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IM FOKUS Neuromuskuläre erkraNkuNgeN Im Rahmen des Körperwachstums gesun- der Kinder durchläuft auch das Hüftge- lenk eine spezifische Entwicklung. Hier- bei kommt es zu einer Abflachung des initial steilen Schenkelhalswinkels sowie zur Rückbildung einer vermehrten Ante- torsion auf die Werte eines Erwachsenen. Gleichzeitig reift auch das Pfannendach im Sinne einer Abflachung und verbes- serten knöchernen Überdachung des Fe- murkopfes aus. Die Voraussetzungen für diese Entwicklung sind eine axiale Belas- tung sowie regelrechte Funktion der hüft- umgreifenden Muskulatur. Beide Para- meter sind jedoch bei Patienten mit neu- romuskulären Erkrankungen bzw. spas- tischen Bewegungsstörungen in unter- schiedlichem Ausmaß eingeschränkt. Ein Muskelungleichgewicht und mini- mierte bzw. aufgehobene Gehfähigkeit be- stehen sowohl bei spastischen Bewegungs- störungen als auch bei Erkrankungen, die mit einer schlaffen Lähmung einzel- ner Muskeln einhergehen. Dies erklärt auch, weshalb sich Pathologien im Be- gen kontinuierlich erfolgen, da die Stö- rungen am Bewegungsapparat sich erst allmählich entwickeln und oft der güns- tigste Zeitpunkt für eine Intervention nur durch konstante Beobachtung festgelegt werden kann. Dabei hängt das Ausmaß der skelettären und muskulären Verän- derungen stark von der zugrunde liegen- den neuromuskulären Erkrankung ab. Bei spastischen Bewegungsstörungen führen sowohl Kontrakturen der Hüftgelenksad- duktoren und Flexoren als auch der medi- alen ischiocruralen Muskulatur zu einer vermehrten Instabilität und Lateralisation des Hüftgelenkes (Cornell, 1995), während bei schlaffen Lähmungen eine lähmungs- bedingte Dominanz von Hüftbeugern und Adduktoren über Hüftstrecker und Abduk- toren vorliegt (Bremer, 2003). Knöcherne Veränderungen unterschiedlichen Aus- maßes mit Steilstellung des Schenkelhal- ses, vermehrter femoraler Anteversion und acetabulärer Dysplasie mit Verschlech- terungen des Gangbildes bei gehfähigen Patienten sind die Folge (s. Abb. 1). Die max. Ausprägung dieser Veränderun- gen stellt die Hüftgelenksluxation dar. Die- se kann zu erheblichen Morbiditäten in Form von Schmerzen, Kontrakturen, Sitz-, Steh-, oder Gangproblemen, Hautulzeratio- nen, Windschlagdeformität, Beckenschiefla- ge und Skoliose führen (Hägglund, 2005). Einfluss von neurologischen Erkrankungen und spastischen Bewegungsstörungen auf das Hüftgelenk Neurologische Erkrankungen, welche zu einer Imbalance der hüftumgreifen- den Muskulatur führen, können v.a. am unreifen Skelett erhebliche sekundäre Veränderungen, bis hin zur Hüftgelenksluxation bewirken. Das Wissen um den natürlichen Verlauf der Hüftentwicklung im Rahmen der jeweiligen neurolo- gischen Grunderkrankung und den Effekt der verschiedenen Therapieformen ist daher Grundvoraussetzung, um das Risiko dieser Sekundärveränderungen einschätzen und einen Behandlungsplan erstellen zu können. reich des Hüftgelenkes bei diesen Pa- tienten erst im Rahmen des Wachs- tums einstellen, wenn man von dem extrem seltenen Zusammentreffen einer angeborenen Hüftdysplasie und einer neurologischen Erkrankung ab- sieht. Dies bedeutet, dass bei diesen Patienten der Entwicklung der Hüften nach dem ersten Lebensjahr vermehrt Auf- merksamkeit geschenkt werden muss. So- gar nach Wachstumsabschluss kann bei einer völlig normal entwickelten Hüfte bei Hinzukommen einer neurologischen Erkrankung (erworbener Querschnitt) eine Hüftgelenksluxation auftreten. AnAtOMISche VeränderUngen SeK. hüFtgelenKSerKrAnKUngen Neben den funktionellen Problemen, die sich aus der neurologischen Grunderkran- kung ergeben, entwickeln sich sekundäre Veränderungen am Bewegungsapparat. In Abhängigkeit von der Art der Grunderkran- kung können diese Veränderungen die untere Extremität alleine, die obere und untere Extremität sowie auch die Wirbel- säule betreffen. Mit Ausnahme des ange- borenen Querschnittssyndroms bei der Spina bifida finden sich unmittelbar post- partal am Bewegungs- apparat keine signifikan- ten Veränderungen. Die- se treten erst im Laufe der Entwicklung in Er- scheinung. Die orthopädische Betreu- ung sollte deshalb bei Personen mit neurologi- schen Grunderkrankun- Abb. 1: Steilstellung des Schenkelhalses, ver- mehrte Antetorsion und Subluxation der lin- ken Hüfte bei einem Patienten mit spasti- scher Diplegie (vgl. Abb. 5 postoperativ). Abb.: Universitätsklinik für Orthopädie, Innsbruck 4x Abb. 2: Tetraplegischer Patient mit Adduktions- und Beugekontraktur beider Hüften, Knie- beugekontraktur und Lähmungshackenfuß bds. Beginnende Wind- schlagdeformität auf- grund einer asymme- trisch ausgeprägten Bewegungsstörung. |34

