32
1 Prof. Dr. Justus Meyer, Juristenfakultät Einführung in die Rechtsvergleichung B. Grundbegriffe des Internationalen Privatrechts (IPR) und der Rechtsangleichung

Einführung in die Rechtsvergleichung - law.jura.uni ... · 15 Prof. Dr. Justus Meyer, Juristenfakultät Österreich: §864 ABGB (1) Ist eine ausdrückliche Erklärung der Annahme

  • Upload
    others

  • View
    2

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

1

Prof. Dr. Justus Meyer, Juristenfakultät

Einführung in die Rechtsvergleichung

B. Grundbegriffe des Internationalen Privatrechts (IPR)und der Rechtsangleichung

2

Prof. Dr. Justus Meyer, Juristenfakultät

B. IPR und Rechtsangleichung

I. Internationales Privatrecht

II. Rechtsangleichung (1): EU-Recht

III. Rechtsangleichung (2): Staatsverträge

IV. US-Recht

V. „Soft Law“

3

Prof. Dr. Justus Meyer, Juristenfakultät

I. Internationales Privatrecht (IPR)§ Privatrecht§ Kollisionsrecht, Conflict of Laws

Ø Welches materielle Recht (Sachrecht) ist auf einen Sachverhalt mit Auslandsbezug anwendbar?

4

Prof. Dr. Justus Meyer, Juristenfakultät

I. Internationales Privatrecht (IPR)

Beispiele§ E ist Tscheche, lebt aber seit 11 Jahren in Leipzig, als er

stirbt. Welches Erbrecht gilt?§ M (D) hat in Warschau F (P) geheiratet und ist mit ihr nach

Leipzig gezogen. F klagt in Leipzig auf Unterhalt.§ V (Leipzig) verkauft ein fünfbändiges Pilzlexikon an K (Graz).

5

Prof. Dr. Justus Meyer, Juristenfakultät

GrundgedankenNicht: deutsches Gericht => deutsches materielles Recht

Recht des Forums (lex fori)

§ Welches ist das für den Sachverhalt „geeignetste“ Recht?§ Zu welcher Rechtsordnung hat der Sachverhalt die engste

Verbindung?

6

Prof. Dr. Justus Meyer, Juristenfakultät

GrundgedankenNicht: deutsches Gericht => deutsches materielles Recht

Recht des Forums (lex fori)

§ Welches ist das für den Sachverhalt „geeignetste“ Recht?§ Zu welcher Rechtsordnung hat der Sachverhalt die engste

Verbindung?§ Vorbehalt des ordre public: Keine Anwendung ausländischen

Rechts, wenn das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist.

7

Prof. Dr. Justus Meyer, Juristenfakultät

Die wichtigsten RechtsquellenDeutsche Gerichte wenden deutsches IPR(inkl. EU-Recht und Int. Abkommen) an

§ Internationale Abkommen (zB CISG)§ Rom I-VO, Rom II-VO usw.§ EGBGB

8

Prof. Dr. Justus Meyer, Juristenfakultät

Die wichtigsten IPR-Regeln§ Internationaler Kauf => Art. 1, 2 CISG (ohne VerbrGK)§ VertragsR: Rom I-VO

Ø Rechtswahl: Art. 3Ø Vertrag allg.: Art. 4 (Charakteristische Leistung)Ø Verbrauchervertrag: Art. 6

9

Prof. Dr. Justus Meyer, Juristenfakultät

Die wichtigsten IPR-Regeln (2)§ DeliktsR usw.: Rom II-VO

Ø Delikt allg.: A rt. 4 Tatort (Handlung + Erfolg)Ø Unlauterer Wettbewerb: Art., 6 (Marktort)

§ SachenR: Art. 43 EGBGB (lex rei sitae)§ Ordre public: Art. 6 EGBGB, 21 Rom I-VO, 26 Rom II-VO

10

Prof. Dr. Justus Meyer, Juristenfakultät

Eingangsfall: Pilzlexikon gratisVerleger V (Deutschland) gibt „Das große fünfbändige Pilzlexikon“ heraus und will Band 1 an zahlreiche Haushalte im deutschsprachigen Raum mit einem Anschreiben versenden: Wer Band 1 zwei Wochen behält, kauft damit die Bände 2-5 für je 18,80 Euro (Lieferung und Rechnung jeweils nach Erscheinen).

§ Ist ein solches Marketing zulässig?§ Nach welchem Recht beurteilt sich die Frage?

11

Prof. Dr. Justus Meyer, Juristenfakultät

Wettbewerbsrecht (Lauterkeitsrecht)

Art. 6 I Rom II-VO und Art. 136 schweiz. IPR-Gesetz

Marktortprinzip => D / AU / CH

12

Prof. Dr. Justus Meyer, Juristenfakultät

Pilzlexikon gratis

§ Kommen Kaufverträge zustande, wenn die Empfänger auf die Zusendung nicht reagieren?

