskulatur.

Dies läuft in 60 Sekunden ab und wird im Verlauf durch die Thrombozyten unterstützt.

Die Folge der Vasokonstriktion ist eine direkte Verringerung des Blutverlustes durch

die Verkleinerung der Gefäßverletzung und eine Umleitung des Blutstroms.

Die thrombozytäre Blutstillung:

Diese hat das Ziel, die Läsion abzudichten und die Blutung zu stoppen. Sie beginnt mit

der Thrombozytenadhäsion. Hierfür benötigen die Blutplättchen den sogenannten von-

Willebrand-Faktor. Dieser wird unabhängig von einer Gefäßverletzung in den En-

dothelzellen gebildet und ins Blut sezeniert.

Im Falle einer Verletzung lagert sich der von-Willebrand-Faktor an die freiliegenden

Kollagenfasern. Thrombozyten besitzen ihrerseits den von-Willebrand-Rezeptor. Über

den Rezeptor binden die Thrombozyten an den von-Willebrand-Faktor. Dieser Prozess

nennt sich die Thrombozytenadhäsion und ist der Ausgangspunkt für die Thrombozy-

tenaktivierung.

Die Aktivierung wird durch die Bindung der Thrombozyten an den von-Willebrand-

Faktor eingeleitet, denn die Anlagerung führt zu einer Formveränderung der Throm-

bozyten. Sie verlieren ihre flache Scheibenform und bilden dünne Fortsätze aus, was

eine bessere Interaktion mit der Wunde wie auch untereinander erlaubt.

Die Adhäsion der Thrombozyten führt auch zu einer Freisetzung von Botenstoffen, die

in den Thrombozyten gespeichert sind. Ein sehr wichtiger Botenstoff ist das Adenosin-

diphosphat (ADP). Die Blutplättchen besitzen einen ADP-Rezeptor, über den weitere,

noch inaktive Thrombozyten aktiviert werden. Es entsteht also eine positive Rückkop-

pelung, die eine Kettenreaktion der Aktivierung auslöst.

Ein zweiter Botenstoff, der aus den Thrombozyten freigesetzt wird, ist das Thromboxan

A2, welches zwei wichtige Funktionen erfüllt. Es wirkt einerseits auf die Gefäßwand

23

und verstärkt die Vasokonstriktion, andererseits aktiviert es weitere Thrombozyten,

welche die Verletzung abdichten.

Als letzten wichtigen Schritt führt die Aktivierung zur Verknüpfung der Thrombozyten

untereinander, der sogenannten Thrombozytenaggregation. Auf der Oberfläche der

Thrombozyten befindet sich das Glykoprotein IIb/IIIa sowie ein Fibrinogen-Rezeptor,

welcher mit diesen koppelt und dadurch aktiviert wird. Dies führt zu einer Änderung

der Konformation führt, sodass nun Fibrinogen an die aktivierten Thrombozyten binden

kann. So werden sie untereinander vernetzt und es entsteht ein relativ festes, wenn auch

noch instabiles Aggregat.

Abbildung 4 Thrombozytäre Blutstillung22

(1) Vermittelt durch den von-Willebrand-Faktor (vWF) und den von-

Willebrand-Rezeptor (vWR) binden Thrombozyten an subendotheliales Kollagen. (2) Dadurch wird über eine Stimu-

lation der Cyclooxigenase-1 (COX-1) ADP und Thromboxan A2 (TXA2) augeschüttet. (3) Außerdem kommt es zu

einer Konformationsänderung im Glykoprotein IIb/IIIa, welches dadurch aktiviert wird und über Fibrinogen Quer-

vernetzungen zwischen Thrombozyten ermöglicht (Aggregation).23

5.1.2 Sekundäre Hämostase

Die primäre Hämostase führt zu einem lockeren Thrombus. Dieser wird im Rahmen der

sekundären Hämostase, also der plasmatischen Gerinnung, stabilisiert. Erreicht wird

dies durch eine Vernetzung der Thrombozyten mittels Fibrin, das durch die Aktivierung

der Gerinnungsfaktoren gebildet wird.

22

https://media-cdn.miamed.de/media/thumbs/big_568ab11e6a420.jpg 23

Miamed (2017): Blutstillung und Blutgerinnung.

https://amboss.miamed.de/wissen/Blutstillung_und_Blutgerinnung (eingesehen am 13.06.2017)

24

Dabei werden klassischerweise zwei Wege der Gerinnung unterschieden, die in einer

gemeinsamen Endstrecke münden: einen intrinsischen und einen extrinsischen Weg.

Bildlich vorgestellt entsprechen die Wege einem Ypsilon mit zwei Armen die in einem

gemeinsamen Weg enden.

Dazu ein kurzer Überblick über die Gerinnungsfaktoren:

Allgemein sind Gerinnungsfaktoren Eiweiße im Blut, die durch äußere Reize aktiviert

werden können und dann als Enzyme wirken.

Es gibt 12 wichtige Faktoren. Diese sind von 1 bis 13 in römischen Ziffern numeriert.

(Bei Faktor VI hat sich herausgestellt, dass dieser der Faktor V in aktivierter Form ist.)

Weiters haben fast alle eine „inaktive“ und eine „aktivierte“ Form, gekennzeichnet

durch ein kleines „a“ nach der Zahl. (siehe Abb 6.)

Abbildung 5 Die Gerinnungskaskade

25

Faktor I: Fibrinogen

Faktor II: Prothrombin / IIa: Thrombin

Faktor III: Gewebsthromboplastin (Gewebefaktor)

Faktor IV: Kalzium

Faktor V: Proaccelerin

Faktor VI: Accelerin (entspricht dem aktivierten Fak-

tor V)

Faktor VII: Proconvertin / VIIa: Convertin

Faktor VIII: Hämophilie - A-Faktor (fehlt dem Blu-

ter)

Faktor IX: Hämophilie – B-Faktor (Christmas-

Faktor)

Faktor X: Stuart-Power-Faktor

Faktor XI: Rosenthal-Faktor

Faktor XII: Hagemann-Faktor

Faktor XIII: Fibrin-stabilisierender Faktor

Die Zahlen sind mit der Reihenfolge der Aktivierung bei der Blutgerinnung nicht iden-

tisch. Diese Reaktionsschritte können je nach Verletzung unterschiedlich aktiviert wer-

den.24

Um diese beiden Modelle miteinander zu verbinden beginnen wir mit dem extrinsischen

Weg, der ausgelöst wird durch den Faktor III, also Gewebsthromboplastin. Dieser geht

mit Faktor VII einen Komplex ein, welcher in der gemeinsamen Endstrecke den Faktor

X aktivieren kann. Faktor X selbst kann mit seinem Kofaktor V den Faktor II spalten,

wodurch Thrombin gebildet wird. Dieses wiederrum spaltet den Faktor I und es entsteht

Fibrin, das die Fibrinstränge bildet.