Einfluss von neurologischen Erkrankungen und spastischen ... · atrophie Typ I (Werdnig/Hoffmann) mit Hüftdysplasie und Luxation zu rechnen. Diese Form ist bereits zum Zeitpunkt

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Neuromuskuläre erkraNkuNgeN

Im Rahmen des Körperwachstums gesun-der Kinder durchläuft auch das Hüftge-lenk eine spezifische Entwicklung. Hier-bei kommt es zu einer Abflachung des initial steilen Schenkelhalswinkels sowie zur Rückbildung einer vermehrten Ante-torsion auf die Werte eines Erwachsenen. Gleichzeitig reift auch das Pfannendach im Sinne einer Abflachung und verbes-serten knöchernen Überdachung des Fe- murkopfes aus. Die Voraussetzungen für diese Entwicklung sind eine axiale Belas-tung sowie regelrechte Funktion der hüft- umgreifenden Muskulatur. Beide Para-meter sind jedoch bei Patienten mit neu-romuskulären Erkrankungen bzw. spas-tischen Bewegungsstörungen in unter-schiedlichem Ausmaß eingeschränkt. Ein Muskelungleichgewicht und mini-mierte bzw. aufgehobene Gehfähigkeit be- stehen sowohl bei spastischen Bewegungs-störungen als auch bei Erkrankungen, die mit einer schlaffen Lähmung einzel- ner Muskeln einhergehen. Dies erklärt auch, weshalb sich Pathologien im Be-

gen kontinuierlich erfolgen, da die Stö-rungen am Bewegungsapparat sich erst allmählich entwickeln und oft der güns-tigste Zeitpunkt für eine Intervention nur durch konstante Beobachtung festgelegt werden kann. Dabei hängt das Ausmaß der skelettären und muskulären Verän-derungen stark von der zugrunde liegen-den neuromuskulären Erkrankung ab. Bei spastischen Bewegungsstörungen führen sowohl Kontrakturen der Hüftgelenksad-duktoren und Flexoren als auch der medi-alen ischiocruralen Muskulatur zu einer vermehrten Instabilität und Lateralisation des Hüftgelenkes (Cornell, 1995), während bei schlaffen Lähmungen eine lähmungs-bedingte Dominanz von Hüftbeugern und Adduktoren über Hüftstrecker und Abduk- toren vorliegt (Bremer, 2003). Knöcherne Veränderungen unterschiedlichen Aus-maßes mit Steilstellung des Schenkelhal- ses, vermehrter femoraler Anteversion und acetabulärer Dysplasie mit Verschlech-terungen des Gangbildes bei gehfähigen Patienten sind die Folge (s. Abb. 1).Die max. Ausprägung dieser Veränderun- gen stellt die Hüftgelenksluxation dar. Die- se kann zu erheblichen Morbiditäten in Form von Schmerzen, Kontrakturen, Sitz-, Steh-, oder Gangproblemen, Hautulzeratio- nen, Windschlagdeformität, Beckenschiefla-ge und Skoliose führen (Hägglund, 2005).