§ Dürfen die Empfänger das Buch behalten?

§ Welches Recht ist einschlägig?§ Wie sind die Antworten nach dem Recht in D, AU, CH?

13

Prof. Dr. Justus Meyer, Juristenfakultät

Vertragsrecht

CISG nicht anwendbar (Art. 2 lit. a)

Art. 6 I Rom I-VO und Art. 120 schweiz. IPRG

=> D / AU / CH

14

Prof. Dr. Justus Meyer, Juristenfakultät

Deutsches Recht

§§ 104 ff. und 145 ff. BGB=> Angebot und Annahme?

§ 241a BGB

15

Prof. Dr. Justus Meyer, Juristenfakultät

Österreich: § 864 ABGB(1) Ist eine ausdrückliche Erklärung der Annahme nach der Natur des Geschäftes oder der Verkehrssitte nicht zu erwarten, so kommt der Vertrag zustande, wenn dem Antrag innerhalb der hierfür bestimmten oder den Umständen angemessenen Frist tatsächlich entsprochen worden ist. (2) Das Behalten, Verwenden oder Verbrauchen einer Sache, die dem Empfänger ohne seine Veranlassung übersandt worden ist, gilt nicht als Annahme eines Antrags. Der Empfänger ist nicht verpflichtet, die Sache zu verwahren oder zurückzuleiten, er darf sich ihrer auch entledigen. Muß ihm jedoch nach den Umständen auffallen, daß die Sache irrtümlich an ihn gelangt ist, so hat er in angemessener Frist dies dem Absender mitzuteilen oder die Sache an den Absender zurückzuleiten.

16

Prof. Dr. Justus Meyer, Juristenfakultät

Schweiz: Art. 6a OR

(1) Die Zusendung einer unbestellten Sache ist kein Antrag.

(2) Der Empfänger ist nicht verpflichtet, die Sache zurückzusenden oder aufzubewahren.

(3) Ist eine unbestellte Sache offensichtlich irrtümlich zugesandt worden, so muss der Empfänger den Absender benachrichtigen.

17

Prof. Dr. Justus Meyer, Juristenfakultät

II. Rechtsangleichung (1): EU-Recht

Rechtsangleichung

§ Teildisziplin der Rechtswissenschaft§ Angleichung/Vereinheitlichung/Harmonisierung§ Rechtsvergleichung als Grundlage§ Schaffung von einheitlichem/ähnlichem Recht

in mehreren Staaten/Rechtsordnungen

Wichtigste Beispiele§ EU-Recht: insb. Richtlinien und Verordnungen§ Staatsverträge: z.B. UN-Kaufrecht (CISG)

18

Prof. Dr. Justus Meyer, Juristenfakultät

I. EU-Recht

§ Deutschland und die Europäische Union

§ Das Primärrecht (Gründungsverträge)Ø Vertrag über die Europäische Union (EUV)Ø Vertrag über die Arbeitsweise der EU (AEUV)² Grundrechte-Charta

§ Sekundärrecht (vgl. Art. 288 AEUV)Ø VerordnungenØ Richtlinien

EUR-LEX

19

Prof. Dr. Justus Meyer, Juristenfakultät

§ Kompetenzen der UnionØ Begrenzte Einzelermächtigung (Art. 2 I, II, 5 II AEUV) Ø Subsidiaritätsprinzip (Art. 5 I AEUV)

§ Vorrang des Unionsrechts§ Autonome Auslegung§ Auslegungsmonopol des EuGH

Ø Vertragsverletzungsverfahren (Art. 258 AEUV)Ø Vorabentscheidungsverfahren (Art. 267 AEUV)

20

Prof. Dr. Justus Meyer, Juristenfakultät

EU-Verordnungen

§ Beispiele: Rom I, II usw.; Brüssel I (EuGVVO)

§ Unmittelbar in MS geltendes Recht§ Anwendung durch nationale Behörden, Gerichte usw.§ Direktwirkung zwischen Bürgern

21

Prof. Dr. Justus Meyer, Juristenfakultät

EU-Richtlinien§ Beispiele: Verbrauchsgüterkauf-RL, Verbraucherrechte-

RL, Handelsvertreter-RL, Gesellschaftsrechts-RL, ...§ An MS gerichtet

§ Ziele verbindlich(Mindeststandards/„Vollharmonisierung“)

§ Umsetzende nationale Gesetze Richtlinienkonforme Auslegung

22

Prof. Dr. Justus Meyer, Juristenfakultät

EU-Verordnungen

§ Beispiele:

Ø VO (EG) 593/2008 (Rom I)Ø VO (EU) 1259/2010 (Rom III)

§ Unmittelbar in MS geltendes Recht§ Anwendung durch nationale Behörden, Gerichte usw.§ Direktwirkung zwischen Bürgern