24

Pflegewiki (2016): Gerinnungsfaktor. http://www.pflegewiki.de/wiki/Gerinnungsfaktor (eingesehen am

03.04.2017)

Abbildung 6 Die Gerinnungsfaktoren

26

Parallel dazu gibt es den intrinsischen Weg, welcher durch den Faktor XII ausgelöst

wird. Über die gemeinsamen Faktoren XI, IX und VIII wird die gemeinsame Endstre-

cke aktiviert.

Die meisten Faktoren sind Proteasen und aktiviert jeweils nachgeschaltete Faktoren.

Dadurch entsteht eine stufenartige Aktivierung, die Gerinnungskaskade.

Diese Art der Aktivierung hat zwei Vorteile: Sie ermöglicht einerseits auf den verschie-

denen Ebenen eine genaue Kontrolle der Gerinnung und andererseits eine schlagartige

Vervielfachung, eine Kettenreaktion.

Die zellbasierte Gerinnung

Ausgangspunkt ist die Verletzung eines Blutgefäßes. Hier lagern sich Thrombozyten an

und zur selben Zeit kommt das Blut mit den Kollagenfasern und glatten Muskelzellen

der Gefäßwand in Kontakt. Diese Zellen verfügen über den Gerinnungsfaktor III, ein

Membranprotein, das auf der Zelloberfläche sitzt. Da der Faktor im Gewebe um das

Gefäß vorkommt, wird er passenderweise auch als Gewebefaktor bezeichnet.

Im gesunden Gefäß ist der Gewebefaktor durch das Endothel von den anderen Faktoren

im Blut getrennt, weshalb die Gerinnung im Normalfall nicht starten kann. Eine Verlet-

zung des Endothels legt den Gewebefaktor hingegen frei. Dieser bildet daraufhin mit

dem Gerinnungsfaktor VII aus dem Blut einen Komplex und aktiviert ihn auf diese

Weise. Der nun entstandene Komplex aus den Gerinnungsfaktoren III und VII aktiviert

in Folgenden den Faktor X. Dieser spaltet dem Faktor II, also Prothrombin zu Throm-

bin.

27

6 Kryotherapie

Die Kryotherapie ist die therapeutische Kälteanwendung. Sie wird in verschiedenen

Formen angewandt:25

1. Mittels Hydrotherapie (abgekühltes Wasser)

2. Kältepackungen (im Dentalbereich meist Eisbeutel)

3. Kältesprays

4. Kaltluftbehandlung

5. Kältekammern

6.1 Ziel

Ziel der lokalen Kryotherapie ist die Schmerzlinderung und Verminderung eines ent-

zündlichen Prozesses und in Folge dessen einer Schwellung.

6.2 Anwendungsdauer

Grundsätzlich unterscheidet man zwischen Kurzzeit- und Langzeitkryotherapie. Bei der

Ersteren appliziert man die Kälte nur wenige Sekunden bis einige Minuten, bei der

Zweiteren 30 Minuten. Bei Langzeitkryotherapie wird eine größere Tiefenwirkung be-

schrieben, eine nach Kurzzeitanwendung reaktiv auftretende Hyperämie bleibt aus. Dies

ist bei Behandlungen von Bedeutung, bei denen eine Mehrdurchblutung unerwünscht

wäre. (z.B. Lymphödeme oder komplizierte orale Eingriffe)26

Bei der Kurzzeitkryotherapie kommt es durch den kurzen aber intensiven Kältereiz der

Haut zu einer Vasokonstriktion der Gefäße und zu einer Reizung von Thermorezepto-

ren. Über die Gate Control Therapie nach Melzack und Wall (1965) kommt es zu einer

Reduzierung der Schmerzreize. Reflektorisch erfolgt auf die Vasokonstriktion eine Va-

25

Pschyrembl Online: Kryotherapie (eingesehen am 13.04.2017) nicht mehr zugreifbar 26

Niemer K: (2009): Funktionelle Schmerztherapie des Bewegungssystems. Springer Verlag; 2. Auflage,

S.98

28

sodilatation mit Hyperämie und verbesserter Stoffwechselsituation in den Geweben,

was ebenfalls zur Schmerzlinderung beiträgt.27

6.3 Thermorezeptoren

Thermorezeptoren kann man grundsätzlich in Wärme- und Kälterezeptoren unterteilen.

Diese befinden sich in der Haut und melden über nervale Wege Temperaturveränderun-

gen im Sinne einer Erwärmung oder Abkühlung der Haut. Pro 1cm² Haut finden sich im

Schnitt 2 Wärmerezeptoren und 13 Kälterezeptoren. Die Wärmepunkte melden Erre-

gungen bei Temperaturen zwischen 20°C bis 45°C. Die Kältepunkte im Bereich von 10-

41°C. Beide zeigen eine Aktivitätszunahme bei größeren Temperaturveränderungen.

Wenn die Temperatur über 45°C ansteigt, verschwindet die Aktivität der Wärmerezep-

toren, während die Kälterezeptoren Aktionspotentiale zu bilden beginnen. Deshalb kann

es zu dem Phänomen der sogenannten paradoxen Kälteempfindung mit Gänsehautbil-

dung in diesem Bereich kommen. 28

Der Kompensationsmechanismus gegen Abkühlung wird über die Thermorezeptoren

der Haut ausgelöst und hängt unter anderem damit zusammen, dass die Kälterezeptoren

auf der Haut ca. 10-mal so zahlreich vertreten sind wie die Wärmerezeptoren. Die

Thermorezeptoren finden sich über die Haut des gesamten Körpers verteilt, allerdings

nicht gleichmäßig. So befinden sich 50% der gesamten Kälterezeptoren im Gesicht.29

6.4 Physiologie

Kälte hat folgende physiologische Wirkungen auf Gewebestrukturen und Gewebepro-

zesse:30

o Blutgefäße – Vasokonstriktion (Gefäßverengung)

o Zellstoffwechsel – Herabsetzung des Stoffwechsels

o Gewebeentzündungen – Abschwächung von Entzündungsprozessen

27

Bernatzky et al. (2007), Nichtmedikamentöse Schmerztherapie: Komplementäre Methoden in der Pra-

xis. Springer Verlag, 1. Auflage, S. 234 28

Weineck, J: Sportbiologie; Spitta Verlag; 9.Auflage; 2004; S. 725 29

Ebd. 30

Docmedicus, Kältetherapie. http://www.gesundheits-

lexikon.com/Therapie/Physiotherapie/Kaeltetherapie-.html (eingesehen am 02.04.2017)