Einfluss von neurologischen Erkrankungen und spastischen Bewegungsstörungen auf das Hüftgelenk

Neurologische Erkrankungen, welche zu einer Imbalance der hüftumgreifen-den Muskulatur führen, können v.a. am unreifen Skelett erhebliche sekundäre Veränderungen, bis hin zur Hüftgelenksluxation bewirken. Das Wissen um den natürlichen Verlauf der Hüftentwicklung im Rahmen der jeweiligen neurolo-gischen Grunderkrankung und den Effekt der verschiedenen Therapieformen ist daher Grundvoraussetzung, um das Risiko dieser Sekundärveränderungen einschätzen und einen Behandlungsplan erstellen zu können.

reich des Hüftgelenkes bei diesen Pa-tienten erst im Rahmen des Wachs-tums einstellen, wenn man von dem extrem seltenen Zusammentreffen einer angeborenen Hüftdysplasie und einer neurologischen Erkrankung ab-sieht. Dies bedeutet, dass bei diesen Patienten der Entwicklung der Hüften nach dem ersten Lebensjahr vermehrt Auf-merksamkeit geschenkt werden muss. So- gar nach Wachstumsabschluss kann bei einer völlig normal entwickelten Hüfte bei Hinzukommen einer neurologischen Erkrankung (erworbener Querschnitt) eine Hüftgelenksluxation auftreten.

AnAtOMISche VeränderUngen SeK. hüFtgelenKSerKrAnKUngen

Neben den funktionellen Problemen, die sich aus der neurologischen Grunderkran-kung ergeben, entwickeln sich sekundäre Veränderungen am Bewegungsapparat. In Abhängigkeit von der Art der Grunderkran- kung können diese Veränderungen die untere Extremität alleine, die obere und untere Extremität sowie auch die Wirbel- säule betreffen. Mit Ausnahme des ange-borenen Querschnittssyndroms bei der Spina bifida finden sich unmittelbar post-

partal am Bewegungs-apparat keine signifikan- ten Veränderungen. Die-se treten erst im Laufe der Entwicklung in Er-scheinung. Die orthopädische Betreu- ung sollte deshalb bei Personen mit neurologi- schen Grunderkrankun-

Abb. 1: Steilstellung des Schenkelhalses, ver-mehrte Antetorsion und Subluxation der lin-ken Hüfte bei einem Patienten mit spasti-scher Diplegie (vgl. Abb. 5 postoperativ).

Abb.: U

niversitätsklinik für Orthopädie, Innsbruck 4x

Abb. 2: Tetraplegischer Patient mit Adduktions- und Beugekontraktur beider Hüften, Knie-beugekontraktur und Lähmungshackenfuß bds. Beginnende Wind-schlagdeformität auf-grund einer asymme-trisch ausgeprägten Bewegungsstörung.

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InzIdenz der hüFtgelenKSlUxAtIOn