23

Prof. Dr. Justus Meyer, Juristenfakultät

EU-Richtlinien§ Beispiele

Ø Klausel-RL 93/13/EWG => §§ 305 ff. BGBØ Haustür-RL 95/577/EWG + Fernabsatz-RL 97/7/EG

=> VerbrR-RL 2011/83/EU => §§ 312 ff. BGBØ Lauterkeits-RL 2005/29/EG => UWG

§ An MS gerichtet§ Ziele verbindlich

(Mindeststandards/„Vollharmonisierung“)

§ Umsetzende nationale Gesetze § Richtlinienkonforme Auslegung

24

Prof. Dr. Justus Meyer, Juristenfakultät

Beispiel: Pilzlexikon gratis

1. Fernabsatzrichtlinie 1997/7/EGArtikel 9: Unbestellte Waren oder Dienstleistungen Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, um- zu untersagen, daß einem Verbraucher ohne vorherige Bestellung Waren geliefert oder Dienstleistungen erbracht werden, wenn mit der Warenlieferung oder Dienstleistungs-erbringung eine Zahlungsaufforderung verbunden ist;- den Verbraucher von jedweder Gegenleistung für den Fall zu befreien, daß unbestellte Waren geliefert oder unbestellte Dienstleistungen erbracht wurden, wobei das Ausbleiben einer Reaktion nicht als Zustimmung gilt.

25

Prof. Dr. Justus Meyer, Juristenfakultät

2. Lauterkeitsrichtlinie 2005/29/EG, Anhang I

Geschäftspraktiken, die unter allen Umständen als unlauter gelten ...

29. Aufforderung des Verbrauchers zur sofortigen oderspäteren Bezahlung oder zur Rücksendung oderVerwahrung von Produkten, die der Gewebetreibendegeliefert, der Verbraucher aber nicht bestellt hat(unbestellte Waren oder Dienstleistungen) ...

26

Prof. Dr. Justus Meyer, Juristenfakultät

3. Verbraucherrechte-RL 2011/83/EUArt. 27. Werden unter Verstoß gegen Artikel 5 Absatz 5 undAnhang I Nummer 29 der Richtlinie 2005/29/EG unbestellteWaren, Wasser, Gas, Strom, Fernwärme oder digitaler Inhaltgeliefert oder unbestellte Dienstleistungen erbracht, so ist derVerbraucher von der Pflicht zur Erbringung der Gegenleistungbefreit. In diesen Fällen gilt das Ausbleiben einer Antwort desVerbrauchers auf eine solche unbestellte Lieferung oderErbringung nicht als Zustimmung. ...

27

Prof. Dr. Justus Meyer, Juristenfakultät

III. Staatsverträge§ Bilaterale und multilaterale Abkommen§ Beispiel: CISG§ Übergänge

Von EVÜ + EuGVÜ zu Rom I-VO + EuGVVO

28

Prof. Dr. Justus Meyer, Juristenfakultät

UN-Kaufrecht (Wiener Kaufrecht, CISG)United Nations Convention on Contracts for theInternational Sale of Goods

§ Bedeutung des Kaufrechts§ Rechtsvergleich seit 1926 (Ernst Rabel)§ Haager Einheitliches Kaufrecht 1964§ Konvention Wien 1980§ Geltung seit 1988§ Geltung in Deutschland 1990/91§ 90 Vertragsstaaten§ „Welthandelsrecht“§ Blueprint UNIDROIT-Prinzipien und EU-Vertragsrecht

29

Prof. Dr. Justus Meyer, Juristenfakultät

III. Staatsverträge§ Einige Akteure

Ø Haager KonferenzØ UNIDROIT

Ø UNCITRAL

§ Typische DiskussionsfelderØ Texteinheit und -mehrheitØ Zentrale und dezentrale Auslegung

Ø Das Revisionsproblem

30

Prof. Dr. Justus Meyer, Juristenfakultät

IV. Rechtsangleichung in den USA§ States law + Federal Law§ Restatements (American Law Institute)

Ø Systematisierung des case law

Ø Allgemeine RegelnØ Vorbild für CFR usw.

§ Uniform Laws / Model Acts (Uniform Law Commission)Ø ModellG => freiwillige Übernahme in BundesstaatenØ Insb.: Uniform Commercial Code

31

Prof. Dr. Justus Meyer, Juristenfakultät

V. Rechtsangleichung durch „Soft Law“§ Begriff

Ø Hard und SoftØ „Law“?

§ BeispieleØ Modellgesetze, Guidelines usw.

32

Prof. Dr. Justus Meyer, Juristenfakultät

IV. Rechtsangleichung durch „Soft Law“§ Begriff

Ø Hard und SoftØ „Law“?

§ BeispieleØ Modellgesetze, Guidelines usw.Ø Prinzipien (z.B. UNIDROIT-Prinzipien für

internationale Handelsverträge - PICC)Ø Regelwerke von Verbänden usw. (z.B. Incoterms)