29

o Nervenleitgeschwindigkeit – Verminderung der Nervenleitgeschwindigkeit

o Muskeltonus – kurzfristige Erhöhung und langfristige Verminderung des Mus-

keltonus

o Muskelkontraktilität – Herabsetzung der Muskelkontraktilität

o Viskosität der Synovialflüssigkeit ("Gelenkschmiere") – Erhöhung der Viskosi-

tät der "Gelenkschmiere"

6.5 Anwendung

Der Anwendungsbereich der Kältetherapie ist mannigfaltig. Sie ist grundsätzlich nach

Operationen, Bänder-, Gelenks- und Muskelverletzungen, verschleißbedingten Gelenks-

und Wirbelsäulenerkrankungen, spastischen Muskelverspannungen oder bei rheumati-

schen Erkrankungen im Rahmen einer Schmerztherapie möglich.

„Bei Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises wird die Kältetherapie immer

dann eingesetzt, wenn ein akuter Entzündungsschub auftritt. In der Kältekammer kann

lokale Eisbehandlung, Kaltluft und auch die Ganzkörperkältetherapie zum Einsatz

kommen.“31

Die Kryochirurgie leistet vor allem in der Dermatologie einen wertvollen Beitrag zu den

Therapiemöglichkeiten benigner und maligner Hautveränderungen. Sie ist vielseitig und

sehr wirksam.32

6.6 Histologie

Die Wirkung der „Vereisung“ ist durch eine Vielzahl an Vorgängen gekennzeichnet, die

eine Zellzerstörung zur Folge haben. Die Hauptwirkung zeigt sich in der verminderten

Aktivität von Entzündungsmediatoren. Kurzzeitig regen Kältereize die Muskelaktivität

an, die Muskelspannung steigt, aber kurz darauf vermindert sich die Aktivität und

Spannung der Muskeln und Verkrampfungen werden aufgelockert. Dies ist ein wichti-

ger Effekt in der Sportmedizin.33

31

Atefie K: (2017), Kryotherapie – heilen mit Kälte. https://gesund.co.at/kryotherapie-heilen-mit-kaelte-

11725/ (eingesehen am 19.06.2017) 32

Altmeyer P. (2017), Kryochirugie. http://www.enzyklopaedie-dermatologie.de/artikel?id=4803 (einge-

sehen am 30.05.2017) 33

Ebd.

30

„Die lokale Kältebehandlung bewirkt mit der biphasischen Reaktion der Arteriolen auf

dem Wege der primären Konstriktion und der sekundären Hyperämie eine vorerst ge-

ringere Ausdehnung von Hämatom und Ödem, sowie zusätzlich eine Schmerzlinde-

rung.“34

6.7 Kontraindikationen

Kontraindiziert ist die Therapie bei Kälteunverträglichkeit, bereits unterkühlten Gewe-

ben, arteriellen Durchblutungsstörungen und bei Blasen- und Nierenerkrankungen.

6.8 Nebenwirkungen

Problematisch ist nur die zu lange Anwendung der Kryotherapie oder bei zu tiefen

Temperaturen, weil es zu größeren Erfrierungen oder Nekrosen kommen kann. Darum

sind die korrekte Anwendung und die Aufklärung des Patienten/ der Patientin über die

Folgen und Risiken wichtig.

Der Patient/ Die Patientin empfindet zunächst ein Kältegefühl, gefolgt von einem bren-

nenden bzw. stechenden Schmerz (1. Kälteschmerz). Nach 7-8 Minuten folgt die Anal-

gesie (Schmerzunempfindlichkeit), die in einen weiteren stechenden Schmerz (2. Kälte-

34

Himer, A: (2008): „Chirurgie“. Thieme Verlag; 2. Auflage, S. 378

Abbildung 7 Phasen der hypothermen Verletzung (Erfrierung)

Quelle: https://www.aerzteblatt.de/image.asp?id=73410&w=633

31

schmerz) münden kann. Aus diesem Grund sollte der behandelnde Arzt oder Therapeut

immer in Reichweite des Patienten sein. Der genaue Verlauf der Kryotherapie ist ab-

hängig von der Methode und der Indikation. 35

Extreme oder zu lang andauernde Kälte führt zum Zelltod. Wenn zum Beispiel die

Temperatur des Gewebes um 10°C abgekühlt ist, wird nur mehr 50% des Stoffwechsels

in diesem Gebiet aufrechterhalten. Zellen gehen durch die Kälteeinwirkung zugrunde,

dies führt zum Abbau toter Zellen und Neubildung. Das funktioniert aber nur bei aus-

reichender Durchblutung, das heißt eine zu lang andauernde Kältetherapie verzögert den

Heilungsprozess!36

Folgende Mechanismen führen zu einer Kryonekrose (Gewebsuntergang durch Kälte):37

o Phospholipiddenaturierung der Zellmembran – Die Zellmembran besteht aus

speziellen Fetten, die bei einer „Vereisung“ ihre Struktur verändern, sodass die

Membran zerstört wird.

o Verminderte Nährstoffversorgung

o Mechanische Schädigung der Zellorganellen (z. B. Mitochondrien)

o Entstehung toxischer (giftiger) Konzentrationen intrazellulärer (innerhalb der

Zelle befindlicher) Elektrolyte

o Stillstand von Stoffwechselprozessen

o Minderdurchblutung peripherer Gewebe

Das Herabsetzen der Körpertemperatur wurde in der Medizin großteils während größe-

ren Herzoperationen zu Nutze gemacht. Durch die tiefere Körperkerntemperatur sinkt

auch die Anzahl an Thrombozyten, die essentiell für Blutgerinnungsprozesse sind. Nach

der Operation kehren sie mit dem Wiedererwärmen zurück.

Nun stellen sich mehrere Fragen. Warum sinkt die Anzahl der Thrombozyten? Wo ge-

hen diese hin? Inwiefern beeinflußt das den Heilungsprozess?