Die Hüftgelenksluxationsrate bei Spina bifida Patienten ist von der Läsionshöhe abhängig. Das höchste Risiko besteht bei thorakalen und lumbalen Läsionen bis L3. Hier ist häufig die Glutealmuskula-tur von der Lähmung betroffen und es überwiegen die Hüftbeuger und Adduk-toren. Daher ergibt sich ein Risiko einer Hüftdysplasie und Luxation von etwa 47% und sinkt auf ca. 33% bei Läsionshöhe L4 und ca. 20% bei L5, obwohl die höchste muskuläre Imbalance bei Läsionshöhe L4 festzustellen ist (Broughton, 1998). Bei spastischen Bewegungsstörungen ist die Luxationsrate stark mit dem Ausmaß der funktionellen Einschränkung ver-bunden und reicht von 1% bei gehfähigen hemiplegischen Patienten, über 19% bei Diplegikern, bei denen auch eine hohe Wahrscheinlichkeit einer Dysplasie be-steht, bis zu 85% bei meist gehunfähigen tetraplegischen Patienten (Soo, 2006). Mit dem Eintreten der Luxation ist vor allem zwischen dem vierten und siebten Lebens-jahr zu rechnen. Die Gehfähigkeit ist hier, wie auch bei der angeborenen Hüftge-lenksluxation ohne neurologische Grund-erkrankung, nur bedingt im Zusammen-hang mit dem Hüftproblem zu sehen, sondern überwiegend durch das Grund-leiden bestimmt.

KOnSerVAtIVe BehAndlUng

Die orthopädische Behandlung infolge neurologischer Grunderkrankungen er- fordert ein interdisziplinäres Zusammen-

spiel. Essentieller Bestandteil ei- ner Diagnostik sind - v.a. bei zere- bralen Bewegungsstörungen – zu- sätzlich zur klinischen Untersu-chung und bildgebenden Verfah-ren die klinische und instrumen-telle Gang- und Videoanalyse, die bei Planung operativer Eingriffe vorausgehen sollte. Neben konse-quenter motorischer Förderung und Vertikalisierung des Patienten im Zuge der physiotherapeutischen Förderungsbehandlung ist die or- thetische Versorgung unabdingbar (Abb. 3). Eine neue Dimension wurde durch den Einsatz von Botulinumtoxin eröffnet, das durch eine Blockade der neuromuskulä- ren Übertragung einen hemmenden Ef-fekt auf die spastisch überaktive Mus-kulatur erzielt, wodurch operative Inter-ventionen auf einen späteren Zeitpunkt verzögert bzw. teilweise sogar vermieden werden können (Molenaers, 2006).

chIrUrgISche therApIeOptIOnen

Während bisher eine Hüftgelenksluxation bei gehunfähigen Zerebralparetikern nicht unbedingt als Indikation für ein chirur- gisches Vorgehen galt, zeigten Hägglund und Mitarbeiter die Notwendigkeit eines Hüftscreenings und die Indikationen für eine Intervention bei Patienten mit zere-bralen Bewegungsstörungen zur Vorbeu- gung einer Hüftgelenksluxation auf (Häg-glund, 2005). Den entscheidenden Parame-ter stellt der Migrationsindex nach Reimers als Maß für die Lateralisation des Femur-kopfes dar (s. Abb. 4; Reimers, 1980); auch fließen Alter, das Ausmaß der Bewegungs-störung sowie der acetabuläre Index beim Abwägen einer Operation ein.Ein reiner Weichteileingriff in Form einer limitierten Adduktorentenotomie kommt für jüngere Patienten bzw. leichtere For-

men einer Subluxation in Betracht. Wenn es gelingt, das Muskelungleichgewicht vollständig zu beseitigen, ist mit einer Normalisie-rung der weiteren Hüftent-wicklung zu rechnen, die

Verschlechterung der Hüftdysplasie kann damit hintan gehalten werden. In einigen Fällen kommt es jedoch zu einem Rezidiv mit Überwiegen der Adduktoren und kon-sekutiv zu einer Progredienz der Hüftge-lenksdysplasie sowie Laterisation des Fe-murkopfes, welche eine Varisierung und meist gleichzeitige Derotation des Hüftge-lenkes erfordern. Bei ausgeprägter Pfannen- dysplasie ist das Durchführen einer Be-ckenosteotomie nach Pemberton oder De-ga zur Verbesserung der Hüftgelenksü-berdachung zu erwägen (s. Abb. 5).Neben der Notwendigkeit die regelrechte Hüftgelenksartikulation bei zerebralpa-retischen Patienten zu erhalten, werden Eingriffe am Hüftgelenk zur Verbesserung der Funktion bzw. des Gangbildes im Zu- ge von Multileveloperationen nach mehr-facher Ganganalyse elektiv durchgeführt.