35

Docmedicus, Kältetherapie. http://www.gesundheits-

lexikon.com/Therapie/Physiotherapie/Kaeltetherapie-.html (eingesehen am 03.04.2017) 36

Sachs C, Lehnhardt M, Daigeler A, Goertz O (2015): Einteilung und Therapie kälteinduzierter Verlet-

zungen. Deutsches Ärzteblatt https://www.aerzteblatt.de/pdf/112/44/m741.pdf (eingesehen

02.04.2017) 37

Docmedicus, Kältetherapie. http://www.gesundheits-

lexikon.com/Therapie/Physiotherapie/Kaeltetherapie-.html (eingesehen am 03.04.2017)

32

6.9 Durchführung lokaler Kryotherapie

1. Kalte Packungen und Wickel (ca. 15°C)

2. Intensive Kälteanwendung mit Eisabreibungen oder länger aufliegenden Kälte-

trägern (-10 bis -20°C)

3. Kurzfristige, extreme Kälteexpositionen mit Chlorethylspray oder flüssigem

Stickstoff (-196°C)

4. Kaltluftanwendung bis ca -30°C

5. In Kältekammern bei -120°C für ca 1-3 Minuten

6. Eistauchbad bei ca 6-12°C

7. Eiskompressen 1-3°C

8. Packungen mit gefrorenen Silikatmassen (-15 bis -20°C)

Die Applikation unterscheidet sich bei den diversen Methoden durch Temperatur, Dauer

der Anwendung und Ort der Anwendung. Zum Beispiel bei langfristiger lokaler An-

wendung von Kryotherapie durch einen Eisbeutel muss eine trockene Zwischenlage

verwendet werden, damit die Haut nicht direkt berührt wird, um Kälteschäden zu ver-

meiden.

33

7 Literaturrecherche

Für diese Diplomarbeit wurden mehrere wissenschaftliche Berichte und Bücher vergli-

chen und zusammengefasst, um den Zusammenhang zwischen Kälteeinwirkung und

Blutgerinnung zu untersuchen.

Die wissenschaftlichen Arbeiten wurden aus Pubmed mit den Suchbegriffen „Kryothe-

rapie“ und „Hypothermie“ erfasst und analysiert. Aus den Literaturverzeichnissen wur-

den weitere Artikel gesammelt und nach subjektiv eingeschätzter Relevanz in die Arbeit

aufgenommen.

Relevanz bedeutete in diesem Falle, ob es um die lokale Kryotherapie ging und inwie-

fern der Einfluss auf die Blutgerinnung darin vorkam.

Die Mehrzahl der wissenschaftlichen Arbeiten befasste sich mit Versuchen an Tieren

oder In-vitro Experimenten. Viele Studien drehten sich um die allgemeine Hypothermie

als Therapieverfahren in der Herzchirurgie. Fachbücher gaben Informationen über die

Blutgerinnung und den allgemeinen anatomischen Aufbau von Blutgefäßen.

34

7.1 „Hypothermia-induced Reversible Platelet Dysfunction“ von

Valeri C, Cassidy G, Khuri S, Feingold H, Ragno G, Altschule M

(1987) Ann Surg. 205, S. 175-181

7.1.1 Ziel

Die Studie von Valeri et al. befasst sich mit der Veränderung der Blutgerinnung bei

veränderten Körpertemperaturen.

7.1.2 Material und Methodik

Gemessen wurde die Blutungszeit bei den Temperaturen 27,3°C, 34°C und 38,9°C

durch Abkühlung, bzw. Wieder-Erwärmen der oberen Extremitäten von 6 Pavianen.

Diese wurden zuerst auf eine systemische Temperatur von 32°C heruntergekühlt. Wei-

ter wurde ein Arm der Affen auf 27,3°C abgekühlt und der andere auf 34°C erwärmt. Je

2 Blutproben wurden aus den jeweiligen Extremitäten entnommen. Hierauf wurde die

periphere Temperatur eines Armes von 27,3°C auf 34°C und die des anderen von 34°C

auf 38,9°C angehoben. Als letzten Schritt wurde die Normtemperatur von 34°C wieder-

hergestellt.

Gekühlt wurde, ähnlich der Kryotherapie in der Zahnmedizin, mit sogenannten „Cool-

Packs“, also gefüllten Eisbeuteln und „Cooling Blankets“, gekühlten Decken. Erwärmt

wurde mittels Heizlampen und Wärmedecken.

7.1.3 Ergebnis

Tabelle 1 Blutungszeit in Bezug auf Körpertemperatur (Paleti, 2006)

Systematische Temperatur Periphere Temperatur Blutungszeit

32°C 27,3°C 5,8 Min.

34°C 27,3°C 6,9 Min.

34°C 34°C 3,1 Min.

34°C 38,9°C 2,1 Min

35

Ergebnis dieser Studie war ein Zusammenhang zwischen peripherer Hypothermie und

Blutungszeit. Bei systemischer Hypothermie, also 32°C, und einer peripheren Tempera-

tur von 27,3°C war die Blutungszeit 5,8 Minuten. Im Gegensatz dazu bei Normaltempe-

ratur, 34°C, war bei äußerer Kühlung auf 27,3°C die Blutungszeit 6,9 Minuten. Bei sys-

tematischer Normtemperatur von 34°C betrug die Blutungszeit 3,1 Minuten. Zusätzlich

wurde bei Erwärmung auf 38,9°C die Blutungszeit auf 2,1 und 2,3 Minuten verkürzt.

7.1.4 Konklusion

Die Studie zeigt einen klaren Zusammenhang zwischen Abkühlung des Gewebes und

verminderter Blutgerinnung.

36

7.2 „Platelet Kinetics during deep hypothermia“ von Hessell E,

Schmer G, Dillard D (1980) J Surg Res 28, S. 23-34.

7.2.1 Ziel

Hessel et al. testeten die Veränderung der Thrombozytenzahl und -morphologie nach

systemischer Abkühlung.

7.2.2 Material und Methodik

Sie entnahmen Blut von Hunden bei Normaltemperatur, 3 Mal beim Herabsetzen der

Körpertemperatur auf 30, 25 und 20°C, 4 Mal beim Wiedererwärmen auf 25, 30 und

35°C und eine Stunde nach Wiederherstellen des Normalzustandes.

Die Thrombozyten wurden mittels Chromium markiert, um zu messen, wieviele

Thrombozyten neu gebildet wurden und wie viele alte überlebten.

Weiter wurde untersucht, ob es Unterschiede gab, wenn die Hunde splenetktomiert, also

ihre Milz entfernt wurde, oder sie nicht splenektomiert wurden. Weiter wurde die Ver-

änderung der Thrombozyten bei herabgesetzter Temperatur in vitro untersucht.

Abbildung 8 Zusammenhang zwischen Plättchenzahl und abnehmender Temperatur in der Studie von Hessel et al.38

38

http://www.journalofsurgicalresearch.com/article/0022-4804(80)90078-5/abstract

37

7.2.3 Ergebnis

Die Plättchenanzahl nahm während des Abkühlungsprozesses bis auf 10% der Ur-

sprungsanzahl ab. Anzumerken ist, dass die Zahl nach dem Erwärmen sogar den Aus-

gangswert überstieg, der Körper also sozusagen überkompensierte (reaktive Throm-

bozytose). Inwiefern dies zu Schäden oder Komplikationen führen könnte, wurde nicht

näher erläutert.

Das Volumen nahm zu, die Form wurde sphärisch, die marginalen Mikrotubuli ver-

schwanden und wurden mit Scheinfüßchen ersetzt. All diese Veränderungen bildeten

sich bei Rückkehr zur normalen Körpertemperatur zurück.

Ebenfalls zeigte die Studie, dass die Leber die Funktion der Milz als Plättchenregulator

vollkommen kompensieren konnte.

7.2.4 Konklusion

Relevanz in dieser Arbeit ist die Veränderung der Thrombozytenzahl und Form in Ab-

hängigkeit von der Temperatur. Das Blut scheint nicht koagulierbar zu sein, das heißt,

dass selbst durch die Kälte verengten Gefäße das Blut durchgängig bleibt und es zu kei-

ner Thrombose kommt.

38

7.3 „Platelet Dynamics during Natural and Pharmacologically

Induced Torpor and Forced Hypothermia“ von de Vrij E.,

Vogelaar P., Goris M., Houwertjes M., Herwig A., Dugbartey G.

(2014) PLoS One, S. 9

7.3.1 Ziel

In dieser Studie wurden Nagetiere in eine Art künstlichen Winterschlaf versetzt, um die

alterierten körperlichen Funktionen, unter anderem der Blutgerinnung, zu testen.

7.3.2 Material und Methodik

In der Studie wurden Mäusen, Ratten und Hamster anästhesiert und forciert in eine Hy-

pothermie gebracht, was reflektorisch zu einem physiologischen Winterschlaf führte.

Die Körpertemperatur wurde 1°C pro 3 Minuten heruntergesetzt. Gekühlt wurden die

Nagetiere durch Eiswasser, welches auf das Fell appliziert wurde.

Mäuse wurden auf 20°C, Ratten auf 15°C und Hamster bis auf 8°C abgekühlt. Diese

Temperaturen wurden 3 Stunden für die Untersuchung gehalten. Die Blutproben der

Hamster wurden aus der Jugularvene entnommen, hingegen bei den Ratten und Mäusen

aus den Karotiden.

Während des Winterschlafs wurde die Milz einiger Tiere entfernt, um zu untersuchen

ob, die anderen Organe ihre Funktion kompensieren können.

7.3.3 Ergebnis

Der Blutfluss war herabgesetzt und die Viskosität erhöht. Es herrschte eine chronische

Hypoxizität und dadurch resultierend ein Stadium der Immobilität. Nach nur zwei Stun-

den nach dem Wiedererwärmen aus dem unterkühlten Zustand waren die Thrombozy-

ten-Zahl, Blutungszeit und Blutwerte wieder im Norm-Bereich.

Die Thrombozyten konnten sich reversibel an Arterien, Venen und Kapillaren binden,

was zu dem geringeren Blutfluss führte. Unterstützt wurde dieser Prozess durch Hypo-

xie. „Hypoxia during torpor might lead to exocytosis of endothelial cell Weibel-Palade

bodies and subsequent release of von Willebrand factor“. Dies bedeutet, dass sowohl

die Organelle Weibel-Palade, die in Endothelzellen vorkommt, als auch der van Wille-

39

brand Faktor, die beide die Plättchenbindung an die Endothelzelle stimulieren, bei Hy-

pothermie absterben.

Wichtig dazu ist anzumerken, dass die Neu-Synthese von Thrombozyten 24-48 Stunden

benötigte, die Werte sich aber innerhalb von zwei Stunden erholten. Dies zeigte, dass

Thrombozyten nicht abgebaut und neu erzeugt wurden, sondern mehr inaktiviert bzw.

gespeichert und bei Bedarf wieder in das System ausgeschüttet wurden.

Abbildung 9 Plättchenzahl bei unterschiedlichen Körpertemperaturen39

De Vrij et al. kamen weiter zu dem Ergebnis, dass die Leber die volle Speicherfunktion

der Milz ersetzen kann. Die Milz ist im Grunde ein Thrombozyten-erzeugendes Organ

und kann als Speicher dienen. Mehrere Untersuchungen befassten sich mit der Verände-

rung der Plättchen bei splenektomierten Testsubjekten.

Alle Experimente ergaben, dass die Milz weder ein essentielles Organ für die Speiche-

rung während eines unterkühlten Zustandes, noch zur Wiederherstellung der Plättchen-

anzahl war.

7.3.4 Konklusion

Dies zeigt, dass Thrombozyten bei niedrigen Temperaturen aus dem Blut verschwinden

bzw. inaktiv werden, was den Blutgerinnungsprozess prolongiert.

39

http://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371/journal.pone.0093218 (eingesehen am 03.04.2017)

40

7.4 „A cause of the thrombocytopenia and leukopenia that occur in

dogs during deep hyothermia“ von Villalobos T., Adelson E.,

Riley P., Crosby W. (1985) Journal of Clinical Investigation 37, S.

1–7

7.4.1 Ziel

In dieser Studie untersuchte man die Veränderung von Thrombozyten im Blut bei Hy-

pothermie.

7.4.2 Material und Methodik

Villabos et. al. testeten an 22 Hunden eine induzierte Hypothermie und die daraus fol-

genden Veränderungen im Blut. Getestet wurde bei Normaltemperatur von 37°C, bei

25°C und 20°C und während des Wiedererwärmens bei 25°C bzw. bei 30°C.

7.4.3 Ergebnis

Abbildung 10 Plättchen in der Aorta und in den Kapillaren 40

Bei Abnahme der Temperatur verschwanden die Thrombozyten. Nach dem Wiederer-

wärmen erholten sich alle Werte rasch und überkompensierten sogar meistens. Auffällig

ist hierbei der rapide Anstieg beim Erhöhen der Körpertemperatur um das beinahe 6-

fache - von 25°C auf 30°C und der Abfall auf 1/6 von 25° auf 20°C.

40

http://www.jci.org/articles/view/103576/scanned-page/2 (eingesehen am 03.04.2017)

41

Abbildung 11 Plättchenzahl vor und nach der Hypothermie41

7.4.4 Konklusion

Es zeigte sich ein eindeutiger Zusammenhang zwischen den Plättchenzahl bei herabge-

setzter Temperatur und bei Normtemperatur.