zereBrAle BewegUngSStörUng

Grundsätzlich wird davon ausgegangen, dass bei Kindern mit einer hemiple-gischen Form der infantilen Zerebralpa-rese die Gehfähigkeit erreicht wird. Der Zeitpunkt des Gehbeginns kann jedoch deutlich verspätet sein. Sowohl an der unteren als auch an der oberen Extremi-tät sind die Veränderungen meist distal betont. Aus diesem Grund finden sich überwiegend Deformitäten im Fuß- und Handbereich. Hüftgelenkprobleme sind daher eher selten zu erwarten. Bei Hemi-plegikern findet sich typischerweise ein einwärts rotiertes Gangbild, die Antetor- sion des coxalen Femurendes kann ver-mehrt sein, weiters weisen diese Pati-enten leichtgradige Formen einer Hüftdys-

3 a)Abb.3: Lagerungs- und Stehorthese in Abduktionsstellung. Ziel der Vertikalisie-rung ist u.a. die Aus-reifung des Hüftge-lenkes zu fördern.

Abb.4: Lateralisation des Hüftkopfes in % nach Reimers.

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plasie auf. Die Behandlungsgrundsätze sind daher identisch mit denen zur Behand-lung der Hüftdysplasie ohne zerebrale Be- wegungsstörung, nur dass eine Frühbe-handlung unnötig ist, da sich die Hüft-dysplasie erst allmählich entwickelt. Bei Formen ausgeprägter Hüftdysplasie im adoleszenten Alter kann ein korrigieren- der Eingriff am Pfannendach bzw. am co- xalen Femurende zur Verbesserung der Kongruenz nötig sein. Weiters gilt als OP-Indikation, wenn das betroffene Bein in der Schwungphase nicht in der Fortbewe-gungsrichtung nach vorne gebracht wer-den kann. In diesen Fällen kann durch eine intertrochantäre oder supracondyläre De- rotationsosteotomie erreicht werden, dass das Bein in die Fortbewegungsrichtung bei der Schwungphase geführt werden kann. Bei der spastischen Diplegie ist mit hoher Wahrscheinlichkeit mit der Entwicklung einer Hüftdysplasie zu rechnen. Postpar-tum sind die Hüftgelenke nahezu immer normal angelegt, so dass eine Frühbe-handlung der Hüftdysplasie nicht erfor-derlich ist. Kinder mit diplegischer Bewe-gungsstörung haben gute Aussichten, eine selbständige Steh- und Gehfähigkeit zu erreichen, wenn auch mit Hilfsmitteln. Abhängig vom Schweregrad der neurolo-gischen Schädigung entwickelt sich die Steh- und Gehfähigkeit i.A. zwischen dem 4. und 5. Lebensjahr. Im Hüftbereich ist ein Überwiegen des Adduktoren- und Fle- xorentonus ein typisches Kennzeichen

terschiedliche Läsionshöhe besteht, eine Hüftpathologie nur einseitig zu finden ist und eine Gehfähigkeit vorliegt. Bei den Formen, bei denen eine beidseitige Hüftgelenksluxation vorhanden ist und aufgrund der Läsionshöhe das Erreichen der Gehfähigkeit als unwahrscheinlich gilt, sollten die Hüftgelenke im luxierten Zustand belassen werden, da die Luxation keinen funktionellen Nachteil hat und aufgrund der Querschnittssymptomatik mit Schmerzen nicht zu rechnen ist.

neUrOMUSKUläre erKrAnKUngen

Bei den neuromuskulären Erkrankungen ist besonders bei der spinalen Muskel-atrophie Typ I (Werdnig/Hoffmann) mit Hüftdysplasie und Luxation zu rechnen. Diese Form ist bereits zum Zeitpunkt der Geburt durch einen stark verminderten Muskeltonus sowie Schwäche der Mus-kulatur gekennzeichnet. Darüber hinaus ist die Lebenserwartung sehr stark einge-schränkt. Bei Typ II, bei der ein höheres Lebensalter zu erwarten ist, ist mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Steh- und Geh-fähigkeit nicht zu erwarten. Meist entwi-ckeln sich leichte bis mittelgradige For- men der Hüftdysplasie, eine Behandlungs- indikation ist daher nur selten gegeben. Das schwerwiegendste Problem stellt die Skoliose dar, die nahezu bei 100% eintritt.