41

http://www.jci.org/articles/view/103576/scanned-page/2 (eingesehen am 03.04.2017)

42

7.5 „The Effect of Graded Hypothermia (36°C – 32°C) on

Hemostasis in Anestetized Patients without surgical trauma“ von

Kettner S., Sitzwohl C., Zimpfer M., Kozek S., Holzer A., Spiss

C., Illievich U. (2003) Anesthesia & Analgesia Volume 96 - Issue 6

– S. 1772–1776

7.5.1 Ziel

Ziel war es die, Phase vor dem Eingriff zu untersuchen, in der der Körper abgekühlt

wird und herauszufinden, welchen Einfluss diese Abkühlung auf das extrinsische Sys-

tem hat.

7.5.2 Material und Methodik

Kettner untersuchte in seiner Studie chirurgisch behandelte Patienten/ Patientinnen nach

der Einleitung der Anästhesie, aber vor dem chirurgischen Eingriff. An diesen wurde

eine künstlich erzeugte Hypothermie bei jeweils 36°C, 34°C und 32°C angewandt.

Verglichen wurden die Prothrombinzeit, die aktivierte partielle Thromboplastinzeit, das

Thromboelastogram (TEG®) und die Plättchenanzahl bei der jeweiligen Temperatur.

Getestet wurde an 16 Patienten/ Patientinnen, an denen ein intrakranieller Eingriff ge-

plant war. Nachdem die Anästhesie gesetzt wurde, kühlte man den Körper auf 32°C ab,

um die Körperfunktion für die Behandlung zu optimieren. Dies dauerte im Schnitt 180

(+/- 50) Minuten. Blut wurde bei Normtemperatur, bei 34°C und der Operationstempe-

ratur von 32°C abgenommen.

43

7.5.3 Ergebnis

Abbildung 12 Wertetabelle bei abnehmender Körpertemperatur42

Die Studie ergab keine Änderung von aktivierter partieller Thomboplastinzeit, Hämato-

krit und Blutgerinnungszeit. Prothrombinzeit und Plättchenanzahl nahmen mit abneh-

mender Temperatur ab.

7.5.4 Konklusion

Die Abnahme des Prothrombinzeit und das Gleichbleiben der aktivierten partiellen

Thromboplastinzeit lässt auf eine Änderung des extrinsischen Systems schließen und

dass die Hypothermie keinen Einfluss auf das instrinsische System nimmt.

42

http://journals.lww.com/anesthesia-

analgesia/Fulltext/2003/06000/The_Effect_of_Graded_Hypothermia__36_C_32_C__on.41.aspx ein-

gesehen am (03.04.2017)

44

7.6 „Effect of hypothermia on the coagulation cascade“ von Rohrer

M., Natale A. (1992) Crit Care Med 20 S. 1402-1405.

7.6.1 Ziel

Rohrer et al. beschäftigten sie sich mit der In-vitro Veränderung der Prothrombinzeit

und der aktivierten Thromboplastinzeit bei Temperaturverringerung.

7.6.2 Material und Methodik

Getestet wurden Blutplasmaproben, die in-vitro auf die Temperaturen 37°C, 34°C, 31°C

und 28°C gebracht wurden. Zusätzlich überprüfte man Proben, die man auf 39°C und

41°C erwärmte.

7.6.3 Ergebnis

Dies zeigt einen Einfluss der Hypothermie auf die Gerinnungskaskade, durch die Ver-

längerung der Prothrombin- und aktivierten partiellen Thromboplastinzeit bei abneh-

mender Temperatur (siehe Tab. 2).

Die erhöhten Temperaturen ergaben keine signifikanten Unterschiede zur Normtempe-

ratur.

Tabelle 2 PT und APTT bei absinkender Temperatur

Temperatur Prothrombinzeit Aktivierte partielle

Thromboplastinzeit

41°C 11,3 s 35,1 s

39°C 11,5 s 35,3 s

37°C 11,8 s 36 s

34°C 12,9 s 39,4 s

31°C 14,2 s 46,1 s

28°C 16,6 s 57,2 s

45

7.6.4 Konklusion

Die Studie zeigt den Einfluss der Verringerung der Temperatur auf die Gerinnungs-

kaskade durch Verlängerung der Prothrombin- und aktivierten partiellen Thromboplas-

tinzeit.

46

7.7 „Platelet Activation in warm and cold heart surgery“ von Mazer

D., Hornstein A., Freedman J. (1995) Ann Thorac Surg. 59. S.

1481 - 1486

7.7.1 Ziel

Mazer et al. beschäftigen sich mit Aktivierung der bei verschiedenen Temperaturen.

7.7.2 Material und Methodik

Gemessen wurde an 22 Patienten/ Patientinnen (Durchschnittsalter 58J), die während

eines chirurgischen Eingriffs an eine Herz-Lungen Maschine gehängt wurden.

Warmes Behandlungsniveau bedeutet in der Herzchirurgie Normaltemperatur des Pati-

enten, also 37°C. Die meisten Eingriffe werden bei Hypothermie, also bei 28-30°C,

durchgeführt.

Mehrere Studien hatten besagt, dass die Nachbehandlung mit Wärme die postoperative

Blutung, welche die größte Gefahr nach Herzeingriffen darstellt, reduzieren würde. Da-

für wurden mehrere Glykoproteine, Plättchenfragmente und die Plättchenanzahl vor,

während und nach der Behandlung gemessen. Die gemessenen Glykoproteine (GPIb,

GPIIb/IIIa, GMP 140) sind Marker für die Plättchenaktivierung, -aggregation und -

sekretion. Die Eingriffe fanden bei Normaltemperatur (37°C) und bei Hypothermie

(28°C-30°C) statt.

47

7.7.3 Ergebnis

Abbildung 13 Plättchenzahl im warmen und kalten Milieu43

Das auffälligste Ergebnis waren zwei männliche Patienten mit massiver Nachblutung

innerhalb der ersten 6 Stunden (mehr als 1000 ml). Beide waren in der kalten Nachbe-

handlungsgruppe. Im Gegensatz dazu gab es keinerlei Komplikationen bei der Norm-

temperaturgruppe.

Die Konzentration der Glykoproteine Ib nahm signifikant mit abnehmender Temperatur

ab. Der Tiefpunkt ergab sich nach 60 Minuten. Im Gegensatz dazu gab es kaum Verän-

derung bei den Glykoproteinen IIb/IIIa. Erklärt wurde dies dadurch, dass GP Ib durch

den von Willebrandfaktor und GP IIb/IIIa durch Fibrinogen aktiviert wird.

7.7.4 Konklusion

Die Studie zeigt die verstärkte Nachblutung durch die kälteinduzierte Blutungszeitver-

längerung.

Die Studienleitung kommentierte selbst, dass die Kältebehandlung in der Chirurgie

noch nicht vollkommen erforscht und optimiert ist, können aber definitiv sagen, dass

der Blutverlust signifikant höher ist bei Patienten/ Patientinnen in Hypothermie im Ge-

gensatz zur Normothermie.

43

http://www.annalsthoracicsurgery.org/article/0003-4975(95)00153-C/pdf (eingesehen am 03.04.2017)

48

7.8 „Temperature corrected Thromboelatography in Hypothermic

Patients“ von Douning L., Ramsay M., Swygert T. (1995) Anesth

Analg. 81, S. 608-611

7.8.1 Ziel

Douning testete die Koagulierungszeit bei Patienten/ Patientinnen, die einer chirurgi-

schen Behandlung unterzogen werden - in diesem Fall einer Lebertransplantation, bei

der der Patient/ die Patientin mit einem Thromboelastogram (TEG) monitorisiert wer-

den muss.

7.8.2 Material und Methodik

Das Thromboelastogramm untersucht die viscoelastische Eigenschaften von Blutplasma

vom ersten Formieren eines Fibrinstrangs bis zum vollkommenen Blutkoagulum. Ge-

messen wurden die Reaktionszeit, die Koagulierungszeit, die Koagulierungsrate und die

maximale Amplitude.

Insgesamt wurden 117 Blutproben von 45 Patienten auf dem Baylor University Medical

Center entnommen und jeweils auf zwei Thromboelastogrammen gemessen. Einer war

genormt auf die Körpertemperatur und der andere auf 32°C abgekühlt.

49

7.8.3 Ergebnis

Abbildung 14 Blutkoagulationszeiten44

Das Ergebnis zeigte eine signifikant verlängerte Reaktions- und Koagulierungszeit im

Vergleich zur Normaltemperatur.

7.8.4 Konklusion

Bei abnehmender Temperatur braucht Blut länger um zu gerinnen, was bei einer

Zahnextraktion bedeuten würde, dass es zur einer stärkeren Einblutung im Eingriffsge-

biet führen würde.

44

http://journals.lww.com/anesthesia-

analgesia/Fulltext/1995/09000/Temperature_Corrected_Thrombelastography_in.33.aspx (eingesehen

am 03.04.2017)

50

7.9 „Effects of hypothermia on thrombelastography in patients

undergoing cardioplumonary bypass“ von Kettner S., Kozek S.,

Groetzner J., Gonano C., Schellongowski A., Kucera M., Zimpfer

M (1998) Br J Anaesth 80, S. 313–317

7.9.1 Ziel

Kettner untersuchte, ähnlich der vorherigen Studie, Patienten/ Patientinnen in chirurgi-

scher Behandlung, die während der Operation mit Thromboelastogramm monitorisiert

wurden.

7.9.2 Material und Methodik

Bei dieser Studie bekamen die Patienten/ Patientinnen einen kardiopulmonalen Bypass

und waren deshalb durch eine Heparin-Therapie abgedeckt. Getestet wurde an 30 Pati-

enten vor, während und nach der Operation durch Blutproben, die jeweils durch ein

Thromboelastogramm im gekühlten Zustand und ein Thromboelastogramm bei Norm-

temperatur analysiert wurden.

51

7.9.3 Ergebnis

Abbildung 15Blutkoagulation in verschiedenen Phasen45

Die Studie ergab eine verlängerte Reaktionszeit und kinetische Energie in der gekühlten

TEG-Messung im Gegensatz zu der Normtemperatur. Die maximale Amplitude, die die

reflektorische Gerinnselfestigkeit angibt, wurde nicht beeinflusst. Dies zeigt eine Re-

duktion der Geschwindigkeit der Gerinnselformation, aber nicht der Qualität. Bei einer

Reduktion von 3,7°C führte das zu einer Abnahme der Koagulation von ca. 50%!

Zusätzlich wurde beobachtet, dass in neun Fällen die Heparin Effekte persistierten, trotz

der Applizierung von Protamin, um das Heparin zu neutralisieren.

7.9.4 Konklusion

Diese Studie zeigt eine bei Hypothermie verminderte Fähigkeit der Thrombozyten, ein

Blutgerinnsel zu bilden.

45

https://www.researchgate.net/publication/13661936_Effects_of_hypothermia_on_thrombelastography

_in_patients_undergoing_cardiopulmonary_bypass (eingesehen am 03.04.2017)

52

7.10 „Effect of salted ice bags on surface and intramuscular tissue

cooling and rewarming rates“von Hunter E., Ostrowski J.,

Donahue M., Crowley C., Herzog V. (2016) J Sport Rehabil. 25,

S. 70–76.

7.10.1 Ziel

Hunter et al. untersuchten den Effekt von Eisbeuteln mit und ohne beigefügtem Salz.

7.10.2 Material und Methodik

Getestet wurde an 24 Probanden/ Probandinnen mit drei verschiedenen Eisbeutelarten:

Eis in Kombination mit Wasser, gesalzte Eiswürfel und gecrushte Eiswürfel mit Salz.

Gemessen wurde die Temperaturveränderung im Musculus gastrocnemius nach 10 Mi-

nuten Basisperiode, 30 Minuten Applikation und nach 45 Wiedererwärmzeit.

7.10.3 Ergebnis

Die Studie ergab, dass eine Kombination aus Wasser und Eis signifikant tiefere in-

tramuskuläre Temperaturwerte erzeugte.

Abbildung 16 Intramuskuläre Abkühlung46

7.10.4 Konklusion

Den größten Abkühlungseffekt hatte die Wasser/Eis Kombination, ähnlich dem Eisbeu-

tel in der dentalen Nutzung nach Extraktionen.

46

https://www.researchgate.net/publication/271331413_Effect_of_Salted_Ice_Bags_on_Surface_and_In

tramuscular_Tissue_Cooling_and_Rewarming_Rates

53

8 Ergebnisse

Hingehend meiner ersten Forschungsfrage „Kann man die allgemeine Hypothermie mit

der lokalen Kryotherapie vergleichen?“, zeigt die Studie „Hypothermia-induced Re-

versible Platelet Dysfunction“ von C. Robert Valeri et al. die lokale Anwendung und

dadurch induzierte Blutungszeitverlängerung auf fast die doppelte Zeit. Unterstützend

dazu besagt die Studie „Platelet Kinetics during deep hypothermia“ von Eugene A.

Hessel et al, dass es durch das Abfallen der Körperkerntemperatur bei Hunden zu einer

Verringerung der Thrombozytenzahl und dadurch Verlängerung der Blutungszeit kam.