Dr. med. Rainer Biedermann Medizinische Universität InnsbruckAnichstr. 35, A-6020 InnsbruckE-mail: [email protected]

Literatur: 1) Cornell MS.: „The hip in cerebral palsy”. Dev Med Child Neurol. 1995;37:3-18.2) Bremer R.: „Management der Spina bifida”. Orthopäde 2003;32:85-98.3) Hägglund G. et al.:. „Prevention of dislocation of the hip...”. J Bone Joint Surg [Br] 2005;87:95-101.4) Broughton NS. et al.: „Menelaus’ orthopaedic ma-nagement of spina bifida...”. WB Saunders.1998.5) Soo B. et al.: „Hip displacement in cerebral palsy”. J Bone Joint Surg [Am] 2006; 88:121-9.6) Reimers J.: „The stability of the hip in children...”. Acta Orthop Scand 1980;184:1-97.7) Molenaers G. et al.: „The effects of quantitative gait assessment and Botulinum toxin A...”. J Bone Joint Surg [Am] 2006; 88:161-70.

mit einer relativen Schwäche der Abduk-toren und Extensoren (Glutealmuskula- tur). Das Gangbild ist gekennzeichnet durch Beugestellung im Hüft- und Knie- gelenkbereich, Innenrotation und Adduk-tion im Hüftbereich sowie durch einen tat-sächlichen oder funktionellen Spitzfuß. Die spastische Tetraplegie zeichnet sich dadurch aus, dass sowohl die oberen als auch die unteren Extremitäten von der Bewegungsstörung betroffen sind. Das Risiko der Entstehung von Hüftgelenks-veränderungen ist sehr hoch. Darüber hi- naus besteht ein großes Risiko, dass Kin-der mit einer tetraplegischen Bewegungs-störung nicht steh- und gehfähig werden. Auch finden sich bei diesen häufig Defor-mitäten der Wirbelsäule, zum Teil mas-sive Skoliosen. Ähnlich wie bei den diple-gischen Bewegungsstörungen ist die Hüft- entwicklung sehr früh zu beobachten.

SpInA BIFIdA

Die Art der knöchernen Eingriffe bei Spina bifida Patienten ist prinzipiell die-selbe, jedoch nicht die Indikationsstellung sowie begleitende Weichteileingriffe. An- ders als bei spastischen Bewegungsstörun-gen wird bei der schlaffen Lähmung, die beim Querschnittssyndrom besteht, ver-sucht, das Muskelungleichgewicht durch Muskelverlagerung auszugleichen. Die stark geschwächte oder vollkommen feh-lende Glutealmuskulatur kann durch das Verfahren der Iliopsoasverlagerung nach Sharard kompensiert werden, bei der die Iliopsoassehne vom Trochanter minor ab- gelöst und durch ein Loch im Os ileum zur Spitze des Trochanter major verlagert wird. Der verlagerte Musculus iliopsoas wirkt dabei als Abduktor und Extensor für die Hüfte und kann somit das Muskelun-gleichgewicht kompensieren. Diese Mus-kelverlagerung ist in Abhängigkeit von der vorgefundenen Hüftpathologie mit ei- nem pfannenkorrigierenden Eingriff, evtl. auch mit einem Eingriff am coxalen Fe- murende, zu kombinieren, um sämtli-che Teilaspekte der Hüftgelenksverände- rung zu korrigieren. Dieser Eingriff ist vor allem dann indiziert, wenn eine un-

Abb. 5: Zustand nach intertrochantärer Varisierung und Verkürzung zur Rezentrie-rung des Hüftkopfes sowie Dega-Becken-osteotomie zur Verbesserung der Hüftge-lenksüberdachung (vgl. mit Abb. 1 präope- rativ).

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