An Kleintieren testete Edwin L. De Vrij in seiner Studie „Platelet Dynamics during

Natural and Pharmacologically Induced Torpor and Forced Hypothermia“. Er

versetzte sie in einen künstlichen Winterschlaf und zeigte eine erhöhte Viskosität des

Blutes, chronische Hypoxizität und dadurch eine Minderversorgung des Gewebes.

Wichtig ist hier auch zu erwähnen, dass die Thrombozyten nach einer gewissen Zeit

wieder aktiv wurden, also nicht neu gebildet wurden, sondern nur gespeichert wurden

bis zur Wiedererwärmung.

Die Studie „The Effect of Graded Hypothermia (36°C – 32°C) on Hemostasis in

Anestetized Patients without surgical trauma“ von S.C. Kettner et al. testete an chi-

rurgisch behandelten Patienten/ Patientinnen die physiologische Reaktion des Körpers

auf die Hypothermie-Therapie. Das Ergebnis zeigte ebenfalls, dass die Thrombozyten-

zahl abnahm und die Blutungszeit dadurch verlängert wurde.

Die in-vitro Studie „Effect of hypothermia on the coagulation cascade“ von Michael

J. Rohrer et al., zeigte einen Anstieg der Prothrombinzeit um 50% und eine aPTT-

Anstieg von fast 100%.

Dies zeigt eine klare Korrelation zwischen dem Herabsetzen der Temperatur, sei diese

lokal oder generell, und der Wirkung auf die Thrombozyten, resultierend in verlängerter

Blutungszeit.

Bezüglich der Frage, welche Art der Applikation sich am besten eignen würde, stellte

die Studie „Effect of salted ice bags on surface and intramuscular tissue cooling and

rewarming rates“ von Hunter EJ fest, dass der beste Kühlungseffekt, ohne Kälteschä-

den zu verursachen, die Kombination aus Wasser und Eis in einem Beutel erzeugte.

54

Hingehend der Dauer gab diese Studie eine optimale Kühlungszeit von 10 Minuten Ba-

siszeit und 30 Minuten Applikation mit 45 Minuten Wiedererwärmzeit an.

Zusammenfassend ist zu sagen, dass anhand untersuchter Literatur lokale Hypothermie

ähnliche Effekte auslöst, wie systemische Hypothermie. Die lokale Hypothermie löst

primär gefäßkontrahierende und im weiteren Verlauf gefäßdilatierende Prozesse in den

Blutgefäßen aus. Die Frage wieviel Gefäßkontraktion auftritt müsste ebenfalls noch

geklärt werden, da die Verletzung selbst bereits zu einer Kontraktion der Gefäße führt.

Durch eine optimale Kühlungsphase und einer darauffolgenden Wiedererwärmungspha-

se kann eine gezielt bessere Wundheilung ermöglicht werden. Bezüglich der Art der

Applikation wurde herausgefunden, dass die optimale Art ein Eisbeutel in Kombination

mit Wasser für ca. 10 appliziert werden sollte und darauf eine Phase der Anpassung an

die Körpertemperatur folgen sollte.

55

9 Diskussion

Diese Arbeit gibt ein klares Bild über den aktuellen Forschungsstand zur Kryotherapie

in mehreren Anwendungsgebieten innerhalb und außerhalb der Medizin. Größere rele-

vante Gebiete wie die Herzchirurgie, zeigten einen tieferen Einblick in den physiologi-

schen Ablauf einer induzierten Hypothermie. Im Gegensatz dazu gab es viel Halbwis-

sen oder nicht wissenschaftlich hinterlegte Meinungen zur lokalen Kryotherapie. Er-

schreckend fand ich es in der Anwendung der Sportmedizin, weil die meisten Artikel

die Therapie damit begründeten, dass es schon immer funktioniert hat, und es keinen

Grund gäbe Alternativen zu testen.

Untersucht wurden alte, sowie neuere wissenschaftliche Arbeiten zur Thematik der

Kryotherapie und Hypothermie im chirurgischen Bereich. Alle Artikel wurden auf Va-

lidität der Forschung überprüft und in den meisten Fällen durch andere Quellen belegt.

Leider lässt sich nicht näher auf die lokale Kryotherapie eingehen, da es nur eine Studie

gibt die an Affen getestet hat, wie sich peripheres Abkühlen der Körpertemperatur auf

die Wundheilung auswirkt.

Erschwerend für diese Arbeit war das geringe Kontingent an wissenschaftlichen Arbei-

ten der lokalen Kryotherapie. Hinzu kommt, dass die wenigen Studien die durchgeführt

wurden, meistens an Tieren und nicht an Menschen experimentiert wurden.

Meine Arbeit deckt einen großen Teil der wissenschaftlichen Literatur zum Thema

Kryotherapie im Allgemeinen und Blutgerinnung bei induzierter Kältetherapie im Spe-

ziellen ab. Es gab keinen Artikel zur Kryotherapie im dentalen Bereich, was im Nach-

hinein gesehen der interessanteste Aspekt gewesen wäre.

Im Laufe meiner Recherche warfen sich mehrere Fragen, die für diese Arbeit irrelevant

sind, auf die ich teilweise auch bearbeitet habe. Unter anderem wohin die Thrombozy-

ten bei einer Hypothermie verschwinden, welche Veränderungen nach längerer Appli-

kation von Kältetherapie auftreten oder Alternativen der Prävention von Schmerzen

und/oder Schwellung es noch gäbe.

56

Die Untersuchung der physiologischen Reaktion der einzelnen Gerinnungsfaktoren bei

Hypothermie würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen und wäre auch zu spezifisch

für die lokale Kryotherapie im dentalen Bereich.

Meine Erwartungen gegenüber dem Thema wurden nicht erfüllt, da es zu wenig bis gar

keine wissenschaftlichen Belege zur Anwendung von Eisbeuteln zur Prävention von

Schmerzen und Schwellung gibt und es trotzdem als eine Standardtherapieart in den

meisten Ordinationen und Kliniken etabliert wurde.

Nach dieser Arbeit würde ich gerne dieses Thema als praktisches Experiment an Patien-

ten/ Patientinnen testen, um den direkten Effekt zu sehen. Für diese Studie wäre es

wichtig verschiedene Extraktionstechniken und Lokalisationen zu testen. Zusätzlich

wäre es gut mehrere Altersklassen und möglicherweise auch Patienten/ Patientinnen mit

Vorerkrankungen zu involvieren, um eine möglichst praktische Ordinations- bzw. Kli-

niksituation nachstellen zu können.

Abschließend möchte ich noch anmerken, dass das Gebiet der lokalen Kryotherapie

noch nicht eingehend genug erforscht wurde.

57

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